Parlamentskorrespondenz Nr. 479 vom 13.06.2012

Nationalrat: Aktuelle Stunde zum Thema politische Korruption

Kontroverse Debatte über das Transparenzpaket

Wien (PK) – Nachdem bislang keine Einigung über ein Transparenzpaket inklusive der staatlichen Parteienförderung zur Verhinderung von Korruption im Politikbereich erzielt werden konnte, war die Frage heute abermals Thema im Nationalrat. Die Grünen hatten im Vorfeld die Durchführung einer Aktuellen Stunde beantragt und dafür folgenden Titel gewählt: "Schluss mit politischer Korruption: Österreich braucht ein europaweit vorbildliches Parteientransparenzgesetz ohne Schlupflöcher".

Eröffnet wurde die Debatte durch Abgeordneten Werner KOGLER (G). Er  erinnerte daran, dass Österreich von Seiten der OECD mehrmals als "Korruptionsoase" bezeichnet wurde. Da wohl niemand mit dieser Aussage von Mark Pieth, dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für Korruptionsbekämpfung in der OECD, eine Freude haben könne, müsse nun unbedingt ein Neustart hingelegt werden, forderte der Redner. Nachholbedarf gebe es vor allem hinsichtlich der legistischen Bestimmungen, und zwar was die Offenlegung und die Korruptionsbekämpfung betrifft; in diesem Bereich sei Österreich sogar Schlusslicht in Europa. Auch die Erfahrungen im Untersuchungsausschuss hätten deutlich gezeigt, dass nun dringend neue Bestimmungen beschlossen werden müssen, meinte Kogler.

Was die nun in Verhandlungen stehenden Gesetzesvorlagen betrifft, so enthielten sie zwar teilweise wesentliche Verbesserungen, aber eine Reihe von Punkten sind nach Auffassung der Grünen noch nicht geklärt. Bei den hoffentlich bald stattfindenden Verhandlungen im Verfassungsausschuss gehe es daher darum, entsprechende Strafbestimmungen zu verankern und die letzten Schlupflöcher zu schließen, sagte er, um z.B. zu verhindern, dass unter dem Titel Sponsoring großzügige Beträge in Parteikassen fließen. Die Grünen werden jedenfalls dafür kämpfen, dass Österreich in Bezug auf die Gesetzeslage in Sachen Anti-Korruption vom Schlusslicht zum besten Land in Europa wird, unterstrich Kogler mit Nachdruck.

Bundeskanzler Werner FAYMANN bedankte sich zunächst bei seinem Vorredner für dessen konstruktive Beiträge in den Verhandlungen über neue Transparenzbestimmungen. Es sei das gemeinsame Ziel der Regierungsparteien, ein in Europa vorbildliches Parteiengesetz bis zum 1. Juli zustande zu bringen. Faymann räumte ein, dass Österreich von diversen Organisationen mehrfach aufgefordert worden ist, gesetzliche Verbesserungen im Bereich Korruption vorzunehmen, um wirklich von gläsernen Parteikassen sprechen zu können. Die neuen Rahmenbedingungen sollen mithelfen, dass die Politik ihre Vorbildfunktion wieder wahrnehmen kann und dass das teilweise verloren gegangene Vertrauen wieder zurückgewonnen wird, betonte der Bundeskanzler. Das Gesetz soll zudem belegen, dass die Kritik der Bevölkerung bei den PolitikerInnen angekommen ist und die entsprechenden Konsequenzen aus den Vorgängen in der Vergangenheit gezogen wurden.

Auch für Klubobmann Josef CAP (S) ging es vorrangig um die grundsätzliche Frage, wie die parlamentarische Demokratie in der Bevölkerung wieder an Akzeptanz gewinnen kann. Einen sehr wichtigen Beitrag dazu können breit angelegte Antikorruptionsregelungen, die keine Schlupflöcher mehr aufweisen, leisten, war Cap überzeugt. Darüber hinaus sollten auch die ParteienvertreterInnen einen fairen Umgang miteinander pflegen und gemeinsam für mehr Sauberkeit in der Politik und Wirtschaft eintreten. Was die konkreten Inhalte betrifft, so enthalte der bisherige Entwurf schon sehr umfassende Bestimmungen, so Cap, etwa im Bereich der Rechnungslegungspflichten. Er hoffe aber, dass sich noch alle fünf Parteien auf einen Entwurf einigen können, weil davon ein wichtiges Signal ausgehen würde.

Es sei richtig, dass es auch in Österreich Korruption gebe, vor allem an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft, konstatierte Klubobmann Karlheinz KOPF (V), aber man solle unser Land auch nicht schlechter machen als es ist. Da die politischen Parteien das Rückgrat einer Demokratie sind, müssen auch entsprechende Mittel für sie bereitgestellt werden, führte der Redner weiter aus. Grundsätzlich bekenne er sich zu einer dualen Finanzierung, die sich einerseits aus einer öffentlichen Unterstützung und andererseits aus privaten Mitteln in Form von Spenden oder einer wirtschaftlicher Tätigkeit der Parteien speist. Er sehe es zudem als ein Bürgerrecht an, den Parteien Geld spenden zu dürfen, betonte Kopf, und bis zu einer gewissen Grenze sollen die Personen auch anonym bleiben können.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) übte Kritik an den Ausführungen des Bundeskanzlers, der mit keinem Wort auf die krisenhaften Entwicklungen in Europa eingegangen ist. Interessant sei auch an der ganzen Debatte, dass die Frage der öffentlichen Parteienfinanzierung überhaupt nicht mehr thematisiert wurde. Er fürchte daher, dass die Roten und Grünen unter der Federführung von Wien "unter der Tuchent" eine Erhöhung der Mittel für diesen Bereich "auspackeln" wollen. Die freiheitliche Partei hingegen habe von Anfang an gesagt, dass sie einem Gesetzesentwurf, der Mehrkosten für die Bevölkerung bringen würde, nicht zustimmen werde.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) ging noch einmal auf die von ihrem Fraktionskollegen angesprochene OECD-Kritik an Österreich ein. Es möge durchaus Länder geben, die mehr Korruption aufweisen, aber auch welche mit weniger. Aber es gebe definitiv mehr Staaten mit Rücktrittskultur als Österreich, meinte sie in Richtung des dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf. Was die konkrete Regierungsvorlage angeht, so sei man bereits auf einem guten Weg gewesen, ein strenges und wirksames Gesetz bis zum 1.Juli verabschieden zu können. Allerdings gebe es jetzt wieder einzelne Versuche, manche Regelungen, wie etwa die Wahlkampfkostenbegrenzung, wieder aufzuweichen, bedauerte die Klubobfrau der Grünen. Von Seiten der FPÖ und ÖVP würden die "abstrusesten Ausreden" gefunden, um eine Begrenzung zu verhindern. Außerdem ist es Glawischnig-Pesczek ein wichtiges Anliegen, dass strenge Strafen bei Verstößen gegen die Bestimmungen festgelegt werden; ohne die könne es nicht gehen, bekräftigte sie.

Nach Auffassung von Abgeordnetem Josef BUCHER (B) werde noch immer zu wenig Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt, wenn es darum geht, Korruptionssümpfe in Österreich nicht nur ausfindig zu machen, sondern auch zu bekämpfen. Er verstehe nicht, wie die VertreterInnen von Rot-Schwarz die Dringlichkeit der Frage ständig herunterspielen, zumal das Bild der Politik in der Bevölkerung derzeit katastrophal ist. Auch der Untersuchungsausschuss liefere ständig Beweise dafür, dass es einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Er sei daher enttäuscht darüber, dass es trotz schöner Worte und Absichten nicht gelinge, klare und strenge Antikorruptions-Regelungen auszuarbeiten, die ihren Namen auch verdienen. Stattdessen gehe es den Großparteien noch immer darum, so viel Geld wie möglich "einzusackeln" und weiterhin Postenschacher betreiben zu können, kritisierte der B-Klubobmann.

Das Transparenzpaket bringe auch eine Auflistung der Berufseinkommen, was eine gute Sache sei, informierte eingangs Abgeordneter Günther KRÄUTER (S). Selbstverständlich müsse auch transparent gemacht werden, was ein Abgeordneter des Hohen Hauses sonst noch so geschäftlich macht, merkte er in Richtung des F-Abgeordneten Graf an. Der Versuch von Graf, die Ausstrahlung des Beitrags über "seine Schandtaten" in der ORF-Sendung "Report" zu verhindern, sei ein Anschlag auf die Medienfreiheit, urteilte Kräuter. Im Grunde sei es gar nicht so wichtig, ob die Stiftungscausa straf- oder zivilrechtliche Folgen haben wird, meinte Kräuter, denn es gehe in dieser Causa vor allem um Fragen der Moral, des Anstands und des Respekts vor der älteren Generation. Bedauerlich sei natürlich, dass damit dem gesamten Image der Politik und der Parteien ein gewaltiger Schaden zugefügt werde, merkte Kräuter an.

Abgeordneter Reinhold LOPATKA (V) appellierte an alle Abgeordneten, eine faire Debatte zu führen und dafür einzutreten, gemeinsam gute Lösungen zu finden. Auch er bekannte sich zu einer soliden finanziellen Ausstattung der politischen Parteien, weil sie sonst – ähnlich wie in den USA – zu reinen Wahlvereinen verkommen würden. Die Parteien übernehmen vielfältige Aufgaben in der Gesellschaft, die von der Jugend-, Frauen- und Seniorenarbeit bis hin zur direkten Einbindung der Bürger reichen, sagte er. Lopatka ging sodann auf die Inhalte der Regierungsvorlage ein, die seiner Meinung nach die Ansprüche des Europarats erfüllt. Er gehe jedenfalls davon aus, dass Österreich nach dem Beschluss dieses Parteiengesetzes zu den Vorreitern in Europa zählen werde.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) warf Abgeordnetem Kräuter vor, seine Wortmeldung zum Thema Transparenz in eine "unqualifizierte Hassrede" gegen den Dritten Nationalratspräsidenten verwandelt zu haben. Solange PolitikerInnen von SPÖ und Grünen selbst zahlreiche Privilegien in Anspruch nähmen, seien diese seiner Meinung nach nicht berechtigt, sich zum Thema Verteilungsgerechtigkeit zu äußern. Transparenz dürfe im Übrigen auch nicht vor MedienvertreterInnen Halt machen, etwa vor ORF-ModeratorInnen, die einerseits aus öffentlichen Geldern bezahlt werden, daneben aber noch andere Einkünfte beziehen, argumentierte Vilimsky. In eine umfassende Transparenzregelung müsste auch die Presseförderung einbezogen werden.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) sprach sich für eine Regelung zur Beschränkung von Wahlkampfkosten aus. Es dürfe hier keine "Mogelpackungen" mehr geben. Die Grünen seien prinzipiell für ein System der öffentlichen Parteienförderung, um zu verhindern, dass Gelder über undurchsichtige Konstruktionen in Parteikassen fließen. Aus Sicht der Grünen seien die Themen Sponsoring und Inserate im Wahlkampf noch ein offenes Thema. Ein Transparenzgesetz müsse auch Sponsoring und die Offenlegung von Inseraten in Wahlkampfbroschüren verpflichtend vorschreiben. Er warf der ÖVP vor, eine solche Regelung verhindern zu wollen.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) warf den Koalitionsparteien vor, sich nur mit Postenschacher zu beschäftigen und eine Regelung anzustreben, die auf eine Erhöhung der Parteienförderung hinauslaufe. Dafür sei das BZÖ nicht zu haben. Österreich habe bereits die zweithöchste Parteienförderung weltweit, sie sei nur in Japan noch höher. Die BürgerInnen seien daher nicht bereit, einen weiteren Griff in die Taschen der SteuerzahlerInnen durch die Parteien hinzunehmen. Aus Sicht des BZÖ sei es daher notwendig, die Themen Parteienförderung und Transparenzregeln so zu junktimieren, um sicherzustellen, dass die Parteien sich die Zustimmung zu strengeren Regeln der Offenlegung ihrer Finanzen nicht mit einer Erhöhung der Parteienförderungen abkaufen lassen.

Abgeordneter Robert LUGAR (o.F.) stellte die prinzipielle Frage, ob man tatsächlich Parteispenden brauche. Seiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Österreich verfüge im Unterschied zu anderen Ländern im Grunde über ein gutes System der Parteienförderung, das sicher stelle, dass man sich nicht mit Geld Gesetz erkaufen könne. Wer spende, erwarte sich dafür immer Gegenleistungen, man pflanze mit der Zulassung von Parteispenden automatisch "den Samen der Korruption" ins politische System. Lugar plädierte daher für die völlige Abschaffung von Parteispenden. (Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat)