Parlamentskorrespondenz Nr. 932 vom 19.11.2012

Seit 2010 bereits 1000 Personen mit elektronischer Fußfessel

Studie: Elektronisch überwachter Hausarrest hat sich bewährt

Wien (PK) – Der Elektronisch überwachte Hausarrest (EÜH), in der öffentlichen Diskussion als Fußfessel bezeichnet, bewährt sich und ist eine sinnvolle und gute Erweiterung der Gestaltung des Vollzugssystems, sein Verlauf und seine Administration stellen sich als weitgehend problemlos und gut funktionierend dar. Zu diesen Kernaussagen gelangt eine im Auftrag von Justizministerin Beatrix Karl durch das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie an der Universität Wien erstellte Evaluierung, die nun gemeinsam mit einem Bericht des Justizministeriums über die Anwendung und die Auswirkungen des EüH unter besonderer Berücksichtigung des Opferschutzes (III-364 d.B.) dem Parlament vorliegt.

Der Erfahrungsbericht des BMJ erinnert zunächst, dass nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen die elektronische Fußfessel auf Antrag des Strafgefangenen zu bewilligen ist, wenn die Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt, der Rechtsbrecher im Inland über eine geeignete Unterkunft verfügt, einer Beschäftigung nachgeht, Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes bezieht, Kranken- und Unfallversicherungsschutz genießt und die schriftliche Einwilligung der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen vorliegt. Dazu kommt noch als zentrale Voraussetzung, dass nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren ein Missbrauch dieser Vollzugsform durch den Rechtsbrecher nicht anzunehmen ist.  

3 % der Häftlinge erhalten derzeit die Fußfessel

Der erste Häftling wurde am 15. September 2010 in Salzburg in den EüH übernommen. Nach einem Jahr waren bereits 131 Personen – rund 2 % der Strafhäftlinge – in EüH angehalten, derzeit liegt die Zahl der elektronisch überwachten Häftlinge bei rund 200, was etwa 3 % der Häftlinge entspricht. Insgesamt haben bisher 1 000 Personen (85 % davon Männer) Haft im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßt, ihr Durchschnittsalter lag mit 38,2 Jahren um fünf Jahre über dem Durchschnitt sämtlicher Strafhäftlinge.

Bei den Deliktsgruppen dominieren Vermögensdelikte (39 %), gefolgt von Delikten gegen Leib und Leben (22 %), Finanzdelikten (13 %), Delikte nach dem Suchtmittelgesetz (6 %) und Delikte gegen die Freiheit (4 %).

Äußerst restriktive Bewilligungspraxis bei Sexualtätern

Der Bericht behandelt in einem Exkurs auch das Thema Sexualstraftäter im elektronisch überwachten Hausarrest und schickt dabei voraus, dass diese Tätergruppe mit einer Wiederverurteilungsrate von unter 20 % innerhalb von fünf Jahren (davon nur 5 % einschlägige Verurteilungen) die geringste Rückfallswahrscheinlichkeit aller Deliktsgruppen aufweist. Der elektronisch überwachte Hausarrest kommt für Sexualstraftäter trotzdem nur in ganz seltenen Fällen in Betracht. So befanden sich zum Stichtag 1.September 2012 vier Personen (2 % aller im Hausarrest Angehaltenen) wegen Sexualdelikten in Hausarrest, insgesamt haben seit Einführung dieser Vollzugsart 18 wegen Sexualdelikten verurteilte Personen den elektronisch überwachten Hausarrest absolviert. Wie der Bericht betont, kam es in keinem dieser Fälle im Hausarrest zu irgendwelchen Straftaten.

Opferschutz durch strenge Risikoprüfung

Bei der Umsetzung des elektronisch überwachten Hausarrests wird, wie der Bericht des BMJ betont,  dem Opferschutz besonderes Augenmerk geschenkt. So ist insbesondere das schriftliche Einverständnis der Mitbewohner für die Beurteilung der Frage der Gefährdung dieser Personen durch die Bewilligung des Hausarrests nicht bindend. Auch wenn Einwilligungserklärungen bereits vorliegen, ist ihre Ernsthaftigkeit und Freiwilligkeit im Zuge der Erhebungen jedenfalls nochmals zu prüfen. Bei dieser Risikoprüfung ist dem Wohl aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ungeachtet vorliegender Zustimmungserklärungen von Amts wegen Rechnung zu tragen, wobei dies insbesondere in Bezug auf Kinder, psychisch kranke oder geistig behinderte Personen gilt. Wäre das Wohl auch nur einer Mitbewohnerin bzw. eines Mitbewohners gefährdet, ist die Bewilligung zu versagen. Der Bericht teilt in diesem Zusammenhang mit, dass von den knapp 1000 begonnenen Anhaltungen im elektronisch überwachten Hausarrest bis zum Stichtag 1.September 2012 nur 42 (4 %) vorzeitig abgebrochen wurden.

Studie: Fußfessel ist sinnvolle Erweiterung des Vollzugssystems

Dem Bericht des Justizministeriums angeschlossen ist eine unter Federführung von Walter Hammerschick erstellte Evaluationsstudie des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, die der Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests ein grundsätzlich positives Zeugnis ausstellt.

Im Einzelnen kommt die Studie dabei zu dem Schluss, dass sich die Verläufe und die Administration, insbesondere auch das Antrags- und Überprüfungsverfahren, als weitgehend problemlos und gut funktionierend darstellen. Die geringen Abbruchszahlen – 2011 kam es bei 1,7 % zu einer vorzeitigen Beendigung wegen einer neuerlichen Straftat und bei 1,3 % wegen schwerer Verfehlungen in Bezug auf die Auflagen – seien als Beleg dafür zu betrachten, dass das Modell gut umgesetzt wird und sich bewährt, heißt es. Der elektronisch überwachte Hausarrest könne als eine sinnvolle und gute Erweiterung der Gestaltung des Vollzugssystems gesehen werden.

Noch kein spürbarer Entlastungseffekt in den Strafanstalten

Die Studie gibt allerdings zu bedenken, dass diese grundsätzlich positive Bewertung in der Darstellung der Vollzugsvertreter von der damit verbundenen Mehrbelastung der Justizanstalten überschattet wird, für die keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Manche Anstalten haben zwar im Zuge des EüH gewisse Entlastungen hinsichtlich der Belagssituation erreicht, der allgemeine Entlastungseffekt der Strafanstalten scheint jedoch derzeit noch gering zu sein, meinen die Verfasser der Studie. Unter Hinweis auf die in Zeiten knapper Budgets eher eingeschränkten Möglichkeiten zusätzlicher finanzieller Mittel empfiehlt die Studie Entlastungen durch organisatorische Umgestaltungen. Andernfalls wäre zu befürchten, dass die sich gut bewährende neue Vollzugsform des EüH nicht ausreichend verankert und weiterentwickelt werden könne, warnen die Experten in ihrem Resümee. (Schluss)