Parlamentskorrespondenz Nr. 405 vom 21.05.2012

Europa 2020: Die wirtschaftlichen Ziele Europas und Österreichs

Nationales Reformprogramm 2012 liegt dem Nationalrat vor

Wien (PK) – Die "Europa 2020-Strategie" für Beschäftigung, Forschung&Entwicklung, Klimaschutz, Energiepolitik und Armutsbekämpfung wird von den EU-Mitgliedsländern auf der Grundlage jährlich adaptierter Programme umgesetzt. Das "Nationale Reformprogramm Österreich 2012" (III-324 d.B.) hat die Bundesregierung dem Nationalrat kürzlich vorgelegt. Zu den wirtschaftlichen Zielen der Union zählt bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75%. Österreich peilt einen Wert von 77% bis 78% an und hat bereits 2010 eine Quote von 74,9% erreicht. Bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung will die EU im Jahr 2020 3 % des BIP erreichen, Österreich schaffte bis 2010 2,76 % und zielt auf eine Relation von 3,76 % im Jahr 2020. Bei den HochschulabsolventInnen lag die Quote 2010 bei 35,2%. Der österreichische Zielwert für 2020 liegt bei 38% (EU:40 %). Die Emissionen klimaschädlicher Gase will die EU gegenüber 2005 um 10% senken, für Österreich lautet das Ziel auf minus 16% gegenüber 2005, bis 2010 erreichte Österreich eine Reduktion um 9,1 %. Sehr ambitionierte Ziele verfolgt Österreich bei der Nutzung erneuerbarer Energieträger und hat sich bis 2020 einen Anteil von 34% (EU-Ziel: 20%) vorgenommen. Schon 2010 machte der Anteil erfreulicherweise 30,8 % aus. Beim Bemühen, die Schulabbrecherquote EU-weit auf 10 % zu senken, hatte Österreich 2010 mit 8,3 % die eigene Zielsetzung bis 2020 (9,5 %) bereits übertroffen. Das gilt auch für die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung, die europaweit um 20 Millionen gesenkt werden soll. Österreich zielt bis 2020 auf eine Reduktion um 235.000 Menschen und hat sich dieser Zahl bis 2010 mit einer Senkung um 159.000 Menschen angenähert.

Europäische und österreichische Ziele in der Beschäftigungspolitik

Beim Thema Beschäftigung räumt die Bundesregierung im Einklang mit jüngsten Beschlüssen der europäischen Staats- und Regierungschefs der Arbeitsmarktbeteiligung älterer ArbeitnehmerInnen und der Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, Jugendlichen und Personen mit Migrationshintergrund höchste Priorität ein. Der Bericht informiert unter anderem über die 750 Mio. Euro-Arbeitsmarktoffensive 2012 bis 2016 für ältere und gesundheitlich eingeschränkte ArbeitnehmerInnen im Rahmen des Stabilitätspakets und über den Schwerpunkt Jugendbeschäftigung. Dazu kommt der Einsatz von 110 Mio. € in den Jahren 2011 bis 2014 zur Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem auch für Frauen zu verbessern. Frauenspezifische Programme gelten "Frauen in der Technik" und der Förderung von WiedereinsteigerInnen. Zudem soll der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten staatsnaher Unternehmen bis 2013 auf 25 % und bis 2018 auf 35 % gesteigert werden. Im Sinne des Grundsatzes "Rehabilitation vor Pension" zählt die Ausweitung der Rehabilitation zur Reform der Invaliditätspension, eine Maßnahme, die auch dem Kampf gegen die Altersarmut gilt. Schließlich informiert der Bericht auch über Programme wie "fit2work" zur Prävention gegen sekundäre Berufskrankheiten und "Check 4 Chances" zur Integration arbeitsfähiger älterer Menschen in den Arbeitsmarkt. Der "National Job Plan" und der "Euro-Plus-Pakt" enthalten Maßnahmen zur Förderung der Bechäftigung von Jugendlichen (Jugendcoaching, Lehrlingscoaching). Die Ausbildungsgarantie im Rahmen der "überbetrieblichen Lehrausbildung" besteht auch 2012 und ermöglicht jungen Menschen, die keine betriebliche Lehrausbildung absolvieren können, eine hochwertige Fachausbildung. Jugendliche mit Migrationshintergrund werden noch stärker als bisher in Qualifizierungsmaßnahmen einbezogen.

Forschung und Entwicklung

Der F&E-Förderung dient die 2011 beschlossene "Strategie für Forschung, Technologie und Innovation", die darauf abzielt, Österreich bis 2020 zu einem der innovativsten Länder der EU zu machen. Diese Strategie trägt der europäischen Leitinitiative "Innovation Union" Rechnung. Die systematische Umsetzung der Strategie obliegt der "Task Force FTI", teilen die Autoren des Berichts mit. Im "Euro-Plus-Pakt" wird der Forschungsdeckel bei der Auftragsforschung bei Aufwendungen für externe Forschungsaufträge von 100.000 € auf 1 Mio. € angehoben und die Rechtssicherheit für forschende Steuerpflichtige beim Geltendmachen der Forschungsprämie verbessert. Schon 2011 wurde die Forschungsprämie von 8 % auf 10 % erhöht, erinnert der Bericht. Vorgestellt werden eine Reihe von F&E-Förderungsprogrammen, unter anderem "Forschungskompetenzen für die Wirtschaft", "Intelligente Produktion", "Leuchttürme der Elektromobilität", "Internationalisierung von Forschungsclustern" oder "Innovationsscheck Plus".

Klimaschutz und Energie

Mit Nachdruck setzt die Bundesregierung die nationalen Klimaschutz- und Energieziele bei der Forcierung der Erneuerbaren Energien, bei der Reduktion der Treibhausgase, der Erhöhung der Energieeffizienz und beim effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen um. Das neue, großteils am 1. Juli 2012 in Kraft tretende Ökostromgesetz bezweckt, neue Technologien zur Ökostromerzeugung zur Marktreife zu bringen. Für 2013 gilt ein Unterstützungsvolumen von 50 Mio. €, das sich jährlich um 1 Mio. € reduziert. Mittlerweise bestehen bereits acht "Modellregionen Elektromobilität" (Vorarlberg, Salzburg, Wien, Graz, Eisenstadt, Wien-Süd, Großraum Wien und Klagenfurt). In der Wirtschaft werden Energiemanagementprogramme zur Erhöhung der Energieeffizienz forciert und die thermische Gebäudesanierung bis 2016 jährlich mit 100 Mio. € zusätzlich zu den Förderungen der Länder unterstützt. Für Juni 2012 kündigt die Bundesregierung die Überarbeitung der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie an. Der Aktionsplan "Nachhaltige Beschaffung" definiert ökologische Mindestanforderungen bei der öffentlichen Beschaffung. Umwelttechnologien werden im Rahmen des "Masterplans Umwelttechnologie" forciert.

Bildung

Das 2011 beschlossene Reformprogramm enthielt Maßnahmen zur Steigerung der Bildungsbeteiligung, zur Erhöhung der Zahl der AbsolventInnen naturwissenschaftlich-technischer Studienrichtungen, zur Verbesserung des Bildungsniveaus, zur Senkung der SchulabbrecherInnenquote und zur Verbesserung der Attraktivität und Durchlässigkeit der beruflichen Bildung. Nach Bewertung des Programms durch den Rat wurde Österreich von der Kommission aufgefordert, die Bildungsergebnisse zu verbessern und Schulabbrüche zu verhindern.

Zu den Maßnahmen des Euro-Plus-Pakts gehört der Österreichische Hochschulplan, der darauf abzielt, den österreichischen Hochschulraum besser abzustimmen und weiterzuentwickeln, die Qualität von Lehre und Forschung sicherzustellen und die internationale Sichtbarkeit zu verbessern. Der Leser erhält Detailinformationen zum Bauleitplan, zum Forschungsinfrastrukturplan, über die Verbesserung der Koordination von Forschung und Lehre und er erfährt von der schrittweisen Einführung der "Studienplatzfinanzierung" ab 2013 zur Grundfinanzierung der Lehre an den Universitäten. Die Zahl der Fachhochschulplätze soll um 4000 erhöht, die forschungsgeleitete Lehr– und Studiensituation verbessert und die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gestärkt werden, unter anderem durch eine Informationsoffensive. Für den Ausbau des Angebots an Tagesbetreuung werden bis 2016 jährlich 80 Mio. € investiert. Mehrjährige Maßnahmen sollen den Anteil der HochschulabsolventInnen erhöhen und zu einer bewussteren Studienwahl beitragen. Der Bericht informiert über die Maßnahmen zur Senkung der SchulabbrecherInnenquote, über den Ausbau der Neuen Mittelschule sowie über Projekte der Erwachsenenbildung in der Berufsbildung und bei der Vorbereitung der PädagogInnenbildung Neu. Dazu kommt die Nationale Strategie zum Lebenslangen Lernen.

Weniger Armut und soziale Ausgrenzung

Abhilfe gegen Armut und soziale Ausgrenzung stellt das fünfte Kernziel der "Strategie Europa 2020" dar. Österreich will die Zahl armuts- und ausgrenzungsgefährdeter Menschen um mindestens 235.000 reduzieren. Der Bericht informiert über Zweckzuschüsse von insgesamt 1,335 Mrd. € aus dem Pflegefonds an die Länder für den Ausbau des Betreuungs- und Pfledienstleistungsangebots in der Langzeitpflege bis 2016. Dazu kommen Maßnahmen zur Förderung des Berufseinstiegs junger und arbeitsmarktferner Menschen, Präventionsmaßnahmen gegen die Vererbung von Armut, für den Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit und zur Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sowie zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wettbewerb und unternehmerisches Umfeld

In der Wirtschaftspolitik setzt die Europäische Union insbesondere auch auf Wettbewerbspolitik und auf Verbesserungen im unternehmerischen Umfeld. Konkret geht es um die Lösung von Finanzierungsproblemen in KMU, um die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und um eine weitere Internationalisierung.

Derzeit bereitet die Bundesregierung eine Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts zur Stärkung der Bundeswettbewerbsbehörde samt Verbesserungen bei der Kronzeugenregelung vor. Unter anderem soll der Nachweis von Preismissbrauch durch marktbeherrschende Energie-Versorger nach deutschem Vorbild erleichtert werden.

Im Hinblick auf die Empfehlung, ungerechtfertigte Beschränkungen von Gewerbe und Berufen zu beseitigen, sind Novellen zur Gewerbeordnung in Vorbereitung, die die Bedingungen für Wirtschaftstreibende verbessern sollen. Außerdem wird die Zulassung interdisziplinärer Gesellschaften zwischen Baumeistern und Ziviltechnikern angedacht.      

Der Bericht informiert über Umstrukturierung und Ausbau der Jungunternehmerförderung beim "Austria Wirtschaftsservice" und über das "KMU-Fitness-Paket", das Betriebsübergaben und Strukturwandel sowie Arbeitslose unterstützt, die ein Unternehmen gründen wollen. Neue Fonds zur Förderung des Mittelstands erleichtern innovativen Unternehmen den Zugang zu Beteiligungs- und Risikokapital.

Die "Tourismusstrategie" zielt auf eine stärkere Abstimmung zwischen Bund und Ländern beim Tourismusmarketing und auf Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Das neue "Unternehmensserviceportal" hat seinen Pilotbetrieb bereits aufgenommen und wird schrittweise als elektronische Schnittstelle zwischen allen Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung eingerichtet. Das Portal bietet Unternehmern raschen Zugang zu Informationen rund um die Uhr sowie die Möglichkeit, gesetzliche Informationsverpflichtungen unbürokratisch und kostengünstig online zu erfüllen. Schließlich erfahren die LeserInnen des Berichts, dass das seit 2006 umgesetzte Entbürokratisierungsprogramm der Bundesregierung bis 2010 eine Kostenentlastung der Betriebe um 564 Mio. € erreicht hat. Für 2012 wird die Summe der Entlastungen durch Verwaltungsvereinfachungen mit 1 Mrd. € beziffert. (Schluss)