Parlamentskorrespondenz Nr. 186 vom 14.03.2012

EU-Richtlinienentwurf zur Wasserpolitik entzweit die Gemüter

EU-Ausschuss des Bundesrats befasst sich mit Katastrophenschutz

Wien (PK) – Große Meinungsverschiedenheiten gab es heute im EU-Ausschuss des Bundesrats im Hinblick auf die geplante Änderung der Wasserrahmenrichtlinie und einer weiteren Richtlinie, mit der Umweltqualitätsnormen bzw. Grenzwerte festgeschrieben werden. Der Vorschlag der Kommission sieht die Aufnahme von 15 neuen Stoffen und Stoffgruppen sowie die Verschärfung der Umweltqualitätsnormen für 7 weitere Stoffe und Stoffgruppen vor. Vor allem die Bundesrätinnen und Bundesräte von ÖVP und FPÖ wie auch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft befürchten, dass es hier zu noch strengeren Maßstäben kommt, die kostenintensive Investitionen der Gemeinden in Kläranlagen erforderlich machen, ohne dass die Auswirkungen der aufgelisteten Substanzen auf Menschen, Tiere und Pflanzen ausreichend abgeklärt sind. Im Gegensatz dazu sprachen sich die LändervertreterInnen von SPÖ und Grünen für das gegenständliche Vorhabe aus und nannten dieses sogar einen notwendigen Schritt.

Der Tagesordnungspunkt wurde daraufhin einstimmig vertagt, man werde sich in Gesprächen bemühen, eine begründete Stellungnahme auszuarbeiten, hieß es aus den Reihen der Ausschussmitglieder.

Neben der Frage, inwieweit zur Sicherung hoher Wasserqualität die Normen auf EU-Ebene angehoben werden müssen, befasste sich der Ausschuss mit weiteren sehr unterschiedlichen, aber teilweise sensiblen Themen. So stand ein Vorschlag über ein Katastrophenschutzverfahren der Union ebenso auf der Tagesordnung wie ein Verordnungsentwurf über das Statut der Europäischen Stiftung. Kritisch gesehen wird aus österreichische Sicht die geplante Verordnung über die Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union, weil man Lohndumping und die Minderung der Qualität der gebotenen Dienstleitung befürchtet. Der Ausschuss nahm sich vor, in einer weiteren Sitzung das Gesamtpaket zu diskutieren, wo es insbesondere auch um den Lärmschutz geht.

Den Schluss der Beratungen bildeten der Entwurf zur Datenschutz-Grundverordnung sowie der Richtlinienvorschlag, der die Verarbeitung personenbezogener Daten für den Bereich Inneres und Justiz regelt. Dabei begrüßten die Bundesrätinnen und Bundesräte grundsätzlich, dieses Thema auf EU-Ebene zu harmonisieren, sie teilten aber auch weitgehend die von den ExpertInnen vorgebrachten Bedenken zu einigen Punkten. Einen Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip konnten sie nicht erkennen.

Verschärfung der Standards im Wasserrecht – notwendige Anpassung versus teure Investitionen

Außerordentlich diametral wurde von den Bundesrätinnen und Bundesräten die geplanten Änderungen in der Wasserrahmenrichtlinie und einer weiteren Richtlinie bewertet, mit der neue Umweltqualitätsnormen bzw. Grenzwerte festgelegt werden. Konkret sollen 15 neue Stoffe in die Liste prioritärer Stoffe aufgenommen und Umweltqualitätsnormen in Wasser und/oder Biota (z.B. Fische, Muscheln) für diese 15 Stoffe normiert werden. Die bestehende Liste prioritärer Stoffe wird nach dem Vorhaben der Kommission an die neuen Umweltqualitätsstandards angepasst, darüber hinaus sollen prioritär gefährliche Stoffe identifiziert werden. Auch die Vorgaben für die Überwachung sollen modifiziert werden.

Während ÖVP und FPÖ sowie das Umweltministerium befürchten, dass es im Falle des Inkrafttretens der Bestimmungen zu flächendeckenden Überschreitungen der Umweltqualitätsnormen in den heimischen Gewässern kommt und somit für die Gemeinden hohe Kosten durch den Einbau einer zusätzlichen Reinigungsstufe bei Kläranlagen verursacht werden, befürworteten SPÖ und Grüne die Vorhaben der EU als einen notwendigen Schritt.

Der Vertreter des Umweltministeriums sprach von einer gravierenden Verschärfung der geltenden Richtlinien und wies darauf hin, dass es sich bei ubiquitären Stoffen um Substanzen handelt, die zum Teil im Wege des Niederschlags in das Wassersystem gelangen. Das Problem seien auch Arzneimittel und Hormone, die sich auf die Wasserqualität negativ auswirken, fügte er hinzu. Ubiquitäre Stoffe kämen flächendeckend vor, man habe darauf aber keinerlei Einfluss. Er bestätigte, dass es zu hohen Investitionskosten kommen könnte, wenn eine weitergehende Abwasserreinigung erforderlich wird. Auch die Überwachungskosten für die Betriebe würden steigen, merkte er an, an das Monitoring würden darüber hinaus wesentlich höhere Anforderungen gestellt.

Das Ziel Österreichs in den Ratsverhandlungen gehe daher in die Richtung, ubiquitäre Stoffe nicht in die Gesamtbeurteilung mit einzubeziehen und statt einer zwingenden flächendeckenden weitergehenden Abwasserreinigung sich auf Prioritäten zu konzentrieren, ähnlich wie dies derzeit in der Schweiz erfolgt.

Die Bundesräte Edgar Mayer (V/V) und Martin Preineder (V/N) machten auf die Stellungnahme des Europa-Ausschusses des niederösterreichischen Landtags aufmerksam, in der davon ausgegangen wird, dass allein für Niederösterreich 500 Mio. € an zusätzlichem Investitionsbedarf entstehen und die Betriebskosten um rund 20 Mio. € pro Jahr steigen könnten. Preineder nannte das Ziel der Richtlinien für durchaus ambitioniert, Niederösterreich habe aber bereits sehr viel Geld in die Wasserreinheit investiert und es stelle sich nun die Frage, ob sich durch die neuen Bestimmungen gefährliche Stoffe vermeiden lassen. Auch Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) meinte, noch höhere Kosten seien nicht tragbar, Niederösterreich habe für den umweltgerechten Betrieb von Abwasseranlagen bereits rund 100 Mio. €  ausgegeben.

Eine ähnliche Problematik sah Bundesrätin Cornelia Michalke (F/V) für das Bundesland Vorarlberg. Sie hielt die zu befürchtenden Kostensteigerungen deshalb für unangemessen, weil der Kanalisierungsgrad in anderen Mitgliedsstaaten weniger hoch ist. Außerdem sei die Entwicklung im Bereich der Pharmazie außerordentlich dynamisch, weshalb sich die Frage stelle, ob die Richtlinie dann jährlich geändert werden müsste.

Im Gegensatz dazu bewertete Bundesrat Stefan Schennach (S/W) die Richtlinie als einen notwendigen Schritt und wies auf die überwiegend positive Beurteilung durch andere Mitgliedsstaaten hin. Die Änderungen bezeichnete er als moderat, zumal von 2000 Substanzen nur 15 neu aufgenommen und sechs als gefährlich eingestuft werden sollen. Für ihn stellen die Entwürfe einen innovativen Versuch dar, die Gewässerqualität zu heben. Er räumte zwar ein, dass es Probleme mit schwachen Vorflutern geben wird, wies aber darauf hin, dass die Gemeinden bis 2021 Zeit haben sollen, die entsprechenden Adaptionen vorzunehmen. Die Richtlinien seien auch deshalb zu unterstützen, da viele Mitgliedsstaaten ihr verschmutztes Wasser nach Österreich exportieren. Gemeinsame Normen könnten hier regulierend wirken.

Ähnlich argumentierte Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N), die die Kritik an den Vorschlägen nicht nachvollziehen konnte. Ubiquitäre Stoffe würden ja gesondert behandelt, sagte sie und wies auf den ständigen Zuwachs von pharmazeutischen Produkten hin.

Österreichs Haltung sei keine Fundamentalopposition, bekräftigte der Vertreter des Ministeriums, es gehe aber um eine praktikable Handhabung. Die tatsächlichen Kosten seien derzeit schwer abzuschätzen, sie hingen davon ab, wie die Richtlinie endgültig ausschauen wird, reagierte er auf eine Bemerkung von Bundesrätin Michalke (F/V), wonach die Gemeinden ja eine Budgetplanung vornehmen müssten. Er bestätigte die Aussage Schennachs (S/W), dass der Richtlinienentwurf auf eine breite Zustimmung innerhalb der EU stößt, jedoch teile eine nicht unbeträchtliche Zahl von Mitgliedsstaaten die Bedenken Österreichs.

EU-Kommission will bei Katastrophenschutz eine stärkere Koordinierungsrolle

Die EU plant, das Katastrophenschutzverfahren innerhalb der Union zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen vor allem die Maßnahmen der Mitgliedstaaten durch wirksamere Präventions-, vorbereitungs- und Abwehrsysteme für Natur- und von Menschenhand verursachte Katastrophen innerhalb und außerhalb der Union unterstützt, koordiniert und ergänzt werden. Deshalb zielt der Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates darauf ab, den Katastrophenschutzmechanismus neu zu fassen und die bisherigen Rechtsgrundlagen zu ersetzen. Auch das Finanzierungsinstrument soll neu geregelt werden. Für die Finanzperiode 2014-2020 sind dafür insgesamt 513 Mio. € vorgesehen, 276 Mio. € sind für Ausgaben innerhalb der Union budgetiert, 237 Mio. € für Ausgaben außerhalb der Union, was seitens der Ausschussmitglieder kritisch betrachtet wurde.

Die Mitgliedstaaten sollen der Kommission bis 2016 laut Vorschlag Risikomanagementpläne übermitteln. Leitlinien sollen in weiterer Folge den Inhalt der Risikomanagementpläne festlegen. Die  Mitgliedsländer können aber den Einsatz dieser Kapazitäten für einen bestimmten Notfall aus zwingenden Gründen ablehnen, das heißt das Prinzip der Freiwilligkeit bleibt erhalten.

Die Pläne der EU werden von österreichischer Seite ausdrücklich begrüßt, man besteht aber darauf, die Grundprinzipien bereits im geplanten Beschluss zu regeln und nicht an die in Aussicht gestellten Durchführungsbestimmungen zu delegieren.

Die Vertreterin des Innenministeriums unterstrich, dass der Vorschlag kaum Auswirkungen auf Bund und Länder haben wird, da Österreich im Hinblick auf das Risikomanagement Vorbildcharakter habe. Katastrophenschutz fällt in Österreich in die Zuständigkeit der Bundesländer.

Bundesrat Edgar Mayer (V/V) gegenüber betonte die Expertin, die zu übermittelnden Risikomanagementpläne würden von fast allen Ländern kritisch gesehen, dort seien auch Daten gespeichert, die man nicht weitergeben könne. In erster Linie gehe es aber darum, Bewusstsein zu schaffen, zumal viele Mitgliedstaaten in Bezug auf Risikomanagement sehr nachlässig seien. Ein bestimmter Standard sei daher durchaus zu begrüßen. Mindeststandards wurden auch von Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) eingefordert, denn es sei notwendig, so ihre Argumentation, zu wissen, wie es bei den anderen aussieht und worauf man sich verlassen kann. Von der Vertreterin des Ministeriums erfuhr sie weiters, dass es ein entwickeltes Trainings- und Übungsprogramm gibt, für das auch hohe Mittel vorgesehen seien. Auch Bundesrat Stefan Schennach (S/W) sprach sich für ein verbindliches Muster hinsichtlich der Risikomanagementpläne aus und forderte von allen Bundesländern Stellungnahmen zu den Vorhaben ein. Dem schloss sich Bundesrätin Susanne Neuwirth (S/S) an und meinte, man müsse den Bundesländern klar machen, dass es um ihre Interessen geht. Die Expertin des Innenressorts stellte am Schluss der Diskussion klar, dass es keine verbindlichen Vorgaben für die Risikomanagementpläne geben werde, dass man aber vorhabe, nicht verbindliche Guidelines auszuarbeiten.

Grenzüberschreitende gemeinnützige Tätigkeit soll gefördert werden

Der nächste Tagesordnungspunkt betraf den Vorschlag für eine Verordnung über das Statut der europäischen Stiftung, wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass es sich dabei um ausschließlich gemeinnützige Einrichtungen handelt, die eher mit Vereinen vergleichbar sind, die man aber klar von Privatstiftungen nach österreichischem Recht zu unterscheiden habe.

Ziel ist es, die die Errichtung und Funktionsweise von Stiftungen im Binnenmarkt zu erleichtern und damit die gemeinnützige Tätigkeit besser zu unterstützen. Derzeit haben aber derartige Einrichtungen Schwierigkeiten, grenzüberschreitend tätig zu werden. Eine europäische Stiftung liegt dann vor, wenn die Einrichtung in mindestens zwei EU-Staaten tätig ist und ein Mindestkapital von 25000 € aufweist.

Die Initiative wird damit begründet, dass Stiftungen in der Zivilgesellschaft der EU eine wichtige Rolle spielen, indem sie etwa zu den Grundwerten und Zielen der Europäischen Union - wie Achtung der Menschenrechte, Schutz von Minderheiten, Beschäftigung und sozialer Fortschritt, Schutz und Verbesserung der Umwelt und Förderung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts – beitragen. Stiftungen sei es aber derzeit nicht möglich, Gelder effizient innerhalb der EU zu transferieren. Wenn sie ihre Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten ausweiten wollen, müssen sie einen Teil ihrer Einnahmen für Rechtsberatung und die Beachtung der diversen rechtlichen und administrativen Anforderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten aufwenden.

Deshalb sollen Stiftungen in Zukunft private Gelder leichter für Zwecke des Gemeinwohls innerhalb der EU transferieren können und durch verwaltungstechnische Erleichterungen auch mehr Mittel für ihre Aufgaben zur Verfügung haben.

Der Vorschlag wird von österreichischer Seite grundsätzlich positiv gesehen, ist aber derzeit nach heimischer Ansicht noch nicht ganz ausgereift. Die Aufsichtsbehörden sowie die Strafvorschriften richten sich nach nationalem Recht, reagierte der Experte des Ministeriums auf Fragen der BundesrätInnen Stefan Schennach (S/W) und Elisabeth Kerschbaum (G/N). Bundesrat Edgar Mayer (V/V) merkte im Hinblick auf die Bedenken des Finanzministeriums an, es könnte wahrscheinlich zu einer Ausweitung der Spendenbegünstigung im nationalen Steuerrecht kommen. (Fortsetzung EU-Ausschuss Bundesrat)


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