Parlamentskorrespondenz Nr. 451 vom 31.05.2012

Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit nun fix

Bundesrat bestätigt Beschlüsse des Nationalrats

Wien (PK) – Der Bundesrat bestätigte in seiner heutigen Sitzung Beschlüsse des Nationalrats vom 15. und 16. Mai sowie vom 19. April 2012 und erhob dagegen keine Einsprüche. Dies betraf unter anderem die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie das neue Dienstrecht an den Pädagogischen Hochschulen und die Neuerungen im Pensionskassengesetz.

Neue Struktur der Verwaltungsgerichte als größtes Reformwerk seit 1920 begrüßt

Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle wurde von den Bundesrätinnen und Bundesräten ebenso wie im Nationalrat einhellig als das größte Reformwerk seit 1920, das einen rechtsstaatlichen Quantensprung bringt, begrüßt und verabschiedet. Da die Reform auch tiefgreifende Änderungen für die Verwaltung der Länder bedeutet, kam in diesem Fall dem Bundesrat auch ein Zustimmungsrecht, das die Zweidrittelmehrheit erfordert, zu.

Somit wird es ab 1. Jänner 2014 ein so genanntes "9+2-Modell" geben: je ein Landesverwaltungsgericht erster Instanz in den neun Bundesländern und zwei Verwaltungsgerichte erster Instanz beim Bund – ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht. Der administrative Instanzenzug in Verwaltungssachen wird weitgehend abgeschafft, insgesamt kommt es zur Auflösung von rund 120 Behörden.

Bundesrat Gerald KLUG (S/St) sprach von der größten Verwaltungsreform seit 1920. Endlich sei es gelungen, im Berufungsverfahren an die Stelle einer Verwaltungsbehörde nun ein ordentliches Gericht zu setzen. Das bedeute einen rechtsstaatlichen und rechtspolitischen Quantensprung und damit auch die Schließung einer europarechtlichen Lücke. Denn es sei schon eigenartig gewesen, so Klug, wenn in der zweiten Instanz im Asylverfahren das Innenministerium zuständig war. Klug freute sich weiters darüber, dass mit der Reform auch ein wesentlicher Punkt des Österreichkonvents umgesetzt wird und erstmals Verwaltungsgerichte eingerichtet werden, für die die Länder zuständig sind. Der Bundesrat räumte ein, dass nun auf die Länder große organisatorische Veränderungen zukommen, er erwartet sich aber eine deutliche Beschleunigung der Verfahren.

Ähnlich argumentierte Bundesrat Gottfried KNEIFEL (V/O), der die Formulierung "bisher größte Rechtsschutzreform" verwendete. Die Gerichtsbarkeit sei eine Kernaufgabe des Staates, unterstrich Kneifel, und mit der Reform habe man auf die Anforderungen der EMRK endlich reagiert und damit den Rechtsstaat wesentlich verbessert. Mit der Einführung der Landesverwaltungsgerichte werden laut Kneifel die Länder aufgewertet und der Föderalismus gestärkt. Die Verwaltungsgerichte würden nun näher an die BürgerInnen herangerückt und der Rechtszugang verbessert, zumal über 100 Sonderbehörden abgeschafft werden. Auch Kneifel hofft auf eine Beschleunigung der Verfahren und mittelfristig auf Einsparungen. Dass der beschrittene Weg, den Ländern Befugnisse in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen, richtig ist, sehe man daran, dass die bisherigen Entscheidungen der Landesverwaltungsbehörden von den oberen Instanzen zum großen Teil bestätigt wurden.

Bundesrat Hermann BRÜCKL (F/O) zeigte sich zufrieden damit, dass ein über zwei Jahrzehnte lang verhandeltes Thema zum Abschluss gebracht werden konnte und man damit mehr Rechtssicherheit und mehr Bürgernähe habe schaffen können. Dass die Verwaltungsgerichtshöfe nun in der Sache selbst entscheiden können, sei ein wesentliches freiheitliches Anliegen gewesen, sagte Brückl, der meinte, durch den klareren Rechtsweg und durch schnellere Genehmigungsverfahren werde auch der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt. Die Länder verfügten nun zum ersten Mal über eine eigene Gerichtsbarkeit, so der Redner, die schwierige Arbeit der Umsetzung beginne aber erst jetzt.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) wies darauf hin, dass sich für die BürgerInnen viel ändere, denn ab 2014 könnten sie gegen einen Bescheid bei einem der 11 Gerichte berufen und müssten sich nicht durch den Dschungel von über 100 Behörden durchkämpfen. Positiv bewertete Schreuder es auch, dass die UVP-Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht angesiedelt werden, dass die
Autonomie der Universitäten gewahrt bleibt und dass Bescheide im Asylrecht nun bei einem ordentlichen Gericht angefochten werden können. Schreuder hoffte, dass sich die Reformfreude auch auf andere Gebiete auswirkt, etwa den Schulbereich.

Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) merkte an, dass in dieser Frage der Verwaltungsgerichtsbarkeit Bund und Länder neue Verwaltungsstrukturen geschaffen und einen guten Weg gefunden haben, sowohl Föderalismus als auch Bürgernähe zu berücksichtigen. Man sehe, dass etwas Gutes herauskommt, wenn Bund und Länder gut miteinander verhandeln. Das sei auch ein Beweis dafür, dass das Zusammenwirken funktioniert, wenn man auf Augenhöhe miteinander umgeht, bemerkte Keuschnigg. Als Beispiele dafür nannte er auch die Pflegegeldregelung sowie die Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden. Auf einem guten Verhandlungsweg im Interesse sachgerechter Lösungen befinde man sich auch bei der Neuordnung der Bezirksgerichte.

In seiner Stellungnahme hob Staatssekretär Josef OSTERMAYER ebenfalls die verfassungspolitische Bedeutung der gegenständlichen Reform hervor. Sie sei auch durchgehend von namhaften ExpertInnen gelobt worden, sagt er. Er machte kein Hehl daraus, dass die Umsetzung enorme Arbeit bedeutet, weshalb das Inkrafttreten mit 1. Jänner 2014 auch extrem ambitioniert sei. Mit den Ausschreibungen für die Höchstpositionen werde man sofort beginnen. Dafür sei auch mit der Opposition ein gutes Prozedere vereinbart worden.

Bundesrat nimmt Entschließung zur Menschenrechtslage in der Ukraine an

Die Dienstrechts-Novelle 2012 passierte die Länderkammer mit Stimmenmehrheit ohne Einspruch. Sie bringt ein neues Dienstrecht für das Lehrpersonal an Pädagogischen Hochschulen, das ab dem Studienjahr 2013/14 voll wirksam wird.

Auch gegen die Verbesserungen für BezieherInnen betrieblicher Pensionen durch die Neuerungen im Pensionskassengesetz gab es mehrheitlich keinen Einspruch. Die Reform wurde notwendig, nachdem die Pensionskassen im Zuge der Finanzkrise erhebliche Verluste eingefahren hatten.

Mit Mehrheit gingen die Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada und der Tschechischen Republik durch das Plenum des Bundesrats, der dazu auch ausdrücklich seine Zustimmung gab, da damit der selbständige Wirkungsbereich der Länder betroffen ist. Schließlich befürworteten die Bundesrätinnen und Bundesräte einhellig das Übereinkommen über das Europäische Forstinstitut im Zusammenhang mit der Aufnahme Frankreichs.

Sorge äußern die Bundesräte Gottfried Kneifel (V), Gerald Klug (S) und Efgani Dönmez (G) hinsichtlich der aktuellen Menschenrechtslage in der Ukraine. Sie prangern in einem Entschließungsantrag insbesondere das Vorgehen gegen Ex-Premierministerin Julija Timoschenko und die Verfolgung von Oppositionellen mit rechtsstaatlich zweifelhaften Methoden an. Das Plenum nahm den Antrag mit Stimmenmehrheit an. Dagegen sprachen sich die Freiheitlichen aus.

Der Ausschussbericht über die Petition "Kinderlärm ist Zukunftsmusik" wurde einhellig zur Kenntnis genommen. Bundesrätin Posch-Gruska (S/B) tritt in der Petition für eine Gesetzesinitiative ein, mit welcher Klagen gegen Kinderlärm erschwert werden sollen. Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen hat dazu Stellungnahmen des Justizministeriums sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend eingeholt, die beide zum Schluss gekommen sind, dass es keiner weiteren gesetzlichen Konkretisierung bedarf.

Darüber hinaus standen der ORF-Jahresbericht 2011, der mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde, und der einstimmig zur Kenntnis genommene 35. Bericht der Volksanwaltschaft auf der Tagesordnung der Länderkammer. (Schluss Bundesrat)


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