Parlamentskorrespondenz Nr. 629 vom 19.07.2012

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nun fix

Kontroverse Debatte um UVP-Gesetz

Wien (PK) – Eine umfangreiche Tagesordnung von 28 Punkten hat sich der Bundesrat für seine heutige Sitzung vorgenommen. Neben der Einrichtung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl standen unter anderem auch das Abkommen mit der Schweiz, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, der Österreichische Stabilitätspakt sowie die Transparenzdatenbank, ferner die Verlängerung der Vereinbarung zwischen Bund und Länder betreffend 24-Stunden-Betreuung, die Verschiebung der Zentralmatura um ein Jahr sowie die Verlängerung der Sprachförderung, die Absicherung des Institute of Science and Technology-Austria, die Änderung der Gewerbeordnung, die Neuregelungen für Schönheitsoperationen und schließlich das König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums zur Diskussion.

Wie Bundesratspräsident Georg Keuschnigg in seiner Antrittsrede angekündigt hat, wird der Bundesrat am 10. Oktober eine Enquete zum Thema "Zukunft Land: Trends, Herausforderungen und Lösungen" abhalten. Der entsprechende Antrag steht am Ende der Sitzung zur Debatte.

Unterschiedliche Einschätzung des neuen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl  

Nach dem Beschluss im Nationalrat gab nun auch der Bundesrat mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP grünes Licht für das neue Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), das als eine dem Innenministerium unmittelbar nachgeordnete Behörde eingerichtet wird. Es soll nicht nur erstinstanzlich über die Zuerkennung bzw. Aberkennung von Asyl entscheiden, sondern auch für die Anordnung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wie Abschiebungen, die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde und die Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zuständig sein. Die Einrichtung des BFA wird von SPÖ und ÖVP als eine der größten Verwaltungsreformen bezeichnet, die FPÖ kritisiert, dass damit dem Asylmissbrauch kein Einhalt geboten wird, die Grünen wiederum befürchten Verschlechterungen für AsylwerberInnen.

Bundesrat Johann ERTL (F/N) begründete die Ablehnung der vorliegenden Reform mit dem Hinweis, dass diese nicht geeignet sei, dem steigenden Asylmissbrauch, der illegalen Einwanderung und dem Schlepperunwesen das Handwerk zu legen. Vielmehr handelt es sich seiner Einschätzung nach um ein "unvollendetes und verworrenes Regelwerk", das keine Einsparungen bringe. Vielmehr werde das Rechtsberatungssystem zu einer enormen Verteuerung führen, höhere Einnahmen würde lediglich die "Asylindustrie" zu verzeichnen haben, so seine Einwände. Mit der Schaffung zusätzlicher Aufenthaltstitel gehe die Regelung einen falschen Weg, sagte Ertl, der zudem die teilweise Öffnung des österreichischen Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen kritisierte.

Bundesrat Franz PERHAB (V/St) warnte vor einer Vermengung von legaler Zuwanderung mit Asyl und nannte die Schaffung des BFA als einen weiteren mutigen Schritt nach der Reform der Polizeibehörden. Es zeige, dass Österreich alles daran setze, sein Asyl- und Fremdenwesen menschenrechtskonform und vorbildhaft zu regeln. Es komme nun für alle zu einheitlichen Asylbedingungen, und schon allein die kürzeren Verfahren würden zu Einsparungen führen, zeigte sich Perhab überzeugt.

Die strukturellen Änderungen wurden von den Grünen zwar begrüßt, Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) befürchtet jedoch, dass unter dem Deckmantel dieser Organisationsreform im Asylwesen Verschärfungen vorgenommen werden. Er kritisierte vor allem die Ausweitung des Festnahmetatbestands und die Möglichkeit, AsylwerberInnen bis 120 Stunden anhalten zu können, als einen gravierenden Eingriff in die Freiheitsrechte der Betroffenen. Die Ausführungen von Bundesrat Ertl wies er zurück und meinte, angesichts des vorgeschaltenen Zulassungsverfahrens zum Asylverfahren sei es eine Irreführung der Bevölkerung, von Asylmissbrauch zu sprechen. Auch er trat für eine klare Differenzierung zwischen legaler Zuwanderung und Asyl ein und regte an, den Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen stärker zu öffnen. Davon könnte die heimische Wirtschaft profitieren, zumal diese ohnehin über Fachkräftemangel klage, andererseits könnten AsylwerberInnen wichtige Kenntnisse in ihr Heimatland mitbringen, sollte ihr Asylantrag abgelehnt werden.

Bundesrätin Ana BLATNIK (S/K) begrüßte die Einrichtung des BFA, da es hier zu einer Verfahrensvereinfachung und -verkürzung komme und zudem für die Betroffenen mehr Klarheit geschaffen werde. Das BFA bündle Kompetenzen und Ressourcen, sagte sie, es würden Schnittstellen abgebaut, was langfristig zu Einsparungen führe.

Bundesministerin Johanna MIKL-LEITNER unterstrich, für die AsylwerberInnen werde es mehr Klarheit und Fairness geben. Die steigenden Asylströme hätten eine strukturelle Antwort nötig gemacht, erläuterte sie, ihr Ziel sei es gewesen, die Verfahren schneller abzuwickeln, Doppel- und Mehrgleisigkeiten abzustellen, die Rechtsberatung zu verbessern und einen besonderen Fokus auf die Opfer von Menschenhandel zu legen. Die Reform sei gründlich vorbereitet worden, so die Ressortchefin, der heutige Beschluss regle reine Organisationsfragen, machte sie gegenüber Bundesrat Dönmez geltend. Inhaltliche Änderungen werde sie im Herbst vorlegen, auch werde es für die MitarbeiterInnen umfassende Schulungen geben. Sie zeigte sich überzeugt davon, dass man rechtzeitig zu Beginn des Jahres 2014 mit dem BFA starten könne.

Auch Bundesrat Christoph KAINZ (V/N) begrüßte die Reform als eine richtige Antwort auf die Änderungen der Asylströme und Asylgründe. Als Bürgermeister der Gemeinde Pfaffstätten, die nahe der Erstaufnahmestelle Ost liegt, bestätigte er, dass in den letzten Jahren viel verbessert worden sei. Die Verlängerung der Anhaltezeit auf 120 Stunden verteidigte er mit dem Hinweis, dass es auch im Interesse der AsylwerberInnen liege, am Verfahren mitzuwirken.

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt strich Bundesrätin Inge POSCH-GRUSKA (S/B) die gute Tradition Österreichs in Bezug auf Asyl und Solidarität hervor. Sie räumte ein, dass die Asylansuchen gestiegen sind, aber die Menschen suchten Schutz und sie sollten in unserem Land nicht abermals zum Opfer werden, hielt sie fest. Besonders begrüßte die Bundesrätin die Möglichkeit für junge AsylwerberInnen, in Österreich eine Lehre beginnen zu können.

Irische Wünsche zu Lissabon-Vertrag bestätigt

Darüber hinaus befürwortete der Bundesrat einhellig und damit mit der nötigen Zweidrittelmehrheit das Zusatzprotokoll zum Vertrag von Lissabon, womit den Anliegen der irischen Bevölkerung Rechnung getragen wird. Dabei geht es vor allem darum, dass die Bestimmungen der irischen Verfassung betreffend den Schutz des Rechts auf Leben, den Schutz der Familie und den Schutz der Rechte in Bezug auf Bildung in keiner Weise berührt werden. Zudem wird bekräftigt, dass die EU mit dem Lissaboner Vertrag keine neuen Kompetenzen im Bereich der Steuerpolitik erhält und der Vertrag auch nicht Irlands traditionelle Politik der militärischen Neutralität beeinträchtigt.

Dazu meinte Bundesrat Edgar MAYER (V/V), die Iren hätten vorgezeigt, dass es innerhalb der EU Zeit für mehr direkte Demokratie ist. Konkret bringe das Protokoll Klarstellungen.

UVP-Novelle bleibt strittig

Ebenfalls ohne Einspruch mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP passierten die UVP-Novelle und die Änderung zum Luftfahrgesetz den Bundesrat. Dadurch erwartet man sich eine Verfahrensvereinfachung, außerdem wird die Möglichkeit einer freiwilligen UVP eröffnet.

Bundesrat Johann ERTL (F/N) kritisierte zunächst die kurze Begutachtungsfrist und sah in den neuen Bestimmungen die Gefahr der Verfahrensverzögerung. Auch wird sich diese seiner Meinung nach investitionshemmend auswirken. Ertl hegte ferner wegen der Eingriffe in Eigentumsrechte verfassungsrechtliche Bedenken.

Dieser Darstellung widersprach Bundesrätin Martina DIESNER-WAIS (V/N). Ihrer Ansicht nach ist eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, Umweltschutz und Anliegen der Bevölkerung gefunden worden. Darüber hinaus würden die Verfahren einfacher und schneller abgewickelt werden können, meinte sie. Besonders begrüßte die Bundesrätin die Möglichkeit einer freiwilligen UVP und die Einbeziehung der Schiefergas-Bohrungen in das Gesetz. Sie sah auch die Bürgerrechte gestärkt, da in Zukunft anerkannte Umweltorganisationen begründete Überprüfungsanträge einbringen können.

Weniger "rosa" bewertete Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) die Vorlage. Positive Änderungen gebe es lediglich für die NGOs, nicht aber für die AnrainerInnen. Die Ausweitung der Enteignungstatbestände sind für sie zu schwammig formuliert, außerdem fehlen ihr Bestimmungen zur Energieeffizienz. Kerschbaum bemängelte des Weiteren, dass für die nötigen Gutachten noch immer kein Kostenersatz geleistet wird. Auch die UVP-Pflicht für Schiefergas-Bohrungen sind für sie unzureichend.

Im Gegensatz dazu meinte Bundesrat Johann SCHWEIGKOFLER (S/T), die Novelle stelle einen Kompromiss dar, der zu schnelleren Verfahren führe, die Anrainerrechte stärke und die NGOs einbinde. Vor allem begrüßte er die Möglichkeit einer freiwilligen UVP.

Auch Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH verteidigte die neuen Bestimmungen, die nach seiner Darlegung die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bringen. Hohe Umweltstandards würden eingehalten, Bürgerrechte ausgeweitet und wirtschaftliche Entwicklungen nicht gebremst. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Verfahren einfacher, schneller und klarer abgewickelt werden, und appellierte an die Länder, in erster Instanz auch rascher zu entscheiden. Grund für die Novelle sei es gewesen, Projekte effizienter zu gestalten, sagte Berlakovich. Was die Schiefergas-Bohrungen betrifft, so müssten nun alle Fakten auf den Tisch gelegt werden. (Fortsetzung Bundesrat)


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