Parlamentskorrespondenz Nr. 695 vom 20.09.2012

Ausschussdebatte zur Lage der Tourismuswirtschaft

Mitterlehner will Tourismusberufe attraktiver machen

Wien (PK) – Gute Nachrichten konnte Bundesminister Reinhold Mitterlehner den Mitgliedern des Tourismusausschusses in der Debatte über den Tourismusbericht 2011 zur aktuellen Entwicklung des Fremdenverkehrs mitteilen. Die Sommersaison 2012 habe die gute Nächtigungs- und Umsatzentwicklung des Jahres 2011 übertroffen und auch die Reaktionen auf die anlaufende Werbung für die kommende Wintersaison stimme ihn optimistisch. Abgeordneten, die sich wegen des wachsenden internationalen Wettbewerbsdrucks auf die Branche besorgt zeigten und über rückläufige Gewinne, hohe Schulden und zunehmende Investitionskosten in den Betrieben klagten, sagte der Minister, Österreich müsse seine Qualitätsoffensive fortsetzen, sich auf Hoffnungsmärkten wie Brasilien und Indien positionieren und sich bemühen, das hohe Maß an Zufriedenheit zu erhalten, das Österreich-Urlauber zum Ausdruck bringen. Eine Absage erteilte Mitterlehner der Idee, Stornogebühren in der Gastronomie einzuführen. Über eine Senkung der Flugabgabe werde verhandelt, das Budget der Österreich Werbung soll nicht gekürzt werden, erfuhren die Abgeordneten.

Den Besonderheiten des touristischen Arbeitsmarktes widmeten sich die Abgeordneten in einer Aktuellen Aussprache, zu der sie auch Experten luden. Im Mittelpunkt der Diskussion standen Entwicklungstrends auf dem Arbeitsmarkt und die Situation der ArbeitnehmerInnen, insbesondere die seit der Krise stark abnehmende Zufriedenheit der Beschäftigten mit den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit. Der Wirtschaftsminister informierte über spezielle Berufsinformationsprojekte und kündigte an, seine Bemühungen zur Imageverbesserung der Tourismusberufe fortzusetzen.   

Bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Tourismus sah Mitterlehner die Sozialpartner, teilweise aber auch die Politik gefordert. Klar sei, dass sich die Arbeitgeber um gute Arbeitsbedingungen bemühen müssen, wenn sie gute Mitarbeiter bekommen wollen, sagte Minister Mitterlehner.

Jobmotor Tourismus brummt trotz Krise 

Am Beginn der heutigen Sitzung des Tourismusausschusses war die Arbeitsmarktlage im österreichischen Tourismus Thema einer aktuellen Aussprache. AMS-Chef Johannes Kopf, IHS-Tourismusexperte Dominik Walch und Kai Biehl von der Arbeiterkammer Wien beschrieben dabei Beschäftigungstrends sowie die Situation der ArbeitnehmerInnen im touristischen Dienstleistungssektor.

Der Fremdenverkehr stelle in Österreich trotz Wirtschaftskrise mit derzeit mehr als 630.000 Vollzeitarbeitsplätzen immer noch einen Jobmotor dar, hielt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner fest. Allerdings prägten zeitliche Schwankungen und regionale Unterschiede die Beschäftigung in diesem Arbeitsmarktsektor, vor allem in Westösterreich seien Arbeitsplätze im Tourismus nur saisonbedingt verfügbar, führte der Bundesminister weiter aus. Dank geringerer Einstiegshürden als in anderen Branchen sei es zwar einfacher, im Fremdenverkehr Beschäftigung zu finden, merkte Mitterlehner an, doch fehle es diesem Berufsfeld noch an Attraktivität. Daher werde eine Erhöhung des derzeitigen Mindestlohns im Tourismus, derzeit 1241 Euro, angestrebt und mit Imageprojekten an Bildungseinrichtungen versuche man das Ansehen touristischer Berufe zu heben. Als Beispiel nannte der Wirtschaftsminister die Ausbildungsinitiative "get a job", bei der an Hauptschulen, Neuen Mittelschulen, Polytechnischen Schulen und Fachschulen SchülerInnen das Berufsfeld in direktem Kontakt mit GastronomInnen und Hoteliers kennenlernen können. Diese Bildungsprojekte sollen Mitterlehner zufolge auch dazu beitragen, die Qualität des Touristikangebots in Österreich weiter zu steigern.

Hoher Frauenanteil, Kurzzeitbeschäftigungen, sinkende Arbeitszufriedenheit

Tatsächlich standen 2011 1720 offenen Lehrstellen in Tourismusbetrieben nur 472 Lehrstellensuchende gegenüber, illustrierte Johannes Kopf den derzeitigen Nachwuchsmangel im Touristik- und Freizeitgewerbe. Die größte Schwierigkeit, Jugendliche für eine Lehre im Tourismus zu motivieren, ortete Kopf in der oftmals fehlenden Mobilität junger Menschen. Für das AMS sei es häufig unmöglich, Wiener Lehrlingen Stellen in Tirol oder Salzburg zu vermitteln, und auch in der Beliebtheit verschiedener Lehrberufe rangierten Beschäftigungen im Tourismus nicht weit oben. Die Zahl ausländischer Beschäftigter (derzeit 38%) steige allerdings, die meisten Stellensuchenden kämen nach der Liberalisierung des Arbeitsmarktes aus den EU-8 Staaten in die heimische Tourismuswirtschaft. Als weiteres Charakteristikum der Arbeitsmarktsituation der Tourismusbranche nannte der AMS-Chef den hohen Frauenanteil unter den dort Beschäftigten (59%), wobei jedoch der Großteil der Führungskräfte immer noch männlich sei. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Frauen nach der Karenz nicht in den Tourismus zurückkehrten, da die unregelmäßigen Arbeitszeiten schwer mit dem Familienleben zu vereinbaren seien. Die Arbeitslosenrate im Fremdenverkehr läge mit 15,2% zwar über der Gesamtarbeitslosenquote Österreichs, doch müsse dabei die Saisonkomponente mitbedacht werden, erläuterte Kopf und wies darauf hin, dass die Arbeitslosenschwankungen im saisonabhängigen Nächtigungsbereich stärker seien als in der Gastronomie. Zur Gesamtentwicklung des Tourismus bemerkte er, es sei ein Trend zu mehr Servicebewusstsein im Tourismus festzustellen, der auch höhere qualitative Anforderungen wie interkulturelle Kompetenzen und Marketingkenntnisse voraussetze. Deswegen investiere das AMS auch verstärkt in Schulungen zur Weiter- oder Zusatzausbildung.

Arbeitsmarktforscher Dominik Walch vom IHS ging näher auf die uneinheitliche Verteilung von Tourismusarbeitsplätzen, sowohl in zeitlicher als auch in regionaler Hinsicht, ein. Ein Viertel der ArbeitnehmerInnen seien Ganzjahresbeschäftigte, der Großteil von diesen arbeite in Wien. Der restliche Personalbedarf werde besonders während Spitzenzeiten der Auslastung in Westösterreich mit kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen abgedeckt. Nicht alle im Tourismus Beschäftigten begönnen ihr Berufsleben in diesem Bereich, doch blieben jene, die aus anderen Branchen in den Fremdenverkehr wechseln, länger im Fremdenverkehr tätig als Beschäftigte, die das Tourismusgewerbe lediglich als Einstiegsbranche nutzen, schilderte Walch die starke Fluktuation an Arbeitskräften im Tourismussektor. Anzumerken sei, so Walch, dass die wachstumsbedingte Zunahme geringfügig Beschäftigter im Tourismus keine Verdrängung regulärer ArbeitnehmerInnen bedeute, sondern vielmehr die Absicherung der Betriebe und damit der Kernarbeitsplätze gewährleiste. Durchschnittlich befänden sich im Tourismus Tätige 28 Tage in gemeldeter Arbeitslosigkeit, das entspreche dem Schnitt in anderen Branchen wie Handel oder Bau.

In Bezug auf die Arbeitslosenzahlen im Tourismus erinnerte AK-Experte Kai Biehl daran, dass viele wegen zu geringer Beschäftigungsdauern im Fremdenverkehr nie in den Genuss von Anspruch auf Arbeitslosengeld kämen. Biehl schilderte weiters die Hintergründe der seit 2008 stark sinkenden Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten im Tourismus. Bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise habe sich die Gesamtzufriedenheit mit der Arbeitssituation im Tourismusgewerbe trotz fehlender Aufstiegsperspektiven der meisten Beschäftigten und niedriger Gehälter auf dem Niveau anderer Berufsfelder befunden. Persönlicher Führungsstil in den meist kleinen Tourismusbetrieben und die Erwartung, bei Jobverlust rasch andernorts unterzukommen, hätten die Nachteile des Berufsfeldes kompensiert. In den letzten vier Jahren seien diese Kompensationsfaktoren jedoch weggefallen und derzeit strebe ein Drittel der im Beherbergungs- und Gaststättenwesen Beschäftigter einen Berufswechsel an. Nur für 27% der Arbeitskräfte im Tourismus ist ihr Einkommen derzeit existenzsichernd, so Biehl und zog den Vergleich mit den Daten aus 2007, als noch 43% das Gleiche sagten.

"Bedauerlich" nannte Abgeordnete Birgit Schatz (G) die hohe Anzahl derer, die aus der Tourismusbranche hinausdrängten und sprach sich für eine "faire" Arbeitsplatzgestaltung mit existenzsicherndem Einkommen im Tourismus aus. Die Abgeordneten Heidrun Silhavy (S) und Christine Marek (V) bemängelten, dass besonders für Frauen, die in Österreich immer noch den Großteil der Kinderbetreuung übernehmen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Tourismus fortwährend schwer möglich sei.

Auf die Forderung Christoph Hagens (F) und Mathias Veniers (F), beim AMS die Zumutbarkeitsbestimmungen für Jobsuchende dahingehend zu ändern, dass auch längere Anfahrtszeiten zur Arbeitsstelle in Kauf genommen werden sollten, meinte Johannes Kopf, nur motivierte MitarbeiterInnen könnten gute Leistung erbringen. Zwar sei es möglich, etwa Zeit- und Kilometervorgaben für einen zumutbaren Weg zum Arbeitsplatz zu diskutieren, doch dürfe kein Zwang ausgeübt werden.

Ruperta Lichtenecker (G) vermutete, dass AbsolventInnen von Tourismusschulen schon durch die Erfahrungen bei ihren Praktika von einem Berufseinstieg im Tourismus abgeschreckt würden. Dazu vermerkte AHS-Chef Kopf, dass vielfach der Tourismus als Nebenbeschäftigung angesehen werde. Für den Hotelleriebereich erwähnte Abgeordneter Franz Hörl (V) "Paradebetriebe", die etwa im Bereich MitarbeiterInnenunterkünfte hohe Standards setzten. Die Bedeutung sozialer Kompetenzen von MitarbeiterInnen und UnternehmerInnen im Tourismus sowie den Bedarf entsprechender Schulungsangebote beim AMS betonte Abgeordneter Josef Riemer (F).

Mit dem wachsenden Arbeitskräftepotential, entstanden durch Zuwanderung, vermehrte Frauenbeschäftigung und der greifenden Pensionsreform, beantwortete Kopf die Frage des Abgeordneten Stefan Markowitz (B) nach steigenden Arbeitslosenzahlen im Tourismus trotz guter Touristendaten der letzten Sommermonate.

Nach einer eingehenden Diskussion weiterer Detailfragen machte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner in einer abschließenden Wortmeldung darauf aufmerksam, dass die Tourismusbranche unter starkem internationalen Wettbewerbsdruck stehe, was sich auf die Preise und auch auf die Kollektivverträge auswirke. Die Betriebe halten Arbeitszeit- und Jugendschutzbestimmungen ein, Verstöße ließen aber erkennen, wie sehr diese Branche unter Druck stehe. Bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Tourismus sah Mitterlehner die Sozialpartner, teilweise aber auch die Politik gefordert. Klar sei, dass sich die Arbeitgeber um gute Arbeitsbedingungen bemühen müssen, wenn sie gute Mitarbeiter bekommen wollen, sagte Minister Mitterlehner. Die Frage nach der Gästezufriedenheit konnte der Minister positiv beantworten: Österreich-Gäste sind mit den Angeboten an den Urlaubsorten sehr zufrieden und neigen dazu, immer wieder nach Österreich zu kommen.

Der Tourismus wächst, der internationale Wettbewerbsdruck auch  

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner leitete die Debatte über den Tourismusbericht 2011 ein, indem er von einem guten Tourismusjahr mit 126 Millionen Nächtigungen und einem Zuwachs um 0,9 % gegenüber 2010 berichtete. Besonders erfreulich sei ein Rekordwert bei den Inländer-Nächtigungen sowie beachtliche Erfolge bei Gästen aus Russland, Spanien, Portugal, Japan und den Benelux-Ländern. Bei den deutschen Gästen war 2011 ein leichter Rückgang von 1,6 % zu verzeichnen, der 2012 aber wieder mehr als ausgeglichen werden konnte. Besonders gut entwickle sich der Städtetourismus, teilte der Minister mit und gab auch bekannt, dass Investitionen zunahmen und die Zahl der Beschäftigten um 4.820 anstieg.

Auch die Sommersaison 2012 laufe gut, Österreich habe an Attraktivität gewonnen, was an zunehmenden Ankünften und Nächtigungen von Gästen aus dem Ausland abgelesen werden könne. In Zukunft werde es wichtig sein, die Marketingstrategie auf Wachstumsmärkten wie Brasilien und Indien fortzusetzen und auf Innovationen zu setzen, da der Wettbewerb auf den Tourismusmärkten immer schärfer werde. Die Reaktionen auf die bereits anlaufende Werbung für die Wintersaison stimmten ihn aber optimistisch für die künftige Entwicklung, sagte Mitterlehner.

In der Debatte konzentrierte sich Abgeordnete Gabriela Moser (G) auf Detailfragen zur Umsetzung des thermischen Sanierungsprogramms in der Tourismusbranche, auf Ergebnisse der vertieften Kooperation mit den ÖBB und die Diskussion über die Senkung der Flugabgabe,

Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) befasste sich mit der Förderungspolitik zur Qualitätsverbesserung im touristischen Angebot und mit der nach wie vor ungenügenden Eigenkapitalausstattung der Betriebe.

Abgeordneter Stefan Markowitz (B) zeigte sich besorgt wegen Marktanteilsverlusten Österreichs auf dem internationalen Tourismusmarkt, plädierte für die Verbesserung des Eigenkapitals in den Betrieben und forderte eine Senkung der Flugabgabe.

Abgeordnete Heidemarie Unterreiner (F) befasste sich mit dem Kulturschwerpunkt "Leidenschaft für Tradition" und interessierte sich für Ergebnisse dieses Tourismusprogramms.

Abgeordneter Heinz-Peter Hackl (F) warnte angesichts rückläufiger Gewinne, hoher Schulden und steigenden Investitions- und Kostendrucks im Tourismus vor Zinserhöhungen, die den Tod manches Tourismusbetriebs bedeuten würden.

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) interessierte sich für Erfahrungen mit der neuen Förderpyramide und Kooperation zwischen Bund und Ländern in der Tourismuspolitik.

Abgeordneter Franz Hörl (V) erklärte die Marktanteilsverluste Österreichs im europäischen Tourismus mit der Spitzenposition, die Österreich international einnehme und es dem kleinen Land schwermache, seine Position auf einem sich stark entwickelnden Markt weiter zu verbessern. Der Abgeordnete berichtete von guten Erfahrungen mit der Förderpyramide in Tirol und unterstrich einmal mehr die Bedeutung von Beschneiungsanlagen für den Wintertourismus.

An dieser Stelle teilte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner den Abgeordneten Moser und Hörl mit, dass in den Jahren 2002 bis 2011 206 Anträge auf Förderung von Beschneiungsanlagen mit einem Volumen von 350 Mio. € gefördert wurden. An Programm zur thermischen Gebäudesanierung nehmen Tourismusbetriebe in überdurchschnittlichem Ausmaß teil, erfuhren die Abgeordnetem außerdem. 

Serviceverbesserungen für Bahnurlauber durch die vertiefte Kooperation zwischen Tourismus und ÖBB werden in einer speziellen Präsentation dargestellt werden, kündigte der Ressortleiter an. Die Diskussion über die Flugabgabe, die sich nachweislich negativ auf den Tourismus und die AUA auswirke, sollte zu Adaptierungen nach dem Vorbild Deutschlands führen, meinte der Minister. Budgetkürzungen bei der Österreich Werbung seien für 2013 nicht geplant, informierte der Minister. Die "Förderpyramide" führte 2012 zu sinkenden Verwaltungskosten und zu Steigerungen bei der Förderung von Investitionen, teilte der Minister mit. Die in Diskussion stehenden Stornogebühren bei Tischreservierungen in der Gastronomie seien keine gute Idee, da sie sich negativ auf das Verhältnis zwischen Gastronomen und Gästen auswirken würde, befürchtete Mitterlehner. Österreich werde sich anstrengen müssen, wenn es seinen Marktanteil im internationalen Tourismus halten wolle, sagte Mitterlehner und unterstrich die Notwendigkeit, die Qualitätsangebote auszubauen, da die tourismuspolitische Zukunft Österreich nicht im Massentourismus liege.

Der Tourismusbericht 2011 wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. Der Bericht wird auch im Plenum des Nationalrates debattiert werden. (Schluss)