Parlamentskorrespondenz Nr. 1008 vom 29.11.2012

Bundesrat: Rückblick auf 10 Jahre Universitätsgesetz

Töchterle spricht von Erfolgsmodell

Wien (PK)- Bundesratspräsident Georg KEUSCHNIGG eröffnete die 815. Sitzung der Länderkammer und gab einleitend bekannt, dass Bundesrätin Muna DUZDAR (S/W) ihr Mandat zurückgelegt hat. An ihrer Stelle wurde Josef TAUCHER (S/W) als neues Mitglied angelobt. Die Sitzung begann sodann mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "10 Jahre Universitätsgesetz – Bilanz und Ausblick: Der Weg der Universitäten in die Autonomie".

Bundesräte beurteilen Vor- und Nachteile des Universitätsgesetzes 2002

Bundesrat Reinhard TODT (S/W) hielt die Selbstverwaltung der Universitäten für die am besten geeignete Organisationsform, da die Wissenschaft frei sein müsse. Er wies darauf hin, dass seit dem Jahr 2002 die 21 öffentlichen Universitäten ähnlich wie Aktiengesellschaften organisiert sind. Sie bestehen aus einem mehrköpfigen Rektorat, das als Vorstand agiert, und den Universitätsräten, die die Rolle der Aufsichtsräte übernehmen. Ein Problem sah Todt in der Tatsache, dass nicht mehr erfahrene Ministerialbeamte hauptberuflich als Universitätsräte tätig sind, sondern Laien, die diese Funktion nebenberuflich ausfüllen. Die Qualität der Kontrolle hänge daher stark von der jeweiligen Person ab und sei seiner Ansicht nach sehr oft verbesserungsfähig.

Außerdem weisen die gegenwärtigen Strukturen ein Demokratiedefizit auf, da es weder ein Durchgriffsrecht des politisch verantwortlichen Ministers gebe, noch ausreichende Mitbestimmungsrechte der Vertreter der Universitätsangehörigen und der Studierenden. Zugleich haben die Rektorate aber sehr weitreichende Befugnisse und können über das Vermögen und das Personal frei verfügen, zeigte Todt auf. Auch wenn der Weg in die Autonomie grundsätzlich zu begrüßen sei, habe die Vollrechtsfähigkeit aber auch zu einer Vervielfachung des Verwaltungsaufwands geführt, weil jeder der 21 Universitäten einen vollständigen Bürokratieapparat aufbauen musste. Mit Bedauern stellte der Bundesrat weiters fest, dass der zuständige Minister, der eine zentrale Koordinierungsfunktion übernehmen könnte, diese Befugnis kaum ausübe. Aus diesem Grund gebe es noch immer unnötig viele Parallelstrukturen, ein schlecht abgestimmtes Studienangebot und eine mangelnde Durchlässigkeit, bemängelte Todt. Dennoch sei er überzeugt davon, dass mit dem Universitätsgesetz 2002 ein Erfolgsmodell begründet wurde, aber es gebe auch noch sehr viel zu tun.

Die Autonomie der Universitäten sei nicht nur ein internationaler Trend, sondern auch ein sehr sinnvolles Modell, weil es die Kreativität fördert und zu mehr Partizipation anregt, urteilte

Bundesrätin Bettina RAUSCH (V/N). Die Unis können zudem nun viel flexibler auf Anforderungen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Lehrenden reagieren. In den letzten Jahren konnte man eine Vielzahl an positiven Effekten sehen, wie z.B. im Bereich der Internationalisierung, bei der Qualität von Forschung und Lehre oder bei der Verkürzung der Studienzeiten. Die Autonomie müsse aber noch weiter entwickelt werden, meinte Rausch, so sollten die Universitäten z.B. selbst darüber entscheiden können, ob und von wem sie Studienbeiträge einheben. Bundesminister Töchterle hat diesbezüglich schon einen Vorschlag präsentiert: Innerhalb eines Korridors von 1 bis 500 Euro pro Semester und Student sollen die Unis für die jeweiligen Studienrichtungen selbst entscheiden können, ob sie diese zusätzlichen Mittel lukrieren wollen oder nicht. Dies sei international üblich und in Verbindung mit entsprechenden Studienförderungen sozial gerechter als jedes andere Modell, war Rausch überzeugt. Eine Diskussion über die Studienbeiträge dürfe jedoch nicht als Absage an die staatliche Förderung des tertiären Bildungsbereichs verstanden werden, betonte die Bundesrätin, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Mit einem Anteil von 1,4 % am BIP für Wissenschaft und Forschung liege Österreich schon deutlich über dem OECD-Schnitt, eine Steigerung auf 2 % werde angepeilt. Ansetzen müsse man aber auch bei privaten Spendern, Sponsoren und Mäzenen, um die Drittmittelfinanzierung anzuheben, war Rausch überzeugt. Schließlich plädierte die Mandatarin noch für die Einführung von Zugangsregelungen, die auch im Sinne der Studierenden sind, da sie für bessere Studienbedingungen sorgen und hohe Drop-out-Raten verhindern.

Bundesrat Reinhard PISEC (F/W) räumte ein, dass die Einführung der Universitätsautonomie im Jahr 2002 sicherlich ein Meilenstein war. Diese Umstellung habe aber auch dazu geführt, dass den einzelnen Instituten und Fakultäten die Teilrechtsfähigkeit weggenommen wurde. Für problematisch hielt er auch die Tatsache, dass seit der Einführung des Bachelorprogramms die Lehrangebote der geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen seit dem Jahr 2008 schon drei Mal komplett geändert wurden. Pisec präsentierte sodann eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der aktuellen Situation an den Unis, wie etwa eine Reduktion der Studienfächer bei gleichzeitiger Erhöhung des Lehrangebots, eine ausreichende Förderung der Geistes- und Kulturwissenschaften, die Forcierung von vielfältigen Forschungsthemen, den Ausbau der Drittmittelfinanzierung durch private Unternehmen sowie eine Bündelung der Standorte. "Wissenschaft ist frei und muss wieder frei werden", appellierte Pisec abschließend.  

Töchterle setzt sich für weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen ein

Die Universitäten haben in ihrer fast tausendjährigen Geschichte immer wieder Wandlungen und Paradigmenwechsel durchgemacht, konstatierte einleitend Bundesminister Karlheinz TÖCHTERLE. Dabei konnte man jedoch beobachten, dass sie nur dann erfolgreich und international führend waren, wenn sie wirklich frei forschen und lehren konnten. Wenn sich Regierende und Mächtige zu stark in das innere Getriebe von Universitäten mengen, dann tue es den Hochschulen nicht gut, lautete sein klarer Befund. Aus diesem Grund habe Österreich in den letzten Jahrzehnten entsprechende Reformen eingeleitet, an deren Ende das Universitätsgesetz (UG) 2002 steht. Dabei handelt es sich seiner Meinung nach um ein segensreiches und stimmiges Gesetz, das mit der Einführung der Autonomie absolut in die richtige Richtung gehe, bekräftigte der Wissenschaftsminister. Da der Staat aber der größte Geldgeber für die Universitäten ist, habe er nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, eine gewisse Aufsichtsrolle zu übernehmen, damit die Gelder verantwortungsvoll und effizient eingesetzt werden. Dadurch entstehe natürlich ein gewisses Spannungsfeld, das unweigerlich zu Konflikten und Diskussionen führen werde, gab Töchterle zu bedenken. Mit Hilfe von intelligenten Steuerelementen, wie etwa der Hochschulkonferenz, soll aber die Erfolgsgeschichte des Universitätsgesetzes fortgeschrieben werden. Die österreichischen Hochschulen können sich im internationalen Vergleich sehen lassen, aber um wirklich erfolgreich zu sein, müssen die Rahmenbedingungen noch verbessert werden, räumte der Wissenschaftsminister ein. Diesbezüglich plädierte Töchterle u.a. für die weitere Erschließung von privaten Finanzierungsquellen, aber auch für die Einhebung von Studienbeiträgen.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) beklagte die mangelnde finanzielle Ausstattung des Hochschulsektors. Von der angepeilten Wissenschafts- und Forschungsquote von 2 % am BIP sei Österreich noch meilenweit entfernt. Er müsse zudem in Erinnerung rufen, dass gerade die ÖVP die Hochschulen in den letzten Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt haben. Dieser Befund gelte leider auch für andere Bereiche, urteilte Dönmez, der Stillstand ziehe sich vom Kindergarten, der Schule bis eben hin zu den Hochschulen. Gerade an den Unis leiden die Betroffenen an den mannigfachen Auswirkungen dieser Politik, wie z.B. an überfüllten Hörsälen, schlechter Infrastruktur, zahlreichen Zugangsbeschränkungen oder prekären Arbeitsverhältnissen. Ausnahmen gelten nur für jene Studienrichtungen, die für die Wirtschaft und die Industrie von Interesse sind, argumentierte der Bundesrat der Grünen. Gerade in einem Land wie Österreich, wo es keine Bodenschätze gibt, sollte massiv in die Bildung der junge Leute investiert werden und nicht überlegt, wie man möglichst viele von einem Studium abhalten könne.

Bundesrat Josef SALLER (V/S) widersprach seinem Vorredner, der einen Stillstand in der Bildungspolitik festgestellt hat. Österreich verfüge noch immer über ein ausgezeichnetes Bildungssystem, das gerade in den letzten Jahren reformiert und erneuert wurde. Im Besonderen befasste er sich mit der Frage der Studienplatzfinanzierung, die ab 2013 in einer Testphase erprobt werden soll. Dabei gehe es vor allem um mehr Transparenz in der Gesamtfinanzierung, zusätzliche Personalressourcen, einer Verbesserung der Betreuungssituation und einem geregelten Universitätszugang. Dadurch sei gewährleistet, dass die Zahl der Studierenden nicht verringert werde, war Saller überzeugt. Für wichtig erachtete er auch die Verbesserung der Ausbildung der Lehrenden sowie der Einführung eines neuen Dienstrechts.

Die Opposition habe sich im Jahr 2002 zu Recht gegen das Universitätsgesetz ausgesprochen, erklärte Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W). Damit habe man aber nicht das Prinzip der Autonomie abgelehnt, sondern die Art und Weise, wie das Gesetz zustande gekommen ist. Weder waren die Universitäten auf die radikale Umstellung des Systems ausreichend vorbereitet, noch gab es kollektivvertragliche Regelungen für das Personal, erinnerte der Bundesrat. Statt einem Abbau der Bürokratie kam es zudem explodierenden Verwaltungsstrukturen. Sorgen machte sich der Bundesrat auch bezüglich der finanziellen Ausstattung des Hochschulbereichs, der notorisch unterfinanziert sei.

Auch Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) kam auf die Finanzierungsprobleme im Hochschulbereich zu sprechen. Ein Beispiel dafür sei die Montanuniversität in Leoben, die noch zusätzlich 34 Mio. € brauchen würde. Gerade diese international anerkannte Hochschule, die von der Wirtschaft stark nachgefragte Techniker ausbildet, sollte ausreichend finanziell ausgestattet werden, forderte der FPÖ-Ländervertreter. Er hoffe, dass hier noch eine Lösung gefunden wird.

Bundesminister Karlheinz TÖCHTERLE ging auf die Wortmeldungen seiner Vorredner ein und stellte einige Fakten klar. So sei es etwa nicht richtig, dass die österreichischen Universitäten generell überfüllt seien; diese Probleme gebe es nur in zwölf Fächern. Durch die Studienplatzfinanzierung werde es zudem bald zu einer Verbesserung der Situation kommen, war der Minister überzeugt. Er wehrte sich auch gegen den Vorwurf, dass alle jungen Leute an den Unis prekäre Arbeitsverhältnisse hätten. Durch den Kollektivvertrag gebe es die Möglichkeit, Qualifizierungsvereinbarungen zu treffen, was von den Universitäten auch verstärkt genutzt werde. Gleichzeitig brauche aber auch jede Hochschule ausreichend befristete Stellen, damit immer wieder Leute nachrücken können. Mit Nachdruck wies Töchterle weiters darauf hin, dass die Hochschulmilliarde sehr wohl an den Unis ankomme. Was die Montan-Universität in Leoben betrifft, so könne er dem Bundesrat Krusche versichern, dass sein Ressort ein sehr gutes Verhandlungsangebot unterbreiten wird. (Fortsetzung Bundesrat)


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