Bundesrat Stenographisches Protokoll 653. Sitzung / Seite 97

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15.04

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Rechtsanwälte und Notare sind nicht nur die beiden sogenannten klassischen rechtsberatenden Berufe, ihnen kommt auch heute – ich möchte sagen, mehr denn je – eine ganz wesentliche Garantenstellung für die Sicherung und Bewahrung des demokratischen Rechtsstaates, der Grund- und Freiheitsrechte der Bürger, des guten Funktionierens der Rechtspflege und der Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens in unserer Ge-sellschaft zu.

Selbstverständlich unterliegt auch das Berufsrecht der Rechtsanwälte und Notare, so wie die gesamte Rechtsordnung, einem kontinuierlichen Modernisierungs- und Anpassungsbedarf an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Dabei muß man aber mit Augenmaß vorgehen und immer auch darauf achten, daß die Grundprinzipien der Tätigkeit der freien Rechtsberufe gewahrt und gesichert bleiben. Ein solches Grundprinzip ist etwa die unabhängige und, wie schon erwähnt, möglichst persönliche Berufsausübung. Ebenso unverzichtbar ist die absolute Seriosität als Grundlage des unabdingbaren Vertrauens der Bürger in die Integrität der rechtsanwaltlichen und notariellen Berufsausübung sowie ihrer beruflichen Selbstverwaltungen.

In diesem Sinn wurde zwar im Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Rechtsanwaltschaft die Berufsausübung in Form einer Rechtsanwalts-GesmbH ermöglicht, gleichzeitig aber doch auch versucht, das Prinzip der persönlichen und unabhängigen Berufsausübung möglichst weitgehend beizubehalten. Die sonst bei der GmbH zulässige Möglichkeit der Bestellung von Fremdgeschäftsführern oder Prokuraerteilung soll daher ebenso ausgeschlossen sein wie – zumindest vorerst – eine bloße Sachfirma und jedenfalls die von der Freiheitlichen Partei im Nationalrat geforderte Beteiligung von Fremdkapitalgesellschaftern. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich teile das nicht!) – Ja, Sie nicht, aber andere, interessanterweise auch aus diesem Berufsstand.

Das soll also ausgeschlossen sein, um, was unabänderliche Konsequenz einer Kapitalbeteiligung völlig Berufsfremder wäre, unerwünschte Abhängigkeiten bei der rechtsanwaltschaftlichen Berufsausübung im Interesse der Mandanten und der geordneten Rechtspflege zu vermeiden.

Was die Haftung bei der Rechtsanwalts-GesmbH anlangt, hat man sich im Entwurf nach langer Diskussion nicht für die Handelndenhaftung, deren Sinnhaftigkeit von der möglicherweise bloß sehr geringen Leistungskraft der Betroffenen abhängt, nicht entscheiden können, sondern – durchaus im Einvernehmen mit dem Berufsstand der Rechtsanwälte, aber auch unter Berücksichtigung ausländischer Vorbilder – für die mehr im Interesse der Klienten gelegene hohe Haftpflichtversicherungspflicht entschieden.

Meine Damen und Herren! Die Klienten der rechtsberatenden Berufe, wie der freien Berufe überhaupt, können in der Regel Qualität und Preisangemessenheit der freiberuflichen Leistung nicht beurteilen. Es ist daher aus Sicht vor allem auch des Konsumentenschutzes nicht vertretbar, wenn man die Berufszugangsvoraussetzungen unangemessen und zu Lasten eines entsprechenden Qualitätsniveaus nach unten nivellieren und, wie dies zum Teil gefordert wird, die bestehenden Berufsausübungsvorschriften und Honorarregelungen für Rechtsanwälte und Notare beseitigen würde.

Diese Regelungen dienen, wie schon gesagt wurde, im wesentlichen dem Interesse der Konsumenten. Sie haben aber auch die Funktion, eine gewisse ökonomische Basis für die Berufsausübung sicherzustellen, die für die Wahrung der Unabhängigkeit der freien Berufe und, so möchte ich sagen, in gewisser Weise auch der Seriosität ebenso unabdingbar ist.

Freilich ist dabei immer auch auf soziale Gesichtspunkte Bedacht zu nehmen, und diesem Grundgedanken wurde mit den im Gesetzentwurf vorgenommenen Änderungen des Rechtsanwaltstarifgesetzes, die heute schon angesprochen wurden, Rechnung getragen.

Bei den angesprochenen neuen Pauschalhonorarregelungen für einvernehmliche Ehescheidungen ist nicht daran gedacht, daß Rechtsanwälte überdurchschnittliche Beratungs- und Vertretungsleistungen zum Diskonttarif erbringen müssen. Es wurden vielmehr – im übrigen auch im vollen Einverneh


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