Parlamentskorrespondenz Nr. 574 vom 02.07.2012

Ampel für Euro-Schutzschirm und für Fiskalpakt steht auf Grün

Verfassungsausschuss schickt ESM und Begleitgesetze auf den Weg

Wien (PK) – Das Parlament steigt bei der Ratifizierung des ESM-Vertrags und des Fiskalpakts aufs Gas. Vier Tage nach dem öffentlichen Expertenhearing gab der Verfassungsausschuss des Nationalrats heute grünes Licht für den Euro-Schutzschirm, den europäischen Stabilitätsvertrag und die ESM-Begleitgesetze. Damit kann das Paket wie geplant am Mittwoch vom Nationalrat beschlossen werden. Der Fiskalpakt wurde lediglich von den Koalitionsparteien gebilligt, für den ESM-Vertrag, die damit in Zusammenhang stehende EU-Vertragsänderung und die beiden ESM-Begleitgesetze stimmten auch die Grünen. FPÖ und BZÖ blieben bei ihrer insgesamt ablehnenden Haltung.

Über weitere begleitende Gesetzesänderungen zum ESM wird heute Abend der Budgetausschuss beraten. Dabei geht es insbesondere um die budgetäre Vorsorge für die anteiligen österreichischen Zahlungen an den ESM.

Mit dem Vertrag zum Europäischen Stabilitätsmechanismus verpflichten sich die Euroländer, den ESM vorerst mit einem Stammkapital in der Höhe von 80 Mrd. € auszustatten und Haftungen im Ausmaß von insgesamt bis zu 700 Mrd. € zu übernehmen. Auf Österreich entfällt ein Anteil von 19,48 Mrd. €, davon sind 2,23 Mrd. € einzuzahlen. Neben Kreditvergaben stehen dem ESM auch andere Instrumente wie Finanzhilfen zur Rekapitalisierung von Banken und Interventionen am Primär- und am Sekundärmarkt zur Verfügung. Die Gewährung von Stabilitätshilfen ist an strenge Auflagen geknüpft, dazu zählt insbesondere auch die Ratifizierung des Fiskalpakts und die damit verbundene Verankerung einer innerstaatlichen Schuldenbremse (siehe dazu PK-Nr. 273/2012).

Ein Begleitgesetz zum ESM-Vertrag und eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats sichern dem österreichischen Parlament umfassende Mitspracherechte beim ESM. So wird Finanzministerin Maria Fekter für alle wesentlichen Entscheidungen des ESM, etwa die grundsätzliche Gewährung von Finanzhilfe an einen EU-Staat oder die Aufstockung der Mittel, die ausdrückliche Genehmigung des Nationalrats einholen müssen. Zudem werden umfassende Informationspflichten der Regierung verankert (siehe PK-Nr. 489/2012).

Um den ESM-Vertrag EU-rechtlich abzusichern, ist eine Änderung der EU-Verträge in Form einer Ergänzung von Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehen.

In engem Zusammenhang mit dem ESM-Vertrag steht der von 25 EU-Staaten unterzeichnete Fiskalpakt: er soll für mehr Haushaltsdisziplin und eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik innerhalb der EU sorgen und enthält unter anderem die Verpflichtung, das jährliche Budgetdefizit der öffentlichen Hand grundsätzlich auf 0,5 % des BIP zu begrenzen.

Sowohl zum ESM als auch zum Fiskalpakt hat der Verfassungsausschuss vergangene Woche ein öffentliches Expertenhearing abgehalten (siehe PK-Nr. 558/2012 und PK-Nr. 564/2012).

Euro-Schutzschirm: SPÖ, ÖVP und Grüne dafür, FPÖ und BZÖ dagegen

Im Rahmen der Debatte bekräftigten die Fraktionen ihre Standpunkte. So kritisierte Abgeordneter Harald Stefan namens der FPÖ, dass man mit dem ESM-Vertrag und dem damit eingeschlagenen Weg zu einer "Transferunion" endgültig vom "No-Bailout-System" abgehe und einen bisher unumstrittenen Grundsatz der österreichischen Finanzpolitik aufgebe. Er forderte daher die Abhaltung einer Volksabstimmung über den ESM-Vertrag und legte in diesem Sinn einen Abänderungsantrag vor, der bei der Abstimmung jedoch in der Minderheit blieb.

Nach Ansicht von Abgeordnetem Stefan kann man auch nicht darauf vertrauen, dass Finanzhilfen durch den ESM tatsächlich an strenge Auflagen geknüpft werden. Er erwartet sich in dieser Frage nicht zuletzt einen enormen Druck vom "Club Med", der 70% der Stimmrechtsanteile an der Europäischen Zentralbank halte. Sein Fraktionskollege Peter Fichtenbauer brachte in diesem Zusammenhang vor, dass die vermeintlich strengen Auflagen für Stabilitätshilfen "durch die Wirklichkeit bereits überholt sind", wie sich ihm zufolge am Wochenende in Brüssel gezeigt hat. Mit dem ESM repariere man nicht den Geburtsfehler des Euro, sondern dopple ihn auf, fürchtet er.

Abgeordneter Stefan gab überdies zu bedenken, dass das unterschiedliche Zinsniveau der einzelnen Euro-Länder in Zusammenhang mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit stehe. Durch Finanzhilfen würden Anreize geschaffen, Reformen nicht durchzuführen und Probleme damit zu verlängern. Abgeordnetem Fichtenbauer zufolge ist der Vertrag außerdem völlig "unausgegoren": so sei etwa nicht geregelt, was mit dem ESM-Haftungskapital passiere, wenn ein Euroland Bankrott geht oder von sich aus aus dem Euro austritt.

Als dritte kritische Stimme der FPÖ meldete sich Abgeordneter Johannes Hübner zu Wort. Er räumte zwar ein, dass die Mitwirkungsrechte des Parlaments beim ESM sehr weit gingen, diese helfen seiner Meinung aber nichts, wenn Finanzministerin Maria Fekter als Vertreterin Österreichs im ESM überstimmt werden könne. Hübner verwies insbesondere auf den Vertragspassus, wonach in Notfällen 85% der Stimmen im ESM-Gouverneursrat Entscheidungen treffen können, dabei komme Österreich auch gemeinsam mit den acht anderen kleinen Euroländern keine Vetomöglichkeit zu.

Ebenfalls für eine Volksabstimmung plädierte BZÖ-Abgeordneter Herbert Scheibner. Schließlich würde man der Kindes- und der Kindeskindergeneration eine Last aufbürden, von der man heute nicht wisse, wie groß sie sein werde, argumentierte er. Scheibner hob hervor, dass selbst die ESM-Befürworter beim Hearing nicht sagen hätten können, ob der ESM tatsächlich positiv wirken werde. Dem gegenüber besteht für ihn die Gefahr, dass die ohnehin bereits hohen Staatsschulden Österreichs verdoppelt werden, ohne dass ein Euro davon in Österreich investiert wird.

Skeptisch beurteilte Scheibner auch die zuletzt in Brüssel getroffenen Vereinbarungen und wertete es als "erstaunlich", dass sich die Grünen mit derartig "lapidaren Zusagen" zufrieden geben. Er fürchtet darüber hinaus, dass eine in nur wenigen EU-Ländern eingeführte Finanztransaktionssteuer mehr Schaden als Nutzen anrichten könnte. Auch die parlamentarischen Mitwirkungsrechte beim ESM sind für Scheibner nicht ausreichend: die Grünen hätten seiner Meinung nach auf eine Zweidrittelmehrheit für sämtliche Ermächtigungen durch den Nationalrat drängen müssen.

Kein Verständnis für die Haltung von FPÖ und BZÖ zeigte Abgeordneter Günter Stummvoll (V). Er machte geltend, dass der ESM nur dann Finanzhilfe leisten dürfe, wenn dies zur Erhaltung der Stabilität des Euro unabdingbar notwendig sei. Es sei "unglaublich blauäugig und naiv" gewesen zu glauben, dass die Maastricht-Kriterien die Stabilität des Euro garantieren können, sagte er, dieser Geburtsfehler des Euro müsse nun korrigiert werden.  Zu den geplanten Schritten gehöre auch der ESM, der laut Stummvoll als eine Art Feuerwehr agiere. Die europäischen Schuldenländer würden von den Finanzmärkten "erpresst", erklärte er, das zeige sich nicht zuletzt an sich täglich ändernden Zinsen. Die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments beim ESM sind Stummvoll zufolge sehr umfangreich.

Stummvolls Fraktionskollege Martin Bartenstein (V) hielt in Richtung FPÖ und BZÖ fest, die beiden Parteien sollten sich einmal überlegen, mit wem sie sich mit ihrer Haltung zum ESM "ins Bett legen". So machte er etwa darauf aufmerksam, dass in Deutschland die postkommunistische Linke eine ähnliche Position vertritt. Zur Frage der direkten Bankenhilfe durch den ESM merkte Bartenstein an, Voraussetzung für eine entsprechende Weiterentwicklung des ESM sei eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht.

Seitens der Grünen betonte Abgeordneter Alexander Van der Bellen, er halte den ESM für eine sinnvolle Institution mit sinnvollen Instrumenten. Keine "vernunftbegabte Regierung" werde angesichts der strikten Bedingungen leichtfertig um ESM-Hilfe ansuchen, zeigte er sich überzeugt. Es habe auch nie jemand behauptet, dass mit dem ESM alle ökonomischen Probleme der Europäischen Union gelöst werden könnten, sagte Van der Bellen, es sei aber positiv, dass man mit Realismus und nicht mit Euphorie an die Probleme heran gehe. Die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments sind für Van der Bellen europaweit beispielhaft, eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten für alle operativen ESM-Entscheidungen, wie von Abgeordnetem Scheibner gefordert, würde ihm zufolge "das Werkl realistischer Weise zum Stillstand bringen".

Die beiden Grün-Abgeordneten Albert Steinhauser und Werner Kogler qualifizierten die Zustimmung zum ESM als eine Abwägungsfrage. Der ESM allein rette langfristig gar nichts, sagte Kogler, er könne kurzfristig aber eine wichtige Überbrückungshilfe sein. Man könne Werkzeuge sicher auch falsch einsetzen, es sei aber jedenfalls besser, das notwendige Werkzeug überhaupt in der Werkzeugkiste zu haben. Laut Steinhauser erwecken FPÖ und BZÖ in der öffentlichen Debatte den seiner Meinung nach falschen Eindruck, dass die Krise an Österreich vorbei ziehen würde, wenn man den ESM ablehne.

Ein Risiko, das Steinhauser bei der Einrichtung des ESM sieht, ist, dass Spekulationsverluste von Banken in Richtung Steuerzahler umverteilt werden. Einige Begleitmaßnahmen, wie die Einführung der Finanztransaktionssteuer, eine verstärkte Bankenregulierung und ein Bankeninsolvenzrecht sowie die mögliche Privatgläubigerbeteiligung sollen dies ihm zufolge aber verhindern helfen. Auch die parlamentarischen Mitspracherechte sieht Steinhauser gewährleistet: das österreichische Parlament habe einen direkten Einfluss auf Entscheidungen im ESM-Gouverneursrat.

Fekter: Keine Aufstockung der ESM-Mittel ohne Zustimmung Österreichs

Finanzministerin Maria Fekter bekräftigte zum wiederholten Mal, dass sich die österreichischen Haftungen auf das in den ESM eingezahlte Kapital und die darüber hinausgehenden Gesamtgarantieerklärungen beschränken und eine Aufstockung der ESM-Mittel nur mit ausdrücklicher Zustimmung des österreichischen Parlaments möglich sei. Ihr zufolge hat der ESM außerdem ein durchdachtes Risikomanagement und unterliegt sowohl interner als auch externer Kontrolle. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente werden laut Fekter über den Gouverneursrat über die Arbeit des ESM informiert.

Die 700 Mrd. € Haftungskapital gelten, wie Fekter erklärte, für den Euro-Rettungsschirm EFSF und den dauerhaften Euro-Schutzschirm ESM zusammen. Das anteilige Stammkapital in den ESM sei von allen Ländern einzuzahlen, auch von jenen, die Finanzhilfe beanspruchen, versicherte sie. EFSF und ESM werden laut Fekter noch einige Zeit parallel laufen, da nicht absehbar sei, wann der Ratifizierungsprozess für den ESM abgeschlossen werden könne. So müsse etwa in Finnland die höchstgerichtliche Entscheidung abgewartet werden, unter Umständen auch in Deutschland. Was bisher übernommene Haftungen für angeschlagene Euroländer betrifft, entfallen nach Darstellung Fekters auf Österreich rund 12 Mrd. €, inklusive der Hilfen für Spanien.

Eindringlich warnte Fekter vor einem Zerbrechen der Eurozone. Sie wies darauf hin, dass in einem solchen Fall nicht nur Griechenland in Schwierigkeiten käme, weil die griechischen Schulden dramatisch in die Höhe schnellen würden und eine abgewertete Drachme Importe noch teurer machen würde, auch für Österreich hätte die Splittung in einen Nord- und einen Südeuro ihrer Darstellung nach extreme negative Folgen. Laut Experten sei mit einem makroökonomischen Schaden von bis zu 10% des BIP zu rechnen, weil sich etwa Exporte enorm verteuern würden. Niemand, der Vernunft habe, peile, so Fekter, ein solches Szenario an.

Fiskalpakt: Opposition plant Verfassungsklage

Auch in der Frage des Fiskalpakts blieben die Fronten verhärtet – diesmal aber zwischen den Koalitionsparteien einerseits und der Opposition andererseits, da die Grünen, anders als beim ESM, beim Fiskalpakt nicht mitgehen. Wie FPÖ und BZÖ begründen sie ihre Haltung mit ökonomischen und verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Ausschuss kündigte Abgeordneter Alexander Van der Bellen (G) eine Verfassungsklage gegen den Pakt an, auch die beiden anderen Oppositionsparteien haben beim Hearing am Donnerstag ihrerseits einen solchen Schritt in Aussicht gestellt.

Namens des BZÖ hegte Abgeordneter Herbert Scheibner große Zweifel an der Effektivität des Fiskalpakts. Man stelle zwar Kriterien auf, lasse aber alle Länder zu, die diese nicht erfüllen können oder wollen, hielt er fest. Griechenland werde wie andere Problemländer auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, die im Pakt vorgegebenen Ziele einzuhalten. In der momentanen Krise brauche man aber eine rasche Lösung und nicht erst im Jahr 2020. Scheibner sprach sich einmal mehr dafür aus, die Fehler bei der Einführung des Euro zu korrigieren. Damals habe man Staaten aufgenommen, die den gesetzten Rahmenbedingungen nicht entsprechen.

Nach Ansicht Scheibners hat Österreich außerdem auf EU-Ebene über den Fiskalpakt verhandelt, noch bevor eine Ermächtigung durch den Bundespräsidenten erfolgt ist, eine Einschätzung, die weder Staatssekretär Josef Ostermayer noch Finanzministerin Maria Fekter teilten.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) konzentrierte sich auf die verfassungsrechtlichen Fragestellungen und hielt dazu fest, durch den Fiskalpakt werde die Budgethoheit des Nationalrats eingeschränkt. Außerdem sei die Stimmbindung des zuständigen österreichischen Regierungsmitglieds an die Kommission gemäß Artikel 7 des Vertrags im B-VG nicht gedeckt. Das demokratisch legitimierte österreichische Organ sei somit an ein demokratisch nicht legitimiertes Organ gebunden, kritisierte er. Darüber hinaus würden die österreichischen MinisterInnen aufgrund der Salvatorischen Klausel gezwungen sein, die Geltung des Fiskalpakts am gesamten EU-Recht zu prüfen, womit ein umfassender Prüfungsauftrag verbunden sei.

Auch in den Augen der Grünen ist der Vertrag verfassungsändernd und verfassungsergänzend und damit verfassungswidrig. Im Vorfeld hätte daher eine Änderung des B-VG erfolgen müssen, wandte Abgeordneter Alexander Van der Bellen ein. Er halte es daher für unzulässig, den Vertrag mit einfacher Mehrheit zu beschließen. Die Regierung gehe damit ein hohes Risiko ein, warnte er und kündigte an, den Fiskalpakt vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen.

Man habe im Vorfeld all diese Fragen mit Hilfe des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts und des Völkerrechtsbüros eingehend geprüft und sei zur Überzeugung gelangt, dass es sich dabei um einen völkerrechtlichen Vertrag handle, mit dem das EU-Primärrecht nicht angetastet werde, reagierte Staatssekretär Josef Ostermayer auf die vorgebrachten Argumente. Was die Salvatorische Klausel betrifft, so sei jedes Vollzugsorgan verpflichtet, die Rechtmäßigkeit von Vorschriften zu prüfen, sagte der Staatssekretär. Aus dem Hearing im Verfassungsausschuss habe sich keinesfalls zwingend eine Verfassungswidrigkeit ergeben, assistierte Abgeordneter Josef Cap (S), die dort vorgebrachten Argumente seien für ihn nicht stichhaltig gewesen.

Über die Verfassungsfrage hinaus übte Abgeordneter Van der Bellen auch Kritik aus ökonomischer Sicht. Der Fiskalpakt sei nicht zielführend, argumentierte er, zumal es ohnehin geltende Regelungen zur Einhaltung des Haushaltsdisziplin gebe, wie etwa das sogenannte "Six-Pack" oder das "Europäische Semester". Der Wirtschaftsprofessor vermisste, wie er sagte, auch einen "europäischen Mehrwert", denn nach dem Ausscheren der Briten hätte man die im Vertrag von Lissabon festgelegte Möglichkeit der verstärkten Zusammenarbeit nützen müssen.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) wandte zusätzlich ein, der Fiskalpakt nehme eine einseitige Ausrichtung der Haushaltspolitik auf die Schuldenreduzierung vor, was ein "Gift" für die europäischen Volkswirtschaften darstelle. Wenn man den Pakt ernst nehme, würden ökonomische Spielräume geringer. Das Argument, dass es neben dem Fiskalpakt auch einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung geben werde, ließ Steinhauser nicht gelten, denn Länder wie etwa Spanien müssten investieren, das sei aber nicht möglich, weil die Schuldenbremse greife, so seine Interpretation.

Dem konnte sich Abgeordneter Josef Cap (S) nicht anschließen. Der Pakt enthalte auch Ausnahmebestimmungen, die Freiräume erlaubten. Man müsse das Gesamtpaket sehen, stellte Cap fest und nannte in diesem Zusammenhang den Pakt für Wachstum und Beschäftigung, der Zukunftsinvestitionen ermögliche, die Finanztransaktionssteuer, aus der man zusätzliche Einnahmen lukrieren könne, aber auch den Beschluss des letzten Europäischen Rats, wonach der ESM flexibler eingesetzt werden kann. ESM und Fiskalpakt gehören realpolitisch zusammen, so Cap, und mit dem genannten Maßnahmenmix werde ein sinnvoller Weg beschritten. Es liege auch im Interesse der SteuerzahlerInnen, dass mit von Österreich mitfinanzierten Krediten verantwortungsvoll umgegangen werde, und daher sei es notwendig, den ESM mit Regelungen zu verbinden, die die Staaten anhalten, mehr Haushaltsdisziplin einzuhalten.

Ähnlich argumentierte Abgeordneter Günter Stummvoll (V). Die Budgetkonsolidierung sei ein wichtiger Teil des Gesamtpakets, das auch aus Strukturreformen sowie aus Maßnahmen zu Wachstum und Beschäftigung bestehe. Er könne das "dumme Gerede vom Kaputtsparen" nicht mehr hören, denn es komme immer darauf an, wo man spare. So gesehen stellten Sparen und Wachstum keinen Widerspruch dar, vielmehr setze nachhaltiges Wachstum einen stabilen Staatshaushalt voraus, konstatierte Stummvoll. Sein Klubkollege Abgeordneter Martin Bartenstein meinte, der Fiskalpakt diene dazu, dass möglichst wenig Steuergeld in Anspruch genommen wird. 

Bei der Abstimmung wurden der ESM-Vertrag, die EU-Vertragsänderung, das ESM-Begleitgesetz und die Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats jeweils mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen gebilligt. Dabei berücksichtigten die Abgeordneten auch zwei S-V-G-Abänderungsanträge zum ESM-Begleitgesetz und zur GOG-Novelle mit vorwiegend redaktionellen Korrekturen und der Festlegung, dass die im Zusammenhang mit dem ESM-Vertrag vorgesehenen Verfassungsänderungen, die die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments betreffen, gleichzeitig mit dem ESM-Vertrag in Kraft treten sollen.

In Form einer Entschließung sprach sich der Verfassungsausschuss schließlich für weitere begleitende Gesetzesänderungen zum ESM-Vertrag aus. Da die beiden einzurichtenden Ständigen Unterausschüsse des Budgetausschusses des Nationalrats auch sensible Informationen, etwa über geplante Staatsanleihenkäufe durch den ESM, erhalten werden, wollen die Abgeordneten vorbeugende Maßnahmen gegen den Bruch des Verschwiegenheitsgebots und etwaigen Insiderhandel setzen. Konkret sind etwa eine Änderung des Strafgesetzbuchs – bis zu drei Jahre Haft bei Bruch des Amtsgeheimnisses – und eine Novellierung des Börsegesetzes und des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes angedacht. Auch dieser Beschluss fiel mit S-V-G-Mehrheit.

Der Fiskalpakt passierte mit den Stimmen der Koalitionsparteien den Verfassungsausschuss. (Schluss)