Parlamentskorrespondenz Nr. 977 vom 26.11.2012

Österreich als Exporteur für Menschenrechte und Grundfreiheiten

Grundsatzrede von Vizekanzler Spindelegger im Parlament

Wien (PK) – Österreich wird sich auch weiterhin weltweit aktiv dafür engagieren, um Menschenrechten und Grundfreiheiten, insbesondere auch der Religionsfreiheit, zum Durchbruch zu verhelfen, bekräftigte heute Außenminister Michael Spindelegger in einer Grundsatzrede über die aktuellen Herausforderungen der österreichischen Außenpolitik, zu der der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer gemeinsam mit dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen Wolfgang Schüssel in den Nationalrats-Sitzungssaal eingeladen hatten. Krisenhafte Entwicklungen und dadurch ausgelöste Flüchtlingsströme betreffen auch Europa und Österreich und zeigen, dass Außenpolitik kein "Orchideenthema" ist, gab Spindelegger zu bedenken und sprach sich mit Nachdruck gegen jegliche "Vogel-Strauß-Politik" und Trittbrettfahrermentalität aus.

"Arabischer Frühling" betrifft uns alle

Spindelegger befasste sich zunächst mit den Entwicklungen im arabischen Raum und stellte fest, es sei noch ungewiss, ob sich der "Frühling" zu einem nachhaltigen "Sommer" entwickeln werde, die Erwartungen seien jedenfalls sehr hoch. Aus Sicht Europas gehe es dabei vor allem um grundsätzliche politische, demokratische, und menschenrechtliche Weichenstellungen, aber auch um entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Ein fataler Fehler wäre es nach Meinung Spindeleggers, bloß zuzuschauen und sich auf die Rolle eines Schulmeisters zu beschränken. Wir müssen uns vielmehr einbringen, Unterstützung anbieten und radikalen Alternativen, wie sie da und dort geäußert werden, den Nährboden entziehen, stand für Spindelegger fest.

Syrien: Opposition muss Menschenrechte und Minderheitenschutz achten

Nicht kalt lassen dürfe uns das Schicksal der Menschen in Syrien, betonte Spindelegger und fand in diesem Zusammenhang kritische Worte für das Verhalten von Russland und China im UN-Sicherheitsrat. Nach Meinung des Vizekanzlers gilt es nun aber auch, Vorbereitungen für die Zeit nach dem Assad-Regime zu treffen. Die Opposition werde jedenfalls nur dann Erfolg haben, wenn sich alle Kräfte darin wiederfinden, meinte Spindelegger und appellierte an die Regime-Gegner, Menschenrechte, Glaubensfreiheit und Minderheitenschutz zu respektieren. Bevor es kein eindeutiges Bekenntnis in diesem Sinn gibt, werde Österreich die syrische Opposition nicht anerkennen, bekräftigte Spindelegger. Außer Streit stand für den Außenminister auch, dass sämtliche Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, auf welcher Seite sie auch begangen wurden, vom Internationalen Gerichtshof geahndet werden müssen.

Was die Krise zwischen Israel und den Palästinensern betrifft, beklagte Spindelegger einen Stillstand im Friedensprozess, erwartete sich aber, dass die USA nun nach den Präsidentschaftswahlen ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen und gemeinsam mit Europa einen neuen Anlauf im Friedensprozess nehmen werden. Sowohl die Palästinenser als auch Israel seien beim Wort zu nehmen, gehe es doch darum, innovative Wege zu beschreiten. Verhandlungen nur um der Verhandlungen Willen bringen niemanden weiter, mit Gewalt löse man keine Probleme im Nahen Osten, war Spindelegger überzeugt.

Spindelegger schlägt kollektives Sicherheitssystem für Nahost vor

In Sachen Abrüstung widersprach der Außenminister der Meinung, dass mehr Waffen auch mehr Sicherheit bedeuten. Er sprach auch in diesem Bereich von der Notwendigkeit innovativer Wege und schlug die Einrichtung eines kollektiven Sicherheitssystems im Nahen Osten nach dem Vorbild der OSZE vor. Was damals in Europa gelungen ist, sollte doch auch im Nahen Osten möglich sein, sagte er. Beim Thema Abrüstung sah Spindelegger aber auch Europa angesprochen, wobei er auf die nach wie vor auf dem Kontinent stationierten Atomwaffen hinwies. Er forderte die Abschaffung sämtlicher nuklearer Sprengköpfe in Europa und argumentierte, die Zeiten des kalten Krieges seien längst vorbei, das Dogma der nuklearen Abschreckung sei obsolet. Gerade Österreich komme in Fragen der Abrüstung besondere Glaubwürdigkeit zu, betonte Spindelegger und erinnerte an das Engagement der heimischen Außenpolitik gegen inhumane Waffensysteme wie Anti-Personenminen und Streumunition.

Österreich will Dialog der Religionen vorantreiben

Breiten Raum widmete Spindelegger in seinem Referat auch dem Thema Menschenrechte und Grundfreiheiten. Er begrüßte in diesem Zusammenhang die Eröffnung des König Abdullah Dialogzentrums in Wien als Plattform des Austausches und der Vernetzung für die VertreterInnen der Religionen und erwartete sich von diesem Forum auch wichtige Beiträge zur Lösung von Religionskonflikten, etwa in Nigeria. Gerade weil Konflikte in zunehmendem Ausmaße religiöse Gründe haben, müsse alles unternommen werden, um den interreligiösen Dialog voranzutreiben, betonte Spindelegger mit Nachdruck.

Aktives Engagement für Menschenrechte, keine "Vogel-Strauß-Politik"

Österreich sah der Außenminister dabei auch als Exporteur für Sicherheit, Menschenrechte und Grundfreiheiten. Dies werde, wie er sagte, ganz besonders durch das Engagement im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen unterstrichen, wo sich Österreich vor allem für Kinderrechte, den Schutz von JournalistInnen und den weltweiten Schutz der Religionsfreiheit einsetzt. Menschenrechte und Grundfreiheiten können jedenfalls nicht mit "Vogel-Strauß-Politik" und Trittbrettfahrermentalität, sondern nur durch aktives Engagement verwirklicht werden, gab Spindelegger zu bedenken und hob in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des Einsatzes der österreichischen Soldaten bei Friedensmissionen hervor. Trotz des gebotenen Sparkurses müsse dieses Auslandsengagement auch in Zukunft seinen Platz behalten, stand für ihn fest.

Westbalkan braucht europäische Perspektive

Einen weiteren Schwerpunkt des Referats bildete der Bereich Südosteuropa. Spindelegger plädierte für die Fortsetzung des Kurses der Heranführung des Westbalkans an die Europäische Union und betonte, Österreich werde sich weiter stark machen, dass den Ländern der Region eine europäische Perspektive angeboten wird. Dies dürfe kein bloßes Lückenbekenntnis sein. Wenn die von der EU definierten Voraussetzungen in den einzelnen Staaten erfüllt sind, dann müssen aber die nächsten Schritte seitens der Union folgen, mahnte Spindelegger und sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Zuerkennung des Kandidatenstatus für Albanien aus. Bei Mazedonien wiederum schlug er vor, Verhandlungen unter Ausklammerung der strittigen Namensfrage aufzunehmen. Bosnien wiederum gehöre wie die übrigen Länder des Westbalkan in die EU, sagte Spindelegger, sprach allerdings von noch notwendigen Kraftanstrengungen der politischen VertreterInnen. Mit Nachdruck bekannte sich Spindelegger darüber hinaus zum weiteren Ausbau des Schwerpunkts der österreichischen Außenpolitik im Schwarzmeerraum und hinsichtlich der Donauraum-Strategie.

HINWEIS: Fotos finden Sie nach dieser Veranstaltung im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.