Parlamentskorrespondenz Nr. 603 vom 06.07.2012

Tierärztekammer wird neu strukturiert

Unterschiedliche Interessen unter einem Dach

Wien (PK) – Mit einem neuen Tierärztekammergesetz und einer Änderung des Tierärztegesetzes reagiert die Politik darauf, dass sich das Berufsbild von TierärztInnen in den letzten Jahrzehnten stark geändert hat.

Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) warf dem Minister vor, in die Tierärztekammern eingegriffen und dadurch eine funktionierende Struktur zerstört zu haben. Mehr als 80 % aller Tierärzte würden dieses Gesetz ablehnen, dennoch werde es durchgezogen, wobei Stöger auch die Bedenken des Rechnungshofs über Bord geworfen habe, kritisierte die Rednerin.

Abgeordneter Dietmar KECK (S) wies die Behauptung, 80 % der Tierärzte seien gegen dieses Gesetz, als falsch zurück und erklärte, dieser Prozentsatz ergebe sich nur durch eine entsprechende Stimmengewichtung. In Wirklichkeit sei die Mehrheit der Tierärzte froh über dieses Gesetz, zumal die alten Regelungen widersprüchlich und verfassungsrechtlich bedenklich waren, betonte Keck. Das neue Gesetz berücksichtige nun das geänderte Arbeitsbild der Tierärzte, passe das Wahlrecht an, führe überdies ein Schlichtungsgremium und einen Kontrollausschuss ein und trage insgesamt den Forderungen aus dem Kreis der Tierärzte Rechnung, stellte Keck fest.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) wertete die Vorlage als Nachbesserung des Gesetzes aus dem Jahre 2002 mit dem Ziel einer Neustrukturierung der Kammerorganisation durch klare Aufgabenzuteilungen. Wesentlich waren für den Redner dabei die Einführung des Verhältniswahlrechts sowie die Schaffung eines Kontrollausschusses und einer Schlichtungsstelle.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an und zeigte sich zuversichtlich, "dass sich die Situation wieder beruhigen werde".

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) unterstützte ebenfalls das neue Gesetz und führte ins Treffen, nunmehr werde auf die geänderte Situation des Berufsstands, insbesondere auf den großen Frauenanteil unter den Tierärzten, Bedacht genommen. Mit Nachdruck hob er auch die Möglichkeit der Kollektivvertragsfähigkeit als positiv hervor. Die Behauptung der FPÖ, 80 % der Tierärzte seien gegen dieses Gesetz, bestritt Spadiut dezidiert.

Stöger: Kollektivvertragsfähigkeit ab 1. September

Bundesminister Alois STÖGER sprach von einem spannenden Gesetz hinsichtlich seiner Gesetzwerdung, da es galt, viele unterschiedliche Interessen zu vereinen und Veränderungen im Berufsbild der TierärztInnen abzubilden. Dank richtete der Minister an den Vorstand der Tierärztekammer, der auch die TieräztInnen selbst eingeladen hat, sich bei der Diskussion zu beteiligen. Im Gesetz finden schließlich auch jene Gegenstände ihre Umsetzung, die dem Ministerium in einem langen Prozess von der Tierärztekammer mitgeteilt wurden. Der Minister sprach in diesem Zusammenhang von einem "modernen Gesetz", das die Lebensbedingungen der TierärztInnen gerecht abbilde und die innere Demokratie der Tierärztekammer sicherstelle. Da die betreffende Berufsgruppe nicht nur besondere Aufgaben in Fragen des Tierschutzes hätte, sondern auch im Bereich der Lebensmittelsicherheit, gab sich der Minister überzeugt, mit einer modernen Kammerstruktur die Möglichkeit für TierärztInnen zu schaffen, sich genau jenen Aufgaben zu widmen und Konflikte untereinander zu beenden. Abschließend teilte der Minister mit, dass es dem Österreichischen Gewerkschaftsbund gelungen sei, einen Mindestlohntarif, beginnend ab 1. September 2012 abzuschließen. Das bedeute die volle Kollektivvertragsfähigkeit in der Zukunft.

Für Abgeordneten Johann HECHTL (S) war evident, dass mit dem neuen Gesetz trotz vieler unterschiedlicher Ausgangspositionen wesentliche Verbesserungen für TierärztInnen und die gesetzliche Interessensvertretung geschaffen wurden. Es sei gelungen, dass sich die Interessen der selbst- und unselbstständigen TierärztInnen, die Anliegen der Funktionäre auf Landes- und Bundesebene und die klaren Kammerstrukturen in einem Gemeinsamen wiederfinden lassen. Der Mandatar wies darauf hin, dass die TierärztInnen ein wichtiger Ansprech- und Sozialpartner seien, da ihnen nicht nur beim Tierschutz, sondern auch bei der Lebensmittelsicherheit eine wichtige Rolle zukomme. Im Zusammenhang der Kollektivvertragsfähigkeit verwies Hechtl auf die Wichtigkeit von starken Sozialpartnern, sei es Kammern oder Gewerkschaften, die für die Unselbstständigen die Löhne und Gehälter aushandeln. Schließlich sah der Redner im Gesetz auch einen ersten Schritt in Richtung EU-Anpassung im Tierärztegesetz.

Abgeordnete Claudia DURCHSCHLAG (V) ging hinsichtlich der vorliegenden Gesetzesmaterie auf einen Vergleich mit dem Gesetz über medizinische Assistenzberufe ein. Obwohl das Tierärztekammergesetz nur eine Berufsgruppe betreffe, sei sehr schnell klar geworden, dass unterschiedliche, fast verfeindete Lager gab. Die Gemeinsamkeit der beiden Gesetze lag schließlich in der Notwendigkeit einer "Reparatur der Gesetze", da sich die Voraussetzungen geänderte hätten. Denn das bisher vorherrschende Berufsbild des männlichen Großtierpraktikers am Land als das Modell des Tierarztes gebe es nicht mehr, so die Rednerin. Es wären die Kleintierpraktiker, die den Bedürfnissen der vielen TierfreundInnen nachkämen. Auch die Frauenquote hätte sich in diesem Berufsfeld geändert. Die oft nicht gerechte Entlohnung hätte die Kollektivvertragsfähigkeit notwendig gemacht, was dem Lohndumping einen Riegel vorschieben werde. Auch die Einführung des Mehrheitswahlrechts war für Durchschlag eine logische Konsequenz und sei aus demokratiepolitischen Gründen forciert worden.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) ging auf die Kritik seitens Belakowitsch-Jenewein ein und verteidigte sein Tun als legitim und richtig, da Betroffene, egal mit welchem Anliegen, das Grundrecht hätten, dieses im Parlament einzubringen. Auch gab der Redner zu bedenken, dass ohne diese Argumente im Ausschuss eine sachliche und konstruktive Diskussion mit dem Ministerium nicht gegeben gewesen sei. Der Redner stimmte der Darstellung seines Fraktionskollegen Grünewald betreffend einem Fortschritt der Demokratie innerhalb der Tierärztekammer, der Berücksichtigung des Gender-Aspekts und der Weiterentwicklung des Berufsfeldes zu. In diesem Zusammenhang wies Pirklhuber darauf hin, wie wichtig TierärztInnen nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern etwa auch im Bereich Biolebensmittel sind. Es müsse ein Gesetz geschaffen werden, dass diesen modernen Herausforderungen auch gerecht werde. Insofern wäre heute, so Pirklhuber, ein "guter Tag für den Parlamentarismus".

Auch Abgeordneter August WÖGINGER (V) sah im Zustandekommen des vorliegenden Gesetzes einen "wichtigen Ablauf des Parlamentarismus", wobei die Neuorganisation des Tierärztegesetzes ein jahrelanger Prozess gewesen wäre. Wöginger kam auch wie seine Vorredner über die vielen unterschiedlichen Meinungen zu sprechen, und hob hervor, dass auch auf kritische Betrachtungen eingegangen wurde. So konnten Unklarheiten, wie die Neubesetzung der Delegiertenversammlung oder das Verhältniswahlrecht im Gesetz aufgelöst werden. Für Wöginger ist das Gesetz eine gute Basis für alle TierärztInnen in Österreich. Er äußerte die Hoffnung, dass diese Berufsgruppe wieder weiter zusammenwächst. Das Gesetz soll nun die Grundlage dafür bieten.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) wollte aufgrund der Reaktionen seitens der FPÖ die vorliegende Thematik zusammenzufassen. Es sei nicht in Ordnung, "Ausbeutung" zu verteidigen, denn viele ausgebildete VeterinärmedizinerInnen, die bei TierärztInnen ihre nötige Praxis sammeln, würden leistungsmäßig nicht gerecht entlohnt. In diesem Zusammenhang sprach der Mandatar von einer "Errungenschaft für das Haus", wenn diese Missstände endlich beseitigt würden. Huber ging auch auf die Kollektivvertragsfähigkeit ein, die besonders wichtig wäre, da TierärztInnen nach der Beendigung des Studiums ein Mindestgehalt zur Sicherung ihrer Zukunft bräuchten. Huber betonte abschließend, dass Abgeordnete dafür da wären, Rahmenbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen und plädierte in diesem Zusammenhang für eine gesamte Kammerreform. Eine "Zwangsmitgliedschaft" wäre, so Huber, nicht mehr zeitgemäß. Er forderte dahingehend eine Reformierung der Kammern und die Abschaffung von "Zwangsmitgliedschaften".

Dass in der TierärztInnenkammer künftig getrennte Abteilungen für selbständig tätige TierärztInnen und für angestellte TierärztInnen eingerichtet werden, um die Wahrnehmung der beruflichen Interessen der jeweiligen Gruppe besser zu gewährleisten, wurde mehrheitlich zugestimmt. Auch in 3. Lesung wurde der Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen.

Der zentralen Forderung der Petition, mit dem Gesetzesbeschluss zuzuwarten, um einen umfassenden Meinungsbildungsprozess innerhalb der Kammer zu ermöglichen, trugen die Abgeordneten jedoch nicht Rechnung. Der Bericht des Gesundheitsausschusses wurde mit Mehrheit angenommen.

Pflanzenschutzmittel sind Sache des Gesundheitsressorts 

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) bekräftigte eingangs, dass es sich bei Pflanzenschutzmitteln um ein "heißes Eisen" handle. So habe er sich zu Wort melden müssen, da hier zum Unterschied vom Tierärztekammergesetz, wo es sich um ein ausgezeichnetes Beispiel von gutem Parlamentarismus gehandelt habe, das Gegenteil der Fall sei. Es sei nicht sinnvoll, den Entschließungsantrag seiner Fraktion in den Landwirtschaftsausschuss zu verweisen. Es gehe um Risiken im Lebensmittelbereich, wofür ausschließlich der Gesundheitsminister zuständig wäre.

Pirklhuber brachte zur Untermauerung seines Vorwurfs Beispiele von weltweiten Studien über den Einfluss von Glyphosat auf verschiedene Lebewesen, besonders auch auf den Menschen. Diese Erkenntnisse würden eine absolute Vorsorgepolitik erfordern, da es völlig ungeklärt sei, ob diese Mittel schwerwiegende toxische Wirkungen, insbesondere beim Menschen, entfalten. So hätte man in einer Studie in Kanada Pestizide im Blut von Personen gefunden, die nachweislich Lebensmittelprodukte aus schädlingsresistenten Gentechnikpflanzen konsumiert haben. Auch eine Studie aus Deutschland zeige, dass Glyophosat im Blut von Menschen nachweisbar ist. In diesem Zusammenhang plädierte der Redner abschließend für Risikoforschung, Monitoring im medizinischen Bereich und risikobasierter Analyse. Schließlich wäre es an der Zeit, gemeinsam an einer echten  Vorsorgepolitik zu arbeiten.

Ein Antrag, den Verkauf des Pflanzenschutzmittels Roundup auszusetzen und eine eigene Studie zur Überprüfung der Zelltoxizität zu erstellen, wurde dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zugewiesen. Ebenso der Antrag der Grünen betreffend Aufnahme von glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmitteln durch Lebensmittel und Trinkwasser. (Fortsetzung Nationalrat)