Parlamentskorrespondenz Nr. 261 vom 04.04.2012

Vorlagen: Verfassung

Regierung legt EU-Beitrittsvertrag mit Kroatien zur Genehmigung vor

Kroatien soll im Juli 2013 der EU beitreten

Die Regierung hat dem Parlament den Vertrag zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Kroatien über einen Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union zur Genehmigung vorgelegt (1717 d.B.). Der Vertrag umfasst neben dem eigentlichen Beitrittsvertrag auch die Beitrittsakte und zugehörige Anhänge sowie die Schlussakte samt Erklärungen und orientiert sich inhaltlich weitgehend am Vertrag über den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union. Der EU-Beitritt Kroatiens soll im Juli 2013 erfolgen, Voraussetzung dafür ist allerdings eine zeitgerechte Ratifizierung des Beitrittsvertrags in allen 27 EU-Ländern. In Österreich müssen sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.

Wie aus den Erläuterungen hervorgeht, wurden die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien im Herbst 2005 begonnen und im Sommer 2011 abgeschlossen. Die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags durch die Staats- und Regierungschefs erfolgte am 9. Dezember des vergangenen Jahres. Die österreichische Regierung ist überzeugt, dass der EU-Beitritt Kroatiens zu einer weiteren Stabilisierung des Balkanraums führen und positive Impulse für den Wirtschaftsstandort Österreich bringen wird. Sie weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Österreich schon jetzt einer der wichtigsten Handelspartner Kroatiens ist und der bei weitem größte Investor im Land. In Kroatien selbst haben sich bei einem Referendum im Jänner 2012 66 % der WählerInnen für einen EU-Beitritt des Landes ausgesprochen.

Im Zuge des Verhandlungsprozesses wurde unter anderem geprüft, inwieweit Kroatien stabile demokratische Institutionen hat, den Schutz der Menschenrechte garantiert, über eine funktionierende Marktwirtschaft verfügt, dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU standhalten kann und in der Lage ist, das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen. Als schwierigstes Kapitel hat sich dabei laut Erläuterungen das Kapitel Judikative und Grundrechte erwiesen, wobei die von der EU festgelegten Kriterien von einer umfassenden Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien über effektive Korruptionsbekämpfung und Minderheitenschutz bis hin zu genauen Vorschriften für den Auswahlprozess für RichterInnen und StaatsanwältInnen reichen. Die spezifischen Verpflichtungen Kroatiens in diesem Bereich sind in einem eigenen Anhang der Beitrittsakte geregelt – sollte es zu Versäumnissen bei der Umsetzung kommen, kann der Europäische Rat, wie auch bei einzelnen anderen EU-Vorgaben, etwa in Zusammenhang mit der Wettbewerbspolitik, mit qualifizierter Mehrheit Gegenmaßnahmen ergreifen.

Mandatszahl im Europäischen Parlament wird vorübergehend aufgestockt

Im Europäischen Parlament (EP) wird Kroatien bis zum Ende der laufenden Wahlperiode 2014 mit 12 Abgeordneten vertreten sein. Dazu werden die Sitze im EP vorübergehend von derzeit 754 auf 766 erhöht. Für die darauffolgende Wahlperiode ist allerdings eine neue Sitzverteilung notwendig, weil der Vertrag von Lissabon die Mandatszahl im EP auf 751 Sitze (inkl. Präsidenten) beschränkt. Auch die Höchstzahl der Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen wird vorübergehend – von 350 auf 353 – erhöht.

Das Stimmgewicht Kroatiens im Europäischen Rat wurde mit 7 Stimmen festgelegt (Österreich hat im Vergleich dazu 10), gleichzeitig wird die Mindeststimmenzahl für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen von 255 auf 260 Stimmen (von 352) erhöht. Damit bleibt die derzeit geltende Stimmschwelle (73,91 %) praktisch gleich (künftig 73,86 %). Dieses System der gewichteten Stimmen ist allerdings nur noch bis 31. Oktober 2014 gültig, dann wird es durch das System der doppelten Mehrheit abgelöst. Das kroatische Mitglied der Europäischen Kommission wird vom Rat mit qualifizierter Mehrheit im Einvernehmen mit dem Präsidenten der EU-Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments ernannt.

Übergangsfristen wurden Kroatien unter anderem im Bereich der Schiffbau- und der Stahlindustrie, in verschiedenen Umweltbereichen (etwa bei den Luftqualitätszielen, den Parametern für Trinkwasser, den Anforderungen für Kanalisation und Abfalldeponien und beim Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten), bei den Spielregeln für die Teilnahme an den EU-Strukturfonds und im Bereich der Landwirtschaft zugestanden. So kann Kroatien etwa den Kauf landwirtschaftlich genutzter Flächen für einen Zeitraum von sieben Jahren einschränken.

Die Direktzahlungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik werden für Kroatien durch ein so genanntes "Phasing-In"-Modell schrittweise eingeführt, in der Übergangszeit kann Kroatien die EU-Förderungen national aufstocken ("topping-up"). Eine allgemeine Schutzklausel ermöglicht es Kroatien, Schutzmaßnahmen zur Ausgleichung der Wirtschaftslage zu beantragen, sollte es in den ersten drei Jahren nach dem EU-Beitritt zu erheblichen und voraussichtlich anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten kommen.

Zugang zum Arbeitsmarkt: "2+3+2-Jahre-Modell" gilt auch für Kroatien

Was die Arbeitnehmerfreizügigkeit anbelangt, gilt auch für Kroatien das "2+3+2-Jahre-Modell". Das heißt, dass kroatische Staatsangehörige während der ersten zwei Jahre nach dem EU-Beitritt keine EU-rechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit haben. In Österreich und Deutschland gelten zudem in bestimmten sensiblen Dienstleistungssektoren, etwa im Baugewerbe, der Gebäudereinigung und in der Hauskrankenpflege, nationale Einschränkungen für die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitskräften vorerst weiter. Im Bedarfsfall können die Mitgliedstaaten die Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt um insgesamt weitere fünf Jahre verlängern, wobei nach der zweiten Phase die befürchtete schwerwiegende Störung des Arbeitsmarkts begründet werden muss. Eine "Stillhalte-Klausel" verbietet allerdings Verschlechterungen beim Arbeitsmarktzugang für kroatische Staatsangehörige gegenüber der derzeitigen Rechtslage.

Für Transportunternehmer ist die Kabotage im Güterverkehr (Beförderung zwischen zwei Orten innerhalb eines anderen Mitgliedstaates) für zwei Jahre automatisch wechselseitig gesperrt. Danach kann diese Sperre durch eine Mitteilung an die Kommission um weitere zwei Jahre verlängert werden. Bei der Anhebung der Verbrauchersteuer für Zigaretten erhält Kroatien eine Übergangsfrist bis Ende 2017, im Gegenzug können die EU-Mitgliedstaaten die Reisefreimenge bei Zigaretten begrenzen.

Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen des EU-Beitritts Kroatiens verweisen die Erläuterungen darauf, dass dem neuen EU-Mitglied im Jahr 2013 maximal 687,5 Mio. € an Verpflichtungen und 374 Mio. € an Zahlungen aus dem EU-Haushalt zustehen werden. Der österreichische Beitrag zur Finanzierung der Erweiterung wird für 2013 mit 8,6 Mio. € (7,2 Mio. € Bund, 1,4 Mio. € Länder) angegeben. Kroatien wird im Gegenzug voraussichtlich rund 268 Mio. € an Eigenmittel an den EU-Haushalt abführen. An den Reserven der Europäischen Investitionsbank wird sich Kroatien EU-Mitglied mit 42,7 Mio. € beteiligen, wobei der Betrag in acht gleichen Raten zwischen November 2013 und Mai 2018 fällig wird.