Nationalrat: Aktuelle Themen aus dem Justizressort
Ministerin Karl gegen Automatismus bei gemeinsamer Obsorge
Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete die heutige Nationalratsitzung mit einer Fragestunde. Bundesministerin Beatrix KARL nahm zu Themen wie etwa Vorratsdatenspeicherung, Familienrecht oder Mietrecht Stellung.
Frage des Abgeordneten Johannes JAROLIM (S):
Welche Schritte in Richtung grundrechtskonformer Regelungen im Bereich der Vorratsdatenspeicherung planen Sie insbesondere unter Berücksichtigung des angekündigten Abänderungsvorschlages der EU-Kommission?Antwort:
Justizministerin Beatrix KARL ging davon aus, dass die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, bei der die hohen österreichischen Standards sehr wohl berücksichtigt wurden, grundrechtskonform ist. Sie wolle allerdings nicht der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dieser Frage vorgreifen. Was die europäische Ebene betrifft, so habe die Kommission klargestellt, dass auch im Falle einer möglichen Abänderung der Bestimmungen, die Richtlinie von allen EU-Staaten umgesetzt werden muss. Da die Evaluierung der Folgenabschätzung derzeit noch laufe, könne man derzeit noch nicht sagen, wann mit welchen Änderungen zu rechnen ist. Ihr Anliegen sei es jedenfalls, die Vorzüge der österreichischen Umsetzung auf dem Gebiet der Datensicherheit zu verankern und gegebenenfalls auch die Bedingungen für den Zugriff auf die gespeicherten Daten zu harmonisieren. Grundsätzlich sei sie natürlich offen für mögliche Verbesserungsvorschläge, merkte die Justizministerin auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Albert STEINHAUSER (G) an.Frage des Abgeordneten Heribert DONNERBAUER (V):
Welche Schritte beabsichtigen Sie zur Verbesserung der gemeinsamen Obsorge?Antwort:
Gerade das Thema Familienrecht sei für sie von ganz großer Bedeutung, erklärte einleitend Justizministerin Beatrix KARL. Es wurde deshalb in ihrem Ressort auch ein Arbeitskreis eingerichtet, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt, informierte sie. Mittlerweile sei es auch gelungen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden, die nun in einen Begutachtungsentwurf einfließen sollen. Bei den von ihr geplanten Änderungen gehe es nicht nur um die Frage der Obsorge, betonte Karl, sondern etwa auch um Verbesserungen beim Besuchsrecht, bei familiengerichtlichen Verfahren und beim Namensrecht. Überdies sollen auch entsprechende Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt werden. So soll es etwa in Hinkunft auch für Väter unehelicher Kinder die Möglichkeit geben, die gemeinsame Obsorge zu beantragen.Frage des Abgeordneten Peter FICHTENBAUER (F):
Wann wird dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zugeleitet, die die gemeinsame Obsorge beider Elternteile, analog zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland, als gesetzlichen Regelfall vorsieht?Antwort:
Justizministerin Beatrix Karl führte aus, dass sie einer automatischen gemeinsamen Obsorge kritisch gegenüberstehe. Dies würde bedeuten, dass auch ein Elternteil, der dem Kind Gewalt angetan hat, die gemeinsame Obsorge erhält; dies sei ihrer Ansicht nach nicht zielführend. Allerdings würde sie es für sinnvoll halten, dass die Familienrichter, die bisher in Streitfällen nur die Möglichkeit hatten, entweder der Mutter oder dem Vater die Obsorge zu übertragen, auch zum dem Schluss kommen können, dass die gemeinsame Obsorge die beste Lösung für das Kind ist. Zudem soll es möglich sein, dass die Familienrichter verpflichtende Maßnahmen anordnen können, wie z.B. den Besuch einer Eltern- oder Familienberatung bzw. einer Schlichtungsstelle. Sie glaube, dass es dadurch möglich sein wird, auch in Fällen, wo es anfangs keine Einigung in Sachen Obsorge gibt, trotzdem noch eine gemeinsame Lösung zum Wohle des Kindes zu finden (Zusatzfrage der Abgeordneten Daniela MUSIOL, G). Karl zeigte sich aber zuversichtlich, dass es – nach intensiver Prüfung jedes Einzelfalls - in der Praxis dann auch in den meisten Fällen die gemeinsame Obsorge geben wird. Es sei richtig, dass die Regelungen in Deutschland, die übrigens auch nicht menschenrechtskonform seien, etwas anders aussehen, aber was spreche dagegen, einen eigenständigen österreichischen Weg zu gehen, fragte sie in Richtung des Abgeordneten Peter FICHTENBAUER (F) an.Auch die geplanten Änderungen im Namensrecht sind ein wesentlicher Teil des geplanten Familienpakets, erklärte die Bundesministerin, das mehr Flexibilität einräumen soll. Künftig soll es zum Beispiel gemeinsame Doppelnamen für die gesamte Familie geben (Zusatzfrage des Abgeordneten Albert STEINHAUSER, G). Gleichzeitig soll aber auch sichergestellt werden, dass nicht zu lange Namensketten entstehen; es sollen maximal zwei Elemente mit Bindestrich verbunden werden können.
Dem Abgeordneten Johann MAIER (S) gegenüber räumte die Justizministerin ein, dass die Besuchsrechtsverfahren derzeit zu lange dauern. Es sei ihr ein großes Anliegen, diese Verfahren zu beschleunigen, damit sich die Kinder nicht von einem Elternteil entfremden. Aus diesem Grund habe sie auch Anfang des Jahres das Pilotprojekt Familiengerichtshilfe an vier Standorten gestartet, wo Psychologen, Sozialarbeitern und Pädagogen den Familienrichtern zur Seite stehen. Es soll dadurch gewährleistet werden, dass die Eltern möglichst rasch einvernehmlich eine Lösung finden. In Streitfällen können die Psychologen zudem gutachtensähnliche Stellungnahmen abgeben, wodurch die Verfahren beschleunigt werden können. Die ersten Ergebnisse dieses Projekts sind sehr vielversprechend, informierte Karl, eine Ausdehnung auf weitere Standorte wird daher überlegt.