Parlamentskorrespondenz Nr. 241 vom 29.03.2012

Neue Mittelschule wird Regelschule

Zustimmung von SPÖ, ÖVP und BZÖ - Kritik der FPÖ und der Grünen

Wien (PK) – Die "Neue Mittelschule" – bisher nur ein Schulversuch - wird ab 2012/13 in das Regelschulwesen übernommen und ersetzt schrittweise bis 2018/19 die traditionelle Hauptschule. Die Neue Mittelschule bietet individuelle Förderung, Unterricht in Schülergruppen und Teamteaching. Die entsprechenden Änderungen im Schulorganisationsgesetz, im Schulunterrichtsgesetz und anderen Schulgesetzen (1631 d.B.) beschloss der Nationalrat heute mit S-V-B-Mehrheit. Zugleich reagierten die Abgeordneten auf die grassierenden Gesundheitsprobleme der SchülerInnen infolge falscher Ernährung und verankerten – auf Antrag des BZÖ (1804/A [E]) – das Pflichtfach "Ernährung und Haushalt" im Lehrplan der Neuen Mittelschule. In der Minderheit blieben Abänderungsanträge der Grünen sowie deren Antrag für eine "wirklich neue Mittelschule" mit Unterricht auf Basis des AHS-Unterstufenlehrplans (1762/A [E]). Einstimmig angenommen wurde ein S-V-Entschließungsantrag zur Teilqualifizierung behinderter Jugendlicher mit sonderpädagogischem Förderbedarf in landwirtschaftlichen Fachschulen. Entschließungsanträge der Grünen zur Beschränkung der Gruppengröße im Werkunterricht sowie der Grünen und des BZÖ betreffend Ernährung und Haushalt in der AHS wurden abgelehnt.

Für Abgeordneten Walter ROSENKRANZ (F) wird mit dem vorliegenden Gesetzespaket "die Katze im Sack gekauft". Die versprochene Evaluierung des Schulversuchs Neue Mittelschule sei nicht erfolgt, kritisierte er. Aus den schlechten Ergebnissen von PISA würden nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Vielmehr verfolge man das ideologische Konzept der Gesamtschule. Die Hauptschule sei aufgrund "hemmungsloser Zuwanderung" in den Ballungsgebieten zur Restschule verkommen, da dort der Anteil von Immigrantenkindern zwischen 50 und 90 % liege und die mangelnden Sprachkenntnisse ein großes Problem darstellen. Im Gegensatz dazu funktioniere die Hauptschule im ländliche Bereich sehr gut, stellte er fest. Man schütte nun das Kind mit dem Bade aus, warf er SPÖ und ÖVP vor. Die FPÖ wolle im Gegensatz dazu eine Schule der Vielfalt und nicht der Einfalt, sie wolle ein verbessertes differenziertes Schulsystem. Ihr gehe es um Bildungsgerechtigkeit, die Gesamtschule stelle aber keine probate Lösung dar. Vielmehr brauche man gleiche Chancen, und dazu gehörten auch Leistung, Anstrengung und Disziplin. Es sei notwendig, ein gutes öffentliches Schulsystem anzubieten, damit die Eltern nicht auf teure Privatschulen angewiesen sind. 

Abgeordneter Elmar MAYER (S) zeigte sich mit der vorliegenden Reform hoch zufrieden und sprach von einem großen Tag in der Bildungspolitik des Landes. Der Schulversuch Neue Mittelschule sei von Anfang an ein großer Erfolg gewesen, mit dem heutigen Schritt werde man die Chancen der 10- bis 14-Jährigen verbessern. Mayer würdigte insbesondere die Arbeit von Unterrichtsministerin Claudia Schmied und erinnerte daran, dass in den letzten Jahren wesentliche Reformen im Bildungsbereich gelungen sind. Dazu gehören unter anderem neue Wege im frühpädagogischen Bereich, kleinere Klassen, eine bessere Sprachförderung, die Einführung von Bildungsstandards, die neue Matura und die Reform der Oberstufe. Mit der Überführung der Neuen Mittelschule ins Regelschulwesen werde dieser Weg in einem entscheidenden Punkt fortgesetzt. Das Konzept setze auf Team-Teaching und die Prämisse "mehr fördern und fordern". Mayer bekräftigte, dass dieser Schritt kein Endpunkt sein könne, aber einen wichtigen Abschnitt in Richtung gemeinsame Schule darstelle. "Kein Kind soll auf der Strecke bleiben", schloss Mayer.

Abgeordneter Harald WALSER (G) konnte die Euphorie seines Vorredners nicht teilen. Er sah vielmehr einen großen Tag für die "Stillstandsbewahrer", da sich seiner Meinung nach die ÖVP zu 100% durchgesetzt hat. Dies sei ein schlechter Tag für die Kinder, für den Wirtschaftsstandort und für jene, die an der Weiterentwicklung des Schulsystems interessiert sind, konstatierte Walser. Man habe es sich zu einfach gemacht, indem man die Neue Mittelschule auf die Hauptschule draufgesetzt hat. Das Ganze bezeichnete der Grüne Bildungssprecher als "faulen Kompromiss", zumal in den Schulversuchen nach dem AHS-Lehrplan unterrichtet wurde, diese Bestimmung jedoch nun gestrichen worden sei. Zu Untermauerung seiner Kritik zitierte Walser Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, der gemeint hatte, die Neue Mittelschule sei nicht einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Nur mit guter Propaganda komme man im Bildungsbereich nicht weiter, warf er der Bildungsministerin unter Hinweis auf den Folder vor, der im Railjet im Rahmen der Kooperation mit den ÖBB aufliegt. In diesem Folder werden falsche Informationen weitergegeben, sagte Walser. Abschließend verlangte er ein gerechtes Schulsystem, eine Schulreform, die den Namen auch verdient, weg von Kompromissen und eine Koalition der Vernünftigen. "Maxime muss sein, kein Kind zurückzulassen", so sein Appell. 

Abgeordneter Werner AMON (V) hielt den Grünen vor, eine Philosophie "absoluter Bestemmhaltung" zu verfolgen und jegliche Beweglichkeit verloren zu haben. Kompromisse seien nicht per se faul, sondern in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. SPÖ und ÖVP hätten eine Bildungsreform-Partnerschaft geschlossen, die pragmatische Lösungen im Interesse der Kinder abseits von ideologischem Beharrungsvermögen anstrebt. Die vorliegende Reform sei deshalb auch bedeutend, weil davon rund 220.000 SchülerInnen, rund 30.000 LehrerInnen und über 1.000 Standorte betroffen seien, rechnete Amon vor. Die österreichische Hauptschule, die zum überwiegenden Teil gut funktioniere, müsse sich positiv weiterentwickeln, sagte er und widersprach Abgeordnetem Walser heftig: "Wir wechseln nicht nur ein Türschild aus". Das Gegenteil sei der Fall, da man nun ein neues Bildungsmodell anbiete, wo am Schulstandort autonom Differenzierungen vorgenommen werden können. Damit könne man den Kindern und Jugendlichen die beste Förderung angedeihen lassen. Auch der AHS-Lehrplan könne angeboten werden und das Fach Ernährung und Haushalt bleibe erhalten. Es sei das erklärte Ziel, keinen jungen Menschen zurückzulassen, bekräftigte Amon, der unterstrich, dass man besonderen Wert auf Team-Teaching legen werde. Auch Amon meinte, mit dieser Reform werde kein Endpunkt gesetzt, weil die Bildungsreform eine permanente sein müsse. Die Neue Mittelschule komme, die AHS bleibe sowohl in Langform als auch in Oberstufenform. Wichtig sei es, die Durchlässigkeit des Systems zu gewährleisten.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion an, da ihrer Ansicht nach mit der Neuen Mittelschule eine Form des modernen Unterrichts geschaffen werde. Auch sie unterstrich die Prämisse, kein Kind aus dem Bildungssystem zu verlieren, weshalb sie es besonders begrüßte, dass in der Klassengemeinschaft die Stärkeren den Schwächeren helfen. Die Neue Mittelschule stelle einen wesentlichen Schritt zur Qualitätsverbesserung dar, zeigte sie sich überzeugt, damit werde auch die Hauptschule aufgewertet. Es sei auch möglich, AHS-Stufen nach diesem Modell zu führen. Die Rednerin erinnerte daran, dass es in Kärnten die ersten Modellversuche gegeben hat und hob als besonders positive Punkte die Individualisierung und Differenzierung des Unterrichts, das Team-Teaching, mehr Autonomie am  Schulstandort, die verpflichtende Berufsorientierung sowie die Ernährungs- und Verbraucherbildung hervor. Kritisch bewertete sie die noch immer unterschiedliche Bezahlung der LehrerInnen und die Tatsache, dass der Schulversuch nicht evaluiert worden ist. Trotz der positiven Stellungnahme zum vorliegenden Reformpaket übte Haubner grundsätzliche Kritik an der Bildungspolitik, denn der heutige Beschluss dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass man es mit einer "Schulbaustelle" zu tun habe, merkte sie an. Die Schule sei eine Spielwiese der Parteien, das System geprägt von Mehrgleisigkeit. Der Bund zahle, die Länder schaffen an, es gebe noch immer ein unterschiedliches Dienstrecht und eine unterschiedliche pädagogische Ausbildung. Haubner forderte ein Reform- und Investitionsprogramm, das dafür sorgt, dass die finanziellen Mittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED betonte eingangs, der Beschluss des Gesetzespakets zur Neuen Mittelschule (NMS) stelle eine beachtliche Schulreform in der Sekundarstufe I dar. 230 Mio. € mehr pro Jahr würden in Zukunft in die Sekundarstufe I investiert, so Schmied. Die NMS werde Teil des Regelschulwesens und solle bis 2018/19 vollständig umgesetzt sein, erläuterte die Ministerin, merkte jedoch an, dass ihre Partei weiterhin die gemeinsame Schule als Ziel in der Bildungspolitik verfolge.

Als "Herzstück" der NMS beschrieb die Unterrichtsministerin eine neue Lernkultur, mit der SchülerInnen in den Mittelpunkt der Unterrichtsarbeit gestellt würden. In der neuen Schulform könnten Talente und Interessen der SchülerInnen individuell gefördert werden, wodurch sich die Jugendlichen zu selbstbewussten und mündigen Menschen entwickeln könnten. Als wichtigen Punkt führte Schmied in diesem Zusammenhang die Vorplanung der Bildungs- und Berufslaufbahnen ab der 7. Schulstufe an, die in der NMS etwa durch Eltern-Schüler-Lehrer Gespräche forciert werde. Die Zufriedenheit der SchülerInnen und Eltern mit der neuen Schulform sei für sie ein wichtiges Qualitätskriterium der NMS, verdeutlichte Schmied.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) sah in der flächendeckenden Einführung der NMS mehr Bildungschancen und Durchlässigkeit im Schulsystem gegeben. Derzeit bestimme noch die Herkunft den Bildungsweg eines Kindes, beanstandete Ablinger, durch die NMS könne dieser direkte Zusammenhang zwischen Elternhaus und schulischer Entwicklung aufgebrochen werden.

Studien zufolge sei die allzu frühe Trennung der Kinder auf ihrer schulischen Laufbahn falsch, bemängelte die S-Mandatarin die Entscheidung zwischen Hauptschule oder Gymnasium nach Abschluss der Volksschule. Sie trete daher ebenfalls für eine gemeinsame Schule bis 14 Jahre ein, bekräftigte Ablinger die Sicht der Bundesministerin für Unterricht.

Einen Erfolg in der Bildungspolitik machte Abgeordnete Silvia FUHRMANN(V) mit der Schaffung der NMS aus. Parteipolitische Stereotypen habe man bei den Verhandlungen zur neuen Schulform über Bord geworfen, meinte die V-Mandatarin und begrüßte die NMS als eine der bedeutendsten bildungspolitischen Reformen der letzten 50 Jahre. Durch die neue Bildungskultur, die mit Team Teaching, der Karriereplanung ab der 7. Schulstufe oder auch der Zentralmatura ab 2014/15 Einzug hält, werde die "Humanressource" Österreichs ausgebaut.

Allerdings, merkte sie an, gäbe es von der Schulverwaltung bis zum Dienstrecht noch einige Problembereiche im österreichischen  Schulwesen. Mit einer strafferen Verwaltung und einem leistungsgerechten Besoldungssystem sollte sichergestellt werden, dass Budgetmittel tatsächlich der Bildungsqualität zu Gute kommen, unterstrich Fuhrmann.

Im Gegensatz zu seinen Vorrednerinnen sah Abgeordneter Christian HÖBART (F)keine positive Entwicklung der Bildungspolitik durch die NMS, da seiner Ansicht nach nur das Wort Hauptschule durch die Bezeichnung "Neue Mittelschule" ersetzt werde. Die NMS-Schulversuche der letzten Jahre seien ein "Fleckerlteppich" gewesen, über den die Regierung letztendlich zur einheitlichen Gesamtschule für alle gelangen wolle. Insgesamt könne er in der österreichischen Bildungspolitik einzig Stillstand erkennen, wandte sich der F-Mandatar gegen das Projekt der NMS.

Die NMS gewährleiste nicht die schulischen Rahmenbedingungen wie Freiheit, Perspektiven oder leistungsorientierte Erziehung, die Jugendliche benötigen würden, kritisierte Höbart. Seine Partei habe bereits zahlreiche bildungspolitische Schwerpunkte präsentiert, so Höbart und nannte als Beispiele eine praxis- und projektorientierte Ausbildung, verbesserte Ausrüstung der Schulen und laufende Qualitätskontrollen sowie Hebung des Niveaus bei der Lehrausbildung.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) gestand der Regierung zu, dass es bildungspolitische Fortschritte in den letzten Jahren gegeben habe, stellte jedoch in Frage, ob dadurch wirklich das Kernproblem des österreichischen Schulwesens verbessert worden sei. Er skizzierte, wo er die Hauptproblematik orte: in Österreich bestimmten drei Faktoren, Herkunft, örtliche Distanz und Begabung, ob Jugendliche den Weg zur Höheren Bildung einschlagen könnten. Mit Begabung allein stünden die Chancen dafür allerdings schlecht, bemängelte Brosz.

Als unrichtig bezeichnete der G-Mandatar die Definition der NMS als Schule für alle 10 bis 14jährige, da die Bestimmung über den zukünftigen Bildungsweg eines Kindes ja immer noch nach der Volksschule gefällt werden müsse. Für eine echte Reform sei zudem die Schaffung einer Schule, in der verstehendes Lernen ermöglicht werde, essentiell.

Ein großer Schritt hin zu einem modernen effizienten Schulsystem, in dem individuelle Leistung gefördert würde, sei mit der NMS gemacht worden, sagte Abgeordneter Stefan PETZNER (B) und sah die neue Schulform grundsätzlich positiv, auch wenn diese nicht der letzte Schritt der Bildungsreform sei. Selbstbewusstsein und Bildung seien in einer immer komplexer werdenden Welt entscheidend, meinte der Redner und betrachtete die NMS als wesentlichen Eckpfeiler für die Sicherung dieser Faktoren bei Jugendlichen.

Einzelne Teile des Gesetzes hob Petzner als besonders positiv hervor. Dass es in der NMS neben den klassischen Noten auch eine differenzierte Leistungsbeschreibung der SchülerInnen gebe, dass die Schulautonomie gestärkt und mehr Geld in die neue Schulform investiert werde und dass verpflichtenden Eltern-Schüler-Lehrer-Gespräche eingeführt würden, empfand der B-Abgeordnete als äußerst begrüßenswert.

Abgeordneter Josef AUER (S) betrachtete die flächendeckende Einrichtung der NMS als Kompromiss, den er begrüße, da mit der neuen Schulform mehr Geldmittel für sonst eher benachteiligte Personengruppen eingesetzt würden. Der starke Konnex zwischen dem Bildungsweg eines Kindes und der Höhe des Elterneinkommens sei durch die NMS nicht mehr gegeben.

Langfristig, merkte der S-Mandatar an, solle dennoch eine gemeinsame Schule der 6- bis 14-jährigen angestrebt werden. Zur Realisierung einer solchen Schulform hoffe er auch auf den Druck aus der Bevölkerung, so Auer, und widersprach Stimmen aus der FPÖ, die darin eine Form der "Gleichmacherei" orteten.

Für Abgeordnete Anna FRANZ (V) stellte die NMS eine "Leistungsschule" dar, in der die Begabungen und Interessen der SchülerInnen im Mittelpunkt stünden. Besonderes Augenmerkt widmete die V-Mandatarin dem Fach Ernährung und Haushalt in der NMS, da ernährungstechnische Inhalte in Zeiten von Fast Food unbedingt schulisch vermittelt werden müssten. Die Schulversuche der NMS seien laut Franz bereits mit äußert guten Ergebnissen verlaufen, da diese Form der Bildung den SchülerInnen durch gezielte Einzelförderung mehr Chancen ermögliche.

In einer kurzen Wortmeldung brachte sich danach Unterrichtsministerin SCHMIED nochmals in die Debatte ein. An Abgeordneten Dieter Brosz (G) gerichtet stellte sie klar, dass die NMS sehr wohl für alle SchülerInnen Österreichs offenstehe. Den Vorwurf des bildungspolitischen Stillstands, den F-Abgeordneter Christian Höbart geäußert hatte, wies Schmied aufs Schärfste zurück und erinnerte daran, dass insgesamt 45 Regierungsvorlagen zu bildungspolitischen Themen eingebracht worden waren.

Abgeordnete Anneliese KITZMÜLLER (F) konnte dem Gesetzesentwurf zur NMS nichts Gutes abgewinnen, da mit der neuen schulischen Form das gewachsene Schulsystem Österreichs zerstört würde. Sie sehe das vollständige Wegfallen des Gymnasiums voraus, meinte die F-Mandatarin und warnte davor, dass die SchülerInnen dann keine Entscheidungsfreiheit bei der Wahl ihrer Schule mehr hätten.

Kitzmüller bekrittelte auch, dass die seit 2008/09 laufenden Schulversuche nie evaluiert worden seien und nun automatisch in das Regelschulwesen übergehen sollten. Anstatt der Integrationsschulen forderte sie eine verstärkte Förderung der Sonderschulen.

Konträr zu ihrer Vorrednerin sah Abgeordnete Helene JARMER (G) Sonderschulen nicht als zukunftsweisende Schulform an. Für Menschen mit Behinderung böten Sonderschulen und auch Integrationsschulen keine gleichberechtigten Chancen, da dort nicht entsprechend auf Einschränkungen bedingt durch eine Behinderung eingegangen würde.

Inklusion war das Schlagwort, mit dem Jarmer den Ansatz für eine chancengleiche Bildung für Menschen mit Behinderung umschrieb. Es dürfe keine Institution geben, die den Eltern vorschreibe, wohin sie ihr Kind in die Schule schicken müssten. Nur durch inkludierende Schulformen bliebe die Wahlfreiheit in Bezug auf die schulische Laufbahn und damit auf die persönliche Zukunft aller SchülerInnen bestehen.

Die Unterstützung der Regierungsvorlage durch ihre Partei, das BZÖ, bekräftigte einmal mehr Abgeordnete Martina SCHENK (B), sei doch darin der BZÖ-Antrag auf das Schulfach Ernährung und Haushalt in der NMS verankert worden. Kritisch betrachtete sie allerdings das Faktum, dass die maximale Klassengröße von 25 SchülerInnen nur als Richtwert vorgegeben und nicht fix festgelegt worden war.

Problembereiche erkannte Schenk auch in Fragen der pädagogischen Ausbildung sowie bei Doppelgleisigkeiten in der Schulverwaltung, die generell moderner, effizienter und transparenter werden müsse. Immerhin, so stellte Schenk fest, sei der vorliegende Gesetzesentwurf ein erster Reformschritt in eine positive Zukunft der Bildung in Österreich.

Abgeordneter Harald WALSER (G) warf den Koalitionsparteien in einer zweiten Wortmeldung vor, die Realität an den Schulen "außen vor" zu lassen. Der Frust und die Verunsicherung unter den LehrerInnen sei auch in Vorarlberg groß, meinte er. Viele LehrerInnen wollten endlich eine Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen.

Zum vorliegenden Gesetzespaket legte Walser vier Abänderungsanträge und einen Entschließungsantrag vor, um diesem, wie er meinte, "die Giftzähne zu ziehen". Die Grünen wollen unter anderem die SchülerInnen der Neuen Mittelschule gegenüber SchülerInnen von Gymnasien gleichstellen, die Gruppengröße im Werkunterricht auf 15 SchülerInnen beschränken und Rechtschreibfehler in der Vorlage korrigieren. Der gemeinsam mit dem BZÖ eingebrachte Entschließungsantrag zielt darauf ab, das Fach "Ernährung und Haushalt" auch im Lehrplan der AHS-Unterstufe verpflichtend zu verankern.

Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) hielt fest, die Neue Mittelschule sei ein wichtiger und richtiger Schritt für die Zukunft des österreichischen Bildungssystems. Man eröffne den SchülerInnen damit bestmögliche Chancen für den weiteren Bildungsweg. Die Neue Mittelschule sei nicht nur ein anderes Türschild für Hauptschulen, zeigte sich Gessl-Ranftl überzeugt, die bisherigen Schulversuche zeigten, dass es eine völlig neue Lehr- und Lernkultur gebe. In den Hauptfächern würden zwei PädagogInnen unterrichten. Allgemein meinte Gessl-Ranftl, mit zehn Jahren könne man Begabungen und Talente von Kindern noch nicht erkennen.

Abgeordneter Franz-Joseph HUAINIGG (V) führte aus, die Neue Mittelschule biete ähnliche Rahmenbedingungen wie sie bereits in Integrationsklassen erprobt seien. So verwies er etwa auf den Einsatz von Teamteaching und individualisierte Lehrpläne. An Unterrichtsministerin Claudia Schmied richtete Huainigg den Appell, im neuen Lehrerdienstrecht auch entsprechende Rahmenbedingungen für den Unterricht durch behinderte LehrerInnen zu verankern. Ein von ihm eingebrachter Entschließungsantrag zielt darauf ab, auch in landwirtschaftlichen Fachschulen eine Teilqualifizierung von Jugendlichen zu ermöglichen.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) betonte, die Neue Mittelschule sei ein richtiger Schritt im Rahmen der Bildungsreformbestrebungen. In der Neuen Mittelschule stecke eine Qualitätsoffensive, eine neue Lern- und Lehrkultur und eine gezielte Konzentration auf Stärken und Schwächen von SchülerInnen zwischen 10 und 14 Jahren, skizzierte er. Kein Verständnis äußerte Riepl für die Position der FPÖ, diese stellt sich seiner Meinung nach ohne Sachargumente vor jene, die Angst vor Veränderungen hätten.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) unterstrich, die Neue Mittelschule sei ein erster Schritt zu einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. Begabungen von SchülerInnen würden noch mehr gefördert als bisher, auf Schwächen noch intensiver eingegangen. Das bringe mehr Chancengerechtigkeit. Sacher bekräftigte, die Volksschule sei "ein hervorragendes Modell" der gemeinsamen Schule, es gebe keinen Grund, dieses Erfolgsmodell bei 10- bis 14-Jährigen nicht weiterzuführen.

Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) begrüßte die Einführung der Neuen Mittelschule grundsätzlich. Er hob allerdings die Notwendigkeit hervor, mit Reformen schon in der Volksschule anzusetzen. Dort gibt es seiner Auffassung nach gewaltige Defizite. Bevor Kinder in die Schule gehen, wollten sie etwas lernen, sagte Lugar, mit dem Schuleintritt gehe die Freude am Lernen aber verloren. Alle Kinder würden "über einen Kamm geschoren", viele könnten nach der Volksschule nicht einmal richtig lesen. Lugar hält nicht nur mehr finanzielle Mittel für erforderlich, man muss ihm zufolge auch den LehrerInnen die Möglichkeit geben, für mehr Disziplin in der Klasse zu sorgen, und ungeeignete LehrerInnen aus der Schule bringen.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) machte in einer zweiten Wortmeldung geltend, in Österreich gebe es einen bildungspolitischen "Fleckerlteppich". Um Bildungsreformen voranzutreiben, sei offenbar ein Volksbegehren notwendig, konstatierte er.

Die Änderung von Schulorganisationsgesetz, Schulunterrichtsgesetz, Schulpflichtgesetz und weiterer Schulgesetz wurde mehrheitlich angenommen, Abänderungsanträge der Grünen fanden keine Mehrheit und blieben unberücksichtigt. Auch G-Entschließungsantrag betreffend Beschränkung der Gruppengröße im Werkunterricht sowie der G-B-Entschließungsantrag betreffend Ernährung und Haushalt in der AHS wurden abgelehnt. Der S-V-Entschließungsantrag betreffend Teilqualifizierung von behinderten Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in landwirtschaftlichen Fachschulen wurde einstimmig angenommen. Die Ablehnung des Antrags der Grünen  betreffend Abschaffung des Hauptschul­lehrplans und ausschließliche Verwendung des AHS-Unterstufenlehrplanes an Neuen Mittelschulen erfolgte mehrheitlich. (Schluss Unterrichtsdebatte/Fortsetzung Bundestheatergesetz)  


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