Parlamentskorrespondenz Nr. 36 vom 19.01.2012

Abgeordnete debattieren Kulturbericht 2010 engagiert und umfassend

Museen und Theater, Kunstvermittlung, Kultur im ländlichen Raum

Wien (PK) - Vom Kulturausschuss lag dem Plenum der Kulturbericht 2010 vor (III-255 d.B.). Die Kenntnisnahme erfolgte nach einer engagierten und viele Aspekte der österreichischen Kulturpolitik umfassenden Debatte mit Mehrheit. Mehrheitlich abgelehnt wurde FPÖ-Antrag 1536/A(E) zur Anpassung der Basisabgeltung für die Bundesmuseen an reale wirtschaftliche Bedingungen.

Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) betonte, dass die Wertschätzung der Kultur für die Freiheitlichen eine Basis der Politik sei. Die Behandlung des Kulturberichts und die Verschiebung der Termine des Kulturausschusses zeige eine bedenkliche Geringschätzung der Kulturpolitik. Bedenklich sei, dass die 2008 begonnene Evaluierung der Bundestheater als Geheimpapier behandelt werde. Damit entziehe man der Opposition ihr Kontrollrecht. Vier Jahre ergebnislos zu evaluieren sei nicht akzeptabel, meinte sie in Richtung von Bundesministerin Schmied.

Auch im Bereich Bundesmuseen würden keine Entscheidungen getroffen, beklagte Unterreiner. Das Projekt, Volkskundemuseum und Völkerkundemuseum zusammenzuführen, sei klar gescheitert. Diese müssten wieder eigenständige Bundesmuseen werden. Die Museen seien ein bedeutender Faktor des Kulturtourismus, sagte Unterreiner und brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem gefordert wird,  die Basisabgeltung der Bundesmuseen an die realen wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Durch automatische Anpassung der Fixkosten soll verhindert werden, dass Teuerungen in diesem zu Lasten des operativen Budgets gehen. Die großen kulturellen Institutionen, die österreichische Identität bewahren, müssten unbedingt bewahrt werden, unterstrich Abgeordnete Unterreiner.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) hielt fest, dass die Mittel des Kulturbudgets konstant geblieben seien. Die Bundesmuseen wiesen eine erfreuliche Steigerung der Besucherzahlen auf, insbesondere im Segment der Jugendlichen. Was die Bundestheater betreffe, kritisierte Ablinger, dass dort zu wenige Autorinnen zur Aufführung gelangten und kaum Regisseurinnen dort tätig sein könnten. Die SPÖ bekenne sich zur Unterstützung der Kultur, was sich etwa daran zeige, dass unter Bundesministerin Schmied die Basisabgeltung der Museen mehrmals erhöht wurde. Sparen an der Kunst wäre sicher falsch, denn es wäre Sparen an der Gesellschaft.

Abgeordneter Josef JURY (F) konnte dem Kulturbericht auch positive Seiten abgewinnen, wie er betonte. Es sei vieles für Kulturinitiativen im ländlichen Raum passiert, wie etwa die Förderung der Programmkinos. Auch das Bibliotheksgesetz sei ein wichtiger Schritt gewesen. Erfreulich sei auch, dass das Bundesdenkmalamt die Jugend für seine Tätigkeit zu interessieren und sensibilisieren suche. Auch die Verbindung von Schulen mit Kunstprojekten sei ebenfalls sehr positiv zu werten. Die Kreativwirtschaft sei als Faktor der Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum sehr wichtig, meinte Jury. 

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V) erwiderte auf die Kritik von Abgeordneter Unterreiner an der Evaluierung der Bundestheater, diese Kritik sei nicht gerechtfertigt. Es sei hier vielmehr eine sehr gute, konstruktive Arbeit erfolgt und die Evaluierung habe Fakten und Zahlen geliefert, die auch einsehbar seien. Es sei sehr viel im Bereich der Bundesmuseen geschehen. Im Bereich der Filmwirtschaft wurden die Förderungen deutlich erhöht. Es gebe also viele positive Entwicklungen. Fuhrmann sprach auch die Frage des geistigen Eigentums im Zeitalter der Digitalisierung an, eine Frage, die im Kulturausschuss thematisiert werden sollte.

Abgeordneter Josef RIEMER (F) widmete sich grundsätzlich Fragen der Kunst und Kulturpolitik und kritisierte die Verteilung der materiellen Ressourcen. Der "Wasserkopf Wien" erhalte übermäßig viel, während es in den Bundesländern an Mitteln zur Erhaltung von wichtigen kleinen Museen und anderen Einrichtungen fehlte. Riemer zählte Beispiele aus der Steiermark auf. Es sollten auch andere Formen der Kunstförderung und der Förderung der Kunstschaffenden gesucht werden, meinte er, um KünstlerInnen nicht zu Subventionsempfängern zu degradieren.

Abgeordneter Josef RIEMER (F) billigte der heimischen Kulturpolitik zu, viel Positives bewirkt zu haben, meinte jedoch einschränkend, dass auch der Kultur der Bundesländer entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet werden möge. Vor allem Flavia Solva, Stübing und andere regionale Museen sollten besser als bisher unterstützt werden. Angesichts knapper Geldmittel müsse man Überlegungen anstellen, wie man Kunst und Kultur dennoch adäquat fördern könne.

Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) wies auf einige "Baustellen" in der heimischen Kulturpolitik hin, so namentlich auf die ominöse Studie zu den Bundestheatern, die allein 550.000 Euro gekostet habe und die immer noch niemand zu Gesicht bekommen habe, was die Frage aufwerfe, wo hier die demokratische Kontrolle bestehe. Auch bei den Bundesmuseen brauche es dringend eine Kurskorrektur. Konkret vermisste der Redner ein "Haus der Kulturen", während andererseits eine Inflation an Gegenwartskunstmuseen konstatiert werden müsse. Kritik übte der Abgeordnete schließlich an den Salzburger Festspielen, wo Korruption und Missmanagement dringend abgestellt werden müssten.

Abgeordneter Stefan MARKOWITZ (B) setzte sich mit Bundestheatern und Bundesmuseen auseinander, wobei auch er einer stärkeren Beachtung der regionalen Verteilung das Wort redete. Auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Museen müsse man sich Gedanken machen. Schließlich unterstrich der Redner die Bedeutung des Volkskundemuseums in Wien.

Bundesministerin Claudia SCHMIED erläuterte einzelne Bereiche des Kulturberichts und ging auf die aufgeworfenen Themen der Debatte ein. Hinsichtlich der Evaluierung der Bundestheater merkte das Regierungsmitglied an, man habe dafür Sorge getragen, dass die Betroffenen die entsprechenden Informationen erhalten hätten, denn das sei Teil von Good governance. In Bezug auf die Regionalkultur verwies die Ministerin auf die Verantwortung der Bundesländer. Zu den Salzburger Festspielen erklärte Schmied, es habe keine Malversationen gegeben, konkrete Fehlentwicklungen würde man korrigieren.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) zeigte sich erfreut über den vorliegenden Bericht, der zeige, wie vorbildlich die heimische Kulturpolitik agiere. Insbesondere verwies der Redner dabei auf die Volkskultur, die mehr als zuvor gefördert werde.

Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) schloss an ihren Vorredner an und meinte, der Bericht sei ein eindrucksvoller Beleg für die "Kulturnation Österreich". Gedanken machte sich die Rednerin sodann über die Kulturvermittlung.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) betonte den sehr hohen Stellenwert von Kunst und Kultur, und dem habe die Politik auch Rechnung getragen, seien doch die Mittel hierfür nicht gekürzt worden. Sodann befasste sich die Rednerin mit den heimischen Bundesmuseen, die sich sehen lassen könnten, was auch an den gestiegenen Besucherzahlen abzulesen sei.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) setzte sich in seinem Beitrag mit dem öffentlichen Büchereiwesen und mit der Volkskultur auseinander, in beiden Fällen deren Bedeutung unterstreichend.

Abgeordnete Rosa LOHFEYER (S) befasste sich gleichfalls mit dem Büchereiwesen und würdigte die auf diesem Gebiet vorgenommenen Verbesserungen.

Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) beleuchtete den vorliegenden Bericht hinsichtlich der Heranführung der Bevölkerung an die einzelnen Kultureinrichtungen und zeigte sich mit den erzielten Erfolgen zufrieden.

Abgeordneter Michael SCHICKHOFER (S) freute sich darüber, dass es gelungen sei, junge Menschen an die Kunst heranzuführen, wofür der freie Eintritt in die Bundesmuseen eine bedeutsame Voraussetzung sei.

Abgeordneter Bernd SCHÖNEGGER (V) lobte den vorliegenden Bericht und würdigte den Umstand, dass es gelungen sei, Schloss Eggenberg zum Weltkulturerbe zu machen. Schließlich sprach er sich für eine weitere Unterstützung des Museums in Stübing aus.

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) setzte sich mit dem Projekt "Kunst macht Schule" und mit dem freien Eintritt für Jugendliche in den Bundesmuseen auseinander.

Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) befasste sich zum Schluss der Debatte mit neuen Wegen in der Kulturvermittlung.

Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Der FP-Antrag betreffend Basisabgeltung der Bundesmuseen verfiel der Ablehnung.

Zwei Kurzdebatten

Thema I: Das "Internationale König-Abdullah-Bin-Abdulaziz-Zentrum"

Abgeordnete Alev KORUN (G) begründete das Verlangen auf Besprechung der Anfragebeantwortung 9330/AB des Außenministers auf eine Anfrage der Grünen mit ihrer Kritik daran, dass man das Internationale König-Abdullah-Bin-Abdulaziz Zentrum gemeinsam mit einem Regime errichtet, in dessen Land auf den Abfall vom Islam die Todesstrafe steht, wo Jüdinnen und Juden nicht einreisen dürfen, wo alle anderen Religionen verboten sind und wo sogar Religionsausübung in Privatwohnungen nicht gestattet ist. In Saudi-Arabien herrsche der Wahhabismus, eine der radikalen Formen des Islam. Angesichts der in Saudi-Arabien missachteten Menschenrechte stellt es Korun zufolge einen Hohn dar, von interkulturellem und interreligiösem Dialog zu sprechen. Damit erweise man den Musliminnen und Muslimen im Land einen Bärendienst und damit werde ausgerechnet Saudi-Arabien zum angeblichen Vertreter der Musliminnen und Muslimen weltweit auserkoren. Korun warf dem Außenminister insbesondere vor, in seiner Anfragebeantwortung nicht auf die schlechte Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien eingegangen zu sein und kritisierte weiters, dass nicht der Außenminister selbst, sondern Staatssekretär Wolfgang Waldner zu dieser Diskussion im Parlament erschienen ist, dies sei ein deutliches Zeichen der Diskussionsverweigerung.

Staatssekretär Wolfgang WALDNER verteidigte den Vertrag mit Saudi-Arabien und die Errichtung des Zentrums. "Geben sie dieser Initiative eine Chance", ersuchte er die Gegner und wies auf die lange Tradition Österreichs in Bezug auf den interkulturellen Dialog vor allem mit dem Islam hin. Dazu habe auch die Anerkennung des Islam bereits im Jahr 1912 in der damaligen Monarchie beigetragen, betonte er. Dass das Zentrum in Österreich errichtet wird, wertete Waldner auch als eine Anerkennung für diese lange Tradition. Österreich beabsichtige auch in Zukunft, solche Initiativen zu setzen, um zur Stärkung der Demokratie und der Menschenrechte weltweit beizutragen, erklärte er. Das Zentrum sei als eine internationale Organisation konzipiert, mit verbindlichen Regeln und klaren Strukturen, stellte der Staatssekretär klar. Im Abkommen sei ein eindeutiges Bekenntnis zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegt, das Zentrum sei als eine stabile internationale Plattform für den Dialog der Religionen konzipiert. Die Aufgabe des Zentrums beschränke sich nicht auf die monotheistischen Religionen, sondern beziehe andere Religionen mit ein, unterstrich Waldner, keine der Religionen werde vorherrschend sein. Inzwischen seien mehrere Staaten vorstellig geworden, neben den Gründerstaaten Österreich, Spanien und Saudi-Arabien dem Abkommen beizutreten. Auch der Vatikan strebe Beobachterstatus an, führte er aus.

Auch Abgeordneter Ewald SACHER (S) thematisierte das langjährige Engagement Österreichs für die Menschenrechte und für den Dialog zwischen den Kulturen und erinnerte vor allem an den damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. Selbstverständlich könne man das Zentrum nicht auf eine gleiche Stufe mit den Einrichtungen der UNO stellen, sagte er, aber es sei eine Institution, die sich dem Dialog verschreibe. Sacher gab Korun in Bezug auf ihre Einschätzung der Lage in Saudi-Arabien recht, und wies auch auf die Kritik aus der islamischen Welt an dem genannten Zentrum hin. Aber auch der Islam sei gespalten und vieles sei umstritten, was man an den Auseinandersetzungen im Irak, in Pakistan und Iran beobachten könne, merkte Sacher an. Jeder Versuch, die Gesprächsbereitschaft zu fördern, müsse unterstützt werden, meinte er, und es sei nicht das saudische Regime, das den Dialog führe, sondern die Vertreter der Religionen, die darin tätig sind.

Abgeordneter Reinhold LOPATKA (V) schloss sich diesen Ausführungen an und appellierte an die Gegner, dem Zentrum eine Chance zu geben. In der Argumentation Koruns ortete Lopatka insofern einen Denkfehler, weil sie das Zentrum mit dem Regime in Saudi-Arabien gleichsetze. Die Entscheidungen würden nicht von Saudi-Arabien getroffen, erklärte er, sondern von der Vertragsparteienversammlung, ferner vom Direktorium, dem drei Muslime, drei Christen und je ein Vertreter des Judentums, des Buddhismus und der Hinduisten angehören, sowie von einem beratenden Gremium. Die Antwort auf Vorfälle wie etwa in Nigeria könne doch nur der Dialog sein, betonte Lopatka, und der Dialog lebe davon, dass man alle einlädt. Mit dem Zentrum würden keineswegs die Missstände in Saudi-Arabien legitimiert, stellte er klar, es sei aber gut, wenn sich angesichts der aktuellen Entwicklungen Österreich als Ort des Dialogs anbietet.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) gab seinem Vorredner insofern recht, als das Zentrum nicht als Propagandaplattform missbraucht werden könne. Er verstehe daher die Aufregung nicht, noch dazu wenn das Zentrum dem österreichischen Staat kein Geld kostet. Hübner vermisste aber gleiche Maßstäbe bei der Bewertung von Staaten, was man an der unterschiedlichen Bewertung von Iran und Saudi-Arabien verfolgen könne. Saudi-Arabien sei weit schlimmer und repressiver als der Iran, weil es sich aber als gemäßigter pro-westlicher Staat darstelle, werde er üblicherweise nicht kritisiert. Trotz seiner unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich des Zentrums gab Hübner Abgeordneter Korun recht, dass weder der Minister noch der Staatssekretär die parlamentarische Anfrage zufriedenstellend beantwortet haben.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) räumte ein, dass er das Zentrum im Gegensatz zu seiner Klubkollegin nicht grundsätzlich ablehne und stimmte mit den Ausführungen des Abgeordneten Hübner in weiten Bereichen überein. Kritik übte Öllinger jedoch an der seiner Meinung nach unklaren Haltung Österreichs und verlangte eine deutliche Positionierung zur Lage in Saudi-Arabien. Es sei inakzeptabel, wenn Österreich sich nicht klar zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der bürgerlichen Freiheit in Saudi-Arabien äußert, nur weil das Zentrum gratis ist. Er, Öllinger, sei daher bereit, dem Zentrum einen Vertrauensvorschuss zu geben, nicht aber der Regierung, zumal auch der Staatssekretär in seinem Statement nur Floskeln wiederholt habe. Daraus müsse man schließen, dass Österreich nicht willens ist, den Dialog mit festen Standpunkten zu führen. So wie das jetzt aussehe, habe das mit einem interreligiösen und interkulturellen Dialog nichts zu tun, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) hielt es für notwendig, aktiv, dynamisch und kritisch den Dialog mit jenen Staaten zu führen, wo es keine Religionsfreiheit gibt und wo insbesondere auch das Christentum unterdrückt wird. Scheibner teilt die Euphorie über den Arabischen Frühling nicht, da die Christen dafür die Zeche zahlten.  Er vermisste in diesem Zusammenhang, dass jemand die Stimme gegen diese Entwicklung erhebt. Auch er hielt es für unangebracht, bei der Beurteilung von Staaten zweierlei Maß anzuwenden, und nannte ebenfalls die Beispiele Iran und Saudi-Arabien. Er kritisierte zudem auch die aktuelle Politik in der Türkei. Gerade deshalb sei es notwendig, den Dialog zu führen, sagte Scheibner, und es sei auch erforderlich, Saudi-Arabien miteinzubeziehen. Das halte er für besser, als Moscheen mit Hasspredigern finanzieren zu lassen. Für den B-mandatar besteht mit dem Zentrum die Chance für neue Formen der Diskussion. Er forderte eine aktive Politik für Menschenrechte ein, anstatt vordergründige Diskussionen zu führen. Auch Isolation und Sanktionen hält er für ungeeignete Mittel, da man damit Gemäßigte in die Arme von Radikalen treibt.

Thema II: BZÖ wirft Justiz parteipolitisches Verhalten vor 

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) leitete die Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung der Justizministerin (9393/AB) auf eine BZÖ-Anfrage mit dem Vorwurf an die ÖVP ein, die Justiz für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Als Beweis führte er zunächst seinen eigenen Fall an. Er habe Unterlagen aus dem ÖBB-Unterausschuss des Rechnungshofausschusses der Justiz zu Verfügung gestellt, berichtete Grosz. Weil es sich dabei um ein Offizialdelikt gehandelt habe, sei er daraufhin mit einer Klage wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses konfrontiert worden. Später habe das Justizressort erklärt, dass es sich dabei um ein Missverständnis gehandelt habe. Der entsprechende Brief des Sektionschefs sei aber an die falsche Adresse gegangen, der ÖVP Abgeordnete Singer habe jedoch, noch bevor er, Grosz, den Brief in den Händen gehalten hat, im Parlament aus dem Schreiben zitiert. Das heißt, die Justiz habe das Schreiben an den Beschuldigten in Kopie dem ÖVP-Klub zur Verfügung gestellt. Ähnliche Vorgänge könne man beim Rücktritt des Kärntner VP-Landesparteiobmanns Martinz verfolgen, der seinen Rücktritt damit erklärt habe, es sei Anklage gegen ihn erhoben worden. Zur Zeit dieser Erklärung habe aber die Staatsanwaltschaft Klagenfurt noch nichts davon gewusst, sodass man daraus schließen müsse, die Justiz habe die ÖVP vorinformiert. Das sei Amtsmissbrauch, wogegen das BZÖ auch Anzeige erhoben habe. Ein dritter Beweis für den parteipolitischen Missbrauch der Justiz sei die Tatsache, dass man auf meterhohe Aktenkonvolute gegen den ehemaligen Innenminister Strasser einfach vergessen habe. Hingegen spricht die Justiz von einem Versehen, wenn man unrechtmäßig die Telefone von Abgeordneten der Opposition abhört oder den Laptop von Abgeordnetem Pilz beschlagnahmen will, klagte Grosz.

Bundesministerin Beatrix KARL verwies eingangs ihrer Stellungnahme auf die Beantwortung der schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Gerald Grosz und auf ihre Stellungnahme in der Nationalratssitzung am 19. Oktober 2011, wo sie sich zu den Vorfällen bereits sehr deutlich geäußert habe. Sie werde aber gerne offene Angelegenheit nochmals erläutern. Bereits in der Sitzung des Justizausschusses am 5. Oktober 2011 habe Abgeordneter Ewald Stadler eine ihm unerklärliche strafrechtliche Verfolgung des Abgeordneten Grosz thematisiert. Abgeordneter Grosz selbst habe in einer Presseaussendung von "Amtsmissbrauch" gesprochen und dass er aufgrund seiner Rolle als Aufdecker von ÖBB-Skandalen verfolgt werde. Die Überprüfung des angesprochenen Sachverhalts habe ergeben, dass die Staatsanwaltschaft Wien einem Missverständnis unterlegen sei. Ein Ersuchen des Justizministeriums nach Darstellung der Fakten rund um die Weitergabe von Unterlagen aus dem Unterausschuss habe fälschlich dazu geführt, dass Abgeordneter Grosz als Beschuldigter geführt worden sei. Ein Ermittlungsverfahren gegen Abgeordneten Grosz hätte aber keinesfalls eine Grundlage gehabt, da Ausschüsse ausdrücklich nicht von der betreffenden Strafbestimmungen über Amtsmissbrauch erfasst seien. Sie habe es ausdrücklich begrüßt, dass Abgeordneter Grosz persönlich davon informiert wurde, dass  fälschlich er als Beschuldigter und das Ministeriums als anzeigende Stelle ins Register eingetragen worden sei.

Was nun das erwähnte Schreiben ihres Sektionsleiters an Abgeordneten Grosz und an die Staatsanwaltschaft betreffe, habe sie keinen Anlass zu vermuten, dass es von einem Mitarbeiter ihres Hauses weitergeben worden sei. Wie dieses Schreiben zur Kenntnis Abgeordneten Singer gelangen konnte, sei derzeit Gegenstand von Ermittlungen. Da das Schreiben schonungslos einen Fehler der Justiz eingestehe, sei für sie aber nicht ersichtlich, wie es für parteipolitische Zwecke verwertbar hätte sein sollen.

Die Bedeutung der Immunität sei ihren MitarbeiterInnen selbstverständlich bewusst, betonte Bundesministerin Karl. Man habe aus einem Fehler, der passiert sei, gelernt, sich zu ihm bekannt und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen und man formuliere Berichtsaufträge des Ressorts nun viel genauer. Den Schluss, das Justizressort sei die Quelle der Informationen nach außen, weise sie aufs Schärfste zurück. Man sei dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Jeder Anschein einer unzulässigen Beeinflussung von Verfahren werde von ihrem Ressort vermieden. Alle Fälle würden gleich behandelt. Vielmehr sei die mediale Berichterstattung über clamorose Causen selbst Quelle für verschiedene Gerüchte und Spekulationen, und Grosz selbst habe hier einen Anteil an der Gerüchteküche. Sie selbst äußere sich nicht zu Verfahren, die sich noch im Stadium des Ermittlungsverfahrens sich befinden. Justizpolitik in Österreich sei in weiten Teilen Konsenspolitik. Sie appelliere daher an Abgeordneten Grosz, diese nicht zum Teil der Tagespolitik zu machen, sondern sie aktiv mitzugestalten.

Abgeordneter Wilhelm HABERZETTL (S) wies Abgeordneten Grosz darauf hin, dass er selbst es gewesen sei, der vertrauliche Unterlagen weitergegeben habe. Ein solches Vorgehen sei bedenklich, da Auskunftspersonen davon ausgegangen seien, dass ihre Angaben nicht nach außen getragen werden. Haberzettl erinnerte daran, dass es offenbar weit heiklere Vorfälle gegeben habe, die der Aufklärung bedürften, als die von Grosz thematisierten Vorfälle. So habe es offenbar Zahlungen der Telekom an das BZÖ und an politische Funktionsträger gegeben. Abgeordneter Grosz fehle es leider an den Eigenschaften "Geduld und Wahrheitsliebe", er wärme Geschichten auf, welche die Aufregung nicht wert seien, meinte Haberzettl.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) lud Abgeordneten Grosz ein, objektiv und sachlich seine Rolle als Justizsprecher des BZÖ auszufüllen. Ein Fehler der Staatsanwaltschaft sei eingestanden worden, damit sei die Angelegenheit eigentlich erledigt. Es habe gegen Grosz weder Anzeige noch Ermittlungen gegeben, es sei für ihn also kein Schaden entstanden. Mit der Entschuldigung ihm gegenüber sei die Sache ausgeräumt worden. Auch der von Grosz angesprochene Rücktritt von Landesrat Martinz eigne sich nicht zur Skandalisierung, sondern er sei Zeichen politischer Verantwortung.

Abgeordneter Kurt ROSENKRANZ (F) sah die Sache kritischer als sein Vorredner. Die Angelegenheit weise auf den Vertrauensverlust in die Justiz hin, und die Debatte, die bisher dazu geführt wurde, sei nicht dazu angetan, es zu stärken. Rosenkranz kritisierte, dass immer wieder Medien Unterlagen zur Verfügung stünden, die dem Untersuchungsausschuss noch nicht vorliegen. Der Status eines Beschuldigten sei sehr wohl ernst zu nehmen, da dies dazu benützt werde, um Abgeordnete der Opposition medial zu schaden. Abgeordneter Grosz habe nur Verdachtsmomente an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Er fand es erstaunlich, dass daraufhin eine Anforderung eines Berichts des Justizressorts zu einer Anzeige umgedeutet werden konnte. Es handle sich aber nicht um einen Einzelfall, sondern solche vorgeblichen Missverständnisse hätten System, wenn es sich um Oppositionspolitiker handle.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) meinte, der Rücktritt von Landesrat Josef Martinz noch vor der Anklageerhebung gegen ihn sei sehr wohl als ein politischer Akt zu werten, da hier die ÖVP entlastet werden sollte. Martinz müsse von der Anklageerhebung im Vorfeld erfahren haben, also gebe es offenbar irgendwo eine undichte Stelle. Auch dass eine vertrauliche Korrespondenz des Justizministeriums in den ÖVP-Parlamentsklub gelangen konnte, sei ein sehr fragwürdiger Vorgang, da das Schreiben offenbar der Entlastung des Vorgehens der ÖVP dienen sollte. Hier habe Abgeordneter Johann Singer Erklärungsbedarf. Die Fachaufsicht des Justizministeriums habe zwar funktioniert, trotzdem sei es bedenklich, dass Abgeordneter Grosz überhaupt als Beschuldigter geführt werden konnte. Hier offenbare sich eine bedenkliche Kultur in der Beziehung von Staatsanwaltschaft zum Justizministerium, meinte Steinhauser. 

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) stellte fest, es gebe auffällig viele so genannter "Missverständnisse", die Vertretern der Oppositionsparteien zum Nachteil, und von solchen, die Politikern der ÖVP-Politikern zum Vorteil gereichten, und zählte eine Reihe solcher Fälle auf. Jedes dieser Missverständnisse sei eines zu viel. Er forderte Abgeordneten Johann Singer auf, zu erklären, woher er den betreffenden Brief an Abgeordneten Grosz erhalten hatte. Es sei auch auffällig, dass niemand Informationen an den Kärntner Landesrat Josef Martinz weitergegeben haben wolle. Sei das der Fall, hätte dieser bloß aus schlechtem Gewissen gehandelt und damit ein Schuldeingeständnis geliefert. Auch die Praxis der Aktenübermittlung an den Untersuchungsausschuss lasse erkennen, dass Akten, die Personen im Umfeld der Regierungsparteien betreffen, stets mit langer Verzögerung vorgelegt werden. Was die von Abgeordnetem Haberzettl erhobenen Anschuldigungen betreffe, so könne der Beweis erbracht werden, dass die Bundespartei des BZÖ keinen Cent von der Telekom erhalten habe, betonte Petzner.

Für seine Wortmeldung, erteilte Nationalratspräsidentin Abgeordnetem Petzner einen Ordnungsruf, da sie mehrfach die definitive Behauptung eines Vorliegens strafrechtlicher Handlungen erhalten habe. (Schluss Kurzdebatten/Fortsetzung Menschenrechte)


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