Bundesrat Stenographisches Protokoll 643. Sitzung / Seite 205

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Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Ferdinand Gstöttner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht des Justizausschusses liegt schriftlich vor, sodaß ich mich auf den Antrag beschränken kann.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

13.08

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der heute zu behandelnde Auslieferungsvertrag zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika ersetzt den bisher geltenden von 1930, in der Fassung des Zusatzabkommens von 1934. Schon deshalb besteht gewiß kein Einwand dagegen, den Auslieferungsverkehr zwischen beiden Staaten auf neue Rechtsgrundlagen zu stellen, die den veränderten Erfordernissen der Gegenwart entsprechen.

Als aktueller Anlaß wird im Bericht des Justizausschusses die beträchtliche Zunahme der möglichen Auslieferungsfälle angeführt. Höchst pikant, ja fast skurril mutet es freilich an, wenn als Begründung dafür nicht nur der inzwischen sichtvermerkfreie Reiseverkehr zwischen beiden Staaten angegeben wird, sondern auch das niedrigere Preisniveau für Transatlantikflüge. Soll damit etwa ein beiderseitiger Kriminaltourismus zu Diskonttarifen angesprochen werden?

Was nun die Vorzüge des neuen Abkommens anlangt, die ich voll anerkenne, so hebe ich insbesondere die Vereinfachung der materiellen und der prozeduralen Voraussetzungen für die Auslieferung hervor. Der Verzicht auf besondere Beweiserfordernisse – die früheren waren zweifellos allzu formalistisch – ist freilich schon etwas ambivalenter zu beurteilen. Immerhin geht es dabei nicht allein um die möglichst unbürokratische Erledigung der wechselseitigen Auslieferungsbegehren der beiden Vertragspartner. Vielmehr muß zugleich auch das rechtsstaatliche Gebot beachtet werden, verfolgte Personen nicht ohne ausreichenden Tatverdacht der Auslieferung gegen ihren Willen zu unterwerfen. Allerdings ist das auch im vorliegenden Abkommen durchaus gewährleistet.

Aus ähnlichen Erwägungen erscheint aber der Verzicht auf eine taxative Aufzählung der auslieferungsfähigen Delikte nicht ganz unproblematisch. Zumindest hätte es genauerer Überlegungen bedurft, ob aus unserer Sicht nicht bestimmte Deliktstypen von einer Auslieferung hätten ausgenommen werden sollen. Gleiches wäre dann natürlich auch den USA zuzubilligen gewesen. Insbesondere die von der Auslieferung ausgeschlossenen politischen strafbaren Handlungen sind im Abkommen nicht ausreichend definiert.

Ferner ist zwar keine Vertragspartei verpflichtet, eigene Staatsbürger auszuliefern, jede von ihnen ist aber dazu berechtigt, wenn es nach ihrem Ermessen angebracht erscheint und nach ihrem Recht nicht ausgeschlossen ist. Diese Ermächtigung erscheint aus unserer Sicht bedenklich, wenn man sich das politische Gewicht der Vereinigten Staaten von Amerika als ersuchender Staat vor Augen hält. Ebenso vermag ich auch die Regelung zu akzeptieren, daß die Auslieferung wegen Verjährung der Strafverfolgung bloß dann zu versagen ist, wenn die Verjährung nach dem Recht des ersuchenden Staates eingetreten ist. Nach meiner Überzeugung dürfte es auch und gerade dann zu keiner Auslieferung kommen, wenn die Strafbarkeit im ersuchten Staat infolge Verjährung entfallen ist. Zumindest in bezug auf eigene Staatsbürger muß dieser Grundsatz unverbrüchlich gelten.


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