Parlamentskorrespondenz Nr. 290 vom 13.04.2012

Bundesrat gibt grünes Licht für Neue Mittelschule

Bundestheaterorganisationsgesetz passiert Länderkammer

Wien (PK) – Die Überführung der Neuen Mittelschule ins Regelschulwesen stand in weiterer Folge an der Spitze des Bildungsblocks im heutigen Plenum des Bundesrats. Diskutiert wurde auch das Bundestheaterorganisationsgesetz sowie das EU-Jahresprogramm 2012 für die Bereiche Unterricht, Kunst und Kultur.

Schmied verweist auf Bedeutung der Eltern im Bildungsbereich

Die "Neue Mittelschule" – bisher nur ein Schulversuch - wird ab 2012/13 in das Regelschulwesen übernommen und ersetzt schrittweise bis 2018/19 die traditionelle Hauptschule. Die Neue Mittelschule bietet individuelle Förderung, Unterricht in Schülergruppen und Teamteaching. Die entsprechende Änderungen im Schulorganisationsgesetz, im Schulunterrichtsgesetz und anderen Schulgesetzen passierten den Bundesrat mehrheitlich.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) wies darauf hin, dass es Kernpunkt der vorliegenden Gesetzesnovelle sei, den Schulversuch Neue Mittelschule in das Regelschulwesen überzuleiten. Sie finde es erstaunlich, wie schnell dieses "ideologisch behaftete Projekt" zur Regelschule werde, meinte sie. Üblicherweise würden Schulversuche jahrelang weitergeführt.

Ihre Ablehnung der Neuen Mittelschule begründete Mühlwerth damit, dass diese langfristig in eine Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen münden solle. "Dagegen wehre ich mich vehement." Eine Individualisierung des Unterrichts, mehr Begabtenförderung und Teamteaching seien zwar zu begrüßen, meinte sie, dazu brauche es aber keinen neuen Schultyp. Die Hauptschule sei am Land noch "voll funktionsfähig", lediglich in den städtischen Ballungsräumen gebe es Probleme.

Aus freiheitlicher Sicht dringend notwendig ist laut Mühlwerth mehr Nachhaltigkeit des Lernens, eine verbesserte Ausbildung für LehrerInnen und ein Zurückdrängen des Einflusses der Eltern auf die Unterrichtsgestaltung. Generell hielt sie fest, bei Bildung gehe es sowohl darum, Wissen zu vermitteln als auch Jugendliche zu kritischen Menschen zu erziehen.

Bundesrätin Ana BLATNIK (S/K) führte aus, sie beziehe als Lehrerin Stellung zum Gesetzentwurf. Sie sehe es als ihre Aufgabe, Wissen zu vermitteln, SchülerInnen gleichzeitig aber auch fit fürs Leben zu machen. Sie wolle SchülerInnen erziehen und motivieren, damit sie selbstbewusste, kreative und eigenverantwortliche Menschen werden. Das funktioniere, wenn man es zulasse, zeigte sich Blatnik überzeugt. SchülerInnen müssten fähig sein, kritisch zu denken, Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden.

Ein Plädoyer hielt Blatnik für die Gesamtschule. Bei einer Trennung der SchülerInnen mit 10 Jahren gingen viele Talente und Begabungen verloren, ist sie überzeugt. An die LehrerInnen appellierte die Bundesrätin, Änderungen zuzulassen. Die Neue Mittelschule hat ihrer Ansicht nach zahlreiche Pluspunkte gegenüber der Hauptschule, unter anderem werden ihr zufolge die SchülerInnen mehr in den Mittelpunkt gestellt.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) kündigte die Ablehnung der vorliegenden Gesetzesnovelle durch die Grünen an. Er erinnerte daran, dass es Ziel des Schulversuchs Neue Mittelschule gewesen sei, die Bildungsentscheidung nach hinten zu verschieben. Nun sei aber ein eigener Lehrplan für diese Schulform und ein differenzierter Unterricht in Deutsch, Mathematik und der lebenden Fremdsprache vorgesehen. Durch die Unterscheidung zwischen vertiefender und grundlegender Allgemeinbildung sei aber keine Gleichwertigkeit zwischen Neuer Mittelschule und AHS-Unterstufe mehr gegeben, sagte er.

Dönmez kritisierte auch, dass eine Evaluierung der Neuen Mittelschule erst im Jahr 2015 erfolgen soll. Für ihn ist das zu spät, um zu erkennen, ob ein problemloser Übertritt von SchülerInnen der Neue Mittelschule in höhere Schulen gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang zitierte er auch zahlreiche kritische Stellungnahmen zum Gesetzentwurf. Die Grünen fordern laut Dönmez eine echte gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen mit einem individualisierten Unterricht ohne Differenzierung des Lehrplans.

Bundesrätin Notburga ASTLEITNER (V/O) unterstrich, die ÖVP habe immer gesagt, die Neue Mittelschule komme, das Gymnasium bleibe. Ihrer Meinung nach bringt die Weiterentwicklung der Hauptschulen in Neue Mittelschulen große inhaltliche Veränderungen. Insbesondere wies sie auf die gezielte individuelle Förderung der SchülerInnen, eine stark weiterentwickelte Leistungsbeurteilung und die Stärkung der Schulautonomie hin. So werde es neben Zeugnisnoten in Zukunft auch differenzierte Leistungsbeschreibungen geben, skizzierte sie. Hier sind ihrer Meinung nach die PädagogInnen gefordert. Astleitner verwies zudem auf die zusätzlichen finanziellen Mittel für die Neue Mittelschule.

Als positiv wertete Astleitner auch, dass das Fach Ernährung und Haushalt in den Katalog der Pflichtgegenstände aufgenommen wurde. Starke Bedenken in der Lehrerschaft gibt es ihrer Darstellung nach hingegen in Bezug auf die geplante Zusammenlegung von textilem und technischem Werken.

Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED meinte, für sie sei heute ein besonderer Tag. Zuletzt sei vor 50 Jahren eine neue Schule in das Regelschulwesen aufgenommen worden. Die ersten Gespräche über die Neue Mittelschule hätten 2007 begonnen, schilderte Schmied, mittlerweile sei aus dem Schulversuch "eine ganze Bewegung geworden". Was die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP unterscheidet, ist ihr zufolge, dass die SPÖ die Neue Mittelschule als derzeit machbaren Schritt zu einer gemeinsamen Schule aller 10- bis 14-Jährigen sieht.

Ausdrücklich verteidigt wurde von Schmied der vorgesehene differenzierte Lehrplan in Deutsch, Mathematik und der Lebenden Fremdsprache ab der dritten und vierten Klasse der Neuen Mittelschule. Innere Differenzierung heiße nicht nur, jeden einzelnen Schüler beziehungsweise jede einzelne Schülerin individuell zu fördern, sondern auch individuell zu beurteilen, bekräftigte sie. Um mit 14 Jahren eine klare Bildungswegentscheidung treffen zu können, sei die Unterscheidung zwischen grundlegender und vertiefter Allgemeinbildung nahezu eine "Ideallösung", ist sie überzeugt. Die Beurteilung werde aber keine Überraschung am Jahresende sein, versicherte Schmied, schließlich seien zweimal im Jahr verpflichtende Schüler-Lehrer-Eltern-Gespräche vorgesehen. Die Ministerin hob darüber hinaus hervor, dass an den Neuen Mittelschulen, aber auch in einzelnen Klassen bewusst Schwerpunkte gesetzt werden können.

Allgemein betonte Schmied, man dürfe die Bedeutung der Familie im Kontext der Bildung nicht vernachlässigen. Laut einer Studie habe die Anzahl der Bücher im Elternhaus direkten Einfluss auf die Lesekompetenz junger Menschen, konstatierte sie.

Bundesrat Christian FÜLLER (S/St) erinnerte an die Vorgeschichte des Projekts "Neue Mittelschule" und zeigte sich zufrieden mit der Tatsache, dass man diesen beachtlichen und großen Schritt hin zu einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14jährigen heute beschließen könne, denn das Ziel müsse auch weiterhin die gemeinsame Schule aller 6- bis 14jährigen sein, weshalb weitere Schritte folgen sollten.

Bundesrätin Bettina RAUSCH (V/N) erklärte, aus einem Versuch werde nun die Regel, die "Neue Mittelschule" stelle einen akzeptablen Kompromiss dar, dem auch ihre Fraktion zustimmen könne, zumal die Vorteile die Nachteile überwögen. Die Bundesrätin schloss ihre Ausführungen mit konkreten Anregungen zur künftigen Ausgestaltung des Schulunterrichts, wobei sie sich vor allem für die Beibehaltung der Schulautonomie aussprach.

BundesrätInnen begrüßen Neuerungen bei Bundestheatern grundsätzlich

Ebenfalls mit Stimmenmehrheit erhob der Bundesrat keinen Einspruch gegen die Novelle des Bundestheaterorganisationsgesetzes. Damit wird das bestehende Dirimierungsrecht des künstlerischen Leiters konkretisiert und das Publikumsforum abgeschafft, das sich nicht bewährt habe. Außerdem wird deutlicher als bisher festgelegt, welche Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) meinte, man könnte dem vorliegenden Entwurf ja zustimmen, wenn die Bundesministerin nicht eine derart kritikwürdige Vorgangsweise gewählt hätte. Die Evaluierung der Bundestheater, die von der Öffentlichkeit mit 550.000 Euro finanziert wurde, habe einen Bericht gezeitigt, der aber den MandatarInnen nicht vorgelegt werde, obwohl die Öffentlichkeit als Finanzier und die ParlamentarierInnen, die darüber ja abstimmen sollen, ein Anrecht darauf hätten. Dies umso mehr, als die Koalitionsparteien den Bericht sehr wohl bekommen hätten. Daher werde seine Fraktion aus Gründen "demokratiepolitischer Hygiene" dieser Vorlage nicht zustimmen.

Bundesrätin Elisabeth GRIMLING (S/W) ging auf die Kritik ihres Vorredners nicht ein und sprach stattdessen von einem Erfolg für die heimische Kulturpolitik, nehme der Bund doch seine Verantwortung gegenüber den Kultureinrichtungen des Landes wahr und stelle somit sicher, dass die zur Verfügung stehenden Mittel noch effizienter als bisher für die künstlerische Arbeit eingesetzt werden könnten.

Bundesrätin Notburga ASTLEITNER (V/O) meinte, als Trägerin der Kulturmedaille des Landes Oberösterreich sei ihr Kultur ein besonderes Anliegen. Kunst und Kultur kosteten Geld, weshalb es nötig sei, dass die dafür zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effizient eingesetzt würden. Dies werde durch den vorliegenden Entwurf gewährleistet, weshalb ihm ihre Fraktion zustimmen werde.

Bundesrat Franz PIROLT (F/K) signalisierte gleichfalls Zustimmung zur Vorlage, denn er sei überzeugt, dass man hier den richtigen Weg im Sinne der heimischen Kulturlandschaft gegangen sei.

Bundesministerin Claudia SCHMIED erläuterte nochmals die Details der Vorlage und unterstrich, die geplanten Maßnahmen erfolgten im Sinne einer "public governance". Zudem erklärte sie, weshalb man hinsichtlich des Evaluationsberichts jenen Weg gewählt habe. Es gehe dabei um sensible Materien, sodass allein schon Gründe des Datenschutzes und des Schutzes der betroffenen Unternehmen es geboten erschienen ließen, nicht jedes Detail des Berichts zu veröffentlichen.

Schmied: Kunst- und Kulturpolitik als echte Politik- und Finanzierungsfelder wahrnehmen

Schließlich stand das Jahresprogramm 2012 der EU für das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur auf dem Programm. Der Bericht wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Bundesrat Johann SCHWEIGKOFLER (S/T) verwies auf die zwei großen europäischen Hauptziele, eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze, und dabei spiele die Bildung eine zentrale Rolle. Schwerpunkt sei dabei das Programm "Erasmus für alle", was begrüßenswert sei. Der Redner erklärte, worin die entscheidenden Punkte dieses Programms lägen, ging auf die diesbezüglichen österreichischen Schwerpunktsetzungen ein und warb für die Annahme der gegenständlichen Vorlage.

Bundesrat Franz WENGER (V/S) sprach von einem erfolgreichen Weg, den Österreich in der EU beschritten habe. Man brauche keinen Vergleich zu scheuen, sei man doch in vielen Bereichen Vorreiter und Vorbild. Konkret setzte sich der Redner mit der "Donauraumstrategie" und mit dem "Kopenhagen-Prozess" auseinander. Österreich setze die erforderlichen Schritte entschlossen um, wovon die guten Bildungsdaten in Österreich zeugten.

Bundesministerin Claudia SCHMIED wies im Rahmen ihrer Wortmeldung auf die große Bedeutung von Kunst- und Kulturprojekten für die Heimatkultur und die Vermittlung von Kunst- und Kulturpolitik hin und plädierte aus diesem Grund für eine Kofinanzierung im Rahmen des Europäischen Regionalfonds. Sie appellierte darüber hinaus an den Bundesrat, darauf zu achten, dass Kunst und Kultur als echte Politik- und Finanzierungsfelder wahrgenommen werden und nicht bloß "irgendwo zwischen den Zeilen vorkommen". (Fortsetzung Bundesrat)


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