Parlamentskorrespondenz Nr. 817 vom 23.10.2012

Vorlage: Unterricht

Bericht über die Weiterentwicklung des Ethikunterrichts

Wien (PK) - Unter Bezugnahme auf eine Entschließung des Nationalrats vom 19. Jänner 2012 hat die Unterrichtsministerin einen 28 Seiten umfassenden Bericht vorgelegt, der über mögliche Modelle für den Ausbau eines Ethik-Unterrichts (einschließlich der jeweiligen Kosten und unter Einbeziehung von Fragen der Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten) informiert (III-357 d.B.).

Einleitend wird darauf hingewiesen, dass im Schuljahr 1997/98 erstmals der Schulversuch Ethikunterricht ins Leben gerufen wurde. Wesentliche Anstöße für diesen neuen Gegenstand waren die ständig steigende Anzahl an SchülerInnen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht erhalten, weil nicht nur die Zahl der Kinder ohne religiöses Bekenntnis zunimmt, sondern weil auch immer öfter kein konfessioneller Religionsunterricht wegen zu geringer Teilnehmerzahl zustande kommt.

Im Bericht wird darauf verwiesen, dass am 4. Mai 2011 eine parlamentarische Enquete mit dem Titel "Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft" stattfand. Dabei lag der Fokus auf drei möglichen Modellen, die im Bericht näher dargestellt werden: "Ethik" als eigenständiger (zusätzlicher) Pflichtgegenstand (ein- oder zweistündig), "Ethik" als alternativer Pflichtgegenstand zum Religionsunterricht (dieses Modell entspricht dem derzeitigen Schulversuch Ethikunterricht) sowie "Ethik" als Lehrplanbestandteil eines Pflichtgegenstandes.

Status quo: Ethikunterricht an 223 Schulen

Der Ethikunterricht wird derzeit als Schulversuch in der Sekundarstufe II (9. bis 12. bzw. 13. Schulstufe) geführt, und zwar an insgesamt 223 Standorten (Schuljahr 2012/13) in Österreich. Der Besuch des Ethikunterrichts ist für Schülerinnen und Schüler, die einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören, die aber an keinem konfessionellen Religionsunterricht ihres Bekenntnisses (wegen Abmeldung) teilnehmen bzw. den Besuch eines (außerschulischen) Religionsunterrichts nicht nachweisen können, verpflichtend. Konfessionslose Schülerinnen und Schüler müssen den Ethikunterricht besuchen (außer sie haben sich für den Religionsunterricht als Freigegenstand angemeldet).

Die Entscheidung über den konkreten Lehrereinsatz trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter. Religionslehrerinnen und -lehrer sind von der Erteilung des Ethikunterrichts nicht ausgeschlossen. An Pädagogischen Hochschulen wird Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer angeboten, die Ethik unterrichten wollen. Eine Ausbildung zur/zum Ethiklehrer/in kann im Rahmen einer berufsbegleitenden Weiterbildungsveranstaltung an den Pädagogischen Hochschulen (PH) absolviert werden. Die Inhalte der Lehrgänge umfassen grundsätzlich Themengebiete wie "Identität und Verantwortung", "Ethische Systeme und Theorien", "Rechtsethik", "Medienethik", "Bio- und Medizinethik", "Weltdeutungs- und

Wertekonzepte", "Religionen", "Leben in der pluralen Gesellschaft", "Gerechtigkeitsdiskurse" und "Gesellschaftspolitische Konzeptionen und Zukunftsmodelle". Ein Universitätslehrgang Ethik wird derzeit nur am Institut für Philosophie an der Universität Wien angeboten.

Die Lehrpläne sind von den Schulen im Zusammenwirken teilweise mit den seinerzeitigen Pädagogischen Instituten und den Religionslehrern, auch unter Bedachtnahme auf ausländische Modelle (z.B. Bayern), erstellt und vom Schulgemeinschaftsausschuss genehmigt worden. Die Rückmeldungen der Schulaufsicht, der Schulleitungen und der betroffenen Schülerinnen und Schüler sind sehr positiv, heben die Autoren des Berichts hervor.

Ethikunterricht in Europa

Ethikunterricht gibt es derzeit in elf europäischen Ländern als Pflichtfach oder Wahlfach: Polen, Lettland, Island, Bulgarien, Slowakei, Finnland, Slowenien, Deutschland, Belgien (französische, flämische und deutsche Gemeinschaft), Litauen, Schweiz. Island steht kurz davor, Ethik als Pflichtgegenstand einzuführen. In weiteren sechs Ländern ist "Ethik" kein eigener Unterrichtsgegenstand, wird aber als Teil eines Pflichtgegenstandes geführt (Tschechien, Estland, Frankreich, Slowenien, Schweden, Kroatien).

Zusammenfassung und offene Punkte 

Im letzten Kapitel des Berichts werden die drei angeführten Modelle hinsichtlich der erforderlichen Planstellen, der jährlichen Ausgaben für den Bund und die Länder näher dargestellt. Die teuerste Variante wäre dabei der Ethikunterricht als zweistündiger Pflichtgegenstand, bei dem 1.795 Planstellen und Gesamtausgaben in der Höhe von 105,7 Mio. € veranschlagt werden müssten. Außerdem ergeben sich auf der Grundlage dieser drei möglichen Modelle offene Fragen und Themenstellungen, die im letzten Abschnitt des Berichts zusammengefasst werden. So wird etwa darauf hingewiesen, dass für jedes der dargestellten Modelle (A, B und C) jeweils ein Lehrplan entwickelt werden müsste; dieser hätte insbesondere auf die schulartenspezifischen Gegebenheiten und auf die jahrgangsmäßige Verteilung der vorgesehenen Stundenanzahl einzugehen. Je nach Modell und Ausgestaltung eines zukünftigen Ethikunterrichts müsste auch die diesbezügliche Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten nach dem Modell der neuen PädagogInnenausbildung für den Sekundarbereich entwickelt werden. Weitere offene Punkte betreffen unter anderem rechtliche Fragen, die Entwicklung von Lehrmaterialien, den Kosten oder der Besetzung der erforderlichen Planstellen.(Schluss)


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