Parlamentskorrespondenz Nr. 751 vom 09.10.2012

EU regt Harmonisierung bei Arzneimittelprüfungen an

Bedenken im EU-Unterausschuss zu vorgeschlagenen Prüfverfahren

Wien (PK) - Differenziert äußerte sich Gesundheitsminister Alois Stöger zum Verordnungsentwurf der Kommission für eine "Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG ", der im heutigen EU-Unterausschuss des Nationalrats zur Debatte stand. Die Kommission möchte mit dem Verordnungsvorschlag unter anderem die Verfahren, Inhalte und die Fristen für die Antragstellung und die Genehmigung klinischer Arzneimittelprüfungen EU-weit harmonisieren. Einheitliche Regelungen sind auch für Verfahren bei signifikanten Änderungen und bei der Überwachung von Prüfungen vorgesehen.

Generell positiv bewertete Minister Stöger zwar, dass die EU die bislang länderspezifisch umzusetzende Richtlinie zur Arzneimittelprüfung nun durch eine unionsweit direkt gültige Verordnung ersetzen und so die Abwicklung der Prüfungen vereinfachen wolle. Angesichts der wachsenden Konkurrenz aus den USA und aus Asien sei eine EU-weit einheitliche Regelung zu befürworten, um den Forschungsstandort Europa zu sichern, erläuterte Stöger. Da Arzneimittelforschung zunehmen international durchgeführt wird, erleichterten grenzübergreifende Regelungen auf diesem Gebiet zudem Forschungen bei Medikamenten für kleinere Personengruppen. Auch das von der Kommission vorgeschlagene Konzept des Co-Sponsorings von Forschungsprojekten  betrachtete der Minister als wichtig.

Der Inhalt des Verordnungsentwurfs sei jedoch eher kritisch zu bewerten, so der Bundesminister. Er befürchte etwa eine Abnahme der Begutachtungsqualität auf Grund der kürzeren Prüfungsdauer, da die Kommission enge Zeitlimits gesetzt habe, teilte Stöger dem Ausschuss mit. Für ein gewöhnliches Prüfverfahren seien beispielsweise nur mehr 25 Tage vorgesehen, bei Austestungen neuartiger Medikamente 30 Tage. Damit bliebe für die Einholung aller notwendigen ExpertInnenmeinungen im Rahmen einer seriösen Prüfung kaum genug Zeit, so der Gesundheitsminister. Er sprach sich insbesondere gegen das Konzept der "stillschweigenden Genehmigung" im Verordnungsentwurf aus. Dadurch würde die Genehmigung eines Medikaments ermöglicht, falls keine Behörde aktiv Beschwerde dagegen erhebt, informierte Stöger die Abgeordneten und meinte, eine vernünftige Fristsetzung von etwa drei Monaten bei Prüfungsverfahren sei der sinnvollere Zugang. Eine weitere Problematik in der skizzierten Verordnung sah der Minister beim Thema Schadenersatz. Die Kommission regt an, einen nationalen Entschädigungsmechanismus für ProbandInnen einzurichten, wobei Stöger bei internationalen Forschungen vor Rechtsschutzstreitigkeiten in diesem Zusammenhang warnte. Zentrale Fragen bei den derzeitigen Verhandlungen über den Kommissionsentwurf in der Ratsarbeitsgruppe sind dem Gesundheitsminister zufolge die Stellung der österreichischen Ethikkommissionen in den relativ kurzen Prüfverfahren und die gesetzliche Vertretung minderjähriger beziehungsweise entmündigter ProbandInnen bei den Prüfungen.

Ausschuss plädiert für ungeminderten ProbandInnenschutz

Ebenfalls grundsätzlich begrüßt wurde das Vorhaben für eine gemeinsame und vereinfachte Regelung zu Arzneimittelprüfungen in der EU von den Abgeordneten Christine Muttonen (S) und Bruno Rossmann (G). Noch zu klären sind aus Sicht beider die Aspekte der Fristsetzung bei den Prüfverfahren sowie die zukünftige Rolle der Ethikkommissionen Österreichs. Muttonen betonte, Ziel der Verordnung müsse sein, das Schutzniveau für PatientInnen zur erhöhen und nicht zu senken. Bedenklich wertete Rossmann allerdings die Möglichkeit, dass Österreichs hohe Schutzstandards, besonders für einwilligungsunfähige Personen, durch die neuen Regelungen Schaden nehmen könnten.

Aus Sicht des Abgeordneten Erwin Rasinger (V) müsse das gut etablierte System der österreichischen Ethikkommissionen bei der Bewertung von klinischen Arzneimittelprüfungen auf alle Fälle erhalten bleiben. Rasinger monierte, durch die neue Regelung entstehe eine ausgeweitete Bürokratie auf EU-Ebene, wodurch die Union ihre Position im internationalen Forschungswettbewerb verschlechtere. Entgegen Rasingers Befürchtung meinte Bundesminister Stöger, durch die Etablierung einheitlicher Begutachtungsstellen sei ein reduzierter Bürokratieaufwand wahrscheinlich.

Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) befand, der vorliegende Entwurf sei aufs Schärfste zurückzuweisen, würde die Realisierung der Verordnung doch katastrophale Auswirkungen auf den ProbandInnenschutz haben. Der F-Mandatar erinnerte an die Proteste von Menschenrechtsorganisationen wegen des bisher häufigen Auslagerns von Forschungsprojekten in Entwicklungsländer, die meist weniger hohe Standards für den Schutz getesteter Personen hätten. Das und die Klage der Pharmaindustrie über uneinheitliche Prüfungsmechanismen innerhalb der EU hätten schließlich zu dem Verordnungsentwurf für EU-weit einheitliche Regelungen geführt, analysierte Karlsböck und erklärte, der PatientInnenschutz würde bei Umsetzung vereinfachter Kontrollen unterminiert.

Die fehlenden Bestimmungen zu Schiedsverfahren im Kommissionsentwurf, falls es Divergenzen zwischen EU-Mitgliedsstaaten bei multinationalen Prüfverfahren gebe, kritisierte Abgeordneter Gerhard Huber (B). Außerdem warf er Fragen zu Mehrkosten durch die neue Verordnung und zur Positionierung der österreichischen Vertreter in der Ratsarbeitsgruppe bei den Verhandlungen über den Entwurf auf.

Gesundheitsminister Stöger vermerkte dazu, dass die Diskussionen über den Kommissionsentwurf erst begonnen hätten, daher befinde sich die Vorlage noch in Bearbeitung. Eine klare Stellungnahme zur österreichischen Position in dem Verhandlungsverfahren wäre daher verfrüht, sagte Stöger, doch die österreichische Bundesregierung mache sich natürlich für einen umfassenden ProbandInnenschutz in der europaweiten Regelung stark. Hinsichtlich Schiedsgerichten bemerkte der Minister, die EU-Mitglieder sollten sich jedenfalls bemühen, Einvernehmen über die Kontrolle von Prüfverfahren zu erzielen, schon um sich nicht in Abhängigkeit von Forschungsunternehmen zu begeben. (Schluss EU-Unterausschuss)