Parlamentskorrespondenz Nr. 632 vom 19.07.2012

Bildungspolitische Debatte im Bundesrat

Bezirksgericht Purkersdorf zieht nach Wien Hietzing

Wien (PK) – Nach sozialpolitischen Themen wandte sich der Bundesrat der Bildungspolitik zu, wo unter anderem die Verschiebung der Zentralmatura, die Verlängerung der Sprachförderkurse sowie neue Chancen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses zur Debatte standen. Weitere Diskussionspunkte betrafen das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz, die Zusammenlegung des Bezirksgerichts Purkersdorf mit jenem in Wien Hietzing und schließlich die finanzielle Absicherung des Institute of Science an Technology – Austria in Gugging bis 2026.

Die Verschiebung der Zentralmatura an AHS und BHS – sie wird ein Jahr später als von der Regierung geplant in den Schuljahren 2014/15 beziehungsweise 2015/16 allgemein eingeführt, wobei der jeweilige Schulgemeinschaftsausschuss beschließen kann, die standardisierte Form der Reifeprüfung, wie von der Regierung vorgesehen, in den Schuljahren 2013/14 bzw. 2014/15 abzuhalten - wurde lediglich von den Grünen scharf kritisiert.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) bewertete die Verschiebung als einen Schritt zurück, obwohl es positive Rückmeldungen gegeben habe und über 280 Prototypen entwickelt worden seien. Er gab die Schuld vor allem der ÖVP und appellierte an den politischen Willen, endlich eine Schulreform durchzuführen. Die BundesrätInnen Christian FÜLLER (S/St), Bettina RAUSCH (V/N) und Monika MÜHLWERTH (F/W) warfen ein, dass es sich dabei lediglich um eine Verschiebung, nicht aber um eine Abschaffung der standardisierten Reifeprüfung handle. Füller wies darauf hin, dass der Schulgemeinschaftsausschuss beschließen könne, die Reform zum ursprünglichen Zeitpunkt durchzuführen. Man gebe den Schulen mehr Vorbereitungszeit, argumentierte Bundesrätin Rausch und nannte die Zentralmatura einen wichtigen Schritt zu mehr Vergleichbarkeit. Bundesrätin Mühlwerth unterstützte ebenfalls den späteren Zeitpunkt der Umsetzung und zeigte Sympathie für die Zentralmatura, die einen Hinweis darauf gibt, welches Niveau zu erreichen ist. Den Grünen warf sie vor, nichts von Bürgerbeteiligung zu halten, wenn dies gegen ihre eigene Meinung gehen könnte.

Bildungsministerin Claudia SCHMIED bezeichnete die Zentralmatura als einen höchst notwendigen Paradigmenwechsel, der zu einer Objektivierung der Reifeprüfung führe. Die Schulpartner seien von Beginn an laufend in die Entwicklung des Projekts eingebunden gewesen, betonte sie. Die Neuregelung passierte die Länderkammer mit Mehrheit.

Schmied: den Stellenwert von Bildung und Ausbildung als Wert verankern

Die den Abgeordneten zur Beschlussfassung vorliegende Novelle zum Schulorganisationsgesetz sieht die Verlängerung der Sprachförderkurse an Österreichs Schulen um zwei weitere Jahre vor und wurde von allen Fraktionen einhellig begrüßt. Während sich Bundesrat Johann SCHWEIGKOFLER (S/T) für eine unbefristete Fortführung der Sprachförderkurse aussprach, unterstrich Bundesrat Franz WENGER (V/S) die Bedeutung dieser Kurse mit dem Hinweis "früher investieren, statt später reparieren". Als einen Schlüssel zur Integration aber auch zum persönlichen Fortkommen bezeichnete Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) die Beherrschung der Sprache und bedauerte, dass die Zahl der Kinder mit Sprachproblemen im Zunehmen begriffen sei. Als bedenklich bewertete sie die Tatsache, dass rund 20% nach der Pflichtschule nicht ausreichend lesen und schreiben können, wobei hier der Anteil der MigrantInnen sehr hoch sei. Das lasse nicht nur den Schluss zu, dass die bisherigen Maßnahmen versagt haben, meinte Mühlwerth, das Problem müsse man auch in den Köpfen der Menschen beginnen zu lösen. Es sei daher notwendig, aufzuklären, welch wichtigen Schlüsselfaktor die Sprache darstelle, und dazu gehöre auch Leistungsbereitschaft und Disziplin. Die Bedeutung der Sprachbeherrschung wurde auch von Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) unterstrichen, der ebenfalls für ein unbefristetes Angebot an Sprachförderkursen eintrat.

"Es muss uns gelingen, den Stellenwert von Bildung und Ausbildung als Wert zu verankern", reagierte Bundesministerin Claudia Schmied auf die vorangegangene Diskussion. Die Beherrschung der deutschen Sprache sei entscheidend für den Bildungserfolg und das weitere Fortkommen eines Menschen. Es sei eine soziale aber auch eine ökonomische Frage, alle Kinder zu fördern und auf kein Potential zu verzichten. Ihr besonderes Augenmerk werde daher auch der intensiveren Fortbildung von LehrerInnen gehören, und zwar in Bezug auf Sprachvermittlung und interkulturelles Lehren, versichert sie.

Neue Chancen für Nachholen des Pflichtschulabschlusses

Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, die keinen Pflichtschulabschuss im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht erreicht haben, soll nun die Möglichkeit geboten werden, diesen in einer altersadäquaten Form nachholen zu können. Die neue Form der Externistenprüfung wurde von den Mitgliedern des Bundesrats ebenfalls einhellig unterstützt.

Dementsprechend begrüßten die BundesrätInnen Christian FÜLLER (S/St), Ferdinand TIEFNIG (V/O), Monika MÜHLWERTH (F/W) und Efgani DÖNMEZ (G/O) das Gesetz unisono. Man könne es sich aus sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Gründen nicht leisten, dass jährlich 3500 bis 5000 Jugendliche die Pflichtschule ohne Abschluss verlassen, sagte etwa Bundesrat Füller. Bundesrat Tiefnig appellierte an die Betroffenen, die nun gebotenen Chancen auch zu nützen. Bundesrätin Mühlwerth regte an, sich eingehend darüber Gedanken zu machen, warum so viele Jugendliche die Schule vorzeitig verlassen. Man müsste alles daran setzen, zu vermitteln, dass Bildung ein Wert sei, sagte sie. Dem schloss sich Bundesrat Dönmez vollinhaltlich an. Er schlug zudem ein Meldesystem vor, das darauf abzielt, SchulabbrecherInnen auf die neuen Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Er wies aber auch auf die Schwierigkeiten hin, wenn ältere Menschen versuchen, eine Lehre zu beginnen.

Sie werde alles tun, damit die Zielgruppe dieser Maßnahme immer kleiner wird, bekräftigte daraufhin Bundesministerin Claudia Schmied. Sie sei derzeit auch in Gesprächen mit ihrem Ministerkollegen Stöger, um zu erreichen, dass derartige Basisabschlüsse, die in den Instituten der Erwachsenenbildung erreicht wurden, eine Grundlage für die Ausbildung in Sozial- und Pflegeberufen sein können. Dem Appell, die Chancen auch zu nützen, schloss sie sich gerne an.

Kürzung des Künstler-Sozialversicherungsfonds bleibt umstritten

Nach der Debatte über Bildungsfragen, stand das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz auf der Tagesordnung des Bundesratsplenums. Zentrale Punkte der Novelle betreffen Erleichterungen für in Pension befindliche KünstlerInnen, einen  Zuschuss aus dem Fonds zu erhalten, sowie die befristete Kürzung der Mittel des Künstler-Sozialversicherungsfonds.

Der Bundesrat erhob dagegen keinen Einspruch. Der Beschluss fiel jedoch mehrheitlich, da sowohl FPÖ als auch Grüne sich gegen die Neuregelung aussprachen. Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) begründete ihre ablehnende Haltung damit, dass die FPÖ grundsätzlich für eine Systemänderung eintritt. Sie plädierte für die Einführung eines Kunstsponsorings, das man steuerlich absetzen kann. Damit würde man einen freien Austausch ermöglichen, meinte sie, das derzeit geltende System bringe dem gegenüber die KünstlerInnen in eine gewisse Abhängigkeit vom Staat. Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) befürwortete zwar die Erleichterungen für KünstlerInnen, auch in Pension Zuschüsse aus dem Fonds zu erhalten, übte jedoch scharfe Kritik an der Reduzierung der Fondsmittel. Die geringeren Beiträge der Kabelnetzbetreiber sowie der Vertreiber von Satellitenreceivern bedeuten de facto 13,5 Mio. € für die nächsten fünf Jahre weniger, rechnete er vor.

Dem gegenüber argumentierte Bundesrat Edgar MAYER (V/V), die Gesetzesänderung stelle einen guten Kompromiss dar, der Fonds sei ausreichend dotiert und könne in den nächsten Jahren trotz Kürzungen alle Ansuchen abdecken. Zugleich würden KünstlerInnen motiviert, auch nach dem Eintritt in die Pension weiterhin künstlerisch tätig zu sein. Die Neuregelung betrifft zirka 80 Personen, führte Bundesrätin Elisabeth GRIMLING (S/W) aus, weshalb sie eine Reduzierung der Fondsmittel für vertretbar hält. Sie hoffte auch auf eine Weitergabe der Ermäßigung an die KonsumentInnen. Grimling wies weiters darauf hin, dass die bestehende Regelung hinsichtlich der Zuteilung von Zuschüssen besonders sozial schwache KünstlerInnen benachteilige.

Auch Bundesministerin Claudia Schmied verteidigte die Novelle als einen Kompromiss. Der Fonds sei als "Spezialvehikel" geschaffen worden, erläuterte sie, bei dem es darum gehe, Ausgaben und Einnahmen in Balance zu halten. In den letzten Jahren habe man jedoch ein Fondsvermögen aufbauen können, sodass der Fortbestand gesichert sei. Sie erinnerte an die zeitliche Befristung der Einnahmenskürzung und wies auf die zahlreichen Verbesserungen für KünstlerInnen aus dem Fonds seit 2008 hin. Darunter fallen zum Beispiel die Ausweitung der Beiträge auf die Unfall- und Krankenversicherung sowie die Erhöhung der Zuschüsse.

Reform der Gerichtsorganisation soll der Qualitätssteigerung dienen

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Zusammenlegung des Bezirksgerichts Purkersdorf mit dem Bezirksgericht Hietzing fanden bei den Mitgliedern der Länderkammer weitgehende Unterstützung. Lediglich die FPÖ sprach sich dagegen aus, weil sie prinzipiell gegen die Schließung und Zusammenlegung von Bezirksgerichten eintritt, wie Bundesrat Johann ERTL (F/N) erklärte. Dadurch komme es zu keinerlei Einsparungen, da die Bezirksgerichte nicht nach Standort, sondern nach Verfahren bezahlt werden, argumentierte er, außerdem führe die Schließung von Bezirksgerichten zur Aushöhlung des ländlichen Bereichs, zum Verlust von Arbeitsplätzen und Kaufkraft und zur Erhöhung der Pendler.

Dem konnte sich Bundesrat Klaus FÜRLINGER (V/O) nicht anschließen. Bei dieser Reform gehe es als Antwort auf geänderte Anforderungen um mehr Qualität, sowie um die Spezialisierung einzelner Gerichtsstandorte. Auch müsse die Sicherheit erhöht werden. Fürlinger sprach nicht nur den konkreten Fall des Bezirksgerichts Purkersdorf an, sondern auch die diesbezüglichen Vereinbarungen mit den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark und zeigte sich zufrieden darüber, dass die Ministerin das Gespräch mit allen suche, um nach einer Güterabwägung eine gute Lösung zu finden. In ähnlicher Weise äußerten sich die BundesrätInnen Juliane LUGSTEINER (S/N) und Marco SCHREUDER (G/W).

Sie verfolge mit diesem Weg drei Zielsetzungen, unterstrich Justizministerin Beatrix KARL in ihrer Stellungnahme. Das betreffe die Steigerung der Qualität sowie die Spezialisierung der einzelnen Standorte, mehr Bürgerservice und mehr Sicherheit. Durch größere Gerichtszentren im ländlichen Raum wolle sie für die BürgerInnen eine kontinuierliche Beratung gewährleisten. Was das Bezirksgericht Purkersdorf betrifft, so bestünde dort ein enormer Sanierungsbedarf, außerdem gehe kein Arbeitsplatz verloren, da die MitarbeiterInnen nach Hietzing wechselten. Dorthin gebe es eine gute verkehrstechnische Anbindung. Die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich passierte die Länderkammer mehrheitlich ohne Einspruch.

Absicherung von IST Austria wird von Bundesrat unterstützt

Der Bundesrat befürwortete heute auch einstimmig die Verlängerung der geltenden 15a-Vereinbarung mit Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology - Austria (IST Austria) bis 2026. Damit soll dem Institut ausreichende Planungssicherheit gegeben werden. Der Bund stellt dem Institut von 2017 bis 2026 988 Mio. €, Niederösterreich 368 Mio. € zur Verfügung, wodurch das Institut bis 2026 Mittel in der Höhe von 1,356 Mrd. € für sich verbuchen kann. 2014 soll eine umfassende Beurteilung des IST durchgeführt und auf dieser Grundlage über dessen weitere Entwicklung entschieden werden.

Einhellige Zustimmung erhielt auch der Antrag zum Fachhochschul-Studiengesetz, mit dessen Hilfe gewährleistet wird, dass spätestens mit 1. September 2012 bei allen Erhaltern von Fachhochschulen Kollegien eingerichtet werden.

In der Debatte konzentrierten sich die RednerInnen auf das IST Austria. Es sei wichtig, derartige Spitzeninstitutionen dezentral in den Bundesländern anzusiedeln, betonte eingangs Bundesrat Martin PREINEDER (V/N). Forschung und Entwicklung zählten zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Weg in eine erfolgreiche Zukunft, sagte er und unterstützte die finanzielle Absicherung bis 2026, da Forschung nur dann Qualität haben könne, wenn es Planungssicherheit gibt. Diese Aussagen wurden von Bundesrat Reinhard TODT (S/W) bekräftigt. Österreich tue gut daran, ein derartiges Vorhaben zu fördern, meinte er.

Eine kritische Note brachte Bundesrat Reinhard PISEC (F/W) in die Diskussion ein, da er den Standort Gugging für prinzipiell fragwürdig hielt. WissenschaftlerInnen brauchen eine Community, merkte er an, und diese sei hier nicht vorhanden. Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) anerkannte, dass sich das IST Austria als eine Erfolgsgeschichte erwiesen hat und wünschte sich auch für die Universitäten eine ähnliche finanzielle Unterstützung. Auch Universitäten brauchen langfristige Planungssicherheit, so Dönmez und unter den aktuellen Arbeitsbedingungen sei es schwierig, Forschung und Lehre zu betreiben. Dieser Forderung schloss sich Bundesrat Maurice ANDROSCH (S/N) an. Was IST Austria betrifft, so habe eine Evaluierung dem Institut ein gutes Zeugnis ausgestellt, berichtete er und zeigte sich überzeugt davon, dass sich in kurzer Zeit auch eine entsprechende Community herausbilden wird.

Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE bekräftigte ebenfalls seinen Wunsch nach einer guten Dotierung auch der Universitäten. Diese verfügten aber über eine langfristige Finanzierung, bei IST Austria wäre diese 2017 ausgelaufen. Das Volumen der Finanzierung entspreche nicht ganz 3 % der Dotierung der Universitäten, erläuterte Töchterle, dazu komme, dass das Institut sich zu einem großen Teil auch aus privaten Sponsorengeldern erhalte. Der Standort Gugging sei gut, entgegnete der Minister der vorgebrachten Skepsis und zeigte sich überzeugt davon, dass sich ein Campus entwickeln werde. Außerdem gebe es viele Kontakte zu wissenschaftlichen Instituten in Wien, merkte er abschließend an. (Fortsetzung Bundesrat)


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