Parlamentskorrespondenz Nr. 73 vom 01.02.2012

Bundesräte gegen Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe

Weitere Themen im EU-Ausschuss: Umwelt und Klima, EZA, Energiepolitik

Wien  (PK) - Der EU-Ausschuss des Bundesrates leitete seine heutige Sitzung unter der Verhandlungsführung seines eingangs einstimmig neu gewählten Obmannes Edgar Mayer (V/V) mit der Beratung über einen EU-Verordnungsvorschlag zur Aufstellung des Programms für Umwelt- und Klimapolitik (LIFE) ein.

Margarete Stubenrauch vom Umweltressort erläuterte den Ausschussmitgliedern das EU-Umweltfinanzierungsinstrument LIFE+. Das Programm läuft von 2007 bis 2013 und ist mit 2,14 Milliarden € dotiert. Der Höchstsatz für Förderungen aus dem von der Europäischen Kommission verwalteten Programm beträgt 50 %, für Naturschutz und Biodiversität können ausnahmsweise aber bis zu 75 % vergeben werden. LIFE+ ist in drei Teile gegliedert: Natur und Biodiversität, Umweltpolitik und Verwaltungspraxis, Information und Kommunikation. Die Vergabe der Finanzmittel erfolgt aufgrund jährlicher Ausschreibungen, erfuhren die Ländervertreter. Österreich erhielt in den Jahren 2007-2010 insgesamt 32 Mio. € an LIFE+-Förderungen. Der Vorschlag zielt auf die Etablierung eines Klima- und Umweltprogrammes für die Laufzeit 2014-2020. Die Positionen von EU-Parlament, Rat und Österreich liegen noch nicht vor.

In der Debatte interessierte sich Bundesrat Friedrich Hensler (V/N) für die Aufteilung der Fördermittel auf öffentliche Einrichtungen und Private, während Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) um Auskunft über die geplante inhaltliche und räumliche Ausdehnung von LIFE+ bat. Bundesrat Stefan Schennach (S/W) brach eine Lanze für Maßnahmen zugunsten der Erhaltung der Biodiversität und klagte über den rasch fortschreitenden Artenverlust. Bundesrat Martin Preineder (V/N) erkundigte sich nach der Ausnützung der Fördermittel durch Österreich.

Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) sprach sich für die Vereinfachung des Antrags und Auswahlverfahrens aus.

Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) wollte wissen, wer über die Anträge und über die Höhe der Projektförderung entscheidet.

Magarete Stubenrauch informierte darüber, dass LIFE+ Förderungen nicht nur von öffentlichen Einrichtungen, sondern auch von Unternehmen und anderen Institutionen, nicht aber von Privatpersonen in Anspruch genommen werden können. Die räumliche Ausdehnung des Programms betrifft in erster Linie Nachbarländer im Donauraum, direkte Förderungen außerhalb der EU stellten aber eher eine Ausnahme dar. Die Bundesrätinnen Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Susanne Neuwirth (S/S) erfuhren, dass Vollzeitbeschäftigte mit 50 %, ausnahmsweise auch mit 75 % gefördert werden können. Die Förderung der Biodiversität obliege den Bundesländern, teilte die Expertin weiter mit und bezifferte die Ausnützungsquote bei den Förderungen durch Österreich mit 150 % bis 180 %. Der Schwerpunkt der Projekte liege in den Bereichen Artenschutz, Gewässerschutz und Verbesserung der Luftqualität. Über die Projektanträge entscheiden ausschließlich die Antragssteller, hielt die Expertin fest.

Neue Schwerpunkte in der EZA der Europäischen Union

Den Vorschlag für eine EU-Verordnung zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit erläuterte den LändervertreterInnen Michaela Ellmeier vom Außenministerium. Die bestehenden Instrumente der EU in der Entwicklungszusammenarbeit sollen auf der Basis eines "Grünbuchs" und eines breiten Konsultationsprozesses in der EU und in den Mitgliedsländern überarbeitet werden. Oberstes Ziel der europäischen EZA-Politik ist die Armutsbekämpfung, führte Ellmeier aus, dazu kommen die Förderung von Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechten und eines breitenwirksamen, nachhaltigen Wachstums. Denn bei der Umsetzung der Millenniumsziele habe man die Erkenntnis gewonnen, dass Wachstum alleine die Armut in Entwicklungsländern nicht überwinden lasse. Die Expertin informierte auch über die neuen Schwerpunkte Klimaschutz, Biodiversität, Ernährungssicherheit und Verbesserung der Energieversorgung. Außerdem arbeite die EU an einer neuen Afrika-Strategie und an der Verbesserung der Kohärenz aller Politikbereiche in der Entwicklungszusammenarbeit.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) sprach von einem wichtigen Thema und erinnerte an die Bundesratsenquete über föderale Entwicklungszusammenarbeit, wobei er insbesondere auf das Engagement der Bundesländer Oberösterreich, Vorarlberg und Steiermark hinwies. Dass die europäische Union und Österreich in der EZA-Politik Hand in Hand gehen, sei erfreulich, sagte Schennach und mahnte beim Thema "Afrikastrategie" die Verantwortung Europas für diesen Kontinent ein.

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) unterstrich die Notwendigkeit, die Politikkohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit zu stärken und strebte einen "EZA-Check" für alle Politikbereich an.

Bundesrätin Angelika Winzig (V/O) hielt es für wichtig, kleine und mittlere Unternehmen zu motivieren, sich an Infrastrukturprojekten und an der Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft von Entwicklungsländern zu beteiligen.

Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) verlangte, die Verwaltungskosten in der Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren.

Bundesrat Edgar Mayer (V/V) hielt es für eine wichtige Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika, den Menschen Anreize zu bieten, in ihrer Heimat zu bleiben; damit könne die EZA einen Beitrag zur Minderung der Flüchtlings- und Asylproblematik leisten, zeigte sich Mayer überzeugt.

Michaela Ellmeier erinnerte daran, dass Politik-Kohärenz kein neues Thema sei, sondern bereits im EZA-Gesetz verankert sei. Kleine und mittlere Unternehmen böten viele Lösungen für nachhaltige Entwicklungsprobleme, etwa bei der Energieproduktion aus erneuerbaren Energieträgern, das Interesse der KMU sei aber stark auf Südosteuropa konzentriert und noch nicht auf die Entwicklungsländer im Süden. Die EU Kommission habe eine Erhöhung des EZA-Budgets vorgeschlagen, zu befürchten sei aber eine Reduzierung auf Grund von Einwendungen der Mitgliedsstaaten, befürchtete die Vertreterin des Außenministeriums.

Stellungnahme gegen Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe  

Dann wandte sich der EU-Ausschuss des Bundesrates einem Richtlinienpaket der EU-Kommission für die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser, Energie- und Verkehrsversorgung, der Postdienste sowie über die öffentliche Auftragsvergabe und die Konzessionsvergabe zu. Nach einer überaus kritischen Debatte über dieses Vorschlagspaket der EU-Kommission verabschiedeten die Ausschussmitglieder eine begründete Stellungnahme gegen den Vorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe.   

In ihrer einleitenden Darlegung führte Doris Niedersüss (BKA) aus, die Kommission wolle den europäischen Rechtsrahmen für das Beschaffungswesen zur Gänze und umfassend neu regeln. Die geltenden Richtlinien für das Beschaffungswesen sollen durch neue ersetzt und die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen erstmals in einer eigenen Richtlinie detailliert geregelt werden. Die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe sollen vereinfacht sowie flexibilisiert und die Auftragsvergabe für gesellschaftliche Ziele genutzt werden können. Im "klassischen" Vergaberecht sind neue Definitionen und Präzisierungen vorgesehen, die in den Sektoren Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung nachvollzogen werden. So sollen alle vergaberechtlichen Vorschriften auch für nicht-prioritäre Dienstleistungen gelten. Das Regime für soziale Dienstleistungen wird erleichtert. Dazu kommen zahlreiche und sehr detaillierte technische Neuerungen. Der Richtlinienvorschlag über die Konzessionsvergabe enthält Verfahrensregelungen für die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen, unter anderem die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung, die Festlegung von Mindestfristen sowie nähere Bestimmungen zur Festlegung der Auswahl- und Zuschlagskriterien. Der Anwendungsbereich der Rechtsmittel-Richtlinien wird auf alle Konzessionsvergaben, auch auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen erweitert. Eine konsolidierte österreichische Position zu den EU-Vorschlägen liege dazu noch nicht vor, sagte Doris Niedersüss.

Thomas Weninger (Österreichischer Städtebund) stellte kritisch fest, dass das Richtlinienpaket statt der behaupteten Vereinfachungen vieles komplizierter machen würde, sodass von einem "Angriff auf das föderale System und die kommunale Selbstverwaltung" zu sprechen sei. Weninger wandte sich insbesondere auch gegen die vorgesehene nationale Aufsichtsbehörde, die aus seiner Sicht überflüssig sei, weil die Gemeinden ihre Arbeit auf diesem Gebiet gut erledigten. Die EuGH-Rechtsprechung sorge in ausreichendem Maße für Rechtssicherheit. Weninger sprach sich für eine Subsidiaritätsrüge durch den Bundesrat aus.

Stephan Schwarzer (WKÖ) meinte grundsätzlich, Harmonisierung auf EU- Ebene sei gut, mit dem vorliegenden Paket tue man des Guten aber zu viel und warnte vor einem "Regulierungs-Overkill".

Alice Wagner (AK Wien) erinnerte kritisch daran, dass die Bedeutung öffentlicher Dienstleistungen, etwa die Wasserversorgung oder die Abfallentsorgung, deren Bedeutung im Lissabon-Vertrag ausdrücklich unterstrichen wurden, in den Vorschlägen der Kommission zu wenig Berücksichtigung finden.

Johannes Schmid (Österreichischer Städtebund) gab zu bedenken, dass die vorliegenden Entwürfe der europäischen Kommission das Ende für die Freiheit von Gemeinden bedeuten würden, selbst über die Form zu entscheiden, in der sie kommunale Dienstleistungen erbringen.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) warf der europäischen Kommission vor, dem Marktliberalismus Vorrang vor der Daseinsvorsorge einzuräumen, obwohl diese im Vertag von Lissabon stark betont wurde. Die vorgesehenen Regelungen würden die Kosten der Gemeinden erhöhen und sich nachteilig auf jene Gemeindekooperationen auswirken, für die sich der Bundesrat erst kürzlich stark gemacht hat. Schennach plädierte für eine Subsidiaritätsrüge und hoffte, dass der Bundesrat auf europäischer Ebene jene 17 Verbündeten finden werde, die man brauche, um der EU Kommission eine "Gelbe Karte" zu zeigen.

Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) registrierte ebenfalls Widersprüche zwischen dem Vertrag von Lissabon und den gegenständlichen Kommissionsvorschlägen und sprach wörtlich von einer "Frechheit gegenüber den Gemeinden".

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) schloss sich den Ausführungen von Stefan Schennach an und befürwortete die Abgabe einer begründeten Stellungnahme durch den Ausschuss. Bei Vergabeentscheidungen auf Gemeindeebene sah die Bundesrätin andererseits aber auch Verbesserungsbedarf.

Auch Bundesrat Martin Preineder (V/N) schloss sich den Forderungen nach einer "Gelben Karte" gegen EU Vorschläge aus, die als Verbesserungen angepriesen werden, sich aber als Verschlechterungen herausstellen.  

Als Ergebnis der Debatte legte Ausschussobmann Edgar Mayer einen Antrag auf begründete Stellungnahme durch den EU-Ausschuss des Bundesrates vor. Darin wird die Begründung der Kommission für ihren Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe zurückgewiesen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Rechtssicherheit durch einen europaweit einheitlichen Konzessionsbegriff geschaffen werden solle, weil der EuGH diesbezügliche Klarstellungen bereits getroffen habe. Da keine Rechtsunsicherheit bestehe, habe die in Betracht gezogene Maßnahme keinen deutlichen Nutzen. Sie würde in den Mitgliedstaaten nur zu einer Bürokratisierung und Verteuerung der derzeit effizient, rasch und – im Lichte der Rechtsprechung des EuGH – auf gesicherter rechtlicher Grundlage geführten Konzessionsverfahren führen. Auch würde der Entscheidungsspielraum lokaler und regionaler Behörden stark eingeschränkt werden. Die Umsetzung würde viele neue Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten erfordern, was mit unangemessen hohen Kosten für Verwaltung und Wirtschaft verbunden wäre. – Dieser Antrag fand die einhellige Zustimmung aller Ausschussmitglieder.

Szenerien für die Energieversorgung Europas

Sylvia Knittel (BMWFJ) erläuterte den Ausschussmitgliedern den Inhalt der Kommissionsmitteilung zum Energiefahrplan 2050. Darin werden sieben Szenarien möglicher Wege bis 2050 aufgezeigt, die zur Reduktion der CO2-Emissionen um 80 % führen können. Die Kommission gibt keinem Szenario die Präferenz, sondern sieht die Mitteilung als technologieneutrale Analyse. Zu den zehn Schlussfolgerungen der Kommission zählen die Feststellungen, dass Strom eine steigende Bedeutung haben wird, das ganze Erzeugungssystem aber umstrukturiert werden müsse. Die Strompreise werden bis 2030 steigen und Kernkraft auch weiterhin einen erheblichen Beitrag zum Umwandlungsprozess beitragen, meint die Kommission, vor allem dann, wenn Carbon Capture Storage (CCS) verspätet eingeführt wird. Laut EU wird es zu einem dezentralisierten Strom- und Wärmesystem kommen, in dem große Gas- und Kernkraftwerke verstärkt zusammenarbeiten müssen. Die Kommission setzt auf Energieeffizienz, einen höheren Anteil an Erneuerbaren Energien, eine Reduktion der konventionellen Energiequellen wie Kohle und Gas und meint, dass die Kernkraft weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten und den Strompreisanstieg mildern wird. Demgegenüber sieht Österreich die Nuklearszenarien und die Verwendung von Carbon Capture Storage (CCS) sehr kritisch.

Stephan Schwarzer (WKÖ) begrüßte die Mitteilung als Diskussionsgrundlage, deren Wert darin liege, deutlich zu machen, welche Konsequenzen es nach sich ziehe, wenn man bei der CO2-Reduktion sehr ambitionierte Ziele verfolge. Die Szenarien stellten Rechenmodelle dar und seien nicht als Programme oder Vorschläge zu werten. Beim Thema Energieeffizienz hielt der Experte fest, dass Österreich seinen Energieverbrauch während der letzten fünf Jahre vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt habe.

Bundesrat Christian Jachs (V/O) rief mit Entschiedenheit dazu auf, den zuständigen Bundesministern und den österreichischen EU-Parlamentariern den Rücken zu stärken, damit sie im EU Parlament mit Nachdruck für den AKW-Ausstieg eintreten und dabei das Bündnis mit anderen AKW-freien Ländern und Ländern wie Deutschland bilden, die aus der Kernenergie aussteigen wollen.

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) plädierte für eine Energiepolitik, die den Import von Atomstrom nach Österreich verhindert, um so die Glaubwürdigkeit der österreichischen Anti-AKW- Politik zu erhöhen. Am EU-Energiefahrplan bemängelte die Rednerin, dass die Kommission die externen Kosten der Produktion von Atomstrom vernachlässige. Nur so komme sie zu der Feststellung, Atomstrom könne der Erhöhung der Strompreise entgegenwirken.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) schloss sich dem Appell von Bundesrat Jachs an und brach seinerseits eine Lanze für eine forcierte Nutzung erneuerbarer Energieträger. (Schluss)


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