Parlamentskorrespondenz Nr. 116 vom 17.02.2015

EU-Unterausschuss: Kontroverse um Fluggastdatenspeicherung

Maßnahmenpaket der EU-Staaten im Kampf gegen den Terrorismus

Wien (PK) – Der Plan der EU-InnenministerInnen, im Rahmen des verstärkten Kampfes gegen den Terrorismus auch Fluggastdaten zwischen den EU-Ländern auszutauschen, entzweite heute im EU-Unterausschuss Opposition und Regierungsparteien. FPÖ, Grüne, Team Stronach und NEOS sprachen sich entschieden dagegen aus, SPÖ und ÖVP sowie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterstrichen hingegen, dass man eine grundrechtskonforme und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechende Lösung anstrebe. Anträge der FPÖ und der NEOS, die Innenministerin seitens des Ausschusses zu verpflichten, gegen die Fluggastdatenspeicherung auf europäischer Ebene aufzutreten und auch innerstaatlich kein derartiges System aufzubauen, fanden im Ausschuss nicht die erforderliche Mehrheit.

Die Fluggastdatenspeicherung ist einer von acht Punkten der Pariser Erklärung der Innen- und JustizministerInnen (Paris Declaration) vom 11. Jänner dieses Jahres. Der Wunsch danach ist nicht neu, er ist bislang aber am Widerstand des EU-Parlaments gescheitert. Nach den grausamen Morden an Journalisten der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris Anfang Jänner dieses Jahres ist jedoch die Ablehnungsfront unter den EU-ParlamentarierInnen abgebröckelt. Bis Jahresende soll ein Gesetz über die EU-Fluggastdatensätze (Passenger Name Records - PNR) ausgearbeitet werden, mit dem Ziel, TerroristInnen leichter aufspüren zu können. Bereits jetzt gibt es ein Abkommen, auf Grund dessen die Daten von jenen Passagieren, die zwischen Europa und den USA bzw. Kanada reisen, gespeichert werden können.

Fluggastdatenspeicherung: Opposition befürchtet Verletzung der EU-Grundrechtecharta

Die Opposition befürchtete geschlossen eine massive Verletzung der EU-Grundrechtecharta sowie eine Aushebelung der Unschuldsvermutung durch Formen der Massenüberwachung, wie dies die Fluggastdatenspeicherung PNR vorsieht. Diese stelle eine Unverhältnismäßigkeit dar und gehe an der tatsächlichen Aufgabenstellung vorbei, hielt Reinhard Eugen Bösch seitens der FPÖ fest und sah sich darin eines Sinnes mit Europa-Abgeordneter Barbara Kappel (F).

Die Massenüberwachung bringe im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen gar nichts, zeigten sich auch Peter Pilz (G) und der Grüne Europa-Abgeordnete Michel Reimon überzeugt. Man könne mit den bereits vorliegenden Daten erfolgreich ermitteln, meinte Reimon. Pilz wies darauf hin, dass die bisherigen erfolgreichen Fahndungen auf Zufallstreffern beruhen. Es sei bemerkenswert, dass alle Täter schon vor den Anschlägen polizeibekannt gewesen seien, bemerkte Pilz, woraus er den Schluss zog, dass es vor allem an personellen Ressourcen der Fahndungsbehörden mangelt. Dem schloss sich auch Nikolaus Alm von den NEOS an. Auch er bezweifelte, ob alle Mittel bereits ausgeschöpft sind, und sah die Notwendigkeit, das Personal der Fahndungsbehörden aufzustocken. PNR ist seiner Meinung nach ein Überwachungssystem ohne jeglichen Anlass, das die Menschen unter Generalverdacht stelle. Privatsphäre, Meinungsfreiheit und Grundrechte seien Werte, die unsere Gesellschaft ausmachten und diese dürften daher in keiner Weise ausgehöhlt werden, unterstrich Alm. Er verwies auch auf den Europäischen Gerichtshof sowie auf den Verfassungsgerichtshof, die beide die Vorratsdatenspeicherung gekippt haben. Ebenso skeptisch äußerte sich Rouven Ertlschweiger (T) hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Massenüberwachung im Kampf gegen den Terror. Seine Bedenken galten auch der Datensicherheit, zumal immer wieder sensible Daten an die Öffentlichkeit gelangen.

Mikl-Leitner: Es wird an einer grundrechtskonformen Lösung gearbeitet

Peter Pilz (G) warf der Innenministerin vor, bei ihrer Zustimmung zur Pariser Deklaration die Stellungnahme des EU-Unterausschusses vom 5. April 2011 missachtet zu haben. Dem hielt Wolfgang Gerstl von der ÖVP entgegen, dass es sich dabei um eine Erklärung der MinisterInnen handle und um keinen EU-Rechtsakt. In der Deklaration sei ausdrücklich festgehalten, dass die Fluggastdatenspeicherung nur unter Berücksichtigung der Grundrechtecharta und der Datenschutzrichtlinie erfolgen könne, womit die Verhältnismäßigkeit und die Achtung der Grundrechte gewahrt bleibe.

Man befinde sich derzeit im Stadium der Diskussion auf europäischer Ebene, unterstrich auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die mehrmals bekräftigte, dass eine Lösung dieser Frage außerhalb der geltenden Grundrechte für sie nicht denkbar sei. Aus diesem Grund sei bei der Erarbeitung der PNR auch die Europäische Grundrechte-Agentur miteinbezogen, die ihrerseits 12 Punkte für eine grundrechtskonforme Lösung vorgelegt habe. Außerdem würden auch die höchstgerichtlichen Erkenntnisse zur Vorratsdatenspeicherung beachtet, stellte sie klar. Sie sehe daher in keiner Weise einen Widerspruch zur Stellungnahme des EU-Unterausschusses aus dem Jahr 2011, vielmehr gehe sie damit völlig konform.

Man warte nun auf konkrete Vorschläge, die dann einer Bewertung unterzogen würden. Europa-Abgeordneter Heinz Becker (V) wies darauf hin, dass 80% der Europa-ParlamentarierInnen für die Speicherung der Fluggastdaten eingetreten seien und auch Bundeskanzler Faymann im Rat die Forderung nach einer strikten und wirksamen Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung unterstützt habe.

Appell, sachlich und analytisch zu diskutieren

Der Sicherheitssprecher der SPÖ Otto Pendl appellierte an alle, in der Diskussion Sachlichkeit walten zu lassen und die Emotionen herauszunehmen. Es gehe immer um Verhältnismäßigkeit, sagte er, es habe sich aber gezeigt, dass man mit Präventionsmaßnahmen allein nicht auskomme. Auch gehe der Vorwurf von Peter Pilz, die gefassten Täter seien alle amtsbekannt gewesen, insofern ins Leere, als es sehr schwierig sei, im Vorfeld strafrechtliche Maßnahmen zu setzen. Es seien daher weitere Schritte in der Ausbildung, aber auch in technischer und wissenschaftlicher Hinsicht notwendig, um die analytischen Aufgabenstellungen zu bewältigen und rechtzeitig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Bei allen Maßnahmen müsse man sich dessen bewusst sein, dass es nicht nur um den Schutz der Bevölkerung gehe, sondern auch um den Schutz jener Beamtinnen und Beamten, die täglich im Einsatz für die Sicherheit der Bevölkerung tätig sind, betonte Pendl.

Kampf gegen den Terror: In Europa ist Geschlossenheit und Entschlossenheit spürbar

Im Kampf gegen den Terrorismus, der nicht nur Opfer in Paris, sondern auch in London, Madrid, Brüssel und jüngst in Kopenhagen gefordert hat, beabsichtigen die EU-InnenministerInnen eine verstärkte Koordination. Die oben genannte Pariser Erklärung spricht von einem solidarischen Vorgehen. In Europa sei nun Entschlossenheit und Geschlossenheit spürbar, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die Mitgliedstaaten seien sich darin einig, jenen keinen Spielraum zu lassen, die unsere Freiheit und Demokratie untergraben wollen. Die Stoßrichtung sehe zwei Pfeiler vor, einerseits Prävention und andererseits Repression.

Eine wichtige Rolle falle dabei der gemeinsamen Kommunikationsstrategie zu. So sei geplant, mit gezielten Maßnahmen der zunehmenden Radikalisierung junger Muslime über das Internet entgegenzuwirken, etwa durch die Entwicklung positiver zielgerichteter und leicht zugänglicher Informationen, die geeignet sind, radikaler Propaganda und Indoktrination entgegenzuwirken und die Grundrechte und Werte der EU zu fördern. Die Wertschätzung der Grund- und Freiheitsrechte sei die beste Waffe gegen den Terror, sagte dazu die Innenministerin. Die Strategie werde von der EU-Kommission gemeinsam mit der Grundrechte-Agentur ausgearbeitet. In die Strategie werden auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus aufgenommen, bemerkte sie gegenüber Angelika Winzig (V).

Die Mitgliedstaaten sind auch aufgerufen, das "Syria Strategic Communication Advisory Team - SSCAT)" mehr zu nutzen. Diese neuartige Einrichtung dient als Netzwerk und Unterstützung bei der Ausarbeitung von Kampagnen zur strategischen Kommunikation und Prävention von Terrorismus. Zudem will man die Kooperation mit Internetprovidern hinsichtlich der Möglichkeit suchen, Aufrufe zu Terror und Hass löschen zu können.

Ferner soll die Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung, unter anderem mit Hilfe von Europol, Eurojust und Interpol, intensiviert werden. Vor allem soll die Rolle von Europol gestärkt und dessen Informationssystem besser genutzt werden. Als wichtige Maßnahme will man extremistische Seiten besser analysieren und an die Mitgliedstaaten weitergeben.

Gleichzeitig ist angedacht, die EU-Außengrenzen effektiver zu schützen und in diesem Sinne das Schengener Informationssystem mehr als bisher zur Überwachung der Reisebewegungen von EuropäerInnen über die EU-Außengrenzen heranzuziehen. Man werde Risikoindikatoren definieren, um sogenannte "foreign fighters" identifizieren zu können, erklärte die Innenministerin. Auch will man mit jenen Ziel- und Transitländern enger kooperieren, die viele "foreign fighters" nutzen, um von Europa in den Krieg zu ziehen.

Geht es nach den Innen- und JustizministerInnen der EU, soll ferner ein verbesserter Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten dazu beitragen, die Verbreitung illegaler Waffen stärker begrenzen zu können.

Dem Vorwurf von Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch (F), Österreich habe seine Hausaufgaben nicht gemacht, hielt die Ministerin entgegen, dass man innerstaatlich sehr wohl wesentliche Schritte gesetzt habe. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an das Grenzkontrollgesetz, an das Symbole-Gesetz sowie an die Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz. Außerdem habe man die Polizeipräsenz verstärkt und die Sicherheitsoffensive werde Schritt für Schritt umgesetzt, bekräftigte sie. Die Beratungsstelle gegen Extremismus, die im Familienministerium angesiedelt ist, habe sich gut etabliert, berichtete die Ministerin, bisher seien 115 Anrufe eingegangen, 28 davon von besorgten Angehörigen. Außerdem sei sie im Gespräch mit der Unterrichtsministerin, da man das Wissen von PräventionsexpertInnen im Rahmen der LehrerInnenausbildung den Pädagogischen Hochschulen zur Verfügung stellen wolle.

Seitens der FPÖ unterstrich Europa-Abgeordnete Barbara Kappel (F) die Notwendigkeit einer verstärkten Behördenzusammenarbeit und eines besseren Schutzes der EU-Außengrenzen. Priorität hat ihr zufolge auch die geplante EU-Strategie zur Sicherheitspolitik sowie die Unterbindung der Terrorfinanzierung. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) jan