Parlamentskorrespondenz Nr. 750 vom 22.10.2004

MINISTER PLATTER GEGEN EINSATZ VON SOLDATEN IN GEFÄNGNISSEN

Sanierung des Militärbefugnisgesetzes im Ausschuss ohne 2/3-Mehrheit

Wien (PK) - Der Landesverteidigungsausschuss hat seine heutige Sitzung unter dem Vorsitz von Ausschussobmann Eugen Bösch mit einer aktuellen Aussprache zum Thema Bundesheerreform eingeleitet.

Bundesminister Platter gab dazu eine Grundsatzerklärung ab, in der er seine Absicht unterstrich, die Empfehlungen der Bundesheerreformkommission umzusetzen. Er sei froh, dass mit den Budgetansätzen für 2005 und 2006 sowie mit der Zusage, 100 % der Erlöse aus Liegenschaftsveräußerungen dem Bundesheer zur Verfügung zu stellen, die finanziellen Grundlagen für die Reform gesichert seien. Die zentralen Aufgaben des Bundesheeres bleiben der militärische Schutz der Bevölkerung, Assistenzdienstleistungen, die Luftraumüberwachung, der Katastrophenschutz und Auslandseinsätze im vollen Spektrum der Petersberger Aufgaben.

In diesem Zusammenhang kündigte der Verteidigungsminister an, das österreichische Kontingent in Bosnien‑Herzegowina auf 300 Soldaten aufzustocken. Platter legte auch ein Bekenntnis zur Miliz ab, fügte aber hinzu, dass die Miliz professionalisiert werden müsse, um volle Einsatzbereitschaft zu erreichen. Die Mob‑Stärke des Bundesheeres werde von 110.000 auf 55.000 Soldaten gesenkt, der Präsenzdienst von acht auf sechs Monate reduziert. Das Bundesheer soll künftig in jedem Bundesland vorhanden sein, wie die Struktur im Einzelnen aussehen werde, sei aber noch offen.

Abgeordneter Anton Gaal (S) sagte dem Bundesminister die Unterstützung der Sozialdemokratie bei der Bundesheerreform zu, soweit sie die dafür notwendigen Informationen erhalte. Gaals konkrete Fragen richteten sich auf das Dienst‑ und Besoldungsrecht und die Einbindung der Personalvertreter.

Abgeordnete Katharina Pfeffer (S) dränge auf die Aufrechterhaltung des Assistenzseinsatzes im Burgenland, um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken.

Abgeordneter Markus Fauland (F) zeigte Interesse an den bisherigen Ergebnissen der Arbeitsgruppen für die BH‑Reform. 

Abgeordneter Erwin Kaipel (S) zeigte sich verwundert, warum trotz Liegenschaftsverkäufen die Mietkosten im Verteidigungsbudget steigen.

Die Abgeordneten Walter Murauer (V) und Peter Pilz (G) baten den Verteidigungsminister um eine Stellungnahme zu dem Vorschlag, Soldaten in Justizanstalten einzusetzen.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) setzte sich dafür ein, Soldaten im Auslandseinsatz Gelegenheit zu geben, den Nationalfeiertag entsprechend zu begehen.

Abgeordnete Stefan Prähauser (S) erbat Auskunft über die angedrohte Zwangsversteigerung einer Kaserne in Bleiburg.   

Abgeordneter Norbert Darabos (S) erkundigte sich nach Plänen zur Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und nach einer allfälligen Vorruhestandsregelung im Bundesheer.

Abgeordneter Werner Kummerer (S) wollte wissen, ob der geplante Ankauf von "Dingos" im Rahmen des Mech-Pakets das Aus für einen Ankauf von Pandur-Radpanzern bedeute. Kummerer kritisierte zudem, dass Krankenpfleger im Auslandseinsatz keine diesbezügliche Zulage erhalten, und schlug vor, für die Heimfahrten von Soldaten im Friedenseinsatz Herkules-Transporter zu verwenden.

Abgeordneter Stefan Prähauser (S) erkundigte sich nach den Hintergründen eines tödlichen Unfalls beim Hantieren mit einem Sturmgewehr in Salzburg. 

Auf die Fragen der Abgeordneten eingehend, bezeichnete es Verteidigungsminister Platter als sein Ziel, die Bundesheerreform so weit wie möglich aus der parteipolitischen Auseinandersetzung herauszuhalten. Änderungen im Dienst- und Besoldungsrecht seien in Vorbereitung und sollen 2005 beschlossen werden. Die Einbindung der Personalvertreter und Gewerkschafter habe er per Weisung angeordnet. Das Thema "Strukturierte Zusammenarbeit" werde derzeit im Österreich Konvent diskutiert. Für ihn sei klar, dass sich die Entsendung von Soldaten für friedenerhaltende und friedenschaffende Maßnahmen im Rahmen der Verfassung bewege und jeweils der Hauptausschuss zu befassen sei.

Wie lange der Assistenzeinsatz an der Ostgrenze dauere, hänge davon ab, wann die Nachbarstaaten die Schengen‑Kriterien erfüllen, teilte der Minister mit.

Bei der Vorbereitung der Bundesheerreform werden zunächst die Struktur der Streitkräfte geplant und dann die Entscheidung über Standorte getroffen. Die parlamentarische Diskussion soll im Jahr 2005 zu einer Beschlussfassung Mitte des Jahres führen.

Die Mietkosten im Verteidigungsbudget steigen wegen höherer Mietkosten im Bereich der Dienstwohnungen, teilte der Minister mit.

Um das Bundesheer in die Lage zu versetzen, die Petersberger Aufgaben im vollen Umfang erfüllen zu können, sei bei der Ausrüstung noch Nachholbedarf zu decken, räumte der Minister ein.

Bei der Reduzierung der Mob‑Stärke des Heeres auf 55.000 Soldaten gehe er von einem Stand von 30.000 Milizsoldaten aus.

Einen Einsatz von Soldaten in Justizanstalten hielt der Verteidigungsminister, anders als manche Experten, für verfassungsrechtlich nicht möglich. Er sagte auch, dass er dies für falsch halten würde, der Dienst in Gefängnissen sei keine Aufgabe des Bundesheeres, es würde ein Bild entstehen, das an Zeiten erinnere, die er nicht haben möchte.

Die Soldaten im Auslandseinsatz werden Gelegenheit haben, den Nationalfeiertag feierlich zu begehen. Neben einer Flaggenparade ist ein Empfang für die UN‑Kontingente anderer Nationen geplant.

Die optisch ungünstige Androhung einer Zwangsversteigerung der Kaserne Bleiburg konnte durch die Bezahlung der diesbezüglichen Forderung abgewendet werden.

Der EADS‑Vertrag sehe Ausstiegsklauseln vor, der Vertrag für die zweite Tranche der Eurofighter‑Produktion sei unterzeichnet (dazu Fragen der SP-Abgeordneten Stefan Prähauser und Beate Schasching).

Die allgemeine Wehrpflicht bleibe im Umfang von sechs Monaten weiter aufrecht.

Die 20 Radpanzer des Typs "Dingo" würden beschafft, weil sie im Auslandseinsatz dringend benötigt werden. Der Pandur sei beim Heer weiterhin gefragt, am Pflichtenheft werde gearbeitet, teilte der Minister mit.

Das Auslandseinsatz‑Zulagen der österreichischen Soldaten liegen im internationalen Vergleich auf einem hohen Level, daher werden im Inland übliche Zulagen nicht zusätzlich ausbezahlt.

Es wäre zu teuer, Herkules‑Flüge speziell für Soldatenheimfahrten einzusetzen, es werde aber angeboten, dass Soldaten Transportflüge nützen. Der bedauerliche Unfall in Salzburg sei auf die Manipulation von Übungsmunition zurückzuführen gewesen, klärte der Ressortleiter auf.

SANIERUNG DES MILITÄRBEFUGNISGESETZES MIT BREITER MEHRHEIT AN DAS PLENUM VERABSCHIEDET

Dann wandten sich die Abgeordneten der Regierungsvorlage zur Reparatur des Militärbefugnisgesetzes im Sinne der Einwände des Verfassungsgerichtshofes zu. Die Festnahmebefugnis von Wacheorganen bei Angriffen gegen militärische Rechtsgüter wird auf jene Fälle eingeschränkt, in denen der Verdacht auf ein Delikt vorliegt, das von einem Gericht erster Instanz zu ahnden ist. Festgenommene sollen sofort an das zuständige Gericht überstellt werden.

Die Frage, wie "dicht" Eingriffe bei nachrichtendienstlichen Observierungen sein dürfen, könne künftig aufgrund präziser und konkreter Kriterien beantwortet werden. Jede sensible Datenermittlung setze die Verständigung des Verteidigungsministers und des Rechtsschutzbeauftragten voraus. - Die Regierungsvorlage (652 d.B.) wurde in der Fassung eines V-F-Abänderungsantrages redaktionellen Inhalts mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet.

Ein spezielles Bundesverfassungsgesetz, das Abgeordneter Walter Murauer in der Debatte einbrachte, um die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten nach dem Militärbefugnisgesetz verfassungsrechtlich abzusichern, erreichte zwar die Mehrheit ÖVP und FPÖ, nicht aber die im Plenum notwendige Zweidrittelmehrheit.

Abgeordneter Anton Gaal (S) begründete die Ablehnung der Regierungsvorlage durch seine Fraktion, indem er feststellte, dass die grundsätzlichen Bedenken der Sozialdemokratie gegen das Militärbefugnisgesetz nicht ausgeräumt seien, auch wenn nicht zu übersehen sei, dass es sich um Verbesserungen handle. Ihm gehe es um einen starken und unabhängigen Rechtsschutz nach dem Vorbild der Bundesheerbeschwerdekommission. Die vorliegende Reparatur gehe ihm zu wenig weit.

Die VP-Abgeordneten Walter Murauer und Michael Ikrath konnten Gaals Argumentation nicht folgen, setze die Novelle doch zu 100 % die Vorschläge des Verfassungsgerichtshofes um. Besonders bedauerlich sei, dass die SPÖ die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Verankerung des unabhängigen und weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten in der Verfassung verhindere.

Abgeordneter Peter Pilz (G) wiederholte die prinzipielle Kritik seiner Fraktion am Militärbefugnisgesetz und beklagte, dass rechtliche Unbestimmtheiten auch durch die vorliegende Novelle nicht verbessert würden. Pilz plädierte dafür, den Abschluss der Arbeiten des Österreich-Konvents abzuwarten, der sich mit der Frage der parlamentarischen Kontrolle von weisungsfreien Organen befasse.

Abgeordneter Walter Schöls (V) forderte die SPÖ auf, ein VfGH‑Urteil nicht in Frage zu stellen, indem sie eine Gesetzesänderung ablehne, die diesem Urteil Rechnung trage.

Auch Verteidigungsminister Platter sprach von einer hundertprozentigen Sanierung des Gesetzes, einem deutlich größeren Rechtsschutz bei der verdeckten Ermittlung und voller Transparenz über Ton‑ und Bildaufzeichnungen im Rahmen nachrichtendienstlicher Tätigkeit im zuständigen parlamentarischen Unterausschuss.

Da die Frist für die Sanierung des Gesetzes bis Ende des Jahres fixiert sei, könne man nicht darauf warten, bis der Konvent seine Arbeiten abgeschlossen habe, sagte der Heeresminister. (Schluss)