Parlamentskorrespondenz Nr. 677 vom 30.06.2011

Gesundheitsausschuss ebnet Weg für transparentere Wartelisten

Stöger soll zentrales Hüftendoprothesen-Register umsetzen

Wien (PK) – Für planbare Operationen in den Sonderfächern Augenheilkunde und Optometrie, Neurochirurgie sowie Orthopädie und orthopädische Chirurgie wird es zukünftig transparente Wartelisten geben: Der Gesundheitsausschuss verabschiedete heute Nachmittag einstimmig eine Novelle des Bundesgesetzes über Kranken- und Kuranstalten, mit der die Landesgesetzgeber zur Umsetzung eines entsprechenden Wartelistenregimes verpflichtet werden.

Die Gesetzesinitiative sieht außerdem die Aufnahme eines SeniorInnenvertreters in die Ethikkommission, den Entfall des Entschädigungs- und Kostenbeitrags für die Anstaltspflege von OrganspenderInnen und die Etablierung einer Opferschutzgruppe für volljährige Betroffene häuslicher Gewalt vor. Einstimmig nahm man außerdem eine Ausschussfeststellung an, die vorsieht, den erhöhten Schutzbedürfnissen von behinderten Menschen in Kinder- und Opferschutzgruppen Rechnung zu tragen und den barrierefreien (kommunikativen) Zugang zu ihnen zu gewährleisten. Ein inhaltlich fast identer Abänderungsantrag der Grünen verfehlte hingegen die erforderliche Mehrheit.

Einstimmig angenommen wurden Änderungen betreffend die Organisation des Obersten Sanitätsrates (1226 d.B.): Alle Fraktionen zeigten sich einig, dass die mit der Novelle verbundene Modernisierung des Beratungsgremiums erforderlich ist. Der Oberste Sanitätsrat soll demnach zukünftig als Kommission im Sinne des Bundesministeriengesetzes eingerichtet werden. In Hinblick auf seine Zusammensetzung schreibt man außerdem eine Frauenquote von 40% fest. Der von Abgeordnetem Kurt Grünewald (G) in einem Abänderungsantrag zur Novelle geforderten Bekanntmachung von Interessenskonflikten und etwaigen Änderungen innerhalb des Gremiums über die Homepage des Gesundheitsministeriums wollten SPÖ, ÖVP und BZÖ nicht nähertreten.

Gleichfalls einstimmig nahm der Gesundheitsausschuss einen S-V-Antrag (1474/A) an, der auf eine Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs der Apothekerkammer abzielt: Diese soll nunmehr auch für Meldeverfahren für ApothekerInnen, die vorübergehend oder gelegentlich als Erbringer von Dienstleistungen in Österreich tätig sein wollen, verantwortlich zeichnen. Ein bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag stellte sicher, dass bei Kammerwahlen auch dann eine Wahl durchzuführen ist, wenn in einem Wahlkreis nur ein zugelassener Wahlvorschlag vorliegt.

Ein weiterer einstimmig im Gesundheitsausschuss angenommener Antrag (1475/A) betreffend Abänderung des Arzneiwareneinfuhrgesetzes macht Aufwandsentschädigungen für Blutspenden zulässig. Dabei darf es sich allerdings nur um einen Ersatz des dem Spender tatsächlich entstandenen Aufwands (z. B. Anfahrtskosten) handeln, nicht aber um einen Pauschalsatz. Ausgeschlossen bleibt weiterhin der Abgleich der Spende in Form von Bargeld oder anderen entsprechenden Leistungen. Österreich reagiert mit dieser Novelle auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.

Transparente Wartelisten sollen Zwei-Klassen-Medizin verhindern

Die transparente Gestaltung von Wartelisten für planbare Eingriffe ist ein Schritt in die richtige Richtung: Davon zeigten sich Abgeordnete von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen im Rahmen der Debatte überzeugt. G-Mandatar Kurt Grünewald mahnte jedoch ein, sicherzustellen, dass es durch die Ausführungsgesetzgebung der Länder nicht zur Etablierung neun verschiedener Wartelistenregime komme, und regte die Vorschreibung bundeseinheitlicher Standards an. Laut dem Grünen Gesundheitssprecher gelte es außerdem zu überlegen, ob angesichts der Tatsache, dass viele Hüftoperationen von UnfallchirurgInnen durchgeführt würden, in ausgewählten Sonderfällen nicht auch eine Aufnahme dieses Fachs in die Regelung zielführend wäre. Was die Frage von Abgeordneter Ursula Haubner (B) nach der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Gesetzesinitiative anbelangt, beruhigte S-Mandatar Johann Maier, dass die gefundene Lösung keine solchen Bedenken hervorrufen müsse.

Dass nun auch ein SeniorInnenvertreter in die Ethikkomission aufgenommen wird, bewertete vor allem Abgeordnete Gertrude Aubauer (V) als begrüßenswertes Signal, das das Vertrauen älterer Menschen in die klinische Forschung stärken könne. B-Mandatarin Ursula Haubner regte in diesem Zusammenhang an, auch über die Aufnahme eines Jugendvertreters nachzudenken.

Auf allgemeine Zustimmung traf auch die Tatsache, dass die gegenständliche Novelle den Entschädigungs- und Kostenbeitrag für die Anstaltspflege von OrganspenderInnen entfallen lasse. Im Falle von Hirntoten, die als OrganspenderInnen fungierten, sei die Einhebung eines solchen bereits heute gesetzlich ausgeschlossen, informierte S-Mandatarin Sabine Oberhauser.

Gesundheitsminister Alois Stöger erläuterte, bei der heute zu beschließenden Gesetzesnovelle handle es sich um einen Schritt, der mehr Gerechtigkeit ins heimische Gesundheitssystem bringe. Neben der Etablierung des angesprochenen Wartelistenregimes stärke vor allem die Einrichtung von Opferschutzgruppen das Vertrauen der Menschen in diesen Sektor. Die Aufnahme eines SeniorInnenvertreters in die Ethikkommission halte er, so Stöger, außerdem für eine Notwendigkeit. Wie S-Mandatar Johann Hechtl angesprochen habe, werde damit den demografischen Gegebenheiten Rechnung getragen. Was die Bedenken von Abgeordnetem Grünewald in Hinblick auf verschiedenartige Wartelistenregime anbelange, setze die Bundesverfassung kompetenzrechtlich Grenzen, die auch der Gesundheitsminister zu beachten habe. Persönlich plädiere er aber immer noch für ein bundeseinheitliches Krankenanstaltengesetz, das in dieser Problematik Abhilfe schaffen könnte.

Einführung eines zentralen Hüftendoprothesen-Registers wird überlegt

Mit der Novelle des Bundesgesetzes über Kranken- und Kuranstalten mitverhandelt wurden auch drei Anträge der Opposition. In ihnen sprechen sich BZÖ, FPÖ und Grüne für die Abschaffung des Krankenhauskostenbeitrags für OrganspenderInnen (1370/A[E]) und die Einführung eines zentral geführten und auswertbaren Hüftendoprothesen-Registers aus (1541/A[E] und 1562/A[E]).

Der Antrag des BZÖ war durch die Neuregelung des Bundesgesetzes über die Kranken- und Kuranstalten obsolet geworden und wurde deshalb abgelehnt. Die Forderung von Freiheitlichen und Grünen fanden zwar ebenfalls keine Zustimmung, veranlassten die Regierungsfraktionen aber zur Einbringung eines Entschließungsantrags, in dem Gesundheitsminister Stöger ersucht wird, die bestehenden Rechtsvorschriften betreffend Hüftendoprothesen-Register unter den Gesichtspunkten der Medizinproduktevigilanz und der Ergebnisqualitätsmessung zu evaluieren und die notwendigen Voraussetzungen für seine flächendeckende Umsetzung zu schaffen. In diesem Zusammenhang solle auch die Möglichkeit der Integration anderer Endoprothesen – insbesondere im Kniebereich – überprüft werden. Der S-V-Antrag wurde von allen Fraktionen unterstützt.

V-Mandatar Erwin Rasinger meinte, dass es durchaus Sinn mache, eine derartige Überwachung bei rund 20.000 Hüft- und 16.000 Knieoperationen jährlich vorzusehen: Bei einer so großen Fallzahl könnten schließlich sinnvolle Vergleiche angestellt werden. Auch die Abgeordneten Andreas Karlsböck (F) und Kurt Grünewald (G) warben für die Einführung eines zentralen und bundeseinheitlichen Hüftendoprothesen-Registers: Es bringe für die PatientInnen schließlich mehr Produktsicherheit, gab Karlsböck zu bedenken.

Bestimmungen über den Obersten Sanitätsrat werden modernisiert

In einem weiteren Diskussionsblock befasste sich der Ausschuss mit einer Novelle des Bundesgesetzes über den Obersten Sanitätsrat, die von allen Fraktionen gebilligt wurde. Die Änderung der gesetzlichen Grundlagen für dieses wichtige Beratungsgremium sei dringend notwendig gewesen, erläuterte V-Mandatar Erwin Rasinger, schließlich stammten die Bestimmungen des OSR-Gesetzes noch aus Zeiten der Monarchie. Abgeordnete Renate Csörgits (S) hob die Bedeutung der Verankerung eines Frauenanteils von 40% im Obersten Sanitätsrat als richtige Entscheidung hervor. Zustimmend zum vorliegenden Gesetz äußerte sich auch der Freiheitliche Mandatar Andreas Karlsböck: Er begrüßte, dass man die Regelung, wonach dem Gesundheitsminister das alleinige Recht zur Beschickung des Gremiums zugekommen wäre, aufgegeben habe.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) zeigte sich erfreut darüber, dass nun auch Fragen der Unvereinbarkeit einer Tätigkeit im Obersten Sanitätsrat mit anderen Positionen geregelt werden konnten. G-Mandatar Kurt Grünewald wünschte sich in diesem Zusammenhang eine noch etwas weitergehende Bestimmung: In einem Entschließungsantrag, der allerdings nicht ausreichend unterstützt wurde, fordert er die Bekanntmachung von Interessenskonflikten und etwaigen Änderungen über die Homepage des Gesundheitsministeriums, um an internationale Standards anzuschließen. 

Gesundheitsminister Alois Stöger zeigte sich erfreut über die breite Zustimmung zum Gesetzesentwurf. Diese Neuregelung bringe schließlich eine Modernisierung der Rechtsgrundlagen und damit auch ein Mehr an Rechtssicherheit. Was die Mitglieder des Obersten Sanitätsrats anbelange, seien sie alle ehrenamtlich tätig, gab Stöger in Hinblick auf die Diskussion um Interessenskonflikte zu bedenken.

Kontroverse Diskussion um Ausweitung von Impfprogrammen

Des Weiteren befasste sich der Ausschuss mit einer Reihe von Oppositionsanträgen, die sich des Themenbereichs der Vorsorge annahmen: So setzt sich die Freiheitliche Fraktion für eine Erweiterung des Kinderimpfprogramms um Hepatitis A-, HPV-, Pneumokokken- und Meningokokken-Impfungen (185/A[E], 192/A[E], 619/A[E] und 620/A[E]), kostenlose FMSE-Impfungen für alle Kinder und Jugendlichen (621/A[E]) sowie kostenfreie Tuberkulose- und Tetanus-Impfungen für PolizistInnen (1158/A[E]) ein. Das BZÖ fordert die Aufnahme einer Hebammenberatung und –betreuung in den Mutter-Kind-Pass (165/A[E]) und die Kostenfreistellung notwendiger Impfungen für Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehren (1539/A[E]).

Das Gros dieser Anträge wurde unter Hinweis auf das Kostenargument von Seiten der Regierungsfraktionen abgelehnt. Allein in Hinblick auf die Fragen der Aufnahme der HPV-, Pneumokokken- und Meningokokken-Impfung in das Kinderimpfprogramm zeigte man sich diskussionsbereit: Um eine weitere Reflexion über diese Forderungen zu ermöglichen, wurden die diesbezüglichen Anträge mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

Die Oppositionsparteien konnten dieses Vorgehen nicht nachvollziehen: Es sei höchste Zeit, Initiativen zu setzen, stand etwa für F-Mandatar Andreas Karlsböck fest. Auch Abgeordnete Ursula Haubner (B) wollte das Argument von ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, dass die geforderten Aufnahmen, die 6 Mio. € an Mehrkosten verursachen würden, nicht finanzierbar seien, nicht gelten lassen: Für sie und ihren Fraktionskollegen Wolfgang Spadiut stand außer Frage, dass Vorsorge günstiger sei als die Reparatur von Gesundheitsschäden. Diese Meinung vertrete schließlich auch der Rechnungshof, erinnerten sie.

G-Abgeordneter Kurt Grünewald wollte die Diskussion um die Implementierung neuer Impfungen im Kinderimpfprogramm differenziert geführt wissen. Seiner Ansicht nach könnte die Aufnahme von HPV-, Meningokokken- und Pneumokokken-Impfungen aber durchaus sinnvoll sein.

Namens der Freiheitlichen Fraktion pochten die Abgeordneten Andreas Karlsböck, Werner Herbert, Bernhard Vock und Dagmar Belakowitsch-Jenewein auf eine Ausweitung des Kinderimpfprogramms um die nachgewiesenermaßen gegen Krebserkrankungen wirksame HPV-Impfung und die kostenlose Versorgung von PolizistInnen mit Tetanus- und Tuberkulose-Impfungen. Letztere Forderung stieß bei SPÖ und ÖVP allerdings auf Unverständnis: Tuberkulose-Impfungen gebe es schließlich nicht mehr, erklärten S-Mandatarin Sabine Oberhauser und V-Abgeordneter Erwin Rasinger, und für die Tetanus-Immunisierung, die im Bedarfsfall aufgefrischt werden müsse, lege man schon im Kindesalter den Grundstein.

Was die Forderungen betreffend Kostenfreistellung notwendiger Impfungen für MitarbeiterInnen der Freiwilligen Feuerwehren anbelange, verwies S-Abgeordneter Erwin Spindelberger auf die Möglichkeit, diese durch die Gemeinden finanzieren zu lassen – eine Argumentation, die bei den MandatarInnen des BZÖ aber nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe stieß. 

Im Anschluss an diese Diskussion verabschiedete der heutige Gesundheitsausschuss eine Novelle des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes und einen von 4-Parteien-Antrag betreffend Reform und Neustrukturierung der Kontrollen entlang der Lebensmittelkette. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss)