Parlamentskorrespondenz Nr. 49 vom 29.01.2014

Karmasin: 1,5 Milliarden Euro mehr für die österreichischen Familien

Aktuelle Stunde im Nationalrat zum Thema Familienpolitik

Wien (PK) – Die "Perspektiven der Familienförderung in Österreich" standen im Mittelpunkt einer von Seiten der ÖVP beantragten Aktuellen Stunde, mit der heute die Nationalratssitzung eröffnet wurde. Die designierte Bundesministerin für Familie und Jugend, Sophie Karmasin, freute sich vor allem darüber, dass die Familienbeihilfe erstmals nach 13 Jahren wieder erhöht und zudem längerfristig angepasst wird. Insgesamt werden zusätzlich 1,5 Mrd. € für den Familiensektor bereitgestellt, wobei es auch zu einem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und der schulischen Betreuung kommen wird. Ein großes Anliegen war ihr auch die Anerkennung und Unterstützung des ganzen Spektrums an unterschiedlichen Familienformen.

Familienbewegung soll wie ein Ruck durch das Land gehen

In einer einleitenden Stellungnahme skizzierte die neue Ministerin Sophie Karmasin ihre Pläne und Vorhaben für die zukünftige Familienpolitik, die u.a. dazu beitragen soll, dass alle Kinder, die sich die BürgerInnen wünschen, auch geboren werden. Umfragen haben nämlich gezeigt, dass sich die ÖsterreicherInnen durchschnittlich zwei Kinder wünschen, die tatsächliche Geburtenrate liege aber nur bei 1,4 Kindern. Einsetzen möchte sie sich generell auch für ein familienfreundlicheres Klima, erklärte Karmasin, hier gebe es noch viel Entwicklungspotential. In Analogie zur Frauenbewegung wünschte sich die Ministerin eine echte Familienbewegung. Es müsse ein Ruck durch das Land gehen, der für mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung für die Anliegen und Probleme der Familien sorgt, betonte Karmasin. Die Ministerin wies weiters darauf hin, dass eine moderne Familienpolitik, wie sie diese verstehe, nicht von einem einzigen kollektiven Lebensmodell ausgeht. Es gebe die verschiedensten Konzepte und Formen von Familie, die aufgezeigt und auch wertgeschätzt werden müssten.

In der Folge präsentierte die Ministerin die politischen Vorhaben der neuen Bundesregierung im Bereich Familie, für den zusätzlich 1,5 Mrd. € für die nächsten fünf Jahre bereitgestellt werden. Allein für die Familienbeihilfe sind davon 830 Mio. € reserviert, informierte Karmasin, auch das Schulstartgeld in der Höhe von 100 € konnte erhalten werden. Neben der Förderung von Mehrkindfamilien habe man sich darauf geeinigt, dass die Familienbeihilfe ab 1. Juli um 4 % erhöht wird sowie – anschließend in den nächsten zwei Jahren – jeweils um 1,9 %.

Was das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft, so gehe es nicht nur um den weiteren Ausbau der institutionellen und individuellen Kinderbetreuungsangebote, in die 350 Mio. € investiert werden, sondern auch um mehr qualifizierte Teilzeitangebote für Männer und Frauen. Sie vertrete nämlich die Ansicht, dass nicht die Arbeitnehmer unternehmensfreundlicher werden sollen, sondern die Betriebe familienfreundlicher. Neue Konzepte kündigte Karmasin auch hinsichtlich des Kinderbetreuungsgelds an, wo die einzelnen Varianten flexibler gestaltet werden sollen. Engagieren wolle sie sich auf jeden Fall auch dafür, dass die Beteiligung der Männer an der Kinderbetreuung weiter erhöht und es zu einer gerechteren Aufteilung von entgeltlicher und unentgeltlicher Arbeit zwischen den Geschlechtern kommt. Schließlich trat die Ministerin noch dafür ein, dass das Top-Jugendticket auch auf Studenten ausgedehnt wird.

ÖVP: Mehr Geld für die Familien trotz budgetär schwieriger Zeiten

Es sei sehr erfreulich, dass trotz budgetärer Knappheit finanzielle Mittel für die Leistungen und Anliegen der Familien in die Hand genommen werden, erklärten die Abgeordneten Georg Strasser und Dorothea Schittenhelm (beide V). Die Neuorganisation und Anhebung der Familienbeihilfe, die Reform des Kinderbetreuungsgeldes sowie der weitere quantitative und qualitative Ausbau der Betreuungseinrichtungen werden den Familien in den nächsten Jahren Halt und Zuversicht geben, war Strasser überzeugt. Die ersten Jahre im Leben eines Kindes sind besonders wichtig, weshalb ein liebevoller Umgang mit vertrauten Personen gewährleistet werden muss. Einerseits gehe es dabei um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, was von immer mehr Menschen gewünscht wird, erklärte Strasser. Andererseits müssen auch die Leistungen jener Eltern, die sich entscheiden, etwas länger bei den Kinder daheim zu bleiben, voll anerkannt und honoriert werden.

Schittenhelm wiederholte noch einmal die Eckpunkte des neuen Familienprogramms und wies u.a. darauf hin, dass auch der Zuschlag für behinderte Kinder erhöht wird. Positiv bewertete sie zudem, dass das Kinderbetreuungsgeld einfacher, flexibler und individueller gestaltet werden soll. Was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft, so müsse es den Familien vorbehalten bleiben, wer in welcher Intensität Familien- bzw. Erwerbsarbeit leistet, betonte ihre Fraktionskollegin Claudia Durchschlag, da habe sich der Staat nicht einzumischen. Die Politik müsse jedoch die Voraussetzungen dafür schaffen, damit die Menschen etwa auch Teilzeit arbeiten oder ihre Angehörigen pflegen können. Es sei daher erfreulich, dass sich immer mehr Betriebe dem Audit "Familie und Beruf" stellen.

SPÖ: Mehr Kinderbetreuungsplätze helfen sowohl den Eltern als auch der Wirtschaft

Abgeordnete Angela Lueger (S) gab zu bedenken, dass es bei der Gestaltung der zukünftigen Familienpolitik nicht nur rein um finanzielle Fragen gehen dürfe. Dennoch sei es natürlich wichtig und richtig, dass in dieser Regierungsperiode zusätzliche Mittel für die Familienbeihilfe (830 Mio. €) und den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen (350 Mio. €) eingesetzt werden. Ein Augenmerk müsse man darauf lenken, dass die eingesetzten Gelder auch tatsächlich bei den Menschen ankommen, gab Lueger der neuen Ministerin als Wunsch mit auf den Weg. So wisse man, dass es AlleinerzieherInnen oft sehr schwer haben und mit ihren Einkommen oft unter der Armutsgrenze liegen. Sie können nämlich auch nicht jene Steuervorteile nutzen, von denen vor allem jene Familien profitieren, die ohnehin schon ein hohes Einkommen haben. Nach Auffassung von Lueger sollten auch – ähnlich wie in Dänemark - Anreize geschaffen werden, um die Väterbeteiligung zu erhöhen. Diesen Ausführungen schloss sich auch ihre Fraktionskollegin Katharina Kucharowits an, die sich zudem noch für einen bezahlten Papa-Monat für alle Arbeitnehmer, einer Verbesserung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem im ländlichen Raum, der adäquaten Unterstützung von Jungfamilien sowie den Ausbau von ganztägigen Schulformen einsetzte.

Freiheitliche Kritik an der Familienpolitik: Viele Kinder von Armut bedroht

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache konnte sich dem "Jubelgeschrei" der Vertreter der Regierungsparteien nicht anschließen. Er erinnerte daran, dass die Familienbeihilfe in den letzten zehn Jahre nicht an die Inflation angepasst wurde, was zu einem großen Realverlust geführt habe. Vor allem viele AlleinerzieherInnen und ihre Kinder seien oft massiv von Armut bedroht. Wenn man es wirklich ernst meine, dann müsste die Unterstützung viel höher ausfallen, forderte Strache. Generell habe es die Politik in den letzten Jahrzehnten verabsäumt, der negativen demographischen Entwicklung entgegenzusteuern. Viele Menschen würden sich zwar mehr Kinder wünschen, dies scheitere aber an der Lebensrealität, da man sich Kinder oft nicht mehr leisten könne, gab er der freiheitliche Klubobmann zu bedenken. Andererseits soll man nicht vergessen, dass durch die Öffnung des Arbeitsmarktes für Osteuropäer zwar viele Menschen zu uns kommen, deren Kinder aber teilweise in ihren Heimatstaaten bleiben. Insgesamt gibt es 41.000 Kinder, die von Österreich Familienbeihilfe erhalten, aber nicht hier leben, zeigte Strache auf. Im Sinne des Herkunftsprinzips sollte man sich überlegen, in diesem Bereich etwas zu ändern. Die FPÖ-Mandatarin Anneliese Kitzmüller (F) kritisierte, dass von den Wahlversprechen der ÖVP, die soviel für die Familien tun wollte, wenig übrig geblieben sei.

Grüne fordern eine moderne und sozial gerechte Familienpolitik

Abgeordnete Daniela Musiol (G) gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Ankündigungspolitik ein Ende hat und es tatsächliche Verbesserungen für die Familien geben wird. Die Maßnahmen in den letzten Jahren waren enttäuschend, da nicht auf die verschiedenen Lebensformen Rücksicht genommen wurde, die Besserverdienende bevorzugt und immer nur kleine Fortschritte erreicht wurden. Sie glaube zwar, dass die neue Ministerin Karmasin für ein modernes Familienbild stehe, die aber von Teilen der ÖVP und der Vertreter der Länder und Gemeinden konterkariert werden. Die Grünen werden die Familienministerin jedenfalls unterstützen, wenn sie sinnvolle und sozial gerechte Maßnahmen vorantreibt, aber überall dort Kritik üben, wo es Rückschritte gibt und nur Ankündigungen gemacht werden. Ihr Klubkollege Julian Schmid versicherte, dass die meisten jungen Menschen Kinder haben wollen, aber oft an den Lebensumständen scheitern. Ein großes Problem sei sicher, dass die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsstätten, vor allem in den ländlichen Regionen, nicht ausreichend sind. Außerdem sollten die Karenzmöglichkeiten für Männer ausgebaut werden, um eine partnerschaftliche Betreuung der Kinder zu gewährleisten. Schmid trat zudem für das Recht von gleichgeschlechtlichen Paaren ein, Kinder adoptieren zu können.

Team Stronach: Mehr Wertschätzung für die Leistungen der Familien

Abgeordneter Leopold Steinbichler (T) war der Auffassung, dass die Familien in den letzten Jahren zu wenig unterstützt wurden. Ein Beispiel dafür sei, dass es bei der Familienbeihilfe 13 Jahre lang keine Anpassung an die Inflation gegeben hat. Es brauche daher Sofortmaßnahmen, damit sich die Familien das Leben wieder leisten können. Es wären auch genügend Mittel dafür vorhanden, wenn man endlich bei der Bürokratie spart und die Staatsverschuldung in den Griff bekommt, war Steinbichler überzeugt. Von Seiten des Team Stronach meldete sich noch Abgeordneter Georg Vetter zu Wort, der vor allem die "Friedensfunktion" der Familie in den Vordergrund stellte. Die Familie sei Ort für Geborgenheit und ein Raum, wo gegenseitiger Respekt und Toleranz gelernt werden. Kinder, die in einer solchen Umgebung aufwachsen, haben Respekt vor den Mitmenschen und den demokratischen Einrichtungen und sind gefeit davor, Hass zu verbreiten.

NEOS: Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr

Beate Meinl-Reisinger (N) bot zunächst von Seiten ihrer Partei eine konstruktive Zusammenarbeit mit Bundesministerin Karmasin an. Sie bezweifle jedoch, dass die Familienpolitik ideologiefrei betrachtet werden könne, da eine grundsätzliche Richtungsentscheidung getroffen werden müsse und es man nicht allen recht machen könne. Die angekündigten Maßnahmen sind jedenfalls begrüßenswert, wobei vor allem der Ausbau der Kinderbetreuung aus ihrer Sicht sehr erfreulich sei. Meinl-Reisinger hoffte, dass dadurch auch der Druck auf die Länder steige, sich auf einen einheitlichen Qualitätsrahmen zu einigen. Dazu gehöre ihrer Meinung nach auch ein Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Ein wichtiges Anliegen war ihr auch eine höhere Beteiligung der Väter. Ein weiterer Vertreter der NEOS, Gerald Loacker, gab zu bedenken, dass viele Familienleistungen nicht in Anspruch genommen werden, da man oft einen Steuerberater brauche, um den Förderdschungel zu durschauen. Kritik übte der Redner auch am Elternteilzeit-Modell, weil damit ebenfalls ein bürokratisches Monster geschaffen worden sei. (Fortsetzung Nationalrat) sue