Parlamentskorrespondenz Nr. 861 vom 30.09.2011

Nationalrat - FPÖ-Dringliche zum Thema Inserate an den Bundeskanzler

Werner Faymann weist alle Vorwürfe der FPÖ vehement zurück

Wien (PK) – Nach dem Beschluss des Nationalrats zur Teilnahme Österreichs an der Ausweitung des Euro-Haftungsschirms wandten sich die Abgeordneten der Behandlung einer Dringlichen Anfrage der FPÖ an Bundeskanzler Werner Faymann zu. "Schaltung von Inseraten im persönlichen politischen Interesse des Werner Faymann" lautete der Titel der Anfrage (9357/J), deren Begründung FPÖ-Klubobmann Heinz Christian STRACHE (F) als erster Redner ausführte. Zunächst warf Strache dem Bundeskanzler im Zusammenhang mit der Aufstockung des österreichischen Haftungsanteils am Euro-Rettungsschirm Wortbruch vor und erinnerte an das seinerzeitige Versprechen Faymanns, alle maßgeblichen Änderungen der EU-Verträge einer Volksabstimmung zu unterziehen. Alleine dieser Wortbruch rechtfertige einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler, meinte er und stellte einen solchen in Aussicht.

Was die umstrittenen Inserate der ÖBB und anderer staatsnaher Unternehmen betrifft, hielt Strache Faymann vor, nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden zu können. Für ihn ist es aufgrund von Zeugenaussagen bewiesen, dass Faymann in seiner Funktion als Infrastrukturminister massiven Druck auf die ÖBB und die ASFINAG ausgeübt hat, in bestimmten Medien zu inserieren, beziehungsweise manche Inserate sogar selbst in Auftrag gegeben hat. Strache wertete dies als "skrupellosen Missbrauch" von öffentlichen Steuergeldern zum Zweck der Selbstbeweihräucherung. Die Staatsanwaltschaft ermittle zu Recht wegen Amtsmissbrauchs und Untreueverdacht, betonte er.

Strache geht, wie er sagte, davon aus, dass gegen Faymann nach Abschluss der Ermittlungen Anklage erhoben wird. Er hält ihn in diesem Sinn als Bundeskanzler nicht mehr für tragbar. Generell mahnte Strache eine volle und restlose Aufklärung aller zuletzt diskutierten Korruptionsaffären ein und machte geltend, er selbst habe in der FPÖ für einen "Selbstreinigungsprozess" gesorgt.

Bundeskanzler Werner FAYMANN (S) wies sämtliche Vorwürfe Straches mit dem Argument zurück, dass diese jeder Grundlage entbehrten. Er habe keine Weisungen ausgeübt, die ihm nicht zustünden, bekräftigte er. Strache habe, so Faymann, Zitate einfach aus dem Zusammenhang gerissen.

Dass von Seiten des Ministeriums mit Managern staatsnaher Unternehmen über Inserate gesprochen worden sei, bezeichnete Faymann als Selbstverständlichkeit. Schließlich sei der Verkehrsminister für Betriebe wie die ÖBB und die ASFINAG politisch verantwortlich, argumentierte er. In diesem Sinn habe es immer wieder Gespräche über die Leistungsfähigkeit der Unternehmen, Milliardeninvestitionen oder das Image der Unternehmen gegeben. Entscheidungen über Inserate seien letztendlich aber immer dort getroffen worden, wo sie hingehörten: im Unternehmen selbst.

Die Anzeige der FPÖ gegen ihn qualifizierte Faymann als Manöver, um von den Korruptionsfällen abzulenken. Mehr als die Anzeige der FPÖ liege nicht am Tisch, meinte er. Was die künftige Vorgangsweise bei Inseraten anlangt, wies der Bundeskanzler auf das Transparenzpaket hin, das auch Neuregelungen für Regierungsinserate vorsehe.

Bei der Beantwortung der einzelnen Fragen der Dringlichen Anfrage hielt sich Faymann kurz. Er verwies unter anderem auf die Beantwortung schriftlicher Anfragen und unterstrich, dass es bei einem überwiegenden Teil der angesprochenen Inserate kein Foto von ihm gebe. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden seine Amtsführung nicht beeinträchtigen, versicherte er. Ihm sei auch kein einziger Fall bekannt, dass er oder einer seiner Mitarbeiter Inseratenvereinbarungen mit Zeitungen zu Lasten von staatsnahen Unternehmen geschlossen habe.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (G) sprach von einer "verhöhnenden Stellungnahme" Faymanns. Er betonte, dass die Anzeige der FPÖ gegen Faymann nicht das einzige sei, das am Tisch liege. Vielmehr seien aufgrund dieser Anzeige von Seiten der Staatsanwaltschaft bereits Ermittlungen aufgenommen und Zeugen befragt worden. Seiner Meinung nach geht es nicht an, "in den Steuertopf zu greifen", um sich selbst zu inszenieren. Täglich kämen, so Vilimsky, neue Fakten ans Tageslicht. Er selbst geht von schwerer Nötigung und Steuergeldveruntreuung durch Faymann aus. Der Untersuchungsausschuss werde einiges zu Tage bringen, zeigte sich Vilimsky überzeugt, es werde nicht gelingen, die Vorwürfe "lapidar wegzuwischen".

Zur Bekräftigung der Kritik an Faymann brachte Vilimsky namens der FPÖ einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler ein.

Abgeordneter Josef CAP (S) spielte den Ball an die FPÖ zurück und meinte, die "Aufräumarbeiten" für die Zeit ihrer Regierungsbeteiligung seien heute noch nicht abgeschlossen. Die Behauptung, der Journalismus sei in Österreich käuflich, wies er zudem als "unfassbar" zurück. Strache empfahl er überdies unter Anspielung an den Fall Scheuch, seine Forderungen nach Rücktritt nicht hier im Parlament, sondern beim Landesparteitag in Kärnten zu erheben. Die Kritik der FPÖ qualifizierte Cap insgesamt als Ablenkungsmanöver.

Die Inserate verteidigte der SP-Klubchef hingegen als Ausdruck der Informationspflicht der Bundesregierung, gehe es doch darum, die Bevölkerung in Massenmedien über wichtige Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Der einzige Grund für den heutigen Misstrauensantrag sei, dass die FPÖ den Bundeskanzler "nicht mag", vermutete Cap.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) bemerkte, Cap sei wohl nicht die Ernsthaftigkeit des Themas bewusst, und meinte, in diesem Land habe man sehr wohl ein Problem mit Moral und Anstand, die Politik sei deshalb bereits an einem Tiefpunkt in der öffentlichen Akzeptanz angelangt. Alle haben darunter zu leiden, weil einige Wenige Dinge machen, die moralisch verwerflich und gesetzlich verboten sind, klagte er.

Kopf zeigte sich erfreut, dass nun ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, sah aber auch gesetzlichen Handlungsbedarf, so etwa in Bezug auf Medientransparenz und Offenlegungsgebote für Politikereinkommen, für Parteispenden und für öffentliche Aufträge an Parteien. Kopf drängte auf Erstellung eines zeitlichen Fahrplans für eine gesetzliche Paketlösung und meinte, noch vor Weihnachten müsste es gelingen, die entsprechenden parlamentarischen Beschlüsse zu fassen.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) sah bei der Frage der politischen Moral nicht nur das Strafrecht angesprochen und meinte, nicht alles, was nicht verboten ist, sei auch moralisch zu verantworten, dies gelte vor allem auch für das Thema Inserate. Zu glauben, dass Medienpolitik via Inserate nur beim Bundeskanzler gemacht werde, wäre aber allzu blauäugig, gab Brosz zu bedenken und verwies in diesem Zusammenhang auf Inseratenkampagnen anderer Regierungsmitglieder.

Klar war für den Redner, dass sämtliche Inserate nun auf den Tisch kommen und aufgeklärt werden sollten, ein bloßer Beirat werde dafür nicht ausreichen. Auch bedürfe es seiner Einschätzung nach hinsichtlich der Inserateneinschaltungen strengerer Richtlinien, reine Imagewerbung sei schlechthin zu verbieten. Aufklärung verlangte Brosz überdies über die Finanzierung von Inseraten in Parteizeitungen. Den Misstrauensantrag lehnte er ab, wobei er argumentierte, erst sollte untersucht werden, dann seien allfällige politische Konsequenzen zu ziehen.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) warf Regierungsmitgliedern vor, auf Steuerzahlerkosten Inserate zu schalten, und übte in diesem Zusammenhang heftige Kritik an Werner Faymann und Alois Stöger. Er entrüstete sich vor allem über ein Inserat, in dem der Gesundheitsminister Ernährungstipps für richtige Ernährung im Herbst gab, und meinte empört, es gehe nicht an, Tausende Euro Steuergeld für die Empfehlung, Kürbis zu essen, auszugeben. Aufklärungsbedarf sah Petzner auch hinsichtlich der ÖBB-Inserate sowie in Bezug auf eine Werbebroschüre des Innenministeriums im Zuge des EU-Wahlkampfs für Ernst Strasser.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) trat dafür ein, bei der Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss klar zwischen den Regierungsinseraten und der unzulässigen Einflussnahme von Regierungsmitgliedern in staatsnahen Unternehmen zu trennen. Es gehe im Übrigen darum, alles aufzuklären, auch die Vergabepraxis bei Staatsbürgerschaften, stellte er klar. Rosenkranz warnte vor einem "Abdrehen" des Untersuchungsausschusses wegen Zeitdrucks vor der nächsten Wahl und forderte, die Causa Faymann müsse am zeitnahesten ermittelt werden.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) begrüßte die Erweiterung des Medientransparenzgesetzes um den Beirat, warnte aber davor, Medien in gute und böse zu teilen, dies würde auch der Demokratie schaden. Was den kommenden Untersuchungsausschuss betrifft, stand für Rudas fest, dass auch sämtliche Inserate aus der Zeit der Schwarz-blauen Regierung aufgeklärt werden müssen. Der FPÖ warf sie vor, systematisch in die eigene Tasche gearbeitet zu haben, wobei sie u.a. die Fälle Meischberger und Scheuch ansprach.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) schlug vor, die Presseförderung aufzustocken und dafür Regierungsinserate zu verbieten. Sie wies die Argumentation von Faymann und Ostermayer als "Eiertanz" und "Sophistik" zurück und meinte, es sei klar, dass die nun kritisierten Inserateneinschaltungen auf politische Einflussnahme zurückzuführen waren und dass es sich dabei mehr als bloß um eine "patscherte G'schicht" handle. Rasche Aufklärung sei notwendig, entsprechende Gesetze hätten ohne Verzögerung bis Weihnachten beschlossen zu werden.  

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) sparte nicht mit Kritik an die Adresse beider Regierungsfraktionen und bemerkte pointiert, das aktuelle Geplänkel in der Koalition sei so, "wie wenn der Bucklige den Hatscherten schimpft". Die Inserate stufte er zudem als kontraproduktiv ein, wobei er feststellte, die Menschen könnten die Regierungsmitglieder "eh schon nicht mehr sehen". Die Koalition habe nichts Nennenswertes geleistet, gebe aber Millionenbeträge für Inserate aus. Grosz schlug vor, in Zukunft Öffentlichkeitsmaßnahmen nur noch dann zu schalten, wenn dazu ein eindeutiger gesetzlicher Auftrag vorliegt, und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Vorgangsweise bei der Information über das Kindergeld.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) meinte, bei den Inseraten im persönlichen Interesse des Bundeskanzlers gehe es nicht mehr um die Frage, ob, sondern wie und warum sie geschaltet wurden, und um die politische Verantwortung dafür. Zu glauben, dass durch solche Inserate keine Einflussnahme auf die Medien erfolgt sei, falle ihm schwer. Hier gehe es um vielmehr um systematisch ausgeübte "Haberei". Die Schuld liege sicher nicht bei der ÖBB, sondern es handle sich um ein System, das Werner Faymann schon in Wien kennengelernt habe. Der Redner beschuldigte Bundeskanzler Faymann, bereits als Stadtrat und in seiner Verantwortung für die ASFINAG große Summen faktisch veruntreut zu haben. Der Kanzler arbeite innerhalb eines System der systematischen Rechtsbeugung, sagte der Redner, die FPÖ trete daher für Aufklärung ein.

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) sah "primitive und impertinente" Angriffe gegen den Bundeskanzler, welche bezweckten, die gute und konsequente Arbeit der Bundesregierung unter Bundeskanzler Faymann herabzusetzen. Es handle sich also um ein bloßes Ablenkungsmanöver. Die Inserate im Auftrag des damaligen Infrastrukturministers Faymann seien im Interesse des Unternehmens ÖBB geschaltet worden. Was die FPÖ und das BZÖ angehe, so gebe es genug Beispiele von mit Steuergeldern bezahlten Inseratenkampagnen, die "lupenreine Parteiwerbung" darstellten, replizierte Kräuter auf die Vorwürfe seiner Vorredner.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) sah zwei heikle Bereiche. Es gehe erstens um die Frage, ob tatsächlich Anweisungen an Unternehmen gegeben wurden, Regierungsparteien Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Zweitens sei auch die Praktik, die eigene Regierungspolitik durch Inserate zu bewerben und sich damit das Wohlwollen der Medien zu erkaufen, zu durchleuchten. Diese gehöre abgestellt, davon sei keine der Regierungsparteien auszunehmen. Allerdings sei ein vergleichbares Vorgehen auch auf Bundesländerebene festzustellen. Ein erster Lösungsansatz sei es, Informationskampagnen künftig ohne Politikerbilder zu gestalten, das würde sie sofort weniger attraktiv für Parteipolitik machen. Es stehe der Verdacht der Anstiftung zur Untreue im Raum, meinte Stadler, doch werde das BZÖ im Nationalratsplenum darüber kein Urteil fällen und dem Misstrauensantrag nicht zustimmen, sondern das Ergebnis des Untersuchungsausschusses abwarten. In ihm müsse auch das Naheverhältnis von Politik und Medien untersucht und transparent gemacht werden.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) entnahm der Rede von Bundeskanzler Faymann das Eingeständnis, dass aus dem Bundeskanzleramt Druck auf Medien ausgeübt werde. Erschütternd sei dabei die Unverfrorenheit, mit der dies geschehe. Es zeige sich hier ein System, das dazu diene, öffentliche Gelder für Parteizwecke zu verwenden. Jetzt sei dieses "System von Werner Faymann", das er in der Wiener SPÖ gelernt habe, in den Blickpunkt der Staatsanwaltschaft geraten. Es gehe bei den Inseraten um die dadurch erfolgte politische Einflussnahme. Die dahinter stehende Geisteshaltung sei zu problematisieren und der Misstrauensantrag deshalb mehr als gerechtfertigt.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) bezeichnete den Misstrauensantrag der FPÖ als einen "Rohrkrepierer". Die Inserate würden vom einzusetzenden Untersuchungsausschuss durchleuchtet werden, stellte der Abgeordnete fest. Er argumentierte weiter, dass es angesichts dessen, wie sehr frühere Regierungen dem Image der ÖBB geschadet hätten, eine Selbstverständlichkeit war, von Seiten des Infrastrukturministeriums die Öffentlichkeit über die stattfindenden großen Änderungen im Unternehmen zu informieren und sein Image zu verbessern.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) kritisierte, dass es Usus vieler Bundesministerien geworden sei, Anfragen zu Inseratenkosten nicht mehr zu beantworten. Das sei eine Verweigerung von Kontrollrechten des Parlaments und damit nicht akzeptabel. Öllinger erinnerte daran, dass bereits unter der Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ bzw. BZÖ vor den Wahlen von den Ministerien zunehmend größere Summen für Inserate aufgewendet wurden. Nötig seien daher wirklich klare und umfassende Regelungen für Inseratenkampagnen und Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Der bloße Verzicht auf Politikerbilder bringe dabei nichts, es ginge um die Inhalte. Die Koalition habe bis Weihnachten Zeit, sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene für mehr Sauberkeit und klare Verhältnisse im Umgang mit Inseraten zu sorgen. Er persönlich bezweifle aber, dass sie dazu im Stande sei.

In einer zweiten Wortmeldung hielt Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) nochmals fest, das Problem seien nicht die Inhalte von Inseraten, sondern die durch sie erfolgte politische Einflussnahme auf Medien und die politische Verantwortung dafür.

Abgeordneter Josef CAP (S) bezeichnete in einer weiteren kurzen Wortmeldung die Kriminalisierungsstrategie der FPÖ als gescheitert.

Der Misstrauensantrag der FPÖ blieb in der Minderheit und wurde abgelehnt.

Eine weitere 121. Sitzung des Nationalrats diente geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen. (Schluss)