Parlamentskorrespondenz Nr. 55 vom 26.01.2012

Hildegard Burjan, Pionierin im Parlament, wird selig gesprochen

Soziales Engagement und Respekt vor dem politisch Andersdenkenden

Wien (PK) – Respekt vor dem politisch Andersdenkenden und immenser Einsatz im Kampf gegen die Armut bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit – diese Eigenschaften zeichneten Hildegard Burjan (1883-1933), eine der ersten acht weiblichen Abgeordneten im österreichischen Parlament, aus. Am kommenden Sonntag, dem 29. Jänner 2012 um 15 Uhr, wird sie als erste demokratisch gewählte Politikerin im Wiener Stephansdom durch Kardinal Angelo Amato, Präfekt der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, selig gesprochen. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sowie Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer werden an der Zeremonie teilnehmen.

Hildegard Burjan zog am 4. März 1919 als Vertreterin der Christlichsozialen Partei mit sieben sozialdemokratischen Mandatarinnen als eine der ersten acht Parlamentarierinnen in die Konstituierende Nationalversammlung ein. Burjan zählt somit zu den Pionierinnen im Hohen Haus. Ihr soziales Engagement und vor allem die Gründung der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis bilden den Grundstein für die Seligsprechung.

Geboren in Schlesien, war sie eine der wenigen Frauen, die zur damaligen Zeit einen Universitätsabschluss vorweisen konnten. Nach dem Studium der Germanistik und der Philosophie an der Universität Zürich widmete sie sich dem Studium der Nationalökonomie und der Sozialpolitik in Berlin.

Obwohl sie als Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung dem Parlament nur kurze Zeit (4. März 1919 bis 9. November 1920) angehörte, erwarb sie sich als Sozial- und Frauenpolitikerin auch in den Reihen der politisch Andersdenkenden hohe Anerkennung.

Burjans Hauptaugenmerk galt der Not und Benachteiligung von Frauen, insbesondere der Heimarbeiterinnen und Dienstboten. Ihr Leitspruch war "Hilfe zur Selbsthilfe". Trotz innerparteilichen Widerstands trat sie für die Gleichberechtigung der Frauen und für die noch immer hoch aktuelle Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ein. Sie forderte die Aufnahme von Frauen in staatliche Ämter und Betriebe sowie deren Gleichbehandlung und machte sich für die Ausbildung von Mädchen sowie für den Mutterschutz stark. Burjan verschloss auch nicht die Augen vor dem Elend der Prostituierten und konnte weder innerhalb der Partei als auch in der Kirche von vornherein auf Verständnis für die auf "unsittliche Wege" Abgedrifteten bauen. Sie fand jedoch in der Person von Bundeskanzler Ignaz Seipel und in Kardinal Friedrich Gustav Piffl mächtige Unterstützer ihrer Ideen.

Die von der Burjan-Expertin Ingeborg Schödl verfasste Lebensbeschreibung "Hildegard Burjan. Frau zwischen Politik und Kirche" wurde am 10. März 2009 im Parlament vorgestellt (siehe PK-Meldung Nr. 196/2009).

2010 wurde – ebenfalls im Parlament – die "kreuz und quer" Dokumentation "Hildegard Burjan – ein Leben für die Menschlichkeit" präsentiert (siehe PK-Meldung Nr. 92/2010).

Biographische Daten über Hildegard Burjan sind auf der Website des Parlaments zu finden: http://www.parlament.gv.at/person/166

Die Parlamentskorrespondenz hat sich mit Leben und politischem Wirken von Hildegard Burjan auseinandergesetzt: siehe PK-Meldungen Nr. 205/2008 (Biografie), 206/2008 (Biografie) und 207/2008 (parlamentarische Tätigkeit).

Nähere Informationen über Pionierinnen in der österreichischen Politik bringt die Website der Parlamentsdirektion unter: http://www.parlament.gv.at/PERK/FRAU/PION/index.shtml (Schluss)