Parlamentskorrespondenz Nr. 1040 vom 07.12.2012

Organstrafmandate können künftig empfindlich teurer werden

Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz passiert Ausschuss

Wien (PK) – Organstrafmandate und Strafverfügungen können künftig empfindlich teurer werden. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien eine entsprechende Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes. Demnach wird die Obergrenze für Organmandate von 36 € auf 90 € hinaufgesetzt und für Strafverfügungen ein Limit von 600 € (bisher 365 €) festgelegt. Für Anonymverfügungen gilt künftig eine Strafgrenze von 365 € (bisher 200 €).

Ziel der Gesetzesänderung ist es, wie Staatssekretär Josef Ostermayer im Ausschuss betonte, die Zahl der Anzeigen im Falle von Verwaltungsübertretungen zu reduzieren und damit Verwaltungsaufwand zu sparen. Es sei keineswegs beabsichtigt, insgesamt höhere Strafen zu verhängen, bekräftigte er. Zudem wird in den Erläuterungen darauf hingewiesen, dass einzelne Materiengesetze wie die Straßenverkehrsordnung oder das Immissionsschutzgesetz-Luft schon jetzt höhere Organstrafen erlauben.

Beschlossen wurde die Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes als Teil eines umfangreichen Gesetzespakets, das vorrangig dazu dient, den Verfahrensablauf bei den neuen – 2014 startenden – Verwaltungsgerichten festzulegen und Überleitungsbestimmungen im Hinblick auf die Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verankern. Dazu legten die Koalitionsparteien heute einen 16-seitigen Abänderungsantrag vor, der bei der Abstimmung mitberücksichtigt wurde und das Gesetzespaket in vielen einzelnen Punkten adaptiert und präzisiert.

Über weitere Anliegen der Opposition, etwa eine Ausdehnung der Berufungsfrist gegen Bescheide von Behörden, soll, wie Ausschussobmann Peter Wittmann betonte, in den nächsten Wochen noch verhandelt werden. Sie könnten bei der Beschlussfassung des Gesetzespakets im Plenum des Nationalrats berücksichtigt werden. Staatssekretär Ostermayer setzt wie alle Fraktionen auf konstruktive Verhandlungen und hofft auf einen möglichst breiten Konsens im Nationalrat.

In einem Punkt hat der Verfassungsausschuss bereits jetzt einstimmig eine Klarstellung getroffen und in Form einer Ausschussfeststellung festgeschrieben, dass die Bestimmungen über die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht großzügig auszulegen sind. Die inhaltlichen Vorgaben müssen demnach auch von einem durchschnittlichen Bürger ohne Beiziehung eines Rechtsvertreters zu erfüllen sein. Wesentlich ist für die Abgeordneten, dass der Wille des Beschwerdeführers erkennbar ist.

Eigenes Verfahrensgesetz für Verfahren vor Verwaltungsgerichten

Geregelt wird das Verfahren vor den neuen Verwaltungsgerichten – mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts – in einem eigenen Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), dessen Bestimmungen sich eng an die Verfahrensbestimmungen anlehnen, die derzeit für die Unabhängigen Verwaltungssenate gelten. Im Detail geht es etwa um die örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, die Voraussetzungen zur Einbringung einer Beschwerde, Fragen der Parteienstellung und der Akteneinsicht, Verfahrenshilfe, Verhandlungsgrundsätze, Kostentragungen, die aufschiebende Wirkung von Beschwerden, Fristsetzungsanträge und Berufungsmöglichkeiten.

Die Möglichkeit einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof orientiert sich dabei im Wesentlichen an der Revision nach der Zivilprozessordnung. In diesem Zusammenhang wird auch festgelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht an den Ausspruch des jeweiligen Verwaltungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision gebunden ist.

Die Übergangsbestimmungen, die unter anderem durch die Auflösung der Unabhängigen Verwaltungssenate und zahlreicher Sonderbehörden notwendig werden, sind in einem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Überleitungsgesetz zusammengefasst. Zudem werden das Verwaltungsgerichtshofgesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz adaptiert und in einigen weiteren Gesetzen wie dem Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG) "zweckmäßige Änderungen" vorgenommen. So werden etwa Patentverfahren und Angelegenheiten der Bodenreform von der Anwendbarkeit des EGVG ausgenommen.

Abänderungsantrag enthält zahlreiche Adaptierungen und Präzisierungen

Mit dem heute von den Koalitionsparteien vorgelegten Abänderungsantrag werden Anliegen der Länder, der Gemeinden, des Verwaltungsgerichtshofs, des Verfassungsgerichtshofs und anderer Stellen im Gesetzespaket berücksichtigt. Unter anderem geht es um die örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, die Frage der Beschwerdevorentscheidung, der Ablauf von "Vorstellungen" gegen Entscheidungen von RechtspflegerInnen sowie eine Präzisierung jener Bestimmung, die Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betrifft. Auch die Aufzählung jener Beschlüsse, gegen die eine Revision nicht zulässig sein soll, wird klarer gefasst. Der Begriff "obsiegende Partei" soll künftig nicht mehr verwendet werden.

Angemerkt wird überdies, dass Verfahren, die mit Ende 2013 beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof anhängig sind, von diesen Gerichtshöfen auch zu Ende geführt werden müssen und die den Verfahren zugrunde liegenden Beschwerden nicht an die Verwaltungsgerichte abgetreten werden können. 

Eingabegebühr beim VfGH- und beim VwGH wird auf 240 € erhöht

Abseits der Festlegung von Verfahrensregeln für die Verwaltungsgerichte ist vorgesehen, die Eingabegebühr für Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof und für Anträge beim Verfassungsgerichtshof von 220 € auf 240 € zu erhöhen. Im Gegenzug wird laut Abänderungsantrag eine beim VfGH bereits entrichtete Eingabegebühr rückerstattet, wenn der VfGH den Fall an den Verwaltungsgerichtshof abtritt.

Im Bereich des Verwaltungsstrafrechts wird – zusätzlich zur Anhebung der Strafobergrenzen bei abgekürzten Verfahren – der pauschalierte Verfahrenskostenbeitrag, der bei einer erfolglosen Beeinspruchung einer Verwaltungsstrafe fällig wird, hinaufgesetzt und festgelegt, dass Strafverfügungen nicht mehr zwingend zu eigenen Handen zugestellt werden müssen. Die Behörden erhalten außerdem mehr Spielraum, um Verwaltungsstrafverfahren mit Auslandsbezug effizienter durchführen zu können.

Neu ist überdies, dass subjektive Gesichtspunkte wie das Ausmaß des Verschuldens des Beschuldigten oder dessen Einkommensverhältnisse bei Strafverfügungen und anderen abgekürzten Strafverfahren nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, da der Sachverhalt, wie es in den Erläuterungen heißt, bei verkürzten Verfahren nicht eindeutig zu klären ist. Vielmehr ist die Strafbemessung künftig ausschließlich am Tatbild und an der Bedeutung der übertretenen Rechtsnorm auszurichten.

Opposition drängt auf weitere Abänderungen

Im Rahmen der Diskussion über das Gesetzespaket begrüßte die Opposition die Zusage der Regierungsparteien, über ihre Anliegen noch weitere Gespräche zu führen. Alle drei Oppositionsparteien signalisierten Bereitschaft, dem Gesetzespaket zuzustimmen, sollten in Bezug auf das für die Verwaltungsgerichte gültige Verfahrensrecht einzelne Punkte noch geändert werden.

Der FPÖ ist es etwa ein großes Anliegen, die vorgesehene zweiwöchige Berufungsfrist gegen Bescheide von Behörden auf vier Wochen zu erstrecken, wie Abgeordneter Peter Fichtenbauer und Abgeordneter Walter Rosenkranz betonten. Vielen BürgerInnen sei nicht bewusst, dass die Berufungsfrist bereits mit der Hinterlegung des Schriftstücks bei der Post und nicht erst bei dessen Abholung zu laufen beginne, argumentierten sie. Bei einer nur zweiwöchigen Frist könnte es ihrer Meinung nach für eine Beschwerde beim zuständigen Verwaltungsgericht in der Praxis häufig zu spät sein.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) begründete die vorläufige Ablehnung der Gesetzesvorlage durch seine Fraktion damit, dass noch nicht alle Punkte jener Entschließungen, die die Abgeordneten begleitend zum grundsätzlichen Beschluss der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gefasst haben, in das vorliegende Paket eingeflossen sind. Zudem kritisierte er die seiner Ansicht nach "exorbitante Erhöhung" der Verwaltungsstrafen. Ein Knackpunkt ist für Scheibner darüber hinaus die Kostenfrage: Es könne nicht sein, dass das neue Modell um bis zu 30% mehr koste, als das bisherige System, mahnte er und verwies auf eine kritische Stellungnahme des Rechnungshofs.

Abgeordnete Daniela Musiol (G) zeigte sich über die Ausschussfeststellung erfreut. Damit trage man dem Grundgedanken Rechnung, dass es bei Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht notwendig sein soll, einen Rechtsanwalt beizuziehen.

Neben Ausschussobmann Peter Wittmann betonte auch Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V), dass die Koalition offen für weitere Vorschläge der Opposition sei. Grundsätzlich hob Gerstl das Interesse aller, auch der zuständigen BeamtInnen, hervor, Verwaltungsverfahren möglichst rasch abzuwickeln.

Staatssekretär Josef Ostermayer äußerte ebenfalls Verhandlungsbereitschaft, gab aber zu bedenken, dass Änderungen auch mit den Ländern abgestimmt werden müssten, da für das Bundesverwaltungsgericht und die Verwaltungsgerichte in den Ländern ein einheitliches Verfahrensrecht vorgesehen sei. Er zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass eine Lösung mit breiter Mehrheit zustande kommen werde. In Richtung des BZÖ gab Ostermayer zu bedenken, dass das zentrale Ziel der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht Kosteneinsparungen seien, sondern die Steigerung des Rechtsschutzes.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des S-V-Abänderungsantrags mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen. Die Ausschussfeststellung wurde einstimmig gefasst.

Bereits vom Nationalrat beschlossen wurden die für die Einrichtung des neuen Bundesverwaltungsgerichts und des neuen Bundesfinanzgerichts notwendigen organisationsrechtlichen Regelungen. Laut Erläuterungen geht die Regierung von einem jährlichen Anfall von rund 33.000 Rechtssachen beim Bundesverwaltungsgericht aus, darunter 10.000 aus dem Bereich Asyl und 8.000 aus dem Bereich Fremdenwesen.

Tätigkeitsberichte des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs

Im Verfassungsausschuss zur Diskussion standen heute auch die Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs 2011 (III-366 d.B.). Daraus geht unter anderem hervor, dass der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr 22 von 46 geprüften Gesetzen zumindest teilweise aufgehoben hat und Asylbeschwerden rund 60 % der Fälle beim VfGH ausmachen. Insgesamt waren rund 9 % der Beschwerden (505) beim VfGH erfolgreich. Der Verwaltungsgerichtshof hob 2011 1.673 Bescheide auf und gab damit in rund 27 % der an ihn herangetragenen Fälle dem Beschwerdeführer bzw. der Beschwerdeführerin statt.

Thema der Ausschussdebatte waren unter anderem die Nebentätigkeit einzelner VerfassungsrichterInnen, der Bestellmodus für die RichterInnen des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, die Arbeitsbelastung der beiden Gerichtshöfe und die Frage der "dissenting opinion", wobei die Abgeordneten in Bezug auf die Ausübung eines Nebenberufs von VerfassungsrichterInnen unterschiedliche Meinungen vertraten.

Grüne hinterfragen Nebentätigkeit von VfGH-RichterInnen

So hinterfragten die Abgeordneten Daniela Musiol und Wolfgang Zinggl (beide G) den Umstand, dass einzelne VerfassungsrichterInnen nebenbei als RechtsanwältInnen, UniversitätsprofessorInnen oder AufsichtsrätInnen aktiv sind. Sie befürchten, dass die betroffenen RichterInnen in einzelnen Fällen nicht unbefangen urteilen können. Darüber hinaus werteten es beide Abgeordnete als bedenklich, dass sich viele qualifizierte RechtsexpertInnen nicht für ein Richteramt beim VfGH bewerben, weil grundsätzlich bereits vorab feststehe, wer von der Regierung bzw. vom Parlament vorgeschlagen wird.

Abgeordneter Walter Rosenkranz hingegen bekannte sich namens der FPÖ ausdrücklich dazu, VerfassungsrichterInnen die Ausübung eines Berufs zu gestatten. Der Verfassungsgerichtshof solle kein "Elfenbeinturm" werden, bekräftigte er. Besorgt ist Rosenkranz, wie er sagte, über die Zahl der erwarteten Asylbeschwerden beim Verwaltungsgerichtshof. Zudem äußerte er sich verwundert darüber, dass der Verwaltungsgerichtshof gar nicht so wenige Bescheide aufhebt, weil sie von einer unzuständigen Behörde getroffen wurden.

Auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) sprach die erwartete Verdopplung der Fälle beim Verwaltungsgerichtshof durch dessen erneute Zuständigkeit für Asylangelegenheiten ab 2014 an. Er trat überdies dafür ein, sich eine Änderung des Bestellmodus für VerfassungsrichterInnen zu überlegen, um sicherzustellen, dass sich mehr KanditatInnen für die Funktion bewerben.

Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) hob die weitere Effizienzsteigerung und die niedrige Verfahrensdauer beim Verfassungsgerichtshof hervor. Gegen eine Nebentätigkeit von VerfassungsrichterInnen hat er, wie er ausführte, keine Bedenken, sofern die Tätigkeit beim Verfassungsgerichtshof nicht darunter leidet. Von den beiden Präsidenten des VfGH und des VwGH wollte Gerstl wissen, ob sie ihre Position in der Frage der "Gesetzesbeschwerde" bereits akkordiert haben. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) erkundigte sich nach der Meinung der beiden Präsidenten zur Frage der "dissenting opinion".

Holzinger: Nebentätigkeit von VfGH-RichterInnen ist bereichernd

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger schickte seiner Stellungnahme voraus, dass der Verfassungsgerichtshof, wie die Erledigungszahlen zeigen, extrem effizient arbeite. Im Jahr 2011 haben von den 14 RichterInnen 5.600 Rechtssachen erledigt werden können, skizzierte er. Jede Entscheidung werde, so Holzinger, penibel vorbereitet und geprüft, auch bei den Asylsachen werde "nichts durchgewunken". Für die hochwertige Qualität der Entscheidung sorgt ihm zufolge auch, dass alle VerfassungsrichterInnen einen Mitarbeiterstab haben, der sie unterstütze. Die wichtigsten Entscheidungen werden laut Holzinger im Kollegium der 14 RichterInnen beschlossen. Ansonsten obliege die Entscheidung einem Senat von sechs HöchstrichterInnen.

Es gebe wahrscheinlich weltweit kein anderes Höchstgericht, dass in ähnlicher Weise wie der Verfassungsgerichtshof arbeite, sagte Holzinger.

Ausdrücklich verteidigt wurde von Holzinger die Möglichkeit für VerfassungsrichterInnen, neben ihrer VfGH-Tätigkeit auch einer anderen beruflichen Beschäftigung nachzugehen. Er sei ein vehementer Verfechter dieses Systems, auch wenn es ein österreichisches Spezifikum sei, meinte er. Im Verfassungsgerichtshof seien VertreterInnen aller vier wichtigen Rechtsberufe vertreten –  UniversitätsprofessorInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen, VerwaltungsbeamtInnen und RechtsanwältInnen –, diese Zusammensetzung sei ein unschätzbarer Vorteil.

Befangenheitsprobleme ortet Holzinger nicht. Wenn nur im entferntesten der Eindruck entstehen könnte, dass ein Verfassungsrichter bzw. eine Verfassungsrichterin nicht unbefangen urteilen könne, erkläre er bzw. sie sich für befangen und lasse sich durch ein Ersatzmitglied vertreten, bekräftigte er. So ist es ihm zufolge selbstverständlich, dass ein als Rechtsanwalt tätiger Verfassungsrichter nicht mitentscheidet, wenn dessen Kanzlei in irgendeiner Form in dem Fall involviert ist.

Auch eine Änderung des Bestellmodus für VerfassungsrichterInnen erachtet Holzinger für nicht erforderlich. Er räumte zwar ein, dass bei der Kandidatenauswahl vermutlich auch politische Erwägungen angestellt werden, jede Besetzung habe bisher im Endeffekt aber unter dem Gesichtspunkt der Qualität "ein hervorragendes Ergebnis" gebracht, unterstrich er. Keine Option ist für ihn, dass der Verfassungsgerichtshof selbst über neue Mitglieder entscheidet.

VfGH-Präsident sieht "dissenting opinion" kritisch

Eine "dissenting opinion", also die Veröffentlichung der Minderheitenmeinung bei mehrstimmig getroffenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs, würde er für einen Rückschritt halten, erklärte Holzinger. Derzeit würden auch jene RichterInnen, die sich in der Diskussion nicht durchsetzen könnten, konstruktiv daran mitarbeiten, um eine mehrheitlich beschlossene Entscheidung zu begründen, argumentierte er. Zudem bestehe die Hauptfunktion der Höchstgerichte darin, eine Sache endgültig zu entscheiden und nicht wissenschaftliche Diskussionen zu führen.

Zur Einführung der "Gesetzesbeschwerde" merkte Holzinger an, es sei nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshof für neue Kompetenzen zu werben, er persönlich sei aber überzeugt, dass die Gesetzesbeschwerde ein rechtsstaatlicher Fortschritt wäre. Es gehe nicht darum, dass der Verfassungsgerichtshof die "Superrevisionsinstanz" für alles mögliche werde und Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und Verwaltungsgerichtshofs aufheben könne, Ziel sei es vielmehr, den BürgerInnen auch bei Straf- und Zivilverfahren einen direkten Zugang zum Verfassungsgerichtshof zu ermöglichen.

Jabloner: VwGH hat bei Richterbestellungen keine Probleme

VwGH-Präsident Clemens Jabloner hielt zum Thema Gesetzesbeschwerde fest, das "Match" werde hauptsächlich zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Obersten Gerichtshof ausgefochten. Dem Verwaltungsgerichtshof sei es wichtig, in die gesetzlichen Bestimmungen die notwendigen "Kautelen" einzufügen, damit es nicht zu einer Superrevisionskompetenz des Verfassungsgerichtshof komme, hielt er fest. Jabloner plädierte überdies für die Beibehaltung der Sukzessivbeschwerde.

Was die erwartete Verdoppelung der Rechtssachen beim Verwaltungsgerichtshofs ab 2014 durch Asylbeschwerden betrifft, setzt Jabloner, wie er erklärte auf eine Aufstockung der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Zudem müssen ihm zufolge die richterlichen Senate neu organisiert und mehr RichterInnen mit Asylangelegenheiten betraut werden. Die gesamte Belastung des VwGH wird ihm zufolge letztendlich im Wesentlichen davon abhängen, wie das neue Revisionsmodell funktionieren wird.

Bei der Nachbesetzung von Richterplanstellen hat der VwGH laut Jabloner keine Probleme. Es würden sich genug qualifizierte KanditatInnen bewerben. In Bezug auf die "dissenting opinion" äußerte er sich wie Holzinger skeptisch.

Die beiden Tätigkeitsberichte wurden vom Verfassungsausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. (Schluss)