Parlamentskorrespondenz Nr. 521 vom 20.06.2012

Mikl-Leitner: Sind die größte Menschenrechtsorganisation Österreichs

Ausschuss: Menschenrechte im Sicherheitsapparat 13 Jahre nach Omofuma

Wien (PK) – Der Menschenrechtssauschuss hat heute auf Antrag von ÖVP und SPÖ die Innenministerin dazu aufgefordert, den Dialog und die Kommunikationskanäle zwischen Polizei und den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft weiterzuentwickeln. Von einer professionellen Bürger-Polizei-Kommunikation erwarten sich die Abgeordneten ein höheres Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und eine Stärkung des Vertrauens in die Polizei. Die Grünen unterstützten diesen Antrag und verlangten von der Innenministerin ihrerseits, sich für eine solidarische und nachhaltige Asylpolitik in der EU einzusetzen, dieser Antrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt. Im Hinblick auf die bevorstehende Übertragung der Zuständigkeit für den Menschenrechtsbeirat an die Volksanwaltschaft diskutierten die Abgeordneten mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in einer Aktuellen Aussprache über das Thema Menschenrechte im Innenressort und konstatierten übereinstimmend einen Paradigmenwechsel beim Thema Menschenrechte seit der Einrichtung des Menschenrechtsbeirates aus Anlass des tragischen Todes von Marcus Omofuma vor 13 Jahren. Der Vorsitzende des Menschenrechtsbeirates Gerhart Wielinger unterbreitete den Ausschussmitgliedern einen Bericht über die Tätigkeit des Menschenrechtsbeirates und nahm von Vertretern aller Fraktionen und von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Dank und Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit dieses Gremiums entgegen. Im Anschluss an diesen Bericht beantwortete die Innenministerin zahlreiche Fragen der Abgeordneten zu vielen Aspekten der Menschenrechtspolitik ihres Ressorts. "Wir sind heute die größte Menschenrechtsorganisation Österreichs", resümierte die Ressortleiterin die Entwicklung der Menschenrechte bei den Sicherheitsbehörden während der letzten Jahre.    

Thema Menschenrechte und Sicherheitspolitik

Der scheidende Vorsitzende des Menschenrechtsbeirates Univ.-Prof. Gerhart Wielinger berichtete über die Arbeit des Menschenrechtsbeirats während der letzten 13 Jahre, der nach dem tragischen Tod von Markus Omofuma eingerichtet worden war. Wielinger schilderte die Arbeit der einzelnen Menschenrechtskommissionen, die Polizeieinsätze beobachteten und unangemeldet und ohne Rücksicht auf das Amtsgeheimnis alle Stellen kontrollieren konnten, in denen Menschen angehalten werden. 3.617 Besuche der Kommissionen galten Dienststellen der Bundespolizei, 1.219 Stellen, in denen Personen angehalten werden. Aufgrund der Berichte dieser Kommissionen richtete der Beirat 375 Empfehlungen an das Bundesministerium, die großteils umgesetzt wurden. Die Nähe des Beirats zum Innenressort habe sich in der Praxis bewährt, weil es möglich war, auf kurzem Weg zahlreiche Probleme zu lösen. In diesen 13 Jahren habe sich viel verändert, stellte Gerhard Wielinger fest: "Die Sensibilität der Sicherheitsverwaltung für die Menschenrechte hat heute ein wesentlich größeres Ausmaß. Die Menschenrechte werden auf allen Ebenen des Sicherheitsapparates ernstgenommen", hielt Wielinger fest. Probleme sah der Vorsitzende des Menschenrechtsbeirats bei den nur sehr eingeschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten angehaltener Personen sowie bei ihrer ärztlichen Betreuung, insbesondere in psychiatrischen Fällen.

In der Debatte bedankten sich Redner aller Fraktionen bei Gerhard Wielinger für die erfolgreiche Arbeit des Menschenrechtsbeirats und stellten Detailfragen. Abgeordneter Franz Kirchgatterer (S) befasste sich mit dem Thema "Einkesselung" bei Demonstrationen, Abgeordnete Alev Korun (G) brachte den Vorschlag zur Sprache, eine externe Stelle zu schaffen, die für Vorwürfe wegen Gewaltanwendung seitens der Exekutive zuständig sein soll; außerdem drängte Korun auf Verbesserungen bei der Schubhaft. Abgeordneter Franz Glaser (V) sprach von einer Erfolgsgeschichte des Menschenrechtsbeirats, dem es gelungen sei, die Bundespolizei für Menschenrechtsfragen zu sensibilisieren und das Menschenrechtsbewusstsein in der Bevölkerung zu steigern. Übereinstimmend mit Abgeordnetem Kirchgatterer sprach Glaser die Hoffnung aus, dass die Zusammenarbeit des Menschenrechtsbeirats mit dem Innenressort unter den neuen Bedingungen ebenso gut funktionieren werde wie bisher.

Auch Abgeordnete Heidemarie Unterreiner (F) registrierte einen neuen Stellenwert für die Menschenrechte als Ergebnis der Arbeit des Menschenrechtsbeirats. Abgeordneter Gerald Grosz (B) gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass auch die noch nicht umgesetzten Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats realisiert werden. Die Übertragung seiner Agenden in den Bereich der Volksanwaltschaft sei richtig, weil damit eine Erweiterung der Zuständigkeit über die Flüchtlingspolitik hinaus auf die Bereiche Sachwalterschaft und behinderte Menschen verbunden sei.

Beiratsvorsitzender Gerhard Wielinger erklärte die Verlagerung des Menschenrechtsbeirats zur Volksanwaltschaft als Folge der Umsetzung der neuen Antifolterkonvention, die es nicht mehr zulasse, einen Menschenrechtsbeirat an die Verwaltung zu binden, wie dies bisher der Fall gewesen sei. Die Zusammenarbeit mit dem Innenressort habe sich nach Anlaufschwierigkeiten gut entwickelt, sagte Wielinger, wobei es sich als vorteilhaft erwiesen habe, dass der Vorsitzende nicht vom Bundesministerium, sondern vom Verfassungsgerichtshof nominiert wurde. Der Menschenrechtsbeirat sei kein Feigenblatt des Innenressorts gewesen und habe sehr sachorientiert gearbeitet, berichtet Wielinger. Es sei möglich gewesen, viel zu bewegen. Die Vorschläge, die der Beirat dem Ressort unterbreitet habe, haben durchwegs zu Gesetzen geführt, die vor dem Verfassungsgerichtshof gehalten haben. Beim Thema Misshandlungen sollte ein Organ geschaffen werden, das neben der Verwaltungsorganisation stehe, dies setze aber eine Verfassungsänderung voraus, sagte Wielinger. Wielinger informierte über die weitgehende Bewegungsfreiheit von Schubhäftlingen im Bereich der Einrichtungen, bei denen sie angehalten werden, berichtete über den sehr konstruktiven Dialog mit dem Ressort über die Vorgangsweise bei Demonstrationen und die Erfüllung der diesbezüglichen Empfehlungen. Als ein sehr komplexes Thema bezeichnete Wielinger den Menschenhandel. Die diesbezügliche Taskforce habe die Fähigkeit, Opfer des Menschenhandels zu erkennen, wesentlich verstärkt, lobte Wielinger.

Die Sicherheitsbehörden schauen bei Menschenrechtsverletzungen nicht weg, sondern ganz genau hin, hielt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner fest und erinnerte daran, dass sich die Zusammenarbeit zwischen dem Menschenrechtsbeirat und ihrem Ressort nach anfänglichen Schwierigkeiten bestens entwickelt habe. Die Bilanz der Menschenrechtsentwicklung in den letzten Jahren könne sich sehen lassen. Die Sicherheitsbehörden sind transparenter geworden, die BürgerInnen haben Einblick und die Behörden nichts zu verstecken. Man kann auf die Sicherheit achten, ohne den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verletzen, sagte die Innenministerin und informierte die Abgeordneten über die "Anhalteordnung neu" und über die Umsetzung der Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats. Bei Abschiebungen werde viel vorgegangen, vor allem gegenüber Kindern und Familien. Ministerin Mikl-Leitner dankte Gerhard Wielinger für das Stück Weges, das sie in der Menschenrechtspolitik gemeinsam gegangen seien und hielt fest, dass das Thema Menschenrecht jedem Mitarbeiter ihres Ressorts ein Anliegen geworden sei. Für die Zukunft kündigte die Ministerin weitere Diskussionen und weiteres Bemühen um Verbesserungen an, denn: "Wer nicht versucht besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein." 

Dann informierte die Innenministerin Abgeordneten Kirchgatterer darüber, dass es bei Demonstrationen nicht zu "Einkesselungen" komme, weil die Polizei jederzeit dafür zu sorgen habe, dass Menschen eine Demonstration verlassen können, wenn sie das wollen. Beim Thema Beschwerdestelle für unangemessene Gewaltanwendung seitens der Sicherheitsbehörden machte die Innenministerin auf die Beschwerdemöglichkeit beim Unabhängigen Verwaltungssenat und auf die Möglichkeit, Entschädigungen zu beantragen, aufmerksam. Künftig werden dafür die Landesverwaltungsgerichte zuständig sein.

In weiteren Verhandlungsrunden ging Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auf zahlreiche Fragen der Ausschussmitglieder ein. Abgeordneter Franz Kirchgatterer (S) erfuhr, dass das Außenministerium für Mali eine Reisewarnung ausgesprochen habe und Abschiebungen in dieses Land daher von Fall zu Fall geprüft werden. "Wir machen uns solche Entscheidungen nicht leicht", betonte die Innenministerin. Menschenrechte bilden einen Schwerpunkt in der Ausbildung der Exekutivbeamten, hielt Mikl-Leitner fest und informierte über diesbezügliche Angebote der Sicherheitsakademie.

Den Abgeordneten Sonja Ablinger (S) und Alev Korun (G) kündigte die Ministerin die Vorlage einer Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz für den kommenden Herbst an und teilte dabei mit, dass an der Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder von Ausländern im Staatsbürgerschaftsrecht und an Verbesserungen für Folteropfer gearbeitet werde. Keine Einbürgerung sei weiterhin für Straftäter vorgesehen.

Die Innenministerin versicherte Abgeordnetem Bernhard Vock (F), dass der Schutz der Menschenrechte selbstverständlich auch für Polizisten im Einsatz gelte und teilte seine positive Einschätzung hinsichtlich der Einsatzmöglichkeit von Tasern bei der Polizei. Studien haben ergeben, dass Taser keine Lebensgefahr und keine gesundheitliche Beeinträchtigung mit sich bringen. Ihr bewährter Einsatz bei Cobra und Wega werde auf speziell geschulte Beamte ausgeweitet, informierte die Ministerin.

Bedenken der Abgeordneten Rosa Lohfeyer (S) wegen einer ungenügenden Umsetzung der EU-Vorgaben bei der Rechtsberatung bemühte sich die Innenministerin zu zerstreuen, indem sie auf die EU-Konformität ihrer Vorgangsweise hinwies. Auf eine Frage des Abgeordneten Harry Rudolf Buchmayr (S) führte die Ministerin aus, das Thema ACTA liege in der EU bis zu den diesbezüglichen Berichten des Europäischen Parlaments und des EuGH auf Eis. Die Bundesregierung habe das EU-Dokument zum Thema ACTA zur Kenntnis genommen, aber keinen Ratifizierungsbeschluss gefasst.

Abgeordnetem Gerald Grosz (B), der über die stark wachsende Zahl der Asylwerber in Österreich klagte und es für unmöglich hielt, eine weit über dem europäischen Durchschnitt liegende Zahl von Flüchtlingen menschenwürdig unterzubringen, teilte Ministerin Johanna Mikl-Leitner mit, die Zahl der Flüchtlinge steige wegen der Entwicklung in Afghanistan, Österreich sei aber imstande, Flüchtlinge bestens zu betreuen, wobei sie das Engagement der Bundesländer ausdrücklich lobte. Dublin II wird umgesetzt, hielt Mikl-Leitner in diesem Zusammenhang fest. Bei den Themen Menschenhandel mit Kindern und Bettelverbot unterstrich die Ministerin ihr Eintreten für "Null Toleranz" beim Einsatz von Kindern als Bettler, berichtete von guten Ermittlungserfolgen und brach eine Lanze für die internationale Lösung dieses internationalen Problems. Die Abgeordneten Judith Schwentner (G) und Josef Riemer (F) machte die Ministerin auf die Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie aufmerksam sowie darauf, dass Opfer des Menschenhandels in Österreich bevorzugten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Aufenthaltstiteln haben und verkürzte Fristen bei Anträgen in Anspruch nehmen können. Rechtsextreme Inhalte auf Internetseiten werden vom Innenressort sehr genau beobachtet, erfuhren die Ausschussmitglieder bei der Beantwortung einer Frage der Abgeordneten Andrea Gessl-Ranftl (S) durch die Ministerin.

Bei der Verbesserung der Situation von Asylwerbern geht es der Innenministerin in erster Linie darum, die Verfahren zu beschleunigen, um den Menschen rascher Klarheit über ihre Zukunft zu geben. Asylwerber haben einen bevorzugten Zugang zum Arbeitsmarkt über die Rotweißrot-Karte, sagte Mikl-Leitner, warnte aber davor, Asylwerbern falsche Hoffnungen hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt zu machen.

Den Vorschlag des Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V), die Ausbildung von Polizeibeamten für den Umgang mit behinderten Menschen zu intensivieren, nahm die Innenministerin positiv auf. Grenzkontrollen, wie sie Abgeordneter Ewald Sacher (S) ansprach, kommen bei Gefahr in Verzug oder bei Großveranstaltungen in Frage, in der Regel gelte aber im Schengen-Raum selbstverständlich die Reisefreiheit, führte die Innenministerin aus.

Ausschuss will Dialog Polizei-Bürgerinnen verstärken

Mit S-V-G-Mehrheit verabschiedete der Ausschuss ferner einen Antrag der Regierungsparteien, der auf einen Ausbau des Dialogs zwischen der Exekutive und den BürgerInnen abzielt. Die Abgeordneten Wolfgang Großruck (V) und Franz Kirchgatterer (S) bezogen sich dabei auf das Programm "Polizei Macht Menschenrechte" und auf den strukturierten Dialog zwischen Polizei und verschiedenen Gesellschaftsgruppen. Effektive Polizeiarbeit setze immer mehr einen flexiblen, dauerhaften und partnerschaftlichen Kontakt mit der Bevölkerung "auf Augenhöhe" voraus, erklärten die Abgeordneten in ihrer Initiative und forderten die Polizei dazu auf, sich neben dem klassischen "Crime fighting" dem Ausbau des "Communicating Policing" zu widmen.

Während Abgeordneter Albert Steinhauser (G) die Intentionen des Antrags grundsätzlich begrüßte, kritisierten die Abgeordneten Gerald Grosz (B) und Bernhard Vock den Vorstoß der Regierungsparteien als zu ungenau formuliert, wobei der BZÖ-Mandatar bemerkte, in dem Antrag stehe de facto nichts drin.

Ministerin Johanna Mikl-Leitner erklärte, es gehe darum, das Projekt "Polizei Macht Menschenrechte", das auch über die Grenzen hinaus Anerkennung finde, weiterzuentwickeln und zu professionalisieren und dabei vor allem auch internationale Organisationen einzubinden.

G-Antrag für nachhaltige Flüchtlingspolitik in der EU vertagt

Mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt wurde hingegen ein Antrag der Grünen, in dem Abgeordnete Alev Korun vor allem auch unter Hinweis auf die Rückschiebung von Bootsflüchtlingen auf hoher See eine nachhaltige und solidarische Flüchtlingspolitik seitens der Europäischen Union forderte und an die Bundesregierung appellierte, in diesem Sinne auf EU-Ebene aktiv zu werden.

Abgeordneter Franz Glaser (V) meinte dazu, Österreich brauche sich in Sachen Flüchtlingspolitik nichts vorzuwerfen, dies habe gerade auch der Bericht des Menschenrechtsbeirates gezeigt. Die Vertagung begründete er damit, dass es vorerst gelte, die Neuordnung des Asyl- und Fremdenwesens und das diesbezügliche Hearing des Innenausschusses abzuwarten. (Schluss)