Parlamentskorrespondenz Nr. 1011 vom 29.11.2012

ELGA nimmt letzte parlamentarische Hürde

Bundesrat bestätigt Beschlüsse des Nationalrats

Wien (PK) - Das Elektronische-Gesundheitsakte-Gesetz (ELGA-G) passierte heute den Bundesrat und nahm damit die letzte parlamentarische Hürde. Die Behandlung in der Länderkammer bot den Fraktionen die Gelegenheit, die kontroversielle Debatte fortzusetzen und noch einmal ihre Standpunkte abzustecken. SPÖ und ÖVP, die wie bereits im Nationalrat mehrheitlich für das Gesetz gestimmt hatten, sprachen in ihren Wortbeiträgen vor allem von einem Informationsgewinn im Interesse der PatientInnen, während die Oppositionsparteien schwere datenschutzrechtliche Bedenken gegen das Gesetz anmeldeten.

ELGA ist ein Informationssystem, das PatientInnen sowie Spitälern, niedergelassenen Ärzte, Apotheken und Pflegeeinrichtungen einen gesicherten, orts- und zeitunabhängigen Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten (Entlassungsbriefe, Labor- und Röntgenbefunde, Medikamentenverschreibungen) ermöglicht. Die vorhandenen Befunde werden somit – patientenbezogen - gebündelt, unabhängig davon, wo diese in Österreich abgespeichert sind. (z.B. Spitäler, Labors). Die e-card ist dabei der Schlüssel zum Abruf der Daten. Spätestens Ende 2013, Anfang 2014 sollen alle PatientInnen Zugang zu ELGA haben; ab 2015 müssen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen teilnehmen, ab 2016 alle VertragsärztInnen und Apotheken und ab 2017 schließlich die Privatkrankenanstalten.

ELGA – die Pro-Argumente

Bundesrätin Johanna KÖBERL (S/St) begrüßte das Gesetz mit dem Argument, ELGA mache Österreichs Gesundheitssystem gesund für die Zukunft, bringe wesentliche Vorteile für die PatientInnen und optimiere den Prozess der medizinischen Versorgung. Die Zeiten, in denen man vollbepackt mit Befunden zum Arzt gehen musste, seien nun vorbei. Die Vernetzung der Gesundheitsdaten von Arzt und Krankenhaus ermögliche einen organisationsübergreifenden Informationsfluss und damit eine bessere Zusammenarbeit, betonte Köberl. Die Speicherung der Daten unterliege darüber hinaus bisher nie gekannten Sicherheitsstandards, die Verwendung könne jederzeit nachvollzogen werden, der Datenschutz sei gewährleistet, war Köberl überzeugt.

Ähnlich positiv äußerte sich auch Bundesrätin Martina DIESNER-WAIS (V/N), für die ELGA ein modernes Informationssystem im Interesse von ÄrztInnen, PatientInnen, Krankenhäusern, Apotheken und Pflegeeinrichtungen darstellt. Sie hob vor allem den Aspekt der Freiwilligkeit durch das "Opt-Out" hervor und meinte ebenfalls, die Sicherheit bei ELGA sei ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustand. Diesner-Wais zeigte sich zuversichtlich, dass ELGA ebenso wie die E-Card bei der Bevölkerung gut ankommen und schon bald ein Vorzeigeprojekt für ganz Europa sein werde. Ihr Fraktionskollege Christian JACHS (V/O) erwartet sich durch ELGA ausschließlich Vorteile für die PatientInnen und rechnet vor allem mit einer Vermeidung von Doppelbefunden und Mehrfachmedikationen. Er schlug allerdings eine Umbenennung in "persönliches Gesundheitsprofil" vor und meinte im Übrigen, in ein paar Jahren werde man mit ELGA ebenso gut leben können und vertraut sein wie mit der E-Card.

ELGA – die Gegenargumente

Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) warnte hingegen vor einem Sicherheitsrisiko durch unbefugte Zugriffe von Hackern und  Missbrauch der sensiblen Gesundheitsdaten durch Versicherungen.  Skeptisch äußerte er sich überdies zur Regelung des "Opt-out", die er aus verfassungsrechtlichen Gründen für fragwürdig hielt. Besser wäre seiner Meinung nach ein "Opt-in" gewesen, bei dem es an den PatientInnen liegt, sich für die Teilnahme am ELGA zu entscheiden. Krusche ortete darüber hinaus auch Lücken im System, etwa in Bezug auf WahlärztInnen oder hinsichtlich eines teilweisen "Opt-out". Kritisch äußerte er sich ferner zu den Kosten, wobei er grundsätzlich die Kosten-Nutzen-Relation bezweifelte und eine deutliche Überschreitung des geplanten Betrags von 130 Mio. € befürchtete. Schließlich wies Krusche auch auf den massiven Widerstand seitens der Ärztekammer hin und bemerkte, wenn der Minister die ÄrztInnen nicht an Bord holen könne, dann sei das System von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Geteilter Meinung waren die Grünen: Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) ist sich zwar, wie er sagte, der Vorteile durchaus bewusst, kündigte aber seine Ablehnung an. Bei ELGA gehe es in erster Linie um einen Nutzen für die Verwaltung, nicht aber um das Wohl der PatientInnen, stellte er fest. Er plädierte für ein "Opt-in" nach dem Vorbild Dänemarks und der Niederlande, wobei er der Überzeugung Ausdruck verlieh, dass sich der Großteil der Menschen für eine Teilnahme entscheiden würde. Schreuder warnte auch vor datenschutzrechtlichen Problemen, insbesondere durch die Art der Speicherung. Es gebe zu viele Versicherungen und ArbeitgeberInnen, die ein Interesse an den Gesundheitsdaten, etwa in Bezug auf eine mögliche HIV-Infizierung, haben, bemerkte er. Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) hingegen hielt ELGA für einen richtigen Schritt in die richtige Richtung und sah darin wesentliche Vorteile für die PatientInnen, ortete aber noch Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich der Speicherung der Daten.

Stöger: ELGA ist europäischer Meilenstein

Bundesminister Alois STÖGER bezeichnete ELGA als europäischen Meilenstein und sprach von einen Quantensprung. Er ortete vor allem wesentliche Vorteile für die PatientInnen durch verbesserte Information über Behandlungen, Medikamente, aber auch durch die Vermeidung von Doppelbefunden, und kam zum Schluss, die Qualität der medizinischen Versorgung werde durch den elektronischen Gesundheitsakt verbessert. Mit Nachdruck betonte er, die Datensicherung sei gewährleistet, die Speicherung könnten die PatientInnen jederzeit nachverfolgen. Das "Opt-out" verteidigte Stöger mit dem Argument, dadurch hätten auch jene Menschen, "die sich schwerer tun", die Möglichkeit zur Teilnahme.

Bei der Abstimmung wurde gegen den Beschluss mehrheitlich kein Einspruch erzielt.

Organtransplantationsgesetz und Arzneimittelgesetz

Auch drei weitere gesundheitspolitische Materien passierten die Länderkammer ohne Einspruch.

Dazu zählte zunächst das Organtransplantationsgesetz. Damit trägt Österreich einer EU-Richtlinie Rechnung, deren Ziel es ist, EU-weit hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organspenden sicherzustellen. Im Konkreten müssen künftig etwa Aufzeichnungen über Lebendspenden geführt sowie schwerwiegende Zwischenfälle und unerwünschte Reaktionen, die bei der Entnahme oder Transplantation von Organen auftreten, erfasst werden. Außerdem werden Transplantationszentren im Rahmen der Nachsorge verpflichtet, LebendspenderInnen innerhalb von drei Monaten nach der Operation einer Nachkontrolle zu unterziehen und diese in regelmäßigen Abständen an die Durchführung einer fachärztlichen Untersuchung zu erinnern. Zudem ist künftig jedem Lebendspender bzw. jeder Lebendspenderin ein individueller risikobasierter Nachsorgeplan auszuhändigen.

Der Gesetzentwurf wurde ebenso einstimmig gebilligt wie die begleitenden Änderungen in den Sozialversicherungsbestimmungen.

Zustimmung aller gab es auch für die Änderungen im Arzneimittelgesetz. Dieses bringt neue Risikomanagement-Bestimmungen für bereits zugelassene Arzneimittel und neue Meldepflichten im Fall von Nebenwirkungen. Damit soll die Arzneimittelsicherheit weiter erhöht werden.

An der Debatte beteiligten sich die BundesrätInnen Johanna Köberl (S/St), Gregor Hammerl (V/St), Stefan Schennach (S/W), Adelheid Ebner (S/N) und Martina Diesner-Wais (V/N).

Wahlrecht wird an Gemeindezusammenlegungen in Steiermark angepasst

Ebenso harmonisch verlief die Debatte über die Anpassung der Nationalrats-Wahlordnung an die Zusammenlegung von Gemeinden und Bezirken in der Steiermark, wo es in Hinkunft nur noch vier statt acht Regionalwahlkreise geben wird: Graz und Umgebung (6A), Oststeiermark (6B), Weststeiermark (6C) und Obersteiermark (6D). Die Begründung für die einhellige Annahme lieferten die BundesrätInnen Gerald Klug (S/St), Franz Perhab (V/St), Monika Mühlwerth (F/W), Marco Schreuder (G/W) sowie Staatssekretär Sebastian Kurz.

Abgabenänderungsgesetz und Vorsorge für Schieneninfrastruktur genehmigt

Mit Mehrheit passierten die Änderungen des Bundesbezügegesetzes die Länderkammer.

Auch das Abgabenänderungsgesetz, das auch Bestimmungen zum Schutz der TrafikantInnen enthält, wurde mehrheitlich genehmigt. Das Gesetz sieht darüber hinaus unter anderem auch die Erlassung eines EU-Amtshilfegesetzes sowie Änderungen in insgesamt 26 Steuer- und Abgabengesetzen – von der Einkommensteuer und der Steuerpauschalierung für LandwirtInnen über die Verringerung der Flugabgabe bei Kurz- und Mittelstreckenflügen bis hin zum Biersteuergesetz – vor. Zur Wort meldeten sich in dieser Debatte die BundesrätInnen Reinhard Pisec (F/W), Edgar Mayer (V/V), Elisabeth Kerschbaum (G/N), Ewald Lindinger (S/O), Sonja Zwazl (V/N) und Monika Kemperle (S/W). Bundesministerin Maria Theresia Fekter nahm aus Regierungssicht dazu Stellung.

Des Weiteren gab die Länderkammer mehrheitlich grünes Licht für ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird. Konkret geht es dabei um Vorbelastungen in der Höhe von bis zu 37,749 Mrd. € für den Zeitraum 2013-2018 zur Instandhaltung, zu Planung und zum Bau von Schieneninfrastrukturinvestitionen. Bundesministerin Fekter betonte nach Wortmeldungen der BundesrätInnen Gerd Krusche (F/St), Josef Steinkogler (V/O), Elisabeth Kerschbaum (G/N) und Inge Posch-Gruska (S/B) das Gesetz diene der Transparenz.

Schließlich stimmte der Bundesrat auch dem Geodateninfrastrukturgesetz einstimmig zu. Dieses verfolgt das Ziel, den Geltungsbereich dieses Gesetzes auf die Umsetzung der Geodateninfrastruktur-Richtlinie (INSPIRE) zu beschränken. Mit Geodaten können sämtliche Objekte auf der Erdoberfläche positionsgenau festgehalten werden. So werden in Zukunft alle öffentlichen Geodatenstellen der untersten Verwaltungsebene – auch die des privaten Rechts (u.a. Energie- und Wasserversorger oder öffentliche Verkehrsunternehmen) - nur mehr dann zu Geodatendiensten verpflichtet sein, wenn dies rechtlich vorgeschrieben ist. Zu diesem Tagesordnungspunkt meldeten sich die BundesrätInnen Franz Wenger (V/S), Werner Stadler (S/O), Marco Schreuder (G/W) und Kurt Strohmayer-Dangl (V/N) sowie Bundesminister Nikolaus Berlakovich zu Wort. (Fortsetzung Bundesrat)


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