Parlamentskorrespondenz Nr. 133 vom 29.02.2012

Die Sorgen der Milchbauern

Diskussion über eine Reform der AMA im Nationalrat

Wien (PK) – Landwirtschaftliche Themen beherrschten in weiterer Folge die Diskussion in der heutigen Sitzung des Nationalrats. Auf der Tagesordnung stand zunächst eine Änderung des Marktordnungsgesetzes, wodurch die Verarbeitungsbeihilfe für Trockenfutter weiterhin gesichert werden soll. Dabei wurden insbesondere die Sorgen der Bäuerinnen und Bauern in Bezug auf die Milchquote thematisiert. Die Vorlage passierte den Nationalrat mehrheitlich.

Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) brachte die Sorgen der Milchbauern wegen der im Jahr 2015 ersatzlos auslaufenden Milchquotenregelung zur Sprache. Er forderte den Landwirtschaftsminister auf, eine Ersatzregelung zu schaffen und zu verhindern, dass viele Milchbauern ihren Betrieb aufgeben und ihre Höfe verlassen. Es werde immer schwieriger, junge Menschen zu finden, die bereit seien, einen Hof zu bewirtschaften und dort gesunde Lebensmittel für die Bevölkerung zu produzieren, argumentierte Doppler.

Abgeordneter Franz ESSL (V) erläuterte das Ziel, es Bauern zu ermöglichen, EU-Agrarprämien grenzüberschreitend zu beantragen, was für jene wichtig sei, die im benachbarten Ausland Flächen bewirtschaften. Weiters sprach sich Eßl für praxistaugliche Lösungen, etwa bei der Erfassung und Berechnung bewirtschafteter Flächen im Berggebiet aus und plädierte für Erleichterungen bei der Nutzung des Internets durch die AMA. Eine Agrarmarktordnung sei notwendig, weil der Agrarmarkt Regeln brauche, sagte Eßl, der Vorschlägen für eine totale Liberalisierung der Agrarmärkte eine Absage erteilte. Die Agrarpolitik braucht Steuerungsinstrumente, um bei Marktstörungen eingreifen zu können, zeigte er sich überzeugt. Die Leistungen der Bauern können nicht nur über die Agrarpreise bezahlt werden, sie brauchen auch eine Abgeltung ihrer gemeinwirtschaftlichen Leistungen, hielt Franz Eßl einmal mehr fest.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) lehnte die Vorlage ab, weil er das Trocknen von Futtermitteln im Ausland, den "Futtermitteltourismus", ablehne. Ziel einer modernen Agrarpolitik müsse es sein, wertvolle und leistbare Nahrungsmittel für die Bevölkerung herzustellen. Beim Thema "Agrardiesel" erinnerte Huber daran, dass die Bauern einen Anteil von mehr als 5 % am Mineralölsteueraufkommen, aber nur einen Anteil von 2 % am BIP haben. Die Bauern beim Agrardiesel noch mehr zur Kasse zu bitten, wie dies die Regierung plane, sei der falsche Weg. Kritik übte der Abgeordnete auch an der neuen Umwidmungssteuer, die jeden Häuselbauer treffen wird und die nichts mit einer modernen Agrarpolitik zu tun habe. Die Bauern erwarten sich, dass sich der Landwirtschaftsminister hinter sie stellt und auch die Interessen der Bevölkerung an einer gesunden Lebensmittelproduktion schützt, schloss Huber.

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) legte ein klares Bekenntnis zu den Bäuerinnen und Bauern ab, plädierte aber gleichzeitig für ein gerechtes Förderungssystem. Die Rednerin ging auf weitere Details der Gesetzesänderungen ein, auf die kostenlose Übermittlung von Daten der Bodenschätzung für die Aktualisierung des Berghöfekatasters sowie auf Nutzungsbestimmungen für die Internetanwendung der AMA. Die SPÖ stimme der Auszahlung von EU-Geldern unter dem Titel Marktstörungsmaßnahmen an die Milchbauern nach Milchquoten zu, eine Begünstigung jener Milchbauern, die mit der Einhaltung der Quoten das System bisher stabilisierten, sei von der ÖVP abgelehnt worden, berichtete die Abgeordnete mit Bedauern.

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) wandte sich gegen das Auslaufen der Milchquote, was Bauern in entlegenen Regionen die Liefergarantie nehmen werde. Das komme einer Enteignung gleich, weil viele Bauern aufgrund ihrer Milchquoten Investitionen vorgenommen haben, die in Zukunft keinen Ertrag mehr zulassen, weil Milch aus entlegenen Gebieten ohne Milchquote trotz ihrer hohen Qualität keine Vermarktungschance haben wird. Den Landwirtschaftsminister forderte der Abgeordnete daher auf, die Existenzchancen der Milchbauern in entlegenen Gebieten auch nach 2015 abzusichern.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zu dieser Anpassung an, da sie mit ihr die Hoffnung verbinden würden, dass es bei der digitalen Erfassung zu entsprechenden Erleichterungen für die Bauern kommt. An diese Ankündigung schloss der Redner einige Punkte, zu denen es klare Bekenntnisse im Interesse der Landwirte brauche. Die Palette reichte hierbei von den Futtermitteln bis zur Milchwirtschaft.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH sprach von wichtigen Schritten zur Entbürokratisierung der Landwirtschaft, mit denen mehr Effizienz und eine Rechtsbereinigung erreicht werde, ohne dass man einen Qualitätsverlust in der Sache befürchten müsse. Konkret setzte sich der Minister sodann mit der Marktordnung im Allgemeinen und mit der Milchquote im Besonderen auseinander.

Für die Annahme der Vorlage sprachen sich schließlich noch die S-Abgeordneten Walter SCHOPF und Ewald SACHER aus, wobei sich zwischen Sacher und dem Abgeordneten Günter STUMMVOLL (V) noch ein Disput um die Zukunft Allensteigs entspann.

Die Vorlage wurde mehrheitlich angenommen.

Koalition stützt AMA – Abgeordnete artikulieren aber Reformbedarf

Diskutiert wurden auch drei Anträge des BZÖ, in denen zwingende Fruchtbarkeitstests für Zuchtstiere, eine Komplettreform der AMA und Auflösung der Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH "AMA-Marketing" sowie das Aussetzen der Stilllegungsprämie/Brachlandförderung verlangt wird. Keine der drei Initiativen erhielt jedoch die erforderliche Mehrheit.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) erläuterte die Intention seines Antrags. Es bräuchte eine Untersuchung von Zuchtstieren im Vorfeld, um unliebsame Überraschungen bereits vor dem Verkauf vermeiden zu können, sagte er. Ein solcher Schritt würde zu einer merklichen Entlastung der Bauern führen, die sich so unnötige Kosten ersparen könnten, hielt der Abgeordnete fest.

Abgeordneter Franz ESSL (V) meinte zum gegenständlichen Antrag, dieser sei überschießend und daher nicht zu unterstützen, da er nur zu mehr Kosten anstatt zu Einsparungen führen würde. Schließlich bekannte sich der Redner zur AMA, die eine wichtige Einrichtung sei, die man seitens der Landwirtschaft brauche. Besonders verwies er dabei auf das AMA-Gütesiegel, das allgemein ein hervorragendes Image habe.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) erinnerte an die Aufgaben der AMA und hielt in diesem Lichte die Forderungen des BZÖ für unzweckmäßig. Eine Privatisierung dieses Bereichs wäre nicht sinnvoll und würde zudem dazu führen, dass der Rechnungshof den Mitteleinsatz nicht mehr überprüfen könnte, was gleichfalls kontraproduktiv wäre.

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) vertrat die Auffassung, der Antrag betreffend Zuchtstiere würde in mehrfacher Hinsicht zu einem Mehraufwand führen, was nicht sinnvoll wäre. Bei der AMA brauche es dringend eine Reform, eine Abschaffung wäre jedoch nicht zweckmäßig. Konkret gelte es, den Verwaltungsaufwand zurückzufahren und die Bürokratisierung des Bereichs abzubauen.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) beklagte mangelnde Transparenz im Bereich der AMA, was für die Bauern eine unhaltbare Situation darstelle. Die Kürzungen von Förderungen seien für die Landwirte nicht nachvollziehbar, das ganze System sei undurchsichtig und ungemein bürokratisch. Es müsse daher dringend im Interesse der Betroffenen umgestaltet werden. Weiteres kritisierte der Redner die enge Verschränkung der diesbezüglichen Stellen mit dem Bauernbund. Auch hier brauche es mehr Gerechtigkeit, hielt der Redner fest.

Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) verwies auf das breite Aufgabenspektrum der AMA. Man stehe zu einer Entbürokratisierung der AMA, wobei auch auf die Kontrolle entsprechend Bedacht genommen werden müsse. Im Übrigen leiste die AMA hervorragende Öffentlichkeitsarbeit, wovon das AMA-Gütesiegel Zeugnis ablege.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH ging auf die Inhalte der Vorlagen ein und zeigte sich überzeugt davon, dass die Leistungsfähigkeit der heimischen Züchter auch in Zukunft erhalten bleiben werde. Auch die Notwendigkeit der AMA stand für den Minister außer Zweifel, was er mit dem Hinweis auf die umfangreichen Aktivitäten der AMA untermauerte. Vor allem das Marketing auf ausländischen Märkten trüge zur heimischen Wertschöpfung bei, betonte das Regierungsmitglied. Das System müsse daher gesichert und glaubwürdig gehalten werden, lautet das Resümee des Ministers.

Abgeordnete Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) meinte, man müsse über sinnvolle Förderkontrollen bei der AMA nachdenken. Die AMA sei eine wichtige und positive Einrichtung, es gelte aber, deren Aktivitäten weiter zu optimieren. Besonders würdigte die Rednerin das AMA-Gütesiegel, doch auch hier brauche es klare Richtlinien, um mehr Transparenz in die Materie zu bringen.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) gestand zu, dass die AMA wichtige Aufgaben wahrnehme. Doch dieser Umstand dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesamtarchitektur der AMA hinterfragungswürdig sei. So könnte das AMA-Gütesiegel ja auch vom Ministerium verliehen werden. Es gebe viele offene Fragen – von der Kontrolle der aufgewendeten Mittel bis zur Personalauswahl -, sodass konkrete Schritte unabwendbar seien. In diesem Zusammenhang brachte er einen Entschließungsantrag betreffend Qualitätssteigerung der Tätigkeit der AMA ein.

Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) wies auf die Bedeutung von brach liegenden Flächen für die Bienenzucht hin. Jährlich gingen hunderttausende Bienen im Winter zugrunde, weil Blütenmangel die Bienen schwäche und sie anfällig für Milben mache, skizzierte er. Schuld daran hat für ihn nicht zuletzt die EU-Agrarpolitik, die Monokultur gefördert und Flächenstilllegungsprämien abgeschafft habe.

Abgeordneter Peter MAYER (V) wandte sich gegen die vorliegenden Anträge des BZÖ und zeigte keine Verständnis für deren Argumentation. Detailliert ging Mayer auf das Thema Zuchtstiere ein und meinte, in diesem Bereich gebe es sehr wenige Reklamationen. Die österreichischen Zuchtorganisationen und Besamungsstationen leisteten hervorragende Arbeit, sagte er.

Abgeordneter Kurt GASSNER (S) hielt generell fest, es gehe den Bauern in Österreich "nicht so schlecht". Er zitierte in diesem Zusammenhang den deutschen Bauernpräsidenten, der sich in einem Interview für mehr Ehrlichkeit in der Agrarpolitik ausgesprochen, auf die Steuerfreiheit vieler österreichischer Agrarbetriebe hingewiesen und die Umverteilung von Agrarförderungen in benachteiligte Gebiete als gerechten Akt qualifiziert habe. Kritik übte Gaßner an der geplanten Auflösung des Bergbauerninstituts, eine seiner Ansicht nach wichtige wissenschaftliche Forschungseinrichtung.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) warf Verteidigungsminister Norbert Darabos vor, einen "neuen Anschlag" auf den Raum Allentsteig zu planen. Er appellierte an die ÖVP, den Plänen des Verteidigungsministers nicht zuzustimmen. Fichtenbauer zufolge will Darabos den ortsansässigen Bauern Pachtgüter "wegschnappen", um sie besser zu verwerten.

Bei der Abstimmung nahm der Nationalrat die ablehnenden Ausschussberichte über die vorliegenden Oppositionsanträge mehrheitlich zur Kenntnis. Der BZÖ-Entschließungsantrag betreffend Komplettreform der AMA blieb in der Minderheit. (Fortsetzung Nationalrat)