Stenographisches Protokoll

690. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 25., und Freitag, 26. Juli 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

690. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 25., und Freitag, 26. Juli 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 25. Juli 2002: 9.01 – 24.00 Uhr

Freitag, 26. Juli 2002: 0.00 – 4.57 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002)

2. Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (EIWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden

3. Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

4. Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen

5. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz)

6. Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden

7. Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird

8. Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird

9. Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird

10. Abkommen zur Änderung des Protokolls über Privilegien und Immunitäten der Europäischen Fernmeldesatellitenorganisation (EUTELSAT)

11. Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert wird

12. Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz geändert wird


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690. Sitzung / Seite 2

13. Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (Verwaltungsverfahrensnovelle 2002)

14. Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste

15. Bundesgesetz, mit dem Universitäts-Studiengesetz geändert wird

16. Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz)

17. Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002)

18. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus")

19. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll "Berglandwirtschaft")

20. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten

21. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung")

22. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (Protokoll "Bergwald")

23. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (Protokoll "Verkehr")

24. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll "Bodenschutz")

25. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege")

26. Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (Protokoll "Energie")

27. Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung

28. Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen

29. Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung

30. Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen


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690. Sitzung / Seite 3

31. Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002)

32. Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof

33. Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG)

34. Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird

35. Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen

36. Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen

37. Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002)

38. Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird

39. Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz)

40. Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird

41. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Religionsunterrichtsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das EU-Beamten-Sozialversicherungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Richterdienstgesetz, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Einsatzzula


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690. Sitzung / Seite 4

gengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002)

42. Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird

43. Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Manfred Gruber, Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010

44. Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (60. Novelle zum ASVG)

45. Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (27. Novelle zum GSVG)

46. Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum BSVG)

47. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG), BGBl. Nr. 287/1984 idF des BGBl. I Nr. xxx/2002 geändert wird

48. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (30. Novelle zum B-KUVG)

49. Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (11. Novelle zum NVG)

50. Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG)

51. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit

52. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

53. Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

54. Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

55. Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Umreihung von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates 23


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 5

Angelobung der Bundesräte Johanna Schicker und Horst Freiberger 24

Antrittsansprache des Präsidenten Ludwig Bieringer 24

Erklärung des Landeshauptmannes von Salzburg Dr. Franz Schausberger 28

Verlangen auf Durchführung einer Debatte 27

Debatte:

Josef Saller 32

Manfred Gruber 33

Dr. Robert Aspöck 36

Stefan Schennach 37

Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger 39

Jürgen Weiss 42

Personalien

Krankmeldungen 23

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 43

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 26

Ausschüsse

Zuweisungen 27 und 43

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Hedda Kainz, Herbert Würschl, Harald Reisenberger und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1987/J-BR/02)

der Bundesräte Hedda Kainz, Herbert Würschl, Harald Reisenberger und KollegInnen an die Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1988/J-BR/02)

Begründung: Hedda Kainz 117

Beantwortung: Staatssekretär Franz Morak 119

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 121

Redner:

Herbert Würschl 122

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 124

Mag. Harald Himmer 125

Harald Reisenberger 127

Dr. Peter Böhm 132

Albrecht Konecny 134

Stefan Schennach 136


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 6

der Bundesräte Albrecht Konecny, Roswitha Bachner, Klaus Gasteiger, Mag. Melitta Trunk und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1989/J-BR/01)

Begründung: Albrecht Konecny 139

Beantwortung: Bundesminister Mag. Herbert Haupt 146

Redner:

Roswitha Bachner 152

Klaus Gasteiger 154

Mag. Melitta Trunk 155

Dr. Peter Böhm (zur Geschäftsbehandlung) 159

Mag. Gerhard Tusek 160

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 160

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und KollegInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gefährdung der unparteiischen Amtsführung des Bundesministers für Justiz durch laufende Zahlungen aus seiner ehemaligen Kanzlei (2009/J-BR/02)

Dr. Peter Böhm (zur Geschäftsbehandlung) 278

Begründung: Mag. Dietmar Hoscher 280

Beantwortung: Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 282

Redner:

Albrecht Konecny 287

Anna Schlaffer 290 und 292

Dr. Robert Aspöck 291

Dr. Peter Böhm 294

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002) (1116 und 1242/NR sowie 6689 und 6704/BR d. B.)

(2) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (EIWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden (1243/NR sowie 6690 und 6705/BR d. B.)

(3) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (713/A und 1222/NR sowie 6691 und 6706/BR d. B.)

(4) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (482 und 1223/NR sowie 6707/BR d. B.)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 7

Berichterstatterin: Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 45

[Antrag zu (1) und (2), der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen und zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 8

Redner:

Harald Reisenberger 46

Hans Ager 48

Johanna Auer 49

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 50

Stefan Schennach 51

Johann Ledolter 53

Johann Kraml 55

Ing. Gerd Klamt 56

Mag. Dietmar Hoscher 57

Jürgen Weiss 58

Staatssekretärin Mares Rossmann 61

Christoph Hagen 63

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu (1) und (2), der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen (mit Stimmenmehrheit) 64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (3) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 65

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (4) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 65

(5) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz) (1180 und 1195/NR sowie 6708/BR d. B.)

Berichterstatterin: Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 65

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 9

Redner:

Roswitha Bachner 65

Leopold Steinbichler 68

Mag. Melitta Trunk 70

Ulrike Haunschmid 72

Staatssekretärin Mares Rossmann 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 74

(6) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1172 und 1244/NR sowie 6709/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 74

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Herbert Würschl 75

Paul Fasching 76

Horst Freiberger 77

Christoph Hagen 79

Stefan Schennach 80

und (tatsächliche Berichtigung) 87

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 83

Herta Wimmler 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 88

(7) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird (680/A und 1245/NR sowie 6686 und 6710/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 88

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Alfredo Rosenmaier 88

Alfred Schöls 91

Theodor Binna 92

Christoph Hagen 93

Stefan Schennach 95

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 97

Mag. Gerhard Tusek 99

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 100

(8) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (544/A und 1210/NR sowie 6711/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 101

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Stefan Schennach 101

Friedrich Hensler 102

Karl Boden 103

Wilhelm Grissemann 103

Mag. Dietmar Hoscher 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 105

(9) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (707/A und 1211/NR sowie 6712/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Thomas Ram 105

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Leopold Steinbichler 106

Karl Boden 106

Engelbert Weilharter 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 108

(10) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zur Änderung des Protokolls über Privilegien und Immunitäten der Europäischen Fernmeldesatellitenorganisation (EUTELSAT) (1001 und 1208/NR sowie 6713/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 108

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Karl Boden 109

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 109

Gemeinsame Beratung über

(11) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert wird (234/A und 1257/NR sowie 6714/BR d. B.)

(12) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz geändert wird (318/A und 1258/NR sowie 6715/BR d. B.)

(13) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (Verwaltungsverfahrensnovelle 2002) (1126 und 1259/NR sowie 6716/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Gerhard Tusek 110

[Antrag, zu (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Johann Kraml 110

Jürgen Weiss 111

Dr. Peter Böhm 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 114

Gemeinsame Beratung über

(14) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (1134 und 1224/NR sowie 6697 und 6717/BR d. B.)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 10

(15) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Universitäts-Studiengesetz geändert wird (1225/NR sowie 6718/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Saller 115

[Antrag zu (14), gegen den vorliegenden Beschluss – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben und zu (15) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Johanna Auer 115

Herwig Hösele 161

Mag. Melitta Trunk 163

Dr. Peter Böhm 165

Mag. Gerhard Tusek 168

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 170

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (14), gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 173

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (15) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 173

Gemeinsame Beratung über

(16) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz) (1159 und 1226/NR sowie 6719/BR d. B.)

(17) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002) (1160 und 1240/NR sowie 6720/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 174

[Antrag, zu (16) und (17) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Johanna Auer 174

Leopold Steinbichler 175

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 176

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (16) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit)

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (17) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 178

Gemeinsame Beratung über

(18) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (das Protokoll "Tourismus") (1090 und 1227/NR sowie 6721/BR d. B.)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 11

(19) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (das Protokoll "Berglandwirtschaft") (1091 und 1228/BR sowie 6722/BR d. B.)

(20) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten (1092 und 1229/NR sowie 6723/BR d. B.)

(21) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (das Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung") (1093 und 1230/NR sowie 6724/BR d. B.)

(22) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (das Protokoll "Bergwald") (1094 und 1231/NR sowie 6725/BR d.)

(23) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (das Protokoll "Verkehr") (1095 und 1232/NR sowie 6726/BR d. B.)

(24) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (das Protokoll "Bodenschutz") (1096 und 1233/NR sowie 6727/BR d. B.)

(25) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (das Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege") (1097 und 1234/NR sowie 6728/BR d. B.)

(26) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (das Protokoll "Energie") (1098 und 1235/NR sowie 6729/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 180

[Antrag zu (18), (19), (20), (21), (22), (23), (24), (25) und (26), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Germana Fösleitner 181

Klaus Gasteiger 183

Ulrike Haunschmid 184

Stefan Schennach 185

Georg Keuschnigg 187

Manfred Gruber 188

Mag. John Gudenus 189

Johanna Schicker 191

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 192

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (18), (19), (20), (21) und (22), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 193

Entschließungsantrag der Bundesräte Georg Keuschnigg, Wilhelm Grissemann, Klaus Gasteiger und Stefan Schennach betreffend Unter


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690. Sitzung / Seite 12

stützung der Bewerbung Innsbrucks als Sitz des ständigen Sekretariats der Alpenkonvention 188

Annahme (E/183-BR/02) 194

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (23), (24), (25) und (26), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 194

Gemeinsame Beratung über

(27) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung (1144 und 1236/NR sowie 6730/BR d. B.)

(28) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen (1145 und 1237/NR sowie 6731/BR d. B.)

(29) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung (1171 und 1238/NR sowie 6732/BR d. B.)

(30) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen (1146 und 1239/NR sowie 6733/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 196

[Antrag zu (27), (28), (29) und (30), 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Georg Keuschnigg 197

Klaus Gasteiger 197

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 198

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (27), (28), (29) und (30), 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 199

(31) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) (1166 und 1213/NR sowie 6695 und 6738/BR d.B.)


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690. Sitzung / Seite 13

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm 200

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Anna Schlaffer 201

Herwig Hösele 203

Johanna Auer 205

Dr. Robert Aspöck 206

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 206

Mag. John Gudenus 207

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 208

Entschließungsantrag der Bundesräte Anna Schlaffer und KollegInnen betreffend sofortige Ausarbeitung einer Novelle zum Waffengesetz 203

Ablehnung 209

(32) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (1168 und 1214/NR sowie 6696 und 6739/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Schlaffer 209

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein 209

Johanna Auer 210

Mag. John Gudenus 211

Albrecht Konecny 212

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 214

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen betreffend den Internationalen Strafgerichtshof 213

Ablehnung 214

Gemeinsame Beratung über

(33) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG) (1167 und 1215/NR sowie 6740/BR d. B.)

(34) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (1169 und 1216/NR sowie 6741/BR d. B.)

(35) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1003 und 1217/NR sowie 6742/BR d. B.)


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690. Sitzung / Seite 14

(36) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (974 und 1218/NR sowie 6743/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. John Gudenus 215

[Antrag, zu (33) und (34) keinen Einspruch zu erheben und zu (35) und (36), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Mag. Melitta Trunk 216

Mag. Harald Himmer 216

Dr. Klaus Peter Nittmann 217

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (33) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 219

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (34) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 219

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (35) und (36), dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 219


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690. Sitzung / Seite 15

Gemeinsame Beratung über

(37) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002) (1175 und 1202/NR sowie 6692 und 6734/BR d. B.)

(38) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird (1203/NR sowie 6693 und 6735/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Würschl 220

[Antrag, zu (37) und (38) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Ferdinand Maier 220

Alfredo Rosenmaier 221

Engelbert Weilharter 221

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (37) und (38) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 222

Gemeinsame Beratung über

(39) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz) (1181 und 1204/NR sowie 6694 und 6736/BR d. B.)

(40) Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird (714/A und 1205/NR sowie 6737/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck 223

[Antrag zu (39), gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben und zu (40) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Günther Kaltenbacher 223

Dr. Ferdinand Maier 224

Ulrike Haunschmid 224

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu 39, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 226

Entschließungsantrag der Bundesräte Ulrike Haunschmid, Johann Ledolter, Günther Kaltenbacher und Stefan Schennach betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben 225

Annahme (E/182-BR/02) 226

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (40) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 226

Gemeinsame Beratung über

(41) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Religionsunterrichtsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das EU-Beamten-Sozialversicherungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Richterdienstgesetz, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Einsatzzulagengesetz und das Bundes


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690. Sitzung / Seite 16

finanzgesetz 2002 geändert werden (Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002) (1182, 709/A und 1260/NR sowie 6687 und 6744/BR d. B.)

(42) Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird (1261/NR sowie 6688 und 6745/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Thomas Ram 227

[Antrag zu (41), gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben und zu (42) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Herbert Würschl 227

Alfred Schöls 229

Mag. Melitta Trunk 229 und 238

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 232

Dr. Klaus Peter Nittmann 234

Theodor Binna 236

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 236

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (41), gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 239

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Melitta Trunk und KollegInnen betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal 231

Zurückziehung 238

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Melitta Trunk und KollegInnen betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal 239

Ablehnung 240

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (42) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 240

(43) Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Manfred Gruber, Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 (132/A(E)-BR/02 sowie 6746/BR d. B.)

Berichterstatterin: Mag. Melitta Trunk 240

(Antrag, der Bundesrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen)

Redner:

Josef Saller 240

Manfred Gruber 241

Dr. Robert Aspöck 242

Ernst Winter 242

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, der Bundesrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) (E/181-BR/02) 242


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690. Sitzung / Seite 17

Gemeinsame Beratung über

(44) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (60. Novelle zum ASVG) (1183, 201/A und 1193/NR sowie 6698 und 6747/BR d. B.)

(45) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (27. Novelle zum GSVG) (1184 und 1200/NR sowie 6699 und 6748/BR d. B.)

(46) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum BSVG) (1185 und 1199/NR sowie 6700 und 6749/BR d. B.)

(47) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG), BGBl. Nr. 287/1984 idF des BGBl. I Nr. xxx/2002 geändert wird (1198/NR sowie 6750/BR d. B.)

(48) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (30. Novelle zum B-KUVG) (1186 und 1197/NR sowie 6701 und 6751/BR d. B.)

(49) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (11. Novelle zum NVG) (1187 und 1196/NR sowie 6702 und 6752/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 243

[Antrag, zu (44), (45), (46), (47), (48) und (49) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Jürgen Weiss 244

Paul Fasching 248

Horst Freiberger 250

Ulrike Haunschmid 252

Christoph Hagen 253

Anna Höllerer 254

Ilse Giesinger 256

Herwig Hösele 258

Hedda Kainz 259

Gottfried Kneifel 261

Johanna Schicker 262

Albrecht Konecny 263

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 265

Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, Einspruch zu erheben 245

Ablehnung 268


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690. Sitzung / Seite 18

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (44), (45), (46), (47), (48) und (49) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 268

Gemeinsame Beratung über

(50) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG) (1142 und 1201/NR sowie 6703 und 6753/BR d. B.)

(51) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit (971 und 1194/NR sowie 6754/BR d. B.)

Berichterstatter: Harald Reisenberger 270

[Antrag zu (50), der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen und zu (51) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Jürgen Weiss 270

Günther Kaltenbacher 271

Ing. Gerd Klamt 272

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (50), der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen (mit Stimmenmehrheit) 273

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (51) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 273

Gemeinsame Beratung über

(52) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird, und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1140 und 1262/NR sowie 6755/BR d. B.)

(53) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1035 und 1265/NR sowie 6756/BR d. B.)

(54) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1266/NR sowie 6757/BR d. B.)


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690. Sitzung / Seite 19

(55) Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (1143 und 1269/NR sowie 6758/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Klaus Peter Nittmann 274

[Antrag, zu (52), (53), (54) und (55) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Anna Schlaffer 274

Herta Wimmler 276

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 276

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (52) und (53) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 277

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (54) und (55) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 278

 

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend die staatliche Kontrolle der Verwertungsgesellschaften für Urheberrechte in Österreich (1960/J-BR/02)


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690. Sitzung / Seite 20

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Kündigung der Zusammenarbeit Kärntens mit der Österreich Werbung (1961/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Regierungsauftrag an Jörg Haider (1962/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Regierungsauftrag an Jörg Haider (1963/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1964/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1965/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1966/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1967/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1968/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1969/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1970/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1971/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1972/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit(1973/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1974/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend automationsunterstützte Erfassung der Dienstzeit (1975/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Urlaubsverzicht des Finanzministers (1976/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Herbeischaffung aller notwendigen Unterlagen für die Prüftätigkeit des kleinen Untersuchungsausschusses des Nationalrates (1977/J-BR/02)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Schüler- und Lehrlingsfreifahrten (1978/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verbot der Herkunftsbezeichnung "Made in Israel" für Produkte aus den besetzten palästinensischen Gebieten (1979/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verbot der Herkunftsbezeichnung "Made in Israel" für Produkte aus den besetzten palästinensischen Gebieten (1980/J-BR/02)

der Bundesräte Karl Boden und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend eine Reise zum Formel 1-Grand Prix nach Monaco (1981/J-BR/02)

der Bundesräte Johann Kraml und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Konsequenzen aus den aktuellen Futtermittelskandalen in Europa (1982/J-BR/02)

der Bundesräte Johann Kraml und KollegInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Konsequenzen aus den aktuellen Futtermittelskandalen in Europa (1983/J-BR/02)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und KollegInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Einstellung von polizeilichen Erhebungen gegen den Österreichi


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Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 21

schen Tierschutzverein (ÖTV) trotz schwer wiegender Verdachtsmomente (1984/J-BR/02)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und KollegInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einstellung von polizeilichen Erhebungen gegen den Österreichischen Tierschutzverein (ÖTV) trotz schwer wiegender Verdachtsmomente (1985/J-BR/02)

der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Mag. Thomas Ram, Christoph Hagen und KollegInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Umstrukturierungen im Bundesministerium für Inneres (1986/J-BR/02)

der Bundesräte Hedda Kainz, Herbert Würschl, Harald Reisenberger und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1987/J-BR/02)

der Bundesräte Hedda Kainz, Herbert Würschl, Harald Reisenberger und KollegInnen an die Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1988/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny, Roswitha Bachner, Klaus Gasteiger, Mag. Melitta Trunk und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1989/J-BR/02)

der Bundesräte Karl Boden und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrten (1990/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler – ergeht auch an alle anderen Mitglieder der Bundesregierung – betreffend Daten zu den Mitgliedern des Vorstandes und der Aufsichtsräte der Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen (1991/J-2002/J-BR/02)

der Bundesräte Georg Keuschnigg, Maria Grander und Hans Ager an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Beiziehung von Ländervertretern in den Fachhochschulrat (2003/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kompensationsgeschäfte beim Abfangjägerkauf (2004/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mineralölsteuerbefreiung für die Binnenschifffahrt (2005/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Cocktail-Empfänge (2006/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Kompensationsgeschäfte beim Abfangjägerkauf (2007/J-BR/02)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Gehälter in den Sozialversicherungsträgern (2008/J-BR/02)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 22

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny, Anna Schlaffer und KollegInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gefährdung der unparteiischen Amtsführung des Bundesministers für Justiz durch laufende Zahlungen aus seiner ehemaligen Kanzlei (2009/J-BR/02)

Zurückgezogen wurde

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter, Dr. Ferdinand Maier und KollegInnen betreffend Versagen der sozialistischen Gesundheitspolitik und mittelfristige Sicherstellung der Krankenkassenfinanzierung (133/A(E)-BR/02)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1775/AB-BR/02 zu 1934/J-BR/02)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und KollegInnen (1776/AB-BR/02 zu 1936/J-BR/02)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1777/AB-BR/02 zu 1932/J-BR/02)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Johanna Schicker und KollegInnen (1778/AB-BR/02 zu 1933/J-BR/02)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1779/AB-BR/02 zu 1942/J-BR/02)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und KollegInnen (1780/AB-BR/02 zu 1935/J-BR/01)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1781AB-BR/02 zu 1941/J-BR/02)

 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 23

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Präsident Ludwig Bieringer: Ich eröffne die 690. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 689. Sitzung des Bundesrates vom 27. Juni 2002 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Ing. Walter Grasberger, Uta Barbara Pühringer und Herbert Thumpser.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Umreihung von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Reinhold Purr

Präsident des Steiermärkischen Landtages

Herrn Ludwig Bieringer

Präsident des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Bundesrat Horst Freiberger hat mit Schreiben vom 28. Juni 2002 (eingelangt am 2. Juli 2002) mitgeteilt, dass er auf sein Bundesratsmandat mit Wirksamkeit 3. Juli 2002 verzichtet. Ebenfalls mit Wirksamkeit 3. Juli 2002 legt Ersatzmitglied Günther Prutsch auch sein Mandat des Bundesrates mit Schreiben vom 28. Juni 2002 (eingelangt am 2. Juli 2002) zurück.

Bundesrätin Johanna Schicker hat mit Schreiben vom 28. Juni 2002 (eingelangt am 2. Juli 2002) mitgeteilt, dass sie auf ihr Bundesratsmandat mit Wirksamkeit 3. Juli 2002 verzichtet. Ebenfalls mit Wirksamkeit 3. Juli 2002 verzichtet Ersatzmitglied Waltraut Hladny auf ihr Mandat des Bundesrates mit Schreiben vom 28. Juni 2002 (eingelangt am 2. Juli 2002).

In der 27. Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 4. Juli 2002 wurden anstelle des zurückgetretenen Bundesrates Horst Freiberger beziehungsweise Ersatzmitglied Günther Prutsch (4. Stelle)

Mitglied des Bundesrates: Johanna Schicker, geb. am 15. 5. 1943, Sommersiedlung 32, 8712 Niklasdorf

Ersatzmitglied: Günther Prutsch, geb. am 30. 3. 1956, Ratschendorf 77, 8483 Deutsch Goritz

und anstelle der zurückgetretenen Bundesrätin Johanna Schicker beziehungsweise Ersatzmitglied Waltraut Hladny (10. Stelle)

Mitglied des Bundesrates: Horst Freiberger, geb. am 11. 11. 1957, Weinbergweg 11b, 8280 Fürstenfeld

Ersatzmitglied: Waltraut Hladny, geb. am 15. 8. 1950, An der Überfuhr 5, 8700 Leoben

gewählt.

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen, und verbleibe


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 24

mit freundlichen Grüßen"

Präsident Ludwig Bieringer: Die wieder gewählten Bundesräte sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um Namensaufruf.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Johanna Schicker.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Horst Freiberger.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Ich gelobe.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich begrüße die wieder gewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Antrittsansprache des Präsidenten

9.06

Präsident Ludwig Bieringer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen und willkommen heißen.

Es ist mir eine ganz besondere Ehre und Freude zugleich, dass der Vorsitzende der Landeshauptmännerkonferenz Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger in unserer Mitte weilt. Ich darf dich, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, sehr herzlich bei uns begrüßen und willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Es ist üblich, dass man bei Antrittsreden auch besondere Gäste begrüßt. Ich darf mir daher erlauben, den hochwürdigsten Herrn Generalvikar der Erzdiözese Salzburg Prälat Dr. Hans Reismeier sehr herzlich in unserer Mitte zu begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Prälat Reismeier ist deswegen hier – das möchte ich ausdrücklich betonen –, weil er seit 14 Jahren mein Ortspfarrer ist, und daher gestatten Sie, dass ich ihn sehr herzlich bei uns begrüße.

Es ist mir eine große Freude, dass der "Mister Bundesrat" heute hier ist und unter uns weilt, nämlich jener Mann, der 29 Jahre lang und davon 22 Jahre als Präsidiumsmitglied diesem Hohes Hause angehört hat: Lieber Herbert Schambeck, sei herzlichst bei uns begrüßt! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich in Ihrer aller Namen meine Frau begrüße, und zwar deswegen auch in Ihrer aller Namen, weil ich sie stellvertretend für Ihre Ehegattinnen und Ehegatten begrüßen möchte, da alle unsere Ehepartner sehr darunter leiden, dass wir fast nie zu Hause, immer unterwegs sind, weshalb sie sehr viele Entbehrungen auf sich nehmen müssen. Ich darf daher sehr herzlich meine Frau und meine Tochter hier bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 25

Stellvertretend für alle, die heute gekommen sind, darf ich sehr herzlich begrüßen meine Trachtenmusikkapelle Wals und die Historischen Landwehrschützen Wals, die heute vor dem Parlamentsgebäude ein bisschen "umgerührt" haben – wahrscheinlich wird ihnen von der Gemeinde Wien Dank ausgesprochen werden, weil sie die Tauben verjagt haben –, die im Lokal VIII via Fernsehschirm bei uns sind, sowie alle anderen erschienenen Damen und Herren, die aus Salzburg und Wien gekommen sind, um bei meiner Antrittsrede dabei zu sein. (Allgemeiner Beifall.)

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke sehr herzlich meiner Vorgängerin, Frau Präsidentin Uta Barbara Pühringer, die für das Bundesland Oberösterreich in hervorragender Weise diesen unseren Bundesrat im In- und Ausland würdig repräsentiert hat.

Frau Präsidentin Pühringer ist leider krank. Ich darf ihr von dieser Stelle aus die besten Genesungswünsche aussprechen.

In diesen Dank möchte ich auch die beiden Vizepräsidenten, Frau Anna Elisabeth Haselbach und Herrn Jürgen Weiss, einschließen.

Ich bitte gleichzeitig die Frau Vizepräsidentin und den Herrn Vizepräsidenten um eine ebenso gute Zusammenarbeit, wie ich mir dies auch von meinen beiden Fraktionsvorsitzenden-Kollegen Professor Albrecht Konecny und Universitätsprofessor Dr. Böhm in altbewährter Weise wünsche.

Ich ersuche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesratsdienstes, an deren Spitze Herrn Bundesratsdirektor Dr. Labuda, und alle Damen und Herren der Parlamentsdirektion um eine angenehme und gute Zusammenarbeit. Ich darf Ihnen versichern: Das, was ich dazu beitragen kann, werde ich gerne tun. (Allgemeiner Beifall.)

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß den Bestimmungen der österreichischen Bundesverfassung bin ich als erstgereihter Bundesrat des Bundeslandes Salzburg zur Vorsitzführung im Bundesrat berufen. Diese Ehre wird mir bereits zum dritten Mal zuteil. Dafür bin ich dem Salzburger Landtag und insbesondere dir, hoch geschätzter Herr Landeshauptmann, zu großem Dank verpflichtet.

Meine Damen und Herren! Verfassungspolitische Vorschläge zu einer Reform des Bundesstaates und somit auch des Bundesrates gibt es bereits seit den Verhandlungen für die erste österreichische Bundesverfassung, die bekanntlich am 1. Oktober 1920 beschlossen wurde. Karl Renner und Ignaz Seipel konnten ihre Vorstellungen eines schlagkräftigen Bundesrates damals nicht durchbringen. Ignaz Seipel sprach 1928 von dessen "Bagatellisierung durch die Länder", die, wie er verärgert festhielt, ihre Landeshauptmänner lieber in den Nationalrat als in den Bundesrat entsandten, was ursprünglich politisch intendiert gewesen, wenngleich nicht als zwingende Vorgabe verfassungsrechtlich festgeschrieben worden war.

Zu sehr waren die Interessen des Bundes und der Länder, aber auch des Nationalrates unterschiedlich. Ich möchte hier gar nicht darauf eingehen, was ich in meiner mehr als fünfjährigen Amtszeit als Fraktionsvorsitzender der Mehrheitsfraktion dieses Hauses erlebt habe, sondern ich will heute lediglich ein paar Anmerkungen für Reformvorschläge machen.

Lassen Sie mich dazu jene Vorschläge in Erinnerung rufen, die in letzter Zeit diskutiert wurden! Hier seien der steirische Landesrat Hirschmann und Universitätsprofessor Pichler zitiert, die einen Generallandtag vorgeschlagen haben, oder die Vorschläge des niederösterreichischen Landtagspräsidenten Freibauer, die, vereinfacht ausgedrückt, die Präsidenten der Landtage als Mitglieder des Bundesrates sehen möchten.

Was können wir zusammenfassend dazu sagen? – Der Hirschmann-Vorschlag hat sich wohl von selbst erledigt. Einen Generallandtag will niemand, ich wage zu behaupten, braucht niemand. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 26

Die verschiedenen Vorschläge der Landtage werden auch nicht mehr wirklich diskutiert. Und schließlich: Was tun wir, der Bundesrat selbst? – Wir haben Anträge eingebracht, die sanft und leise im Nationalrat schlummern. Ich denke dabei an das Stellungnahmerecht, das zweifelsohne ein effizientes, gleichzeitig aber auch intensives Mitarbeiten des Bundesrates an der Gesetzgebung des Bundes nach sich ziehen würde, oder als weiteres Beispiel an die lapidare Möglichkeit der Beseitigung von offensichtlichen Schreib- oder Druckfehlern beziehungsweise die Möglichkeit, sprachliche Mängel von Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates zu bereinigen. Dies ist ja keine föderalistische Angelegenheit, meine Damen und Herren, sondern etwas für die Bürger, dass die Gesetze besser gelesen werden können. Hier müsste ja der hohe Nationalrat selbst Interesse daran haben, dass dies beseitigt wird.

Ich habe nur zwei in letzter Zeit öfters diskutierte Vorschläge gebracht. Wir wollen und dürfen aber trotzdem nicht einfach nachgeben oder gar aufgeben.

Ich bin daher sehr froh darüber, dass das Institut für Föderalismus gemeinsam mit dem Bundesrat am 23. Oktober dieses Jahres im Parlament in Wien eine Veranstaltung, die man ja in der Zwischenzeit mit einem neudeutschen Wort "Workshop" nennt, durchführen wird. Es soll im Rahmen einer Aussprache über die Möglichkeiten der verbesserten Durchsetzung von Länderinteressen im Bundesrat diskutiert werden. Es sollen dabei keine hochfliegenden und in der politischen Realität nicht umsetzbaren Pläne gemacht werden, sondern in erster Linie sollen durchsetzbare, praktisch verwertbare Vorschläge ausgearbeitet werden.

Bei dieser Veranstaltung soll an der Verfassungsrealität angesetzt werden, und es sollen nicht irgendwelche allgemein gehaltenen Reformkonzepte diskutiert werden. Ziel muss es dabei sein, möglichst konkrete Ergebnisse herauszuarbeiten, die dann in ein Konzept für das weitere Vorgehen münden können.

Hiezu möchte ich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, schon heute einladen, damit wir hier einen Schritt weiter kommen, noch dazu, wo zu dieser Veranstaltung als Referenten unter anderen die Präsidenten des Niederösterreichischen und des Wiener Landtages eingeladen werden.

Ich bin überzeugt davon, dass wir einen großen Schritt vorwärts machen können – wenn wir wollen! –, weil sehr viel ohne Verfassungsänderung erreicht werden kann.

In diesem Sinne bitte ich Sie heute schon um Ihre Mitarbeit. Gehen wir dieses zweite Halbjahr gemeinsam an!

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

9.16

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Republik Österreich

Bundeskanzleramt

Ministerratsdienst"

"Der Herr Bundespräsident hat am 26. Juni 2002, Zl. 300.100/53-BEV/02, folgende Entschließung gefasst:


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 27

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer innerhalb des Zeitraumes vom 15. bis 28. Juli 2002 den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

"Herrn Präsident Ludwig Bieringer"

"Bekanntgabe einer Vertretung

Sehr geehrter Herr Präsident!

Laut Artikel 73 Abs. 3 BVG gibt das BMLFUW bekannt, dass aufgrund einer Auslandsreise von Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer für das Bundesrats-Plenum am 25. Juli 2002 die Stellvertretung übernehmen wird.

Mit freundlichen Grüßen"

Dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind ferner die Anfragebeantwortungen 1775/AB bis 1781/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind auch zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von beweglichem Bundesvermögen und ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen.

Gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegen diese Beschlüsse des Nationalrates nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Die eingelangten Berichte der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2001) und über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2001 habe ich dem Ausschuss für innere Angelegenheiten beziehungsweise dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Erklärung des Landeshauptmannes von Salzburg

Präsident Ludwig Bieringer: Ich gebe bekannt, dass mir der Landeshauptmann von Salzburg, Herr Dr. Franz Schausberger, mitgeteilt hat, eine Erklärung betreffend "Die österreichischen Bundesländer – sichere und starke Regionen im gemeinsamen Europa" gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates abgeben zu wollen.

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann sogleich zur Abgabe einer Erklärung das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an diese Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 28

Wir gelangen somit zur Erklärung des Landeshauptmannes von Salzburg, Dr. Franz Schausberger betreffend "Die österreichischen Bundesländer – sichere und starke Regionen im gemeinsamen Europa".

Ich erteile nunmehr dem Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

9.21

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger: Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des österreichischen Bundesrates! Liebe Gäste, vor allem liebe Gäste aus dem Bundesland Salzburg! Nachdem nun auch in der Öffentlichkeit unüberhörbar und unübersehbar Salzburg den Vorsitz im österreichischen Bundesrat übernommen hat, möchte ich noch einmal meinem Freund und dem Bürgermeister von Wals-Siezenheim, Bundesrat Ludwig Bieringer, sehr herzlich zur Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat gratulieren.

Ich bedanke mich außerdem sehr dafür, dass ich heute die Möglichkeit habe, als derzeitiger Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz ein paar Worte an Sie zu richten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zu Beginn noch auf Folgendes hinweisen: Von den beiden Oberösterreichern Pühringer und Pühringer haben die beiden geborenen Oberösterreicher und inzwischen glühende Salzburger gewordenen Bieringer und Schausberger den Vorsitz in diesen beiden wichtigen Gremien übernommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das letzte Mal hatte ich den Vorsitz in der Landeshauptmännerkonferenz im April 1998 übernommen. Als Motto für meine damalige Tätigkeit als Vorsitzender hatte ich: "Föderalismus als ein Schritt zu mehr Bürgernähe". Die Hauptforderung war, Kompetenzen zu dezentralisieren, und zwar jene Kompetenzen, die für die Länder beziehungsweise für die Bürger mehr Bürgernähe in der Verwaltung bringen, damit die Verfahren für die Bürgerinnen und Bürger rascher durchgeführt werden können.

Ich freue mich – das darf ich wirklich sagen –, dass es in der Zwischenzeit tatsächlich gelungen ist, durch ein Verwaltungsreformgesetz ganz wesentliche Schritte in diese Richtung zu setzen.

Ich darf darauf verweisen, dass es gerade der Vorschlag des leider viel zu früh verstorbenen Salzburger Landtagspräsidenten Professor Helmut Schreiner war, die Bezirkshauptmannschaften zu den zentralen Ansprechstellen und Ansprechpartnern für die Bürger und daher quasi zur Bürgerbehörde zu machen.

Ich bin sehr froh darüber, dass dieses Verwaltungsreformgesetz seitens der Bundesregierung vorgelegt und auch bereits beschlossen wurde. Ich weiß, dass das natürlich für die Bezirkshauptmannschaften zusätzliche Aufgaben bedeutet. Wir Länder sind jetzt aufgerufen, unsere Bezirkshauptmannschaften sowohl administrativ als auch personell entsprechend auszustatten. Ich denke aber, es ist tatsächlich wichtig und richtig, dass die Bezirkshauptmannschaften die ersten Ansprechpartner für unsere Bürgerinnen und Bürger sind.

Ich möchte darauf hinweisen – auch das ist erfreulich –, dass der zweite Schritt gerade jetzt mit dem Deregulierungsgesetz, das zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung des Bundesrates steht, gesetzt wird.

Ebenso erfreulich ist es, dass es als weiterer Schritt zur Stärkung des Föderalismus gelungen ist, die Bundesstraßen zu verländern. Auch damit haben wir eine sehr wichtige Aufgabe in den Bereich der Länder übertragen bekommen, und ich bin überzeugt davon, dass man damit Doppelgleisigkeiten beseitigen kann und dass damit im Bereich der Straßenbauprojekte sicher flexiblere, raschere und wahrscheinlich auch den regionalen Bedürfnissen besser entsprechende Beschlüsse und Entscheidungen gefasst werden können.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 29

Uns ist bewusst, meine Damen und Herren, dass die Übertragung der Bundesstraßen ein geradezu historischer Schritt in Richtung Stärkung der Bundesländer war. Ich bedanke mich auch hier bei allen, die mitgemacht und daran mitgewirkt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident Bieringer hat schon in seiner Antrittsansprache darauf hingewiesen, dass es eine Reihe von Vorschlägen gibt, was die Neuordnung im Zusammenhang mit dem Föderalismus, was die Neuordnung des Bundesrates et cetera betrifft. Von meiner Seite her möchte ich nur sagen: Ich denke, es geht nie und nimmer um die Frage, ob der Bundesrat überhaupt bestehen oder ob er abgeschafft werden soll. Diese Frage kann nicht gestellt werden. Der Bundesrat ist meines Erachtens unverzichtbar!

Es ist aber ebenso unverzichtbar, dass wir die Diskussion über die Zuständigkeiten und über die Kompetenzen des Bundesrates weiterführen. Mir ist bewusst, meine Damen und Herren, dass es auf Grund der gegebenen politischen Situation jetzt nicht sehr einfach ist, eine Änderung der Bundesverfassung zur Änderung des Bundesrates durchzuführen und durchzusetzen – ich weiß, da sollte man sich nicht allzu große Hoffnungen machen –, dennoch sollte die Diskussion darüber weitergeführt werden. Sie sollte darüber geführt werden, wie man den Bundesrat zu einer Einrichtung machen kann, die die Interessen der Länder noch stärker vertreten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Erlauben Sie mir, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat auch jetzt Möglichkeiten und ein Machtpotenzial besitzt, die Interessen der Länder entsprechend durchzusetzen. Ich darf nur auf die jüngste Diskussion im Zusammenhang mit den Krankenkassen verweisen.

Meine Damen und Herren! Ich mache es mir sicherlich nicht zur Regel, die Abgeordneten zum Nationalrat oder die Bundesräte des Öfteren aufzufordern, gegen einen Gesetzentwurf, der von der Bundesregierung kommt, zu stimmen. Wenn es aber um wirklich existenzielle Fragen, Anliegen und Angelegenheiten mehrerer Länder geht, dann muss es auch möglich sein, zumindest einmal darauf hinzuweisen, dass es nicht von vornherein selbstverständlich ist, dass einer Regierungsvorlage in der vorgelegten Form zugestimmt wird. (Allgemeiner Beifall.)

Der Bundesrat sollte sich dessen noch mehr bewusst werden.

Wie dieses Beispiel zeigt, meine Damen und Herren, ist manchmal schon allein das Aufzeigen der Möglichkeit, dass nicht zugestimmt wird, der Grund dafür, dass es doch zu sehr gravierenden Verbesserungen und Veränderungen kommt.

Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, nur Folgendes sagen: Wenn der ursprünglich vorgelegte Entwurf so im Nationalrat und im Bundesrat zur Abstimmung gekommen wäre, hätte ich unsere Abgeordneten und Bundesräte tatsächlich eindringlich ersucht – mehr kann ein Landeshauptmann ja auch nicht tun –, dem nicht zuzustimmen.

Es ist uns aber gelungen – hier bin ich vor allem Kollegen Pühringer aus Oberösterreich sehr dankbar –, alle Forderungen der betroffenen Bundesländer im Zusammenhang mit den Krankenkassen durchzusetzen. – Ich weiß, es sind nicht alle der gleichen Meinung, gerade in Vorarlberg hatte man noch viel weiter gehende Forderungen; ich kann das jetzt nur von Seiten des Landes Salzburg sagen.

Nachdem durch die Veränderungen, die wir erreicht haben, ein einstimmiger Beschluss des Salzburger Landtages voll und ganz erfüllt wurde, hatte ich die Möglichkeit, meinen, unseren Abgeordneten zu sagen: Ich kann es verantworten, dass man diesem Entwurf, genauso wie die Oberösterreicher, die Zustimmung gibt.

Aber ich sage auch sehr deutlich: Das war nur durch die ernsthafte Androhung möglich, dass Abgeordnete, auch der Regierungsfraktionen, nicht dem ursprünglichen Vorschlag zustimmen.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 30

Was ich damit sagen möchte, meine Damen und Herren, ist, dass man das Machtpotenzial – auch des Bundesrates – im vorpolitischen Raum, im außerparlamentarischen Raum, durchaus nicht unterschätzen sollte, wiewohl ich auch der Meinung bin, dass man davon sparsam Gebrauch machen sollte. Zu einer inflationären Androhung von Gegenstimmen sollte es sicher nicht kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben der innerstaatlichen Stärkung der Länder ist die Erhaltung der Kompetenzen und der eigenständigen politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder und Regionen auch in der Zukunftsdiskussion der EU ein ganz entscheidendes Thema. Es wird ja derzeit – EU-Konvent et cetera – sehr intensiv eine Diskussion über die künftige Gestaltung der Europäischen Union – eine Institutionendiskussion, eine Strukturdiskussion – geführt. Ich werde daher auch als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz sehr intensiv alle Möglichkeiten nützen, um darauf hinzuweisen, dass die Rolle vor allem jener Länder und jener Regionen, die Gesetzgebungskompetenz haben, bei diesem Diskussionsprozess entsprechend berücksichtigt wird.

Ich halte dies für ganz besonders wichtig. Es gibt nicht sehr viele Staaten, in denen es Regionen und Länder gibt, die Gesetzgebungskompetenz haben. Aber ich meine, gerade jene Staaten sollten voranmarschieren: Das ist Deutschland, das ist Belgien, das sind in zunehmendem Maße Spanien und Italien, und das ist das Vereinigte Königreich. Ich darf darauf hinweisen, dass Schottland, Wales und Nordirland sehr starke Eigenständigkeit besitzen.

Ich halte nichts davon – ich sage das auch ganz offen; das muss bei dieser Diskussion entsprechend berücksichtigt werden –, zu viele Politikbereiche auf europäischer Ebene regeln zu wollen. Wir brauchen starke Regionen, wir brauchen starke Länder. Da müssen gerade jene vorausgehen, die eben schon stark sind. Ich sage Ihnen als Mitglied des Ausschusses der Regionen der EU auch ganz offen: Die österreichischen und deutschen Bundesländer leiden oft sehr darunter, dass in diesem Ausschuss auch Regionen repräsentiert sind, die eigentlich nicht Interessen von Regionen vertreten, sondern aus zentral organisierten Staaten kommen und sich ihrer Regionalität überhaupt nicht bewusst sind.

Gerade deshalb müssen wir voranmarschieren, und gerade deshalb habe ich auch immer wieder an die Bundesregierung das Ersuchen gerichtet – wir haben auch in der Landeshauptleutekonferenz eine entsprechende Stellungnahme beschlossen –, dass unsere Vertreter im Konvent – und mit diesen sind wir ständig in Kontakt –, im Rahmen dessen all das diskutiert und besprochen wird, immer wieder auch auf die wichtige Rolle der Regionen hinweisen.

Ich bin tatsächlich überzeugt davon, dass der Föderalismus und der Regionalismus im positiven und gut verstandenen Sinne das Zukunftskonzept der Europäischen Union darstellen, und dafür möchte ich als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz in diesem einen halben Jahr und darüber hinaus auch wirklich kämpfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe dazu ein wenig, so darf ich sagen, die Möglichkeit, weil ich mit meinem Vorarlberger Kollegen Dr. Sausgruber gemeinsamer Ländervertreter für die Vorbereitung der Regierungskonferenz 2004 sein darf und ab dem Jahr 2004 – soweit die Bürgerinnen und Bürger das wollen; dazwischen findet in Salzburg noch eine Landtagswahl statt – den Vorsitz in der sehr wichtigen Fachkommission "Konstitutionelle Angelegenheiten und Regieren in Europa" des Ausschusses der Regionen übernehmen würde. Ich bin sehr froh darüber; es ist für mich eine große Ehre, dass man mir den Vorsitz – jetzt den stellvertretenden Vorsitz – übertragen hat, und ich glaube, dass wir dort sehr viel bewirken können, was dann auch in die Überlegungen der Europäischen Union einfließen wird.

Als Mitglied der so genannten Troika der "Initiative der gesetzgebenden Regionen" bin ich gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten der Wallonie, Jean-Claude Van Cauwenberghe, und dem Präsidenten der Region Toskana, Claudio Martini, sehr intensiv bestrebt, gerade die Rolle der Regionen mit gesetzgebender Kompetenz entsprechend in den Vordergrund zu stellen.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 31

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben der Stärkung der Regionen ist es mir ein besonderes Anliegen, die Sicherheit in den Vordergrund zu stellen. Auch das hängt sehr wesentlich mit der Frage des Föderalismus und der Subsidiarität zusammen.

Es ist notwendig, dass in der Europäischen Union einerseits die Grenzen abgebaut werden, andererseits aber gerade dadurch die Frage der Sicherheit und der gemeinsamen Gewährleistung der Sicherheit eine zentrale Rolle einnimmt. Sicherheit ist nicht nur ein Thema in der EU, sondern natürlich auch ein Thema in den Bundesländern und in ganz Österreich.

An den leidvollen und traurigen Erfahrungen nach dem Brand im Tauerntunnel und nach der Katastrophe in Kaprun haben wir gesehen, dass es in solchen Fällen dringend notwendig ist, für den Landeshauptmann eine Kompetenz zur Koordinierung sicherzustellen. Deshalb habe ich schon vor einem Jahr angeregt, eine solche einzuführen, und die anderen Landeshauptmänner haben sich diesem Vorschlag angeschlossen.

Ich sagen Ihnen ganz offen: Ich habe beim Brand im Tauerntunnel und auch bei der Katastrophe von Kaprun, ich möchte nicht gerade sagen contra legem, aber ganz sicher außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen den Krisenstab selbst geleitet. Es haben sich dankenswerterweise auch die Vertreter der Bundesbehörden – Polizei, Gendarmerie und Bundesheer – sozusagen meiner Leitung untergeordnet. Das hätten sie aber nicht tun müssen. Sie hätten auch sagen können: Der hat uns nichts anzuschaffen, wir machen das, was wir für richtig erachten.

Ich bin der Meinung, es ist notwendig, dass man das einmal entsprechend gesetzlich absichert. Dabei geht es den Landeshauptmännern überhaupt nicht um irgendeinen Machtzuwachs, sondern das ist eine ganz pragmatische Überlegung zur Stärkung der Sicherheit und zur Bewältigung solcher Krisensituationen.

Es geht uns auch gar nicht darum, dass wir bei jeder Gelegenheit der Polizei oder der Gendarmerie irgendwelche Anordnungen geben wollen, aber bei so großen Katastrophen beziehungsweise bei so traurigen Ereignissen muss es möglich sein, dass jemand vor Ort die Koordinierung übernimmt. Das hat sich wirklich bewährt, und ich bin sehr froh darüber, dass alle Landeshauptmänner dem zustimmen. Es gibt einen diesbezüglichen Beschluss, und in Oberösterreich hat der Landesamtsdirektor bereits einen sehr umfassenden Entwurf in dieser Frage ausgearbeitet, der der Bundesregierung übermittelt wurde, wofür ich auch sehr dankbar bin. Ich bin gerade dabei, auch die Klubobmänner der einzelnen Parlamentsfraktionen zu kontaktieren. Ich war gestern bei Dr. Gusenbauer und bei Ing. Westenthaler. Beide haben signalisiert, dass sie diesen Vorschlag sehr ernsthaft prüfen werden.

Ich sage es noch einmal: Ich hoffe, dass seitens der Bundesregierung ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Ich bitte auch Sie, denn Sie werden damit, so hoffe ich, bald befasst werden, daran mitzuarbeiten, denn es muss diesbezüglich eine Verfassungsänderung vorgenommen werden. Ich bitte Sie jetzt schon, das Ganze sehr pragmatisch im Interesse der Bewältigung von Krisensituationen zu sehen und nicht darüber nachzudenken, ob man jetzt sozusagen den Ländern oder den Landeshauptmännern wieder eine Kompetenz gibt, die eigentlich beim Bund sein sollte. Es geht wirklich nur darum, dass wir alle überzeugt davon sind, dass Krisensituationen vor Ort und mit dem Hauptzuständigen – und in den Ländern sind für die Sicherheit die Landeshauptmänner zuständig – besser und sicherer, auch für die Menschen, bewältigt werden können.

Es gibt noch zwei kleinere Vorschläge dazu: dass wir zum Beispiel auch einen Sicherheitsbeirat in den Ländern einberufen können, in dem eben auch die Bundesbehörden vertreten sind. Es gibt in Salzburg zwar solch einen Sicherheitsbeirat, aber auch dort könnten die Vertreter von Polizei, Gendarmerie und Bundesheer jederzeit sagen: Nein, wir nehmen nicht daran teil, wir wollen uns dem, was dort besprochen wird, eigentlich nicht unterordnen.

In Vorbereitung des europäischen Wirtschaftsgipfels des Weltwirtschaftsforums, der im September wieder in Salzburg stattfinden wird, ist es natürlich notwendig, jetzt alle Einsatzkräfte vor Ort zu koordinieren, damit das Ganze sicher über die Bühne gehen kann. Ich bin sehr dankbar da


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 32

für und sehr froh darüber, dass alle Organisationen dazu bereit sind, da mitzutun. Und sie sind mir wiederum sehr dankbar dafür, dass ich sie zusammenhole, weil sie sich so auch gegenseitig über die Vorbereitungen zu solchen Ereignissen informieren können. Auch das ist ein Punkt, der, wie ich glaube, gerade von der pragmatischen Sicht her sehr positiv ist. Ich bitte Sie alle als Mitglieder des Bundesrates jetzt schon, politische Überlegungen hintanzustellen und dafür zu sorgen, dass wir im Bereich der Sicherheit über alle Parteigrenzen hinweg zu einer guten Lösung kommen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Grenzenlos sicher" – so lautet ein Motto auch innerhalb der Europäischen Union. Sicherheit muss auch über die Grenzen hinaus gemacht werden und kann jetzt wesentlich besser über die Grenzen hinaus koordiniert werden. Im nächsten Jahr wird eine große gemeinsame, grenzüberschreitende Katastrophenübung von Salzburg und Bayern durchgeführt werden, denn wenn es ein Problem gibt und wenn eine Katastrophe eintritt, dann wird sie sich nicht von Grenzen behindern lassen. Daher muss man auch solche grenzüberschreitenden Aktionen starten. Das setzt einen starken Föderalismus und Subsidiarität voraus. Aus diesem Grund bitte ich Sie, dass Sie uns dabei unterstützen.

Hohes Haus! Ich bin damit am Ende meiner Ausführungen. Ich möchte Herrn Präsidenten Bieringer noch einmal alles Gute in seiner neuen Funktion als Vorsitzender der Länderkammer wünschen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, auch weiterhin, so weit es Ihnen möglich ist – ich weiß, dass man natürlich auch auf die jeweiligen Interessen der einzelnen Parteien Rücksicht nehmen muss –, die Interessen der Länder zu vertreten und dies auch über die Parteigrenzen hinaus gemeinsam zu tun. Darum bitte ich Sie auch für die Zukunft! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

9.43

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausführungen.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. Ich erteile ihm dieses.

9.43

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Ich gratuliere zuerst unserem Bundesrat Bürgermeister Ludwig Bieringer sehr herzlich zur Übernahme der Präsidentschaft des Bundesrates. Ich wünsche dir, lieber Präsident, lieber Ludwig, alles Gute und wünsche dir vor allem, dass es dir gelingen möge, wie bisher das Gemeinsame vor das Trennende im Sinne der Ländervertretung zu stellen.

Es tut gut, von zwei Spitzenpersönlichkeiten ein Bekenntnis zum Föderalismus zu hören; einerseits vom Präsidenten des Bundesrates und Bürgermeister der Vorzeigegemeinde Wals – keiner Stadt, aber wohlhabend, daran ist auch er beteiligt (Heiterkeit bei der ÖVP)  –, wo Föderalismus im Kleinen gelebt wird, und andererseits vom Landeshauptmann von Salzburg, der einerseits alles tut, um die eigenen Interessen zu wahren, Salzburg in das Spitzenfeld der Bundesländer zu führen und dort auch zu halten, und andererseits das tut, was auch notwendig ist, nämlich Solidarität über die Landesgrenzen hinweg zu zeigen, wenn es im Gesamtinteresse liegt.

An einem Mann kann auch ich heute nicht vorbeigehen: Das ist der leider zu früh verstorbene Salzburger Landtagspräsident Helmut Schreiner – ein unermüdlicher Kämpfer für den Föderalismus, oft für manchen in Wien nicht sehr bequem. Er hat sich durch seinen unermüdlichen Einsatz für den Föderalismus nicht nur Freunde geschaffen. Wir in diesem Haus sind ihm aber für diesen Einsatz sehr dankbar. Ich darf ihn in einigen Sätzen zitieren:

Die Entwicklung in Europa zwingt nicht nur die Mitglieder der EU, sondern darüber hinaus alle staatlichen Gebilde zu Strukturdebatten. Der Föderalismus besitzt eine demokratiepolitische


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Rechtfertigung. In den Regionen kann Bürgermitbestimmung sinnvoll, weil mit der Chance auf Effektivität versehen, noch stattfinden. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Salzburg Association, eine Vereinigung von Freunden und Gönnern des Bundeslandes Salzburg, deren Präsident unser Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Persönlichkeiten zusammenzurufen, um wichtige Themen des Landes grundsätzlich zu besprechen. Eines dieser wichtigen Themen ist die Zukunft des Ordnungsmodells des Föderalismus in einer sich wandelnden Welt. Präferenzen der Bürger kommen desto eher und sicherer zum Tragen, je intensiver die Nahebeziehung zwischen Bürgern und den staatlichen Institutionen ist. Dieser Aspekt spricht mit Sicherheit gegen eine starke Zentralisierung. Föderalismus ist unverzichtbar für die Lösung der großen Probleme in den kommenden Jahren! Ich darf einige davon anführen:

Alterssicherung. – Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur wirft heute schon von der Familie bis hin zur höchsten politischen Ebene ungeahnte Probleme auf. Dies in der Verfassung allein zu verankern ist zu wenig, es muss auch umgesetzt werden.

Bildung. – Die Anforderungen werden immer höher. Allein mit Ausführungsgesetzen in Ländern ist es nicht getan. Wir brauchen mit Sicherheit mehr Einfluss in Wien bei der Gesetzeswerdung.

Sicherheit. – Die vorbildliche Vernetzung in Sicherheitsfragen ist vom Herrn Landeshauptmann bereits dargestellt worden. Sicherheit endet nicht an den Landesgrenzen. Salzburg ist in dieser Hinsicht vorbildlich.

Budget. – Ja zu Einsparungen, sie sind notwendig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir die Gemeinden und die Länder nicht aushungern dürfen. Es ist mit Sicherheit notwendig, auch da die Länderinteressen in Wien entsprechend zu wahren.

Diese Liste ließe sich fortsetzen: Wirtschaft, Landwirtschaft. Gerade in letzter Zeit gab es eine Debatte betreffend Landwirtschaft, auch da sind die regionalen Vertreter in großem Maße gefordert.

Der föderale Bundesstaat bedeutet eine gefächerte und vielschichtige Politik. Föderalismus ist kein Ruhekissen. Das bedeutet nicht – vielleicht ist sie manchmal notwendig – Kritik Richtung Wien, sondern echte Mitgestaltung und Mitarbeit; Einfallsreichtum und Innovation sind gefragt. In Österreich wird über den Bundesrat hie und da gewitzelt, aber der unverzichtbare Sinn des Bundesstaates in der Gegenwart liegt in der Eigeninitiative der politischen Kontrolle und Konkurrenz und dient somit der Bürgerfreiheit. Dies muss ein Anliegen aller in Österreich und in weiterer Folge in Europa und außerhalb Europas sein! Arbeiten wir alle gemeinsam daran! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.49

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bürgermeisterkollege Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte.

9.49

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Ludwig Bieringer! Ich als Zweitgereihter darf dir als Erstgereihtem, da wir heute noch über die Olympische Spiele reden werden, recht herzlich gratulieren und dir für deine Funktionsperiode alles Gute wünschen. (Der Redner schüttelt dem hinter ihm sitzenden Präsidenten Bieringer die Hand.)

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es sind, wie immer im Leben, wenn es zu einer Ablöse, wenn auch nur für kurze Zeit, kommt – es gibt hier im Bundesrat relativ kurze Funktionsperioden, was die Präsidentschaft betrifft, nämlich ein halbes Jahr –, bei diesen Übergängen in der Regel die Landeschefs bei uns im Haus. Wir hören natürlich immer bei solchen Anlässen flammende Bekenntnisse zum Föderalismus und zur Subsidiarität. Wir haben nach solchen Sitzungen, wenn wir nach Hause fahren, das Gefühl, der Bundesrat ist anerkannt, er ist, so wie in der Bundesstaatlichkeit und in der Bundesverfassung vorgesehen, unumstritten.


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Es gibt zwar einige wenige, die davon sprechen, man möge Landtage zusammenlegen oder ganz abschaffen, den Bundesrat abschaffen, man möge das eine oder andere tun. Meistens bleiben diese Vorschläge in der Schublade liegen, wir Bundesräte warten auf den nächsten Präsidenten, auf den nächsten Landeshauptmann, und das Spiel fängt wieder von vorne an.

Eines möchte ich schon sagen, lieber Herr Präsident: Zum Stellungnahmerecht des Bundesrates bei der Gesetzwerdung, zur Mitarbeit an der Gesetzgebung sowie zur Verständlichkeit der Gesetze – das sind Begriffe, die ich schon sehr lange in den Ohren und mittlerweile auch im Hinterkopf habe – kann ich nur sagen: volle Unterstützung! Das wäre ein erster Schritt, wenn auch vielleicht nur ein kleiner. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Du hast die EU und den Föderalismus angesprochen. Es ist keine Frage: Ein sicheres Europa kann nur dann existieren und bestehen, wenn dieses gemeinsame Europa sichere und gut funktionierende Regionen hat. Ich gehe davon aus, dass für dich Regionen Bundesländer sind beziehungsweise – vergleichbar mit anderen EU-Staaten – die Größenordnung österreichischer Bundesländer haben. Wenn man diese Regionen stärken will, wenn man diese als starke Regionen in der EU haben möchte, dann muss man natürlich auch innerhalb dieser Regionen danach trachten, dass diese Regionen stark sind, dass sie sich nicht auseinander dividieren lassen und dass es dort keine Mangelerscheinungen gibt.

Ich möchte die Damen und Herren des Bundesrates darauf aufmerksam machen, dass es leider in allen Bundesländern – nicht nur in Salzburg – Entwicklungen in Richtung Zentralisierung gibt. Wenn ich mir in Salzburg die Situation der Gebirgsgaue ansehe, dann muss ich leider feststellen, dass es dort einen Abwärtstrend betreffend Bewohner gibt. Es gibt eine Flucht in Richtung Zentralorte. Es gibt eine Flucht in Richtung Stadt Salzburg und in die Umlandgemeinden von Salzburg. Erst vor kurzem war in den "Salzburger Nachrichten" nachzulesen, dass in den Gebirgsgauen Rückgänge bei der Bevölkerung zu verzeichnen sind; und diese sind auch begründbar.

Ich denke nur an das Gasteinertal. Bei der Bahn wird es fast keine Mitarbeiter mehr geben. Es wird so sein – ich weiß es zufällig vom Bahnhof Bad Gastein –, dass es dort wahrscheinlich nur noch eine Reinigungsfrau geben wird, die die Toiletten und den Warteraum sauber machen wird. Die Fahrdienstleitungen sind nämlich in Schwarzach, in Mallnitz und in Spittal. Der Zugführer fertigt den Zug ab, die Karten kauft man am Automaten, Gepäck gibt es nicht mehr. Das heißt – ich sage das jetzt auch aus meiner Sicht – 40 Arbeitsplätze weniger am Bahnhof Bad Gastein.

Von der Telekom, von der Post, vom Bezirksgericht in Bad Hofgastein, das geschlossen wird, von wo Anwälte und Notare ihren Arbeitsplatz nach Sankt Johann verlegen, weil dort das zentrale Bezirksgericht des Pongaues entstehen wird, spreche ich gar nicht.

Da ist eine Entwicklung im Gange – wir haben das hier schon öfters diskutiert –, die zu einer Ausdünnung der ländlichen Gebiete, aber zu einer Zentralisierung der Zentralorte führt. Und – wie wir in Salzburg so gerne sagen – der Speckgürtel rund um die Stadt Salzburg wächst, nämlich dort, wo man Zuwachsraten hat, die man raumordnungsmäßig, die man vom Entwicklungskonzept her, die man verkehrsmäßig und die man auch von den sozialen Kriterien her fast nicht bewältigen kann. Diesbezüglich muss es vom Land oder auch vom Bund her Möglichkeiten geben.

Wir entwickeln uns – nicht nur im Gasteinertal, sondern auch in anderen Tälern – zu reinen Monokulturen in Sachen Fremdenverkehr. Wenn es in Sachen Fremdenverkehr – so wie es auch im Bereich der Sozialversicherungen ist – Einbrüche gibt, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn ganze Regionen massive Schwierigkeiten bekommen, weil man – wie man bei uns so schön sagt – eben sehr schwer auf einem Bein steht. Es fehlen Einrichtungen, die es den Menschen, vor allem den jungen Menschen ermöglichen, in ihren Heimatorten, in ihren Tälern zu bleiben. Sie siedeln ab, weil sie auch nach einer höheren Schulbildung keine Möglichkeit mehr haben, bei uns in den Ortschaften, in den Tälern Arbeit zu bekommen.


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Das ist ein Problem, mit dem man sich auseinander setzen muss, Herr Landeshauptmann! Ich sähe darin eine Stärkung der Region. Es sollte innerhalb einer Region kein zu starkes Gefälle und keine zu starken Konzentrationen geben.

Herr Landeshauptmann! Ich bin grundsätzlich bei dir, wenn es darum geht, Bundesstraßen in die Verantwortung der Länder zu übertragen. Ich bin auch bei dir, wenn der Versuch gemacht wird, Verwaltungsvereinfachung zu erreichen. Ich denke nur an das Passwesen, bezüglich dessen mittlerweile die Gemeinden die Hauptarbeit leisten, die Unterlagen an die Bezirkshauptmannschaft schicken und sich die Menschen dadurch weite Wege ersparen und nach einigen Tagen ihren Pass auf der Gemeinde abholen können. Wenn man aber diese Aufgaben von oben nach unten verteilt, dann muss man, glaube ich, gerechterweise auch dafür sorgen, dass diejenigen, die diese Arbeit jetzt übernehmen, dafür auch ausgestattet sind und dafür entsprechend entschädigt werden.

Es kann nicht so sein, dass man sagt: Verwaltungsreform – hurra, wunderschön! Wir ersparen uns auf Bundesebene Millionenbeträge und schieben gleichzeitig die Arbeit eine oder zwei Etagen tiefer. Dort muss sie nämlich verrichtet werden, ohne dass die Gemeinden dafür eine Entschädigung bekommen. Und es werden auch die Arbeiten und Aufgaben der Gemeinden vom Ausmaß her immer größer.

Ich glaube, was die Selbständigkeit der Regionen betrifft, hat Theo Sommer, der Herausgeber der "Zeit", eine richtige Bemerkung gemacht: "Wir alle werden uns daran gewöhnen müssen, global zu denken. Das sollte uns aber nicht daran hindern, lokal zu fühlen." – Ich denke, genau dieses Gefühl für das Lokale, für den unmittelbaren Bereich, in dem die Menschen ihre Heimat, ihr Zuhause, ihre Familie haben, ist wichtig. Dieser Bereich, meine Damen und Herren, gehört abgesichert!

Die Grenzen innerhalb der EU abzubauen, Herr Landeshauptmann, das sollte in dem Stadium, in dem wir uns befinden, kein Problem sein. Es sollte aber nicht der Fall eintreten, dass es zu einer Festung Europa kommt, dass Europa eine Festung wird und dass wir nicht mehr über diese Festungsmauern hinausschauen. Ereignisse wie jene des 11. September in New York haben bewiesen, dass man keine Festung mehr bauen kann – ganz gleich, wo immer man auch ist. Man muss Maßnahmen setzen, damit es nicht zu solchen Ereignissen kommen kann.

Ich bin auch ganz bei dir, Herr Landeshauptmann, bezüglich eines Katastrophenszenarios. Du hast im Zusammenhang mit den schweren Unfällen im Tunnel auf der Tauernautobahn und in Kaprun vor Ort sehr gute Arbeit geleistet, und deine Feststellung, dass es zu einer Koordination kommen müsse, dass alle wichtigen Kräfte eingebunden sein müssten, dass es nicht so sein kann, dass man erst nachfragen muss, wer wofür zuständig ist oder wer welche Kompetenzen hat, ist ohne Frage richtig. Das sollte auch geschehen, das sollte natürlich auch über Landesgrenzen und über Bundesgrenzen hinweg – sprich Deutschland – geschehen. Ich glaube, da gibt es keine Missverständnisse, da gibt es auch keine Unterschiede. Hilfe wirkt dann am besten, wenn sie schnell, wenn sie unverzüglich kommt, wenn nicht erst hinterfragt werden muss, wer für diese oder jene Hilfe zuständig ist.

Das Licht hier leuchtet schon, aber eine Bemerkung, Herr Landeshauptmann, möchte ich noch bezüglich der Krankenkassen sagen. Ich war selbst Zeuge deiner Worte im Landtag. Da haben wir noch diesen kleinen Unterschied: Du, Herr Landeshauptmann, hast hier das Rederecht, und ich finde es wunderbar, dass die Landeshauptleute hier im Bundesrat reden können, ich bin im Landtag nur qualifizierter Zuhörer. Ich sitze zwar noch innerhalb dieser Abgrenzung von den Zuhörern und bin mit Unterlagen versorgt, aber trotzdem bin ich nur ein qualifizierter Zuhörer. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist in Oberösterreich nicht anders!)  – Gut, dann brauchen wir Salzburger uns nicht benachteiligt zu fühlen. Ich habe jedenfalls aus dieser Zuhörerposition heraus deine Worte zu den Krankenkassen sehr wohl vernommen und auch verstanden.

Was mich dann allerdings überrascht hat, ist, dass es nach einem einstimmigen Landtagsbeschluss doch dazu gekommnen ist, dass Oberösterreich und Salzburg aus dieser gemeinsamen Linie mit Vorarlberg ausgeschert sind. Ich kann keine Gründe dafür erkennen, Herr Landes


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hauptmann, warum das jetzt so ist. Es sei denn – ich weiß nicht, ob das zutrifft –, es gibt eine Bundeshaftung oder der Bund bringt sich diesbezüglich ein, aber alles andere wurde besprochen.

Bezüglich Garantien und Sicherheiten kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass Kassen, die heute, aus welchen Gründen auch immer, mit einem großen Defizit belastet sind, in der Lage sein werden, in wenigen Jahren Millionenbeträge an die Kassen, denen es heute etwas besser geht, zurückzuzahlen. Salzburg hat, so glaube ich, 2 Milliarden Schilling Rücklagen, und allein mit den Zinsen aus diesen Rücklagen, die jährlich ungefähr 100 Millionen ausmachen – ich bin noch bei Schillingen, bitte –, kann die Salzburger Gebietskrankenkasse Schwankungen in einer Bandbreite von fast 100 Millionen Schilling jährlich selbst ausgleichen, ohne Probleme zu bekommen. Jetzt berauben wir uns eines Teils dieser Mittel, und es besteht die Gefahr, dass, bevor wir diese Mittel zurückbekommen, die Salzburger Gebietskrankenkasse auf Grund von Strukturveränderungen und verschiedenen anderen Dingen finanzielle Probleme hat.

Daher würden ich und in dem Fall auch die Fraktion der Sozialdemokraten im Salzburger Landtag dem nicht zustimmen. Wir halten uns an den Beschluss des Salzburger Landtages und können diesem Stimmungsumschwung der Landeshauptleute von Oberösterreich und von Salzburg nichts abgewinnen. Wir anerkennen vielmehr – ich sage das ganz ehrlich auch von dieser Stelle aus – die Haltung des Herrn Landeshauptmannes von Vorarlberg, der in dieser Sache hart geblieben ist.

Ich möchte nicht sagen, dass es keine Solidarität unter den Krankenkassen der Länder geben sollte, aber diese Solidarität sollte so abgesichert sein, dass die guten Krankenkassen nicht aus diesem Grund in Schwierigkeiten kommen. Ich glaube, und die Zukunft wird es bringen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Reden Sie von Wien!)  – Herr Kollege Böhm! Wir können sehr gerne einmal – die Zeit ist leider abgelaufen – über die Detailprobleme der einzelnen Kassen – ob es Burgenland ist, ob es Wien ist oder welches Bundesland immer – reden, aber dann muss man sich natürlich auch die Details anschauen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wir reden von unwirtschaftlichen Kassen!) Dann kann man verurteilen oder loben, Herr Kollege, aber vorher muss man sich das anschauen. (Bundesrat Dr. Böhm: Eben!)

Meine Damen und Herren! Die Zeit ist leider vorbei. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Herr Landeshauptmann, es war schön, hier in Wien miteinander zu sprechen, wir werden das dann in Salzburg und in Gastein wieder fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

10.05

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Ich erteile ihm dieses.

10.06

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Ludwig Bieringer! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Lieber Franz Schausberger! Wir kennen uns ja auch schon einige Zeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der noch vor uns liegenden Tagesordnung und vieler damit im Zusammenhang stehenden, von der Opposition bis heute nicht aufgeklärten Probleme – wie etwa der Frage, was die Mitarbeiter des Parlaments heute in der Nacht machen, wo sie schlafen, wie sie irgendwann nach Hause kommen –, in Anbetracht all dieser Umstände habe ich mir schon in der Vorbereitung vorgenommen, das, was meine Vorredner an Zeit verbrauchen, nach Möglichkeit für dieses Haus wieder hereinzuholen.

An einem Tag wie heute – und jetzt komme ich zu den kurzen Ausführungen – haben der Lokalpatriotismus und meine Verbundenheit zu meiner Heimatstadt und meinem Heimatland Salzburg – ich bin auch dort geboren, lieber Franz – natürlich Vorrang vor etwaigen unterschiedlichen politischen Auffassungen in unserem schönen Lande. Mit Ludwig Bieringer ist – da gibt es für mich gar keinen Zweifel – einer der Erfahrensten und Kompetentesten aus unseren Reihen in das Amt des Präsidenten dieses Hauses zurückgekehrt. Ich hoffe, dass es euch beiden – dir, lieber Franz, auch als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, und dir, lieber


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Ludwig, als Präsident dieses Hauses – im gemeinsamen Zusammenwirken und unter Einbeziehung auch der anderen politischen Kräfte unseres Heimatlandes gelingen wird, wesentliche Impulse für unser Salzburg und aus unserem Salzburg zu setzen. In diesem Sinne wünsche ich euch beiden ein herzliches und von Herzen kommendes "Glück auf!" (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.08

Präsident Ludwig Bieringer: Ich bedanke mich für die Glückwünsche und vor allem für den kurzen Debattenbeitrag, denn im Hinblick auf die heutige Tagesordnung ist so etwas nur zu begrüßen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.

10.08

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Auch von grüner Seite eine herzliche Gratulation – das war gestern am Abend schon möglich – für die Vorsitzübernahme durch Herrn Bieringer und somit durch Salzburg, auch wenn Sie, lieber Herr Präsident, mit Ihrer heutigen Vorsitzübernahme die Bannmeile mit einem Gott sei Dank nur mit Platzpatronen bewaffneten Verband verletzt haben. Ich möchte hier nicht sagen, dass das als Traditionspflege zu verstehen ist – das wäre in diesem Fall ein problematischer Ausdruck –, aber wenn wir das als einen wichtigen Salzburger folkloristischen Beitrag betrachten, so ist der heutige Einstand, würde ich sagen, sicherlich gelungen gewesen.

Es ist eine gute Tradition, dass beim Wechsel im Vorsitz im Bundesrat eine Debatte über den Bundesrat selbst, über die Stellung des Föderalismus vonstatten geht. Dies ist allerdings – der Herr Präsident hat es selbst gesagt – eine Debatte, die seit 1920 läuft. Was mir als jüngstem Mitglied dieses Hauses auffällt, ist, dass die Beiträge der beiden Salzburger – des Herrn Landeshauptmannes und unseres neuen Herrn Präsidenten – sehr kurz waren im Vergleich zu dem, was Landeshauptmann Pühringer vor einem halben Jahr hier an Reformvorschlägen eingebracht hat.

Alle diese Reformvorschläge – seien sie aus dem Haus selbst, seien sie Vorschläge einzelner Mitglieder, der Landeshauptleute, einzelner Landeshauptleute, der Präsidenten der Landtage – haben zwar – und das ist, denke ich, auch das Unbefriedigende an den Debatten bisher – immer einen Absender, aber die Frage ist: An wen gehen sie? Wo wird das beraten?

Deshalb hoffe ich – und wir haben nun einen Präsidenten des Bundesrates, der ein alt gedienter Haudegen ist, und das ist auch etwas Positives –, dass wir vielleicht einmal eine andere Vorgangsweise schaffen, nämlich dass alle vier Fraktionen hier ein gemeinsames Paket vorlegen und über dieses Paket dann auch gemeinsam mit den vier Fraktionen des Nationalrates in echte Verhandlungen treten. Wir sollten also dieses Paket nicht nur verschicken oder medial verkünden oder Vorschläge in den Raum stellen, sondern diese mit den Landeshauptleuten gemeinsam besprechen und versuchen, irgendwie diesen Knoten zu durchbrechen, dass jedes halbe Jahr hier Reformvorschläge erstattet werden, diese Reformvorschläge jedoch einfach sang- und klanglos verschwinden.

Ich denke nur an einen Vorschlag des Landeshauptmannes Pühringer vor einem halben Jahr, der hier gefordert hat, dass eine wichtige Kompetenzerweiterung des Bundesrates bei den Beratungen der Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgen soll. Was ist mit diesem Vorschlag geschehen? – Ich finde, das ist einer der bisher bemerkenswertesten Vorschläge zur Kompetenzerweiterung gewesen.

Ein weiterer Punkt – ich werde nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen –: Vergleichen wir die Länderkammer mit den Länderkammern oder den zweiten Kammern anderer Länder, so fällt doch auf, dass das Gesetzesinitiativrecht bei uns in der Form nicht existiert! Herr Präsident Bieringer hat heute nur ein Stellungnahmerecht gefordert, so wie das seinerzeit in einem Antrag enthalten war, wobei er heute einen Punkt vergessen oder nicht mehr erwähnt hat – ich bin froh, dass er ihn nicht mehr erwähnt hat, Sie wissen, das ist an sich öfter mein Ceterum censeo –: das gebundene Mandat. Das hat er heute nicht mehr erwähnt, und ich nehme an,


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dass das damit von der Tagesordnung ist. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Deshalb ist mein Anstoß: Wir müssen über dieses Stellungnahmerecht hinaus zu einer echten Möglichkeit der Gesetzesinitiative auch über die Länderkammer kommen, wie das auch in anderen europäischen Verfassungen der Fall ist. (Beifall des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Das Nächste: Ich habe, seit ich hier bin, immer wieder gesagt, einer von den drei Persönlichkeiten oder Funktionsträgern pro Bundesland sollte fix in diesem Bundesrat verankert sein, und zwar entweder der Landeshauptmann des jeweiligen Bundeslandes selbst oder der Präsident des Landtages oder der Finanzlandesrat. Das würde auch den Bundesrat von der politischen Gewichtung her anders positionieren, denn Politik – der Herr Landeshauptmann hat das Wort heute selbst in einem anderen Zusammenhang immer wieder gebraucht – ist auch immer eine Frage von Macht. Wie viel Macht hat ein Gremium? Wenn pro Bundesland einer dieser drei Funktionsträger hier in diesem Hause vertreten wäre, würde auch die Gewichtung des Bundesrates anders sein.

Herr Landeshauptmann! Sie sind jetzt Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und haben gesagt, weil Sie Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz sind, hätten Sie jetzt die Möglichkeit, hier zu reden. Herr Präsident Weiss wird sagen: Deswegen hat er sie sicher nicht! Und das sage ich auch: Nicht deswegen, Herr Landeshauptmann, haben Sie das Recht, hier zu reden, sondern weil Sie Landeshauptmann sind.

Die Landeshauptleutekonferenz, Herr Landeshauptmann, ist ein in der Verfassung nicht festgeschriebenes Gremium. Meine Kollegen im Bundesrat werden sagen: O je, jetzt fängt Schennach wieder damit an! Aber ich kann nicht müde werden, damit anzufangen. Wenn die Landeshauptleutekonferenz nur ein Gremium wäre, nur eine Arbeitskonferenz wäre, dann könnte man sagen: Okay, eine Arbeitskonferenz sollte meinetwegen sein, wie in anderen Bereichen auch, aber sie ist eine kleine Nebenregierung geworden, eine kleine Nebenregierung, die – und deshalb auch hier immer wieder meine Kritik – zwei andere Gremien in ihren Kompetenzen beschneidet: Das ist der Bundesrat selbst, und das sind die Landtage.

Die Landeshauptleutekonferenz ist nicht – entgegen dem Prinzip der parlamentarischen Demokratie – auch an eine parlamentarische Kontrolle gebunden. Deshalb bin ich ja froh, dass die Landeshauptleutekonferenz nun auch die Mitglieder des Bundesrates zumindest über ihre Beschlüsse informiert. Es stellt sich allerdings die Frage, Herr Präsident Weiss, wie weit diese Beschlüsse eines in der Verfassung nicht verankerten Gremiums tatsächlich eine bindende Wirkung haben. Im politischen Kräftestreit zwischen den Landeshauptleuten und der Bundesregierung hat das selbstverständlich eine Wirkung, um etwas auszudrücken, aber verfassungsmäßig natürlich nicht.

Herr Landeshauptmann! Ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir brauchen starke und sichere Regionen, ich bin auch ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssen diese Grenzen überwinden. Selbstverständlich! Nationale Grenzen waren immer gefährlicher als alles andere. Dann müssen wir aber einen Begriff stärken, einen Begriff, der in der politischen Diskussion unter Umständen eine andere Konnotation bekommen hat, wir müssen den Begriff der Heimat stärken. In einem gemeinsamen Europa müssen wir die Heimat lokaler definieren, denn – und das ist meiner Meinung nach, so komisch es klingen mag, ein viel fortschrittlicherer Begriff – Heimat kennt keine Grenzen. Heimat kennt kulturelle Räume, aber sie kennt keine Grenzen. In diesem Sinne muss es uns auch gelingen, diesen Begriff "Heimat" in den Regionen stärker in die europäische Debatte einzubringen und ihn nicht mehr mit Grenzen zu verbinden.

Zwei Punkte möchte ich noch anschneiden. Sie, Herr Landeshauptmann, und Sie, Herr Präsident, sind Salzburger mit oberösterreichischen Wurzeln, ich bin Wiener mit starken Tiroler Wurzeln, und wenn wir über Heimat und die Sicherheit der Heimat reden, dann muss man sagen, ist es in hohem Maße bedauerlich, dass gerade in diesen Tagen von Seiten der EU durch die Öko-Punkte-Regelung über eine Region hinweggefahren wird, die die Menschen in ihrer Existenz, in ihrer Sicherheit, in ihren Chancen, halbwegs überleben zu können, in einer Weise überrollt, die unfassbar ist. Da bedarf es – das muss man eigentlich sagen – auch der Solidarität der anderen Bundesländer, da bedarf es aber auch der Solidarität anderer Regionen, denn es kann nicht


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sein, dass man über die Menschen, dass man über eine ganze Region mit einer solchen Kaltschnäuzigkeit hinwegfährt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt – Sie haben ihn selbst angesprochen, aber meine Redezeit ist aus –: Ich bin auch für das Prinzip der Solidarität. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Die Zeit ist abgelaufen!) Herr Gruber! Mein Vorredner hat auch ein bisschen überziehen dürfen. Nur zwei Sätze: Ich bin für das Prinzip der Solidarität, auch der Solidarität der Krankenkassen. In diesem Sinne, Herr Landeshauptmann, hoffe ich, dass es heute hier in diesem Bundesrat auch zu einer Solidarität mit den Ländervertretern eines anderen Bundeslandes kommt und dass wir diesem Antrag unserer geschätzten Vorarlberger Bundesräte hier mehrheitlich zustimmen werden. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Ing. Franz Gruber. )

10.20

Präsident Ludwig Bieringer: Nochmals zu Wort gemeldet hat sich der Herr Landeshauptmann von Salzburg. Ich erteile ihm dieses.

10.20

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie wirklich angesichts Ihrer langen und wichtigen Tagesordnung nicht länger aufhalten, aber geben Sie mir die Möglichkeit, auf ein paar Dinge – sicherlich nicht auf alles – noch einzugehen.

Zum Ersten: Was Herrn Bundesrat Saller und seinen Hinweis auf die Bedeutung und Wichtigkeit des Föderalismus anlangt, erlaube ich mir nur zu sagen: Es gibt natürlich immer wieder Aussagen, dass die Abschaffung des Föderalismus und die Abschaffung der Länder zu Ersparnissen führen würden. Ich muss Ihnen wirklich sagen, wir alle sollten gemeinsam gegen solche Argumente auftreten, denn man kann die Struktur eines Landes nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten sehen, sondern man muss sie vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Bürgernähe sehen.

Zum Zweiten: Ich bin tatsächlich überzeugt davon, dass dieses Argument auch fachlich und sachlich nicht standhält. Wenn dieses Argument stimmte, müssten alle Staaten, die zentralistisch organisiert sind, finanziell und wirtschaftlich wesentlich besser dastehen als die föderalistisch organisierten Länder. Ich kann Ihnen sagen, ich möchte Österreich als föderalistisch organisiertes Land nicht mit manchen zentralistisch organisierten Staaten vergleichen, denen es wesentlich schlechter geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum dritten Punkt muss ich jetzt ein bisschen länger ausholen, Manfred, denn du hast sehr viele Dinge angeschnitten. Abgesehen davon, dass natürlich ein Bürgermeister – ich verstehe das – nicht vom Föderalismus, sondern vom "Förderalismus" spricht, weil er sich auch vom Föderalismus Förderungen erwartet. Das sei aber nur nebenbei bemerkt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lieber Manfred Gruber! Du hast natürlich in einem Recht: Wenn wir von der Position und der Stärkung der Länder reden, dann müssen wir auch schauen, dass diese Länder, in all ihren Teilen gerecht verteilt, auch stark genug sind. Du hast auch Recht damit, dass es nicht nur bei uns in Salzburg, sondern in vielen anderen Regionen einen Zug zum Zentralraum gibt. Deshalb – das darf ich in diesem Kreis auch sagen, und das weißt du auch – haben wir in der Salzburger Landesregierung – und zwar ÖVP und SPÖ gemeinsam – das Geld, das wir durch Vorzieheffekte im Vorjahr mehr bekommen haben, auch sofort eingesetzt, denn ich habe es schon kommen sehen, dass der Finanzminister ein gieriges Auge auf diese Gelder werfen wird. Deshalb haben wir im Bundesland Salzburg ein Sofort-Impuls-Programm umgesetzt. Schwerpunktsetzung dabei war, dass das Geld in die ländlichen Regionen investiert werden muss und nicht für den Zentralraum verwendet werden darf.

Es sind ungefähr 140 Projekte in den verschiedenen Salzburger Gemeinden gelaufen, und wir haben damit – ich darf das jetzt in Schilling sagen – insgesamt Investitionen in der Höhe von 1,2 Milliarden Schilling ausgelöst. Ich glaube, solche Maßnahmen müssen auch in den Ländern selbst gesetzt werden. Das hat sich als richtig und positiv herausgestellt.


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Weiters hast du natürlich aus der Sicht der SPÖ – und das verstehe ich auch – durchaus verschiedene Maßnahmen angeschnitten, bei denen man sagen könnte, da muss man aufpassen, dass es zu keiner Ausdünnung des ländlichen Raumes kommt. Aber ich darf dir sagen, auch da haben wir in den Ländern Möglichkeiten, dem gegenzusteuern. Bei der Reform der Gendarmerieorganisation weise ich darauf hin, dass wir jetzt im Bundesland Salzburg mit Unterstützung des Innenministers die so genannten Betreuungsgendarmen eingeführt haben. Gerade dort und auch in anderen Gemeinden, wo es bisher schon keinen Gendarmerieposten mehr gegeben hat, haben wir jetzt zusätzlich und neu die Betreuungsgendarmen eingeführt. Das ist eine Einrichtung, die in den Gemeinden sehr positiv aufgenommen wird. Man kann also entgegenwirken.

Man kann auch der Reform des Postwesens in einem Lande durch die Einrichtung von Postpartnern und Postservicestellen ganz klar und sehr positiv entgegenwirken, und ich muss sagen, das hat sich bewährt. Dort, wo es Postpartner und Postservicestellen gibt, können die Menschen jetzt über Freitag Mittag hinaus ihre Post auch am Nachmittag und am Samstag Vormittag erledigen. Damit haben wir auch kleine Handelsgeschäfte, sozusagen die Nahversorger, entsprechend unterstützt.

Da du den Bildungsbereich angesprochen hast: Du weißt natürlich, dass gerade von mir als Zuständigem für das Bildungswesen im Land Salzburg immer die klare Aussage getroffen wurde: Von mir und während meiner Zeit wird keine Kleinstschule und keine Kleinschule geschlossen werden. Auch wenn mir das von einigen Gemeinden gar nicht so positiv ausgelegt wird, denn bisher ist die Forderung nach Zusammenlegung von Schulen immer nur von Gemeinden gekommen, doch ich als zuständiger Schulreferent habe mich immer dagegen ausgesprochen.

Also auch in diesem Sinne müssen wir versuchen – da hast du völlig Recht –, darauf zu achten, auch innerhalb der Länder die einzelnen Bezirke und Regionen entsprechend zu unterstützen, damit eine Chancengerechtigkeit gegeben ist.

Insgesamt darf ich dir sagen: Dabei geht es natürlich auch darum, dass wir bei den künftigen Verhandlungen mit dem Bund in der Frage des Finanzausgleiches, aber auch im Zusammenhang mit der bevorstehenden Steuerreform gemeinsam – Länder und Gemeinden – dem Bund als ein Verhandlungspartner gegenüberstehen, denn es hat keinen Sinn, wenn sich die Länder und die Gemeinden gegenseitig vorwerfen, dass sie sich irgendetwas wegnehmen, meine Damen und Herren! Das ist es nicht, sondern wir müssen da gemeinsam marschieren und versuchen, mit dem Bund dann eine entsprechende Lösung, die für uns alle erträglich ist, zu finden. Diese Solidarität zwischen Gemeinden und Ländern darf ich jetzt schon anschneiden und darum ersuchen.

Ich muss aber auch noch ein paar Worte zur Frage der Krankenkassen sagen. Meine Damen und Herren! Ich respektiere die Position des Kollegen Sausgruber in Vorarlberg durchaus. Es gibt in dieser Frage zwei Philosophien. Es gibt eine Philosophie, die Kollege Dr. Sausgruber hat, der sagt: Wir wollen mit der ganzen Geschichte nichts zu tun haben! Das ist eine Angelegenheit, die zwischen der Bundesregierung oder dem Bund und dem Kassenwesen ausgemacht werden soll. Es kann nicht so sein, dass Kassen, die gut gewirtschaftet haben, etwas hergeben, um den anderen zu helfen. – Das ist eine Position.

Wenn wir allerdings, meine Damen und Herren, diese Position eingehalten und diese Position ohne Bereitschaft zu irgendeiner Verhandlung weiter unterstützt hätten, dann – das kann ich Ihnen sagen – würden Sie heute mit einer anderen Regierungsvorlage konfrontiert sein als mit der, mit der Sie jetzt konfrontiert sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Die zweite Position, meine Damen und Herren, ist, ja zu sagen zu einer Solidaritätsaktion, aber eben nicht ohne Wenn und Aber, sondern zu einer Solidaritätsaktion, die auch garantiert, dass die Kassen, die jetzt zu helfen und zu unterstützen bereit sind, das auch auf Heller und Pfennig wieder zurückbekommen. Und da, lieber Manfred Gruber, haben wir wirklich alles ausgereizt, was auszureizen gewesen ist. Ich kann dir nur sagen, dass wir auf Grund unserer Androhung,


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dass man dem ersten Entwurf nicht zustimmt – darin hat es überhaupt keine Sicherheit gegeben, was zum Beispiel die Rückzahlung betrifft –, all das erreicht haben.

Wir haben – und das war uns ganz besonders wichtig – eines erreicht: Wenn die gesetzlich festgeschriebene Rückzahlungspflicht – es ist auch ein Terminplan enthalten – trotz der gesetzlichen Verankerung nicht eingehalten wird, dann dürfen wir bei unseren jährlich zu leistenden Beiträgen das Ausmaß, in dem nicht zurückbezahlt wird, so wie es vorgesehen ist, selbst einbehalten. Damit haben wir in den Ländern, die jetzt in der Lage sind, etwas zu geben, die 100-prozentige Sicherheit, dass wir das zurückbehalten können. Es ist wirklich eine Frage, wie man das regeln wird, aber dann kommen nicht die einzelnen Kassen wie zum Beispiel Salzburg und Oberösterreich zum Handkuss.

Ich bekenne mich also zu dieser Solidaraktion, aber nur in Verbindung damit, dass erstens die Garantie gegeben ist, dass das wieder zurückkommt oder dass wir es dann einbehalten, wenn es nicht zurückkommt, dass zweitens aber auch die Kassen, die jetzt in Schwierigkeiten sind – und die Auszahlung ist daran gekoppelt –, ihre Hausaufgaben machen – denn das ist auch wichtig –, und dass sie das, was sie an Immobilien et cetera haben, veräußern und dazu verwenden, um ihre prekäre Situation zu bereinigen.

Nicht von ungefähr – das muss ich dir schon auch sagen – hat der Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse, der durchaus deiner politischen Seite angehört, erklärt, dass er mit dieser Lösung einverstanden sei und garantieren könne, dass die Salzburger Gebietskrankenkasse dadurch keinen Schaden erleidet, weil er wisse, dass das Geld ganz sicher wieder zurückkommt beziehungsweise auch einbehalten werden kann.

Das heißt, ja zur Solidarität, aber auch zur Sicherheit des Zurückzahlens und drittens –ganz wichtig – auch zur Notwendigkeit von Reformmaßnahmen bei jenen Kassen, die Probleme haben.

Zu dem, was Herr Dr. Aspöck gesagt hat, darf ich anmerken: Im Herzen eins, im Liede gleich ist Salzburg – Oberösterreich. – Das weißt du. Es freut mich, dass du das besonders betont hast. In Salzburg ist es nicht selbstverständlich, dass ein Politiker dort tatsächlich geboren ist. Ich möchte jetzt nicht aufzählen, wie viele geborene Oberösterreicher in Salzburg tätig sind. Auch Sepp Saller ist ein Salzburger. Ich kann dir nur sagen: Das ist so wie bei den Konvertiten. Wenn du von woanders kommst, dann wirst du ein so fanatischer Anhänger und Vertreter der Interessen dieser neuen Heimat, dass ein geborener Salzburger einiges zu tun hat, da nachzukommen. – Das muss ich sehr deutlich sagen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Auch meine Ahnen kommen aus Oberösterreich!)

Das ist aber überall so. Es zeugt auch von der kulturellen und der generellen Offenheit des Bundeslandes Salzburg, dass dort auch Menschen aus anderen Bundesländern in Spitzenpositionen kommen können. (Bundesrat Dr. Aspöck: Meine Ahnen sind auch aus Oberösterreich!  – Bundesrat Konecny: Allerweil die Zuwanderer!) Inzwischen sind diesem Beispiel auch andere Bundesländer wie Kärnten oder Tirol gefolgt und haben sich auch für Oberösterreicher als Landeshauptmänner geöffnet. Ich halte das im Zeitalter der Europäischen Integration überhaupt für ganz wichtig und wesentlich, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.  – Rufe bei der ÖVP.  – Bundesrat Schöls: In Niederösterreich ...!  – Bundesrätin Mag. Trunk: Aber wenn sie ihn so schätzen, können sie ihn zurückhaben!  – Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Frau Bundesrätin! Darf ich Sie bitten, sich das mit den Oberösterreichern auszumachen. Ich habe da keinen Einfluss darauf.

Zum Redebeitrag von Herrn Bundesrat Schennach darf ich ganz kurz sagen: Sie haben völlig Recht, ich rede hier natürlich nicht als Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz, sondern ich hätte – und dafür bin ich sehr dankbar – als Landeshauptmann von Salzburg jederzeit die Möglichkeit, einen Debattenbeitrag einzubringen. Ich habe nur gemeint, es ist der Anlass der Übernahme des Vorsitzes, der einen immer wieder hierher führt, um eine Stellungnahme abzugeben. Auch werde ich mir vornehmen, Sie vielleicht auch einmal unabhängig davon zu bitten, mir Ihr Gehör zu schenken.


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Was die Landeshauptleutekonferenz als solche betrifft, darf ich sagen: Ich sehe sie in erster Linie als Koordinierungsinstrument und -einrichtung. Jeder Landeshauptmann ist selbstverständlich seinem Landtag verantwortlich und kann auch in der Landeshauptleutekonferenz nicht einfach irgendetwas zusagen, sondern es gibt viele Bereiche, in denen wir erst in den jeweiligen Bundesländern die Zustimmung einholen müssen. Ich meine nur, es ist auch wichtig, da Koordinierungen vorzunehmen, um dann zum Beispiel auch geschlossen gegenüber dem Bund auftreten zu können.

Ich bin ganz bewusst auf die Frage der Bundesratsreform nicht sehr ausführlich eingegangen, weil ich mit dem, was Pühringer gesagt hat und was auch unter uns Landeshauptmännern weitestgehend abgestimmt ist, voll und ganz einverstanden bin, und weil ich nicht der Meinung bin, dass jedes halbe Jahr das gleiche wiederholt werden soll, während dann ohnehin relativ wenig passiert. Ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich stimme Ihnen zu. Ich halte es wirklich für die sinnvollste, zweckmäßigste und erfolgversprechendste Vorgangsweise, wenn sich der Bundesrat selbst auf eine Reform einigen könnte, denn dann würden alle Landeshauptleute und meines Erachtens auch der Nationalrat dafür sein.

Ich halte es auch unter der derzeitigen politischen Konstellation wirklich für die sinnvollste und zielführendste Vorgangsweise, wenn sich der Bundesrat selbst auf ein Paket einigen könnte und das als gemeinsamen Vorschlag präsentiert. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass ich beziehungsweise sicher auch das Bundesland Salzburg, aber auch die anderen Landeshauptmänner diesem Vorschlag "ung’schaut" zustimmen würden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich kann Sie daher nur dazu ermuntern, Ihre Bemühungen in dieser Richtung hurtig voranzutreiben.

Meine Damen und Herren! Es wird immer wieder die Frage nach dem gebundenen Mandat aufgeworfen. Ich darf aus meiner Sicht sagen: Es gibt nur zwei Alternativen, nämlich das an das Land gebundene Mandat und das an die Partei gebundene Mandat. – Ich sage das so, wie es in der Praxis ist. Man muss sich also entscheiden, ob man das eine oder das andere will, oder eine Mischform, denn auch diese gibt es.

Ich würde daher auch sehr bitten, nicht von vornherein die Frage einer gewissen Bindung an die Interessen eines Landes abzulehnen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das gilt für den Nationalrat auch! Das würde aber auch für den Nationalrat gelten! Da redet man auch nicht davon!)  – Wissen Sie, der Nationalrat ist natürlich eine andere Einrichtung als der Bundesrat, und wenn ich den Bundesrat als eine Länderkammer betrachte, dann halte ich es nicht von vornherein für schlecht, dass vielleicht auch gewisse Länderinteressen an die jeweiligen Bundesräte weitergegeben werden. Da könnte es durchaus auch einmal parteiübergreifende Interessen und dadurch andere Ergebnisse geben, als das jetzt der Fall ist, wo eben, wie man in der Praxis sieht, nur nach Parteien abgestimmt wird.

Herr Bundesrat Schennach! Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen noch sagen, dass es mir sehr gefallen hat, was Sie zum Begriff Heimat gesagt haben. Sie haben das auch im Zusammenhang mit dem Thema Transit gebracht. Ich bitte Sie, sich da nicht nur auf Tirol zu beschränken, sondern auch den Transit auf der Tauernstrecke zu beachten. Da müssen wir wirklich gemeinsam und solidarisch für eine Lösung kämpfen. Da darf die Europäische Union – das muss ich wirklich sagen – nicht über uns "drüber fahren". Ich bitte Sie daher alle um Ihre Solidarität und darf Sie in diesem Sinne dazu einladen, dass wir auch weiterhin gemeinsam darum kämpfen, dass Österreich und unsere Bundesländer Heimat für uns alle bleiben. (Allgemeiner Beifall.)

10.36

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

10.36

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es steht mir natürlich nicht zu, in der Salzburger Krankenkassen-Diskussion Partei zu ergreifen. Ich möchte aber doch den Standpunkt des Landes Vorarlberg authentisch interpretiert wissen.


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Es ist uns völlig klar, dass die Gebietskrankenkassen mit einem Gebarungsabgang bis zum Greifen der angestrebten Reformen einer Übergangsfinanzierung bedürfen. – Das wird überhaupt nicht in Frage gestellt.

Wir haben lediglich den Vorschlag gemacht, diese Übergangsfinanzierung auf dem Wege des Kapitalmarktes bereitzustellen. Aber auch für den Fall, dass diesem Vorschlag nicht gefolgt wird, hätten wir uns nicht gänzlich verweigert, wenn man sich bei der Inanspruchnahme der Sektordarlehen der Möglichkeiten bedient hätte, die das Zivilrecht für solche Fälle vorsieht. Das ist der gravierende Punkt, der uns trennt.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Zustimmung wäre gewesen, dass die Darlehensgewährung und deren Rückzahlung nach den Regeln des Zivilrechtes gerichtsfest ist – das ist sie nicht – und dass sie, um einer allfälligen Zahlungsunfähigkeit vorzubeugen, mit einer Bundeshaftung versehen wird – das ist auch nicht der Fall. Was wir jetzt haben, ist eine Regelung, die vom künftigen Wohlwollen des einfachen Bundesgesetzgebers abhängt, und das ist der eigentliche Punkt, der uns in dieser Diskussion trennt. Auf diesen kleinen, aber wichtigen Unterschied wollte ich ausdrücklich aufmerksam machen. (Beifall der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.38

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen sowie den Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Manfred Gruber, Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich gebe bekannt, dass der Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter, Dr. Ferdinand Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen der sozialistischen Gesundheitspolitik und mittelfristige Sicherstellung der Krankenkassenfinanzierung (133/A(E)-BR/2002) gemäß § 21 Abs. 4 der Geschäftsordnung von den Antragstellern zurückgezogen wurde. (Bundesrat Konecny: Schade! Warum?  – Rufe bei der SPÖ: Oh!  – Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber.   – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Ludwig Bieringer: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 11 bis 13, 14 und 15, 16 und 17, 18 bis 26, 27 bis 30, 33 bis 36, 37 und 38, 39 und 40, 41 und 42, 44 bis 49, 50 und 51 sowie 52 bis 55 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.


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Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Ludwig Bieringer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Hedda Kainz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Weiters liegt mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Hedda Kainz, Kolleginnen und Kollegen mit demselben Betreff an die Frau Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte liegt dazu vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der beiden Anfragen an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung wird die Behandlung dieser dringlichen Anfrage im Anschluss an die Behandlung der beiden zusammengezogenen dringlichen Anfragen erfolgen.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002) (1116 und 1242/NR sowie 6689 und 6704/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden (1243/NR sowie 6690 und 6705/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (713/A und 1222/NR sowie 6691 und 6706/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der


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Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen (482 und 1223/NR sowie 6707/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 bis 4, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

eine GWG-Novelle 2002,

ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird und

das Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 bis 4 hat Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Berichterstatterin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002), zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich brauche mich also nur mehr auf die Antragstellung zu beschränken.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden, zur Kenntnis.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich kann mich daher wiederum auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, zur Kenntnis.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.


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Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zuletzt bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen zur Kenntnis.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich kann mich ebenfalls auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

10.47

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Es geht um eine Fülle von Punkten, von denen ich zwei herausgreifen möchte. Es ist gar nicht so alltäglich, dass ich hier einmal mit etwas Positivem beginnen kann. Diese Möglichkeit besteht jedoch, wenn ich über die Totalliberalisierung des Gasmarktes in Österreich berichten darf.

Ich meine, dass das, was durch die Verhandlungen zu Stande gekommen ist, eine ganz großartige Leistung ist. Herr Abgeordneter Oberhaidinger hat uns berichtet, dass Sitzungen im Ausmaß von über 100 Stunden stattgefunden haben und dass es intensiver Verhandlungen bedurft hat, um dieses Werk, das gut geworden ist, zu Stande zu bringen.

Der österreichische Gasmarkt hat ein Volumen von rund 22 Milliarden Schilling – rund 1,6 Milliarden €. – Das ist eine ganz schön große Summe. (Bundesrat Steinbichler: Auf Kosten der ...!) Der Gasmarkt ist daher, lieber Herr Bundesrat Steinbichler, für einen wesentlichen Teil der Wirtschaft und auch für viele Haushalte wichtig. – Einen Haushalt hast auch du, lieber Kollege, wie ich glaube. Daher betrifft es dich auch, ob du es willst oder nicht, und daher sollte man sich die Inhalte dieses Gesetzes durchaus einmal anschauen und die Kritisiererei hintanstellen. Danach kann man dazu Stellung nehmen – ob positiv oder negativ. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Experten der E-Control rechnen mit etwa 10 bis 20 Prozent Kostenersparnis. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. – Wir fördern die Landwirtschaft ohnehin "hinten und vorne", wir können nicht alles dorthin investieren. Es gibt auch noch andere Gebiete, die für uns wichtig sind – für die Wirtschaft genauso wie für die einzelnen Haushalte. Nimm das bitte zur Kenntnis, bei aller Freundschaft! Das heißt also, der Gewinn für unsere Volkswirtschaft – für die Wirtschaft wie auch für die Haushaltskunden – ist somit gegeben. Das ist mir sehr wichtig. Laut Minister Bartenstein kann diese österreichische Gaslösung per 1. Jänner 2003 operativ werden. Das heißt also, in absehbarer Zukunft können wir damit rechnen.

Unser Dank gilt ganz besonders den Ländern. Kurz zuvor haben wir uns noch mit der Politik der Länder beschäftigt. Das ist eines der Beispiele, bei denen es ganz wichtig war, dass die Länder an einem Strang gezogen haben, damit es zu einer Regelung kommt. Es hätte immerhin 400 Millionen € – rund 5 500 Millionen Schilling – gekostet, wenn keine Einigung der Länder erfolgt wäre. Das ist ein Betrag, der für uns alle eine Rolle spielt und den man natürlich verschieden verwenden kann. Wir als sozialdemokratische Fraktion hätten natürlich schon einige Ideen, die auch mit den Abfangjägern in Verbindung zu sehen sind und nicht nur ein Beispiel


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dafür wären, wie man diese Summe in verschiedenen Bereichen gut einsetzen könnte. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Geeintes Marschieren der Länder für Wirtschaft und Haushalte – das ist etwas, was ich für gut und wichtig halte. Mit größter Verantwortung für Österreich betrachtet heißt das also, dass die Wirtschaft und der Konsument – und Konsumenten sind wir letztendlich alle – jetzt zu billigeren Gaspreisen kommen. Das wird sich auch auf die Geldbörse auswirken, was sehr wichtig ist.

Meine Damen und Herren! Was für einen Stellenwert hat Erdgas eigentlich in Österreich? Wie viel haben wir eigentlich davon, wofür brauchen wir es? – In Österreich beträgt der Verbrauch von Erdgas rund 7 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Wenn man nun fragt, woher denn das Erdgas eigentlich kommt, dann gibt es einige ganz "Gescheite", die sagen, natürlich aus der Erde. – Das stimmt schon. (Bundesrat Schöls: Darum heißt es ja "Erdgas"! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Wir wollen aber auch wissen, woher es Österreich importiert. Rund 80 Prozent kommen aus Russland, rund 20 Prozent aus Norwegen, der Nordsee und Algerien, und ein kleiner Teil kommt aus der europäischen Eigenproduktion.

Das heißt also, wir sind voll importabhängig. Auf Grund dieser Importabhängigkeit, die ich mit der Information, woher wir Erdgas beziehen, demonstrieren wollte, war es umso wichtiger, dass diese Lösung für den Gasmarkt bewirkt werden konnte. Das Gas – das sollte man hier in diesem Haus zumindest einmal erwähnen – kostet in der Rohproduktion 6 bis 7 Cent pro Kubikmeter. Für den Konsumenten kostet es 40 bis 50 Cent.

Erdgas ist daher einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren, der auch zu einer sehr großen wirtschaftlichen Prosperität und Entwicklung in Österreich beigetragen hat. Man hat sich damit beschäftigt, und man sieht, wie positiv der Erdgasausbau vorangetrieben wurde und wird.

Die unserer Meinung – der Meinung der sozialdemokratischen Fraktion – nach sehr wichtigen Punkte wie die Missbrauchsaufsicht, die Regelung, dass Leitungsreserven nicht reserviert werden können, und das Tariftransparenzgesetz – wichtig vor allem für die Kleinverbraucher – sind positiv erledigt. Durch diesen Konsens sind rund 130 Millionen € Einsparungspotenzial für die österreichische Bevölkerung erzielt worden. Das ist ein gutes Gesetz, daher geben wir ihm auch unsere Zustimmung. (Bundesrat Steinbichler: Wie schaut es mit der ... aus?)

Hinsichtlich der Änderung beziehungsweise Novellierung der Gewerbeordnung kann ich mich allerdings nicht so positiv äußern. Das hat natürlich Gründe: Man braucht sich nur anzusehen, wie die Regierungsparteien wieder in ihrem Element sind, über alles drüberzufahren, was im Wege steht. Was für sie uninteressant ist, wird weggewischt, ohne darüber nachzudenken, und was ihnen nicht gefällt, wird ganz einfach geändert.

Das haben wir am 10. Juli bei der letzten Nationalratssitzung feststellen müssen. Die Tatsache, dass der vom Abgeordneten Mitterlehner im Nationalrat eingebrachte Abänderungsantrag zur Novellierung der Gewerbeordnung angenommen und der am gleichen Tag vom Abgeordneten Eder von der sozialdemokratischen Fraktion eingebrachte Antrag abgelehnt wurde, zeigt, dass wieder einmal eindeutig mit zweierlei Maß gemessen wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.  – Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. )

Ich werde das Thema nicht lange zerlegen, aber man soll zumindest auch in diesem Haus wissen – auch diejenigen, die sich vielleicht nicht so genau mit der Thematik befasst haben –, worüber wir hier sprechen und warum wir uns hier so und nicht anders verhalten können.

Frau Staatssekretärin! Bei unserem Antrag, der vom Abgeordneten Eder eingebracht wurde, geht es um § 371a der Gewerbeordnung aus 1994. Hier gibt es aus unserer Sicht ein Problem, das ohne großen Aufwand zu lösen gewesen wäre. Derzeit sieht § 371 Gewerbeordnung aus 1994 vor, dass der Landeshauptmann lediglich dann Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben kann, wenn der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates ein Straferkenntnis betrifft.


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Nunmehr besteht die Absicht, den Unabhängigen Verwaltungssenat auch in Administrativverfahren als Berufungsinstanz einzurichten. Im Administrativverfahren hätte der Landeshauptmann nach der derzeitigen Rechtslage nicht die Berechtigung, Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Hier wollten wir eine einheitliche Spruchpraxis und damit mehr Rechtssicherheit erwirken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf nur in Erinnerung bringen, dass vor einigen Minuten – es ist noch nicht lange her – Landeshauptmann Schausberger darüber gesprochen hat, dass man sich, ungeachtet der Meinung der eigenen Partei und der eigenen Regierung doch einmal überzeugen sollte, ob all das in Ordnung ist, und zwar für uns als Länder, für uns als diejenigen, die es in der Praxis umzusetzen haben und die sich dann dementsprechend verhalten müssen. – Ich denke, dass das nicht der Fall ist. – Wir haben ja die Abstimmungspraxis der ÖVP und der FPÖ hier im Parlament gesehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Abänderungsantrag lautete daher: Der Landeshauptmann ist berechtigt, gegen Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Gegen ein Straferkenntnis steht dieses Recht dem Landeshauptmann nur dann zu, wenn der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates das Straferkenntnis der Bezirksverwaltungsbehörde aufgehoben hat.

Dies wäre eine gute und saubere Lösung, aber diese wurde von den Regierungsfraktionen abgelehnt. Der Antrag Mitterlehners allerdings, der eine drei Wochen davor beschlossene Regelung wieder aufhebt und nebenbei, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, als EU-Richtlinie allseits bekannt ist, wurde angenommen und beschlossen.

Lobbyismus ist gut und schön. Wir wissen, dass es ihn gibt, wir wissen, dass er da und dort wahrscheinlich notwendig ist. Aber wenn Sie in dieser Art und Weise versuchen, Gesetze zu machen, dann können Sie von uns, der Fraktion der Sozialdemokraten, nicht erwarten, dass wir einer solchen Regelung zustimmen.

Von uns, die wir an diesem ganzen Gebilde, an diesem ganzen Gesetz und gerade an den Bereichen, in denen wir auch als Gewerkschafter eine sehr wichtige Position einnehmen, mit großer Gewissenhaftigkeit mitgearbeitet haben und die wir mit hohem Verantwortungsbewusstsein an dieses Thema herangegangen sind, kann man nicht erwarten, dass wir dem zustimmen, vor allem, da solche Vorgangsweisen und solche Regelungen zum Tragen gekommen sind. Daher wird meine Fraktion diesem Kapitel die Zustimmung verweigern.  – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

10.57

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Hoher Bundesrat! Unter den Punkten 1 bis 4 der heutigen Tagesordnung werden ein Bundesgesetz behandelt, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz – Regulierungen im Elektrizitätsbereich betreffend – geändert wird, ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung geändert wird, und ein Abkommen zwischen den Regierungen von Österreich und Ungarn, das die Beschäftigung in Grenzzonen regelt.

Zum Gaswirtschaftsgesetz ist ergänzend zu Kollegen Freiberger zu sagen (Bundesrat Freiberger: Ich habe nicht geredet!): Es wurden gewaltige Liberalisierungsschritte gesetzt, die, wie er auch schon gesagt hat, allen zu Gute kamen und nicht nur den "Großkopferten", wie wir in Tirol sagen, also den Großkunden. Österreich ist EU-weit beim Ökostrom trotzdem Vorreiter.

Weiters werden Investitionen für den Ausbau von Gas- und Stromleitungen gefördert. Dazu gibt es eine Missbrauchsaufsicht und eine große Tariftransparenz.


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Der Förderanteil von Kleinwasserkraftwerken wurde angehoben, und im ElWOG ist festgeschrieben, dass bis zum Jahre 2008 4 Prozent des Stroms aus Biomasse, 9 Prozent des Stroms aus Kleinkraftwerken und insgesamt 78 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern stammen sollen.

Laut Bundesminister Martin Bartenstein umfasst der Gasmarkt in Österreich ein Volumen von 1,6 Milliarden €, wie Sie schon richtig gesagt haben. Es gibt 1,2 Millionen Kunden, und die Kostenersparnisse liegen bei zirka 1,160 Millionen €. Bei diesem Gaswirtschaftsgesetz ist es meiner Meinung nach wieder einmal gelungen, unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. Auch die Verhandler der Länder waren, wie wir wissen, miteingebunden.

Was meiner Meinung nach sehr wichtig war, ist, dass parteiübergreifend für das Wohl unseres Landes und dessen Menschen gearbeitet worden ist. Ich glaube, diese Beispiele sollten auch bei anderen Dingen Schule machen.

Nun zu den Änderungen in der Gewerbeordnung: Ich sehe diese nicht so negativ. Diese Änderungen betreffen auch die Problematik der Versicherungsagenten und Versicherungsmakler; es wird eine EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie abgewartet. Ferner geht es um einige technische Präzisierungen beim Gewerbetätigkeitsumfang der Mechatroniker – das ist ein spezifisches Problem, das im Rahmen der Wirtschaftskammer einvernehmlich mit anderen Berufsgruppen geklärt wurde – und um eine technische Präzisierung betreffend die Nichterklärung von Bescheiden und die Löschung aus dem Gewerberegister. Insgesamt sind dies alles meiner Meinung nach technische und praxisorientierte Klärungen im Sinne des Standortes Österreich.

Nun noch kurz zu dem Abkommen zwischen Österreich und Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen: Das ist für diese Region ein sehr wichtiges Thema. Von dem geltenden österreichisch-ungarischen Grenzgängerabkommen, das schon bestanden hat, sind mit Ausnahme des Bezirks Jennersdorf alle politischen Bezirke des Burgenlandes an der gemeinsamen Grenze erfasst. Jennersdorf war davon ausgenommen, weil dort eine im Vergleich zu den anderen Bezirken relativ ungünstige Arbeitsmarktsituation vorherrschend war. In der Zwischenzeit hat sich die Situation des österreichischen Arbeitsmarktes insgesamt merklich entspannt und auch im Bezirk Jennersdorf deutlich gebessert, sodass diese Ausnahme nicht mehr notwendig ist. Mit der Aufnahme von Jennersdorf in dieses Abkommen wird auch die Grundlage dafür geschaffen, mit dem geplanten Wirtschaftspark Szentgotthárd – Heiligenkreuz einen Arbeitskräfteaustausch zu realisieren.

Abschließend möchte ich mich bei Minister Bartenstein, bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, und speziell bei den Leuten in den Ministerien für diese wichtigen Gesetze und Novellierungen sehr herzlich bedanken. Wir von der ÖVP werden diesen Gesetzen gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Auer. – Bitte.

11.02

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Mein Genosse Reisenberger hat ausführlich dargestellt, weshalb meine Fraktion ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Genosse?)  – Ja, ich darf noch "Genosse" sagen. Sie werden sich mit dem Wort "Kollegen" begnügen müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Er hat ausführlich dargestellt, weshalb meine Fraktion gegen das Gesetz betreffend die Gewerbeordnung stimmen wird.

Als Bundesrätin meines Bundeslandes möchte ich einige Worte über das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn sagen. Die bereits im Nationalrat einstimmig beschlossene Erweiterung des Grenzgängerabkommens zwischen Österreich und Ungarn um den Bezirk Jennersdorf bedeutet einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Intensivierung der Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Arbeitsmarktes


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mit unserem Nachbarland. In diesem Sinne wird nunmehr das gesamte Burgenland von diesen Erleichterungen für die Beschäftigung von Grenzgängern umfasst.

Nicht zuletzt wurde damit den positiven Entwicklungen im Burgenland, auch im Bezirk Jennersdorf, seit dem EU-Beitritt und der Ziel-1-Anerkennung Rechnung getragen. So hat etwa die Konjunkturforschung Basel 150 europäische Regionen in einem Benchmark-Report verglichen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Burgenland im Zeitraum von 1995 bis 1999 den ersten Rang beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes aufweist. In diesem Zeitraum konnte ein wirtschaftlicher Zuwachs von 5,7 Prozent verzeichnet werden. Weiters liegt das Burgenland beim durchschnittlichen Haushaltseinkommen bereits über dem österreichweiten Durchschnitt. Länder wie die Steiermark, Tirol oder Kärnten konnten überholt werden.

Durch die Errichtung schwerpunktmäßig geprägter Technologiezentren und die Niederlassung von weltweit anerkannten Unternehmen wurde der tief greifende Strukturwandel in der burgenländischen Wirtschaft sichtbar. Im Bezirk Jennersdorf im Dreiländereck Burgenland – Slowenien – Ungarn ist der Businesspark mit grenzüberschreitendem Status in Heiligenkreuz und Szentgotthárd einer der Entwicklungspole. 85 Hektar an Betriebsansiedlungsflächen inklusive hochwertiger Infrastruktur, einer Energie- und Medienzentrale, einer eigenen Zollabfertigung sowie einem eigenen Bahnhof werden angeboten. Lenzing AG, Holler und Hatzl, ISC Industrie Service Center – um nur einige der Betriebe zu nennen – haben sich dort angesiedelt. Den Technologieschub beschleunigt und hochwertige Arbeitsplätze schafft weiters das Technologiezentrum mit dem Schwerpunkt Optoelektronik – LED-Technologie in der Bezirkshauptstadt Jennersdorf. Nicht zuletzt wird durch die jüngst erfolgte Beteiligung der Therme Loipersdorf auch am Aufschwung im Tourismusbereich mitpartizipiert.

Die Vernetzung nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch im Arbeitsmarktbereich muss im Hinblick auf die kommende EU-Osterweiterung so rasch wie möglich vorangetrieben werden, um die Wirtschaftsregion Burgenland, das Ballungszentrum Wien sowie den Raum Westungarn und Bratislava zu einer prosperierenden Einheit zu formen. Konkret ist die Aufnahme des Bezirkes Jennersdorf in dieses Abkommen ein Beitrag dazu, die exponierte Lage des Burgenlandes – früher eine historisch gewachsene Schwäche – zu einer besonderen Stärke werden zu lassen, die zwar Risken, aber überwiegend auch Vorteile und neue Chancen mit sich bringt.

Diesem Gesetz stimmen wir zu. (Beifall bei der SPÖ.)

11.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Lindinger. – Bitte.

11.07

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich spreche zum Ökostromgesetz. Das Ökostromgesetz befasst sich mit der Erzeugung elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen. Es sind dies Kleinkraftwerke, Windenergie, Voltaistik, und auch die Kraft-Wärme-Kopplung gehört dazu.

Die Energie zur Verstromung oder Direktverwendung muss nicht von weither geholt oder aus großer Tiefe zutage gefördert werden. In Europa ist der Kohleabbau in großer Tiefe – wenn man vom rheinischen Tagbau-Bergbau absieht – nicht nur sehr aufwendig in der Aufbereitung, sondern auch sehr landschaftszerstörend. Wir kennen die Bilder aus dem Rheinland, wir kennen aber viel eher noch die Bilder aus dem ehemaligen Sudetenland, wo ganze Landstriche durch den Kohlebergbau und die anschließende Verstromung vor Ort zerstört wurden.

Das Erdgas – das hat einer meiner Vorredner heute schon gesagt, aber es werden in dieser Fraktion jetzt immer weniger, es ist nur noch einer da (Bundesrat Gasteiger: Zwei!); Entschuldigung! – wird zu 80 Prozent aus Russland und zu 20 Prozent aus Norwegen geholt. Dies bedarf wieder riesiger Pipelines oder der Fracht über die See. Das Erdöl bereitet ähnliche Probleme;


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wir brauchen nur an die katastrophalen Zustände nach Schiffskatastrophen zu denken, wodurch ganze Küstenlandstriche zerstört werden.

Die erneuerbare Energie ist also quasi vor der Haustür. Wir ersparen uns dadurch nicht nur Primärschäden, sondern auch Sekundärschäden, weil wir die Wasserkraft, mit der Kleinkraftwerke betrieben werden, in unserem Land haben. Der Wind wird – wenngleich nicht so konstant wie an der Meeresküste der Nordsee – gratis geliefert und die Sonneneinstrahlung für die Voltaistik ebenso. Auch die Biomassen wachsen bei uns – ich will nicht sagen: gratis – nach, sie sind vorhanden, sie sind immer wieder erneuerbar.

Die Kraft-Wärme-Kopplung ist eine Technologie, die lange Zeit versäumt wurde. Kraft-Wärme-Kopplung heißt Folgendes: In Kraftwerken wurde elektrische Energie erzeugt und die Wärme einfach in die Luft geblasen. Wir alle kennen diese riesigen Kühltürme, die neben Kraftwerken stehen; sie sind bei Atomkraftwerken geradezu zum Wahrzeichen geworden. Dort geschieht nichts anderes, als dass Wasser rückgekühlt wird oder, auf Deutsch gesagt, Energie vernichtet wird. Viel einfacher ist es, diese Energie zu nützen und auch zu Heizzwecken zu verwenden. Das ist zwar nicht direkt ein Umsetzen elektrischer Energie, es spart aber woanders elektrische Energie.

Das gesamte Regelwerk für solche Kleinkraftwerke war bis jetzt Ländersache. Das neue Gesetz sieht eine bundesweit einheitliche Stromkennzeichnung und einen bundesweit einheitlichen Einspeisetarif für Ökostrom vor. Diese Einspeisetarife werden vom Wirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Umweltminister mittels Verordnung festgelegt. Es ist vorgesehen, dass eine Vertragsdauer von zehn Jahren garantiert wird.

Die Zertifizierung für Kleinkraftwerke wird es nicht mehr geben. Ich möchte nicht sagen, dass es sich dabei um Schikanen gehandelt hat, aber die Zertifizierung hat den Betrieb von Kleinkraftwerken unnötig verteuert. Die Einspeisetarife werden für Kleinkraftwerke bis 10 Megawatt festgelegt. Die Ziele, die damit erreicht werden sollen, sind leider nach hinten verschoben worden: das Ziel, 4 Prozent aus Ökoenergie zu gewinnen, leider bis zum Jahr 2008.

Die länderweise Regelung hat ein sehr großes Einsparungspotenzial. Ohne die generelle Regelung lägen bei den höheren Einspeisetarifen im Endausbau die Kosten bei 400 Millionen €. Durch die vorliegende Regelung können die Kosten approximativ auf 270 Millionen € gesenkt werden. Das heißt, die Kunden – und das sind die Bezieher dieses Stroms – sparen 130 Millionen €, die sie über Netzzuschläge zu tragen gehabt hätten.

Wenn das Ziel, Ökostrom zu fördern, mit diesem Gesetz erreicht wird, ist es ein gutes Gesetz. Es soll aber nicht bedeuten, dass die Förderung aus dem Gewinn der nicht ökologischen Stromerzeugung aufgebracht wird. Dann könnte man nämlich gleich bei diesen Kraftwerken bleiben, und der Strom würde dann mit Sicherheit sogar noch billiger werden. In der Hoffnung, dass das nicht geschehen wird, ist es meiner Ansicht nach ein gutes Gesetz, und meine Fraktion wird diesem zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

11.13

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Vier Punkte in einem: Das Gaswirtschaftsgesetz ist hier sicherlich in einer sehr positiven Art und Weise vorgelegt worden. Es ist auch eine Nachziehung zu jenen Vorgaben, die seitens der EU vorhanden waren, das ist keine Frage.

Mein Herz hängt, wie Sie sich sicher denken können, am Ökostromgesetz. Hier eint uns mit Sicherheit das Bestreben nach sauberer Energie, nach jener Energie, die jenseits der Verwendung fossiler Brennstoffe umgesetzt wird.


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Aber wir sehen in diesem Gesetz eine ganze Reihe von schmerzhaften Punkten. Wie es jedoch so meine Art ist, sage ich immer wieder das Positive zuerst.

Wir haben endlich eine einheitliche Stromkennzeichnung, und das bundesweit. Das ist immerhin ein Fortschritt, denn beim ElWOG 2000 hatten wir durch eine Kompetenzzersplitterung zwischen Bund und Ländern 400 unterschiedliche Einspeisungstarife. Diese unterschiedlichen Tarife haben letztlich zu einem Riesenchaos geführt, zu einer Verunsicherung der Produzenten, aber genauso zu einer Verunsicherung der Konsumenten.

Wir haben endlich einheitliche Einspeisungstarife für Ökostrom. Wir haben eine Erhöhung des Quotenziels auf bis zu 10 Megawatt, das heißt von 8 auf 9 Prozent. Das ist insofern positiv, als die alte Zielvorgabe sehr wenig ambitioniert war, nämlich von 7,2 auf 8 Prozent, und das löst keine Dynamik aus. Jetzt erfolgt die Erhöhung von 8 auf 9 Prozent.

Ebenfalls sehr positiv zu erwähnen ist hier, dass der Zertifikatehandel bei den Kleinwasserkraftwerken endlich zugunsten von Einspeisungstarifen abgelöst wurde. Dieser Zertifikatehandel macht im Großen Sinn, und es wird auch, glaube ich, eine sehr positive Herausforderung für die Wiener Börse werden, sich da zu positionieren. Das tut sie auch, und ich bin sehr froh darüber, dass sich die Wiener Börse da mit einem fast weltweit vorbildlichen Modell bereits präsentiert. Aber im Kleinwasserbereich hat das wenig Sinn gemacht.

Nun aber kommen wir zu jenen Punkten, die mich daran hindern, diesem Gesetz die Zustimmung zu geben. Ich würde das so formulieren: Willkommen in der Planwirtschaft! "Planwirtschaft" ist ein Zeichen dafür, dass Liberalisierung da nicht unbedingt – Herr Kollege Maier! – das angestrebte Ziel war. Aber das ist eben das Problem mit diesen alten Monopolriesen wie zum Beispiel der Stromwirtschaft, dass man dann bei gesetzlichen Regelungen doch immer wieder ein bisschen im planwirtschaftlichen Denken verankert bleibt.

Die Tarife gelten für zehn Jahre. Planwirtschaftliche Ziele gab es in jenen Systemen an sich für fünf Jahre, aber man macht hier ein bisschen Planwirtschaft und sagt: Fünf Jahre sind schlecht, machen wir daraus zehn Jahre! – Nein, wir hätten uns eine Öffnung gewünscht, und nicht, dass dies auf zehn Jahre festgesetzt wird.

Zweitens: Das Mindestziel, nämlich das Quotenziel, wird durch dieses Gesetz zur absoluten Obergrenze. Das heißt, dieses Gesetz schließt eine Dynamik ins Bessere aus.

Nächster Punkt: Der Förderzuschlag für den Ökostrom und für die Kleinwasserkraft wird gedeckelt. Wir ziehen also eine Deckelung ein, und das bedeutet, es wird durch diese Deckelung der Förderungen zu keinem Neubau kommen. Es wird keinen Neubau von Ökostromanlagen geben, weil die Deckelung dies verhindert.

Ein weiterer Punkt müsste, finde ich, auch Herrn Kollegen Maier als jemand, der aus der Wirtschaft kommt, stören: Nur die Volleinspeisung ist die Voraussetzung für den Fördertarif. Das heißt, für den Ökostromproduzenten gibt es keine Möglichkeit, private Verkäufe zu lukrieren, weil er sonst um die Förderung umfällt. Entweder speist er seine gesamte Produktion ein, oder er fällt um die Förderung um. Das heißt, es wird gerade das, was für kleine Produzenten interessant ist, nämlich einerseits einzuspeisen und andererseits lokal private Abnehmer zu finden, durch dieses Gesetz verhindert. Es gibt damit keinen privaten Ökostromhandel. Auch das ist ein Kennzeichen – es tut mir Leid, dass ich das sagen muss  – von planwirtschaftlichen Modellen.

Nächster Punkt: Herr Kollege Lindinger hat sehr positiv über die Photovoltaik geredet. Ich stimme diesen Ihren Aussagen inhaltlich voll zu, Sie haben völlig Recht, das ist eine ganz große Herausforderung. Aber wenn Sie es gelesen haben, wissen Sie, dass das auf 15 Megawatt gedeckelt ist. Sie wissen, dass wir derzeit bereits eine Leistung von 5 Megawatt haben. Jetzt deckeln wir das schon wieder, und damit werden wiederum wirtschaftliche Dynamik und wirtschaftliche Innovation unterbunden, indem man sich ganz kleine Ziele setzt. Eine Erhöhung von 5 auf 15 Megawatt ist bei dem Potenzial, das wir in der Photovoltaik in Österreich an sich haben, kein großer Ansporn.


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In diesem Zusammenhang möchte ich nur darauf verweisen – und das ist immer interessant –, dass von der Weltleistung aus Photovoltaik (mehrfach läutet das Mobiltelefon des Bundesrates Grissemann )  – der Herr Kollege macht da ein bisschen Wirbel, aber es macht nichts, er will sich wahrscheinlich nur als mein Sitznachbar bemerkbar machen – 80 Prozent allein in Japan erzeugt werden. Als zweites Land wäre Deutschland zu nennen. Das heißt, diese Deckelung ist nicht unbedingt förderlich.

Das Nächste, was wir alle hier begrüßen, ist diese einheitliche und wahrheitsgetreue Stromkennzeichnung, wenn ein Händler-Mix vorliegt. Aber warum müssen wir wieder zwei Jahre an Übergangsfrist einziehen? – Meine Damen und Herren! Es ist schade, dass eine solch positive Regelung schon wieder um zwei Jahre hinausgezogen wird!

Planwirtschaftliche Verhältnisse – wir haben sie jahrzehntelang erlebt – sind schlampige Verhältnisse. Auch hier ist mit diesem planwirtschaftlichen Modell etwas Schlampiges in dieses Gesetz hineingerutscht, nämlich dass die Mischfeuerungsanlagen als Ökostromanlagen gekennzeichnet werden, wenn man darin fossile Brennstoffe wie Kohle oder Öl verheizt und einen kleinen Biogasanteil dazugibt. Dieser kann gering sein und braucht nur 10 Prozent zu betragen, und schon wird diese Feuerungsanlage plötzlich zu einer Ökostromanlage. Das ist eine schlampige Geschichte planwirtschaftlicher Überlegung und insofern ein Rückschritt und unsauber.

Trotzdem möchte ich nicht verhehlen, dass dieses Gesetz trotz der Mängel, die ich Ihnen hier aufgezeigt habe, eine Reihe von Verbesserungen vorsieht. Schade, dass wir uns hier zu wenig Zeit genommen haben oder dass vielleicht zu wenig Konsensbereitschaft vorgeherrscht hat! Was diese Punkte betrifft, die ich Ihnen hier genannt habe, so könnte ich mir vorstellen, dass auch von Seiten der Wirtschaft und von der bäuerlichen Seite Interesse vorgeherrscht hätte, stärker zu einem Konsens zu kommen. Dass das nicht behoben wurde, ist schade. Es ist eine vergebene Chance trotz vieler Verbesserungen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ledolter. – Bitte.

11.22

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese vier Punkte, die im Wesentlichen Regelungen für die Wirtschaft darstellen, sind ein weiterer Schritt in Richtung mutiger und zielstrebiger Reformen, die von dieser Bundesregierung gesetzt werden. Es sind Reformen und Lösungsansätze, die dazu angetan sind, die österreichische Volkswirtschaft zu stärken und den Wirtschaftsstandort entsprechend zu stärken und auszurüsten, vor allem auch für die Herausforderungen der Zukunft wie die EU-Erweiterung und Ähnliches, womit wir in nächster Zeit konfrontiert sein werden.

In diese Richtung ist insbesondere der Konsens bei der Liberalisierung des Gasmarktes zu sehen. Es ist keine Frage, da hat einfach die Tatsache, dass rund 1,2 Millionen Konsumenten hieraus Vorteile lukrieren werden, dazu geführt, dass auch die sozialdemokratische Fraktion zustimmt. Ich meine auch, dass die in diese Regelungen investierte Zeit gut investiert ist, weil wieder einmal Konsens dokumentiert wird und möglich geworden ist.

Das Thema Ökostrom hat Kollege Schennach sehr ausführlich bewertet und auch kritisiert. Dabei ist grundsätzlich einmal festzuhalten, dass wir, das kleine Österreich, in dieser Frage EU-weit eine Vorreiterrolle einnehmen. Was diese – wie Kollege Schennach gemeint hat – "planwirtschaftliche" Regelung betrifft, die durchaus nicht als Planwirtschaft zu verstehen, sondern als Vorgabe von Zielen und als Leitlinie zu interpretieren ist, die dazu dient, den föderalen Gleichklang herzustellen, so können natürlich unterschiedliche Betrachtungsweisen ins Treffen geführt werden. Die alte Regel von dem Glas, das man halb voll und halb leer sehen kann, mag auch hier zutreffen, lieber Kollege!

Ich meine, dass in der Frage der Mischfeueranlagen durchaus einmal Realismus gezeigt wird, dass eine Zuordnung dieser gemischten Anlagen im Hinblick auf die Wichtigkeit und die Wertig


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keit der Mehr- und Multienergieverwertung sinnvoll ist und dass diese Anlagen durchaus auch unter Ökoanlagen zu sehen sind. Auch meine ich, dass der Handel mit privatem Ökostrom nicht Gegenstand dieser Öffnungspolitik sein kann, weil sonst ein sehr schmales und sehr enges Segment dazu verwendet wird, um – ich sage es ganz hart – Etikettenschwindel zu treiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Mit dieser Zuordnung sollte doch sehr vorsichtig umgegangen werden!

In Richtung der so genannten Wirtschaftsdynamik, die durch die kritisierte Deckelung vielleicht eingeschränkt und begrenzt werden könnte, meine ich auch, dass da in vielen Fällen die Förderungsdynamik eingeschränkt wird, weil der Wettbewerb der verschiedenen Länder und der verschiedenen Standorte, mit immer höheren Förderungen immer zusätzlichen Grenznutzen zu erzielen, meiner Ansicht nach für die Wirtschaft nicht gesund ist und daher nicht der wirkliche Erfolg sein kann.

Den eigentlichen Erfolg dieser Regelung sehe ich darin, dass durch die vereinheitlichten Förderungen auch die Kraft-Wärme-Koppelungszuschläge standardisiert werden und damit – das sage ich jetzt als Niederösterreicher – im Umland von Wien etliches wieder gutgemacht wird, was Wien in den letzten Jahren an deutlich überhöhten Zuschlägen in der KWK-Problematik zu Unrecht, wie ich meine, eingehoben hat. Ich möchte nicht verhehlen, dass Landeshauptmann Häupl – in welcher Funktion auch immer – angekündigt hat, sollte der Verfassungsgerichtshof entsprechend entscheiden, werde er – Häupl – diese KWK-Zuschläge für den Zeitraum ab 1. 11. 2001 refundieren, sofern ein Erkenntnis in diese Richtung ergeht.

Was das Thema Ökostrom betrifft, so ist es meiner Ansicht nach auch klug, dass mit diesen einheitlichen Vorgaben – und ich weise noch einmal zurück, dass es sich hier um "Planwirtschaft" handelt! – das Ost-West-Gefälle in der Verwendung der Bioenergie und in der Situation der Kleinwasserkraftwerke egalisiert und die Erreichung der Ziele erleichtert wird. Die 4 Prozent an Biostrom und die 9 Prozent aus Kleinwasserkraftwerken sind in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedlich realisierbar. Auch der Wind weht nicht überall gleich. Daher kann man davon ausgehen, dass hier eine gute Regelung vorliegt.

Ein Hinweis oder eine kleine Ergänzung noch zu der durchaus umfassenden Darstellung von Kollegin Auer zur Situation im Burgenland und im Raum Jennersdorf, da die Vollständigkeit des Burgenlandes im Hinblick auf das Grenzabkommen wiederhergestellt wird: Dort ist auch der Beitrag guter und tüchtiger Unternehmer, der dazu geleistet wurde, nicht zu unterschätzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich nehme da einen Beitrag meines Kollegen Paul Fasching mit, der für diese Region zuständig ist, aber aus zeitökonomischen Gründen auf eine eigene Wortmeldung verzichtet, und darf unterstreichen, dass es im Raum Jennersdorf insbesondere durch die Firma Vossen und ein tüchtiges und verantwortungsbewusstes Management gelungen ist, den Arbeitsmarkt zu entschärfen und damit wieder einen grenzüberschreitenden Austausch von Arbeitskräften zu ermöglichen.

Der Wirtschaftspark Heiligenkreuz – Szentgotthárd ist eine gute Einrichtung und ein Indiz auch dafür, dass die Pflege des Wirtschaftsstandortes, so wie sie durch diese Regierung betrieben wird, und zwar mittels Maßnahmen, mittels Förderungen, aber auch auf Grund der internationalen Reputation, die diese Regierung auf Grund ihrer wirtschaftlichen Kompetenz wiedererlangt hat, Früchte trägt.

Ich möchte kurz noch auf die Ausführungen des Kollegen Reisenberger eingehen, der gemeint hat, es wäre ein Drüberfahren bemerkbar. Lieber Kollege! Von Drüberfahren kann keine Rede sein. Es ist nur ein Unterschied, ob man die Zeit in den Plenarräumen dafür verwendet, Reformen durchzuführen, die dem Wirtschaftsstandort nützen, die dazu beitragen, dass Österreich als Ansiedelungsstandort für ausländische Betriebe attraktiv bleibt und zunehmend attraktiver wird, oder ob man eine andere Entwicklung fördert, die sich mit großem Erstaunen und großer Verwunderung bei den Sozialdemokraten mittlerweile immer deutlicher nachvollziehen lässt,


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nämlich mit populistischen Aussagen hinauszugehen. Über die Qualität lässt sich durchaus streiten.

Ich erinnere nur daran, dass der Verkehrsstadtrat von Wien meint, man sollte die Grünblinkphase bei den Ampeln in Frage stellen oder abschaffen, denn das würde einen Beitrag zur Verkehrssicherheit darstellen. (Bundesrat Freiberger: Das war Reichhold!) Ich frage mich, warum eine Regelung, die sich Jahre, ja Jahrzehnte bewährt hat, von Herrn Schicker ganz einfach in Frage gestellt wird – entweder wegen des Sommerlochs oder um in die Medien zu kommen.

Dies reiht sich ein in jene Art von Maßnahmen, wie ich sie unlängst von Kollegin Prammer gehört habe, die die so genannte Koedukation in Frage stellt, ein Instrument, eine Einrichtung der Bildungspolitik, die gerade von den Sozialdemokraten über viele Jahre gefordert wurde, dann langsam in Österreich Standard geworden ist und die jetzt plötzlich mit dem Hinweis auf unterschiedliche Talente wieder in Frage gestellt wird. Auch das ist für mich eine Maßnahme (Bundesrätin Mag. Trunk: Frau Ministerin Gehrer hat es begrüßt – im Gegensatz zu Ihnen!) – Frau Kollegin Trunk, ich weiß, vom Schulwesen glauben Sie etwas zu verstehen –, von der ich meine, dass sie dem Sommerloch und der medialen Absenz der SPÖ-Vordenker zu verdanken ist. (Bundesrätin Schicker: Aber die Frau Ministerin kann dem etwas abgewinnen!)

Was ich eigentlich als Gipfel empfunden habe, war der gestrige Beitrag Ihres großen Vorsitzenden Gusenbauer, der über eine Wahlrechtsreform meint, unliebsame Mitbewerber aus dem Rennen schlagen zu können. Unter dem Vorwand, den Rechtspopulismus zu bekämpfen, auch die Grünen zu opfern, halte ich eigentlich für eine unglaubliche Aktion eines linken Vordenkers, wie Gusenbauer einer zu sein glaubt. (Bundesrat Manfred Gruber: Herr Kollege! Sie sollten sich besser informieren!)

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass sich all das nach dem Herbst wieder legen wird, wenn auch für Sie wieder der Alltag kommt und Sie den Versuch wieder lassen werden, mit Populismus in die Medien zu kommen (Bundesrat Mag. Hoscher: Nur kein Neid, Herr Kollege!), da es dann vielleicht wieder mit Arbeit und mit konsequenter Interessenpolitik besser werden wird. (Bundesrat Manfred Gruber: Mit solchen Ausführungen wie mit Ihren nicht!) Ich wünsche Ihnen das von Herzen, liebe Kollegen, denn dann wird keine Rede mehr von Drüberfahren sein, und man wird wieder sachpolitisch arbeiten können.

Wir werden der vorliegenden Materie gerne die Zustimmung geben. Ich möchte auch ausdrücklich dem Wirtschaftsministerium, vertreten durch die Frau Staatssekretärin, hier große Anerkennung zollen für den Beitrag, den diese Mannschaft, dieses Team im Rahmen der Bundesregierung leistet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

11.35

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Nachdem sich jetzt Kollege Ledolter so lange und ausführlich mit den Aussagen der Sozialdemokratischen Partei befasst hat, nehme ich an, dass diese ihm sehr wichtig sind, und zwar weit wichtiger als zum Beispiel die Gewerbeordnung oder das Strom- und Gas-Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Bereich Strom und Gas ist bereits einiges gesagt worden. Ich meine auch, dass mit dem vorliegenden Gesetz entsprechende Lösungen für die Zukunft getroffen werden. Vor allem glaube ich, dass es gemeinsame Lösungen für Österreich sind. Dass es in Zukunft einen einheitlichen Einspeisungstarif und eine einheitliche Strombezeichnung geben wird, das ist etwas ganz Wichtiges.

Österreichs Energieversorger treffen im europäischen Raum auf Größenordnungen, die ein Klein-Klein-Denken nicht mehr zulassen werden. Die vorliegende Energielösung gibt den Energieversorgern die Möglichkeit, über die Grenzen hinaus aktiv zu werden.


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Der Bereich Ökostrom wurde auch geregelt. Bei der Biomasse liegt der Zielwert bei 4 Prozent bis 2008, bei den Kleinwasserkraftwerken bei 9 Prozent. Es handelt sich also wirklich um eine Deckelung. Deckelungen sind – da gebe ich Herrn Kollegen Schennach schon Recht – nicht besonders gut.

Insgesamt sollen 78 Prozent des in Österreich produzierten Stroms aus erneuerbarer Energie kommen. Die Kraft-Wärme-Kopplungen werden jetzt ebenfalls flächendeckend in ganz Österreich gefördert.

Meine Damen und Herren! Der Bereich Ökostrom zeigt uns aber auch, dass nicht überall der freie Markt an erster Stelle stehen kann, wenn man auch den billigsten Preis fordert – diese beiden Sachen passen beim Ökostrom nicht zueinander.

Insgesamt gesehen war aber das Ziel, so kostengünstig und wirkungsvoll wie nur möglich zu fördern. Im Vergleich zur bisherigen Regelung können insgesamt rund 120 Millionen € im Jahr eingespart werden. Die höheren Kosten des Ökostroms gehen im normalen Strompreis auf, den natürlich der Endkonsument zahlen muss. Ich meine aber, dass uns das der Ausbau des Ökostroms und damit auch die Ressourcenschonung wert sein müssen. Auch die Wirtschaft, die vereinzelt Bedenken geäußert hat, wird das meiner Meinung nach verkraften können. – So weit unsere Zustimmung.

Meine Damen und Herren! Zur Gewerbeordnung: Dieser können wir nicht zustimmen. Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle wurden die Unabhängigen Verwaltungssenate auch im gesamten Verfahren der Gewerbeordnung eingeführt. Hier geht es uns – darauf hat Kollege Reisenberger schon hingewiesen – um § 371a der Gewerbeordnung aus 1994 und dabei um die Beschwerdemöglichkeiten des Landeshauptmannes an den Verwaltungsgerichtshof. Wir wollten eine Einheitlichkeit der Spruchpraxis und damit mehr Rechtssicherheit erwirken. Mit der Gesetzesvorlage ist das nicht gegeben, daher lehnen wir diesen Punkt ab. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.

11.38

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg darf ich festhalten, dass uns die Themenkreise Versicherungsmakler und Versicherungsagenten beim Tagesordnungspunkt 3, Änderung der Gewerbeordnung 1994, noch weiterhin beschäftigen werden. Ich sehe die Angelegenheit aber grundsätzlich positiv, denn Probleme, die man erkennt, kann man auch lösen.

Die im Tagesordnungspunkt 4 vorgesehenen Ergänzungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn sind eindeutig positiv zu bewerten. Spezifische Regelungen für die Beschäftigung von Grenzgängern in bestimmten an der gemeinsamen Grenze liegenden Gebieten sind Teile von Hausaufgaben, die sowohl von Ungarn als auch von Österreich in Vorbereitung des zu erwartenden EU-Beitritts der Republik Ungarn wahrzunehmen sind.

Die Tagesordnungspunkte 1 und 2 stellen sehr wichtige und wesentliche Weichenstellungen in Richtung einer zukunftsweisenden und nachhaltigen Energiepolitik dar.

Wichtig ist aus meiner Sicht, dass eine neue Richtlinie des Europäischen Parlaments den aus Großwasserkraftwerken gewonnenen Strom eindeutig als erneuerbare Energie anerkennt. Ich habe diese Ansicht schon immer vertreten und unsere österreichischen Wasserkraftwerke als große Solarkraftwerke gesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich gebe schon zu, dass der Landschaftsverzehr bei der Anlage von Großwasserkraftwerken enorm sein kann, wodurch die Ökobilanz negativ beeinflusst wird, aber die Energie, die über


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Generationen aus diesen Werken gewonnen wird, ist eindeutig als erneuerbar anzusehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Österreicher können stolz sein auf jene, die im richtigen Augenblick unser Land flächendeckend mit Wasserkraftwerken durchsetzt haben und uns mit dieser umweltfreundlichen Energiegewinnung eine gute Basis für die künftige Entwicklung unseres Landes mitgegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ob Pelton-, Francis- oder Kaplanturbinen – österreichische Ingenieurkunst hat effiziente Energiegewinnung möglich gemacht. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sehr richtig!) Sollten Nationalstaaten irgendwann dazu übergehen, Bilanzen zu legen und natürliche Ressourcen als Anlagevermögen zu bewerten, dann muss ich sagen, wir Österreicher sind auch für diesen Augenblick mehr als gewappnet. Es ist meine feste Überzeugung, dass der Betrieb von Atomkraftwerken und die Errichtung neuer Atomkraftwerke in absehbarer Zeit nicht mehr oder zumindest nur mehr mit hohen Auflagen möglich sein werden. Dann werden unsere Wasserkraftwerke ganz sicher einen entsprechenden Wertzuwachs erfahren. Österreich hat für die Zukunft eine sehr gute Position.

Wir sollten uns aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern mit vollem Elan weiterforschen. Jede betriebswirtschaftlich vertretbare Energiegewinnung im eigenen Land macht uns vom Ausland unabhängiger und wettbewerbsfähiger. Wir dürfen nicht übersehen, dass die Energiegewinnung aus Biomasse ein nicht zu unterschätzendes Standbein für die österreichische Landwirtschaft sein kann und dass die Wertschöpfung damit voll in unserem Lande bleibt. Wenn es uns zusätzlich noch verstärkt gelingt, neue Technologien zu entwickeln und diese entsprechend weltweit zu vermarkten, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Kraft-Wärme-Kopplung ist ein Gebot der Stunde. Teure Energie muss maximal genutzt werden. Mechanische Energie zu erzeugen und die Wärme ungenutzt in die Umgebung zu entlassen, sollte uns zumindest schwer fallen.

Der österreichische Gasmarkt verfügt über ein Volumen von über 1,6 Milliarden € und 1,2 Millionen Kunden. Die Liberalisierung dieses Marktes ist im Sinne von Einsparung für die Haushalte und die Wirtschaft wichtig. Dasselbe gilt auch weiterblickend für den Strommarkt. Geschützte Bereiche sind im Großmarkt Europa nicht zu halten.

Beim Ökostrom ist es wichtig, dass wir zu einer bundeseinheitlichen Lösung kommen und dass Synergieeffekte genutzt werden. Forschung und Technologieentwicklung zur Gewinnung von Energie aus Wind, Sonne, Erdwärme, Biomasse, Deponiegas und Photovoltaik müssen hohe Priorität haben und haben ein Anrecht auf eine maximale Bündelung aller verfügbaren Kräfte.

In diesem Sinne wird die freiheitliche Fraktion im Bundesrat den Tagesordnungspunkten 1 bis 4 zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher. – Bitte.

11.46

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Zwei kurze Bemerkungen: Die erste betrifft, wie ich meine, die Dramatik im Bereich der Energiewirtschaft. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, wie wichtig es ist, dass in diesem Bereich große österreichische Lösungen zu Stande kommen und dass parteipolitische Argumentationen, ganz egal, von welcher Partei, keine Rolle spielen dürfen, wenn es gerade auch um diesen Markt geht. Es gibt Stimmen, die besagen, dass in Europa am Ende nur mehr sechs bis acht Player global gesehen übrig bleiben werden. Die Zeit ist schon relativ knapp, und ich glaube, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, dass vor allem im Bereich dieses Energiemarktes Lösungen zu Stande kommen.

Es wurde öfters angesprochen, dass sozusagen aus den jetzigen Lösungen eine Senkung der Konsumentenpreise resultieren wird. Das ist richtig. Die Frage ist, wie nachhaltig diese


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Senkungen sein werden, wenn es eben nicht gelingt, wirklich heimische Lösungen zu Stande zu bringen. Ich glaube, dass dann diese Senkungen eher kurzfristiger Natur sein werden, um dann wieder überkompensiert zu werden.

Nur ein Beispiel zur Größenordnung: Die Düsseldorfer E.ON hat ihre Aktivitäten auf den Bereich Strom und Erdgas konzentriert, andere Randaktivitäten abgestoßen, im Kerngeschäft aber massive Akquisitionen vorgenommen, etwa beim zweitgrößten schwedischen Stromanbieter, bei Sydkraft. Trotzdem liegt der finanzielle Spielraum, der E.ON verbleibt, der kolportiert wird und nicht dementiert wurde, derzeit noch immer bei 45 Milliarden €. 45 Milliarden € – nur um die Größenordnung darzustellen!

Eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen des Kollegen Ledolter, der die Grünblinkphase von Ampeln angesprochen hat. Erstens hat Rudi Schicker nicht gesagt, dass diese Phase abgeschafft werden solle, sondern sie soll untersucht werden. Zum Zweiten war das keine Sommerlochidee, sondern basierte auf Verkehrssicherheitsstudien, die gezeigt haben oder zeigen wollen – auch das muss man untersuchen –, dass dadurch eine besondere Unfallgefährdung gegeben ist. Und zum Dritten hat sich meines Wissens Minister Reichhold ebenfalls dieser Aussage angeschlossen und gemeint, dass das untersucht werden sollte. Also ich bitte, das bei der eigenen Regierung zu deponieren. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

11.48

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Begutachtungsverfahren, aber auch noch im Wirtschaftsausschuss des Nationalrates wurden gegenüber dem ursprünglichen Entwurf für die Änderung des Gaswirtschaftsgesetzes maßgebliche Änderungen vorgenommen. Aus Sicht meines Landes Vorarlberg betrifft das in erster Linie die in § 7 Abs. 4 des Gaswirtschaftsgesetzes verankerte Anhebung des für das Unbundling maßgeblichen Schwellenwertes auf 50 000 Haushaltsanschlüsse, womit für die kleine Regelzone Vorarlberg sichergestellt ist, dass es wegen des hohen Fixkostenanteils zu keinen unvertretbaren Belastungen für die Konsumenten kommt, womit der gegenteilige Effekt der ganzen Regelung erzielt worden wäre.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister und den Beamten des Hauses dafür, dass unsere Argumente aufgegriffen wurden. Von Drüberfahren ist in diesem Punkt keine Rede. In dieser Hinsicht kann sich die Gaswirtschaftsgesetz-Novelle inzwischen auf eine sehr tragfähige Akzeptanz stützen.

Für die in § 1 enthaltene Verfassungsbestimmung gilt dies zumindest für Vorarlberg allerdings nicht. Dass die in diesem Gesetz geregelten Angelegenheiten unmittelbar von den in den Vorschriften vorgesehenen Einrichtungen versehen werden können, sieht auf den ersten Blick völlig harmlos und natürlich auch sachgerecht aus.

Der von der Bundesverfassung für einen solchen Fall in Artikel 102 Abs. 4 vorgezeichnete Weg wäre, zu einem solchen die mittelbare Bundesverwaltung einschränkenden Gesetzesbeschluss vor seiner Kundmachung die Zustimmung der Länder einzuholen, wie das üblicherweise auch geschieht. Die Regierungsvorlage ist auch davon ausgegangen. Die entscheidende Änderung wurde erst im Wirtschaftsausschuss des Nationalrates vorgenommen. Die Kritik richtet sich also nicht an das Wirtschaftsministerium, sondern an die Willensbildung im Wirtschaftsausschuss.

Bemerkenswert ist allerdings, dass der Ausschussbericht des Nationalrates dessen ungeachtet nach wie vor den aus der Regierungsvorlage stammenden Hinweis enthält, der Gesetzesbeschluss bedürfe nach Artikel 102 Abs. 4 B-VG der Zustimmung der Länder. Durch die Änderung der betreffenden Regelung ist das leider nicht mehr richtig und der Ausschussbericht des Nationalrates in diesem Punkt daher irreführend.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 59

Hinsichtlich unserer eigenen Ausschussberichte rege ich in diesem Zusammenhang an, sie so zu gestalten – das richtet sich natürlich auch an die Bundesratsdirektion und nicht nur an den jeweiligen Berichterstatter –, dass Verfassungsänderungen erwähnt und auch kurz beschrieben werden – dies insbesondere dann, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, noch dazu in Länderzuständigkeiten eingreifen. (Beifall der Bundesrätin Giesinger. ) Es mutet etwas merkwürdig an, wenn ausgerechnet in der Länderkammer für die Länder relevante Bestimmungen nicht näher erläutert werden.

Mit den in die vorliegenden Gesetzesbeschlüsse eingefügten Verfassungsbestimmungen wird eine für die mittelbare Bundesverwaltung wichtige Regel der Bundesverfassung unterlaufen und unwirksam gemacht: Die Zustimmung der Länder muss nicht mehr eingeholt werden. Es ist das erste Mal, dass der Bund ohne Befassung der Länder – also konsenslos – zu einem solchen verfassungsrechtlich äußerst fragwürdigen Kunstgriff Zuflucht nimmt. Damit wird eine Tür aufgestoßen, durch die bereits in dieser Sitzung fünf weitere gleichartige Verfassungsbestimmungen "marschieren" wollen. Es handelt sich um die im Paket der GWG-Novelle enthaltene Änderung des Bundesgesetzes über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich, das Ökostrom-Gesetz und die Änderung des ElWOG sowie um die im Bundessozialämterreformgesetz enthaltene Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes und des Bundesbehindertengesetzes.

Die Verfassungsbestimmungen, die das Wirtschaftsministerium betreffen, gehen ebenfalls auf den Wirtschaftsausschuss des Nationalrates zurück. Beim Bundessozialämterreformgesetz waren die beiden Bestimmungen zwar noch nicht im Begutachtungsentwurf, wohl aber bereits in der Regierungsvorlage enthalten. Dort wurden die Motive dafür auch ganz offen dargelegt – ich darf kurz zitieren –:

"Aus Gründen der Zweckmäßigkeit soll anstelle der Einholung der Zustimmung jedes einzelnen Landes die Übertragung der zweitinstanzlichen Vollziehung in die Bundeskompetenz durch Verfassungsbestimmungen erfolgen. Hiefür ist eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG erforderlich. Diese Verfassungsbestimmungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, womit sichergestellt ist, dass die Interessen der Länder entsprechend gewahrt sind." – Ende des Zitats.

Für den Bundesrat ist diese Auffassung zunächst insoweit interessant, als damit seitens der Bundesregierung von der früher vertretenen Auffassung abgerückt wird, das Zustimmungsrecht des Bundesrates nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG beziehe sich lediglich auf Änderungen der Kompetenzartikel – also im Wesentlichen 10 bis 15 – der Bundesverfassung. Alles andere wurde früher als nicht dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegend angesehen – etwas, was die Länder natürlich nachdrücklich abgelehnt haben, aber es ist erfreulich, dass der Bund in diesem Fall jetzt selbst erstmals davon ausgeht, dass das Zustimmungsrecht umfassender ist.

Natürlich kann man das die mittelbare Bundesverwaltung schützende Zustimmungsrecht der Länder als hinderlich ansehen und zur Diskussion stellen, ob die Interessen der Länder nicht ohnedies durch den Bundesrat gewahrt seien, genauso wie umgekehrt aus Sicht der Länder diskussionswürdig ist, welchen Wert Zustimmungen des Bundesrates für sie haben, wenn die Zustimmungsrechte faktisch in der Hand der Nationalratsfraktionen liegen und daher überhaupt noch nie wahrgenommen wurden. Dass die Interessen der Länder auf diese Weise gewahrt seien, ist daher eine zwar sehr schmeichelhafte, aber leider nicht ganz zutreffende Behauptung.

Gegen solche Grundsatzdiskussionen stellt sich Vorarlberg auch keineswegs, wohl aber gegen anlassbezogene Eingriffe in die Bundesverfassung, die ohne Grundsatzdiskussion und sogar ohne Begutachtungsverfahren vorgenommen werden.

Unter Hinweis auf die ausdrücklich ablehnende Haltung des Landes kann ich daher den erwähnten fünf Verfassungsbestimmungen keine Zustimmung geben. Ich melde dies auch gleich für das erst später zu behandelnde Bundessozialämterreformgesetz an.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 60

Ich sage ausdrücklich dazu: Das hat mit dem Inhalt der Gesetzesbeschlüsse nichts zu tun. Wenn wir, wie es auch möglich wäre, hier getrennt abstimmten – nämlich ob gegen das Gesetz kein Einspruch erhoben werden soll und ob überdies zu den Verfassungsbestimmungen die Zustimmung erteilt wird –, würde ich selbstverständlich dem Antrag auf Nichtbeeinspruchung zustimmen, aber die Verfassungsbestimmungen ablehnen. Es wird jetzt unter einem abgestimmt, daher bietet sich konsequenterweise keine andere Möglichkeit an.

Hinsichtlich des Ökostromgesetzes ist noch eigens zu erwähnen, dass der Vorarlberger Landtag mit einstimmigem Beschluss vom 8. Mai 2002 gefordert hat, dass es im Falle bundeseinheitlicher Einspeisetarife für erneuerbare Energien möglich sein müsse, dass davon abweichend und in Weiterführung einer in Vorarlberg bewährten Regelung auch höhere Tarife festgesetzt werden. Das ist ein Antrag, der in Vorarlberg maßgeblich von Vertretern der Freiheitlichen Partei und auch der Grünen unterstützt und betrieben wurde.

Diese Entschließung ist vor dem Hintergrund einer Entschließung des Nationalrates zu sehen, die der Nationalrat im März gefasst hat und mit welcher der Bundesminister ersucht wurde, im Interesse eines funktionsfähigen Wettbewerbes in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft eine Regierungsvorlage vorzubereiten, die geeignet ist, ungerechtfertigt hohe Netztarifzuschläge künftig hintanzuhalten. Unvertretbare Ergebnisse bei stark unterschiedlichen Netztarifzuschlägen wären nach unserer Auffassung allerdings auch durch eine 15a-Vereinbarung zu bereinigen gewesen, ohne dass es zu einer Einschränkung innovativen Wettbewerbs bei der Forcierung alternativer erneuerbarer Energien hätte kommen müssen. In besonderer Weise betrifft dies die Solarenergie, deren starke Inanspruchnahme in unserem Land auch Anstoß für zahlreiche kleine Unternehmen war, die inzwischen über das Land hinaus eine technologische Vorreiterrolle einnehmen.

Durch den besonderen Einsatz des Vorarlberger Abgeordneten Kopf konnten wesentliche Verbesserungen gegenüber den ursprünglich ins Auge gefassten Bestimmungen durchgesetzt werden – auch dafür ein herzliches Dankeschön –: Für Sonnenstromanlangen, die bis Ende 2004 genehmigt und bis Ende 2005 fertig gestellt werden, gelten als Übergangsregelung die bisherigen attraktiveren Einspeisebedingungen des Landes weiter. Anlagen bis 20 Kilowatt Leistung sind von der Ausbaubeschränkung ausgenommen, und die Deckelung der Förderung bei insgesamt installierten 15 Megawatt ist nicht mehr starr wie bisher, sondern kann vom Wirtschaftsminister bei Bedarf erhöht werden.

Dessen ungeachtet wird von vielen Vorarlberger Landtagsabgeordneten die neue Regelung insgesamt als Verschlechterung gegenüber den bisher bestehenden Möglichkeiten der Forcierung von Sonnenenergie gesehen. An die Stelle von Forcierung im Wege der Tarife wird wohl nun künftig Forcierung durch Förderung solcher Anlagen treten.

Anzuerkennen ist, dass die künftig vom Wirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Justizminister und dem Landwirtschaftsminister festzusetzenden Abnahmepreise für Ökostrom-Anlagen des Einvernehmens mit den Ländern bedürfen. Dies ist mit einer von der Landeshauptmännerkonferenz einzusetzenden Arbeitsgruppe herzustellen. Sie wird also mit diesem Gesetz neuerlich einfachgesetzlich verankert. Bei Nichteinigung innerhalb von sechs Monaten kann dieses Einvernehmen allerdings auch vom Bundesminister übergangen werden. Es ist durchaus die Schiene dafür gelegt, dass hier konsensorientiert vorgegangen wird. Durch diese Abweichungsmöglichkeit sind die Länder allerdings etwas schlechter gestellt als die mitzubefassenden Bundesminister, weil deren Zustimmung auf jeden Fall gegeben sein muss.

Insgesamt gesehen sind die Neuregelungen für die Gaswirtschaft und die Öko-Energie wesentlich besser ausgefallen als zunächst angenommen wurde, und es ist auch anzuerkennen, dass das Wirtschaftsministerium gegenüber den Ländern Kooperationsbereitschaft gezeigt hat, die man sich in anderen Bereichen – einige werden heute noch Diskussionsgegenstand sein – wünschen würde. Umso mehr ist es aus meiner Sicht schade, dass die abzulehnenden Eingriffe in verfassungsrechtlich gewährleistete Zustimmungsrechte der Länder dieses Bild etwas trüben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.59


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 61

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist die Frau Staatssekretärin. – Bitte.

12.00

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte in erster Linie auf das Gesamtpaket des ElWOG und des Ökostromgesetzes eingehen.

Ich glaube, mit dem heute vorliegenden Gesetzespaket, der Novelle zum ElWOG, der Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz, die praktisch ein neues Gaswirtschaftsgesetz ist, und dem völlig neuen Ökostromgesetz – es wurde schon erwähnt, das ist einzigartig und nimmt eine Vorreiterrolle in ganz Europa ein – eröffnen wir eine neue Epoche. Zudem sollten wir uns der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen Österreich durchaus bewusst sein. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte zuerst die Gäste hier im Bundesrat begrüßen. Es ist nicht so selbstverständlich, dass in der Hauptferienzeit Gäste zu Besuch sind, aber Sie sehen, das Parlament arbeitet noch, der Bundesrat ist heute noch die ganze Nacht im Einsatz. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Im Gegensatz zum Herrn Finanzminister!) Sie sind heute hier Zeuge – ich sage das ganz bewusst in Richtung Jugend, in Richtung ökologisch interessierter Jugend – eines historischen Kapitels in der österreichischen Energiegeschichte.

Erlauben Sie mir etwas zurückzublicken: Mit dem Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, dem so genannten ElWOG des Jahres 1998, haben wir den ersten Schritt weg vom monopolisierten Strommarkt hin zu einer Teilliberalisierung des Elektrizitätsbinnenmarktes gesetzt. Das Energieliberalisierungsgesetz des Jahres 2000 hat die Vollliberalisierung des Elektrizitätsmarktes gebracht und den Gasmarkt teilweise geöffnet. Mit dem heutigen Gesetz geschieht zweierlei: Wir öffnen den Gasmarkt völlig – das bewirkt die Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz – und die Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbarer Energie, die Erzeugung von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung, also der so genannte Ökostrom, wird erstmals im liberalisierten Strommarkt mit diesem neuen Ökostromgesetz gesichert.

Ich denke, dass das Erreichte gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wo noch vor wenigen Jahren ein wirklich undurchsichtiges Konglomerat aus Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder bestanden hat, teilweise noch aus der Zwischenkriegszeit – ich sage das ganz bewusst auch in Richtung unserer Besucher – und auf übergeleitete reichsdeutsche Gesetze beruhend, in dem sich nur wenige Spezialisten zurechtfanden, dort haben wir nun ein übersichtliches, modernes Energierecht geschaffen, bestehend aus dem ElWOG, dem Gasrecht und dem Recht auf Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Energie. Das ist das Historische in dem Ökostromgesetz.

Der Konsument, der früher für das Versorgungsunternehmen lediglich ein so genannter Anschlussfall war, wie es technisch heißt – jeder, der Strom oder Gas wollte, war ein Anschlussfall –, ist nun erstmalig – das können wir gar nicht genug betonen – ein berechtigter Ansprechpartner. Das heißt, er ist ein mündiger Konsument, ein Ansprechpartner und bei weitem kein Anschlussfall mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich formuliere das ganz bewusst, denn das sind die Kernpunkte dieses Gesetzes. Ich könnte Ihnen jetzt die Gesetzesmaterie technisch vortragen, aber ich will das gar nicht (Bundesrat Konecny: Das glaube ich nicht, dass Sie das können!), denn ich will das auch in Richtung unserer Besucher, wie gesagt, verständlich erklären. Die Experten der Energiepolitik wissen das natürlich.

Der Konsument, der Vertragspartner findet nun erstmals überschaubare, transparente Rechtsvorschriften vor. Er kann sich beim Tarifkalkulator, bei der Regulierungsbehörde jederzeit über die für ihn günstigsten Versorgungsmöglichkeiten informieren. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang bei unserem Regulator Dipl.-Ing. Boltz, der hier sitzt und als beratende Instanz für den mündigen Konsumenten vorzügliche Arbeit leistet.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 62

Dem Konsumenten stehen nun erstmalig eine Reihe von Beschwerdemöglichkeiten und Rechtsschutzeinrichtungen offen, ja noch viel mehr, er hat erstmals den Überblick über die Herkunft des bezogenen Stroms. Ich kann Ihnen sagen, ich war selbst Zeuge bei der Internationalen Energieagentur. Als ich über unser Stromgesetz referiert habe und klarlegen konnte, dass wir in Österreich unseren Konsumenten zu einem mündigen Konsumenten erziehen, der erstmals auf der Rechnung ausgewiesen hat, woher der Strom kommt, habe ich gemerkt, dass das nicht selbstverständlich ist. Man kann erstmals anhand der Rechnung erkennen, woher der Strom bezogen wird: aus erneuerbarer Energie oder aus anderen Energiequellen.

Damit wird das Konsumverhalten letztendlich auch die Energiepolitik beeinflussen, mit einer Art Lenkungseffekt in Richtung – das hoffen wir – umweltfreundlichere und saubere, erneuerbare Energie. Aber abgesehen davon wird diese Energieliberalisierung nicht nur für den Kleinstkonsumenten, sondern auch für den Großverbraucher und die gesamte Volkswirtschaft einen weiteren Schritt in Richtung Wettbewerbsfähigkeit bringen, was auch einmalig ist – natürlich mit einer Senkung des allgemeinen Preisniveaus und damit verbunden auch mit einer Stärkung des Realeinkommens jedes einzelnen Bürgers.

Schon jetzt sind beim Strom durch die bisherigen Auswirkungen der Liberalisierung beträchtliche finanzielle Vorteile und auch gesamtvolkswirtschaftliche Effekte zu verzeichnen. Eine jüngste Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes besagt, dass allein von 1998 bis 2000 der Industriestrompreis um rund 35 Prozent und der Haushaltsstrompreis um rund 13 Prozent gesunken sind. Die Energiekosten wären ohne diese Liberalisierung für die österreichische Volkswirtschaft um zirka 700 Millionen € pro Jahr höher gewesen. Ich führe das bewusst aus, weil sich jeder von uns ins Bewusstsein rufen sollte, was da Gewaltiges dahinter steckt.

Ich muss sagen, das wurde im Regierungsübereinkommen festgelegt und von dieser Regierung erstmalig in dieser Form umgesetzt. Das ist wirklich ein historischer Moment! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ähnlich positive Auswirkungen sind für den Gassektor zu erwarten. Ich betone: Nach vorsichtiger Schätzung der Experten werden die Preise für alle Konsumenten um 10 bis 20 Prozent im Vergleich zu den bisherigen monopolistischen Anbieterstrukturen im Gasbereich sinken. Auf die Gesamtheit der österreichischen Gaskunden bezogen entspricht dies mit vorsichtiger Schätzung einem Volumen in der Höhe von rund netto 180 Millionen €. Das Einsparungsvolumen der österreichischen Haushalte wird auf 110 Millionen € geschätzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die breite Zustimmung für das Ökostromgesetz, die heute auch hier stattfinden wird, möchte ich zum Anlass nehmen, ganz kurz ein paar Auswirkungen des Ökostromgesetzes generell darzulegen.

Wir müssen uns den Anforderungen des Klimaschutzes auch in Österreich stellen, auch die Energiewirtschaft muss sich dem stellen. Mit dem Ökostromgesetz können diese Ziele kosteneffizienter erreicht werden. Die bisherige Zersplitterung hat stark unterschiedliche Kostenbelastungen in einzelnen Bundesländern zur Folge – wir haben das heute schon gehört –, speziell in Niederösterreich und in Wien. Aber auch ein gesamter Kostenrahmen war nicht vorgegeben, und jedes Stromversorgungsnetz hatte eigene unterschiedliche Netztarif-Zuschläge. Man muss sich das vorstellen: Jedes Versorgungsnetz in Österreich hatte eigene Zuschläge zur Unterstützung von Ökostrom und Kraft-Wärme-Kopplungen!

Das neue Ökostromgesetz legt erstmals eindeutig den Budgetrahmen fest. Ich bin nicht bei Ihnen, wenn Sie sagen, das sei planwirtschaftlich, sondern es wird erstmals im Einklang mit dem österreichischen Föderalismus ein Regulativ geschaffen. Das ist auch historisch, dass wir es geschafft haben – ich komme noch darauf zurück –, alle neun Bundesländer quasi unter einen Hut zu bringen, und dass der Ökostrom und die Kraft-Wärme-Kopplungen erstmals unterstützt werden. Alle Beteiligten sind gezwungen, diese Mittel optimal einzusetzen. Ökostrom wird daher dort erzeugt werden, wo die besten Voraussetzungen dafür gegeben sind. Dadurch werden die Kosten wesentlich gesenkt. Ich bin auch davon überzeugt, dass das neue Ökostromgesetz ein Muster für die konkrete Umsetzung von Umweltzielen sein wird.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 63

Somit verbleibt mir am Ende nur noch – das, so glaube ich, ist das Wichtigste –, dem Bundesrat, den Ländern ausdrücklich Danke zu sagen für die Kooperation, für die Verhandlungsbereitschaft und für das Maß an gesamtstaatlicher Verantwortung – ausgehend von der Landeshauptmännerkonferenz, die erkannt hat, dass auf Grund der bisherigen Zersplitterung der Fördersysteme bei hohen volkswirtschaftlichen Kosten das Ökostromziel so nicht erreicht worden wäre, sondern dass man sich auf einen vernünftigen, gemeinsamen Weg einigen musste. Deshalb gilt mein Dank für diesen Ausgleich einmal mehr den Ländern und ihren Vertretern hier im Bundesrat.

Wir haben es damit geschafft, ein einzigartiges neues System zu implementieren.

Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich mit einer allgemeinen Bemerkung schließen: Wir alle tragen heute ein hohes Maß an Verantwortung. Unsere natürliche Umwelt – dazu gehören alle Rohstoffe, die wir zur Energiegewinnung verwenden – ist uns nicht überlassen, damit wir sie heute hemmungslos verschwenden, sondern gerade wir als Verantwortungsträger müssen sagen, sie wurde uns anvertraut für die Zeit, in der wir das Sagen haben. Sie wurde uns anvertraut, um für die nächsten Generationen damit sorgsam umzugehen. Da die jüngere Generation hier sitzt, kann ich nur einmal mehr sagen: Wir sind der Garant dafür, dass das uns Anvertraute auch entsprechend sorgsam verwaltet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich der hohen Beamtenschaft danken, allen voran Herrn Sektionschef Dr. Zluwa, der hier vertreten ist, für die Tausenden – so kann man es fast sagen – Arbeitsstunden, aber auch Nachtarbeitsstunden – ohne Schlaf –, die man in den letzten zwei Jahren gearbeitet und verhandelt hat, um diesen Gesamtliberalisierungsschritt (Beifall der Bundesrätin Haunschmid und des Bundesrates Dr. Böhm ) und in den letzten Monaten das Ökostromgesetz zu erarbeiten. Ihnen gilt mein Dank.

Sie und Ihr gesamtes Team haben ein historisches Wissen, das muss man auch dazu sagen. Wir haben vorzügliche Beamte, die ihr historische Wissen einsetzen, damit überhaupt dieses Gesetz verwirklicht werden konnte. Ihnen gilt mein großer Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme damit zum Schluss und danke für die Aufmerksamkeit. Ich möchte der hier anwesenden Jugend und den Gästen weiterhin einen interessanten Bundesratsbesuch und interessante Debattenbeiträge wünschen. Bleiben Sie ruhig noch ein bisschen da, es passieren heute noch einige interessante Diskussionen! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Es kann nur besser werden!)

12.13


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 64

Präsident Ludwig Bieringer:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm dieses.

12.13

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ganz kurz zu diesem Gesetz: Kollege Weiss hat das Ökostromgesetz bereits angesprochen. Der Vorarlberger Landtag hat einen einstimmigen Entschließungsantrag betreffend Einspeisregelung für Photovoltaikanlagen beschlossen, der von den Freiheitlichen und den Grünen gemeinsam eingebracht worden ist. Diesem Antrag ist in diesem Ökostromgesetz nicht erschöpfend Rechnung getragen worden, was mich veranlasst, diesem Gesetz, also Tagesordnungspunkt zwei, nicht zuzustimmen.

Ich möchte noch kurz Folgendes erwähnen: Kollege Weiss hat auch angesprochen, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen könne. Lieber Kollege! Landeshauptmann Sausgruber hat bei der Landeshauptleutekonferenz am 12. Juni 2002 diesem zentralistischen Bereich des Gesetzes zugestimmt, und im Land Vorarlberg vertritt er die FPÖ-Linie. Ich finde, das ist ein Doppelspiel, das ich so nicht goutieren kann, und das möchte ich hier auch zum Ausdruck bringen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Weiss: Aber immerhin hat er Verbesserungen ...!)

12.14

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz und das Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission geändert werden (GWG-Novelle 2002).

Der gegenständliche Beschluss enthält Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung erlassen werden (Ökostromgesetz) sowie das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (EIWOG) und das Energieförderungsgesetz 1979 (EnFG) geändert werden.

Auch dieser Beschluss enthält Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 65

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Beschäftigung in Grenzzonen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zu stimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird (EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz) (1180 und 1195/NR sowie 6708/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 geändert werden und das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen aufgehoben wird, EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz, zur Kenntnis.

Der Inhalt dieses Antrages liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Roswitha Bachner. – Bitte, Frau Bundesrätin.

12.21

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben uns heute mit der Aufhebung des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen zu befassen. Das Nachtarbeitsverbot für Frauen besteht seit 1919, das heißt: seit 82 Jahren. Ich meine, es besteht aus gutem Grund so lange.


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690. Sitzung / Seite 66

Für die Vorbereitung meiner Rede habe ich mich in der Literatur etwas eingelesen, und zwar ob es dazumal schon Erhebungen gab, wie die Auswirkungen der Nachtarbeit von den Betroffenen, damals hauptsächlich Männer, gesehen wurden.

Auch damals schon wurden die Auswirkungen in der Richtung dokumentiert, dass Menschen, die in der Nacht arbeiten, nicht unerhebliche gesundheitliche Schäden aufzuweisen haben, und zwar wurden damals schon erhöhte Schlafstörungen, Essstörungen und damit verbunden Verdauungsstörungen, Übernervosität und viele andere gesundheitliche Beeinträchtigungen dokumentiert.

Vermehrt dokumentiert wurden diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Frauen, und das ist auch ganz logisch zu erklären, weil sowohl damals als auch heute Frauen, die damals schon in der Nacht eingesetzt wurden, auf Grund der noch immer vorhandenen und damals noch vermehrt vorhandenen Familienbetreuungspflichten oftmals nicht die Möglichkeit hatten, untertags den verloren gegangenen Schlaf nachzuholen. Das hat sich natürlich auf die Frauen viel drastischer ausgewirkt.

Man könnte jetzt sagen: Das war einmal! – Dem ist aber leider nicht so, weil sich bei den von mir bereits erwähnten Punkten nicht allzu viel geändert hat. Die gesundheitlichen Auswirkungen gibt es heute genauso wie damals. Diese sind heute wie damals zu verzeichnen, und leider – das muss ich vor allem als Frau betonen – hat sich auch bezüglich Aufteilung der familiären Arbeit nicht sehr viel getan. Das heißt, auch heute ist es noch so, dass Frauen überwiegend die Verantwortung für Haushalt, Kindererziehung und so weiter tragen müssen und deshalb noch immer nicht ausreichend Vorkehrung treffen können, dass sie sich von der Nachtarbeit erholen können.

Wir im Österreichischen Gewerkschaftsbund haben im Mai 2002 eine diesbezügliche Umfrage gestartet. Es war für uns interessant zu erfahren, wie denn die Gewerkschaftsmitglieder – wir haben zwei Bereiche abgefragt – und auch die Bevölkerung zur Nachtarbeit stehen. Wir haben jeden darauf aufmerksam gemacht, dass das Nachtarbeitsverbot auf Grund von EU-Richtlinien angepasst werden muss, und wollten wissen, wie das die Mitglieder, aber auch die Bevölkerung sehen.

Interessanterweise ist bei dieser Umfrage herausgekommen, dass sich die Begeisterung für Nachtarbeit bei beiden Geschlechtern in Grenzen hält. Das heißt: "Hurra, wir können in der Nacht arbeiten, das ist ganz toll!" kam bei beiden Geschlechtern nicht zum Ausdruck. Aber sie haben gesagt, wenn schon in der Nacht gearbeitet werden soll und muss, damit wir immer mehr Produktivität erzeugen, die Gewinnmaximierung nicht beeinträchtigen und so weiter, dann soll es zumindest geeignete Schutzbestimmungen für die Menschen geben, die in der Nacht arbeiten.

Jetzt möchte ich aus dieser Umfrage, bei der 1 000 Personen befragt wurden, ein paar Punkte zitieren.

Die Forderung nach arbeitsmedizinischen Untersuchungen haben 93 Prozent der Mitglieder für notwendig erachtet, die Bevölkerung zu 92 Prozent. Tagesarbeitsplatz bei Gesundheitsgefährdung – das heißt die Forderung nach Wechsel auf einen Tagesarbeitsplatz – haben 92 Prozent der Mitglieder und 91 Prozent der Bevölkerung für notwendig erachtet. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Sicherheitstechnische Betreuung haben 91 Prozent der Mitglieder und 90 Prozent der Bevölkerung gefordert. Tagesarbeitsplatz bei Kinderbetreuungspflichten haben 91 Prozent der Mitglieder und 89 Prozent der Bevölkerung gefordert. (Bundesrat Steinbichler: Frau Kollegin! Das ist Gesetzesstand, was Sie da lesen!) – Dem ist nicht ganz so, Herr Kollege! Außerdem ist das erst Gesetz, wenn es auch wir beschlossen haben, darauf darf ich Sie aufmerksam machen. Tun Sie also nicht so voreilig, wir haben noch nicht abgestimmt! (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass in dieser Gesetzesvorlage zwar die Mindestnormen, die die EU vorschreibt, beinhaltet sind (Bundesrat Steinbichler: Wesentlich


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690. Sitzung / Seite 67

mehr!), aber immer unter der Voraussetzung, dass es die betrieblichen Erfordernisse erlauben. Das ist dehnbar, Herr Kollege, seien Sie mir nicht böse. Schauen Sie sich einmal die betriebliche Realität an, dann dürfen Sie mit mir weiter diskutieren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Zeitguthaben für Nachtarbeit – auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Kollege – haben 80 Prozent der Mitglieder und 74 Prozent der Bevölkerung für notwendig empfunden. Sicheres Erreichen des Arbeitsplatzes und warme Mahlzeiten haben 78 Prozent der Mitglieder und 74 Prozent der Bevölkerung gefordert.

Ich denke mir, dass genau diese Umfrageergebnisse zeigen, was notwendig ist. Wenn wir schon ein Gesetz anpassen, dann sollten wir zumindest die entsprechenden Schutzbestimmungen für die Menschen, die in der Nacht arbeiten, einleiten.

Es ist interessant, dass Kollege Aspöck – er ist schon wieder im Saal – in seiner heutigen Rede vorwurfsvoll angemerkt hat, wie garstig die sozialdemokratische Fraktion sei, weil wir heute auf Grund unserer dringlichen Anfragen Nachtarbeit von den Bundesräten verlangen. (Bundesrätin Haunschmid: Da sind auch Frauen dabei, Frau Kollegin!) – Ja, völlig richtig. Ich bin selbst eine, falls man es nicht sieht. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich darf aber eines dazu sagen, Frau Kollegin: Grundsätzlich bin ich als Gewerkschafterin mit dieser Vorgangsweise auch nicht einverstanden und bin auch nicht sehr erfreut darüber. Aber zum Unterschied von uns Bundesräten können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb nicht so frei bewegen. Sie fahren über die Menschen drüber. Sie sind nicht für ausreichende Schutzbestimmungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn es aber um Ihre eigenen Interessen und darum geht, dass Sie einmal eine Nacht hier verbringen müssen, dann sind Sie wehleidig. Ich würde das schon in Relation bringen. (Bundesrat Fasching: 30 Jahre haben Sie Zeit gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Zeitguthaben, das wir verlangen, können Sie sich hier frei gewähren. Das können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht leisten. Lassen wir die Kirche im Dorf, und raunzen wir nicht, sondern kommen wir unserer Aufgabe als Bundesräte nach! (Bundesrat Steinbichler: Reden Sie von Tatsachen, Frau Kollegin!) – Das sind Tatsachen, Herr Kollege! Ich habe mich auch nicht beschwert, sondern Kollege Aspöck hat sich beschwert. (Bundesrat Dr. Aspöck: Frau Kollegin! Berichtigung: Ich habe mich nicht beschwert, ich habe nur die Angestellten des Hauses bedauert!) – Sie haben nur erwähnt, dass es eine Zumutung ist, nicht wahr?! (Bundesrat Dr. Aspöck: Ich habe mich nicht beschwert, ich habe nur die Angestellten des Hauses bedauert! Das ist ein qualitativer Unterschied! Verstehen Sie das? Verstehen Sie mich da?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es nützt alles nichts, ich weiß schon, dass meine Aussagen Aufregung verursachen. Das ist natürlich auch durch das schlechte Gewissen, das Sie haben müssten, bedingt, weil Sie es wieder einmal nicht geschafft haben, obwohl Sie uns bei jeder Plenarsitzung erklären, wie gut und rasch diese Regierung Reformen durchzieht, eine Chance zu nützen und gerade bei dieser Änderung die wirklich notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen.

Sie haben sich wieder einmal deklariert. Leider ist der Herr Minister nicht da, die Frau Staatssekretärin möchte ich nur ungern anagitieren, weil sie nichts dafür kann. (Zwischenbemerkung der Staatssekretärin Rossmann. )

Aber trotzdem zeigt sich auch hier – dieses Gesetz liegt in der Verantwortung des Ministers Bartenstein –, dass bei ihm der Wirtschaftsminister wieder einmal durchgeschlagen hat. (Bundesrat Konecny: Er gewinnt immer gegen den Arbeitsminister!) – Das ist ganz klar, teils teils, einmal Arbeitsminister, einmal Wirtschaftsminister. (Bundesrätin Schicker: Zwei Seelen in einer Brust!) – Bis dato hat sich, für uns erkennbar, immer der Wirtschaftsminister durchgesetzt. Das zeigt sich auch bei der Regelung der geänderten Berechnung von Zeiten.


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Früher war die Nachtarbeitszeit von 22 Uhr bis 6 Uhr geregelt, jetzt soll es bis 5 Uhr reduziert werden, damit sich die Unternehmer wieder etwas ersparen. Ein kleines Geschenk im Vorbeigehen an die Wirtschaft wird ja noch erlaubt sein! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: Ihre Rede ist ein Fossil!) – Herr Kollege! Ich hoffe, Sie meinen das nicht auf mein Aussehen bezogen, denn das wäre eine Beleidigung. (Bundesrat Mag. Himmer: Auf Ihre Aussage! Auf Ihre Aussage!) – Gut.

Wenn Sie mich als Fossil bezeichnen, dann muss ich Ihnen schon Folgendes sagen (Bundesrätin Schicker: Herr Präsident! Das ist ein Ordnungsruf!): Herr Kollege! Ich würde mir ein bisschen mehr Respekt erbitten! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: Ihre Aussage! Ihre Aussage! Ihre Rede hätten Sie vor 15 Jahren auch wunderbar halten können!)

Herr Kollege! Sie haben selbst die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. Ich erlaube mir nicht, Sie als Person zu beurteilen – das werden Sie von mir nicht erleben –, aber Sie werden mir auch nicht in Abrede stellen können, dass ich Ihre Programme und Ihre Gesetzentwürfe beurteile. Diesbezüglich können Sie mich in 100 Jahren auch noch als Fossil bezeichnen, das nehme ich gerne zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz, Herr Kollege und sehr geschätzte Damen und Herren des Bundesrates, bleibe ich dabei, es hat sich wieder einmal der Wirtschaftsminister durchgesetzt. Sie haben es nicht geschafft, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich notwendigen Schutzbestimmungen bei dieser Gesetzesänderung herbeizuführen. Ich nehme an, ich sehe das relativ gelassen, Fossile reagieren offensichtlich nicht sehr zügig und sehr rasch. Denn die Wähler werden es Ihnen demnächst danken, und dann werden wir sehen, wer von uns auf dem richtigen Weg ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unsere Fraktion wird dieser Vorlage nicht die Zustimmung geben. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem der Herr Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft mit Herrn Bundesminister Haupt in Clinch kommt, weil sich die Folgewirkungen des Versagens bei diesem Gesetzentwurf sehr bald auf unser Gesundheitswesen auswirken werden. (Bundesrätin Haunschmid: Na also bitte! Na also bitte!) Dann werden wir wieder erhöhte Kosten haben, und dann können es sich die beiden ausmachen, wer wem am meisten die Schuld zuweisen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erteilen auf jeden Fall diesem Gesetz keine Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächste Wortmeldung liegt mir jene des Herrn Bundesrates Steinbichler vor.

Ich würde bitten, den jeweiligen Redner aussprechen zu lassen. Wenn jemandem irgendetwas nicht passt, was der Redner gesagt hat, dann würde ich bitten, sich zu Wort zu melden, aber Zwischenruforgien zu unterlassen. – Bitte, Herr Kollege.

12.33

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zu den Gästen darf ich Folgendes sagen: Das sind – das freut mich ganz besonders – die Mitarbeiter der Bezirksbauernkammer Vöcklabruck, in der ich Obmann sein darf, die den Betriebsausflug dazu verwendet haben, im Parlament auf Besuch zu kommen. Das ist ein angenehmer Tag, aber ich kann leider nicht dabei sein. Es freut mich, dass ihr gekommen seid.

Herr Präsident! Vorweg die herzlichsten Glückwünsche zu deinem Empfang heute Morgen. Da sieht man, wie schnell Kultur und Brauchtum aus dem ländlichen Raum nach Wien kommen. Ich hoffe, dass diese Salutschüsse einige böse Geister aus Wien vertrieben haben. Herzlichen Glückwunsch und eine schöne Präsidentschaft!

Zum vorliegenden EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz: Frau Kollegin Bachner ist schon sehr ins Detail gegangen. Ich werde aus Rücksicht auf die sehr lange Tagesordnung heute nur


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etwas kürzer auf dieses Gesetz eingehen und möchte auch auf einige Vorteile hinweisen, Frau Kollegin, denn diese haben mir in Ihren Ausführungen gefehlt.

Ich denke, der erste Vorteil ist doch, dass hier ein wesentlicher Schritt Richtung Gleichberechtigung der Frauen gesetzt wurde. (Bundesrätin Mag. Trunk: Oh Gott!) Wir fordern immer diese Gleichberechtigung. Eine wesentliche Verbesserung im Gesundheitsbereich haben Sie auch völlig vergessen. In Zukunft dürfen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alle zwei Jahre anstatt bisher drei Jahre zur Gesundenuntersuchung gehen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das werden Sie auch brauchen!) Ich glaube, Sie haben sich das nicht angeschaut.

Ein weiterer Punkt ist: Der Anspruch auf einen Tagesarbeitsplatz bei Gesundheitsgefährdung ist natürlich gegeben. Sie haben einen wesentlichen Punkt nicht erwähnt, Sie haben ihn nur am Rande erwähnt, und ich möchte ihn verstärken: Wenn Erziehungstätigkeiten für Kinder unter 12 Jahre nachzuweisen sind, ist ebenfalls der Anspruch auf einen Tagesarbeitsplatz gesichert. (Zwischenruf der Bundesrätin Bachner. )  – Jawohl, und ich denke, das ist sehr wesentlich, und darauf legen wir größten Wert. (Bundesrätin Bachner: Das schau ich mir an!)

Ich darf darauf verweisen, dass in Teilen der ausverhandelten Lösungen im Gegensatz zur geltenden EU-Richtlinie eine wesentliche Besserstellung gegeben ist. Verschließen Sie bitte in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung nicht die Augen vor unseren Mitgliedstaaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland, in denen die Nachtarbeitszeit bisher schon von 22 Uhr bis 5 Uhr geregelt war, und schauen Sie etwas näher nach Schweden.

Ich denke, Schweden hat eine sozialistische Regierung, wo die Nachtarbeitszeit von 0 bis 5 Uhr geregelt ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Jetzt werde ich Ihnen wirklich die Antwort geben! Jetzt werde ich Ihnen wirklich die Antwort geben!) Ich glaube, man sollte von Fakten ausgehen und nicht etwas herbeireden, was nicht stimmt.

Übrigens, Frau Kollegin, noch eine Anmerkung: Wenn Sie vom Zeitguthaben gesprochen haben, das natürlich einen Einkommensbestandteil ausmacht, dann denke ich, Sie wissen mindestens so gut oder besser als ich, dass das ein Pakt für die Kollektivlohnpartner und nicht Gesetzesinhalt ist. Dort ist das auszuverhandeln, und ich denke, sie werden es auch entsprechend den Ansprüchen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen. (Bundesrätin Bachner: Herr Kollege! Es gibt viele Bereiche, wo Frauen in der Nacht arbeiten, in denen es keine Kollektivverträge gibt! Erkundigen Sie sich!)

Aber eines darf ich schon noch anmerken, und das ist, so glaube ich, sehr interessant zu dieser Thematik: Mich wundert es, dass einer der Vordenker in Ihrer Partei, der ehemalige Finanzminister Androsch, bei der AT&S in Leoben in der Denkweise schon wesentlich weiter war als die heutige Bundesregierung. Er hat nämlich damals schon als Kaufbestandteil gefordert, dass die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes gesichert ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ja, das war falsch!)

Bitte informieren Sie sich parteiintern, bevor Sie die Bundesregierung kritisieren! (Beifall einiger Bundesräte der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Schwach! Schwach!)

Es sei mir noch gestattet, einen weiteren Vergleich zu bringen, weil ich denke, mit der Nachtarbeit verhält es sich ähnlich wie mit dem Beispiel betreffend Lärm, das ich immer gerne bringe. Auf dem Arbeitsplatz ist es immer zu laut. In der Disco, bei diversen Zeltfesten und Jubiläumsfesten versteht man das eigene Wort nicht mehr. Ich habe leise die Anmerkung gemacht, als Sie gesagt haben, es sei alles beim Alten geblieben, es ist nicht alles beim Alten geblieben. Ich finde immer mehr Leute immer länger in den Discos. Das heißt, ich gehe auch gelegentlich hin. Da ist keine Nachtarbeit, und da ist nichts zu schwer, nichts zu lang, und da wird nicht vom nächsten Tag, von Ruhephasen und Gesundheitsschädigungen geredet. – Also bleiben wir auch bei der Arbeitszeit fair.

Es handelt sich hier um ein wichtiges Gesetz, welches die Gleichberechtigung der Frauen weiter verbessert und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft sichert. Wir von


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der Österreichischen Volkspartei werden deshalb dieser Vorlage unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.38

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. – Bitte, Frau Bundesrätin.

12.38

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eine Richtigstellung zu Kollegen Steinbichler, der ordentlich und brav die Reden der Nationalratskollegen der ÖVP nachgelesen und jetzt auch im Bundesrat – trotz gegenteiliger Zwischeninformation – notorisch wiederholt hat. Er sagte, Androsch und AT&S seien weiter gewesen, weil sie sich dafür eingesetzt haben, das Nachtarbeitsverbot für Frauen aufzuheben. Das war eine der Grundbedingungen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Herr Kollege Steinbichler! Hätten Sie sich bei Ihren Kollegen im Nationalrat informiert, dann hätten Sie erfahren, dass selbst Wirtschaftsminister Bartenstein weiß, dass AT&S damals bei der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes von Frauen tatsächlich Frauen eingestellt hat und all diese Schutzmaßnahmen, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Gesetz wollten, damals im Kollektivvertrag vertraglich verankert wurden. (Bundesrat Steinbichler: Das ist unrichtig! Das ist unrichtig!)

Das ist ein großer qualitativer Unterschied im Gegensatz zu dem, was Sie hier geliefert haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Ich denke, ich muss Herrn Kollegen Steinbichler und auch anderen männlichen Kollegen absolut kein emanzipatorisches, feministisches Verständnis abverlangen, wenn ich feststelle, dass es schlichtweg – ich sage, was es ist – eine Frechheit ist, zu sagen, das sei ein Weg der Besserstellung für die Lebenssituation von Frauen.

Herr Kollege Steinbichler und viele andere, die zu diesem Zynismus greifen! Nachtarbeit ist schlecht für Männer und Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Den dritten Punkt erwähne ich auch in seiner Abwesenheit: Die FPÖ beschwert sich heute durch Herrn Kollegen Böhm, dass sie bei der Selbstdarstellung der Sozialdemokraten nicht mitmachen wird. Für jene, die den Geschäftsablauf in diesem Parlament nicht so genau kennen: Die SPÖ begeht die Frechheit, dass sie als Oppositionspartei von der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Möglichkeit, dringliche Anfragen zu stellen, also dringlich zu fragen und Antworten zu bekommen, Gebrauch macht. – Das nennt man Selbstdarstellung, das ist die Definition des Kollegen Böhm. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist richtig! – Bundesrat Steinbichler: Sie sind eine Realitätsverweigerin!)

Jetzt sprechen wir über die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen, das auch für Männer gilt. (Bundesrat Steinbichler: Sie sind eine Realitätsverweigerin!) Nur ist es schon nicht mehr mit Augenzwinkern festzustellen, dass sich Herr Kollege Böhm und offensichtlich andere Kollegen der ÖVP und FPÖ schon um 11.30 Uhr bei der Presseaussendung schrecklich davor fürchten, dass sie einmal im Jahr Nachtschicht im Parlament machen müssen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist lächerlich, geschätzte oder nicht geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Auf der einen Seite reden Sie von einer Besserstellung für Frauen auf dem Arbeitsmarkt, und einmal ergibt sich die Notwendigkeit, weil eben mehr Tagesordnungspunkte vorliegen, dass wir eine Nachtschicht einlegen müssen, wie Tausende Beschäftigte in der Republik Österreich – davor fürchten Sie sich und machen solche Presseaussendungen?! (Bundesrat Steinbichler: Schauen Sie sich berufstätige Mütter an!) – Gehen Sie in sich und stellen Sie zur realen Lebenssituation von berufstätigen Menschen einen tatsächlichen Bezug her! (Bundesrat Steinbichler: Das ist lächerlich, diese Realitätsverweigerung!)


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Nächster Punkt: Ich freue mich und bin Kollegen Steinbichler dafür dankbar, dass er Minister Bartenstein nachgelesen, ein Land genannt und gesagt hat: Schauen Sie nach Schweden! – Ja, lustvoll schaue ich in frauenpolitischer, arbeitsmarktpolitischer, sozialpolitischer, wirtschaftspolitischer Sicht nach Schweden, in diesen wundervollen und von Ihnen immer wieder zitierten, so lange von den Sozialdemokraten regierten Staat.

Herr Minister Bartenstein bezüglich Nachtarbeitszeit in Schweden auf 0 Uhr bis 5 Uhr verwiesen. Er hat recht! Auch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hätten nichts dagegen einzuwenden. Aber die ÖVP – wenn schon nicht die FPÖ, denn diese ist vorher nicht in der Regierung gesessen – muss wissen und weiß, dass wir in Wirklichkeit schon seit acht Jahren an erweiterten Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie und an Ersatzleistungen für Nachtarbeit arbeiten. Es gab jede Menge Vorschläge von damaligen Frauenministerinnen, von Sozialministerinnen und Sozialministern. Nur damals gab es auch schon Bartenstein, der dem politisch nicht nähertreten konnte.

Das heißt, vom Zeitpunkt der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes hatten wir seit Jahren Kenntnis, und niemand hätte es Ihnen verwehrt, wenn Sie schon nach Schweden zeigen, auch die schwedischen Rahmenbedingungen gesetzlich umzusetzen. Dann hätten wir als SPÖ-Fraktion heute freudig mitgestimmt. Sie haben nur ersatzlos gestrichen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Da war Farnleitner Wirtschaftsminister! – Bundesrat Weilharter: Frau Prammer ist nicht sehr viel dazu eingefallen!)

Nun zu der von Ihnen zitierten Verbesserung: Stellen Sie sich das bitte vor! Es wird jetzt den nachtarbeitenden Männern und Frauen großzügig die Möglichkeit gegeben, statt bisher alle drei Jahre einen Gesundheitscheck zu machen, jetzt alle zwei Jahre einen solchen zu machen. Was heißt das? Ist das präventiv? – Das heißt, jetzt darf ich alle zwei Jahre feststellen lassen, welche Schädigungen ich durch meine Nachtarbeitstätigkeit erfahren habe. Das ist keine Qualitätsverbesserung, und das ist auch keine Prävention! (Bundesrat Fasching: Sie haben 30 Jahre den Sozialminister gehabt! 30 Jahre! Und Sie haben nichts gemacht!)

Vorletzter Punkt: Kollegin Bachner hat es ganz einfach budgetär knallhart angesprochen. Ein Arbeitsminister, ein Wirtschaftsminister oder eine Regierung, die bei einzelnen Maßnahmen nicht in der Lage ist, die Folgewirkungen, die positiven wie die negativen, zu berechnen, ist zum Teil mit Blindheit geschlagen.

Völlig egal, wer in Zukunft die zuständige Sozialministerin oder der zuständige Sozialminister sein wird – in diesem Bereich werden die Kosten für Krankheitsbekämpfung und Gesundheitsversorgung ansteigen, weil wir heute und seit Jahren wissen – obwohl bisher nur alle drei Jahre untersucht wird –, dass 39 Prozent der Männer und 60 Prozent der in der Nacht arbeitenden Frauen massive, gesundheitliche Schädigungen haben. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Diese Wiederherstellung der Gesundheit oder Reparatur der Krankheit ist nicht kostenlos, das wird Kosten verursachen. Das heißt, diese Blindheit ist aus meiner Sicht einfach verantwortungslos.

Letzter Punkt: zum abwesenden Herrn Minister Bartenstein. Er widerspricht allen Argumenten, die Sie anführen. Er verweist auch auf Schweden und sagt unter anderem: Ich hätte es mir gewünscht – wortwörtlich –, dass in der Frage der Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen die Sozialpartner diese Sache geregelt hätten.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen der ÖVP und FPÖ! Minister-Sein ist kein Wunschkonzert. Die Arbeit, für die Minister bezahlt werden, werden nicht die Sozialpartner erledigen. Sie haben entsprechende Vorschläge gebracht. Sie sind kein Wunsch-Minister, aber ich denke mir, die in der Nacht arbeitenden Menschen wünschen sich sehr bald andere Minister, die andere Rahmenbedingungen nach dem Modell Schweden beschließen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )


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690. Sitzung / Seite 72

12.47

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte, Frau Bundesrätin.

12.47

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem ich die zwei Kolleginnen von den Sozialdemokraten reden hörte, weiß ich überhaupt nicht, was in den letzten Jahren gewesen ist.

Ich erinnere Sie jetzt einmal, mit welcher Doppelzüngigkeit Sie sprechen (Bundesrätin Mag. Trunk: Das lasse ich mir nicht unterstellen!)  – ich denke an die Demonstrationen mit Dohnal draußen vor dem Parlament, ich denke an die Ausführungen von Frau Prammer, als sie sagte, wir wollten zurück an den Herd.

Jetzt ermöglicht man die freiwillige Arbeit von Frauen auch in der Nacht. (Bundesrätin Mag. Trunk: Danke!) Wer schafft denn diesen Leuten das an? Wer zwingt sie denn dazu? – Bitte lassen wir doch einmal die Finger von den Familien, und machen Sie nicht immer Familienpolitik! Wenn eine Frau in der Nacht arbeiten will, dann lassen Sie sie bitte arbeiten! (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen: Ihre Frau Kollegin erwähnte vorher die Unternehmer. Was halten Sie denn von Ihrem Kollegen beziehungsweise Fraktionschef Gusenbauer? – Er entdeckt auf einmal die Liebe für die klein- und mittelständischen Unternehmen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist keine Neuentdeckung!) Sie bezichtigen uns gerade vor zehn Minuten, dass wir uns nur bereichern wollen. Was denken Sie sich denn überhaupt dabei? Also was stimmt jetzt? – Er sagt, wir sollen mehr verdienen.

Sie sagen heute, wenn kein Betriebsrat dabei ist, dann sei das gefährdet. Frau Kollegin! Das, was Sie jetzt sagen, ist derart zweigleisig oder doppelzüngig, dass es nicht mehr passt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wollen nicht, dass die Frauen zurück an den Herd gehen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein!) Sie wollen sie nicht im Arbeitsprozess. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das sehr wohl! Ja, ja, ja!) – Das sehr wohl. Aber das ist doch eine Freiwilligkeit, wenn sie in der Nacht arbeiten wollen. Alle Voraussetzungen sind getroffen worden, dass es eine Besserstellung gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Das schau ich mir an, was dabei freiwillig ist! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Trunk! Stellen Sie sich vor, um 1 Uhr Früh sitzen Sie einmal in einem Lokal, und eine Kellnerin sagt zu Ihnen: Es tut mir Leid, ich bringe Ihnen das Seidel Bier nicht mehr, weil Sie gar nicht wollen, dass ich arbeite. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das mache ich eben grundsätzlich nicht! Das mache ich eben grundsätzlich nicht! – Im Gegensatz zu Ihnen!) – Super, dann werden wir eben alle Betriebe auflösen. (Bundesrätin Schicker: Sie fragen Ihre Kellner, ob sie freiwillig bis 1 Uhr bleiben? – Das schau ich mir an!)

Jetzt sind wir noch einmal genau dort. (Bundesrat Gasteiger: Ausbeutung ist das! Ausbeutung ist das! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Damen und Herren der Sozialdemokratie! Jetzt reden wir einmal ganz vernünftig. (Bundesrat Gasteiger: Dann sollten Sie sich hineinsetzen, wenn wir vernünftig reden sollen! – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Ihr Kollege Gusenbauer breitet einen Schutzmantel über die klein- und mittelständischen Unternehmen, nur weil er sich deklarieren will, weil Sie alle anscheinend überhaupt keine Chance mehr haben, bei Arbeitnehmern Punkte zu sammeln. So schaut es nämlich mit Ihrer Zweischneidigkeit aus! Jetzt begeben Sie sich im Nationalrat auf die Linie der KMUs, und dann hauen Sie uns die Prügel hin und bezichtigen uns, dass wir als Unternehmer Schuld seien. – Es denkt niemand daran, dass auch viele Unternehmerinnen und Unternehmer in der Nacht arbeiten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Es denkt niemand daran, dass Sie vielleicht die Hilfe von einer Hebamme oder von einer Krankenschwester brauchen und dass das oft eben kein Mann oft machen kann. Daran denken


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Sie auch nicht! Es ist so widerlich, was Sie die ganzen Jahre betrieben haben! 30 Jahre – nichts erreicht, Null erreicht! (Bundesrätin Mag. Trunk: Schauen Sie sich in den Spiegel!) – Alles, was jetzt positiv gemacht wird, stellen Sie als negativ hin. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es sei ein für alle Mal gesagt: Wir wollen Wirtschaft mit Arbeit! Ich glaube, einen besseren Konsens als einen Minister für Wirtschaft und Arbeit, wie es jetzt passiert ist, kann es nicht geben, denn es muss ein Einfühlungsvermögen und ein Konsens mit den Sozialpartnern gegeben sein. Ich glaube, das ist das Richtige und der richtige Weg. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Sie vergessen, Sie stellen uns Unternehmer auf der einen Seite als Kapitalisten hin, weil wir unbedingt etwas verdienen wollen, und auf der anderen Seite sagt Herr Gusenbauer, die armen klein- und mittelständischen Unternehmen müssen wir jetzt unbedingt fördern, und für sie muss man etwas tun. Warum? Wer macht denn alles zur Arbeitsplatzbeschaffung, wer trägt denn alles dazu bei? – Sie bekommen jetzt die Untersuchungen gratis. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich werde Ihnen etwas sagen, was uns Ihr Kollege Kaske in der Gewerkschaft noch immer nicht zugesteht: nämlich dass ein Lehrbub, der jetzt eine Stunde länger, nämlich statt bis 22 Uhr jetzt bis 23 Uhr arbeiten kann, zu einem Arbeitsmediziner geschickt werden muss, den aber der Unternehmer mit 500 S zahlen muss. So schaut das nämlich aus. Sie verlangen von allen Anderen noch mehr. Nehmen Sie sich jetzt einmal zurück und seien Sie froh und glücklich, dass es Frauen gibt, die jetzt arbeiten können, wann sie wollen, wenn sie am Tag bei ihren Kindern daheim sein sollen und einfach verdienen müssen! (Bundesrätin Mag. Trunk: Und können Sie mir sagen, wann sie schlafen? – In der Nacht arbeiten und am Tag auf die Kinder aufpassen!)

Wir haben Einrichtungen, die es möglich machen, dass sie auch am Tag einmal schlafen können. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie haben das gerade gesagt!) – Aber nehmen Sie Ihre Finger endgültig aus intakten Familien und spielen Sie nicht immer die großen Leute, die darüber entscheiden wollen, was Frauen wollen oder nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

12.54

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Mares Rossmann. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

12.54

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht, wie Kollegin Bachner, auf 1990 zurückgreifen, seit es das Nachtarbeitsverbot für Frauen gibt, sondern ich möchte ein bisschen an Kollegin Haunschmid anschließen und an den EU-Beitritt erinnern. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das wissen wir schon seit 8 Jahren!) Es waren nicht wir, die den EU-Beitritt seinerzeit in der Regierung begleitet haben; es war seinerzeit Staatssekretärin Ederer, wenn ich mich erinnere, und Frauenministerin Dohnal, die diese Übergangsfrist ausverhandelt haben, die wir damals schon kritisiert haben. Diese Regierung und wir sind jetzt gezwungen, diese Übergangsbestimmung, die nun ausgelaufen ist, auf Grund der bestehenden EU-Richtlinie zu adaptieren.

Wenn Sie mich persönlich fragen, muss ich Ihnen sagen, ich war jahrelang selbst aus wirtschaftlichen Gründen und auf Grund dessen, dass ich Kinder habe, gezwungen, in der Nacht zu arbeiten. Ich weiß, was Nachtarbeit heißt; ich weiß, dass damit sicher Gesundheitsschäden verbunden sind, und ich bin ganz bei Ihnen und Ihrer Umfrage, dass das sicher für niemanden ein Hurra-Erlebnis ist.

Ich erinnere aber auch daran, dass es einen Sozialbereich gibt, der ohne Nachtarbeit nicht auskommt. Ich erinnere, dass es einen Sicherheitsbereich gibt, der ohne Nachtarbeit – auch von Frauen – nicht auskommt, und dass es auch eine Zeitentwicklung ist, auf freiwilliger Basis in der Nacht arbeiten zu dürfen.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 74

Um all dem Rechnung zu tragen, haben wir es uns nicht leicht gemacht und haben auch sämtliche Schutzmechanismen eingezogen, die für Frauen in der Nachtarbeit erforderlich sind.

Ich möchte daran erinnern, dass wir ganz gezielt das Recht auf Versetzung auf Tagesarbeitsplätze festgehalten haben, vor allem wenn man Kinder unter 12 Jahren hat. Denn es muss in der Entscheidung einer Mutter liegen, wenn sie kleine Kinder hat, in der Nacht zu arbeiten oder nicht – auch mit der Auswirkung von Gesundheitsgefährdungen, was unbestritten ist.

Aber es sind auch wir, die die Intervalle bei Gesundenuntersuchung für Nachtarbeit verkürzen. Dass jetzt die Intervalle auf zwei Jahre verkürzt werden, ist sicher eine Qualitätsverbesserung; ebenso wie dass ab dem 50. Lebensjahr oder nach zehn Jahren bereits getätigter Nachtarbeit eine jährliche Untersuchung erforderlich ist. Ich glaube, das ist wichtig.

Wir sind, wie gesagt, gezwungen, das Gesetz anzupassen. Ich glaube auch, dass in vielen Bereichen für manche Frauen diese Freiheit, dass sie nun entscheiden können, welchen Arbeitsplatz sie annehmen, wirtschaftlich und auch für ihr familiäres Umfeld sicher eine Erleichterung bringen wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 75

Präsident Ludwig Bieringer:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1172 und 1244/NR sowie 6709/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Höllerer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor. Daher kann ich auf die Verlesung verzichten und gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Würschl. – Bitte, Herr Bundesrat.

12.59

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Die Novellen zum Fremdengesetz, Asylgesetz und Ausländerbeschäftigungsgesetz sind für uns Sozialdemokraten nicht akzeptabel, und wir lehnen dieses Gesetzeswerk daher ab.

Es geht in diesem Bereich vor allem um zwei große Themenkataloge, einerseits darum, wie der Arbeitsmarkt geregelt wird, wie der Arbeitsmarkt mit dieser Thematik umgeht, und zweitens darum – was für mich im menschlichen Bereich wichtiger ist –, wie man Menschen behandelt, die aus dem Ausland zu uns kommen, um hier ihre Arbeit zu erbringen, um Arbeit zu leisten, also, kurz gesagt, wie wir mit Integrationsmaßnahmen in diesem Bereich umgehen.

Für mich ist dieses Gesetzeswerk eigentlich sehr typisch für die beiden Parteien ÖVP und FPÖ. Ich würde sagen, das ist ein typisches Machwerk zwischen den beiden Regierungsparteien. Gestatten Sie mir, die beiden Regierungsparteien gesondert und getrennt zu betrachten. Der freiheitliche Anteil an diesen Novellen ist meiner Meinung nach typisch auf diese Partei zuordenbar. Der Freiheitlichen Partei geht es in erster Linie darum, Ausländer zu traktieren, sie zu ärgern, diesen Menschen Deutschkurse aufoktroyierend anzubieten. (Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kanovsky-Wintermann: Herr Würschl, das ist unerhört! Das ist ja nichts Schlechtes!)

Wir Sozialdemokraten sind immer davon ausgegangen, dass es den Menschen gegenüber ein Angebot geben soll. Die ausländischen Mitbürger haben von diesem Angebot eigentlich immer Gebrauch gemacht. Dort, wo Deutschkurse angeboten werden, haben Ausländer immer die Bereitschaft gezeigt, diese Deutschkurse zu besuchen. Die Deutschkurse bei uns in Klagenfurt, in Kärnten, waren immer optimal ausgelastet. (Bundesrat Dr. Nittmann: Dann gibt es eh kein Problem!) Wir haben den Menschen Angebote gemacht. Die Freiheitliche Partei will offensichtlich diese Mitmenschen traktieren und ihnen Deutschkurse verordnen. Nehmen die ausländischen Mitbürger dieses Angebot nicht an, dann wird ihnen angedroht, aus dem Land verwiesen zu werden. (Bundesrat Dr. Nittmann: Er nimmt es ja eh an, wie Sie sagen! Also wo ist das Problem? – Das ist ja unlogisch!)

Sehr geehrte Damen und Herren der Freiheitlichen! Das ist Ihr Beitrag zu diesen Novellen.

Ich schaue nun zu den Mitgliedern der ÖVP-Fraktion. Hier geht es meiner Meinung nach genauso mies zu. Der ÖVP geht es in erster Linie darum, billige Arbeitskräfte ins Land zu holen. Es geht der ÖVP darum, den Arbeitsmarkt zu destabilisieren, das heißt, Arbeitnehmer unter Druck zu bringen, billigere Arbeitskräfte für die Unternehmer zu rekrutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei diesen Novellen auch darum, unterschwellig Arbeitnehmerrechte zu schwächen. Das bedeutet wiederum, dass Unternehmer billigere Arbeitskräfte bekommen. Beiden Parteien – um eine Symbiose herbeizuführen – geht es darum, eine Integration ohne soziale und politische Rechte durchzuführen.

Geschätzte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sind sehr stolz darauf, dass bei uns der Mensch im Mittelpunkt steht. Es ist so, dass wir den Menschen und nicht das Profitdenken in den Mittelpunkt rücken. Es geht uns auch darum, gegen rassistische Strömungen aufzutreten, gegen das, was die Freiheitliche Partei immer wieder praktiziert, Menschen einfach zu kategorisieren und nach Nationalismen zu beurteilen. Wir Sozialdemokraten treten dafür ein, dass integrative Maßnahmen im politischen Leben gesetzt werden, ob das in der Gesellschaft oder auch im Schulbereich ist. Wir sind für korrekte Arbeitsverhältnisse. Wir treten für Vollbeschäftigung ein. Wir wollen die Erwerbsquote erhöhen. Und wir treten dafür ein, dass die Dauerarbeitsplätze auch entsprechend sozial abgesichert werden.


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Zu den Christen-Menschen zu meiner Rechten: Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP! Wo bleibt Ihr christliches Gedankengut? Wo bleibt Ihre christliche Gesinnung, wenn es etwa um die Frage der Familienzusammenführung geht? – Da gibt es Kinder, die im Ausland verbleiben müssen, die Sie nicht hereinlassen! Herr Bundesminister! Wo bleibt Ihr christlich-soziales Engagement? Ich kann es nicht erkennen. Ich würde bitten, dass in Zukunft die Menschlichkeit wieder einen höheren Stellenwert bekommt. Bei diesen beiden Parteien habe ich aber die Hoffnung bereits aufgegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.04

Präsident Ludwig Bieringer: Weiters hat sich Herr Bundesrat Paul Fasching zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

13.04

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Würschl hat davon gesprochen, dass die ÖVP den Arbeitsmarkt destabilisiert. Wenn man sich einige Zeitschriften der letzten Zeit ansieht, so merkt man ganz deutlich, was diese Bundesregierung geschaffen hat (Bundesrat Gasteiger: Anstieg der Arbeitslosen! Konjunkturrückgang!): Es gibt um zirka 46 000 Beschäftigte mehr als vorher unter der von den Sozialisten geführten SPÖ/ÖVP-Regierung. Wo hier eine Destabilisierung eintritt, frage ich mich.

Ich würde Sie bitten, schauen Sie einmal zu Ihrer geliebten rot-grünen Koalition nach Deutschland, denn diese bricht alle Rekorde. Ich warne die österreichische Bevölkerung vor solch einer Regierung.

Sie von der SPÖ sagen, Sie treten für die Vollbeschäftigung ein. Sie treten ein, und wir machen es, wir verwirklichen das. (Bundesrat Freiberger: Schon lange keine Zeitung gelesen!) Glauben Sie mir, dass gerade diese Bundesregierung in vielen Bereichen klare und deutliche Akzente gesetzt hat!

Meine Damen und Herren! Ich möchte doch auch zu den betreffenden Gesetzen etwas sagen. Das vorliegende Novellenpaket soll insbesondere eine Harmonisierung des Ausländerbeschäftigungsrechts mit dem Fremdenrecht sowie eine Neuordnung der Integrationspolitik bringen. Für uns bedeuten diese Neuregelungen auch einen wichtigen Schritt für die österreichische Wirtschaft. Die wichtigsten Punkte dabei sind die Harmonisierung des Ausländerbeschäftigungsrechts mit dem Fremdenrecht, die klare Definition der Schlüsselkräfte, Verfahrensvereinfachung, Wirtschaftssaisoniers, Integrationsvereinbarung und Verhinderung von Missbrauch.

Ich teile die in der Erläuterung zum Entwurf getroffene Feststellung, dass sich das bisherige Zulassungsverfahren für ausländische Saisonarbeitskräfte wegen der Flexibilität und der raschen Entscheidung des AMS grundsätzlich bewährt hat und deshalb auch beibehalten werden soll.

Gegen die Erweiterung der Verordnungsermächtigung auf andere Branchen ist kein Einwand zu erheben. Jedenfalls soll sichergestellt werden, dass die bisherige Praxis der Saisonbeschäftigung, vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, im Wesentlichen beibehalten wird.

Ich begrüße aber auch ausdrücklich die Ausdehnung der Saisonierregelung, die derzeit nur für den Tourismus und die Landwirtschaft gilt, auch auf andere Wirtschaftsbranchen mit Facharbeitermangel und andererseits die Möglichkeit – wir haben heute schon davon gehört – einer regionalen Kooperation mit den Nachbarstaaten. Die regionale Kooperation mit den angrenzenden Nachbarstaaten ermöglicht zusätzliche zwischenstaatliche Beschäftigungsabkommen, die nicht auf die Zuwanderungsquote angerechnet werden. Dieses flexible Instrument der zwischenstaatlichen Kooperation auf dem Arbeitsmarkt soll sicherstellen, dass regionale Initiativen mit den Nachbarregionen gesetzt werden können.

Meine Damen und Herren! Auch die Möglichkeit einer Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung über sechs Monate hinaus ist als positiv zu sehen, da in vielen Fällen ein Arbeitsbedarf von neun bis zehn Monaten pro Jahr gegeben ist. Es ist in der Folge möglich, den gleichen


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Arbeitnehmer innerhalb von 14 Monaten maximal zwölf Monate zu beschäftigen. § 5 Abs. 3 bestimmt, dass eine Verlängerung durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit verfügt werden kann, sofern der Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers weiter besteht und nicht anderweitig abgedeckt werden kann. – Mit dieser Formulierung soll sichergestellt sein, dass die betroffenen Arbeitnehmer dem gleichen Arbeitgeber zur Verfügung stehen und nicht im Zuge einer Verlängerung abgeworben werden können.

Meine Damen und Herren! Die Regelungen sind insgesamt zu begrüßen. Es sollte weiterhin der Grundsatz gelten – das ist für mich auch entscheidend –: erst Inländer für den Arbeitsmarkt, und dann, wenn das Potenzial ausgeschöpft oder nicht vorhanden ist, sollen ausländische Arbeitskräfte zum Zug kommen.

Dazu ein Beispiel: Gerade in meinem Bundesland, im Burgenland, boomt in den letzten Jahren der Tourismus. Die letzten Zahlen zum ersten Halbjahr 2002 zeigen, dass das Bundesland Burgenland hervorragende positive Werte hat. (Bundesrat Manfred Gruber: Dank eines guten Landeshauptmannes!) Ich darf Ihnen dazu eines sagen: Wir haben auch den höchsten Beschäftigungsstand seit der Geschichte unseres Bundeslandes, nämlich mehr als 82 000.

Ich stelle nie in Abrede – der Wirtschaftslandesrat heißt Karl Kaplan und kommt von der ÖVP –, dass es eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ gibt und dass gute politische Rahmenbedingungen mit der Unterstützung, meine lieben Freunde von den Sozialdemokraten, dieser österreichischen Bundesregierung vorherrschen. (Bundesrat Gasteiger: "Fishing for compliments" heißt das!)

Denken Sie an die vielen Fremdenverkehrsgemeinden, die wir gerade in unserem Bundesland haben, aber auch an die Bauern, und überlegen Sie, ob diese ohne Saisoniers auskommen könnten! Ich lade Sie gerne ein, kommen Sie einmal ins Burgenland und schauen Sie sich das an! Dann würden Sie unter Umständen anders urteilen.

Daher finde ich, dass wir dieser Bundesregierung für diese Gesetze danke schön sagen müssen – im Interesse des Burgenlandes und der österreichischen Wirtschaft. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.11

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm dieses.

13.11

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Gesetzesänderungen im Fremden-, Asyl- und im Ausländerbeschäftigungsrecht sind für Arbeitslose, aber auch für Arbeitnehmer ein echter Schlag ins Gesicht. In diesem Gesetzespaket sprechen Sie von den Regierungsparteien vom Prinzip "Integration vor Neuzuzug". Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau das Gegenteil ist der Fall!

Was Sie hier heute beschließen, heißt viel Neuzuzug und keine oder nur sehr wenig Integration. Die Integrationsmöglichkeit reduziert sich nämlich auf die wenigen Schlüsselarbeitskräfte, die in diesen Vorlagen neu geregelt sind. Es wird sich erst herausstellen, ob diese Regelung für die Schlüsselarbeitskräfte tauglich ist. Denken wir nur an unseren Pflegebereich, in dem wir sicherlich nicht ohne Zuwanderer auskommen können, die wir zu integrieren haben! Alle anderen dürfen nämlich bei uns nur arbeiten und haben keine Chance auf Integration.

Durch die geplante Erweiterung des Saisoniermodells wird in allen Branchen ein Verdrängungswettbewerb stattfinden. Herr Bundesminister! Man muss sich schon die Frage stellen: Was ist eine Saison, wenn die Möglichkeit besteht, ein Saisonier-Beschäftigungsverhältnis auf zwölf Monate auszudehnen? – Zwölf Monate sind ein Jahr, und somit ist das ein Ganzjahresarbeitsplatz.


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Hier werden Billigarbeitskräfte in allen Branchen auf dem Arbeitsmarkt als Konkurrenten auftreten. Das sind keine Saisonarbeiter, die nur die Spitzen abdecken, sondern das sind eben diese Saisoniers, die bis zu zwölf Monate hier arbeiten dürfen.

Meine Damen und Herren! Durch diese Maßnahmen und die Möglichkeiten geraten unsere Arbeitnehmer sehr stark unter Druck. Die Wirtschaft wird versuchen – ich kann Ihnen das aus meiner beruflichen Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär authentisch berichten –, die Entlohnung der höher bezahlten Arbeitnehmer auf das Kollektivvertragsniveau zurückzuschrauben. Wenn sich diese Arbeitnehmer zur Wehr setzen, dazu nicht bereit sind, werden sie eben durch Saisoniers ersetzt. Das ist die raue Wirklichkeit. Das, meine Damen und Herren, bewirken Sie mit diesem Gesetz.

Darüber hinaus wird es für diese Saisoniers sehr schwierig sein, weil sie nur die Aufenthaltsberechtigung für die Dauer der Beschäftigungsbewilligung erhalten und danach wieder in ihr Land zurück müssen, dann etwaige Ansprüche, die ihnen von Unternehmern vorenthalten werden, geltend zu machen und einzuklagen. Das ist für diese betroffene Gruppe sehr schwierig. Es sind sehr viele Fragen offen, wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihrem Recht kommen.

Hohes Haus! Diese Maßnahmen sind typisch für diese Bundesregierung. Das ist wiederum eine Politik zu Lasten der Arbeitnehmer. (Heiterkeit bei der ÖVP.)  – Dass da ein Vertreter der Landwirtschaft lacht, das verstehe ich nicht, aber vielleicht verstehst du diese Thematik nicht. – Mein Kollege Würschl hat bereits darauf hingewiesen: Die ÖVP hat es für die Wirtschaft ermöglicht, zu billigen Arbeitskräften außerhalb der Quoten zu kommen, nämlich durch das Modell der Saisoniers und auch das Modell der Pendler, das jetzt möglich ist. (Bundesrat Fasching: Sie kennen aber das Problem der Landwirtschaft nicht!) Herr Kollege! Ich kenne die Probleme der Landwirtschaft, weil ich aus einer landwirtschaftlichen Region komme. (Bundesrat Fasching: Sie kennen es nicht!) Oja, aber ich habe jetzt nicht über Landwirtschaft gesprochen, sondern über Probleme der Arbeitnehmer, denn das ist jetzt das Thema. Kollege Hensler hat eine Zwischenbemerkung gemacht, und ich habe kurz darauf repliziert.

Meine Damen und Herren! Durch diesen verschärften Druck, der unter den Arbeitnehmern durch dieses Aufmachen für Saisoniers entsteht, wird es zu sehr vielen Problemen bei den Arbeitnehmern kommen.

Für die FPÖ bleibt das Ausländerthema weiterhin aufrecht, und die Ausländer bleiben das Feindbild. Bis auf wenige Schlüsselarbeitskräfte besteht keine Chance auf Integration. Jene, die schon länger in Österreich sind, werden schikaniert. Ich frage mich nur, was mit jenen ist, die schon jahrelang in Österreich bei ihren Familien leben und nach dem schon jetzt strengen Ausländerbeschäftigungsgesetz bis jetzt keine Möglichkeit hatten, mit Arbeit versorgt zu werden und eine Bewilligung zu erhalten. Müssen diese jetzt alle Schlüsselarbeitskräfte werden? – Da sind Leute dabei, die weniger gut ausgebildet sind und sicher nicht diese Bedingungen für Schlüsselarbeitskräfte erfüllen werden. Die fast 2 000 €, die monatlich zu bezahlen sind, werden nicht in allen Branchen zu bekommen sein.

Meine Damen und Herren! Ein paar abschließende Worte noch zur so genannten Integrationsvereinbarung. Ein Zwang zum Deutsch-Lernen unter Androhung einer Geldstrafe oder auch der Ausweisung, das ist wohl völlig sinnlos. Zuwanderer, die sich in Österreich niederlassen, wollen von sich aus unsere Sprache erlernen, um kommunizieren zu können. Das hat sich in der Vergangenheit immer wieder herausgestellt. Ich kann Ihnen das auch mit einem Beispiel belegen, das ich selbst im Bezirk Fürstenfeld praktiziert habe.

Als Anfang der neunziger Jahre zu uns viele rumänische Flüchtlinge gekommen sind, haben wir vom Berufsförderungsinstitut – auch die kirchlichen Organisationen haben sich daran beteiligt, es haben alle an einem Strang gezogen – Hilfestellung für diese Flüchtlinge in unserer Region angeboten. Sie können mir glauben: Alle waren interessiert daran, die Sprache zu erlernen. Wir haben versucht, motivierend zu wirken, ihnen aber nicht Zwangsmaßnahmen auferlegt. Diese Motivation und diese Hilfestellungen haben sehr gut funktioniert.


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Es wäre also wichtiger, die Angebote, wo sie notwendig sind, flächendeckend anzubieten und die Hilfestellungen für die Zuwanderer zu verbessern. Dann würde der Integrationsprozess erleichtert werden.

Meine Damen und Herren! Weil wir von der SPÖ nicht zynisch, nicht menschenverachtend und nicht herzlos sind, stimmen wir diesen Vorlagen nicht zu. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

13.19

Präsident Ludwig Bieringer: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Christoph Hagen. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.19

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wenn man den Auftritt von Kollegen Würschl vorhin erlebt hat, hat man sich in eine gewisse Zeit zurückversetzt gefühlt. Ich habe den Eindruck bekommen, als wäre das eine Art kommunistische Propagandarede aus UdSSR-Zeiten gewesen. Ich glaube, der Herr Kollege will dem "wandelnden Eisschrank" den Rang ablaufen. Diesen Eindruck habe ich bekommen.

Nun aber zu Kollegen Freiberger: Es war eine sehr nette Rede, die Sie da gehalten haben, nur entspricht sie absolut nicht den Tatsachen. Sie wissen, dass ich in meinem Berufszweig relativ viel mit Ausländern, mit Gastarbeitern und so weiter zu tun habe, und ich sehe das natürlich etwas anders.

Für mich ist dieses Gesetz wünschenswert. Es war höchste Zeit, dass dieses Gesetz gekommen ist. Es war angesichts dieses Asylmissbrauchs, den wir in Österreich sehr oft erleben, dringend notwendig; ich will nicht alle in einen Topf werfen, das möchte ich hier ganz klar betonen. Es gibt sicher Flüchtlinge, die zu Recht hier sind und um Asyl ansuchen. Nur wenn man die Zahl der Doppel- oder Mehrfachansuchen und das, was dann tatsächlich noch übrig bleibt, sieht, spricht das eine klare Sprache. Diesem Asylmissbrauch wird ein Riegel vorgeschoben beziehungsweise ist es ein guter Ansatz dazu.

Ich möchte auch kurz die Saisoniers ansprechen, die Kollege Freiberger hier so dargestellt hat, als ob sie den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeit wegnehmen würden. Ich sehe das ein bisserl anders. Wir haben in Vorarlberg ein Problem, und zwar gibt es in Vorarlberg zu wenig Schweißer. Die Betriebe können ihre Aufträge ohne ausländische Hilfe nicht mehr bewältigen, und genau für solche Fälle, weil der Bedarf nur für eine gewisse Zeit gegeben ist – dann, wenn der Auftrag erledigt ist, braucht man diese Leute nicht mehr in dieser Anzahl –, sind Saisonier-Möglichkeiten geschaffen worden. Dasselbe gilt auch für die Erdbeerpflücker. Wir haben nicht das ganze Jahr Erdbeererntezeit, und für diese Zeit werden die Saisoniers einspringen. Sie verdienen hier gut und können damit in ihrer Heimat etwas aufbauen. Das ist sicher eine sehr positive Angelegenheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe den Eindruck bekommen, als ich der Argumentation der SPÖ-Redner gefolgt bin, dass Sie sich wünschen, dass einer ein paar Wochen nach Österreich arbeiten kommt und dann lebenslang hier bleiben, alle Sozialsysteme in Anspruch nehmen kann und nie wieder nach Hause geschickt wird. Das ist der falsche Weg. Wenn Sie über Österreichs Grenzen in die EU schauen, dann sehen Sie, dass die Tendenz überall in diese Richtung geht, die wir in Österreich vorgeben oder die auch Deutschland mit einer SPD/Grünen-Regierung vorgibt. Ich glaube, das spricht eine deutliche Sprache und müsste Ihnen eigentlich zu denken geben.

Ich möchte noch zu diesem Integrationsvertrag kommen. Ich glaube, Deutschkenntnisse für einen hier in Österreich lebenden Ausländer sollten eine Grundvoraussetzung sein. Ich erlebe das beruflich sehr oft beziehungsweise erzählen es mir die Kollegen, dass ausländische Staatsbürger, vorwiegend Türken und Jugoslawen, die um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht haben, dann, wenn sie von Beamten auf der Dienststelle befragt werden, warum sie Österreicher werden wollen und so weiter, Dolmetscher brauchen, die übersetzen, warum sie Österreicher werden wollen. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist.


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Wir sollten darauf achten, dass die Leute, die nach Österreich kommen, hier die Sprache lernen. Auch ich als Österreicher, wenn ich im Ausland eine Arbeit annehmen will und dort leben möchte, werde mich bemühen, die dortige Sprache zu erlernen. Dort gibt es aber nicht eine 50 : 50-Regelung, sodass 50 Prozent der Kosten für diesen Spracherwerb der Staat zahlt, in dem ich mich aufhalte, sondern dort muss ich das zu 100 Prozent aus der eigenen Tasche zahlen. Also daran sieht man schon, dass Österreich wieder eine Vorreiterrolle spielt und diesen Leuten entgegenkommt. Ich finde, dies ist sehr positiv, denn ich glaube, Integration kann keine Einbahnstraße sein, es sollte auch ein Entgegenkommen geben.

In verschiedenen Gegenden und Wohnsiedlungen gibt es Ghettobildungen, weil die Leute einfach die Sprache nicht verstehen, die hier gesprochen wird, und weil sie die kulturelle Situation nicht annehmen. Wir kommen ihnen in vielen Bereichen sehr entgegen – es gibt moslemische Moscheen, es gibt viele Möglichkeiten für die Ausländer-Kulturvereine, die auch gefördert werden –, nur man kommt uns von der anderen Seite nicht entgegen. Es weigern sich sehr viele Leute, die österreichische Sprache anzunehmen beziehungsweise diese zu sprechen und, wie gesagt, Integration zu leben, auf die hiesige Bevölkerung zuzugehen. Das wäre der richtige Schritt. Es gibt schon einige, die das machen, und sie fahren auch sehr gut in diesem Land, das muss man auch sagen. Ich weiß, es gibt gewisse Gegenden, in denen es diese Probleme nicht gibt, aber Vorarlberg ist ein Bundesland mit einem sehr hohen Ausländeranteil. Auch ich bekomme das in meiner Gemeinde zu spüren. Da ist natürlich die Fremdenfeindlichkeit ganz logisch: Wenn ich jemanden nicht verstehe, mit seinen kulturellen Gepflogenheiten nicht zurecht komme und er nicht auf mich zukommt, dann habe ich ein Problem, eine Barriere. – Und diese Barriere wird mit diesem Gesetz abgebaut – manchmal hilft nur der leichte "Zwang", unter Anführungszeichen –, und ich finde das sehr positiv. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich in einem fremden Land leben und mich dort für immer niederlassen will, dann muss ich doch selbst ein Interesse daran haben, mich diesen Kulturen, Gegebenheiten und Gepflogenheiten anzupassen; sonst stimmt etwas nicht. Wenn ich den dort lebenden Bürgern meine Kultur, meine – unter Anführungszeichen – "fremde" Kultur aufzwingen will, dann bin ich, so glaube ich, falsch gepolt. Sie werden es in keinem Land erleben, dass man dafür Jubelrufe erntet. Aus diesem Grund kann ich dieses Gesetz nur befürworten.

Dieses Gesetz ist meiner Ansicht nach ein völlig richtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich kann nur jedem empfehlen, der hier in Österreich ein friedliches Zusammenleben zwischen ehemaligen Ausländern und Inländern will, diesem Gesetz zuzustimmen. Meine Fraktion wird diesem Gesetz sehr gerne zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.26

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.26

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich nehme die Wette an, dass Herr Bundesrat Hagen auf Grund seiner Sprache sicher schon oft dort, wo er hingekommen ist, nicht verstanden wurde (Heiterkeit bei der SPÖ)  – ich meine aber jetzt nicht nur das Alemannische, sondern auch als Tourist, wo auch immer – und es trotzdem Möglichkeiten der Verständigung gegeben hat. (Bundesrat Weilharter: Der Vergleich hinkt!)  – Die Sprache ist nicht die einzige Möglichkeit, sich zu verständigen.

Ein guter Ausländer ist jemand, der kurz dableibt, arbeitet und wieder geht – das dürfte der Titel dieses Gesetzes sein. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Es hat schon viele Gesetze gegeben, die seitens der Grünen keine Zustimmung fanden – no na, im Spiel Regierung – Opposition –, aber dieses Gesetz ist eines der schlimmsten, das in dieser Zeit vorgelegt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Hier sitzt heute jemand auf der Regierungsbank, der am Anfang laut und deutlich gegen dieses schlimme Gesetz Widerstand geleistet hat, das muss man bei allem Respekt auch sagen, und


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ich habe das damals auch deutlich gehört, Herr Innenminister, wie lange Sie dagegen Widerstand geleistet haben.

Dieses Gesetz ist sozial unverträglich, es ist scheinheilig, und es ist vor allem vor einem ganz bestimmten Hintergrund diskriminierend. Es folgt der Überschrift: Integration vor Neuzuzug – darunter kann man viel verstehen –, aber in Wirklichkeit ermöglicht es nur eine Einwanderung durch die Hintertür – ohne Integrationsmaßnahmen.

Der erste Bereich ist die Ausdehnung der Saisoniers auf alle Branchen. Das ist das Billigste, wie man mit Ausländern umgehen kann. Ein Integrationsprozess ist immer ein beidseitiger Prozess, beide Seiten müssen aufeinander zugehen. Beim Saisonier heißt es: Da ist die Arbeit, du bleibst nur kurz da, und alles darum herum, was Integration bedeutet, interessiert uns nicht! Uns interessiert nicht der Mensch, sondern nur die Arbeitskraft.

Dieses Gesetz ist aber auch insofern diskriminierend, als es einen Unterschied zwischen den Ausländern, die hier im Land leben, macht. Es gibt verschiedene Gruppen von Ausländern, denen Österreich begegnet.

Meine Damen und Herren! Es ist genau 40 Jahre her – 40 Jahre! –, dass Österreich zwei Büros eröffnet hat, die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundeswirtschaftskammer. Das ist auf den Monat genau 40 Jahre her. Das erste Büro, das Österreich eröffnet hat, war in Belgrad, und das zweite war in Istanbul. Diese österreichischen Büros, die offiziell eingerichtet wurden, waren Anwerbungsbüros. Wir haben vor 40 Jahren Anwerbungsbüros eröffnet, um möglichst viele Arbeitskräfte zu bekommen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es waren aber nicht die ersten Anwerbungsbüros. Das allererste Anwerbungsbüro hat Österreich in Madrid eröffnet. Das ist schiefgegangen, denn die Spanier wollten nicht nach Österreich, und dann hat man sich der historischen und geographischen Nähe zu dem damaligen Jugoslawien und der Türkei erinnert und vor 40 Jahren damit begonnen, massiv Ausländer als Arbeitskräfte anzuwerben, sie einzuladen, hier zu arbeiten.

In dieser Politik liegt heute eine Verantwortung. Der Herr Innenminister hat in der Nationalratsdebatte gesagt, Österreich sei kein Zuwanderungsland, sondern ein Asylland. Ich muss sagen, ich bin über den zweiten Teil dieses Satzes sehr froh, in dem er uns ganz klar als Asylland ... (Bundesminister Dr. Strasser: Das ist aus dem Zusammenhang und falsch!)  – Gut, ich habe es aus der Zeitung. Es tut mir Leid, dann hat Sie die Zeitung falsch zitiert. Ich bin froh darüber, dass Sie zum Asylland einmal ein klares Bekenntnis abgegeben haben.

Aber wir würden die Augen verschließen: Österreich ist ein Einwanderungsland! Ein Siebtel der Bevölkerung seit der Eröffnung jener Büros vor 40 Jahren ist zugewandert. Ohne diese Zuwanderung wäre die Wirtschaft zusammengebrochen, Herr Ing. Klamt, wäre das soziale System zusammengebrochen, und ganze Branchen stünden ohne Arbeitskräfte da. Nach wie vor gilt aber: Wer sich legal in diesem Land aufhält, darf noch lange nicht legal arbeiten! – Das ist einer der allergrößten Missstände.

Österreich leistet sich – paradox! – die Ausbildung von Jugendlichen, HTL-Ausbildung zum Beispiel, die dann nicht arbeiten dürfen. Wir stecken Geld in Ausbildungssysteme und lassen die Ausgebildeten dann nicht arbeiten! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger. )  – Das wird nicht geändert. Nein, das wird nicht geändert, und das wissen Sie auch!

Minister Bartenstein hat damals im Zuge der Regierungsübernahme 2000 auch gesagt, dass er das in der Form ändern will. Es wird jetzt, was die Jugendlichen betrifft – da haben Sie Recht –, gemildert, aber nach wie vor gilt nicht der Grundsatz, dass diese Bereiche zusammengeführt werden. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger. )  – Nein, das gilt nicht!

Die Aufenthaltssicherheit wird in diesem Gesetz zugunsten sowohl der Verwaltung als auch der Illegalität ausgehöhlt.


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Aber das Herzstück – Kollege Hagen ist bereits darauf eingegangen –, das zu Beginn auch Minister Strassers langen Widerstand zur Folge gehabt hat, kommt irgendwie als eine Art Remake aus dem Film "Die Schweizermacher". Da muss man sich einmal in einer langen Pause wieder einmal den Film angesehen und gedacht haben: Na ja, man könnte aus dem Film "Die Schweizermacher" etwas übernehmen. – Nur: Das war kein Lehrfilm, das war eine bittere Komödie, und diese bittere Komödie "Die Schweizermacher" wird im Jahre 2002 in Österreich plötzlich Gesetz. Das hätte sich der Regisseur dieses Filmes nicht gedacht, dass sein Film einmal solche Auswirkungen haben kann.

Ich spreche jetzt von den Deutschkursen, die in einem Teil des Gesetzes festgeschrieben sind, der da heißt: Integrationsvereinbarung.

"Vereinbarung" heißt, dass wir zwei, Herr Klamt, irgendeine Vereinbarung treffen. – Wo ist denn die freiwillige Vereinbarung? – Das hier ist Zwang! Das ist reiner Zwang, eine Zwangsmaßnahme! (Bundesrat Dr. Lindinger: Niemand wird gezwungen, herzukommen!)  – Glauben Sie nicht auch, dass jeder Ausländer und jede Ausländerin in diesem Land, die hier tätig sind, nicht selbst wissen, dass sie für das Leben und das Arbeiten hier ein Minimum an Deutsch benötigen? – Na selbstverständlich, sie sind ja nicht "beklopft"!

Aber Sie wollen irgendetwas damit signalisieren. Khol hat das in Worte gefasst: Wir räumen auf! – Das signalisiert: Wir führen eine Schikane ein, wir versuchen ein bisschen ein Sheriff- oder Rambo-Profil gegenüber der Bevölkerung! Ich weiß, der Herr Innenminister war dagegen; ihn meine ich auch nicht.

Diese Maßnahme, meine Damen und Herren, ist von einer ganzen Reihe von Expertinnen und Experten kritisiert worden. Sprache unter Zwang zu erlernen, ist Unfug, das haben die Sprachpädagogen gesagt! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Dann sollten wir die Schulpflicht auch abschaffen!)  – Wieso? – Schule ist doch etwas Schönes! Herr Kollege! Sie müssen schlechte Erfahrungen gehabt haben. Ich weiß nicht, wo Sie in die Schule gegangen sind, ich bin immer sehr gerne gegangen. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Dann plädiere ich für Freiwilligkeit!) Mein Sohn lernt mit großer Liebe Sprachen, also das meine ich nicht. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Wenn Sie in Deutsch vielleicht einmal einen Fünfer bekommen haben, Herr Kollege, dann sind Sie nicht aus Ihrem Bundesland ausgewiesen worden, aber den betreffenden Personen droht dann, wenn sie durchfallen, aus diesem Land ausgewiesen zu werden und ihre Existenz ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Herr Kollege! Das ist ein Schwachsinn!) So, ein Schwachsinn? – Lesen Sie nach! Wenn sie den Test nicht bestehen, können sie ausgewiesen werden.

Herr Minister Strasser hat wahrscheinlich in seiner Schulzeit auch Kafka gelesen, denn er hat im Plenum gesagt: So schlimm wird das mit den Tests schon nicht werden!

Auf der einen Seite führen wir sie ein, Khol sagt: Wir räumen auf!, Westenthaler sagt etwas Ähnliches – ich habe es mir nicht gemerkt –, man suggeriert: Jetzt werde da einmal in Deutschkursen Mores gelehrt!, gleichzeitig heißt es, diese Prüfungen würden nicht so hart sein. – Was heißt das? Was soll uns diese Botschaft sagen? – Es wird offensichtlich eine Willkür sein, wie diese Kurse ausgelegt werden, und es wird wahrscheinlich auch eine Willkür sein, wie sie interpretiert oder durchgeführt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Sind Schulnoten Willkür?)

Es gibt eine pädagogische Debatte, ich weiß nicht, ob wir uns auf diese jetzt einlassen wollen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Jetzt kommen wir auf das Thema! Das ist interessant!) Es gibt sehr moderne pädagogische Ansätze, Herr Kollege Gudenus – ich weiß, dass Sie ein schulpflichtiges Kind oder Kinder haben –, die sagen, dass in bestimmten Bereichen, zum Beispiel in der Volksschule, von einer nummerischen Benotung abgegangen werden soll. (Bundesrat Dr. Böhm: Ja, Volksschule!)  – Aha, die FPÖ ist jetzt für die Notenabschaffung in der Volksschule. (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber das Beispiel haben Sie angeführt!)


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Herr Gudenus! Wir reden hier von Existenzen! Wir reden hier von Existenzen und nicht von Schule für Kinder, sondern wir reden von Existenzen in einem anderen Land vor dem Hintergrund ... (Bundesrat Dr. Böhm: Könnten Sie in den USA ohne Englisch leben? – Bundesrat Mag. Gudenus: Nur in Chinatown!) Sie können es einmal in Florida probieren, Herr Kollege Böhm, Sie werden mit Spanisch sicher super durchkommen, wahrscheinlich werden Sie es in Kalifornien auch noch schaffen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das Gegenteil wissen Sie!)

Herr Kollege Böhm! (Bundesrat Dr. Böhm: England, USA! Oder Frankreich ohne französisch, würde ich Ihnen wünschen! – Da lachen Sie selbst!) Herr Dr. Böhm! (Bundesrat Dr. Böhm: Italien ohne italienisch, Spanien ohne spanisch!) – Das können wir locker machen, ja. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Herr Schennach! Was haben Sie gegen Sprachkenntnisse?)  – Überhaupt nichts! Sprachen sind das einzige Kapital für die Zukunft in einem gemeinsamen Europa. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.) Das wissen wir alle.

Aber die Sprache unter dem Zwang zu erlernen: Wenn du in vier Jahren nicht die Sprache kannst, eine Prüfung nicht bestehst, wird dir unter Umständen deine Existenz durch eine Ausweisung genommen!, meine Damen und Herren, sind Maßnahmen, die einem modernen Staat nicht entsprechen! Nein, meine Damen und Herren! Nein, nein, nein!

Das ist aber nicht nur meine Meinung, Herr Dr. Böhm! Sie kommen von der Universität: Die Universität Wien zum Beispiel hat diese Zwangssprachkurse eindeutig abgelehnt, ebenso der Verband "Deutsch als Fremdsprache"; offensichtlich sind das Pädagogen. (Bundesrat Dr. Böhm: Welche Zwangskurse? – Bundesrat Mag. Gudenus: Das gibt es ja gar nicht!) Was? – Natürlich gibt es das! Alle Sprachpädagogen haben gesagt: Unter Zwang kann niemand Deutsch lernen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Auch nicht Mathematik! – Bundesrat Dr. Nittmann: Herr Kollege! Das ist absurd!)

Zweiter Punkt – jetzt kommt der Fingerzeig –: Selbst wenn ich bruchstückhaft Deutsch kann – mehr oder weniger –, heißt das noch lange nicht, dass ich integriert bin. Die Sprache allein ohne andere Maßnahmen ist noch keine Integration. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber die zielführende Voraussetzung!) Integration bedeutet auch: soziale Integration, berufliche Integration, letztlich auch politische Integration. Genau das wird mit diesen Deutschkursen übermalt, übertüncht. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Was haben Sie gegen die sprachliche Ausbildung, Herr Kollege Schennach?)  – Ich habe es gerade vorhin gesagt, Frau Kollegin! Ich werde Ihnen mein Redemanuskript zum Nachlesen geben. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Danke!) Gerne, ich mache das gerne, ich kann es Ihnen gleich nachher geben. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Und Sie prüfen mich dann im Herbst ab, Herr Kollege Schennach!)

Minister Strasser wird später noch sagen, was er in einem "Mittagsjournal" an einem Samstag damit gemeint hat, als er in einem Interview unüberhörbar gesagt hat, warum er von Khol-Westenthaler in dieser Sache ... (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Mag. Gudenus. ) – Sie können lachen, Herr Gudenus, aber das ist ein Gesetz, bezüglich dessen sich die ÖVP sicherlich nicht mit fröhlichem Lachen vor die Öffentlichkeit und vor ihre Klientel zu treten traut. Dieses Gesetz hat sicherlich die FPÖ zu verantworten. Es ist bitter, dass der christliche Flügel der ÖVP bei diesem Rambo-Gesetz mitgespielt hat. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Ernst Strasser das Wort. – Bitte.

13.42

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zur Diskussion und Beschlussfassung vorliegende Materie ist wieder einmal eine, die aufzeigt, welch furchtbaren Rucksack diese Bundesregierung übernommen hat, den es jetzt Schritt für Schritt abzuarbeiten gilt. Wir haben es übernommen, auch diesen Rucksack abzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Das zieht nicht mehr! In ein paar Jahren seid ihr dran!)


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690. Sitzung / Seite 84

Zu Recht gab es harsche Kritik an den bestehenden fremdenrechtlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen: keine Integration, ein bürokratisches Wirrwarr, völlig unüberschaubare Regelungen, die nicht einmal Spezialisten noch zur Gänze durchschauen konnten, Kompetenzstreitigkeiten und ein Durcheinander von Fremdenbehörden, Fremdenpolizei, Arbeitsmarktbehörden und Sozialeinrichtungen. (Bundesrat Gasteiger: Ihr wart 14 Jahre lang dabei! Die ÖVP war 14 Jahre lang dabei!) Novelle um Novelle, Zusätze, Beisätze, seit 15 Jahren wurde "zusammengeflickt", und das hat auch den Bestand ergeben, den wir vorgefunden haben, als diese Bundesregierung das Amt angetreten hat. (Bundesrat Gasteiger: Die ÖVP war 14 Jahre dabei!)

Wir haben daher gemeinsam, beide Koalitionsparteien – ich bin den beiden Klubs sehr dankbar dafür, dass sie zusammen mit unserem Ministerium die Vorlage erarbeitet haben –, klare Regelungen, klare Grenzen erarbeitet, und wir haben auch sehr klar gesagt, dass es zum ersten Mal eine aktive Integrationspolitik einer Bundesregierung gibt, die es bisher nicht einmal in Ansätzen gegeben hat.

Ich möchte einleitend all jenen danken, die dazu beigetragen haben. Das gilt für das Wirtschaftsministeriums, insbesondere Minister Bartenstein, die Klubs von ÖVP und FPÖ und die Beamten unseres Hauses. Mit diesem Fremdengesetz und Ausländerbeschäftigungsgesetz ist ein weiterer Baustein zu einer neuen Organisation in Österreich geschaffen worden.

Die wichtigsten Neuerungen: Harmonisierung des Ausländerbeschäftigungsrechtes mit dem Fremdenrecht, klare Definition der Schlüsselkräfte, Verfahrensvereinfachung, Integration von Zuwanderung, wesentliche Vereinfachung für bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Studenten, Verhinderung von Missbrauch und anderes.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik wird Integration auch tatsächlich betrieben. Wir vom Innenministerium werden eine ganze Reihe von Projekten fördern, die die Beratung und Betreuung von Zuwanderern übernehmen, die Qualifizierungsmaßnahmen für ausländische Mitbürger, insbesondere spezielle Angebote für MigrantInnen, spezielle Angebote für die Kinderbetreuung, erarbeiten und auch die psychologische Betreuung für Zuwanderer übernehmen.

Wir werden schon in den nächsten Wochen sehr klar unsere Durchführungsverordnungsentwürfe für den Integrationsvertrag, für die Integrationsvereinbarung vorlegen, die die Grundkenntnisse der deutschen Sprache umfasst und auch Themen des Alltags sowie die Grundwerte der europäischen Wertegemeinschaft beinhaltet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass jemand, der nach Österreich kommt und hier arbeiten und leben will, zumindest die Grundkenntnisse der deutschen Sprache kann und können muss. Es ist eine Selbstverständlichkeit für mich, dass jemand, der zum Arzt geht, weil er Schmerzen hat, in einfachen Worten erklären kann, wo es ihm weh tut (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), dass jemand, der in einem Supermarkt, in einer Trafik oder sonst irgendwo Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen will, diese auch in Deutsch benennen kann. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, weshalb ich schon sehr erstaunt bin, dass hier eine ausführliche Diskussion darüber erfolgen muss.

Ich darf auch in aller Klarheit festhalten, ein bisschen eigenartig mutet mich mancher Diskussionsbeitrag schon an. Es ist eine absolute Selbstverständlichkeit, dass bei uns in Österreich für alle sechsjährigen Kinder Schulpflicht besteht. Es ist eine absolute Selbstverständlichkeit in Österreich, dass man etwa ab dem siebten Lebensjahr für seine Leistungen in der Schule Noten bekommt, und das kann im Einzelfall auch ein Nichtgenügend sein. Es scheint aber für manche Diskutanten keine Selbstverständlichkeit zu sein, dass jene, die freiwillig zu uns kommen, um hier zu leben, zumindest gleich behandelt werden wie unsere siebenjährigen Kinder. – Mit Verlaub, das verstehe ich nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Sind Sie jetzt dafür, dass die Leute die Staatsbürgerschaft verlieren, wenn Sie in Deutsch ein Nichtgenügend haben?)


Bundesrat
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Herr Bundesrat Schennach! Wenn Sie hier die notenlose Schule ansprechen, dann darf ich auf die PisA-Studie hinweisen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich und dass unsere österreichischen Kinder nicht in rot-grünen Regierungen leben und aufwachsen (Bundesrat
Konecny: Nein, aber in einem Bildungssystem, das wir geschaffen haben!), denn die PisA-Studie hat im Detail nachgewiesen, dass genau dort, wo Ihre Konzepte umgesetzt werden, die Kinder dadurch benachteiligt sind, dass sie nicht ordentlich unterrichtet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Sie wissen, dass das falsch ist!)

Noch ein Wort zu dieser aus meiner Sicht völlig überflüssigen Diskussion, ich werde dann noch auf die Grundsätze der österreichischen Einwanderungs- und Asylpolitik zu sprechen kommen: Ich komme gerade aus den USA und Kanada. In den USA bekommen Sie nicht einmal für länger als drei Monate eine Aufenthaltsberechtigung, wenn Sie nicht erstklassige Englischkenntnisse vorweisen können. (Bundesrat Dr. Böhm: Natürlich nicht! – Bundesrat Gasteiger: Ja und!) In Kanada bekommen Sie nicht einmal für länger als drei Monate eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn Sie nicht erstklassig Englisch und Französisch können. (Bundesrat Gasteiger: Ja und!)  – Weshalb also soll man in Österreich nicht verlangen können, dass die Grundbegriffe der deutschen Sprache bekannt sind? (Bundesrat Gasteiger: Sollen wir das jetzt nachmachen, oder was?)  – Ihre Argumentationsweise geht mir hinten und vorne nicht ein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit komme ich auch zu dieser äußerst selbstgefälligen Wertung, die hier vorgenommen wird. Ich darf von der Tagung des Ministerkomitees des Europarates zitieren, die sich mit der Änderung des Fremdengesetzes beschäftigt hat. Ich zitiere die Information der österreichischen Ständigen Vertretung: Durch die Änderung des Artikels 57 Abs. 1 Fremdengesetz, welches am 9. Juli vom Plenum des Nationalrates beschlossen wurde, ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechtsfragen in vollem Umfang Rechnung getragen. – Zitatende.

Die Generaldirektion für Menschenrechte zeigte sich insbesondere auch über die Formulierung der neuen Gesetzesbestimmung, nämlich explizit die Erwähnung von Artikel 2 und 3 EMRK, sehr erfreut. Zitat: Österreich gilt nunmehr als Inspirator und Vorbild einer gesetzlichen Weichenstellung betreffend volle und unmissverständliche Respektierung dieser Artikel der EMRK auch im Bereich Fremden- und Asylgesetzgebung auf Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. – Zitatende.

Wir, diese Bundesregierung, die Koalition von Volkspartei und Freiheitlichen, haben nachgeholt, was vorige Regierungen versäumt haben (Bundesrat Gasteiger: Sie waren 14 Jahre mit dabei! Erinnerungslücken!), und haben das, was der Menschenrechtsbeirat und der Menschenrechtsgerichtshof verlangt haben, nachgeholt. Das sind die Tatsachen, die wir mit diesem Gesetz erbringen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit sei auch sehr klar dargestellt – damit kommen wir zu dem Zitat, Herr Bundesrat Schennach, das Sie nicht so wiedergegeben haben, wie ich es im Nationalrat gesagt habe; ich bin gerne bereit, das hier noch einmal sehr klar zu sagen –: Österreich ist selbstverständlich ein Asylland. Unter der Prämisse, den Vorraussetzungen der Grundwerte der Europäischen Menschenrechtskonvention sind wir ein Asylland. Jeder, der politisch verfolgt, der aus rassistischen, aus religiösen oder aus ähnlichen Gründen verfolgt ist, wird bei uns aufgenommen. (Bundesrat Gasteiger: Wehe er klopft an!)

Österreich ist kein typisches Einwanderungsland wie etwa Kanada, USA oder Australien, aber Österreich hat Interesse an einer geregelten Zuwanderung, wenn der österreichische Arbeitsmarkt, die österreichische Wirtschaftskraft und die österreichische Gesellschaft das vertragen. – Das sind die Grundprinzipien der Ausländer- und Flüchtlingspolitik dieser österreichischen Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich darf Ihnen sagen, dass diese Politik und dieses vorliegende Gesetz genau dahin führen, wo Europa seit den Beschlüssen von Tampere
hin will. Wir in Europa wollen und können – auch das sei sehr klar gesagt – unsere Tore nicht aufmachen wie bei einem Scheunentor. Das wäre eine Katastrophe, nicht nur für die österreichische Bevölkerung, sondern auch für jene – das ist auch dieser zynische Unterton, den ich immer heraushöre –, die mit großen Visionen, mit großen Wünschen, mit überaus großen Erwartungen aus einer Situation des Elends und der Verzweiflung aufbrechen, um das Paradies zu finden, und in der Prostitution, in der Verelendung, in den Sozialstationen unserer Gesellschaft landen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist inhuman!) Das kann keine verantwortungsbewusste Fremden- und Ausländerpolitik sein, so wie Sie das vorschlagen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden daher sehr klar und deutlich und durchaus vollständig im Kontext Europas – ich habe für heute Nachmittag beziehungsweise Abend die Innenminister der Beitrittskandidaten, den polnischen, den tschechischen, den slowakischen, den slowenischen Innenminister und die ungarische Innenministerin, unter Beisein des Innenkommissars Vitorino nach Salzburg geladen – die Fragen der Weiterentwicklung des europäischen Asyl- und Fremdenrechts und der Grenzpolitik diskutieren, und zwar gemeinsam mit Dr. Busek und Dr. Farnleitner, dem Vertreter Österreichs im Konvent, um europäische Regelungen zu finden, die den Gedanken einer europäischen Wertegemeinschaft, die durchaus eine sehr christliche Wertegemeinschaft ist, auch in Österreich weiterführen.

Das ist die Absicht dieses Gesetzes, das ist die Absicht dieser Entwürfe, und ich bitte um Zustimmung, damit wir das Gesetz nach der Beschlussfassung im Bundesrat auch Schritt für Schritt umsetzen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Herta Wimmler. Ich erteile ihr das Wort.

13.54

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Den Ausführungen des Kollegen Würschl zufolge müsste ich eine Freiheitliche sein und jenen des Kollegen Schennach zufolge eine nicht Christlich-Soziale, weil auch ich die Verordnung der intensiven Sprachförderung und die verbindlichen Sprachkurse für wichtig halte. Ich möchte Ihnen das anhand von einigen praktischen Beispielen auch erklären.

Wir in Kapfenberg – Kollegin Schicker kennt den obersteirischen Bereich; ich möchte ihr im Übrigen herzlich dazu gratulieren, dass sie weiterhin im Bundesrat vertreten ist (allgemeiner Beifall)  –, haben 10 Prozent Bevölkerung mit nicht deutscher Muttersprache, wobei ich das Wort "Fremde" nie in den Mund nehme. Die Männer lernen rascher Deutsch, weil sie gezwungen sind, einen Beruf anzunehmen, zu arbeiten, und sie Deutsch verstehen müssen. Bei den Kindern ist es schon wesentlich schwieriger. Sie kommen meist nicht in den Kindergarten, weil das Geld dafür nicht bereitgestellt wird; das gibt es natürlich auch bei inländischen Familien. Und die Frauen kommen aus ihrem Familienbereich überhaupt nicht heraus, weshalb die Kinder oft bis zum Schulbeginn die deutsche Sprache überhaupt nicht lernen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber dann dafür sehr schnell und sehr gut!)  – Weil wir ihnen helfen, liebe Frau Kollegin, und zwar durch Kurse.

Es gibt bei uns zum Beispiel seit zehn Jahren eine soziale Lernhilfe, die damals entstanden ist, als die ersten Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien gekommen sind. Die Kinder standen vor der Türe und konnten nicht Deutsch. Seit nunmehr zehn Jahren unterstützen wir diese Kinder am Nachmittag beim Erlernen der Sprache. Heuer läuft zum ersten Mal ein EU-Projekt – wir sind die einzige Stadt in ganz Österreich, die gefördert wird, Herr Minister –, und wir können neben der Förderung der Kinder auch Sprachkurse anbieten. Aber wie geht das? – Die Leute kommen nicht freiwillig.

Wir vom Arbeitskreis Integration und auch Beamte der Stadtgemeinde sind von Tür zu Tür gegangen und haben die Leute gebeten, zu kommen und diese Kurse zu machen, und wir haben


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ihnen auch gedroht: Ohne Kurs wird es schwierig werden, sie werden keine Arbeit finden und dergleichen mehr. – So haben wir sehr viele Leute für diese Sprachkurse gewinnen können, die die Kommune aber noch sehr viel Geld kosten, denn die notwendige Infrastruktur wird nicht finanziert. Zu dieser Infrastruktur gehört etwa die Bereitstellung einer Kinderbetreuung, denn die Frauen – mir geht es vor allem um die Frauen, die überhaupt nicht aus ihrem Kreis herauskommen – können diese Kurse nur am Vormittag besuchen, wenn der Mann arbeitet, und sie müssen die Kinder mitnehmen. Daher ist es wichtig, dass die Gemeinden beziehungsweise die Kommunen diese Infrastruktur wie Kinderbetreuung und dergleichen mehr bereitstellen.

Mir geht es vor allem um die türkischen Frauen, denen man den Kurs durch Druck ermöglichen muss. Diese Frauen erfahren von Seiten ihrer Männer keine Unterstützung; freiwillig dürfen sie einen Kurs nie besuchen.

Die Lernhilfe hat aber auch die Möglichkeit geboten, arbeitslose Lehrerinnen geringfügig zu beschäftigen, und das war natürlich ganz gut.

Wie wir wissen, muss ein Fremder, der die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen will, Deutsch können; ist er verheiratet, gilt das auch für seine Gattin. Ich kann sagen, es sind schon etliche Ansuchen, denen zwar von den Jahren her hätte stattgegeben werden können, zurückgestellt worden, nur weil die Frau nicht Deutsch konnte. – Man muss sie einfach irgendwie ein bisschen unter Druck setzen.

Je mehr und bessere Kurse zum Erlernen unserer Kultur und Sprache angeboten werden, umso qualifizierter werden sie die Teilnehmer abschließen. Unsere nächste Generation sind die Kinder jener Leute, die heute da sind. Je qualifizierter wir sie in Deutsch ausbilden, desto bessere Schulen können sie besuchen, und desto weniger werden sie einmal dem Sozialstaat Österreich zur Last fallen.

Helfen wir jenen, deren Kultur es nicht ermöglicht, diese Kurse zu besuchen – da geht es vor allem um Frauen –, mit gesetzlichem Druck! Ich bin dafür, die Frau in den Mittelpunkt zu stellen. Erst vor kurzem ist in "Heimat, fremde Heimat" unser EU-Projekt vorgestellt worden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. Ich erteile ihm unter Hinweis auf die Redezeitbeschränkung und die sonstigen Bestimmungen der Geschäftsordnung das Wort.

14.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Präsident! Ich muss mich selbst tatsächlich berichtigen. Herr Minister Strasser hat Recht. Der Ausspruch: Österreich ist kein Einwanderungsland, es ist ein Asylland!, stammt von Herrn Klubobmann Khol. Ich habe keinen Grund, das nicht zu berichtigen, wundere mich aber – ich habe nicht gewusst, dass ich Ihre nachfolgende Rede halte –, dass Sie diese Diktion von Herrn Klubobmann Khol schon übernommen hatten. (Bundesrat Dr. Böhm: Müssen wir ein Einwanderungsland sein?)

Zum Zweiten habe ich eine weitere Berichtigung, Herr Klubobmann Böhm! Herr Minister Strasser hat gesagt, die Opposition – damit, so nehme ich an, meint er beide Parteien der Opposition – habe unverantwortliche Konzepte einer Ausländerpolitik der offenen Tore. – Das ist unrichtig.

Ich kenne kein solches Konzept der Grünen, sondern nur eines der kontrollierten Zuwanderung, also ein Zuwanderungskonzept, aber keines der offenen Tore. Wenn Sie ein solches Konzept der Grünen kennen, Herr Minister, dann bitte ich Sie, das zu belegen. Das wäre für mich eine große Überraschung. Insofern muss ich sagen, das einzige verantwortungslose "offene" Gesetz ist das Saisoniermodell und sonst nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

14.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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690. Sitzung / Seite 88

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird (680/A und 1245/NR sowie

6686 und 6710/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird.

Der Bericht liegt vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

14.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Alfredo Rosenmaier das Wort. – Bitte.

14.03

Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Versammlungsgesetz hat schon heiße Diskussionen hervorgerufen, und ich glaube, auch dann, wenn es in die Umsetzungsphase geht, wird man von dieser Situation nicht ganz wegkommen.

Dass Demonstrationen immer umstritten sind, das liegt, wie ich glaube, in der Natur der Sache: einerseits, weil es Menschen gibt, die diese Form einfach nutzen, um gemeinsam gegen etwas aufzutreten, von dem sie der Überzeugung sind, dass es nicht in Ordnung ist, und natürlich gibt es dann den Gegenpol, die andere Seite. Es gibt Menschen, Betriebe, Institutionen oder eine Regierung, die zwar glauben, dass ihre Erfindung eine gute ist, sich damit aber mit einer Situation konfrontiert sehen, die nicht angenehm ist.

Trotzdem möchte ich hier aber sehr deutlich festhalten, dass die Demonstration ein legitimes und vor allem gesetzlich geregeltes Mittel ist, um Protest zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte auch sagen, dass nur eine einzige Form anerkennenswert ist, und das ist die friedliche Form, die friedliche Demonstration. Ich glaube, dass wir uns hierüber auch sehr einig sind. (Allgemeiner Beifall.)


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Ich möchte hier auch ganz klar zum Ausdruck bringen, dass von Seiten der Sozialdemokratie jegliche Form von Gewalt abgelehnt wird, und zwar kategorisch. Aber wir lehnen auch ein generelles Vermummungsverbot ab. (Zwischenruf: Warum?) Das möchte ich Ihnen in meinen weiteren Ausführungen gerne näher erläutern.

Ich möchte nur ein Beispiel aus unserem Nachbarland, aus Deutschland, aus der Hansestadt Hamburg anführen. Dort können wir feststellen, um es kurz zu machen, dass der härteste Fall, der jemals stattgefunden hat, mit nichtvermummten Tätern passiert ist. Ich glaube, das sollte Ihnen etwas zu denken geben.

Wir sind nicht so, wie wir es immer wieder hören, ein Schlusslicht unter jenen Ländern, die dieses Vermummungsverbot zum Gesetz erhoben haben. Es gibt letztendlich nur drei Länder in der EU, in denen dieses Vermummungsverbot gesetzeskonform beschlossen wurde. Aber ich frage Sie: Gibt es in diesen drei Ländern weniger Gewalt als bei uns?

Der Missbrauch, den einige Chaoten betreiben, indem sie sich in eine von Haus aus friedlich organisierte Demonstration einmengen, ist das grundsätzliche Problem, und es ist unentschuldbar, wenn diese Situation von diesen Menschen immer wieder ausgenützt und mutwillig Sachschaden verursacht wird.

Noch viel schlimmer ist es aber, wenn Menschen dabei zu Schaden kommen, und ich denke, dass es unser gemeinsames Ansinnen sein muss, genau das in Zukunft zu unterbinden. Aber es ist auch schwierig und für mich eigentlich undenkbar, generell allen Demonstranten eine Kriminalisierung mit auf den Weg zu geben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Warum vermummen sich die Menschen bei Demos? – Das ist eine Frage, die legitim ist, und ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass wir sie uns hier gemeinsam in diesem Gremium stellen. (Bundesrat Ledolter: Aber die Antwort ...!)

Ich glaube, dass es vor allem zwei Gründe gibt. Da ist zunächst der eine miese Grund, dass es einige wenige gibt, die diese Demos einfach dazu benützen, um unerkannt ihre Aggressionen loszuwerden und Gewalt auszuüben, und das ist verurteilenswert – überhaupt keine Frage –, das tun wir auch gemeinsam! (Demonstrativer Beifall der Bundesräte Dr. Böhm und Mag. Himmer. )

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aber ich finde, dass man auch die zweite Gruppe von Menschen – das ist mit absoluter Sicherheit die große Mehrheit – nicht außer Acht lassen soll und nicht außer Acht lassen darf: Das sind jene Menschen, die sich vermummen, weil sie Angst haben, zum Beispiel vor ihren Arbeitgebern. Sie haben Angst, als Demonstrant erkannt oder aus bestimmten Gründen in ein politisches Eck gedrängt zu werden und ein Leben lang gebrandmarkt herumlaufen zu müssen, und das wollen sie sich nicht antun. Das muss man hier auch eindeutig zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Noch etwas, geschätzte Damen und Herren der Regierungsparteien: Man kann nicht alles per Gesetz regeln beziehungsweise per Gesetz erzwingen. Das erzeugt Druck, Kollege Ledolter, ich glaube, darüber sind wir uns einig. Darüber, dass Druck Gegendruck erzeugt, sind wir uns auch einig. Daher glaube ich nicht, dass das der richtige Weg ist. Ich glaube, viel wichtiger ist es, einen Konsens und einen vernünftigen Weg zu finden. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, das Gespräch miteinander zu suchen. – Ich weiß schon, dass das ein sehr schwieriger Weg ist, und ich weiß auch, dass es wichtig ist, begleitende Kontrolle auszuüben, zum Beispiel bei einer Demo in Form von Gesprächskontakten.

Aber da gibt es ein Zauberwort, das man nämlich zusammenfassen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde! Dieses Wort heißt Krisenmanagement. Das ist eine ganz einfache Sache, wenn man es gelernt hat.

Diktatorisches Grunddenken und diktatorische Maßnahmen bedeuten für mich einen Rückschritt in die Steinzeit, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als drastisches Beispiel möchte


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ich in diesem Zusammenhang den Umgang mit einem hochverdienten Beamten zur Sprache bringen. Ich nenne auch ganz bewusst den Namen: General Strohmeyer. (Bundesrat Mag. Gudenus: War er vermummt? – Heiterkeit.)

Herr Bundesminister! Es hat eine Zeit gegeben, da war ich ein glühender Fan Ihrer Person, das sage ich ganz offen. Ich sage Ihnen das von Niederösterreicher zu Niederösterreicher – auch wenn Sie es belächeln; es ist eigentlich beschämend, wenn Sie das belächeln, aber das ist Ihre Sache. Sie müssen damit leben. Ich kann gut damit leben und auch gut damit umgehen.

Tatsache ist, dass es das Einfachste ist, Krisenmanagement zu betreiben. Ich bin 36 Jahre lang in der Privatwirtschaft tätig gewesen, davon die letzten 15 Jahre im Management. Ich habe Konfliktsituationen wie die erwähnte zumindest drei oder vier Mal pro Monat auf meinem Tisch gehabt, so wie Sie sie gehabt haben, Herr Minister! Aber ich habe mir die Mühe gemacht, mit diesen Menschen zu sprechen, den Kontakt und einen Konsens zu suchen, meine Meinung kundzutun, aber auch die Meinung der anderen anzuhören. Das zeichnet, wie ich glaube, einen Menschen, der eine Führungsposition innehat, aus.

Ich hätte mich beim Rasieren am nächsten Tag nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn ich es mir in einer solchen Situation, wie Sie sie geschaffen haben, so leicht gemacht hätte. Ich hätte es mir ganz leicht machen können, indem ich zum Beispiel gesagt hätte: Mit diesem Menschen rede ich nicht (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso wissen Sie, dass mit ihm nicht geredet worden ist?), dieser Mensch ist in meiner Abteilung nicht mehr dabei. – Das wäre mir ein Leichtes gewesen, aber damit hätte ich mich selbst disqualifiziert. Das möchte ich hier auch betonen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Ich möchte dazu auch noch sagen, eine Anlassgesetzgebung ist meines Erachtens ein Schuss aus der Hüfte und keine gute Sache. Ich glaube nicht, dass künftig auf Grund dieser Gesetzgebung die Demos in Österreich nur friedlich verlaufen werden.

Ich möchte auch die USA, wo es in mehreren Staaten die Todesstrafe gibt, zur Sprache bringen und Sie alle fragen: Ist das tatsächlich eine Abschreckung? Ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, nämlich die Todesstrafe, tatsächlich eine Abschreckung? (Bundesrat Dr. Böhm: Sind wir dafür? Wir sind dagegen!)  – Ich würde sagen, nein! Die Kriminalität ist leider Gottes trotzdem genauso vorhanden. (Bundesrat Dr. Böhm: Wollen Sie das Vermummungsverbot mit der Todesstrafe gleichstellen?!)

Es ist eine Grundpflicht, es sich nicht leicht zu machen, sondern den Konsens miteinander zu suchen, und ich glaube, dann wird es auch funktionieren.

Die Versammlungs- und die Demonstrationsfreiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein wertvolles und vor allem gesellschaftliches Gut, und dieses Gut gilt es auch zu schützen. Die richtige Vorgangsweise bei einer Demo, so würde ich sagen, wäre es, das Vermummungsverbot nur dann zu verhängen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass es zu gewalttätigen Handlungen kommen wird. (Ruf bei der ÖVP: Nur ist es dann zu spät!)

Ich glaube, dass das ein sehr guter Weg wäre. Ein viel besserer Weg wäre natürlich noch, ein professionelles Krisenmanagement einzusetzen sowie das Gespräch und den Konsens zu suchen. Herr Innenminister! Dann könnten Sie es auch in Zukunft für sich in Anspruch nehmen, sich so wie in der Vergangenheit lobend über die gute Demokultur in unserem schönen Land Österreich auszusprechen.

Wir wollen eine Kultur der Gewaltfreiheit, und auf dem Weg dorthin wird das Diktat generelles Vermummungsverbot und vor allem hohe Haftstrafen sicherlich nicht dienlich sein. Ich glaube, geschätzte Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses, Sie werden verstehen, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

14.13


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 91

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm das Wort.

14.13

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal muss ich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass es dem Vorredner gelungen ist, in einer Diskussion über das Versammlungsrecht auf einmal den "Märtyrer" General Strohmeyer, der sich nicht vermummt hat, also mit dem Vermummungsverbot nichts zu tun hat, mit der Todesstrafe in Zusammenhang zu bringen! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Aber Sie reden anscheinend über alles, nur damit es heute länger dauert.

Ich darf an dieser Stelle drei Dinge festhalten. Wenn heute eine Novelle zum Versammlungsgesetz vorliegt, dann geht es dabei nicht darum, dass Demonstrationsrecht einzuschränken (Bundesrat Dr. Böhm: Überhaupt nicht!), dann geht es nicht darum, die Versammlungsfreiheit in Frage zu stellen, und dann geht es auch nicht darum, die Meinungsfreiheit in Frage zu stellen, wie das angesprochen wurde, weil diese Bundesregierung angeblich Angst davor hat, dass auf der Straße andere Meinungen kundgetan würden.

Mit dieser notwendigen Novelle zum Versammlungsgesetz geht es vielmehr darum, der Gesellschaft und den Exekutivbediensteten einen Versuch, eine Möglichkeit anzubieten, um die Sicherheit zu erhöhen. Denn, lieber Kollege Rosenmaier, in Anbetracht des Unglücks, das sich vor wenigen Tagen in der Steiermark ereignet hat, würde ich bitten, die tagespolitische Polemik außer Acht zu lassen und uns auch dessen bewusst zu sein, in welcher schwierigen Situation die Exekutivbeamten ihren Dienst versehen. (Bundesrätin Schicker: Wir brauchen nur ein Waffenverbot in den Haushalten!)

Schon in der polizeilichen Alltagsarbeit kann es dazu kommen, dass einer ausrastet, von dem niemand angenommen hat, dass das möglich wäre. Umso mehr Respekt und Anerkennung haben wir alle und habe ich jenen Exekutivbediensteten zu zollen, die wissen, wie gefährlich Demonstrationen sind – auch von Nichtvermummten –, die genau wissen, dass ein erhöhtes Gefahrenpotenzial besteht, wenn dabei Chaoten am Werk sind.

Ich unterscheide hier nicht zwischen den ideologischen Gruppierungen. Egal, ob jemand ein Fan des Che Guevara, der Dorfheilige einer Tiroler Fußballmannschaft ist (Heiterkeit) oder anderen ewiggestrigen Philosophien nachläuft und für Krawall sorgt, habe ich mit seiner Ideologie nichts am Hut. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn jemand demonstriert und damit ein Bekenntnis zum Ausdruck bringt, dann soll er auch mit seiner ganzen Person dahinter stehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der vorliegende Gesetzesvorschlag, den der Nationalrat beschlossen hat, sieht auch Möglichkeiten vor ... (Bundesrätin Schicker: Es haben nicht alle einen geschützten Arbeitsplatz! – Bundesrat Dr. Böhm: Das wäre ein sittenwidriger Kündigungsgrund, das wissen Sie doch! – Bundesrätin Schicker: Es ist schon vorgekommen! – Weitere Zwischenrufe.)

Frau Kollegin Schicker! Ich hätte es nicht zitiert, aber weil Sie immer wieder mit dieser polemischen Angstmache kommen: Auch Kollege Parnigoni meint, dass alle, die sich dazu bekennen, für irgendetwas zu demonstrieren, am nächsten Tag entlassen werden. – Das ist billige Polemik! (Bundesrätin Schicker: Es ist schon vorgekommen!)

Frau Kollegin Schicker! Ich kenne die Arbeitswelt (Bundesrätin Schicker: Ich kenne die Arbeitswelt auch! – Bundesrat Dr. Böhm: Sie kennen die Arbeitswelt nicht!), und ich weiß, dass bedauerlicherweise aus verschiedenen Gründen Druck auf viele Arbeitnehmer ausgeübt wird, und zwar nicht nur von privaten Dienstgebern, sondern auch von den Managern in der Verstaatlichten Industrie. Wenn Sie jetzt ... (Bundesrätin Schicker: Aber Sie geben mir Recht, dass es vorkommt?)  – Natürlich, aber das ist nicht die Alltagssituation. (Bundesrätin Schicker: Nichts anderes wollte ich sagen!) Ich frage mich: Was hätten Sie denn gemacht?


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690. Sitzung / Seite 92

Kollege Parnigoni hat im Nationalrat erklärt, wer Gewalt ausübt, habe damit zu rechnen, bestraft und gerichtlich verfolgt zu werden. Die SPÖ sei zwar auch für ein Vermummungsverbot, allerdings sei es sehr schwierig, das Vermummungsverbot durchzusetzen.

Ich erwähne jetzt etwas, was den Vorgänger von Herrn Bundesminister Strasser "ausgezeichnet" hat, nämlich Herrn Bundesminister Schlögl, der nach dem Grundsatz "Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben!" Politik gemacht und daher sehr vieles in diesem Ressort nicht erledigt hat. Ich denke etwa an die Zivildienstnovellen und andere Dinge, die angestanden sind, von denen alle gewusst haben, dass "Feuer am Dach" ist. Aber die Entscheidungsfreude in der Politik des Karl Schlögl war so "groß", dass er es vorgezogen hat, in die Privatwirtschaft zurückzukehren. – Aber das ist eine andere Geschichte. Wir reden heute nicht über "baumax", sondern wir reden über Schutzmaßnahmen für die Exekutivbeamten.

Ich bin Herrn Bundesminister Dr. Strasser dafür dankbar, dass diese Novelle vorgelegt wurde, die auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechend berücksichtigt, weil unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit gegeben ist, dadurch deeskalierend zu wirken, dass die Einhaltung des Vermummungsverbotes nicht durchgesetzt wird.

Das ist eine schwierige Situation, da brauchen wir uns überhaupt nichts vorzumachen! Aber wir haben Maßnahmen zu setzen und nicht einer Politik zu folgen, die sagt: Weil etwas schwierig ist, lösen wir es nicht!, sondern wir sagen: Gerade, weil es schwierig ist, versuchen wir einen Lösungsansatz!

Dieser Lösungsansatz ist nun gefunden. Wir werden der Vorlage zustimmen, und ich möchte von dieser Stelle aus noch einmal den Exekutivbeamtinnen und -beamten danken, die ihren Dienst sehr oft in dem Wissen, dass es für sie sehr gefährlich wird, auch bei Demonstrationen versehen, wobei man bei manchen Demonstrationen den Eindruck hat, dass es für die Teilnehmer nur Jux und Tollerei ist, dass sie auf der Straße sind und Radau erzeugen. Daher haben wir, wie ich meine, unsere Exekutivbeamten entsprechend zu schützen.

In diesem Sinne gilt mein Respekt den Bediensteten. Wir werden dem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Theodor Binna. Ich erteile ihm das Wort.

14.19

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Rosenmaier hat es schon angeschnitten, aber ich möchte es noch einmal wiederholen.

Demonstrieren ist ein legales und legitimes Mittel und, wie ich meine, auch ein wichtiges Mittel, um Protest auszudrücken. Friedliches Demonstrieren ist völlig in Ordnung, aber jede Form von Gewalt bei Demonstrationen wird von uns Sozialdemokraten abgelehnt, und zwar auf das Schärfste und immer.

Ich vermute aber, dass es sich bei diesem Antrag um einen ersten Schritt handelt, um die Donnerstag-Demonstrationen zu verbieten. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine Unterstellung! Eine böse Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In § 9a steht: An den in § 2 erwähnten Versammlungen dürfen Bewaffnete nicht teilnehmen. – Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung. – Weiter heißt es: Ebenso dürfen Personen nicht teilnehmen, die Gegenstände bei sich haben, die geeignet sind und den Umständen nach nur dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben. – Zitatende.

Dazu muss ich feststellen, nach dieser Bestimmung müssten alle Demonstrationen abgesagt werden, wenn es regnet, denn mit einem Regenschirm kann auch Gewalt ausgeübt werden.


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690. Sitzung / Seite 93

(Bundesrat Mag. Himmer: Ein "sehr gutes" Argument! – Bundesrat Schöls: Das müssen wir uns merken, das ist ein "gutes" Argument! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mir ist auch noch ein Bild gut in Erinnerung, auf dem Kollegin Petrovic von den Grünen bei einer Demonstration im Wintermantel mit den Händen in den Manteltaschen zu sehen war. Daraufhin hat FPÖ-Klubobmann Westenthaler gemeint, das gehöre verboten, sie könnte Gegenstände in den Händen halten, die der Gewalt dienen.

Das heißt, es darf nicht regnen, es darf auch nicht kalt sein, weil man sich in den Manteltaschen nicht einmal die Hände wärmen darf. (Bundesrat Schöls: Sonnenbrillen sind auch "gefährlich"!) Vielleicht gibt es dann außerdem noch eine Bekleidungsvorschrift, die so lauten könnte: Erlaubt sind nur T-Shirts und Hosen ohne Taschen.

Wir können diesem Antrag nicht unsere Zustimmung erteilen, noch dazu wenn man bei einer Gesetzesverletzung im Wiederholungsfall bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bekommen kann – unter Umständen dafür, dass ich die Hände in den Manteltaschen halte.

Wir brauchen diese Gesetzesänderung nicht. Ich glaube, die Ursache liegt ganz woanders: Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren von Regierungsfraktionen! Machen Sie Politik für die Menschen in unserem Lande, und die Protestaktionen werden ganz von allein aufhören! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

14.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

14.23

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich denke, viele reden hier von der Theorie. Ich glaube, dass ich hier einer der Wenigen bin, die von der Praxis sprechen können. Ich habe siebeneinhalb Jahre einer Einsatzeinheit angehört, die bei Demonstrationen immer an vorderster Front eingesetzt wurde. Ich wurde dabei oft verletzt, und zwar mehrfach. Ich habe Zugriffe durchgeführt und sehr viel mit Vermummten zu tun gehabt.

Dieses Gesetz ist aus der Sicht der Exekutive sehr wünschenswert. Wir müssen uns einmal vorstellen, wie das Ganze abgeht.

Von Kollegen Binna wurde gesagt, dass auch ein Regenschirm als Waffe verwendet werden kann, und er hat das mit der Vermummung in Zusammenhang gebracht. – Gut, als Waffe kann man alles verwenden, was man werfen kann. Da müsste man den Teilnehmern jedes Taschenmesser, jede Limoflasche abnehmen, so wie das derzeit auch bei Fußballspielen der Fall ist. Da wird alles abgenommen, was irgendwie als Wurfgeschoss verwendet werden kann. Aber das haben wir bei Demos nicht vor.

Vielen Demonstranten geht es einfach darum, dass man, indem man sich vermummt, unter der Pseudoanonymität Gesetzesbrüche machen, aber nur schwer verfolgt werden kann.

Folgendes Beispiel möchte ich Ihnen erklären. Ich habe vor einigen Jahren bei einem Fußballmatch, bei dem bengalische Feuer von Fans der gegnerischen Mannschaft in den anderen Sektor hineingeworfen wurden – diese Feuer haben, wie man weiß, 1000 Grad Celsius, da können erhebliche Verletzungen entstehen –, mit einer Truppe den Auftrag erhalten, den Fans diese bengalischen Feuer abzunehmen. Da hatte einer einen ganzen Rucksack voll dabei.

Wir hatten das Glück, dass damals Kollegen von der Kriminalabteilung dabei waren, die das Ganze filmten. In dem Getümmel dieses Fansektors, aus dem ich diesen Rucksack entfernen und wo ich die Werfer mit meiner Truppe festnehmen musste, wurde ich – auf Deutsch gesagt – allein gelassen. Die Kollegen wurden abgekapselt, und ich habe die Festnahme durchgeführt. Als ich mich allerdings umdrehte, hat mich fast der Schlag getroffen: Ich bin nämlich allein – mit


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einem Werfer im Schwitzkasten und dem Rucksack mit den bengalischen Feuern – mitten im gegnerischen Fansektor gestanden, und es hat Steine, Schläge und alles Mögliche gehagelt.

Ich wurde bei diesem Einsatz verletzt. Nur deswegen, weil diese Fans nicht vermummt waren, ist es gelungen, sie im Film zu identifizieren und der Strafverfolgung zuzuführen. In diesem Getümmel wäre das sonst nicht möglich gewesen. Das möchte ich hier einmal betonen, damit man einmal sieht, was solch ein Vermummungsverbot ausmachen kann. Wenn die Täter damals vermummt gewesen wären, dann wären sie der Strafe entgangen, und ich wäre mit meinem blutigem Kopf und so weiter dagesessen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ein überzeugendes Beispiel!)  – Das ist die Praxis.

Wie gesagt, die Anonymität ist künftig durch das Vermummungsverbot nicht mehr möglich. Vermummte können schon im Vorfeld aus dem Verkehr gezogen werden.

Es hat bei uns niemand etwas gegen das Demonstrationsrecht. Das ist ein Staatsbürgerschaftsrecht, das jedem zusteht. Wir haben in Vorarlberg in den Zeiten, als es die Kurdendemonstrationen gab, wöchentlich Demonstrationen gehabt. Da hat es nie Probleme gegeben, außer sie sind aufeinander zugegangen, aber da hat es keine Vermummten gegeben.

Wo es Vermummte gegeben hat, das war bei den 1. Mai-Demonstrationen der Links-Autonomen, und da ist es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.

Zweites Beispiel: Ein Kollege von mir wurde bei diesem Einsatz von hinten angegriffen. Das wurde nicht mitgefilmt. Das waren Vermummte, und sie sind untergetaucht. Mein Kollege war verletzt, aber er hat durch die Finger geschaut, denn diese Täter sind nie einer Strafverfolgung zugeführt worden. – Das ist ein Negativbeispiel.

Dieses Gesetz ist ein Schutz für Exekutivbeamte – darüber müssen wir uns im Klaren sein –, aber nicht nur für Exekutivbeamte, die mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit bewahren, sondern auch ein Schutz für jene Unbeteiligten, die, aus welchen Gründen immer, in eine solche Demonstration hineingeraten und dabei unter die Räder kommen können. Das ist ein Schutz für alle.

Kollege Schennach! Herr Abgeordneter Öllinger war bei diesen Demonstrationen an vorderster Front dabei, und da könnte man auch sagen, er hat dem Exekutivbeamten die Hand durch das Gitter reichen und ihm die Hand schütteln wollen. Aber ich glaube, nach dem Gesichtsausdruck auf dem Foto hat das nicht so ausgeschaut, sondern das dürfte eher eine geballte Faust gewesen sein. – Ich will das nicht unterstellen, aber es ist möglich.

Er war nicht vermummt, gut, aber vielleicht waren andere dabei, die vermummt waren, das wissen wir nicht. Es waren sehr viele Vermummte dort, und genau bei dieser Demonstration wurden Leute fotografiert, die so große Pflastersteine (der Redner deutet die Größe an) auf Exekutivbeamte geworfen haben. Jeder kann sich vorstellen, wie ich ausschaue, wenn ich solch einen Pflasterstein abbekomme. – Das waren aber Vermummte!

Wie gesagt: Dieses Gesetz ist ein Schutz für Exekutivbeamte, für die Zivilbevölkerung, für Dritte, für deren Eigentum und Gesundheit.

Es geht mir auch darum, dass niemand verteufelt wird. Es soll auch niemandem das Demonstrationsrecht weggenommen werden. Es soll nur die Allgemeinheit vor Übergriffen durch Gewalttäter geschützt werden, die sich unter dem Schutz der Anonymität – das heißt, der Vermummung – diesen Übergriffen "hingeben" und dann nicht mehr verfolgt werden können.

Gewalt von links kennen wir. Das hat man früher nicht so gekannt, das muss ich auch sagen. Seit diese Regierung im Amt ist, haben wir laufend Demonstrationen. Diese Gewalttätigkeit, die dabei an den Tag gelegt wird, hat es früher in dieser massiven Form, in dieser geballten Ladung nicht gegeben. (Bundesrätin Schicker: Haben Sie schon hinterfragt, warum?) – Ja, es ist die Frage: Wenn ich mit einer Regierung nicht einverstanden bin, rechtfertigt das Gewalt gegenüber Unbeteiligten, gegenüber Exekutivbeamten? (Bundesrätin Schicker: Da muss man sich schon


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fragen, warum! Weil manche mit dieser Regierung nicht einverstanden sind! – Bundesrat Dr. Böhm: Er hat von Gewalt gesprochen!)

Ich habe von Gewalt bei Demonstrationen gesprochen. Das ist sehr wohl ein Unterschied! Hier muss schon ganz klar gesagt werden, Gewalt in dieser Intensität hat es früher in so geballtem Ausmaß wie jetzt nicht gegeben. Daher muss gehandelt werden – zum Schutz der Exekutivbeamten und der Allgemeinheit. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Deswegen ist es mir und meiner Fraktion eine Freude, diesem Gesetz, das die Exekutivbeamten und die Allgemeinheit vor anonymen Gewalttätern schützt, zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich bitte, längere Redebeiträge nur vom Rednerpult aus und nicht von den Bänken heraus zu halten. – Bitte. (Der an das Rednerpult tretende Bundesrat Schennach: Damit habe ich das Monopol hier, nicht wahr?)

14.30

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich weiß nicht, Herr Minister Strasser, irgendetwas machen Sie falsch! Irgendetwas tun Sie, was Ihren Fans nicht gefällt. Herr Rosenmaier hat gesagt, er war ein Fan von Ihnen; in der letzten Sitzung hat Frau Melitta Trunk dasselbe zum Ausdruck gebracht, und ich habe Ihnen auch schon zigfach meinen Respekt gezollt – und jetzt versuchen Sie, sich irgendwie auf Ihre Kernbereiche zurückzuziehen. Warum enttäuschen Sie so viele Leute, die Sie über Ihre Parteigrenzen hinweg ansprechen konnten, seit Sie in dieses Amt gekommen sind? – Ich glaube, dieser Frage sollte man einmal nachgehen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Strasser. )  – Na ja, aber Sie reduzieren sich jetzt offensichtlich auf große Stammsegmente. (Bundesrat Ledolter: So steigt die Popularität!)

Ich mache mir Sorgen um Minister Strasser! Ich mache mir ehrlich Sorgen. (Ruf: ... Angst?) – Nein, Angst habe ich nicht, aber ich mache mir Sorgen! Sorgen ist etwas anderes als Angst. (Ruf: Es bedrückt Sie!) Es bedrückt mich, richtig. Ich werde versuchen, wieder einmal ein längeres Gespräch mit ihm zu führen. (Bundesrat Schöls: Vielleicht schauen Sie, dass Sie bei den nächsten Landtagswahlen in Niederösterreich wahlberechtigt sind!)

Passen Sie auf! Sie müssen mit solchen Asylangeboten aufpassen, die Sie so großzügig aussprechen. (Heiterkeit des Bundesrates Rosenmaier und der Bundesrätin Schicker.  – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )  – Er ist übrigens auch Oberösterreicher, ein gebürtiger Oberösterreicher – weil das heute schon einmal Thema der Debatte war. (Bundesrat Grissemann: Zur Sache!)

Lassen Sie mich nun aber zu dem Gesetz kommen. Ich möchte zunächst eines ganz klar und eindeutig sagen: Ich lehne Vermummte bei Demonstrationen ab (demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Ruf bei den Freiheitlichen: Fein!)  – ich habe das hier schon einmal erklärt –, denn in einer Demokratie braucht man nicht vermummt zu demonstrieren. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig! – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es! Sehr gut!) Außerdem glaube ich, dass hinter dem Schutz einer Maske, wie immer sie aussehen mag, die Verantwortung für die eigene Persönlichkeit vielleicht nicht in derselben Weise wahrgenommen wird oder sich auch das Potenzial, ein anderer zu sein, steigert und dadurch vielleicht auch Handlungen gesetzt werden, die man sonst nicht setzen würde. (Bundesrat Dr. Böhm: Sicher!)

Dies möchte ich hier von Anfang an klarstellen. Außerdem muss ich sagen, mir persönlich geht es so, dass ich, wenn ich vermummte Menschen – wo immer und wie immer sie vermummt sind – sehe, schon alleine die Vermummung als eine Form von Aggression wahrnehme, die ich als eine Beeinträchtigung meines Daseins empfinde. Ich mag Vermummten nicht gegenüberstehen.


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Trotzdem glaube ich, dass man mit diesem Gesetz dieser Problematik nicht in der erforderlichen Weise gerecht wird. Wir haben eine ähnliche Situation auch im Zusammenhang mit § 209. Wenn ich dieses Gesetz jetzt umsetze, dann komme ich damit in die problematische Situation, junge Menschen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger ), Herr Lindinger, zu kriminalisieren, denn ich muss dann irgendetwas tun. So mancher Jugendliche – vielleicht Kollege Maier im Alter von 18 Jahren – hat sich einmal aus Jux und Tollerei bei einer Demonstration (Bundesrat Dr. Maier: Mit Pilz gemeinsam! – Heiterkeit des Bundesrates Dr. Maier ) – mit Pilz gemeinsam – zu einer solchen Aktion hinreißen lassen; ich weiß es nicht.

Zum Zweiten: Wenn dieses Gesetz jetzt existiert, dann ist – so nehme ich an, Herr Minister – die Exekutive angehalten, es auch umzusetzen. Nun ist die Problematik für jeden Veranstalter einer politischen Kundgebung immer, dass von außen, von einer kleinen Gruppe – manchmal links, manchmal rechts – versucht wird, diese Veranstaltung, diese Demonstration zum Kippen zu bringen. Jetzt ist also quasi die Exekutive aufgefordert, das Gesetz durchzusetzen. Wenn sich nun zwei, drei, vier Vermummte im Rahmen einer friedlichen Veranstaltung befinden, dann muss die Exekutive einschreiten (Bundesrat Schöls: Nein, nein! ... nicht genau gelesen!), und es ist dann die Problematik gegeben, dass es zu einer Unruhe kommt. (Bundesrat Schöls: Das ist aber meistens der Fall!) Wieso? (Bundesrat Schöls: Es muss kein Wirbel sein, aber eine Unruhe ist meistens der Fall!)

Wenn Sie als Vorsitzender der Gewerkschaft große Gewerkschaftsdemonstrationen machen, habe ich noch nicht erlebt, dass das ein Anlass zur Unruhe wäre. (Bundesrat Schöls: Unruhe schon! Es ist schon eine Unruhe!) Oder wenn die Bauern am Ring mit den Traktoren auffahren, dann ist das zwar ein Anlass zu Lärm, aber es ist noch immer keine Unruhe. Das verunsichert uns alle nicht. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )  – Herr Kollege Schöls! Tun Sie weiter das, was Sie als Arbeitnehmervertreter tun müssen!

Aber jetzt Spaß beiseite, meine Damen und Herren! Dieses Gesetz kann auch eine Unterstützung von Provokateuren sein, nämlich dann, wenn diese nach dem Gesetz auch zu verurteilen sind.

Meine Damen und Herren! Es wird einen Graubereich der Anwendung geben: einen Graubereich in Bezug darauf, wann ein Kommandant entscheidet, jetzt einzugreifen, und wann nicht. Es ist natürlich auch ein Eingriff in das Bürgerrecht.

Ich bin neugierig – ich weiß nicht, vielleicht gibt es auf diese Frage schon eine Antwort; Herr Gudenus, da sind Sie Experte –, wie die Polizei beim nächsten Ulrichsberg-Treffen vorgehen wird! Die Säbel der Burschenschafter sind auf jeden Fall gefährliche Gegenstände. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. ) Ihre Mützen neigen zu Tarnungen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist Brauchtum!)  – Das ist nicht Brauchtum, das ist eine politische Demonstration! Das Mitführen von gefährlichen Gegenständen, Herr Kollege Böhm – dazu gehören Säbel mit scharfen Klingen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Ich bin kein Burschenschafter, ich sage nur: Es ist Brauchtum!) – Nein, es ist nicht Brauchtum, es können gefährliche Gegenstände sein, und sie sind sicherlich gefährlicher als der von Herrn Kollegen Rosenmaier zitierte Regenschirm.

Darauf bin ich schon neugierig! Vielleicht sollte der Innenminister jetzt schon eine Information an alle Burschenschafter schicken, in der er ihnen mitteilt: Mit euren Degen seid ihr auf den Straßen nicht mehr gerne gesehen. Sonst fallt ihr unter das neue Versammlungsgesetz! – Ich hoffe, dass die Anwendung des Gesetzes hier in derselben Weise erfolgt wie im Bereich der Vermummung. (Bundesrat Manfred Gruber: Und wie war das heute mit den Schützen? – Bundesrat Dr. Böhm: Und was machen Sie mit den Tiroler Schützen? Mit den Salzburger Schützen von heute? Was machen Sie da?)

Ja, das ist ein großes Problem! Die Burschenschafter und die Schützen würde ich in diesem Zusammenhang aber in keiner Weise gleichsetzen, denn die Burschenschafter haben eine politische ... (Bundesrat Dr. Böhm: Mit der Waffe?) – Sie wissen das ganz genau, Herr Kollege Böhm! (Bundesrat Dr. Böhm: Mit der Waffe, wollen Sie behaupten?) Sie wissen das! (Bundesrätin Mag. Trunk: Na, wozu ist denn der Säbel da?!)


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Lassen Sie mich jetzt aber noch zu einem ernsten Punkt kommen. Herr Kollege Schöls! Sie haben als Begründung diesen sehr tragischen Vorfall, bei dem vor ein, zwei Tagen ein Gendarmeriebeamter zu Tode gekommen ist, zitiert. Sie wissen ganz genau: Diesen Exekutivbeamten und so manch anderen Exekutivbeamten kann in Wirklichkeit nur eine Maßnahme schützen, zu der wir uns endlich über alle Fraktionen hinweg verständigen können sollten, nämlich ein generelles Verbot aller privaten Feuerwaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser tragische Fall hat nichts mit einem Versammlungsgesetz und nichts mit einem Vermummungsgesetz zu tun. (Bundesrat Hagen: Herr Kollege! Wissen Sie, wie viele illegale Waffen in Österreich herum...?) Ja, aber einmal muss ich ansetzen, Herr Kollege Hagen! Einmal muss ich ansetzen! Ich kann nicht nur sagen: Lauter illegale Waffen in Österreich! Ich tue nichts! Ich halte mir die Augen und Ohren zu!

Zum anderen, Herr Kollege Hagen, haben Sie unter großem Beifall des Kollegen Böhm, der Sie von seinem Sitzplatz aus ausdrücklich gelobt hat und von einem tollen Beispiel gesprochen hat, die Geschichte aus diesem Stadion erzählt. – Ich bedauere persönlich, dass Sie dort von Fußballfans attackiert wurden – aber ich kenne keine maskierten oder vermummten Fußballfans! Es war immer klar, dass Fußballfans nicht zu den Vermummten gehören. Sie haben also, wenn Sie dies als Begründung dafür heranziehen, dass Sie jetzt ein Vermummungsgesetz brauchen, damit auch das Thema verfehlt! (Bundesrat Hagen: Ich habe noch einen zweiten Fall gebracht!)

Die Stadienordnungen sehen vor, dass jetzt all jenen, die beim Betreten des Stadions gefährliche Dinge mit sich führen, diese abgenommen werden. Warum das jetzt plötzlich als Begründung dafür dienen sollte, ist für mich nicht nachvollziehbar – so bedauerlich das für Sie auch ist. (Bundesrat Hagen: ... ein Beispiel!) Ein Beispiel, aber ein schlechtes Beispiel, Herr Kollege Hagen! (Bundesrat Konecny: Ein schlechtes Beispiel! Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!) . Denn wir reden hier von der Versammlungsfreiheit, und Sie bringen als Beispiel einen Fall, in dem es auf einem Fußballplatz zu Gewaltszenen kam, der damit überhaupt nichts zu tun hat! (Bundesrat Mag. Himmer: ... assoziieren!) Das entzieht sich jeglicher Möglichkeit einer Assoziation. Was soll ich da assoziieren? (Bundesrat Mag. Himmer: Eine ähnliche Szene wie bei einer Demonstration! Das ist auch eine Versammlung!)

Herr Kollege! Ich habe das am Anfang – da waren Sie nicht da – hier ganz eindeutig abgelehnt und genau das, was Sie sagen, auch unterstrichen. Ich befürchte nur, dass die Durchsetzung dieses Gesetzes erhebliche Probleme schafft, Jugendliche unter Umständen kriminalisiert, die dann wieder Fälle für die Bewährungshilfe werden, dass dadurch für sie Möglichkeiten im Arbeitsbereich verloren gehen, dass es zu Unruhen bei friedlichen Demonstrationen kommt.

Das, Herr Kollege Himmer – Sie müssen da schon vorsichtig sein –, habe ich am Anfang gesagt, und zwar ausdrücklich! Ich bitte Sie, das auch zur Kenntnis zu nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. Ich erteile ihm das Wort.

14.42

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn über das Vermummungsverbot gesprochen wird, dann wird über Gewaltbereitschaft gesprochen. Die Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen nimmt seit einigen Jahren – seit einem Jahrzehnt oder auch schon länger – kontinuierlich zu.

Insbesondere gilt dies für die linke Seite (Bundesrat Schennach: Die Skinheads ...?!), die die blau-schwarze Regierung damit an der Öffentlichkeit schlecht zu machen versucht (Bundesrat Konecny: Die braucht man nicht schlecht zu machen, die ist schon schlecht genug!)  – leider mit voller Unterstützung durch die linkslastigen Medien.


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Es haben sogar die Redner aus Ihrer Fraktion bestätigt – und zwar sowohl der erste Redner zu diesem Thema als auch Herr Binna –, dass das kein Mittel der Politik ist, insbesondere wenn man es noch dazu mit Vermummung kombiniert.

Von Februar bis Dezember 2000 hat es 221 zum größten Teil nicht angemeldete Demonstrationen gegeben. Dabei sind 88 Polizeibeamte verletzt worden – bei sieben verletzten Demonstranten. Bei der Demonstration vom 13. April sind, so glaube ich, 32 Beamte verletzt worden: durch geworfene Pflastersteine, Ketten, Eisenstangen, genagelte Latten.

Meine Damen und Herren! Wer solche Waffen in einer politischen Auseinandersetzung gebraucht – eine Demonstration ist eine politische Auseinandersetzung –, der nimmt Tötung in Kauf, und das ist Mordabsicht! Gebraucht wurden diese Mordinstrumente gegen die Polizei, und damit will man die staatliche Ordnung treffen. – Gebraucht wurden sie interessanterweise nicht gegen die Adressaten der Demonstration. – Wenn man gegen die Polizei, gegen die staatliche Ordnung auftritt, so ist das Ziel die Anarchie, die Basis sozialistischer Umsturz à la Rote Armee Fraktion. Das ist offenbar das, was man dort von den Demonstrationen her will.

Meine Damen und Herren! Der harte Kern sind allemal die Vermummten. Das bestätigen alle Polizeiberichte, und auch international sind diese Beobachtungen gleich lautend: Der Kern der Gewalt sind die Vermummten. – Kommen Sie jetzt bitte nicht, wie es schon angeklungen ist, mit dem Hinweis auf eine Sonnenbrille oder eine Pudelhaube im Winter als Gegenargument. Damit, so glaube ich, schütten Sie nur das Kind mit dem Bade aus. Oder ist das vielleicht der Zweck der oppositionellen Agitation hier?

Vermummung ist bei Faschingsfesten und Faschingsumzügen erwünscht, aber nicht bei politischen Auseinandersetzungen und Willenskundgebungen anlässlich von Demonstrationen. Wer sich vermummt, der will sich und seine schlechte Absicht verbergen! (Bundesrat Weilharter: So ist es!) Leider ist der vermummte Verbrecher nicht nur eine stehende Figur in den Witzseiten von Zeitungen. Der Vermummte ist heute eine stehende Figur bei Bankeinbrüchen, bei Raubüberfällen (Bundesrat Konecny: Das ist aber eher keine politische Demonstration!), bei Vergewaltigungen und bei Autodiebstählen. Dort vermummt man sich! Aber hier – dies zum Unterschied! – vermummen sich Einzelne knapp vor der Tat und legen die Vermummung nachher wieder schnell ab, eben um durch diese Vermummung auf offener Straße nicht als verdächtig aufzufallen.

Bei Demonstrationen hingegen – das ist der große Unterschied, das scheint mir das Wesentliche zu sein – handelt es sich um ein kollektives Vermummen, das, weil es kollektiv praktiziert wird, sehr leicht eskalieren kann. Die Eskalation ist jedes Mal Gewalt – 88 Verletzte im Vorjahr, 32 Verletzte am 13. April dieses Jahres –, und die Verletzten sind Polizisten. Hier hat die Vermummung keine Berechtigung und darf auch nicht toleriert werden, denn hier ist die Vermummung Vorbereitung zu Gewalt und Verbrechen.

Der Exekutive ist in der Anwendung dieses Gesetzes ein, wie ich meine, größerer Spielraum eingeräumt. Das macht dieses Gesetz gleichzeitig zu einem moderaten Gesetz, und das war sicher das Verdienst des Herrn Bundesministers.

Dass gleichzeitig – nicht hier, aber im Nationalrat – von der Opposition gefordert wurde, die Bediensteten der Wachekörper mögen sich mit sichtbaren Namensschildern oder zumindest Dienstnummern öffentlich kennzeichnen, treibt die Heuchelei auf die Spitze (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) und zeigt, auf welcher Seite die Sympathien wirklich stehen. Vielleicht braucht man aber diese Angaben über die Polizisten, um, wie es im Demonstrantenjargon heute heißt (Bundesrat Konecny: Wo verkehren Sie?!), die Leute auch nach Hause begleiten zu können? – Wer das verlangt, sympathisiert nicht nur mit den Gewalttätern, sondern treibt die Heuchelei bis zur Unerträglichkeit auf die Spitze.

Ich glaube, dass ein Vermummungsverbot das Demonstrationsrecht in Zukunft garantiert, denn wenn das Vermummungsverbot nicht verhängt wird, dann wären Demonstrationen irgendwann einmal, wenn sie zu solchen Gewaltszenen führen (Bundesrat Dr. Böhm: Aufzulösen!), aufzu


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lösen, es würde ihnen irgendwann einmal nicht mehr stattzugeben sein. Ein Vermummungsverbot wird die Demonstrationen vielleicht wieder auf das zurückführen, was sie sein sollen: ein legitimes Mittel einer Gruppe von Menschen, von Staatsbürgern – das möchte ich auch einschränkend feststellen: von Staatsbürgern! –, um ein Anliegen vorzubringen, das nicht über politische Mittel auf die Wege gebracht werden kann.

Meine Fraktion begrüßt dieses Gesetz und wird ihm die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. Ich erteile ihm das Wort.

14.48

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Auch ich möchte, wie alle Vorredner, hier ein klares Bekenntnis zur Demonstrations- und Versammlungsfreiheit ablegen.

Die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht in der Demokratie und darf auf keinen Fall geschmälert werden. Tatsache ist – Kollege Lindinger hat das sehr klar erklärt, und es wurde ihm von keinem der hier Anwesenden widersprochen –, dass die Gewaltbereitschaft in den letzten Jahren zugenommen hat. Dies war nicht nur in Österreich so, und ich möchte auch keinerlei Zuordnung zu links oder rechts machen, sondern es hat die Gewaltbereitschaft generell zugenommen. Aus diesen Gründen hat bereits im Jahr 1975 Italien reagiert, im Jahr 1989 die Bundesrepublik Deutschland und im Jahr 2000 Dänemark. Wir sind jetzt der vierte Staat, der darangeht, zu reagieren.

Eine weitere Tatsache blieb ebenfalls unwidersprochen: die Tatsache, dass Vermummung – das hat Kollege Rosenmaier gesagt, das hat aber auch Kollege Schennach erwähnt – in einigen Fällen eine Keimzelle für Gewalthandlungen sein kann.

Hier ist Prävention wichtig und richtig. Wenn Vermummung zu Gewalt führen kann, dann müssen wir friedliche Demonstrationen schützen, damit dieses Grundrecht der Demokratie auch in Zukunft erhalten bleibt. Das halte ich für wichtig.

Wenn wir hier argumentieren, dass Prävention wichtig ist, und die sozialdemokratische Fraktion, aber auch die grüne Fraktion der Ansicht sind, dass man in diesem Fall diese Prävention ablehnen müsse, dann verstehe ich nicht, dass man parallel dazu auf der anderen Seite aber für eine Verschärfung des Waffengesetzes eintritt – wie Kollege Schennach dies hier gefordert hat und wie es laut einer APA-Meldung von heute auch in einem Entschließungsantrag, der in dieser Sitzung noch von Kollegin Schlaffer eingebracht werden soll, verlangt wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen, aber auch von der grünen Fraktion! Da sprechen Sie mit zwei Zungen! Auf der einen Seite ist Prävention aus Ihrer Sicht so wichtig, dass man das Waffengesetz so sehr verschärfen muss, dass es keine Waffen mehr geben darf; auf der anderen Seite darf es Ihrer Meinung nach aber kein Vermummungsverbot bei Demonstrationen geben!

Es kam in einigen Debattenbeiträgen aber auch zum Ausdruck, dass hier etwas verwechselt wird. – Es soll die Vermummung nämlich nicht kriminalisiert werden! Es werden im Gesetz zwei Dinge sehr klar auseinander gehalten: einerseits das Vermummen, andererseits das Mitführen von Gegenständen, die als Waffen verwendet werden können. Ich sage sehr klar und deutlich, dass Zaunlatten, Eisenstangen und Pflastersteine auf einer Demonstration nichts verloren haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Wenn eines von diesen beiden – Vermummung oder das Mitführen von Waffen – zutrifft, handelt es sich um ein Verwaltungsvergehen. Erst dann, wenn beides zusammenkommt, ist ein


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gerichtliches Verfahren möglich, aber auch das erst nach einem Korrektiv, nämlich der Entscheidung der Exekutive darüber, ob eine gerichtliche Anzeige überhaupt notwendig erscheint.

Ich glaube, das sind Voraussetzungen, die durchführbar sind und zum Schutz dienen. Auch das wurde von Kollegen Schöls und von Bundesrat Hagen bereits gesagt: Es geht auch um den Schutz der Exekutive!

Ich halte dieses Gesetz für in der Praxis durchführbar. Bundesräte der sozialdemokratischen Fraktion haben gesagt, und auch Kollege Schennach hat betont, dass auch sie grundsätzlich gegen ein Vermummungsverbot seien, allerdings die Handhabung anders sein sollte. (Widerspruch des Bundesrates Schennach. ) Kollege Schennach! Sie haben gesagt, Sie sind grundsätzlich gegen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Für ein Verbot! Nicht gegen, sondern für ein Verbot!) – Entschuldigung! Das war ein Versprecher von mir. (Bundesrat Schennach: Aber ein gravierender!)  – Sie haben gesagt, Sie sind grundsätzlich gegen die Vermummung, weil Handlungen, die man sonst nicht setzen würde, in vermummtem Zustand gesetzt werden. Sie sind damit grundsätzlich auch für ein Vermummungsverbot – allerdings in anderer Form, so nehme ich an.

Ich halte es für sehr gut und sehr wichtig, in diesem Zusammenhang, wie es von Kollegen Binna angesprochen wurde, ein Konfliktmanagement einzusetzen. Ich halte durchaus auch, wie von der sozialdemokratischen Fraktion vorgeschlagen, eine flexible Lösung (Bundesrat Schennach: Was die Exekutive auch sehr gut macht!) eines Vermummungsverbotes für gut. Nur fürchte ich, dass es in manchen Situationen – und zwar gerade in Situationen, die gefährlich werden könnten, nämlich dann, wenn sich die Situation bei einer Demonstration aufschaukelt und die Demonstration außer Rand und Band geraten würde – sowohl für das Konfliktmanagement als auch für ein Aussprechen eines Vermummungsverbotes leider zu spät ist.

Daher halte ich die in diesem Gesetz vorgesehene Regelung als Präventionsregelung für günstig und werde diesem Beschluss selbstverständlich die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (544/A und 1210/NR sowie 6711/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


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Berichterstatter Engelbert Weilharter:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich gehe davon aus, dass Sie alle ihn gelesen haben, darf daher auf eine inhaltliche Wiedergabe verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. – Bitte.

14.57

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich erklären, warum ich hier wahrscheinlich als Einziger gegen dieses Gesetz stimmen werde, und zwar weil dieses Gesetz unserer Meinung nach doch einige Problematiken aufweist.

Eine der Hauptproblematiken dieses Gesetzes besteht darin, dass es für den Drogenkonsum, der nun festgestellt werden soll, keine Grenzwerte gibt, dass hiefür keine Grenzwerte definiert sind. Das ist insofern problematisch, als es bei anderen Suchtmitteln sehr wohl Grenzwerte gibt. Es gibt zum Beispiel den Grenzwert bei Alkohol; dieser ist im Gesetz eindeutig festgeschrieben. Hier aber führen wir nun praktisch null Komma null Promille ein. Das ist eine Ungleichbehandlung.

Das Zweite ist – lassen Sie mich das auch sagen –, dass wir hier etwas, das wir normalerweise im Straßenverkehr haben, nämlich die Verwaltungsstrafen, in das Strafrecht überführen. Derjenige also, bei dem im Rahmen einer solchen Überprüfung festgestellt wird, dass er Drogen genommen hat, wird nun in das Strafrecht überführt – während wir beim Alkohol ein Verwaltungsvergehen haben, das mit keinen strafrechtlichen Konsequenzen verbunden ist, kein Gerichtsverfahren, keine gerichtliche Verurteilung und dadurch auch keine Vorstrafen. – Hier hingegen wird nach dem Suchtmittelgesetz vorgegangen, das heißt: Gerichtsverfahren, gerichtliche Verurteilung, Vorstrafen.

All das erfolgt vor dem Hintergrund einer doch problematischen Testmethode, die an sich – eine Zwangsblutabnahme – noch keinen Fortschritt in der Verkehrssicherheit bringt. Das Problem bei Drogen ist anders als bei Alkohol: Alkohol baut sich relativ schnell ab, und man kann eine Verkehrsbeeinträchtigung schnell feststellen. Bei Cannabis hingegen wirkt der Konsum drei Stunden lang beeinträchtigend, ist aber über zwölf Stunden lang im Blut feststellbar. Mit dem Testergebnis wird aber keine Aussage darüber getroffen, ob der Mensch, der getestet wurde, als Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt ist oder nicht. Diese Frage können diese Bluttests nicht lösen, aber es wird damit ein Strafverfahren ausgelöst. Dieses Gesetz ermöglicht es darüber hinaus auch, über eine Verordnung Speichel- und Harntests einzuführen.

Meine Damen und Herren! Als jemand, der auch in der Sozialarbeit tätig ist, kann ich nur sagen: Solche Formen der Überprüfung auf Drogenkonsum im Verkehr sind nicht geeignet für ein allgemeines Drogenscreening; dazu bedarf es anderer Mittel und Möglichkeiten. – An sich sind Drogen verboten, und nun führe ich Drogentests ein, gehe dabei aber überhaupt nicht auf die generelle Problematik ein: Ist das jetzt beeinträchtigend oder nicht? Wie weit gehen die Graubereiche dieser Tests, die überhaupt erst im Anlaufen sind? – Gleichzeitig versuche ich aber, über das Straßenverkehrsrecht zu einem Art Drogenscreening zu kommen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Meine Damen und Herren! Da wir fest davon überzeugt sind, dass das die falsche Vorgangsweise ist, werde ich diesem Gesetz nicht die Zustimmung geben. – Danke schön.

15.0


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690. Sitzung / Seite 103

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

15.01

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung des Bundesrates steht heute die Straßenverkehrsordnung – ein Gesetz, das jeden Bürger betrifft, der auf der Straße unterwegs ist.

Es ist sicher unbestritten, meine sehr geehrten Damen und Herren: Sicherheit ist ein Grundrecht des Bürgers. Wenn man die Menschen auf der Straße oder sonstwo fragt, was für sie wichtig ist, so nennen sie die Sicherheit – Sicherheit im privaten und persönlichen Bereich genauso wie Sicherheit im Straßenverkehr.

Die Zunahme des Straßenverkehrs in den nächsten Jahren ist zweifelsohne unbestritten. Wenn man die Gutachten der Fachleute ansieht, erkennt man, dass der Verkehr in den nächsten Jahren insbesondere im Osten von Niederösterreich um das Dreifache zunehmen wird. Ich finde es daher enorm wichtig, dass dieser Weg des Konsenses und des Weitblickes gegangen wird.

Der wichtige Punkt dieses Gesetzes ist zweifelsohne die Drogenproblematik. Ein klares Bekenntnis, meine sehr geehrten Damen und Herren: Drogen haben im Verkehr nichts verloren! Mit Nachdruck stelle ich klar und deutlich fest, dass Bluttests kein Instrument der Drogenfahndung, sondern ein Mittel zur Durchsetzung der Verkehrssicherheit für die Menschen, für die Bürger in unserer Republik Österreich darstellen.

Eine Gleichstellung im Strafausmaß zwischen Drogen und Alkohol ist damit zweifelsohne erreicht.

Ich möchte Kollegen Schennach etwas sagen, denn er hat im Rahmen seiner Wortmeldungen gesagt: Drogen und Alkohol sind in diesem Bereich nicht gleichzustellen. – Man kann sicher nicht Drogen und Alkohol vergleichen, sehr geehrter Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. ) – Sie wissen, dass gerade der Wein ein Kulturgut ist, das in sehr vielen Gebieten – das möchte ich klar und deutlich sagen – die Existenz meiner Berufskollegen, der Bauern, sichert, und dass eine zielführende Entwicklung im Drogenbereich damit sicher in keiner Weise zu vergleichen ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Ram.  – Zwischenrufe bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist ein Skandal, so etwas!)

Abschließend ein persönliches Wort: Es darf in Österreich keine Freigabe von Drogen geben, diese wäre verheerend für die Verkehrssicherheit der Menschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit im Namen der Österreichischen Volkspartei bei all jenen bedanken, die mitgeholfen haben, dass dieses Gesetz Wirklichkeit werden konnte. Ich bedanke mich bei Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, für dieses richtungsweisende und zielführende Gesetz. Bei der Lösung dieser Verkehrsproblematik haben auch ÖAMTC und ARBÖ mitgeholfen. Es war enorm wichtig, diesen Konsens zu erreichen.

Meine Fraktion, die Österreichische Volkspartei, erteilt diesem Gesetz sehr gerne die Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

15.05

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hensler! Ich bin deiner Meinung, nämlich dass der Wein ein Kulturgut ist. Ich bin auch deiner Meinung, dass wir den Wein genießen sollten. Ich bin aber nicht deiner Meinung, dass wir in alkoholisiertem Zustand fahren sollen. (Bundesrat Hensler: Habe ich nicht gesagt!) Und darum geht es in der Verkehrsordnung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Alkohol am Steuer hat im Straßenverkehr nichts verloren! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Immer öfter, tagtäglich hören wir die Horrormeldung: Achtung Autofahrer! Auf der A1 oder auf der A2 oder auf der A3 zwischen Punkt A und Punkt B kommt Ihnen ein Geisterfahrer entgegen! Fahren Sie bitte rechts und überholen Sie nicht! – Ich glaube, diese Meldung lässt jeden zusammenzucken. Genau diese Situation muss entschärft werden.

Bei schweren Verkehrsunfällen der letzten Wochen und Monate hat sich gezeigt, nicht nur Alkoholkonsum und Geschwindigkeitsüberschreitungen waren die Ursache, sondern einer der Auslöser war auch der Konsum von Drogen, wodurch die Verkehrstauglichkeit des Lenkers oder der Lenkerin nicht mehr gegeben war.

Um die Verkehrstauglichkeit feststellen zu können, bedarf es technischer Hilfsmittel. So kann man zum Beispiel Alkoholkonsum mit dem Alkomaten durch Überprüfen der Atemluft mit ziemlicher Sicherheit feststellen, die Geschwindigkeit wird mittels Radar und Laser kontrolliert. Beim Konsum von Drogen wird es schon etwas schwieriger.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird geregelt, dass drei Punkte eingehalten werden: Erstens: Wenn bei einer Verkehrskontrolle die Exekutive feststellt, dass eine Verkehrsuntauglichkeit durch Beeinträchtigung von Drogen gegeben ist, wird der Lenker oder die Lenkerin dem Amtsarzt vorgeführt. Zweitens: Der Amtsarzt wird dann eine klinische Untersuchung durchführen, und wenn auch diese positiv ist, wird der Betroffene einem Bluttest unterzogen. Beim Bluttest kommt es auch darauf an, dass ein Labortest gemacht wird. Erst beim dritten Schritt, dem Labortest, kann man dann mit Sicherheit sagen, welche Drogen in welcher Menge vorhanden sind und vor allem wie hoch der Grad der Beeinträchtigung ist.

Der Bluttest ist deshalb so wichtig, weil es zirka 250 Substanzen nach dem Suchtmittelgesetz gibt, die eine unterschiedliche Wirkung haben. Es gibt – Kollege Schennach hat es heute bereits angesprochen – hiefür keine Grenzwerte. Ich meine, dass man diesbezüglich Grenzwerte bestimmen sollte, dass man vor allem aber auch die Einnahme von Medikamenten beachten muss.

Eine Verweigerung des Bluttests ist mit einem Einbekenntnis der Schuld gleichzusetzen und führt zur Höchststrafe – das ist auch richtig so –, wie beim Alkohol.

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten geben diesem Gesetzentwurf sehr wohl unsere Zustimmung, denn für uns ist die Verkehrssicherheit wichtig, und dazu gehört, dass das Lenken von Fahrzeugen unter Drogeneinfluss unterbunden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Grissemann. – Bitte.

15.10

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Das Lenken eines Fahrzeugs in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand ist zweifelsohne ein gesellschaftliches Phänomen, das seit vielen Jahren zu beobachten ist und das den Gesetzgeber zum Handeln zwingt. Obwohl bereits nach geltender Gesetzeslage verboten, traten immer wieder Beweisprobleme auf, und in diesem Zusammenhang hat man unseren Exekutivorganen früher einiges an Fingerspitzengefühl zugemutet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 104

Sicher, einen Drogenlenker mit zum Beispiel nach Haschischkonsum erweiterten Pupillen – offen wie ein Stadeltor – wird auch ein Laie erkennen, aber viele andere Drogen aus der Hexenküche gewissenloser Suchtgift-Erzeuger und -Dealer sind in ihrer Wirkung nur schwer zu erkennen. Hier wird nicht nur das Fingerspitzengefühl, sondern auch die Schulung unserer Gendarmen und Polizisten notwendig und gefordert sein. Sie sind bei den vorgesehenen drei Stufen der Amtshandlung – wie auch sonst immer – die Ersten und erhalten mit dieser Novelle die notwendige Rückendeckung.

Eine Schwäche dieser Novellierung haben meine Vorredner schon aufgezeigt: Es gibt hier keine Grenzen, keine Grenzwerte. Ich gehe aber davon aus, dass es in einer späteren Novellierung möglich sein wird, diese gesetzlichen Bestimmungen noch zu verbessern. Ich bin allerdings kein Wissenschafter und auch darauf angewiesen, was man mir sagt, was denkbar und möglich ist.

Ich möchte kurz die Ausführungen des Herrn Kollegen Schennach berichtigen. Er hat schon Recht: Das gesamte Prozedere ist vergleichbar mit jenem bei so genannten Alkohol-Sündern. Ich darf aber direkt aus dem Ausschussbericht zitieren, weil es dann klarer ist:

"Ergänzend wird vorgesehen, dass anstatt" – anstatt! – "einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft eine Mitteilung an die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zu erfolgen hat".

Weiter heißt es: "Werden solche angeordnet, muss man sie auch beachten. Lediglich bei Nichtbefolgung" – jetzt kommt es, Herr Kollege Schennach – "erfolgt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes."

Man könnte sagen: eine Entkriminalisierung für – unter Anführungszeichen – "Ersttäter" unter Medikamenteneinfluss. Ich glaube, das ist so gedacht gewesen.

Eine sehr kurze Replik auf die politische Komponente dieser Novelle: Gerade an den verheerenden Auswirkungen von Verkehrsunfällen unter Drogeneinfluss sieht man, dass eine Verharmlosung von Suchtgift in der Gesellschaft nicht hingenommen werden kann.

Da der Suchtgiftkonsum enorm steigt, ist es wenig tröstlich, dass unsere Jugend derzeit weniger Alkohol trinkt. Das ist wenig tröstlich! Noch direkter gesagt: Niemand will den Alkohol verharmlosen, ich erwarte mir aber, dass von eurer Seite – ich spreche hier, bitte, die sozialdemokratische Fraktion und Herrn Schennach an – auch jegliche Verharmlosung von Drogen und Suchtgift unterbleibt; eigentlich sollte das selbstverständlich sein.

Ich hoffe und bin überzeugt davon, dass dieses Gesetz zu noch mehr Sicherheit auf unseren Straßen beiträgt. Es ist erfreulich, dass ein breiter Konsens gefunden wurde – man kann auch einmal Lob aussprechen in Richtung sozialdemokratische Fraktion. (Bundesrätin Schicker: Danke!) Ich würde mich freuen, wenn es sich Herr Kollege Schennach in letzter Sekunde noch anders überlegt.

Wir Freiheitlichen stimmen selbstverständlich zu! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher. – Bitte.

15.14

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz Folgendes festhalten, weil es in dieser Diskussion hauptsächlich um Drogen geht: Niemand sollte glauben, dass das Thema Drogen und Fahrtüchtigkeit mit diesem Gesetz jetzt erledigt ist, aber man kann sich freuen, dass eine Regelung gefunden wurde.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 105

Alkohol ist nach wie vor die Droge Nummer eins, und zwar mit größtem Abstand, gerade was die Verkehrsunfälle anlangt – gefolgt von den Medikamenten. Die Drogen sind erst an dritter Stelle als relativ kleiner Teil anzusetzen. Das heißt in keiner Weise, dass man dieses Thema vernachlässigen sollte. Ich bin auch sehr dafür, dass hier sozusagen gleichgewichtige Regelungen zum Alkohol getroffen werden. Als Betroffenem wäre es mir aber relativ egal, wenn ich in einen Verkehrsunfall verwickelt und niedergefahren werde, ob jemand dem Kulturgut Wein zugesprochen hat oder ob er drogensüchtig ist und unter Drogeneinfluss gefahren ist. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.  – Bundesrätin Schicker: Sicherheit muss gegeben sein!)

Ich denke, dass es insbesondere notwendig ist, gerade in diesem Bereich die Forschung zu intensivieren, um nicht nur zu den Grenzwerten, sondern auch zu den konkreten Auswirkungen Erkenntnisse zu bekommen. Dieses Thema ist weitestgehend unerforscht. Man kann durchaus "cleane" Drogentests, das heißt also einen negativen Blutbefund, einen "cleanen" Harnbefund haben und trotzdem fahruntüchtig sein, weil man zum Beispiel auf Entzug ist – etwa auch bei Psychopharmaka –, weil man einen Flashback hat.

All das ist noch zu untersuchen, und ich denke, dass dieses Thema mit diesem Gesetz noch nicht abgeschlossen sein kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

15.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Ich sehe, es ist eine gerade ausreichende Zahl von Bundesräten hier im Saal, wir können daher abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (707/A und 1211/NR sowie 6712/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Ram übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Thomas Ram: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 106

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

15.18

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der heutigen langen Tagesordnung werde ich wiederum in gewohnter Kürze sprechen.

Ich meine, dass nun ein sehr wesentliches Gesetz zur Beschlussfassung vorliegt, insbesondere da es vorwiegend um jugendliche Lenker geht. Wir wissen, wie sehr junge Leute gerade vom Geschwindigkeitsrausch beeinträchtigt werden. Bedenkt man außerdem, dass – ich sage es jetzt so – die Unsitte immer mehr um sich greift, dass die jüngeren Leute die schwereren Kraftfahrzeuge mit den meisten PS beziehungsweise Kilowatt fahren, dann stellt man fest, dass bei ihnen das Gefahrenrisiko ein Vielfaches ist.

Der wesentliche Beitrag dieses Gesetzes liegt darin, dass die Beobachtung über einen längeren Zeitraum eine Rolle spielt und etwaige Fehlentwicklungen ausgebessert werden können. Es wird sehr viel an den Fahrschulen, an den Autofahrerklubs liegen, und es wird eine Kostenfrage sein; die Ausbildung darf nicht zu teuer werden.

Einen wesentlichen Vorteil aus dieser Regelung könnten die Versicherungen ziehen. Man bedenke, dass derzeit bei vielen Anstalten für Lenker unter 23 Jahren höhere Prämien verrechnet werden. Wenn in diesem Bereich die Schäden, die Unfälle minimiert werden könnten, würden wir uns nicht nur sehr viel menschliches Leid ersparen, sondern es würden auch die volkswirtschaftliche Schäden gesenkt. Gleichzeitig hätten natürlich auch die Konsumenten – sprich: die Jugendlichen – einen Vorteil davon, weil sich die Prämiengestaltung in Zukunft sicherlich wesentlich besser entwickeln könnte.

Alles in allem ist das also ein sinnvolles Gesetz, eine sinnvolle Vorlage, und meine Fraktion wird die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

15.20

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Einführung eines Mehrphasenführerscheins vor. Worum geht es bei diesem Mehrphasenführerschein? – Mangelnde Fahrroutine der Fahranfänger und, wie schon erwähnt, die hohe Risikobereitschaft der Jugendlichen führen immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen. Die Risikobereitschaft der Jugendlichen soll in einer zweiten Ausbildungsphase durch Perfektionsfahrten, Fahrsicherheitstraining und verkehrspsychologische Gespräche entsprechend aufgearbeitet werden.

Ein derartiges Modell wurde schon in Finnland ausprobiert, und erstaunlicherweise hat man dort festgestellt, dass unter den Verkehrstoten fast um die Hälfte weniger Jugendliche zu beklagen sind.

Meine Damen und Herren! Auch ich bin der Meinung, dass sich psychologische Gruppengespräche mit der Jugend bewähren werden. Diese sind sehr wichtig, damit die Jugendlichen ihre Risikobereitschaft etwas ablegen.

Es wird auch wichtig sein, die Fahrpraxis zu erhöhen und ein Fahrsicherheitstraining zu absolvieren. Ich möchte hier noch einmal ansprechen, was ich schon im Ausschuss gesagt habe: Sogar das Schleudertraining auf der Teststrecke in Teesdorf wäre eine gute Möglichkeit, das Fahrverhalten eines Autos besser kennenzulernen, um in Extremsituationen nicht falsche Handlungen oder falsche Akzente zu setzen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 107

Ich denke, es wäre auch für Jugendliche wichtig, speziell im Grenzbereich zu trainieren, damit sie das Gefühl dafür bekommen, was sie in Extremsituationen aus ihrem Auto noch herausholen und was sie noch verhindern können.

In der Nationalratsdebatte wurde auch angesprochen, dass die Führerscheinkosten gesenkt werden sollen beziehungsweise dass die Versicherungen einen Teil der Kosten übernehmen sollen. Auch das kann ich unterstützen, meine Damen und Herren, trotzdem denke ich, dass uns ebenso wie die Gesundheit auch die Sicherheit etwas wert sein soll. Hier dürfen wir keine Kosten und keine Mühe scheuen! (Beifall bei der SPÖ.)

15.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

15.23

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ich möchte nur sehr kurz auf meine beiden Vorredner Bezug nehmen, weil sie beim Mehrphasenführerschein die Kostenfrage angesprochen haben. In der Durchführungsverordnung ist auch vorgesehen, die vorgeschriebene Stundenanzahl für Theorie und Praxis in der Startphase in der Form moderater zu gestalten, dass die Ausbildung inklusive der zweiten Phase in Summe nicht mehr ausmacht und somit nicht mehr Kosten entstehen.

Meine Damen und Herren! Die Kraftfahrorganisationen wie eben ÖAMTC und ARBÖ haben neben den Serviceleistungen, die sie ihren Mitgliedern bieten, natürlich auch das Ziel der Anhebung der Verkehrssicherheit. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat auch viele Aufgaben und das gleiche Ziel, nämlich der Anhebung der Verkehrssicherheit zu dienen.

Die private Versicherungswirtschaft wurde schon angesprochen. Sie hat auch aus verschiedenen Gründen Interesse daran, dass die Verkehrssicherheit steigt und sich letztlich der Blutzoll und die Sachschäden auf den Straßen verringern.

Es wurde auch angesprochen, dass es in der Vergangenheit im Bereich der privaten Versicherungswirtschaft verschiedene Wege und Modelle gegeben hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das Bonus-Malus-System, das eigentlich ursprünglich darauf abgezielt hat, ein Lenkungsinstrument zu sein, dass jene Verkehrsteilnehmer, die keine Schäden verursachen, in einen Bonus, quasi in einen Vorteil kommen.

Die Entwicklung hat die Versicherungswirtschaft leider zu einem anderen Weg gezwungen. Viele Assekuranzen versuchten auch, im Bereich der Haftpflichtversicherung eine höhere Prämie für die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen zu verrechnen, um diesen bewusst zu machen, dass sie statistisch gesehen die größte Risikogruppe im Straßenverkehr sind.

Meine Damen und Herren! Sie wissen auch, dass derzeit zum Beispiel den 18- bis 24-Jährigen von den Versicherungen ein Selbstbehalt, eine Selbstbeteiligung im Schadensfall verrechnet wird. Das dient dem Ziel, den jungen Verkehrsteilnehmern nicht nur vor Augen zu führen, dass sie die große Risikogruppe im Straßenverkehr sind, sondern ihnen auch vor Augen zu führen, welche volkswirtschaftlichen Folgen Verkehrsunfälle nach sich ziehen.

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber gute Rahmenbedingungen wie eben die Straßenverkehrsordnung, das Kraftfahrzeuggesetz, das Führerscheingesetz und vieles mehr geschaffen, um den Blutzoll auf Österreichs Straßen zu senken. Leider spricht jedoch die Realität eine andere Sprache. So lag die Zahl der Verunfallten im Jahr 2000 bei 54 929, 976 davon verunglückten tödlich. 30 Prozent von den 54 929 Verunfallten im Jahr 2000 auf Österreichs Straßen waren junge Menschen in der besagten Altersgruppe, also zwischen 15 und 24 Jahre alt. 25 Prozent, das heißt jeder vierte tödlich Verunfallte gehörte auch der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren an.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 108

Werte Damen und Herren! Das ist nicht nur eine traurige Statistik, sondern auch eine mahnende Bilanz. Sie sagt aus, dass die Bemühungen der Kraftfahrorganisationen, des Kuratoriums, der privaten Versicherungswirtschaft und des Gesetzgebers in diesem Bereich ihr Ziel nicht erreicht haben.

Meine Damen und Herren! Ich danke daher unserem Verkehrsminister Mathias Reichhold und allen Damen und Herren der gesetzgebenden Körperschaften dafür, dass sie nicht resignieren, sondern dass sie ihre Bemühungen fortsetzen, um der Anhebung der Sicherheit auf Österreichs Straßen weiter Vorschub zu leisten.

Meine Damen und Herren! Der so genannte Mehrphasenführerschein mit der verkehrspsychologischen Begleitung und Betreuung, mit der Möglichkeit, Erfahrung und Routine zu sammeln und sich anzueignen, ist daher, wie ich meine, der richtige und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um dem Blutzoll auf Österreichs Straßen entgegenzuwirken.

Ich bin außerdem sehr froh darüber, dass den Mehrphasenführerschein betreffend in weiten Bereichen Parteienkonsens in diesem Hause herrscht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

15.28


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 109

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zur Änderung des Protokolls über Privilegien und Immunitäten der Europäischen Fernmeldesatellitenorganisation (EUTELSAT) (1001 und 1208/NR sowie 6713/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Abkommen betreffend EUTELSAT.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Weilharter übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zur Änderung des Protokolls über Privilegien und Immunitäten der Europäischen Fernmeldesatellitenorganisation (EUTELSAT).

Der Ausschussbericht liegt in schriftlicher Form vor, und ich nehme an, dass Sie ihn gelesen haben. Ich darf daher auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung und teile Ihren Optimismus, Herr Kollege, dass alle den Bericht gelesen haben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

15.30

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Gesetz handelt es sich um eine reine EU-Anpassung. Nachdem ich festgestellt habe, dass ich der einzige Redner zu diesem Tagesordnungspunkt bin, werde ich mich kurz fassen.

Wir Sozialdemokraten stimmen dieser Gesetzesvorlage natürlich zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

15.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Herr Berichterstatter! Wünschen Sie das Wort? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert wird (234/A und 1257/NR sowie 6714/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz geändert wird (318/A und 1258/NR sowie 6715/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (Verwaltungsverfahrensnovelle 2002) (1126 und 1259/NR sowie 6716/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz geändert wird, sowie

eine Verwaltungsverfahrensnovelle 2002.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 110

Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Tusek, der die Berichterstattung über die Punkte 11 bis 13 übernommen hat, um die Berichte.

Berichterstatter Mag. Gerhard Tusek: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert wird.

Es handelt sich ausschließlich um Zitierungsanpassungen sowie um redaktionelle Korrekturen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt schriftlich vor, daher beschränke ich mich auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe schließlich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (Verwaltungsverfahrensnovelle 2002).

Auch hier liegt der Bericht schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

15.33

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes findet unsere Zustimmung, weil mit der Übertragung der Personalhoheit vom Bundeskanzleramt auf den Präsidenten des Gerichtshofes eine Vereinfachung stattfindet. – So weit sind wir uns einig, aber ab jetzt scheiden sich die Geister.

Beim Verwaltungsgerichtshofgesetz geht es um die Regelung der so genannten Massenverfahren. Die SPÖ ist grundsätzlich für eine solche Regelung, allerdings meinten wir, dass man das nicht nur für den Verwaltungsgerichtshof, sondern auch gleich für den Verfassungsgerichtshof mitmachen hätte können. Beide Gerichtshöfe haben das schon seit längerem gefordert.

Die uns jetzt vorliegende Regelung ist daher einfachgesetzlich und erscheint uns verfassungswidrig. Die SPÖ hat im Ausschuss Gesprächsbereitschaft angeboten. Von den Regierungsparteien wurde das leider nicht angenommen, denn bei etwas gutem Willen hätte man sicherlich eine gemeinsame Einigung erzielen können. Wir haben es aber heute schon einmal gehört: Da wird einfach "drüber gefahren", das ist Ihr Motto.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 111

Man hätte unserer Meinung nach bereits jetzt die Massenverfahren für beide Gerichtshöfe – eben auch für den Verfassungsgerichtshof – mitregeln können, aber das wollen Sie anscheinend nicht.

Es hat zwar eine Zusage gegeben, dass all das gemeinsam im Ausschuss verhandelt werden wird. Diese Zusage wurde aber seitens der ÖVP zurückgezogen. Auch der Zeitpunkt, wann diese Zurückziehung stattgefunden hat, ist interessant, und zwar als der Verfassungsgerichtshof sein Erkenntnis über die Pensionsreform kundgetan hat. Dieses Erkenntnis war nicht schmeichelhaft für Sie als Bastler dieses Gesetzes, und daher haben Sie sofort mit einer Bestrafungsaktion geantwortet. Das heißt, der Verwaltungsgerichtshof bekommt bessere Rahmenbedingungen, der Verfassungsgerichtshof muss noch warten. Oder anders gesagt: Wenn Ihnen die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs wieder passen, dann wird auch das geregelt werden. Das kann aber bei der Schludrigkeit, wie zurzeit die Gesetze gemacht werden, noch relativ lange dauern.

Im dritten uns heute vorliegenden Gesetzentwurf geht es um mehr Geld für den Finanzminister, nämlich um die Erhöhung des Betrags, der für Organstrafverfügungen zu zahlen ist. Sie haben sich sehr viel Mühe gemacht, das zu verschleiern, und sind dann auf die Verwaltungsreform und Verwaltungsvereinfachung zu sprechen gekommen. Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern auch zu erklären versucht, dass nichts teurer wird. Genau das ist eine bewusste Fehlinformation. Es geht natürlich um Mehreinnahmen in Millionenhöhe. Sie führen das auch in Ihrer Regierungsvorlage an. Es sind rund 14,4 Millionen € – nach alter Währung 198 Millionen Schilling –, angeführt als "Mehreinnahmen". Sie nennen das jetzt Einsparung und Verwaltungsvereinfachung. – Ich sage Ihnen: Das zahlt der Bürger. Da wird nichts eingespart, da wird einfach bei den Bürgerinnen und Bürgern abgecasht.

Wenn Sie den Satz der Organstrafverfügung von 72 € auf 218 € anheben, dann ist das eine Verdreifachung des Strafrahmens. Möglichst schnell und möglichst viel Geld vom Bürger – das scheint Ihre Maxime zu sein.

Meine Damen und Herren! Da machen wir nicht mit, das müssen Sie schon alleine verantworten! (Beifall bei der SPÖ.)

15.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

15.38

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kraml hat, wie das auch aus den Materialien des Nationalrates schon bekannt war, darauf hingewiesen, dass er gegen die Regelung für den Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst nichts einzuwenden habe; weil aber offenbar ein Junktim nicht zustande kam – das kann man wohl so formulieren –, findet das nun keine Zustimmung mehr. Sie müssen selbst beurteilen, wie hilfreich es für den Verwaltungsgerichtshof ist, Entlastung für ihn von anderen Sachverhalten abhängig zu machen.

Nicht so kommentarlos stehen lassen kann ich die Mutmaßung, der Verfassungsgerichtshof müsse auf eine gleichartige Entlastung warten, weil er sozusagen zuerst gefügig gemacht werden müsse. Seine Entscheidungen missfielen der Regierung, und daher werde er sozusagen durch Verweigerung von Gewährung von Arbeitserleichterung bestraft.

Jetzt lasse ich einmal die Inkonsequenz dieser Gedankenführung beiseite, denn wenn das so richtig ist, dann wäre ein überlasteter Gerichtshof, der nicht oder lange Zeit nicht in der Lage ist, Erkenntnisse zu fällen, geradezu eine Arbeitserleichterung für die Bundesregierung. Also die Gedankenführung ist unter diesem Gesichtspunkt in sich schon nicht logisch, wenngleich sie nicht zum Maßstab genommen werden soll. Aber dass man Erleichterungen für den Gerichtshof von seinem Wohlverhalten abhängig mache, halte ich für eine rechtspolitisch bedeutsame Unterstellung, die ich hier mit allem Nachdruck zurückweisen muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 112

Hinsichtlich des Verwaltungsgerichtshofes möchte ich ein für die Länderkammer durchaus relevantes Thema zur Sprache bringen, wenngleich es mit der konkreten Regelung nichts zu tun hat. Die Bundesverfassung kennt einen Programmsatz, wonach ein Viertel der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes aus Berufsstellungen der Länder, konkret der Landesverwaltungen, kommen soll. Das ist in der Praxis bei weitem nicht erreicht. Das hat auch verschiedene Gründe, die in den Ländern selbst zu suchen sind. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der besonderen Art der Reisekostenvergütung für jene Mitglieder, die nicht ohnedies schon in Wien wohnen. Dazu gibt es auch entsprechende Gesetzesvorstöße aus dem Bundesrat heraus, mitgetragen von der Landeshauptleutekonferenz.

In letzter Zeit ist ein neuer Gesichtspunkt aufgetreten, wie man den Länderanteil im Verwaltungsgerichtshof erhöhen könnte, indem man nämlich das faktisch bestehende Wohnsitzgebot für Wien lockert. Heute ist es so, dass der Gerichtshof selbst davon ausgeht, dass jeder seiner Richter in Wien seinen Wohnsitz nimmt. Das ist natürlich für Leute aus den Bundesländern nicht ganz einfach. Heutzutage bietet jedoch die technische Entwicklung, insbesondere die neue Form der Kommunikation über große Entfernungen hinweg – Workflow-Programme und dergleichen mehr –, durchaus die Möglichkeit, wesentliche Teile der Arbeit auch disloziert zu erledigen, wie das in großen Wirtschaftsunternehmen, aber auch in der Verwaltung selbst schon der Fall ist.

Daher wäre die Anregung zu prüfen, ob dieses Wohnsitzgebot nicht gelockert werden könnte. Damit würde auch als Nebeneffekt die Raumnot beim Gerichtshof etwas beseitigt, wenn nicht mehr so viel Raum für ständig anwesende Hofräte und sonstige Mitarbeiter bereitgehalten werden muss. – Dies nur als Anregung. Vielleicht haben wir in späterer Folge einmal Gelegenheit dazu, das in passender Weise wieder mit einer Initiative aus dem Bundesrat heraus zu begleiten.

Herr Kollege Kraml hat schließlich das fortgeführt, was schon die Diskussion um die Reform des Verwaltungsstrafrechtes im Nationalrat begleitet hat, nämlich ein offenbar bewusstes Missverstehen-Wollen der Intentionen dieser Regelung. Er hat zwar präzis davon gesprochen, dass nur der Strafrahmen erhöht werde; das geschieht aber nicht deswegen, um den einzusparenden Betrag bei den Leuten zu kassieren, sondern weil man die Strafabteilungen der Bezirkshauptmannschaften von Verwaltungsstrafverfahren dadurch entlasten will, dass Organmandate jetzt mit einem höheren Geldbetrag eingehoben werden können als bisher. Das heißt nicht, dass der Bürger mehr zahlen muss, sondern der Beamte hat die Möglichkeit, auch bei mit höheren Strafen belegten Delikten – insbesondere wird das natürlich im Verkehrsgeschehen der Fall sein – das an Ort und Stelle zu erledigen, ohne eine Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft machen zu müssen, und ohne dass dort ein verwaltungsaufwändiger Arbeitsprozess abläuft.

In dieser Rationalisierung, dass nämlich die Strafabteilungen von solchen vielfach auch Bagatellverfahren entlastet werden, liegt ein ganz erhebliches Einsparungspotenzial, das übrigens gar nicht die Bundesregierung berechnet hat, sondern die Zuständigen in den Landesregierungen und bei den Bezirkshauptmannschaften gemacht haben. Sie haben dem Bund gesagt: Wir hätten hier ein Einsparungspotenzial, das lukriert werden kann, wenn man flexiblere Möglichkeiten schafft, wie man es vorher schon in einem anderen Schritt gemacht hat, nämlich dass nicht ein Verwaltungsorgan – im Gegensatz zu einem Exekutivorgan – auch bei kleineren Vergehen sofort ein Verwaltungsstrafverfahren einleiten muss.

Es gibt jetzt schon die Möglichkeit, dass bei solch geringfügigen Delikten von vornherein von einer Anzeige – unter ganz bestimmten rechtsstaatlichen Voraussetzungen natürlich – abgesehen werden kann, so wie ein Exekutivorgan das schon immer konnte, indem es etwa von der Möglichkeit der Ermahnung anstelle einer Strafanzeige oder eines Organmandates Gebrauch gemacht hat.

Insgesamt gesehen ist das also unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsreform ein großer Fortschritt, der hier über Anregung der Länder und im Einvernehmen mit den Ländern erzielt wird. Ich denke, man sollte die Bürger nicht kopfscheu machen und eine Rationalisierungs


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maßnahme bei der Behörde mit Mehrbelastung für die Bürger gleichsetzen. Wenn wir diesen Maßstab an alle Reformüberlegungen anlegen würden, dann hätten wir bei jeder einzelnen Maßnahme vermutlich auch Bevölkerungsgruppen, denen wir dahin gehend Sorgen bereiten könnten, dass sie die Leidtragenden wären. – Im Gegenteil! Nicht nur als Steuerzahler, sondern auch als Bürger haben sie einen Vorteil, wenn sie nicht einem langwierigen Verwaltungsstrafverfahren ausgesetzt sind, sondern wenn das an Ort und Stelle auf der Straße oder auf dem Parkplatz geregelt werden kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor ich Herrn Professor Böhm bitte, das Wort zu ergreifen, darf ich Folgendes sagen: Ich glaube, die Temperatur im Saal ist recht hoch. Wir haben zwar schon darum ersucht, dass die Klimaanlage etwas kühler eingestellt wird. Ich denke, das hat nicht wirklich funktioniert. Wer immer sein Sakko ausziehen möchte, dem steht es frei, das zu tun. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

15.45

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit der vorliegenden Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes wird eine bahnbrechende Reform beschlossen. In Zukunft sollen nämlich alle letztinstanzlichen Verwaltungsverfahren unterbrochen werden, sofern der Verwaltungsgerichtshof verlautbart, kundtut, dass vor ihm eine bestimmte Rechtsvorschrift betreffende Massenverfahren zu erwarten sind. Ich denke da etwa an steuerrechtliche Probleme.

Damit wären zwei Verfahrensziele zugleich erreicht: Zum einen haben dann die zuständigen Verwaltungsbehörden die bei ihnen noch anhängigen Verfahren im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes zu erledigen, zum anderen erübrigen sich dadurch parallele, ja möglicherweise massenhafte Beschwerden betroffener Bürger beim Verwaltungsgerichtshof. All das dient nicht nur dessen gebotener Entlastung, sondern auch dem optimalen Verfahrensergebnis im Sinne der Rechtsstaatlichkeit. Es nützt damit vor allem auch dem Recht suchenden Bürger, der innerhalb einer vertretbaren Verfahrensdauer einen rechtsrichtigen Bescheid erlangt.

Mit den Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion bedauere auch ich es an und für sich, dass wir heute nicht auch eine vergleichbare Regelung in Bezug auf den Verfassungsgerichtshof beschließen können. Dazu hätte es allerdings einer Verfassungsänderung bedurft, für die wir im Nationalrat noch keine Mehrheit gefunden haben; das ist nämlich an unsachliche Junktimforderungen geknüpft worden.

Wie mein Vorredner Vizepräsident Weiss möchte auch ich nachdrücklich die Unterstellung zurückweisen, dass es da um irgendeine Sanktionierung des Verfassungsgerichtshofes gegangen sein sollte. – Nein! Es hätte einer Verfassungsänderung bedurft, die wir derzeit noch nicht konsensual zustande gebracht haben.

Entgegen der Rechtsansicht der Opposition bedarf es hingegen nach meiner Überzeugung zur Änderung des vorliegenden Verwaltungsgerichtshofgesetzes keiner Verfassungsänderung – das nicht nur deshalb, weil es formell bloß um die Novellierung einfacher Gesetze – des AVG einerseits und des VwGH-Gesetzes andererseits – geht, sondern auch sachlich deshalb, weil aus den bereits ausgeführten Gründen die Unterbrechung der anhängigen Verwaltungsverfahren keine Verkürzung des Bürgers in seinem Rechtsschutzanspruch, sondern, recht besehen, ganz im Gegenteil eine Verbesserung in qualitativer und zeitlicher Perspektive bedeutet.

Schließlich ist auch die Verwaltungsverfahrensnovelle 2002 zu begrüßen. Durch die Anhebung der Höchstbeträge für Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organstrafverfügungen sowie die Herabsetzung der Altersgrenze für jugendliche Täter auf die Vollendung des 18. Lebensjahres wird der Anwendungsbereich der abgekürzten Verfahren erweitert – das hat auch


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Herr Vizepräsident Weiss schon entsprechend ausgeführt – und damit eine erhebliche Entlastung der Verwaltungsstrafbehörden erzielt.

Von einer Verteuerung für den Bürger kann keine Rede sein – abgesehen davon, dass ich den Preis für eine Ware und eine Strafgebühr, also eine Strafsanktion, nicht auf eine Ebene stellen würde. Zugleich wird damit auch die Grundlage für eine Ausdehnung des Überprüfungsbereiches der Unabhängigen Verwaltungssenate geschaffen.

Meine Fraktion wird daher den drei Gesetzesvorlagen gerne ihre Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (Verwaltungsverfahrensnovelle 2002).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (1134 und 1224/NR sowie 6697 und 6717/BR der Beilagen)


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15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (1225/NR sowie 6718/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 14 und 15 hat Herr Bundesrat Saller übernommen. Ich bitte um die Berichte.

Berichterstatter Josef Saller: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich werde daher den Bericht nicht verlesen.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor. Ich kann daher auf die Verlesung verzichten.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Auer. – Bitte.

15.54

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Universitäts-Studiengesetz mit all seinen Änderungen, welche im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung sowie in der Nationalratssitzung ausgiebigst diskutiert wurden, findet auch heute die Zustimmung unserer Fraktion, weshalb ich mich mit diesem Tagesordnungspunkt nicht näher zu beschäftigen brauche.

Nicht zustimmen werden wir von der SPÖ jedoch dem Universitätsgesetz 2002, denn all jene Botschaften, die Sie, Frau Bildungsministerin Gehrer, uns bei dieser Uni-Reform übermitteln wollten, haben ihr Ziel nicht erreicht, weil sie unumsetzbar waren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Erste Botschaft: Autonomie. – Ich zitiere Rektorenchef Winckler: Wir sehen ein politisches Gängelband, das hat es seit 1365 an der Uni Wien nicht mehr gegeben. – Zitatende. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Böhm und Giesinger. )

Zweite Botschaft: Verantwortung. – Damit verbinden Sie einen breitflächigen Abbau von Mitbestimmung und Demokratie.

Dritte Botschaft: Weltklasse. – Diese wollen Sie, geschätzte Frau Ministerin, dadurch erreichen, in dem Sie sich an das europäische Mittelmaß anpassen.

Vierte Botschaft: Meilensteine. – Bei näherer Betrachtung entpuppen sich diese eher als Hinkelsteine.

Fünfte Botschaft: offene Planung. – Die Planung war so "offen", dass all jene Ideen und Vorschläge, die Ihnen nicht in das Konzept passten, in den unendlichen Weiten von unendlich langen Sitzungen einfach verschwunden sind.

Sechste Botschaft: sichere Finanzierung. – Die Finanzierung ist ein von Ihnen so sicher gehütetes Staatsgeheimnis, dass bis heute niemand weiß, was diese Reform tatsächlich kostet.

Das ist der Hauptvorwurf, den nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch viele Tausende an den österreichischen Universitäten gegen dieses Gesetz erheben. Dieses neue Universitätsgesetz bringt nämlich die Macht einiger weniger – das in einer Zeit, in der die Mitarbeit und das Mitdenken aller notwendiger denn je ist, um im internationalen Wettbewerb des Wissens und der Forschung bestehen zu können.

Bleiben wir bei Demokratie und Mitbestimmung! Alles, was es bisher unterhalb dieser obersten Leitungsorgane gegeben hat, nämlich Fakultätsversammlung und Institutskonferenz, wo die Professorinnen und Professoren, der Mittelbau, die Studierenden und die anderen Universitätsbediensteten vertreten sind, wird einfach abgeschafft.

Eine Ausnahme gibt es, nämlich die Studienkommissionen, in denen die Studentinnen und Studenten zu einem Viertel vertreten sind. Da kann es aber keine Kollegialorgane mit Entscheidungsbefugnis mehr geben. Sie verzichten damit auf das freiwillige Engagement Tausender hoch qualifizierter Wissenschafterinnen und Wissenschafter, und das halten wir für den falschen Weg.

Was Sie uns hier vorlegen, ist mit Sicherheit kein modernes Universitätsgesetz, sondern das Universitätsgesetz 2002 atmet den Geist der Vergangenheit. Das ist die Wiederkehr der alten Ordinarienuniversität, verstaubt und vergangen. Das lehnen wir aus Überzeugung ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen wir zum Universitätsrat und dem parteipolitischen Einfluss, den sich die ÖVP und die FPÖ damit bis weit über ihre Abwahl, nämlich bis in das Jahr 2007 schaffen! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Hier hat nicht die Wissenschaftsministerin – wie ursprünglich vorgesehen –, sondern die FPÖ darauf bestanden, dass die Bundesregierung VertreterInnen entsendet.

Wurde hier nicht dem alten Proporz Genüge getan? Oder können Sie das Zurückdrängen des Parteieneinflusses und das gleichzeitige Einsetzen von 21 oder mehr Vertrauensleuten der FPÖ an die Spitze unserer Universitäten anders definieren?

Es gibt weitere Fakten, die ich hier gerne vorgebracht hätte, das würde aber meine Redezeit sprengen. Deshalb möchte ich abschließend noch einmal sagen: Nein zu diesem Gesetz, weil es nicht zukunftsweisend ist, nein zu diesem Gesetz, weil es vor allem den jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern keine gerechte Chancen für Selbständigkeit und Mitwirkung einräumt und weil es den Studierenden aus der Mittelschicht und aus ärmeren Familien den Zugang zur Universitätsbildung erschwert. Nein zu diesem Gesetz, weil die halbverweste Leiche der alten Ordinarienuniversität der sechziger Jahre mit ihren Kasten und Klassen wieder


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belebt (Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Lindinger: Lauter Schlagworte! – Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Wo werden sozial Schwächere benachteiligt? Können Sie das erklären? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) und die Chance versäumt wurde, mit uns gemeinsam ein zukunftsweisendes Konzept für die Universitäten, die Hochschulen und die Forschung zu entwickeln.

Nein zu diesem Gesetz! – Wir halten uns damit für die Zukunft die Möglichkeit offen, nach den nächsten Wahlen entscheidende Verbesserungen vorzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Hedda Kainz, Herbert Würschl, Harald Reisenberger und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1987/J-BR/02)

der Bundesräte Hedda Kainz, Herbert Würschl, Harald Reisenberger und KollegInnen an die Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1988/J-BR/02)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen jetzt zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Hedda Kainz und Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler sowie an die Frau Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Da diese Anfragen inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Hedda Kainz als Antragstellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. (Bundesrat Konecny: Vertritt Morak beide? – Moment, Frau Präsidentin! Wer vertritt die Frau Vizekanzlerin? – Bundesminister Mag. Haupt, der eben den Saal betritt: Ich vertrete sie, aber ich habe übersehen, dass es schon 16 Uhr ist! – Bundesrat Konecny: Sie übersehen mehr, Herr Minister! – Bundesminister Mag. Haupt: Das glaube ich wieder nicht, Herr Professor!)

Frau Kollegin Kainz, Sie haben das Wort.

16.02

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers! Herr Bundesminister in Vertretung der Frau Vizekanzlerin! Wir haben uns zu dieser dringlichen Anfrage im Wissen um die umfangreiche Tagesordnung entschlossen. Herr Kollege Böhm! Sie können mir glauben, in dieser Causa ist Selbstdarstellung der SPÖ absolut nicht angebracht, nicht notwendig. Die Causa an und für sich, diese Groteske, stellt sich für die Koalitionspartner selbst dar. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie mir noch eine Bemerkung zu den Beschäftigten des Hauses erlauben, dann möchte ich auch festhalten, es war nicht meine Fraktion, die das Durchmachen betrieben hat. Wir wollten einen ordentlichen Sitzungsablauf – eine vertretbare Dauer, eine Nachtruhe und eine ordentliche Fortsetzung der Sitzung am morgigen Tag. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir auch die Nacht zur Verfügung stellen werden müssen. Damit sind auch Ihre Bemerkungen in dieser Hinsicht überflüssig und gegenstandslos. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es geht uns in dieser Angelegenheit um die 4,2 Millionen Versicherten beziehungsweise Pensionisten, die diese zusammenzuführende Anstalt in Zukunft zu vertreten hat, und zwar eine Anstalt, die ein Budget von 21 Milliarden Schilling zu verwalten


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hat. Ich denke, dass das, was uns in über 300 Pressemeldungen mitgeteilt wurde – meine Damen und Herren, ich werde sie nicht verlesen, ich möchte Ihnen nicht die Genugtuung geben, zu sagen, wir hätten es doch auf politisches Kleingeld abgesehen –, sowohl den Betroffenen in der Regierung als auch Ihnen ausreichend bekannt ist.

Es sind dies Pressemeldungen, die sich mit der an und für sich seltsamen, grotesken und – wenn es nicht so ernst wäre – komödienhaften Bestellung des Abgeordneten Gaugg beschäftigen ebenso wie mit den Dingen, die sich um seine Person gerankt haben – eine Bestellung, die von vornherein mit derart vielen Fragezeichen und unterschiedlichen Kommentaren versehen war, die sich im Bereich der Koalitionspartner abgespielt haben, meine Damen und Herren!

Die SPÖ-Vertreter haben sich immer klar dagegen ausgesprochen, dass ein Beschäftigter des Hauses in dieser Form bestellt wird, der dann in weiterer Folge auch – ich arbeite es jetzt nicht chronologisch auf –, wenn ich mich richtig erinnere, als die "blaue Live-Kamera" im Rahmen der Pensionsversicherung bezeichnet wurde.

Meine Damen und Herren! Dieser Ausspruch zeugt ganz gravierend von der Unkenntnis der Materie, denn dort geht es nicht um eine politische Kontrollfunktion, sondern um eine Person, die Beschäftigte des Hauses werden sollte und es auch – ebenfalls mit einigen nicht ganz klaren Vorgängen – geworden ist und um die sich jetzt alles rankt, weil offensichtlich die Bedingungen – das ist auch ein Part, den wir in unserer dringlichen Anfrage ansprechen – in Versprechen und Absprachen zwischen den Koalitionspartnern zugesichert wurden, aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht wurde. Denn diese Entscheidung ist keine politische Entscheidung, wie zum Beispiel der Herr Bundeskanzler noch gestern in einem Rundfunkbeitrag gesagt hat. Vom Herrn Westenthaler wird das in der Presse als "Risse in der Koalition" angesprochen, aber wenn ich mich richtig erinnere, hat er die Elastizität der Koalition schon mit sehr viel stärkeren Attributen und Bemerkungen versehen, die bis zum Koalitionskrach gehen, die der Herr Bundeskanzler angeblich nicht gehört hat.

Wenn wir uns all die Dinge vor Augen führen, die in den Pressemeldungen berichtet werden, beginnend mit der grundsätzlichen Bestellung des Herrn Gaugg, wenn wir all die Dinge betrachten, die sich um seinen Sondervertrag gerankt haben, zusammen mit all dem, was die Koalitionspartner jetzt in ihrer Rolle dort an Berechtigung des Mitmachens zu sehen glauben, so ist das geradezu ein Politskandal und keine Groteske mehr. (Beifall der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Abgesehen vom absoluten Verkennen der Rolle des Herrn Gaugg in der Pensionsversicherung – er könnte einem schon fast Leid tun – muss er sich als einer, der eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle gespielt hat, als es darum ging, jemanden in eine Position zu bringen, in der er heute ist, aus der er sich zwischenzeitlich wieder verabschiedet hatte, von diesem Herrn dann auch noch sagen lassen, dass ihm Herr Gaugg jetzt schön langsam auf die Nerven geht.

Es dauert allerdings nicht lange, dann wird dieser Umstand, der zuerst dieses Unbehagen bei Herrn Landeshauptmann Haider ausgelöst hat, wieder dementiert. Es herrscht Einigkeit darüber, Herrn Gaugg mit all den Dingen zu versehen, die er sich in seinem Dienstverhältnis wünscht, und das noch dazu, wie gesagt, kommentiert von Herrn Westenthaler mit der Kontrollfunktion der "blauen Live-Kamera".

Es ist auch die Ausdrucksweise, die an den Tag gelegt wird, angesichts der Materie nicht angebracht. Wenn man Leute, die man durchaus mit unterschiedlichen Attributen versehen kann, als "Lemuren" bezeichnet und die Aussagen schließlich darin gipfeln, dass man daran denkt, ein Rechtsgutachten vorzulegen, wie man die Selbstverwaltung überhaupt ausschalten kann, so ist dies nicht adäquat. In diesem Rechtsgutachten soll es darum gehen, die gesamt Direktion abzusetzen – auch einen Generaldirektor, der noch immer nicht bestellt ist.


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Diese Frage, warum das so ist, kann sich nur in der politischen Beurteilung abspielen, denn wenn ich mich richtig erinnere – ich kenne die Situation im Bereich der Pensionsversicherung nun doch schon seit einigen Jahren, auch schon aus einer Zeit, als Herr Wetscherek noch nicht Generaldirektor war –, hat selbst meine Fraktion an der fachlichen Qualifikation des Herrn Generaldirektors noch nie Kritik geübt. Ich frage mich jetzt, welche Umstände im fachlichen Bereich dazu führen könnten, an seiner Qualifikation zu zweifeln, und wieso man ein Rechtsgutachten braucht, wie man die Bestellung des Herrn Generaldirektors verhindert und die gesamte Selbstverwaltung absetzt.

Meine Damen und Herren! Ich denke, all das sind gravierende Fragen, die durchaus Berechtigung zu dringlichen Anfragen geben, auch wenn Ihnen das anlässlich einer überfrachteten Tagesordnung kurz vor einer so genannten Sommerpause, die im Zusammenhang mit diesem Haus auch nicht ganz unkommentiert geblieben ist, nicht angenehm ist. Dass diese Causa, diese Angelegenheit, die man nicht mehr mit einem Schmunzeln als Politkomödie betrachten kann, sondern als Drama, das diese Republik und die Interessen von 4,2 Millionen Menschen betrifft, Anlass zu dringlichen Anfragen gibt, das müssen Sie uns schon zugestehen. Ich denke, wenn Sie dieses Demokratieverständnis nicht aufbringen können, dann sind alle unsere Befürchtungen im Zusammenhang mit einem Demokratiedefizit noch viel größer, als wir streckenweise annehmen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Ich bitte also, das zur Kenntnis zu nehmen, und erwarte von den beiden Herren eine ausreichende Beantwortung unserer Fragen.

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich zunächst Herr Staatssekretär Franz Morak zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

16.12

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts Ihrer Tagesordnung werde ich mich bemühen, die Fragen, die Sie an den Herrn Bundeskanzler gestellt haben, ausführlich, aber in der nötigen Kürze zu beantworten. Ich möchte aber anlässlich der Anfrage doch die Gelegenheit wahrnehmen, vorweg einige Bemerkungen zu den Reformen der österreichischen Sozialversicherung und des Sozialversicherungswesens zu machen.

Wie Sie alle wissen, bedingt der demographische Wandel in Österreich unabdingbare Reformen im Interesse der Versichertengemeinschaft. Die Auffassung der schon lange überholten und nicht mehr zeitgemäßen Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten ist ein weiteres und vorrangiges sozialpolitisches Ziel dieser Bundesregierung. Nach der schon zu Beginn der Legislaturperiode erfolgten Gleichstellung ist nun die Zusammenlegung der beiden Sozialversicherungsanstalten der logische nächste Schritt in diesem Prozess.

Neben der Vereinheitlichung des Arbeitnehmerbegriffes geht es bei dieser Reform um einen erleichterten Zugang durch Dezentralisierung und damit um das Erreichen von mehr Versichertennähe. Dies erscheint mir gerade aus der Sicht des Föderalismus und einer gelebten Solidarität und Subsidiarität ein erstrebenswertes Ziel zu sein. Der Versicherte wird fortan die Möglichkeit haben, durch die neu eingerichteten Landesstellen in seinem jeweiligen Bundesland alle erforderlichen administrativen Schritte erledigen zu können.

Ein wesentlicher Effekt der Zusammenlegung besteht allerdings im Ersparniseffekt für den Beitragszahler. Der Einsparungseffekt dieser Maßnahmen ist immerhin mit einem Betrag von 25 Millionen € zu veranschlagen. Dies erhöht wiederum den Spielraum für die Pensionen beziehungsweise die sonstigen Leistungen der Anstalten. Auch hier ist der Synergieeffekt nicht zu unterschätzen. Denken Sie etwa an jene Orte in Österreich, in denen beide Anstalten – sowohl die Pensionsversicherung der Angestellten wie auch die Pensionsversicherung der Arbeiter – eigene Kur- und Rehabilitationsanstalten nebeneinander betrieben haben.

Meine Damen und Herren! Wie Sie allein schon aus meinen kursorischen Ausführungen ersehen können, zeigt sich, dass die Zusammenlegung der beiden Anstalten eine sinnvolle Maß


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nahme im Sinne der Versicherten darstellt. Die vorliegende dringliche Anfrage geht deshalb am eigentlichen Thema vorbei (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Bundesrat Reisenberger: Das glauben Sie selbst nicht! – Bundesrat
Konecny: Ein schlechter Redetext!), weil sie nach dem Muster alter politischer Denkschemata (neuerliche lebhafte ironische Heiterkeit bei der SPÖ) den Regeln der politischen Farbenlehre folgt und nicht jener Reformgesinnung, die für die Bundesregierung bei ihren Bestrebungen maßgeblich ist und war. (Bundesrat Reisenberger: Herr Staatssekretär! Das ist keine Faschingssitzung!)

Ich möchte unterstreichen, dass die Regierung die strukturellen Schritte der Reform gesetzt hat und für diese auch in erster Linie verantwortlich ist. Im Sinne einer Autonomie der Selbstverwaltungskörper gehört die Besetzung der Spitzenpositionen nicht zum unmittelbaren Vollzugsbereich der Bundesregierung. (Bundesrat Freiberger: So ist es! – Bundesrat Konecny: Deswegen machen Sie sich jetzt für Gaugg stark!) Was die Wahrnehmung einzelner Aufsichtspflichten anlangt, wird der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen im Anschluss an meine Ausführungen im Detail Stellung nehmen.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, darf ich Ihre Fragen wie folgt beantworten.

Zu Frage 1:

Die Verhandlung, die Bestellung und die Beschlussfassung über die Dienstverträge der Generaldirektoren sind nicht Sache der Bundesregierung. Dem Bundeskanzler ist daher bisher kein Vertragsentwurf, der sich auf Reinhart Gaugg und seine Stellung bei der PVA bezieht, zur Kenntnis gebracht worden. (Ironische Rufe des Erstaunens bei der SPÖ.)

Zu Frage 2:

Es besteht aus der Sicht des Herrn Bundeskanzlers kein Anlass, in die Selbstverwaltung der Pensionsversicherungsanstalt einzugreifen. (Bundesrätin Schicker: Das ist gut so!)

Zu Frage 3:

Generaldirektor Wetscherek wurde vom Überleitungsausschuss mit 24 Stimmen zu einer Stimme zum Generaldirektor der neuen Anstalt bestellt. Dieses eindeutige Stimmverhalten aller Fraktionen zeigt, dass Generaldirektor Wetscherek über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg als Experte gilt. (Bundesrat Konecny: Es gibt doch welche, die das bezweifeln!) Er wird die schwierige Aufgabe der Zusammenführung beider Anstalten sicher erfolgreich bewältigen.

Zu Frage 4:

Die Bundesregierung hat durch die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen großen Schritt im Interesse der Versichertengemeinschaft – wie ich schon oben festgestellt habe – gesetzt. Weitere Zusammenlegungen sind nur dann sinnvoll, wenn es für die Versichertengemeinschaft Verbesserungen bringt.

Zu Frage 5:

Es gibt für die Bestätigung der Wahl durch den Sozialminister keine zeitliche Vorgabe. Die Bestätigung selbst ist im ASVG eindeutig geregelt. (Bundesrat Mag. Hoscher: Genau!) Da der Generaldirektor vom Überleitungsausschuss nach öffentlicher Ausschreibung mit überwältigender Mehrheit gewählt wurde, ist davon auszugehen, dass die Bestätigung durch den zuständigen Bundesminister erfolgen wird. (Bundesrat Freiberger: Wann?)

Zu Frage 6:

Wie ich schon zu Frage 3 ausgeführt habe, ist die Qualifikation Generaldirektor Wetschereks über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten. Generaldirektor Wetscherek ist seit über 30 Jahren


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im Bereich der Sozialversicherung tätig. Die Erfolgsbilanzen der von ihm geführten Häuser können sich sehen lassen.

Zu Frage 7:

Die Bewertung einzelner subjektiver Aussagen fällt nicht in den Vollzugsbereich des Bundeskanzlers. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zu Frage 8:

Ich habe schon bei der Beantwortung der ersten Frage ausgeführt, dass die Verhandlung, Bestellung und Beschlussfassung von Verträgen der Geschäftsführung Sache des Überleitungsausschusses ist. Es liegt daher kein Grund vor, eine Sondersitzung des Ministerrates einzuberufen. Die nächste ordentliche Sitzung des Ministerrates findet am 12. August statt.

Zu Frage 9:

Die Selbstverwaltung ist ein über Jahrzehnte bewährtes System, das wesentlich zum Wohlstand und zur positiven Entwicklung Österreichs beigetragen hat. Die Selbstverwaltung in den Versicherungsträgern hat sich bewährt, und es gibt keinen Anlass, diese in Frage zu stellen. (Bundesrat Freiberger: So ist es! – Bundesrat Kraml: Sie stellen sie dauernd in Frage!)

Zu Frage 10:

Die Präambel zum Regierungsprogramm trägt wesentlich die Handschrift des Herrn Bundeskanzlers und wurde von der gesamten Bundesregierung konsequent zum Maßstab ihrer Politik gemacht. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich erteile nunmehr dem mit der Vertretung der Frau Vizekanzlerin betrauten Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, Herrn Mag. Herbert Haupt, zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

16.19

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Präsidentin! Da der Herr Staatssekretär dankenswerterweise schon eine Reihe von Vorbemerkungen zur vorliegenden dringlichen Anfrage gemacht hat, kann ich ähnliche Vorbemerkungen zu dieser Anfrage heute als erübrigt betrachten, sodass ich direkt in die Beantwortung der Frage eingehe.

Zu Frage 1:

Die Bestellung der Organe der PVA liegt im Bereich der Selbstverwaltung.

Zu den Fragen 2, 3 und 5, zusammengefasst:

Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen bereitet einen Sonderbericht für den Ministerrat am 12. August 2002 vor. Weitere Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich allenfalls notwendig erscheinender Gesetzesinitiativen, werden von diesem Bericht und den Grundlagen der Überprüfungen, die derzeit durch meine Aufsichtsorgane im Gange sind, abhängen.

Zu Frage 4:

Wie im Koalitionsübereinkommen der Regierungsparteien vorgesehen ist, sind Sozialversicherungsträger dann zusammenzulegen, wenn dadurch folgende Kriterien nachweislich erfüllt werden: Effizienz, Senkung der Kosten, andere Synergieeffekte, Wahrung der Bürgernähe und Beibehaltung der Qualität. Die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalt der An


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gestellten und der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter bringt Einsparungen in der Höhe von etwa 10 Prozent des Verwaltungsaufwandes. – Das sind 25,44 Millionen € oder – für die Pensionisten ausgedrückt – 0,1 Prozent des Pensionsaufwandes mehr, der Monat für Monat und Jahr für Jahr zur Verfügung steht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Frage 6:

Ich unterstütze diese Organisationsform selbstverständlich, wenn die Selbstverwaltung ihre Aufgaben im Sinne der Versichertengemeinschaft ordnungsgemäß wahrnimmt.

Zu Frage 7:

In einer Demokratie gilt für jeden die Meinungsfreiheit. (Bundesrat Konecny: Unerhört!)

Zu Frage 8:

Durch umfassende Reform- und Strukturmaßnahmen im Rahmen der erfolgreichen Verwaltungsreformmaßnahmen 2002 wurden weitreichende Einsparungen im Bereiche des öffentlichen Dienstes realisiert. Durch die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten und Mehrfachzuständigkeiten können nunmehr zahlreiche Planstellen ersatzlos gestrichen werden. Vor diesem Hintergrund haben wir für Beamte, die älter als 55 Jahre sind und deren Arbeitsplatz im Rahmen der Verwaltungsreformmaßnahmen aufgelassen wurde, für die weiters keine andere Beschäftigungsmöglichkeit im Bundesdienst besteht, die so genannte "Chance 55" entwickelt. Sie ist seit Anfang dieses Jahres in Kraft. Sie wurde in den Ressorts mit Interesse zur Kenntnis genommen. Die einzelnen Reorganisationsmaßnahmen sind aber erst im Ausarbeitungsstadium und noch nicht vollständig umgesetzt, so dass ich keine konkreten Zahlen nennen kann.

Zu Frage 9:

Der Kompetenzbereich des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport umfasst als einen seiner zentralen Punkte die allgemeinen Personalangelegenheiten von öffentlichen Bediensteten, wozu insbesondere Maßnahmen im Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht zählen. Die Gestaltung des Dienst- und Besoldungsrechts der Bediensteten in den Sozialversicherungen zählt nicht zu den Kompetenzen.

Zur Frage 10:

Ich vertrete verfassungsgemäß die Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport und nicht die Bundesparteiobfrau. Fragen an die Vizekanzlerin in ihrer Funktion als Bundesparteiobfrau unterliegen nicht dem Interpellationsrecht.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Würschl. – Bitte.

16.23

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal zum "FPÖ-Nimmersatt": Rund 10 000 € pro Monat, 30 Jahre – also bis zum 18. Lebensjahr zurückgehend – Anrechnung als Vordienstzeit (Bundesrätin Haunschmid: Mein Gott, Herr Kollege Würschl!), keine Dienstprüfung und 20 Prozent Gehaltsaufstockung, wenn dieser Herr "FPÖ-Nimmersatt" auf seine Pension verzichten sollte, auf die er in Wirklichkeit sowieso keinen Anspruch hätte. (Beifall bei der SPÖ. – Einige Bundesräte der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen Plakate der Freiheitlichen zu sehen sind, die die Aufschrift "Schluss mit den


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Privilegien" tragen und auf denen durchgestrichene, mit Münzen gefüllte Hände abgebildet sind. – Bundesrat Dr. Aspöck: Und sowas in roten Händen! Das ist ja zum Lachen!)

Vorerst einmal zum PVA-Pensionsverzicht. Herr Gaugg war in Klagenfurt von 1991 bis zum Jahr 1997 Vizebürgermeister. Das sind rund sechs Jahre. Er war früher Gemeinderat und etwa ein Jahr im Landtag, das sind also "schwindlige" acht, neun Jahre. Herrn Gaugg wurde mit dieser Zeit gleich ein voller Pensionsanspruch gewährt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es für mich nicht beantworten, aber die Regierungsvertreter können es durchaus versuchen (Bundesrat Weilharter: Schlag nach bei Viktor Klima!): Wie ist es möglich, dass man bei einem derart kurzen Beitragszeitraum einen vollen Pensionsanspruch erwirbt und dann noch die Frechheit hat, zu sagen, man verzichtet auf diese Pension? (Bundesrat Weilharter: Fragen Sie Klima!) – Und das, obwohl Herr Gaugg in Wirklichkeit keinen Anspruch auf diese Pension hätte, weil er nämlich im politischen Bereich voll pensionsberechtigt ist!

Geschätzte Damen und Herren! Herr Gaugg findet heute in Wirklichkeit eine recht passable Position vor: Er kämpft zwar als "Privilegienritter" für eine weitere Erhöhung seiner Gehälter in der PVA, ist aber insofern in keiner schlechten Situation, als er weiterhin im Nationalrat sitzt, obwohl das einige von Ihnen nicht wollen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm ), dort etwa 7 500 € kassiert und weiterhin rund 5 000 € in der Pensionsversicherung erhält.

Geschätzte Damen und Herren! Das ist ein Gehalt von rund 12 500 € – über 170 000 S – im Monat für Herrn Gaugg, der die Handelsakademie abgebrochen hat. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das ist schon unterste Schublade!) Darum will er auch nicht viel von einer Dienstprüfung hören, denn in der Handelsakademie hat er auch Prüfungen abzulegen gehabt, war nicht erfolgreich und hat dann die Handelsschule besucht. Deshalb ist es vielleicht auch verständlich, warum Herr Gaugg keine Dienstprüfung ablegen will. (Empörter Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Aspöck: Unterste Schublade!)

Der FPÖ-Abkassierer Gaugg soll aber nicht weiter in meinen Überlegungen Platz greifen. Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte – oder nicht geschätzte – Regierungsvertreter! In meinen Augen ist diese Sache kein "Skandal Gaugg", sondern diese Sache ist ein Skandal dieser ÖVP/FPÖ-Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist ja reine ..., was Sie da betreiben!)

Ich bin darüber erschüttert, wie die Regierungsvertreter hier die Fragen zu beantworten versuchen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben es versucht (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann ), aber es war sehr unbefriedigend für uns. Ich denke, auch wenn der Herr Bundeskanzler hier wäre, wäre das für uns nicht besser ausgefallen. Ich habe gesagt "der Herr Bundeskanzler", ich meine aber den Parteiobmann der drittstärksten Partei.

Es ist nicht nur ein Skandal der ÖVP und der FPÖ, sondern auch ein Skandal der Postenschacher-Organisation des Herrn Jenewein. Dieser Organisation, diesem Betrieb gehört schleunigst die Lizenz der Berufsbranche entzogen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ist das eine Drohung?) – Nein, wir Sozialdemokraten drohen nicht. (Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Bundesrates Dr. Nittmann: Das "-demokraten" können Sie gleich weglassen! Das sind höchstens Sozialisten!) Die Postenschacherorganisation Jenewein möchte ich nochmals erwähnen. (Heftige Rufe und Gegenrufe zwischen allen Parteien. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen. – Bundesrates Dr. Nittmann: Ein roter Parteisekretär, der ...!)

Frau Dr. Wentner, eine sehr angesehene Frau im Bereich des Personalberatungsunternehmens Wentner & Havranek hat nämlich wörtlich davon gesprochen, dass es eine Schande sei, was diese Firma Jenewein hier produziert hat. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme jetzt gleich auf den 14. Mai 2002 zu sprechen, von dem die Herren nichts wissen wollen, von Herrn Haupt angefangen, der meint, er sei dort einmal irgendwo vorbeigekommen. (Bundesrätin Haunschmid: Er ist noch immer Minister! – Bundesrat Konecny  – in Richtung Freiheitliche –: Wieso wissen Sie mehr als wir?)


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Da ist im FPÖ-Parlamentsklub, bevor die Firma Jenewein ihr Urteil abgegeben hat, "ausgepackelt" worden, wer drankommt, und es wurde "ausgepackelt", dass es der Handelsschüler Gaugg aus Klagenfurt sein soll. (Bundesrätin Haunschmid: Ein bisschen mehr Respekt, bitte!) Das hat mich auch dazu veranlasst, bei der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung in dieser Causa einzubringen. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie haben eine skandalöse Diktion! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Es interessiert mich auch die Frage, die noch offen ist, die aber die Staatsanwaltschaft sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten beantworten wird, was nämlich dort am 14. Mai noch "ausgepackelt" worden ist. Ich habe gehört, dass Herr Dr. Graf, Nationalrat der Freiheitlichen Partei, gewisse Geschäfte in Zusammenhang mit der Pensionsversicherungsanstalt abwickeln will. Wir hoffen doch, diese Fragen von der Staatsanwaltschaft beantwortet zu bekommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Hat der auch schon Berufsverbot?)

Letzter Punkt: Auch der 18. Juli war für uns Sozialdemokraten ein sehr interessanter Tag. Am 18. Juli hat es offensichtlich einen "Überläufer" gegeben. (Bundesrat Dr. Böhm: Die Diktion!) Ich weiß nicht, ob es einer aus dieser Reichshälfte war oder von hier. (Der Redner weist zuerst auf die Reihen der ÖVP, dann auf die der Freiheitlichen.) Jedenfalls hat jemand aus dieser Regierungskoalition mit uns Sozialdemokraten gestimmt (Bundesrat Dr. Nittmann: Sozialisten!), und das freut uns ganz besonders.

Was mich aber stört, Herr Bundesminister Haupt: Sie drohen genau so wie Herr Landeshauptmann Haider aus Kärnten oder Herr Westenthaler (Bundesrat Grissemann: Drohen tun Sie!), dass Leute in die Wüste geschickt werden, dass Leute abserviert werden sollen (Bundesrat Gasteiger: In die Wüste Gobi!), dass Leute – richtig! – in der Wüste Gobi spazieren gehen sollen. Lange habt ihr ohnedies nicht mehr Zeit. Die Nationalratswahlen sind relativ bald, und dann wird die Tätigkeit dieser unglückseligen Regierung beendet sein. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wunschdenken! – Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister Haupt! Als Mitglied des Bundesrates hätte ich eine dringende Bitte an Sie – ich glaube, andere auch –: Sie haben als Bundesminister die Aufgabe, Aufsichtsorgan der Pensionsversicherungsanstalt zu sein. (Bundesrätin Haunschmid: Der Würschl kommt sich so gut vor!) In Wirklichkeit, Herr Haupt, sind Sie nicht Minister, sondern ein Postenvermittler für Herrn Gaugg. Sie sollten sich endlich bemühen, Ihren Aufgaben als Minister nachzukommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend möchte ich erwähnen, dass es für mich sehr erfreulich war, dass in der Anfragebeantwortung des Herrn Morak festgestellt wurde, dass Herr Schüssel, der Parteiobmann der drittstärksten Partei, keine Ahnung von dieser Postenschieberei hatte. – Das lässt darauf schließen, dass Herr Dr. Haider aus Kärnten in aller Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt hat. Das ist für mich sehr vielsagend. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

16.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Mag. Haupt das Wort. – Bitte.

16.32

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich möchte Kollegen Würschl nur zwei Dinge zur Kenntnis bringen. Herr Kollege Würschl! Erstens sollten Sie wissen, dass am 8. Juli in der Überleitungsausschusssitzung, in der es um den ersten Vertrag des Kollegen Gaugg gegangen ist, Herr Abgeordneter Dr. Graf in dessen Namen klar und deutlich deponiert hat, dass Herr Abgeordneter Gaugg als Dienstnehmer die Dienstprüfung selbstverständlich ablegen wird. (Bundesrat Kraml: Wann macht er die?)

Ich halte es daher nicht für zulässig, dass von Damen und Herren aus dem Kreise des Überleitungsausschusses seit diesem Termin, zu dem klar und deutlich mitgeteilt wurde, dass


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Kollege Gaugg die Dienstprüfung ablegen wird, kontinuierlich andere und abweichende Meinungen in der Öffentlichkeit kolportiert werden. (Bundesrat Boden: Aber wann? – Bundesrätin Kainz: Nach Ablauf der Befristung!) Es müsste für alle, die an der Sitzung teilgenommen haben, seit diesem Tag klar sein, dass die Sachlage eindeutig und rechtsverbindlich ist.

Herr Kollege Würschl! Zum Zweiten haben Sie das Dienstrecht der Landeshauptstadt Klagenfurt und die dortigen Möglichkeiten des Pensionsrechtes erwähnt. Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen: Gerade wir Freiheitlichen haben uns damals heftig darum bemüht, eine Änderung des Pensionsrechtes für Politiker zu erreichen, damit nicht nach drei Jahren als Bundesminister und nach kürzerer Zeit als Stadtrat oder Regierungsmitglied Pensionsansprüche bestehen. Es gab sehr unterschiedliche Regelungen – je nachdem, um welches Bundesland es sich handelte und welche stadteigenen Statuten zum Tragen kamen. Wir haben uns bemüht, das entsprechende Regulativ für die Zuerkennung von Politikerpensionen zu ändern.

Ich meine daher, dass sich auch die Frage nach den damaligen Pensionsregelungen erübrigt. Die Frage ist jenen zu stellen, die damals die politische Mehrheit hatten und die Pensionsregelungen in der damaligen Form verabschiedet haben, die noch bis heute rechtskräftig sind und wirken. Ich sage das deswegen so klar, damit mir nicht eines Tages vorgeworfen wird – ich bin auch schon ein "Fossil" der alten Pensionsregelung –, dass auch für mich Pensionsregelungen gelten, die womöglich ungesetzlich sein sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.34

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte. (Bundesrat Freiberger: Bonzen quälen, Himmer wählen! Was ist mit Gaugg? – Heiterkeit bei der SPÖ.)

16.34

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass man bei der Debatte rund um die Bestellung des Abgeordneten Gaugg zum Generaldirektor-Stellvertreter schon zwischen zwei Bereichen unterscheiden sollte: Einerseits geht es um die Bewertung der Qualifikation einer Person. Das ist immer eine subjektive Sache. Der zweite Bereich ist die Funktion als solche. Ich denke, dass das Amt des stellvertretenden Generaldirektors einer so wichtigen Anstalt an sich eine sehr wichtige Funktion ist. Deshalb bedauere ich die Sommerdebatte außerordentlich, die wir über diese Funktion führen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Es geht um eine Beschäftigungsfrage und nicht um eine Funktion!) – Ja, ja.

Was mich ein wenig wundert, ist Folgendes – ich sage das doch aus einer gesicherten Position heraus, da ich studiert habe und seit zehn Jahren in der Privatwirtschaft tätig bin –: Ich finde es sehr interessant, dass sich ausgerechnet die Sozialdemokraten besonders abfällig gegenüber jenen äußern, die sich mit einer vergleichsweise einfachen Ausbildung im Leben weiterentwickelt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Sie merken es nicht! – Bundesrätin Schicker: Aber Sie sagen es: weiterentwickelt! )

Das wundert mich, wenn ich mir anschaue, was es auch schon an sozialdemokratischen Ministern gegeben hat! (Bundesrätin Schicker: Die haben sich weiterentwickelt!) Man kann durchaus sagen, dass Minister an und für sich auch Leitungsfunktionen in dieser Republik innehaben – mit sehr viel Personalverantwortung und mit sehr viel Budgetverantwortung. Der ehemalige Finanzminister Edlinger ist, so glaube ich, gelernter Schlosser. (Bundesrat Konecny: Lithograf!)  – Lithograf, hervorragend. Ich glaube nicht, dass Finanzminister außer Dienst Edlinger eine Buchhalterprüfung abgelegt hat oder überhaupt Grundlagen des Rechnungswesens oder irgendetwas in diesem Bereich gelernt hat. (Bundesrat Manfred Gruber: Herr Kollege, das sind politische Ämter, keine Angestellten! Sie reden von politischen Ämtern und nicht von Angestellten! Lernen Sie Verfassung! – Bundesrat Dr. Nittmann  – in Richtung des Bundesrates Manfred Gruber –: Ihr habt keine Ahnung! – Bundesrätin Haunschmid: Minister ist Verwaltung!)


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Es ist mir zu der Zeit nie aufgefallen, dass die Sozialdemokratie Probleme damit hat oder dass es um fehlende Qualifikationen gegangen wäre. (Bundesrat Manfred Gruber: Ihr werdet wohl noch unterscheiden können zwischen Funktionären und Angestellten!) – Ja, aber das muss man ganz einfach festhalten. (Bundesrat Manfred Gruber: Man muss doch unterscheiden zwischen einem Angestellten und einem Funktionär!)

Ich glaube, dass das auch viele Menschen, die an sich von ihrer Gesinnung Sozialdemokraten sind, enttäuscht, wie abfällig Sie über Leute reden, einfach nur, weil sie keine akademische Ausbildung haben, und auch wie Kollege Würschl hier über die Handelsschule gesprochen hat. Ich finde nicht, dass man sich dafür genieren sollte, dass man eine Handelsschule besucht hat.

Übrigens finde ich es besonders bezeichnend, dass ausgerechnet Kollege Würschl hier so laut auftritt, wo doch bekannt ist, dass er als Vizepräsident des Landesschulrates in Kärnten selbst ein prominenter Parteigünstling ist. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Viele Leute sagen, dass er eigentlich alles der Partei zu verdanken hat. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wäre nicht der erste! – Widerspruch bei der SPÖ.) Insofern ist es sehr bezeichnend, dass ausgerechnet dieser Kollege Würschl da besonders laut auftritt. Es soll sogar so gewesen sein, dass, als Sie Vizepräsident des Landesschulrates waren, diese Position dem Land Kärnten gar nicht mehr zugestanden ist. Sie sind sogar ein Parteigünstling ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist die Unwahrheit!)  – Aha! Dann ist er kein Spezialgünstling, dann ist er ein normaler Günstling, okay. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe das nur gehört. Ich habe nur zitiert und habe das – das möchte ich gleich betonen – nicht als Behauptung aufgestellt. (Bundesrätin Mag. Trunk: Alle ÖVP-Vizepräsidenten in Österreich sind Günstlinge, sagt Himmer!)

Also korrigiere ich mich: Er ist ein normaler Parteigünstling, der einfach Vizepräsident des Landesschulrats war und sicherlich durch keine harte Qualifikation gegangen ist. (Bundesrat Manfred Gruber: Wie schaut es mit den schwarzen Präsidenten aus?) Ich könnte mir vorstellen, dass die Bestellung eher in der Parteileitung erfolgt ist als nach einem griffigen Hearing durch unterschiedlichste internationale Kommissionen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Kollege Himmer! Wie schaut es mit den schwarzen Präsidenten aus?) Daher würde ich einmal sagen: der "richtige" Vertreter der Anklage! (Bundesrat Manfred Gruber: Wie schaut es denn mit den schwarzen Präsidenten aus?)

Zur Sache selbst, was den Vertrag betrifft, der diskutiert wird (Bundesrat Manfred Gruber: Wie ist das mit den ÖVP-Günstlingen? Den schwarzen Präsidenten? – Nennen Sie einmal ein paar!) – wie absurd oder nicht absurd, wie dreist oder undreist diese Vorstellungen sind, die jetzt diskutiert werden: Ich denke, wenn man es von der einen Seite her betrachtet, dass es dann, wenn jemand stellvertretender Generaldirektor eines so wichtigen Unternehmens ist, nicht völlig aus der Welt ist, dass man sagt, er will einen Fünfjahresvertrag haben. Es ist auch nicht so – wie ich manchmal gehört habe –, dass das in der Privatwirtschaft nicht üblich ist. Es ist durchaus nicht unüblich, in bestimmten Leitungsfunktionen Verträge zu haben, die auf Zeit befristet sind, was umgekehrt wiederum den Vorteil hat, dass man für diese Zeit quasi eine Unkündbarkeit hat. (Bundesrat Gasteiger: Das ist bei Ihnen auch so, Kollege Himmer!)

Mein Vertrag ist nicht Gegenstand dieser Diskussion. (Bundesrat Gasteiger: Nein! Das ist bei Ihnen auch so!) Ich kann Ihnen gerne einmal erzählen, wie es ist, es hat aber mit diesem Haus herzlich wenig zu tun. Ich hätte übrigens auch kein Problem damit, wenn ich einen Fünfjahresvertrag hätte, und würde nichts Unanständiges daran erkennen. (Bundesrat Kraml: Das glaube ich nicht!)

Das heißt, dass jemand hergeht und sagt, er möchte lieber einen Vertrag auf fünf Jahre befristet (Bundesrat Gasteiger: Offen legen!) als sozusagen einen niedrigeren Vertrag ein Leben lang haben, ist eine Bewertung dieser Person. Das ist im Prinzip für das, was für eine wirtschaftliche Leitungsfunktion relevant ist, für mich persönlich sogar das nachvollziehbarere Thema. Dass man zu einer Bewertung kommt, in der man einer Person als solcher grundsätzlich die Qualifi


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kation in jedweder Weise abspricht und sagt, er könne das nicht, sodass dann aus dem Grund jedes Jahr jeder Schilling und jeder Cent zu viel ist, ist an sich eine andere Betrachtung derselben Sache, ein anderer Teil dessen, was bewertet werden muss.

Daher meine ich, es ist natürlich immer lustig, eine bestimmte Person ins Zielfeuer zu nehmen. Es sind auch die Personen, die im Zielfeuer sind, unterschiedlich qualifiziert, dieses Zielobjekt zu sein, und ducken und wenden sich mit unterschiedlicher Klasse. Aber in letzter Konsequenz ist es so, dass diese Diskussion niemandem etwas bringt. Ich denke, auch was die Politik insgesamt betrifft, ist das insofern eine schädliche Diskussion (Bundesrat Gasteiger: Was die freiheitlichen Günstlinge ...!), als ich sage: Für die Bürger wird das immer unnachvollziehbar bleiben. (Bundesrat Kraml: Verteidiger der Blauen! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich bin nicht der Verteidiger der Blauen. Ich will nur eines sagen (Bundesrat Konecny: Sie wollen nur 10 Minuten reden!): Der Bürger (Bundesrat Manfred Gruber: Der Bonzenquäler verteidigt Bonzen!), derjenige, der in Österreich ein Durchschnittsgehalt verdient, hat genauso wenig Verständnis für ein Bundesratsgehalt wie für ein Nationalratsgehalt, für ein Ministergehalt oder für ein Gehalt eines stellvertretenden Generaldirektors. (Bundesrätin Kainz: ... keine Kompetenz haben!) Daher sind diese Debatten insgesamt für das Ansehen der Politik schädlich. (Bundesrat Konecny: Wir werden an Herrn Gaugg leiden! Sie haben völlig Recht!)

Ich hoffe doch, dass wir im Sinne der Versicherten, im Sinne der Pensionisten und aller, die in letzter Konsequenz die Leidtragenden dieser Debatte sind, diese Sommerposse gemeinsam möglichst bald beendet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Harald Reisenberger. Ich erteile ihm das Wort.

16.44

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Es war für mich eigenartig, zu erleben, welch große Heiterkeit beim Herrn Minister und beim Herrn Staatssekretär ausgebrochen ist, als Kollegin Kainz sagte, Gaugg tue ihr schon langsam Leid bei dem, was Haider jetzt mit ihm aufgeführt hat, als er gesagt hat, "er geht mir schon auf die Nerven". – Da ist bei den zwei Herren offensichtlich eine fantastische Heiterkeit ausgebrochen. Ich glaube, das ist bezeichnend für die Situation, in der man sich jetzt mit diesem Herrn Gaugg befindet, einem Herrn Gaugg, der schon seit langer Zeit ein Problemkind der eigenen Partei ist, ein Kind, bei dem man immer wieder versuchen muss, es unterzubringen.

Herr Minister! Wenn Sie heute als "Arbeitsvermittler" bezeichnet worden sind, dann können Sie das, so glaube ich, nicht ganz von sich weisen. (Bundesrat Kraml: Mit schwachem Erfolg!) Sie haben es wirklich nicht leicht mit ihm und haben schon verschiedenste Versuche gestartet. Leider sind alle nicht geglückt. (Bundesrätin Kainz: Versprochen haben Sie ihm einiges, was Sie ihm nicht hätten versprechen sollen!)

Ich glaube auch, dass die Beantwortung des Herrn Staatssekretärs in allen Reihen für Heiterkeit gesorgt hat. Das Einzige, was mich ein bisschen traurig gestimmt hat, war: Das war keine Karnevalsveranstaltung, und es hat hier auch keine Vermummten oder Verkleideten gegeben, die diese Antworten so empfunden hätten, dass wir uns an diesem Nachmittag ein bisschen auch etwas Lustiges gönnen könnten.

Wenn man von der Heiterkeit absieht und sich die Beantwortungen genauer anschaut, dann muss ich sagen: umso schlimmer, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Sie uns hier –das glaube ich Ihnen – im Auftrag oder in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers zur Frage 1 mitgeteilt haben, dass es so nicht der Fall ist, können wir nur davon ausgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren vor allem von den Freiheitlichen, dass Herr Haider, das einfache Parteimitglied, offensichtlich wieder einmal die Öffentlichkeit ganz bewusst falsch informiert hat und Sie damit auch in eine Situation bringt, die ich an Ihrer Stelle als nicht sehr angenehm


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empfinden würde. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Bundesrätin Kainz: ... regen Sie sich so auf!)

Die Beantwortung der Fragen war überhaupt insgesamt interessant. Wir stehen also Ihrer Meinung nach zu allem. Ich würde es für toll halten, wenn ich das nachvollziehen könnte und nur in einigen Punkten bemerken würde, dass das, was Sie uns heute gesagt haben, auch mit der Realität übereinstimmt – aber ich werde noch dazu kommen. Ich bemerke immer andere Sachen, und so ist eben die ganze Diskussion bis jetzt in die Richtung verlaufen, dass man sich in Sphären bewegt, die mit der Realität relativ wenig zu tun haben.

Herr Bundesminister Haupt hat in einer Zwischenbemerkung gemeint, dass Herr Gaugg seine Dienstprüfung schon machen werde. Es ist zwar in einer Zeitung namens "Format" ein Vertrag abgebildet, in dem noch immer steht, dass er sie nicht braucht, aber ich glaube Ihnen, wenn Sie sagen, er werde sie schon machen. Meine Frage ist nur: Wann wird er sie machen? In fünf Jahren, wenn der Vertrag vorbei ist? Oder wann sonst soll das tatsächlich stattfinden?

Ebenfalls noch zur Einleitung etwas, was ich mir nicht ganz schenken kann: Es ist natürlich klar, Kollege Himmer, dass man, nachdem man mit einem tollen Spruch in eine Wahl gezogen ist, diesen ein bisschen anders verstehen muss, wenn man eine Zeit lang hier dabei gewesen ist. "Himmer wählen – Bonzen quälen", das stimmt offensichtlich nicht mehr so ganz, da haben wir andere Lieben entdeckt, die im Moment im Vordergrund stehen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sich Herr Kollege Himmer so empört und sich – wenn dies der Fall wäre, berechtigt – empört darüber äußert, dass die SPÖ eine einfache Ausbildung mehr oder weniger negiert oder herabmacht, dann sollte man sich eines schon einmal vor Augen führen – Sie haben es ein paar Mal gehört, aber Sie sind nicht darauf eingegangen, weil Sie es offensichtlich nicht ganz umsetzen konnten, vielleicht in der Geschwindigkeit, heraußen zu stehen, zu reden, solche Sachen zu sagen und etwas zu hören –, dass es einen wesentlichen Unterschied bedeutet, Herr Kollege Himmer, ob man ein Angestellter oder ein Funktionär ist! (Bundesrätin Kainz: Das ist klar!) Es wird keinen Angestellten aus irgendeiner Partei – egal von welcher; auch von Ihrer, so hoffe ich zumindest – in irgendeinem Betrieb und schon gar nicht in einem Privatbetrieb geben, der eine Funktion bekommt, wenn er nicht die Qualifikation dafür hat. (Bundesrat Mag. Himmer: ... und verbietet auch nicht, eine Qualifikation zu haben! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehen Sie, Kollege Himmer, wir haben den Beweis schon wieder erbracht. Sie haben ihn schon wieder erbracht: Sie wissen nicht, wovon Sie reden. Es redet keiner vom Herrn Minister! (Beifall bei der SPÖ.) Wir reden von Herrn Gaugg, der nicht Minister ist, wie Sie es sich vielleicht wünschen könnten (Bundesrat Mag. Himmer: Und ich weiß, wovon ich geredet habe! Ich habe vom Minister ...!), sondern der zurzeit noch im Nationalrat ist, der eine ganz andere Funktion in der Pensionsversicherungsanstalt angestrebt hat und diese bekommen soll. (Beifall bei der SPÖ.)

So ist es eben, Herr Himmer, es tut mir Leid! (Bundesrat Mag. Himmer: Sie reden, wovon Sie reden, und ich rede, wovon ich rede!) – Untergriffe zu machen, Würschl von oben herab zu behandeln – Sie werden die Antworten noch bekommen, wie es tatsächlich ausschaut!

Da wir gehört haben, wie Sie über Funktionen offensichtlich denken, die zurzeit nicht von Ihrer Partei oder von Ihrer Koalitionspartei besetzt werden, tut es mir Leid, dass ich sagen muss, es ist eben so: Wenn ein Sondervertrag, der an und für sich okay wäre, plötzlich nur für eine Person interessant ist und in Frage steht, dann sollte man schon einmal nachdenken!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Es ist noch eines mit dabei. Irgendjemand – ich denke und hoffe, dass es zumindest jemand war, der aus der ÖVP, dem ÖAAB oder ein christlicher Gewerkschafter ist – hat auch beim letzten Mal nicht mitgespielt, damit dies passiert. Aber man muss sagen, es kann unter Umständen Gründe gegeben haben, dass einer der zwei Freiheitlichen gemeint hat: Das will ich nicht, das muss nicht sein, und wir spielen es


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anders! (Bundesrat Würschl: Könnte sein! Ja, kann sein!)  – Darauf werden wir vielleicht noch eingehen können.

Nur um noch einmal in Erinnerung zu bringen, was am 31. Mai in der "Krone" stand – auch wenn es schon ein bisschen her ist –: "Neuer Star im Privilegienstadel". Am Tag vorher schon hieß es in der "Kleinen Zeitung": "Super-GAUgg" – wie der GAU geschrieben, auch ganz gut und interessant – "der Packelei".

Am 14. Mai – nur ganz kurz in Erinnerung gebracht –: Parlamentsklub der FPÖ, Graf von der FPÖ, ÖVP: Kollege Mag. Tancsits – mit dem mich eine alte Bekanntschaft aus der Zeit verbindet, als er noch Arbeitnehmervertreter war und als er noch in der Arbeiterkammer Wien als Kammerrat tätig war. (Bundesrätin Kainz: Ist aber schon eine Weile her!) Er hat nicht lange gebraucht, bis er das abgelegt hatte, das muss ich sagen; Kollegin Kainz kennt das auch. Als wir noch gemeinsam in der Bundesarbeitskammer saßen, hat man geglaubt, das ist einer, der noch das Arbeiterrecht und Angestelltenrecht als seine Materie empfindet. Aber sehr schnell haben wir mitbekommen, dass das offensichtlich überhaupt nicht seine Welt ist. Das ist eine Welt, mit der er sich heute offensichtlich nicht mehr identifizieren kann.

Anwesenheit: Mag. Haupt – Liste oben. Darüber haben wir auch schon einmal geredet. Sie haben gesagt: ja, nein, ja, nein! Ich habe bis jetzt noch immer von keiner Klage oder Sonstigem gehört, dass Herr Hofrat Wetscherek geklagt wurde, weil er auch dabei war und bestätigt hat, dass Sie anwesend waren. – Das sind lauter Geschichten, die sehr dubios und sehr undurch-sichtig sind. Auch wenn es noch so viele Zeugen gibt, so gibt es sie eben nicht, oder sie werden nicht akzeptiert, weil es nicht ins Konzept passt!

Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Respektlosigkeit vor dem Gesetz und damit vor der Selbstverwaltung werfe ich Ihnen ganz massiv vor! Respektlosigkeit und keine auch noch so geringe Achtung vor dem, was sich in der Demokratie an Wahlen abgespielt hat! "Das Gesetz bin ich", und wenn es mir nicht passt, dann ändern wir es eben – ich musste das von diesem Platz aus leider Gottes schon einige Male zu gewissen Themen sagen, und es passt hier wiederum wunderbar dazu.

Die letzten Arbeiterkammerwahlen waren die Basis. So war es das Gesetz, und das war die Grundlage für die Besetzung der Sozialversicherungskörper. Meine Herren! Sie wissen das ganz genau! Nachdem diese Wahl im Prinzip ein Aufschrei der Wahlberechtigten, der Bevölkerung war, der Wunsch, einen Schutz vor der ÖVP- und FPÖ-Regierung zu haben, wurde die Selbstverwaltung entsprechend verändert. Die Besetzung wäre eine komplett andere gewesen. Es hat eine überwältigende Mehrheit für die sozialdemokratische Fraktion gegeben, Sie wissen das, und auch die Christdemokraten haben ihre Stimmen gehabt. Natürlich haben die Freiheitlichen sehr wenige und teilweise gar keine Stimmen bekommen, das hat auch irgendeinen Grund gehabt. Aber weil das nicht sein kann, was ich nicht haben will, haben wir ganz einfach schon einmal damit begonnen, die Selbstverwaltung zu zerstören.

Stellen wir uns einmal vor – ich hätte das bis vor gar nicht langer Zeit als einen bösen Witz abgetan –, ein Betriebsrat wird in einem Betrieb nicht mehr von seinen Beschäftigten gewählt, sondern vom Chef. Es gibt einige, die solche Vorstellungen hätten. Das ist dann "Selbstverwaltung": Der Chef bespricht mit sich selbst, was er mit sich und seinen Leuten macht.

Der nächste Schritt ist, dass wir auch den Betriebsrat, den Personalvertreter abschaffen und ihn von der Regierung mehr oder weniger ersetzen lassen. Oder es stellen dann von Regierungsgremien eingesetzte Personen mehr oder weniger den Vertreter der Belegschaft dar. Das können wir uns nicht vorstellen, aber so weit ist der Schritt nicht mehr, den Sie begonnen haben, Herr Minister und meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien!

Zum Jugendvertrauensrat werden wir dann in Zukunft denjenigen machen, der kurz vor der Pensionierung ist. Er hat schon die Betriebserfahrung, darum machen wir ihn zum Jugendver


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trauensrat. Das ist Demokratie, wie Sie sie sich vorstellen! So kommt es mir schön langsam vor. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Kommen Sie einmal zur Sache!)

Der Beweis ist auch nicht weit weg, liebe Kollegin! "Frauenminister Haupt" – fragen Sie nur – mit wenigen Ausnahmen – die Frauen, die Funktionärinnen Ihrer Partei sind, was sie von einem Frauenminister Haupt halten! Ihr Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Zerstörung der Selbstverwaltung und des Sozialsystems – das kann man nicht anders bezeichnen, so ist es! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Der Überleitungsausschuss wurde ganz bewusst in einer bestimmten Form konzipiert, nämlich sieben Stimmen SPÖ, sechs Stimmen ÖVP, zwei Stimmen FPÖ. Somit wäre von Haus aus garantiert gewesen, dass die Regierungsfraktionen über die Mehrheit verfügen. Leider Gottes ist die Regelung nicht aufgegangen! Jetzt haben wir schon drei Mal in diesem Überleitungsausschuss abgestimmt, und es ist noch immer nicht das herausgekommen, was wir uns vorstellen. ÖVP und FPÖ schieben sich gegenseitig das Verschulden zu. Mag. Engelhart, ÖVP-Fraktionsführerin im Überleitungsausschuss, hat auch gesagt: Vielleicht gibt es irgendwelche andere Überlegungen in der FPÖ; wir waren es nicht! – Das sollte man sich auch überlegen.

Aber bei der ganzen Geschichte – das ist schon kurz angesprochen worden – gewinnt interessanterweise schon wieder Gaugg. Vielleicht hat es wirklich System, dass keiner von den Christlichen dagegen gestimmt hat, sondern dass es ein Freiheitlicher war, denn in Wirklichkeit – Kollege Würschl hat es schon gesagt – gibt es 12 500 € pro Monat, jetzt einmal im Juli und August. Ein nettes Urlaubs-Körberlgeld, das mehr als 5 000 € ausmacht, hat man ihm damit ermöglicht!

Sozialminister Haupt sprach von einem Mobbing, das passiert. – Jetzt ist er hinausgegangen; schade, aber er wird das sowieso wissen. (Bundesräte der Freiheitlichen deuten zum Präsidium, wo Bundesminister Mag. Haupt mit Schriftführer Hagen spricht.) Er sprach von Mobbing, das es in diesem Überleitungsausschuss gibt. Es ist aber auf der anderen Seite sehr interessant, dass er versucht, dem Überleitungsausschuss Aufträge zu erteilen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverwaltung der Sozialversicherungskörper: Selbstverwaltung heißt "selbst verwalten", wie das Wort schon sagt – ohne studiert zu haben, habe ich das auch mit meiner Schulbildung klasse zuwege gebracht –, aber hier werden einer Selbstverwaltung Aufträge erteilt. Wenn das nicht funktioniert, dann machen wir gleich weiter, die Selbstverwaltung muss nicht auch in Zukunft so weiterbestehen! Mitglieder können wir so lange – ich sage nicht: einschüchtern; mit ihnen können wir so lange Überzeugungsgespräche führen, bis bei der Abstimmung das herauskommt, was ich mir vorstelle. So viele Abstimmungen kann es gar nicht geben, dass nicht zum Schluss das herauskommt, was ich mir vorstelle. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kann es wohl nicht sein!

Das einfache Parteimitglied aus Kärnten Jörg Haider stellt sich hin und sagt wortwörtlich: "Das ist eine wirkliche Sauerei", weil nicht das herausgekommen ist, was wir uns vorgestellt haben. "Vertrag mit dem Bundeskanzler und der Vizekanzlerin abgestimmt", sagt Haider.

Der Staatssekretär hat heute gesagt: Das kann es nicht sein, so ist es nicht, das ist nicht die Aufgabe. – Okay, wieder einmal Falschinformationen bekommen, und keiner rührt sich, keiner sagt: So kann es nicht sein!, keiner klagt! – Als Bundeskanzler würde ich eine Klarstellung haben wollen, wer nun die Wahrheit sagt und wer nicht. Denn einer von den beiden muss die Unwahrheit sagen, anders kann es das nicht geben!

Westenthaler spricht beim Überleitungsausschuss von "rot-schwarzen Lemuren, die freiheitliche Kontrolle verhindern". Jetzt mögen diese Tierchen dem einen sympathischer und dem anderen unsympathischer sein: Die Wortwahl ist, so glaube ich, eine, die auch ein gewisses Niveau zeigt! Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.

Tags darauf, nachdem Westenthaler von diesen "rot-schwarzen Lemuren" gesprochen hat, gibt es vom einfachen Parteimitglied Haider aus Kärnten die nächste Forderung: die Ablöse der gesamten PVA, der Führungsgruppe, der Führungscrew – sie gehört weg, Wetscherek, ÖVP!


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Kainz hat es gesagt, er ist lange bekannt. Ich bin seit vielen Jahren in der sozialdemokratischen Fraktion, kenne aber auch diesen Herrn Wetscherek. Wer dieser Person Fachkenntnisse und profundes Wissen gerade im Bereich der Pensionsversicherung abspricht, hat sich meiner Meinung nach selbst damit disqualifiziert. Alle, egal aus welcher Partei sie kommen, die so etwas zur Kenntnis nehmen oder nur dazu schweigen, spielen bei dem Spiel mit: Demokratie weg, Selbstverwaltung weg, wir machen, was wir wollen, wir richten uns die Gesetze! – Anders kann man es nicht bezeichnen.

Westenthaler fordert hinten nach gleich: Neuausschreibung und komplett neue Führung der PVA. – Klar, das einfache Parteimitglied, das nichts zu sagen hat, aber offensichtlich die Aufträge doch schön ordentlich verteilt, hat natürlich auch Westenthaler, der es schon einmal probiert hat dagegenzureden und dann als Struwwelpeter in der Öffentlichkeit ganz interessant beleuchtet wurde, vielleicht auch in der eigenen Partei, dazu gebracht, seine Ausführung an das anzugleichen, was das einfache Parteimitglied aus Kärnten sagt.

Haupt hat die gemäß ASVG vorgesehene Bestätigung für Herrn Wetscherek bis heute nicht unterschrieben. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Ich denke, dass Sie durchaus ein Mensch sind, der alles, was er tut, sehr wohl überlegt tut oder nicht tut. Ich frage Sie daher: Was haben Sie vor? Wollen Sie vielleicht noch einen Meinungsbildungsprozess mit Herrn Wetscherek oder einigen anderen durchführen, bevor Sie Ihre Unterschrift unter dieses Papier setzen? – Ich weiß es nicht. Es wäre interessant, eine Antwort zu bekommen. Politik will den totalen Einfluss auf die Selbstverwaltung, und zwar mit allen Mitteln, die es gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ORF-Interview, das Herr Tarek Leitner mit Herrn Karl Schweitzer geführt hat, sagt uns eigentlich schon einiges. Lassen Sie mich daraus nur ein bisschen zitieren.

Tarek Leitner vom ORF fragt: Die FPÖ will Gaugg in die Pensionsversicherungsanstalt schicken, damit er hier Kontrolle ausübt. Gaugg soll nach außen tragen, wenn sich Bedienstete mehr nehmen, als ihnen aus Sicht der FPÖ zusteht. Stichwort Zulagen, Dienstwägen et cetera: Den Freiheitlichen zufolge gibt es hier offenbar viel zu verstecken.

Schweitzer darauf: Ich glaube, dass das die Gründe sind, warum man mit allen Mitteln verhindern will, dass Kollege Gaugg dort mehr oder weniger als "blaue Live-Kamera" das in die Öffentlichkeit überträgt, was der rot-schwarze Proporz dort gerne weiter betreiben will. (Bundesrat Konecny: Das wird üblicherweise fernbedient!) – Das heißt also, Kamera will er spielen.

Tarek Leitner klärt ihn eigentlich auf, indem er ihm sagt, das mit der Live-Kamera könne nicht so einfach funktionieren, denn fest steht, Gaugg ist Angestellter und unterliegt daher der Verschwiegenheitspflicht.

Ich möchte nicht das ganze Interview vorlesen. Es ist mir nur unheimlich wichtig, das Demokratieverständnis von diesen Herren, vielleicht auch Damen, hier aufzuzeigen – die Frau Vizekanzlerin wird sich, so nehme ich an, erst am Montag dazu wieder zu Wort melden; vielleicht hat sie eine andere, eine neue Meinung dazu –, es ist nämlich nicht vorhanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Professor Böhm heute in einer Presseaussendung davon gesprochen hat, dass er sich oder seine Fraktion zu diesem Thema nur einmal kurz rühren wird, da das Thema ausführlich im Nationalrat und im Bundesrat debattiert worden ist (Bundesrat Konecny: Das verstehe ich gut! Ich würde auch den Mund halten!), dann verstehe ich das in zweierlei Richtungen. Auf der einen Seite ist es für einen Freiheitlichen, der es vielleicht ehrlich meint – ich unterstelle es ihm –, schwierig, diese Punkte zu beantworten oder zu verteidigen. Wenn man auf der anderen Seite sagt, das ist so lange diskutiert worden, dann muss ich dem entgegenhalten, es hilft aber leider Gottes nichts, denn es kommen immer wieder, fast tagtäglich neue Aktionen gerade aus Ihrer Fraktion, die es notwendig machen, nicht nur darüber zu reden, sondern auch die Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen, meine sehr geehrten Damen und Herren!


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Es geht nicht anders, und es hilft Ihnen auch nichts, Herr Professor, wenn Sie versuchen, mit untauglichen Themen von dem Thema abzulenken, um das es heute hier geht und leider Gottes auch in den nächsten Wochen wahrscheinlich noch einige Male gehen wird.

Selbstverwaltung gehört zur Demokratie. Entscheidungen werden missachtet. Ich habe noch etwas gefunden, was mir so wichtig erscheint. Wir hatten einmal die Plakette "SOS Demokratie". (Vizepräsident Weiss: Herr Reisenberger! Die Zeit ist abgelaufen! Ich bitte Sie, den Schlusssatz zu formulieren!) –- Der letzte Satz. – Daher scheint es mir mehr als notwendig zu sein, dies wiederum als Zeichen zu setzen. Meine Damen und Herren! Versuchen Sie, wo immer es geht, auch über Parteigrenzen hinweg mitzuhelfen, diese unsere Demokratie zu retten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

17.06

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Meine Fraktion hat das Instrument der dringlichen Anfrage in der Zeit ihrer Rolle als Opposition durchaus genutzt – bisweilen sogar recht intensiv, ich stehe nicht an zu sagen, vielleicht manchmal allzu intensiv genutzt. (Bundesrätin Kainz: Exzessiv genutzt!) Man hat uns damals, gerade auch Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, oft gescholten und uns Aktionismus vorgeworfen. Eben darin haben Sie uns inzwischen längst bei weitem übertroffen, wie ich Ihnen neidlos zugestehe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Nicht nur da! ) Freilich nicht bei Substanz und Qualität der Inhalte Ihrer Anfragen – hier unterbieten Sie uns zunehmend. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dennoch haben wir bis heute Ihre dringlichen Anfragen als legitimes Mittel der Kontrolle der Vollziehung durch die Bundesregierung beziehungsweise ihre Bundesminister stets sehr ernst genommen. Wir haben uns, wie unberechtigt Ihre Kritik uns auch immer wieder erschienen sein mag, immer argumentativ damit auseinander gesetzt.

Sie selbst scheinen allerdings diese parlamentarische Einrichtung nicht ebenso ernst zu nehmen wie wir. Das beginnt bereits bei Form und Stil Ihrer Ausführungen. In allen dringlichen Anfragen, die Sie in der letzten Zeit seit der von Ihnen offenbar bis heute nicht verwundenen Versetzung in die Oppositionsbänke eingebracht haben, wimmelt es nämlich von bösen Unterstellungen, Vorwürfen und Angriffen, die bis an die Grenze von Verbalinjurien, Verunglimpfung, Diffamierung und teilweise sogar Kriminalisierung gehen, ja sie zum Teil sogar überschreiten.

Sie schrecken auch vor Unwahrheiten nicht zurück, denn wenn Sie in der Anfrage unterstellt haben, dass Abgeordneter zum Nationalrat Dr. Martin Graf die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten oder der Arbeiter betreut hätte, so ist inzwischen die Anfragebeantwortung ganz klar gekommen. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Witt & Partner KEG betreut beziehungsweise vertritt weder die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten noch die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. (Bundesrätin Kainz: Da hat ja unsere Anfrage einen Sinn gehabt! – Bundesrätin Mag. Trunk: Dann können es zumindest keine Lügen sein!) – Ja, dann war es Selbstzweck.

All das aber haben wir bisher um der politischen Auseinandersetzung der Sache willen hingenommen. Zu weit geht es uns aber, wenn Sie neuerdings Themen, die Sie bereits mehrmals zum Anlass früherer dringlicher Anfragen genommen haben, immer wieder erneut, geradezu gebetsmühlenartig zum Gegenstand solcher Anfragen machen. (Bundesrätin Kainz: Steter Tropfen höhlt den Stein!)

Sie reden selbst von Anfrageserien. Das ist Ihre eigene Diktion. Darin können wir keine andere Absicht erkennen, als dass Sie den regelmäßig ohnehin zum Scheitern verurteilten Versuch unternehmen, die von Ihnen gerade ins politische Visier genommenen Bundesminister nach


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Möglichkeit zu beschädigen – ich vergleiche jetzt zum Beispiel die sieben völlig haltlosen Misstrauensanträge gegen den Bundesminister für Justiz im Nationalrat –, und dass das für Sie bereits zum Selbstzweck geworden ist.

Diese Bühne für Ihre durchsichtige aktionistische Selbstdarstellung werden wir Ihnen aber künftig nicht mehr überlassen, denn Scheingefechte für den Vorwahlkampf führen wir hier nicht! (Bundesrätin Kainz: Ach so!) Ein klassisches Beispiel für das von mir kritisierte ... (Bundesrat Konecny: Was werden Sie tun?) – So wie ich es jetzt bei meiner Stellungnahme tue. (Bundesrätin Kainz: Sie werden uns die dringlichen Anfragen verbieten?)

Ein klassisches Beispiel für das von mir kritisierte Vorgehen bietet Ihre heutige dringliche Anfrage. Wir haben bereits beim letzten Mal zur Frage der fachlichen Qualifikation von Reinhart Gaugg für die Funktion, in die er korrekterweise berufen worden ist, inhaltlich Stellung genommen, ebenso zum Auswahl- und Bestellungsverfahren als solchem. (Bundesrätin Schicker: Dazwischen ist aber etwas passiert!) Desgleichen haben wir unwidersprochen darauf verwiesen, dass sich der für Gaugg vorgesehene Vertrag nach seinem Inhalt völlig im Rahmen des bisher für entsprechende Positionen Üblichen in der Leitung des Hauptverbandes bewegt, dass Gaugg also keineswegs Sonderkonditionen für sich beansprucht. Ich brauche jetzt nicht Gehaltsvergleiche mit ihm jetzt in der Funktion unterstellten Funktionären, die von Ihrer Seite stammen, zu bringen. (Bundesrätin Kainz: Das müssen Sie Ihrem Koalitionspartner sagen, nicht uns! – Bundesrat Konecny: Wir vergeben keine Jobs! – Bundesrat Manfred Gruber: Der Quereinsteiger bekommt den höchsten Bezug!) – Ich sage, mit den aus Ihrer Reichshälfte stammenden Funktionären.

Die Dienstprüfung, die er selbst abzulegen gedenkt, wurde seinem Stellvertreter und unmittelbaren Kontrahenten für das Amt des stellvertretenden Generaldirektors, Robert Freitag, definitiv erlassen. (Bundesrätin Kainz: Nach vielen Jahren Tätigkeit in der Selbstverwaltung! – Bundesrätin Schicker: Das war aber kein Quereinsteiger!)

Im Übrigen gehen Sie mit Ihrer affirmativen Wiedergabe der Schlagzeile der "Kronen-Zeitung" in Ihren drei dringlichen Anfragen: "Gaugg: Neuer Star im Privilegienstadel" offenkundig selbst davon aus, dass es sich bei dem von Ihnen dominierten Sozialversicherungsanstalten um solche Privilegienstadel handelt. Das werden wir ändern! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Also wer droht da jetzt?)  – Mit rechtlichen Mitteln der parlamentarischen Gesetzgebung. (Bundesrat Konecny: So wie bei Herrn Gaugg? Mit so rechtlichen Mitteln?) – Das ist Ihre Diktion. Das war nicht die meine.

An diesen Fakten vermag auch die Obstruktionshaltung des derzeitigen Überleitungsausschusses nichts zu ändern. Kurz gesagt, wir haben ungeachtet Ihres Versuches der politischen Skandalisierung bisher in diesem Bereich völlig üblicher Vorgangsweisen sachlich Stellung bezogen. Dem haben wir auch nichts hinzuzufügen, auch wenn Sie Ihre unbegründeten Vorwürfe noch so oft wiederholen.

Auch wenn es Sie stört, weil Sie es der Aussendung schon entnommen haben, sage ich es trotzdem auch hier: Es gäbe gewiss auch noch viele andere Themen, die den Reiz des Neuen hätten und es verdienten, mit gleicher Vehemenz im Bundesrat debattiert zu werden. Dafür nur ein aktuelles Beispiel aus meinem Bundesland. Hier weitet sich gerade die Affäre um die Wiener Mafiajäger aus, wonach ein Wiener Stadtrat oder eine Stadträtin (Bundesrat Gasteiger: Nicht ablenken vom Thema! Zur Sache!) von einem russischen Geschäftsmann Geld für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erhalten haben soll. (Bundesrat Konecny: Kollege! Wir können über alles reden!) Wie nun ans Tageslicht gekommen ist, hat sich die interne Revision der Stadt Wien schon seit Juni mit der kolportierten Verwicklung eines Wiener Stadtrates beschäftigt. (Bundesrat Gasteiger: Von welcher Fraktion?) Es gibt auch einen dokumentierten Schriftverkehr zwischen der Magistratsdirektion und dem zuständigen Untersuchungsrichter. (Bundesrat Mag. Hoscher: So schießt man sich ein Eigentor!)


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Was hat die SPÖ hier zu verbergen? – Das ist aber verständlicherweise kein Thema für Sie. (Bundesrätin Schicker: Das übliche Ablenkungsmanöver! – Bundesrat Kone
cny: Sie übersehen nur eines: Es gibt eine freiheitliche Stadträtin in Wien!)

Meine Schlussfolgerung aus all dem lautet: Wir sind nicht länger bereit, daran mitzuwirken, dass zum Schaden des Ansehens der zweiten Kammer dieses Hohen Hauses das Instrument der dringlichen Anfrage zum Mittel des blanken Aktionismus degradiert wird und dadurch demokratiepolitisch verkommt. (Bundesrat Kraml: Sie können es uns nicht verbieten!) Sollten Sie bei den nächsten Sitzungen mit Ihren dringlichen Anfragen wieder neue Themen aufwerfen (Bundesrätin Kainz: Werden wir!) oder auch alte Themen mit neuen sachlich gravierenden Argumenten wieder aufrollen, stehen wir Ihnen gerne wieder voll zur Verfügung, denn die echte Auseinandersetzung mit Ihnen in der Sache scheuen wir durchaus nicht. (Bundesrätin Kainz: Es wird viele neue Themen geben! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mehr dazu auszuführen wäre zu viel der Ehre für all die Polemik. Ich gehe gar nicht auf die Ausführungen des Kollegen Würschl ein. Ich rede auch nicht von Exbundeskanzler Mag. Klima, es ist bekannt, wie lange er für sein Magisterium gebraucht hat. Das schon im Hinblick auf die heutige Tagesordnung und – auch wenn es mir Frau Kollegin Kainz verübelt hat – auch im Hinblick auf die Bediensteten dieses Hauses, die ohnehin ihren Heimweg im Morgengrauen werden antreten müssen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Professor Albrecht Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

17.16

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Es ist schon eine eigenartige Debatte. (Bundesrat Mag. Gudenus: Finde ich auch!) Kollege Böhm erklärt uns mit großer Ausführlichkeit, über Gaugg rede er mit uns nicht, was ich völlig verstehen kann. Ich würde auch nicht gerne Herrn Gaugg vertreten müssen. Er erzählt uns also: So nicht, meine Herren von der Opposition! (Bundesrätin Kainz: Dienstvertrag ist nicht unser Thema!)

Jetzt muss ich meinen Freund Würschl ein wenig kritisieren. Er hat einen Satz gesagt, der es Kollegen Himmer 15 Minuten lang erspart hat, irgendetwas über Herrn Gaugg zu sagen. – Das ist auch eine Möglichkeit. Ich verstehe Sie, Kollege Himmer, ich würde auch nicht gern dastehen und sagen: Gaugg ist der Größte und muss das werden und muss die Gage bekommen! – Die Ausrede hast du ihm leider geboten, aber Sie haben das sehr gut gemacht, wenn wir jetzt schon bei Wertungen sind. Sie haben es erfolgreich verstanden, den Namen Gaugg nicht einmal in den Mund zu nehmen, geschweige denn sonst irgendetwas mit ihm zu machen. (Bundesrätin Kainz: Aber er sitzt nicht im Überleitungsausschuss!)

Das ist nun eine eigenartige Debatte. Es ist nicht so, dass der Fall Gaugg irgendwann einmal passiert ist, und seither gibt es dort keine Bewegung. Herr Gaugg hat ursprünglich viel verlangt – da ist er von einigem runtergestiegen, das ist richtig. Also da haben ihn manche seiner Freunde möglicherweise auf den Boden der Realität heruntergeholt, haben ihm gesagt: 200 000 €, tick-tick oder irgendwas – ich weiß nicht, wie Sie miteinander reden –, das spielt es da nicht.

Es hat dann die Phase gegeben – Hofrat Wetscherek hat das in einer gestern oder wann immer erfolgten Erklärung auch bestätigt –: Nein, die Dienstprüfung wird er schon machen. – Langsam hat man ihn oder hat er sich auch selbst auf den Boden einer Realität, die immer noch ganz gut gepolstert ist, herunterbewegt. Das heißt nicht, dass er das andere nicht gewollt hätte – sehr gerne sogar, und verlangt hat er es auch. Aber, wie gesagt, spielen tun sie es nicht. Demzufolge gibt er es halt jetzt etwas billiger.

Gleichzeitig – das war irgendwie eigenartig – hat der Überleitungsausschuss – noch einmal: den hat eine ASVG-Novelle geschaffen, Herr Bundesminister, wenn ich mich nicht täusche, die Ihre Handschrift getragen hat, unsere war es sicher nicht – zunächst einmal Herrn Wetsche


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rek – das verstehe ich – mit 24 zu 1 gewählt. Er hat Herrn Gaugg mit hörbarem Zähneknirschen und der knappsten aller möglichen Mehrheiten und mit mehr Gegenstimmen, als die Sozialdemokratie zustande bringt, immerhin einmal bestellt. Dann hat er seinen ersten Weihnachtswunschzettel Punkt für Punkt abgelehnt. Hierauf ist eben etwas Neues passiert – man wird sich doch noch auf dem Laufenden halten dürfen, Herr Professor Böhm! Dann hat man ihm den letzten Vertragsentwurf, den bisher letzten Vertragsentwurf mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt, die es nicht geben hätte dürfen. In diesem Augenblick ist in diesem Land der Teufel los gewesen. Es war niemand von uns, der gesagt hat, er wisse nicht, wozu dieser unsinnige Überleitungsausschuss gut ist. Ich glaube, Westenthaler heißt der Mann. Vielleicht ist er Ihnen schon einmal begegnet, Herr Professor Böhm!

Es war auch niemand von uns, der gesagt hat, Herr Generaldirektor Wetscherek solle sich vertschüssen, er gehöre in die Wüste und nicht in eine Pensionsversicherungsanstalt. Auch das hat der besagte Herr, den auch andere von Ihnen schon einmal irgendwo gesehen haben werden – zumindest im Fernsehen, denn dort ist er relativ oft –, gesagt. (Bundesrätin Kainz: Nicht immer!) – Das ist wahr, ja, nicht immer.

Meine Damen und Herren! Die Aufregung war nicht einmal unsere, sie war Ihre. Nicht alle haben sich aufgeregt, ich weiß schon. Frau Kanovsky ist heute auch ganz still, denn wenn sie sagen würde, was sie vom Herrn Gaugg hält, dann müssten wir sie leider bei uns aufnehmen, aber das ist ein anderer Fall. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Wir haben hier eine Situation, wo die Ablehnung des Dienstvertrages des Herrn Gaugg zwar nicht zu einem Aufstand des Volkes, aber zu einem Aufstand der Freiheitlichen geführt hat. Da enthüllt sich dann eben – offenbar ist das ein Faustpfand, Herr Minister, und wir werden bei der zweiten Dringlichen, bei der Sie in Ihrer eigentlichen Funktion hier sitzen, dann noch sehr ausführlich darüber reden; kleines Wetscherek in meinem Handerl, wenn du nicht spurst, machen wir zu – keine Bestätigung seiner Bestellung. Jetzt wird es Gutachten geben, ob Herr Wetscherek überhaupt geeignet ist. Es hätte einen Sonderministerrat geben sollen. Den gibt es nicht – danke, an den Bundeskanzler auszurichten –, aber es ist ohnehin einer am 12. Also insofern ist der Terminverlust nicht so großartig.

Dann kommt eine ganze Latte von Anwürfen – nicht an unsere Adresse. Aber da sagt der Landeshauptmann von Kärnten – nein, Entschuldigung, der FPÖ-Politiker, diesmal nicht einfaches Parteimitglied, diesmal immerhin FPÖ-Politiker –, das sei ein Skandal, denn diesen Vertrag habe doch der Herr Bundeskanzler mit der Frau Vizekanzlerin ausgemacht. Der Herr Ersatz für die Frau Vizekanzlerin war in dieser Frage außerordentlich vage, aber Sie müssen es auch nicht wissen, obwohl Sie den Text mittragen hätten müssen, falls es das Gespräch gegeben hat.

Der Herr Bundeskanzler war in der Öffentlichkeit sehr deutlich, und der Herr Staatssekretär hat das ganz klar vermittelt: Eine solche Vereinbarung, so sagt der Herr Bundeskanzler, gibt es nicht. Ich bin geneigt, dem Herrn Bundeskanzler zu glauben – bei allen Vorbehalten. Aber dann gibt es nur einen Umkehrschluss: Der Herr Landeshauptmann von Kärnten spricht bewusst und gezielt die Unwahrheit und versucht, seinen Koalitionspartner zu erpressen. – Auch wieder nicht mein Problem. Aber es ist schon sehr typisch für den Umgang in einer Regierung, die damit begonnen hat, sich gemeinsam die lieben Viecherl in Schönbrunn anzuschauen. Inzwischen ist man bei den Löwen und Krokodilen angelangt. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Halten wir klar fest: Es gibt einen Bewerber, der unter sehr zweifelhaften Begleitumständen – auch darüber werden wir noch einmal bei der zweiten Dringlichen reden, aber ich will hier keine Grenzüberschreitungen vornehmen – als geeigneter Kandidat empfunden wurde und von einer sehr knappen, aber doch Mehrheit bestellt wurde. Man kann doch nicht deshalb, weil er nicht bekommt, was er sich vorstellt, das ganze System in Frage stellen, den Überleitungsausschuss in Frage zu stellen, den Generaldirektor in Frage zu stellen, ganz offensichtlich dort andere Mehrheitsverhältnisse herstellen, also sagen, wir ändern das ASVG so lange, bis es passt. Man


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muss offenbar beim Eintritt in das neue Gremium, das dann sicher nicht Überleitungsausschuss heißen wird, einen Treueeid auf Herrn Gaugg ablegen.

Meine Damen und Herren! Da macht man sich dann seine Gedanken. Die einzige wirkliche politische Großtat des Herrn Gaugg – abgesehen davon, ich habe das schon einmal gesagt, dass er bewiesen hat, buchstabieren zu können – ist, dass er als der Christophorus des Innsbrucker FPÖ-Parteitages aufgetreten ist und Jörg Haider dort auf seinen Schultern durch den Saal getragen hat. So etwas verbindet, das gebe ich schon zu. Aber ich glaube, da verbindet noch ganz etwas anderes: Aus dieser frühen Phase muss es Herrschaftswissen geben, das diesen Herrn Gaugg stärker macht, als er eigentlich ist. Denn dass er ihm auf die Nerven geht, hat sogar Herr Haider nur einmal gesagt und es nie wiederholt. Da muss Herr Gaugg mit irgendetwas gewachelt oder gewunken haben oder ihm leise gesagt haben: Sag, weißt du noch wie? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger. ) – Meine Damen und Herren! Das sind Unterstellungen, selbstverständlich, aber gute!

Dieser Mann, der ... (Bundesrat Dr. Lindinger: Kaffeesud!) Ja, ja, der Kaffeesud. Apropos Kaffeesud, Herr Professor: Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass Herr Gaugg mit seiner Klagenfurter Vizebürgermeisterpension eine rechtliche Möglichkeit ausnützt. Das ist schon zu einem guten Teil wahr. Was nicht so ganz üblich ist, ist, dass man ein Nationalratsmandat antritt, Vizebürgermeister von Klagenfurt bleibt, und zwar genau jene acht Tage, die man braucht, damit der Pensionsanspruch entsteht, den man am Freitag beantragt, am Mittwoch bekommt man es bestätigt, und dann kann man auf den Vizebürgermeister verzichten. (Rufe bei der SPÖ: Oh!) So pflegt man das eher in der Sozialversicherung nicht zu handhaben, aber vielleicht ist das die neue Großzügigkeit. (Der Redner zeigt ein Plakat, auf dem steht: ",Schluss mit den Privilegien’ – Die Freiheitlichen".)

Dieses schöne Plakat hat einen Fehler: Dieser Artikel ist falsch. (Der Redner zeigt auf das Plakat.) Es müsste eigentlich heißen – aber das haben Sie damals nicht so in Auftrag gegeben, das ist die Modernisierung, die man vornehmen muss –: ",Schluss mit den Privilegien’ der Freiheitlichen". – Von diesen gibt es inzwischen eine Menge. In dieser Hinsicht waren Sie zwei Jahre lang eigentlich außerordentlich effizient. Wenn Sie Herrn Gaugg weiterhin so behandeln, können Sie das auf die kurze und für die Bevölkerung nicht erfreuliche Liste Ihrer Erfolge setzen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

17.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Professor Konecny! Sie haben das Taferl vergessen. (Bundesrat Konecny: Ich komme gleich wieder dran!)

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Konecny: Hast du etwas dagegen? – Bundesrat Schennach: Nein!)

17.27

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Minister! Also mir geht Gaugg nicht auf die Nerven, denn ich glaube, dass Herr Gaugg schon einen sehr wertvollen Beitrag leistet, um in dieses ganze System, wie es auch nach dieser Regierungsbildung hier passiert ist, Transparenz hineinzubringen. Dass er in seiner Beharrlichkeit, alles für sich zu reklamieren, dann der eigenen Partei auf die Nerven geht, ist bitter für die FPÖ, aber wichtig für die Öffentlichkeit. Insofern teile ich die Meinung des Kärntner Landeshauptmannes nicht, Gaugg geht mir nicht auf die Nerven.

Meine Damen und Herren! Es ist bitter für die Pensionsversicherung, denn die Debatte schadet einer seriösen und wertvollen Anstalt, auf die sich viele Menschen, Millionen Menschen verlassen und auf deren Rücken hier diese Debatte ausgetragen wird.

Herr Minister Haupt! Ich weiß, dass Sie jetzt bei der ersten Dringlichen hier die Frau Vizekanzlerin vertreten. Ersparen Sie mir aber, dass ich mich zweimal zu Wort melden muss. Deshalb werde ich Ihnen vielleicht schon ein paar Fragen als Sozialminister stellen.


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Sie haben mir bei der letzten Gelegenheit, als wir über Herrn Kollegen Gaugg sprechen mussten, gesagt, Sie waren nicht bei der Sitzung dabei, und zwar bei jener Sitzung, die noch vor dem Gutachten der Familie, der Firma Jenewein (Heiterkeit) – vielleicht ist es schon ein Familienbetrieb, wer weiß, man beauftragt so manche Gutachter, wie wir wissen, seit dem Jahr 2000 nicht zufällig. Sie waren nicht dabei.

Ich verfolge – Sie können sich das vorstellen, das hat schon etwas mit meinem früheren Job zu tun – Medienberichte ziemlich genau, und ich merke, dass Sie mittlerweile von dieser dezidierten Erklärung, die Sie hier seinerzeit vom Ministerplatz aus gegeben haben, deutlich abgerückt sind. Also ich möchte Sie heute ein zweites Mal fragen: Sehr geehrter Herr Minister! Waren Sie bei jener vertraulichen Sitzung nun dabei oder nicht? – In der Innenpolitik kennen wir mittlerweile den Begriff geklont, aber in einem anderen Zusammenhang.

Was war nun wirklich, Herr Minister? – Ich denke, das ist von Interesse, vor allem nachdem es eine dermaßen hochrangige Sitzung gegeben hat. Ich teile zufällig einmal die Meinung Ihres Landeshauptmannes, der meinte, dass diese Sitzung eine der größten Sündenfälle war, bei der die Positionen in der Weise ausgepackelt wurden.

Es wurde hier immer wieder dieses Gutachten der Personalberatungsfirma Jenewein angesprochen. Ich möchte zwei Punkte festhalten:

Zwingend war die Entscheidung für Gaugg niemals, es gab keine Reihung, weil die anderen Kandidaten, die genannt worden sind, jenes Mindestmaß an Qualifikation erfüllen, die beim Kandidaten Gaugg im Nachhinein das ganze Land beschäftigt.

Der zweite Punkt ist noch einmal: Diese Reihung ist erst nach diesem Treffen vom 15. Mai mit den vielen Hinweisen "vertraulich", "nicht kopieren", "nicht weitergeben", am besten essen und nicht ablegen und so weiter erfolgt. (Allgemeine Heiterkeit.) Wenn ich Gaugg wäre, würde ich mir keine Sorgen machen, wenn ich solch einen Schutzpatron hätte wie den Herrn Sozialminister.

Ich muss schon sagen, Herr Minister Haupt, Sie laufen wahrlich nicht zum ersten Mal zu einer Hochform auf und diesmal zu einer Hochform als Petrocelli des Herrn Gaugg. Ich weiß nicht, was Ihnen jetzt bezüglich der Geschichte mit dem Gutachten zu den Verträgen von Herrn Wetscherek eingefallen ist. Sie selbst – Sie müssen sich jetzt schon daran erinnern – haben nämlich heute gesagt, dass die Meldung der Aufsichtsratspositionen des Herrn Wetscherek sehr spät eingelangt sei.

Sie selbst haben aber gegenüber der APA schon wesentlich früher erklärt, dass Sie das gewusst hätten und bei der Bestellung des Herrn Wetscherek bezüglich der Unvereinbarkeit kein Problem sehen, so wie Sie auch bei Herrn Gaugg nie ein solches gesehen haben.

Jetzt sage ich Ihnen Folgendes ganz ehrlich: Natürlich gibt es keine rechtliche Unvereinbarkeit, aber es gibt eine klare Unvereinbarkeit, und das ist die politische Unvereinbarkeit. Was Kollegen Wetscherek betrifft, so möchte ich sagen, wir Grüne sind nicht von den alten Geschichten, die SPÖ und ÖVP miteinander so viele Jahrzehnte verbunden hat, betroffen und sind da vielleicht unverdächtiger. Aber dass Herr Wetscherek ein Experte ist, dass Sie wahrscheinlich für die Generaldirektion der Pensionsversicherungsanstalt niemand besseren finden, das ist, so glaube ich, unbestritten.

Sie halten das jetzt als Faustpfand zurück. Herr Staatssekretär Morak kennt das leidgeprüft von einem anderen Fall, der gar nichts mit dem zutun hat, nicht wahr Herr Staatssekretär?! Sie, ich und wahrscheinlich die ganze ÖVP-Fraktion hätten schon längst zum Beispiel die Presseförderung reformiert, würde der Koalitionspartner eine Einigung nicht als politisches Faustpfand zurückbehalten. Jetzt hat man vielleicht Herrn Haupt gesagt: Mach’ das so, wie die das bei der Presseförderungsreform machen, nimm’ ein Faustpfand! – Und plötzlich heißt dieses Faustpfand Wetscherek.


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Herr Minister! Das ist sachlich nicht gerechtfertigt. Tatsache ist aber – diesbezüglich hat der Minister Recht –, auch ich würde dem Herrn Generaldirektor empfehlen, diese beiden Aufsichtsratspositionen schon heute und nicht erst morgen zurückzulegen, denn dass die beiden Positionen – angesichts dessen, was vor uns steht – mit der Funktion in der Pensionsversicherung wahrscheinlich unvereinbar sind, liegt auf der Hand.

Das Erste: Die "Kollegialität" stellt sicher in manchen Bereichen eine Konkurrenz zu der Pensionsversicherungsanstalt dar. Das würde also nicht gehen.

Zum Zweiten werden Grundstücke verkauft. Ich nehme an, Kollege Maier, der jetzt nicht da ist, würde uns sagen: Natürlich sind wir vom UNIQA-Konzern an diesen Grundstücken interessiert. – In beiden Fällen kommt die Person des Generaldirektors ins Spiel.

Aber Herr Minister Haupt hat das vorher schon gewusst und hat auch damals gesagt: In beiden Fällen gibt es keine Unvereinbarkeit! (Rufe bei der SPÖ Aha!) Deshalb, meine Damen und Herren, ist an der Qualifikation des Herrn Generaldirektors Wetscherek nicht zu zweifeln und nicht zu rütteln. Ich finde, es ist ein schäbiges Spiel, dass diese Bestellung bis heute nicht unterzeichnet ist. Aber eines muss klar sein: Herr Generaldirektor Wetscherek hat in diesen beiden Aufsichtsratsfunktionen nichts mehr zu suchen. Das ist in der Tat nicht vereinbar.

Noch etwas ist in diesem Zusammenhang sehr interessant: Kollege Westenthaler ist wie immer so etwas wie ein Aufheller. Wenn wir manchmal nicht so genau wissen, warum das gerade so angesetzt wird, dann freut man sich immer, wenn Kollege Westenthaler in den medialen Ring tritt. Er hat gemeint, dieser rot-schwarze Proporz wolle kein Kontrollorgan. Damit, liebe Pensionsversicherung, verstehe ich langsam einiges. Wenn nämlich das FPÖ-Verständnis von einem Vizegeneraldirektor jenes ist, dass ein Kontrollorgan kommt, dass ein Mitglied einer Geschäftsführung als Kontrollorgan fungiert, dann würde ich allen ÖVP-Leuten dringend empfehlen, nicht nur mit einer Stimme, sondern mit allen sechs Stimmen in das andere Lager zu wechseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Das kann nicht im Interesse des Ministers Gaugg liegen, aber wenn man als Schutzheiliger agiert, ist ... (Rufe: Haupt!) – Danke, Frau Kollegin! Herr Haupt muss aufpassen, dass er von Gaugg nicht beerbt wird, das geht ziemlich schnell. Gaugg kommt und ist schon beim nächsten, Gaugg kommt und ist schon wieder beim nächsten.

Die Fusion dieser beiden Anstalten, meine Damen und Herren, ist sicherlich eine unglaubliche Arbeit, eine unglaubliche Hackn – so würde Kollege Schöls als alter Gewerkschafter sagen. Wenn da Gaugg nur eine Funktion hat, um Unruhe zu stiften, dann muss ich sagen, Herr Minister, Sie erweisen sich einen schlechten Dienst, wenn Sie sagen, lieber Gaugg, gehe da hinein, mach möglichst viel Unruhe und störe den Prozess des Zusammenwachsens zweier Pensionsversicherungen, den die Koalition will. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Wir kommen nun zu dieser Prüfung. Herr Minister! So ist es nicht, dass das nur ein Mitglied vom Überleitungsausschuss gesagt hat, dass sich Gaugg um die Dienstprüfung schrauben wolle. Er selbst hat mehrmals betont, dass das nicht unbedingt notwendig sei, aber ich meine, da wir heute schon andere Debatten hier hatten, diese Dienstprüfung des Herrn Haupt ist ... (Rufe: Gaugg!) – Des Herrn Gaugg! (Allgemeine Heiterkeit.) Diese Kärntner Namen klingen unglaublich ähnlich.

Diese Dienstprüfung des Kollegen Gaugg ist wesentlich humaner als die Deutschprüfung für Ausländer. Die einen werden abgewiesen, und der andere wird auf 5 000 € zurückgesetzt. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Haupt! Ich bin der Meinung, dass Sie hier Ihre Kontrollfunktion mit einer Steigbügelhalterfunktion verwechseln. Ich kann an Sie als zuständigen Minister nur appellieren. Dieser Überleitungsausschuss wurde im Parlament abgesegnet und hat in dieser Zusammensetzung auch das Vertrauen der Koalition gefunden. Wenn dieser Überleitungsausschuss dem Dienstvertrag des Kandidaten, über den man berechtigt und


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öffentlich diskutiert, zwei Mal in zwei Sitzungen keine Mehrheit gibt, dann ersuche ich Sie, dass Sie als oberstes Kontrollorgan nicht darüber nachdenken, ob Sie einzelne Leute dieses Überleitungsausschusses austauschen, sondern darüber nachdenken, ob nicht die Person selbst, die da zur Diskussion steht, ausgewechselt gehört. Schreiben Sie oder sagen Sie als Kontrollorgan endlich, dass diese Funktion neu ausgeschrieben wird, ohne dass es vorher zu einer Geheimsitzung kommt, und dass dann auch eine fachlich fundierte Bestellung erfolgt.

Diese politische Bestellung ist nichts anderes. Es ist eine politische und keine fachliche Bestellung. Diese politische Bestellung ist deutlich schief gegangen. Ziehen Sie daraus die Konsequenzen, ziehen Sie Herrn Haupt (Rufe: Gaugg!), Gaugg aus dieser Funktion zurück! Ich sage ja: diese Kärntner Namen! Aber irgendwann muss Minister Haupt bei Gaugg aufpassen.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Haupt! Hier mein Appell: Reden Sie mit Ihrem Parteifreund Gaugg, und sagen Sie dem Überleitungsausschuss, dass diese Funktion neu ausgeschrieben wird. Ich glaube, Herr Gaugg ist dafür disqualifiziert. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Roswitha Bachner, Klaus Gasteiger, Mag. Melitta Trunk und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Postenschacher für den FPÖ-Abgeordneten Gaugg – gesetzwidrige Zerschlagung der Selbstverwaltung (1989/J-BR/2002)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen.

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Albrecht Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

17.41

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister – nun in Ihrer Eigenschaft als Bundesminister und nicht in Vertretung von irgendjemandem! Das Thema hat sich nicht geändert, und es bleibt, wie wir nachdrücklich gezeigt haben, weiterhin aktuell.

Keine Frage: Eine lange Liste von Institutionen und Gruppen in diesem Land würde es begrüßen, wenn Herr Gaugg dem Appell, den schon manche an ihn gerichtet haben und den soeben Herr Schennach erneuert hat, nachkommen würde. Wenn Herr Gaugg diesen Don Quijote-Ritt gegen die Windmühlen der Pensionsversicherung abbrechen und reumütig in den Nationalrat – dann wird auch niemand seinen Rücktritt verlangen – zurückkehren würde, dann würde er damit zunächst einmal der Pensionsversicherung, die dann in Ruhe arbeiten könnte, einen sehr guten Dienst erweisen. Es ist nicht mein Problem, aber ich glaube, dass er auch der FPÖ damit einen sehr guten Dienst erweisen würde.

Die Krise um Herrn Gaugg wabert jetzt seit etwa acht Wochen. In dieser Zeit haben die Freiheitlichen, wenn man den Umfragen glauben darf, 4 Prozent verloren, das macht also ein halbes Prozent pro Woche, wenn das noch 36 Wochen weitergeht (Heiterkeit bei der SPÖ), dann kann man sich das mathematisch ausrechnen. Ob sich die Degression dann verflacht, ist


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eine interessante politologische Frage. Aber dass Ihnen das nicht gut tut, glaube ich eigentlich auch.

Es haben schon andere Persönlichkeiten, auch solche aus den Reihen des Koalitionspartners die nahe liegende Aufforderung ausgesprochen: Lasst es doch bleiben!, oder an die Adresse des Herrn Gaugg gerichtet: Lassen Sie’s doch bleiben! – Die Parole, die das einfachste aller Parteimitglieder ausgegeben hat, hat aber gelautet: Jetzt erst recht! Daher werden wir bei jedem neuen Versuch, Herrn Gaugg den Steigbügel zu halten, damit er dieses schwierige Ross Pensionsversicherung endlich besteigen kann, die Fehlhaltungen der Aufsichtsbehörde und die neuen Tricks, die man sich dazu einfallen lässt, anprangern und, wenn der Bundesrat tagt, auch gerne zum Gegenstand einer dringlichen Anfrage machen.

Herr Sozialminister! Sie haben die Anfragebeantwortung auf die erste der beiden Anfragen, die Sie zu beantworten hatten, sehr kurz gemacht – ich bin heute höflich –, aber Sie konnten naturgemäß auch nicht aus eigenem Wissen vorgehen, obwohl es durchaus ein paar Fragen gegeben hat, bei denen Sie eigenes Wissen eigentlich hätten einbringen müssen. Die Frage, seit wann die Frau Vizekanzlerin weiß, dass Sie die Bestellung von Wetscherek zurückhalten, müssten Sie eigentlich vom anderen Ende der Telefonleitung ganz gut wissen, aber Sie haben es uns nicht gesagt.

Herr Minister! Wir respektieren – unsere Minister haben das genauso für sich in Anspruch genommen –, dass am Beginn einer solchen Antwort eine verbale Zusammenfassung der eigenen politischen Motivationen steht, warum man so und nicht anders vorgeht.

Aber, Herr Bundesminister, ich mache darauf aufmerksam, eine dringliche Anfrage besteht aus einer Begründung, auf die man mit so etwas antworten kann, und aus konkreten Fragen, und wir würden eigentlich schon Wert darauf legen, dass Sie diese konkreten Fragen konkret beantworten. Auch bei der parlamentarischen Auseinandersetzung gibt es gewisse Regeln, und ich würde Sie höflich bitten, diese einzuhalten.

Kollege Böhm hat sich über die segensreichen dringlichen Anfragen der Freiheitlichen so verbreitert. Ich erinnere mich an Verkehrsminister Streicher, der Ihre – ich will das nicht qualifizieren – konkreten Anfragen in diesem Fall so lange konkret beantwortet hat, bis ihm die Stimme "weggestorben" ist, und Frau Vizepräsidentin Haselbach es außerhalb der Geschäftsordnung übernommen hat, den vorbereiteten Text für die restlichen 20 Fragen zu verlesen.

Herr Minister Haupt! Wenn Sie ein verbales, sprachliches Kehlkopfproblem haben und ab der Frage zehn oder zwölf nicht mehr antworten können, dann kann das vielleicht Herr Böhm in technischer Hinsicht übernehmen, aber eine Antwort hätten wir schon gerne. Wir würden es nicht schätzen, wenn einmal mehr mit ein paar allgemeinen Bemerkungen über eine sehr konkrete Frage hinweggegangen wird.

Um Ihnen diese Selbstverständlichkeit der parlamentarischen Auseinandersetzung in Erinnerung zu rufen, habe ich jetzt nicht die Absicht, einmal mehr die Geschichte der Bestellung des Herrn Gaugg zu erzählen, das ist mehrfach geschehen, auch in der heutigen Sitzung. Die Geschichte wird nicht appetitlicher, wenn man sie öfter erzählt, aber ich möchte ein paar Bemerkungen zu unseren ganz konkreten Fragestellungen machen, vielleicht sind das Hinweise darauf, Sie könnten sonst eine vergessen oder übersehen.

Es gibt also zunächst einmal einen Komplex von fünf Fragen, die sich mit dem Thema beschäftigen, das schon in der vorigen Debatte eine gewisse Rolle gespielt hat. Da gibt es einen Überleitungsausschuss, der mittels einer Novelle, die Sie oder Ihr Haus entworfen haben, die im Nationalrat und im Bundesrat beschlossen wurde, geschaffen wurde und dem bestimmte, relativ weitreichende Kompetenzen überantwortet wurden. Herr Wetscherek ist mit einer, wie vom Herrn Staatssekretär bemerkenswerterweise erwähnt und nicht von Ihnen ausgeführt wurde, überwältigenden Mehrheit zum Generaldirektor gewählt worden.

Wir fragen Sie korrekterweise – aber die Antwort ist nach Ihren eigenen öffentlichen Erklärungen klar –, ob Sie diese Bestellung inzwischen genehmigt haben. Wir fragen Sie weiters,


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ob Sie der Meinung sind, dass das etwas ist, was unverzüglich zu geschehen hat, oder ob es Ihrem Belieben obliegt, als Aufsichtsbehörde irgendwann einmal diese Bestellung zu genehmigen. – Ich darf an dieser Stelle die Bemerkung hinzufügen: Es ist eine interessante Frage, was der nicht bestätigte Herr Wetscherek eigentlich im Augenblick rechtlich ist. Er agiert – ich würde das auch tun an seiner Stelle, weil sonst überhaupt niemand in diesem Haus da ist, der als Generaldirektor verantwortlich Entscheidungen trifft –, aber er tut es halt ohne Ihre Bestätigung.

Sie können sich auch nicht um die Frage drücken, wie Sie als jemand, der auf die Verfassung dieser Republik vereidigt ist – das ist allerdings der Kärntner Landeshauptmann auch, aber er pflegt sich nicht darum zu kümmern, aber er hat auch nicht als Landeshauptmann, sondern als freiheitlicher Politiker gesprochen, und diese sind auf gar nichts vereidigt, das weiß ich schon –, reagieren, wenn Sie dieser Landeshauptmann auffordert, diesen Vertrag nicht zu genehmigen. Das ist nichts. Die Genehmigung einer Bestellung (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann ) durch ein dazu befügtes Organ ist kein Gegenstand der politischen Auseinandersetzung.

Der Herr Landeshauptmann hat nicht behauptet, dass ihm irgendwelche Kenntnisse vorliegen, die diese Bestätigung rechtswidrig machen würden. Er hat es genau als das gemeint, wie es heute in der Debatte schon gesagt wurde: als politisches Faustpfand. – Ein bisschen würgen, dann werden sie schon weich! Wenn wir den schwarzen Wetscherek würgen, wird es zu guter Letzt die Ein-Stimmen-Mehrheit für den Vertrag Gauggs geben.

Sehen Sie: Genau das ist objektiv rechtswidrig. Das ist nicht Gegenstand der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde. Das ist politische Willkür! Und diese politische Willkür hat in unserer Rechtsordnung keinen Platz! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Sie haben – das haben Sie in der Öffentlichkeit angekündigt – ein Rechtsgutachten über Herrn Wetscherek eingeholt. Da ich nicht annehme, dass Sie das privat getan haben, sondern als Aufsichtsbehörde, ist es ein legitimes parlamentarisches Interesse, den Inhalt dieses Gutachtens zu kennen. Sie haben offenbar ein weiteres Gutachten in Sachen Nebentätigkeit – da teile ich die Meinung des Kollegen Schennach völlig – in Auftrag gegeben.

Es ist einigermaßen eigenartig, dass die Aufsichtsbehörde – ich unterstelle, dass das nicht Ihr Privathobby war – auf Kosten der Steuerzahler Gutachten bestellt und diese dann einer Privatveranstaltung, nämlich dem Koalitionsausschuss vorlegt. Die österreichische Bundesverfassung ist relativ kompliziert. Sie kennt Vieles, auch den Bundesrat. Den Koalitionsausschuss kennt sie aber nicht. Er ist kein Organ der Bundesverwaltung, er ist keine Unterabteilung der Bundesregierung, er ist eine Privatveranstaltung von zwei Parteien. Mir scheint das in höchstem Maße problematisch zu sein.

Sie haben darüber hinaus bisher nicht gesagt ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber. ) – Ja, ich habe mich ein bisschen verkutzt, Herr Kollege! Das ist beim Thema Gaugg nicht wirklich ein Wunder. Das geht eigentlich ein bisschen weiter. Aber es würde der Würde des Hauses nicht entsprechen, zu erzählen, welche Körperreaktionen ich im Zusammenhang mit Gaugg bekomme. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Es bleibt Ihnen Ihre eigene Unwahrheit im Hals stecken!)

Max Liebermann war es, der den schönen Satz gesprochen hat: Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte. – Er hat ihn allerdings auf jemand anderen bezogen. (Bundesrat Dr. Lindinger: Sozialistische Maxime!)

Max Liebermann kann man kunstgeschichtlich allerhand nachsagen (Heiterkeit bei der SPÖ), aber dass er jemals in die Nähe der Sozialdemokratie geraten ist, ist mir historisch nicht bekannt, aber es würde mich freuen. (Bundesrat Dr. Lindinger: Das Kotzen meine ich, scheint sozialistische Maxime zu sein!) – Keineswegs. Wir versuchen es zu vermeiden, aber wir werden manches Mal provoziert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Bei dem, was Sie ... gefressen haben, wundert es mich nicht, das Ihnen das Kotzen kommt!)


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Lassen wir nun den Stoffwechsel! Sie informieren sich darüber, wer Herr Liebermann war, dann reden wir über dieses Thema gerne weiter.

Herr Bundesminister! Sie haben also bisher keine einzig zulässige Antwort auf die Zurufe gegeben, dass die Bundesgesetzgebung nicht dazu da ist, Ansprüche, die die Herren Haider und Westenthaler formulieren, zu exekutieren – weder auf der Ebene der Gesetzgebung noch auf der Ebene der Regierung und der Aufsichtsbehörde. Ganz abgesehen von allem, was vorher im Rahmen der Bestellungsvorgänge passiert ist: Die letzten beiden Tage waren ein demokratiepolitischer Skandal. Zurufe, einen Vertrag nicht zu genehmigen, Zurufe, den Stall auszumisten, Zurufe, den Generaldirektor in die Wüste Gobi zu schicken – das ist nicht nur schlechter Stil, das ist schlicht und einfach gegen alle Grundsätze der Entscheidungsfindung in einer Demokratie. Das ist genau die Diktatur einiger wortgewaltiger Funktionäre. (Beifall bei der SPÖ.) Es liegt an Ihnen, Herr Bundesminister, ob Sie sich zu deren Erfüllungsgehilfen machen wollen oder nicht.

Die Geschichte der österreichischen Sozialversicherung ist im Wesentlichen eindrucksvoll. Es wird Ihren Platz in dieser Geschichte wesentlich determinieren, wie Sie mit solchen Zurufen umgehen. Genau deshalb fragen wir Sie, welche legistischen Initiativen Sie planen. Wenn Sie jetzt meinen – ich habe das vorhin einmal gesagt –, man müsse an der Zusammensetzung eines wie immer benannten Entscheidungsgremiums so lange herumbasteln, bis eine Mehrheit für Herrn Gaugg gesichert ist, dann ist das genau das, was ich befürchte. Unser Gaugg – so meinen manche bei Ihnen – muss einfach durch.

Ob der Koalitionspartner umgefallen ist oder ob es der eigene Dissident war, das weiß ich so wenig wie irgendjemand anderer, wissen tut das nur Herr Westenthaler. Er hat gesagt, er weiß es genau, und den wird er würgen. Gut, das ist nicht mein Stil. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber wenn er es weiß, dann bleibt ihm unbenommen, was immer er tun möchte, soferne er damit nicht mit dem Strafgesetz in Konflikt kommt – beim Würgen, so glaube ich, sind wir jenseits dieser Grenze. Aber die Entscheidung eines ohnehin in Abweichung von den demokratischen Mehrheitsverhältnissen unter den Versicherten zusammengesetzten Gremiums ist wohl auch dann zu respektieren, wenn sie einem nicht gefällt.

Sehen Sie, genau das ist der springende Punkt beim Demokratieverständnis. Es ist jeder Partei schon einmal passiert, dass Gremien, auf deren Entscheidung man gehofft hat oder mit denen man sogar gerechnet hat, etwas anderes beschlossen haben, als man erwartet hat. Man muss auch mit Niederlagen umgehen können. Das ist eine schmerzliche Erfahrung, das sage ich aus meinem langen politischen Leben. Aber es zeichnet den Demokraten aus, nicht die Spielregeln zu ändern, sondern zu versuchen, die demokratischen Mehrheiten für das, was man will, zu erreichen. Wenn Sie versuchen, die Spielregeln zu verändern, dann verrät das einen demokratischen Stil, der abzulehnen ist. (Bundesrat Dr. Lindinger: Das Mehrheitswahlrecht wollen Sie einführen! Das ist Ihre sozialistische Politik! Sie predigen hier die Demokratie, und in Wirklichkeit wollen Sie etwas anderes!)

Herr Kollege! Ich kann gerne auch über ein anderes Thema sprechen, wenn es sein muss, auch über Wahlrechtsreform. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ja bitte!) Ich unterliege hier als Begründer keiner Redezeitbeschränkung. Wenn der Herr Präsident das als zum Thema gehörig genehmigt, dann machen wir jetzt einen kurzen Abschnitt über Wahlsysteme und deren demokratiepolitische Auswirkungen. Herr Präsident! Habe ich Ihre Zustimmung? (Vizepräsident Weiss nickt.) – Gut.

Ich komme gerne auf Herrn Gaugg zurück, aber reden wir über Wahlsysteme. Wir haben eine Reihe von Ländern, die seit langer Zeit in ihrer politischen Kultur durch extreme Formen des einen oder des anderen Wahlrechtes geprägt sind. (Bundesrat Dr. Nittmann: Zum Beispiel?) Zum Beispiel wird niemand in Großbritannien – auch nicht die Partei, die unterlegen ist – ein Problem damit haben, dass die mit überwältigender Mehrheit das Parlament dominierende siegreiche Partei (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger ) üblicherweise – ganz egal, wie sie heißt – weniger als 40 Prozent hat. Es ist in einem Zweieinhalb-Parteien-System, wie Sie es in Großbritannien haben, die logische Konsequenz, dass die Mehrheitspartei üblicherweise


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keine Bevölkerungsmehrheit hinter sich hat. Zu diesem System gehört – auch das kann man nicht willkürlich einführen – beispielsweise eine manchmal ziemlich groteske Überrepräsentation ländlicher Wahlkreise. Das ist ein Stück britischer oder vereinigt königreichlicher Identität, das man zur Kenntnis ... (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. )

Das war das, was der Kollege hören wollte. Wenn es Ihnen nicht Recht ist, reden wir über Kanarienzucht, wenn es der Herr Präsident zulässt. Ich erkläre Ihnen jetzt: Das gilt nicht, einen Ball ins Spielfeld zu werfen und dann zu sagen, das wollen wir aber nicht hören. (Beifall bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Es ist auch Ihre Zeit. Aber der Kollege hat mich höflich eingeladen, und ich kann einer solchen Einladung nicht widerstehen. Frau Kanovsky ist es jetzt nicht Recht. Schlagen Sie ein Thema vor! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.)

To cut it short: Dieses System hat sich in Wirklichkeit in 300 Jahren für Großbritannien bewährt, weil es ein Stück der nationalen Identität geworden ist. Wenn jemand, der all das nicht mitbekommen hat, sozusagen diese 300 Jahre Parlamentsgeschichte verschlafen hat, in das Land kommt und fragt: Seid ihr verrückt geworden? Wieso wählen etwa 18 000 Wähler in einem Schafzüchterwahlkreis in Schottland einen Abgeordneten und 60 000 Londoner? (Bundesrat Mag. Gudenus: Haben Sie was gegen Schafe? – Allgemeine Heiterkeit.) – Herr Kollege! Das ist ein Missverständnis! Auch im Mehrheitswahlrecht sind die Schafe nicht stimmberechtigt. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Dann wird vielleicht ein Engländer verblüfft sein, weil er nie daran gedacht hat. Wir in Österreich haben ein System – das gehört zu unserer Identität – eines extremen Verhältniswahlrechtes. Ich bin überzeugt, wenn wir mit unserer Bevölkerung darüber diskutieren würden und man Abgeordnete halbieren könnte, gäbe es eine Mehrheit dafür. Es ist die österreichische politische Tradition mit ein paar Abweichungen, die auch geschichtlich zu erklären sind, ein möglichst exaktes Abbild der Prozentanteile zumindest im Nationalrat, im Landtag – wir sind ein bisschen anders, wir sind immer anders, auch hier – wiederzubekommen.

Es gibt auch Länder die das ohne Sperrklausel machen, Israel ist ein typisches Beispiel. (Bundesrat Dr. Nittmann: Italien!) – Das ist anders. Sie haben ein etwas komplizierteres System. Israel hat ein einfaches System, ein nationaler Wahlkreis, die Sperrklausel ist 1 Prozent. Das erreicht jeder, sofern er eine etwas größere Familie hat, und damit ist jeder drin. Das Resultat ist die Fragmentierung der israelischen Politik, da jede Regierung nicht weniger als 15 Parteien umfasst, weil anderweitig keine Mehrheiten zu finden sind.

Wenn man jetzt sagt, dieses System, das wir und das viele europäischen Länder in Abwandlungen haben, hat seine Meriten wie etwa die exakte, aber nicht fragmentierende Abbildung der Bevölkerungsmeinung, aber das Mehrheitswahlrecht hat – und das weit über die Repräsentanz von bestimmten Gruppen hinaus – einen ungeheuren Vorteil: Es ergänzt, es forciert den gesellschaftlichen Kontext, und es macht es für Parteien ziemlich kostspielig – der Preis ist eine Wahlniederlage –, sich zu weit aus der Mitte zu entfernen!, dann ist das auch ein Wert.

Im Gegensatz zu dem, was Sie Herrn Dr. Gusenbauer unterstellen, kann man auf einer politologischen Ebene – wenn die Kollegin wiederkommt, sagen Sie ihr, dafür habe ich meinen Professor bekommen, nur damit sie es weiß; es gibt manche Zwischenrufe, die nichts ins Protokoll eingehen, was für allem für jene, die sie tun, sehr gut ist – fragen, ob es Möglichkeiten gibt und ob es unserer aktuellen historischen Situation angemessen ist, das System zu wechseln oder eine Kombination von Systemen zu erreichen.

Ich habe mich persönlich vom deutschen Wahlrecht immer sehr sympathisch angesprochen gefühlt, das auf der einen Seite eine starke Direkt- und damit Mehrheitswahlkomponente enthält, andererseits aber die objektive Zusammensetzung des Parlaments, die gesamthafte Zusammensetzung trotzdem in einem ziemlich exakten Verhältniswahlrecht forciert – mit dem Schönheitsfehler, dass durch das Modell der Ausgleichsmandate gelegentlich einzelne Bundes


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länder weit über ihre Stärke hinaus vertreten sind, was nicht den Parteienproporz, wohl aber den Länderproporz verzerrt.

Ich halte es für richtig und gut, dass wir in diesem Land eine Diskussion über Wahlsysteme anstoßen. Unser Wahlsystem ist mit Sicherheit einer der schlechteren Kompromisse. Ich bekenne mich zu dieser Kritik – nicht zum Wahlsystem. Wir haben damals, als wir das gegenwärtige Wahlsystem geschaffen haben, nicht den Mut gehabt, zu Einer-Wahlkreisen zu gehen, und haben uns in schwierigen Verhandlungen zu diesen Mischeinheiten der kleinen Wahlkreise, die nicht Einer-Wahlkreise sind, aber auch keinen gewachsenen historischen Einheiten entsprechen, entschieden. Wir haben es alle genehmigt. Da hat keiner keinem etwas vorzuwerfen. Aber ich halte es für keine gute Lösung – Jenseits einer Mehrheitsbeschaffung, trefflich. Herr Kollege! Sie wissen so gut wie ich, dass ein Abgehen vom Verhältniswahlrecht in diesem Fall sogar eine Verfassungsmehrheit erfordern würde. Ich bin schon von unserem Wahlsieg überzeugt, aber an die Zwei-Drittel-Mehrheit im nächsten Jahr glaube ich doch nicht wirklich, und daher werden wir über Verbesserungen unseres Wahlrechts miteinander diskutieren müssen. Sie sollten Kollegen Gusenbauer nicht zu unterstellen versuchen, dass er hinter dem Rücken der Bundesverfassung eine SPÖ-Mehrheit herbeihantiert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie ist das jetzt in Italien? – Das möchte ich noch gerne wissen!) – Nein. Diese Vorlesung bekommen Sie dann privat.

Frau Präsidentin! Ich möchte also ganz gerne, weil mir auch Herr Gaugg sehr am Herzen liegt, zum Thema unserer dringlichen Anfrage zurückkehren und auch aus Rücksicht auf Sie, Herr Minister, aber es war keiner von uns, der eine weitere Vorlesung eingefordert hat. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist wenigstens etwas Gescheites in Ihren Ausführungen!) – Gut. Danke, danke. So viel Lob habe ich mir von den Freiheitlichen nicht zu erträumen gewagt. Ich werde mir überlegen, was ich falsch gemacht habe. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ich meine eh nur den Auszug! Ich meine eh nur den Auszug!)

Kehren wir zurück zu Herrn Gaugg beziehungsweise – in diesem Fall ist es kein Sprechfehler – zu Herrn Minister Haupt, der es ist, der unsere Anfragen bitte beantworten möge. Ich war an der Stelle, als ich gesagt habe, wir würden von Ihnen gerne wissen, welche legistischen Schritte Sie planen, und ob Sie welche planen, die die Strukturen und vor allem die Strukturen der Entscheidungsgremien verändern. Sie haben des Weiteren – das ist in der Öffentlichkeit deutlich betont worden – gesagt, dass der stellvertretende Generaldirektor unter anderem den Bereich Finanzen zugeordnet bekommt. Die Frage an Sie lautet: Wer hat das wo entschieden? Mit wem haben Sie das vereinbart? – Da gibt es noch ein Protokoll, in dem Sie dem Generaldirektor, den Sie noch nicht bestätigt haben, eine Dienstanweisung erteilen, wie er mit Herrn Gaugg umzugehen habe und was er ihm zu bieten habe. Ist das bei der Gelegenheit mitbesprochen worden?

Dann kommen wir zu dem Komplex Aufsichtsbehörde in der umgekehrten Richtung. Ich bin nicht der Richter über Ihr Amtsverständnis, aber wenn Sie für eine Institution wie die Pensionsversicherung verantwortlich sind, dann ist es sicher Ihr gutes Recht einzugreifen, wenn Sie glauben, dort Missstände zu erkennen. Dazu gibt es eine Aufsichtsbehörde.

Ich halte es allerdings für absolut unzulässig, dass sich dieselbe Aufsichtsbehörde – aber vielleicht haben Sie das vom Herrn Bundeskanzler gelernt – in nobles Schweigen hüllt, wenn über diese Ihrer behördlichen Aufsicht – ich meine damit auch einer gewissen Fürsorgepflicht – unterliegenden Pensionsversicherung mit Ausdrücken wie rot-schwarze Lemuren, vertschüssen, Funktionäre frech wie Oskar, geldgierig wie Elstern und unfähig wie Schildbürger, herrschendes stalinistisches System hergezogen wird.

Herr Minister! Da sind Sie gefordert, einfach klarzustellen, dass es hier eine Aufsichtsbehörde, nämlich Sie, gibt. Dann, wenn es Vorwürfe gibt, die sich substanzieren lassen – Lemuren ist auch in irgendeinem kleinen Bezirksgericht außerhalb dessen, was wahrheitsbeweisfähig ist, würde ich einmal unterstellen –, müssen Sie doch diese Institution gegen ungerechtfertigte Vorwürfe verteidigen. Ich erwarte das von Ihnen, und wir fragen Sie das, weil das kein Entschließungsantrag ist, aber zugleich sage ich dazu: Wir erwarten es von Ihnen!


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Wir fragen Sie nochmals: Wenn der Sondervertragsentwurf – beschlossen ist keiner von diesen Texten – tatsächlich Gegenstand von Gesprächen und Vereinbarungen zwischen dem Herrn Bundeskanzler und der Frau Vizekanzlerin gewesen sein soll – das war die Frage, über die Sie sich bei der ersten Dringlichen so nobel hinweggeholfen haben –, dann müssen Sie dafür gesorgt haben, dass der Entwurf hinkommt. Ich nehme nicht an, dass Herr Landeshauptmann Haider ihn anonym an die Frau Vizekanzlerin und den Herrn Bundeskanzler geschickt hat. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ein reizvoller Gedanke!) – Wenn Sie es reizvoll finden, dass Herr Haider in Zukunft anonym agiert, kann ich Ihnen nur Recht geben. (Bundesrat Mag. Hoscher: Nur vermummen darf er sich nicht!)

Es muss wohl die amtliche, offizielle Vorlage aus Ihrem Ressort gewesen sein, die Sie wohl gekannt haben. Uns ist der Punkt schon sehr wichtig. Stellt sich – entschuldigen Sie, ich habe schon wieder Landeshauptmann gesagt, aber ich bin eben ein angeboren höflicher Mensch – der FPÖ-Politiker Haider hin und stellt völlig unbewiesene und unbeweisbare Behauptungen auf, oder hat uns der Herr Staatssekretär nicht die Wahrheit gesagt über das, was der Herr Bundeskanzler getan hat?

Herr Minister! Sie werden verstehen, das ist eine ziemlich zentrale Frage. Sagen Sie mir bitte als Antwort nicht, die zwei träfen sich ständig, und Sie hätten keine Ahnung, worüber sie üblicherweise miteinander reden!

Wir haben schließlich ein paar konkrete Fragen zur Abwicklung der Bestellung des Herrn Gaugg. Da kann ich mir einen näheren Kommentar ersparen.

Wir kommen zum Schluss zu einer Frage, die auch sehr ernst ist, weil es darum geht, eine Behauptung, die Sie in diesem Haus ausgesprochen haben, zu überprüfen. Die Medien und auch wir – und das erneut! – haben Sie mit dem Protokoll konfrontiert, das Sie kennen, in dem festgehalten wird – vielleicht sind Sie deshalb so böse auf ihn, und Herr Wetscherek hat bestätigt, dass das so stimmt, da kann man schon ein bisschen grantig werden –, dass es hier im Haus eine Sitzung im FPÖ-Klub gegeben hat, bei der punktgenau – allerdings ohne Störfaktoren, mit dem Überleitungsausschuss haben Sie nicht gerechnet – die Bestellungen in der Pensionsversicherung ausgemacht wurden, wer was wird, wenn derjenige bereit ist, nach eineinhalb Jahren zu gehen, wird er leitender Arzt und wenn nicht, wird es gleich der andere. – Eine Partitur für sieben Stimmen.

Eine wichtige Stimme hat jemand gehabt, der hier ständig als unabhängiger Personalberater zitiert wird. Aber er hat dort nicht als Personalberater die Bassstimme übernommen, sondern als derjenige, der die Medienarbeit organisieren soll. Das ist nicht wirklich die Aufgabe eines Personalberaters, aber für das verhältnismäßig hohe Honorar – da bin ich Ihrer Meinung – darf er schon Einiges tun, auch wenn er bekanntlich gesagt hat, die Hälfte davon betrachte er als Schmerzensgeld. Ein bisschen Medienarbeit und die Organisation einer Pressekonferenz sind auch noch drinnen.

Sie haben also hier vor dem Haus gesagt, dieses Protokoll sei eine Fälschung. Sie haben das gesagt, obwohl wir Ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt vorgehalten haben, dass Generaldirektor Wetscherek in der Öffentlichkeit gesagt hat, ja, diese Sitzung habe es gegeben, und auch Sie seien dabei gewesen.

Daher ist die Frage, ob Sie inzwischen über Ihre Kanäle – ich meine, das Protokoll ist offensichtlich im FPÖ-Klub produziert worden, da sollten Sie einen gewissen Kontakt haben und auch wissen, wo er ist und wo seine Fotokopierer stehen und welcher davon das Kürzel "FPC5" hat, was auch nicht wirklich ein Kürzel ist, das üblicherweise die Grünen oder die Sozialdemokraten verwenden, aber soll sein – erfahren haben, wer dieses Protokoll korrekt oder inkorrekt verfasst hat. Wenn es inkorrekt ist, wenn es nach Ihren Worten eine Fälschung ist: Welche rechtlichen Schritten haben Sie gegen den Ihnen bekannten oder vielleicht auch noch unbekannten Fälscher gesetzt?


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Das ist jetzt ein paar Wochen her, Sie haben sehr erregt getan. Wenn es also irgendetwas gibt, was hier falsch war, dann muss man wohl als der Ressortverantwortliche etwas tun, um es richtig zu stellen und nicht nur zu sagen, das stimme nicht.

Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen mit Ausnahme des provozierten Exkurses in die Region des Wahlrechtes im Hinblick auch auf die Uhrzeit längere Abschweifungen erspart. Wir alle wissen, wovon wir reden, wir haben unsere Meinungen dazu. Aber das Wesen einer dringlichen Anfrage – da bin ich mit Herrn Professor Böhm nicht einer Meinung, er ist auch nicht dieser Meinung, aber eine Presseaussendung klingt eben so – ist nicht unsere Selbstdarstellung, sondern ich habe Ihnen jetzt sehr bewusst unsere Motivation zu 27 konkreten Fragen dargelegt. Wir hätten gerne echte Antworten, um unsere Meinungsbildung ein bisschen verdichten zu können und vielleicht näherungsweise darauf zu kommen, was da tatsächlich gespielt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

18.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.16

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Professor! Ich möchte ganz kurz auf Ihr Extempore über das Wahlrecht eingehen, weil es auch Gegenstand der ersten und zweiten dringlichen Anfrage des heutigen Tages war und Kollege Schennach quasi eine Überleitung von der zweiten dringlichen Anfrage zur dritten dringlichen Anfrage mit Fragen in den Raum gestellt hat, die jetzt zu beantworten sind. Ich setze voraus, Frau Präsidentin, dass ähnlich wie für den Herrn Professor auch für mich die Duldung von Seiten des Präsidiums gilt, darauf einzugehen.

Ich glaube, es ist ganz klar, Herr Professor – Sie haben es auch klar dargestellt –, dass es in Europa, ohne dass es als undemokratisch empfunden wird, zwischen Mehrheitswahlrecht und Proportionalitätswahlrecht, wie es etwa in Holland in hohem Ausmaß besteht, wie Sie es für Israel angeführt haben, durchaus eine Bandbreite von demokratischen Wahlsystemen gibt.

Ich glaube daher auch, dass innerhalb der Selbstverwaltung ein Wahlverständnis herrscht. In der österreichischen Demokratie ging es seit der Wahlrechtsänderung 1971/72 weg von einem historisch gewachsenen und mit den Bundesländergrenzen versehenen ungleichen Mehrheitswahlrechtssystem zu einem, wie Sie zugegeben haben, aus Ihrer und auch aus meiner Sicht, wenn ich die parlamentarischen Debatten zu Wahlrechtsreformen und -änderungen betrachte, tragfähigen und mit den verfassungsmäßigen Mehrheiten aller Parteien der damaligen Zeit abgesicherten Wahlrecht. Es gab dazu einen mehr oder weniger geglückten oder ungeglückten, aber auf jeden Fall verfassungsmäßig tragfähigen Kompromiss, der zu einer Änderung der Wahlkultur in diesem Lande vor immerhin drei Jahrzehnten – nahezu fast auf den Tag genau, wenn ich die Zeit der Beschlussfassungen richtig im Kopf habe – geführt hat.

Jetzt gibt es eine Debatte über die Herstellung einer gleichen Wahlkultur innerhalb der Selbstverwaltungsträger, und zwar weg von dem Proportionalwahlrecht und einem vorherigen Mehrheitswahlrecht, das bei mehr als 50 Prozent der Stimmen nahezu 100 Prozent der dort zu besetzenden Positionen gerechtfertigt hat. Man hat zwar, wenn man Positionen abzugeben hat, keine Freude, aber schlussendlich ist in der Kultur, die seit 30 Jahren in der österreichischen Demokratie für Wahlrechte und für Wahlrechtsempfinden besteht, durchaus nicht die große Katastrophe auf Grund einer Änderung durch diese Bundesregierung herbeigeführt worden.

Sie haben sich auch richtigerweise daran erinnert, Herr Professor, dass ich auch als Abgeordneter und Sozialsprecher bei den entsprechenden Anträgen im Parlament durchaus diese Meinung vertreten habe und sie auch nach wie vor noch heute vertrete.

Herr Professor! Drei Jahrzehnte nach der Änderung der Wahlkultur in Österreich – bei aller Kritik, die Sie haben, und bei aller Kritik, die auch durchaus andere in anderen Parteien immer wieder formuliert haben und die etwa in den steirischen Gesprächen im September artikuliert


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wurde – kann es zu durchaus anderen Anregungen von Seiten der Vertreter des Bundesrates und der Österreichischen Volkspartei, aber auch von Mitgliedern aller anderen Parlamentsparteien kommen. Eine Weiterentwicklung des Wahlrechts, eine Weiterentwicklung der Demokratie sind nicht das große Foul an der Demokratie, sondern nur ein Versuch einer Änderung mit den derzeit demokratischen und zukünftig gültigen Mehrheiten.

Herr Professor! Sie werden mir zubilligen, dass ich in der öffentlichen Debatte, auch in der Frage, die Sie als entscheidend zu beantworten betrachtet haben, selbstverständlich immer klar zwischen politischen Aussagen des Herbert Haupt und den Aussagen als Aufsichtsorgan und Bundesminister Herbert Haupt unterschieden habe. Ich halte eine Vermischung von beiden Positionen weder für günstig noch für die Demokratie für zuträglich und schon gar nicht für eine Institution wie die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und Angestellten mit mehr als 80 Prozent der österreichischen Sozialversicherten in ihrem Fundus – mit all den Hoffnungen und Lebensplanungen, die Mitbürger haben.

Herr Professor! Sie waren in Ihren Ausführungen zur jetzigen Anfrage aus meiner Sicht etwas inkongruent. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass das Institut Jenewein für die Position des Generaldirektors zwei Personen vorgeschlagen hat, die es aus dem Kreise als akzeptabel und geeignet betrachtet hat, und nicht nur eine Person. Es hat für die Position des Generaldirektor-Stellvertreters schlussendlich vier Personen gegeben. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass man auf der einen Seite dem Institut Jenewein eine ungerechte Auswahl vorwirft und auf der anderen Seite die Positionen, wie Sie oder zumindest Vertreter Ihrer Fraktion in den ersten Anfragen deponiert haben, die Ihrer Überzeugung nach auch durch das Bestellungsverfahren bestätigt worden sind, die ein gutes Ergebnis gebracht haben, um das volkstümlich auszudrücken, nicht in Frage stehen.

Ich glaube, man sollte auch in der Argumentation intern kongruent bleiben. Denn die Auswahl für die Position des Generaldirektors war offensichtlich in Ordnung, und bei jener für den Generaldirektor-Stellvertreter war – wie der Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Nationalrat, Universitätsprofessor Van der Bellen gesagt hat – nicht die Höhe des Geldes das Erschreckende für eine Institution mit 6 700 Mitarbeitern ab 1. 1. 2003, wenn beide Anstalten zusammengelegt sind. Die Diskussion über Summen und Hierarchie sollte man nüchtern führen.

Ihnen allen ist wie mir aus meiner Zeit als Mitglied des Rechnungshofausschusses der Einkommensbericht der Republik Österreich bekannt. Ich würde alle Damen und Herren ersuchen, den Einkommensbericht der Republik Österreich, die dort aufgelisteten Unternehmungen, die bezahlten Durchschnittshonorare der jeweiligen Generaldirektoren, Generaldirektor-Stellvertreter, der Aufsichtsratsvorsitzenden und der Aufsichtsräte anzusehen. Dann werden Sie mir durchaus Recht geben, dass das Gehaltsgefüge auch in den beiden Verträgen, wie es vorgelegt worden ist, durchaus im Rahmen, ja sogar im unteren Drittel der dortigen Institutionen angesiedelt ist.

Ich möchte auch darauf hinweisen, Herr Professor, dass ich die Nicht-Gegenzeichnung für Hofrat Dr. Wetscherek schon lange vor den Aussagen des Landeshauptmannes von Kärnten und anderer getätigt habe und daher nicht auf Zuruf reagiert habe. Wenn ich sofort gegengezeichnet hätte, wäre der Zuruf als solcher völlig illusorisch, denn etwas, dem ich zugestimmt habe, kann ich außer in der Form nicht aufheben.

Ich sage aber auch in der Klarheit, wenn ein Mann wie Herr Dr. Masser, der mit seinen damaligen Bemühungen und Anregungen immerhin den Noricum-Ausschuss hervorgerufen und auch im Lucona-Ausschuss maßgebliche Hinweise gegeben hat, der sein Missbehagen als rechtskundiger Bürger dieser Republik in manchen Dingen zum Ausdruck brachte und eine Sicht hatte, die für mich als Aufsichtsbehörde interessant war, so habe ich dem nachzugehen. Ich werde auch als Aufsichtsbehörde all diesen Dingen nachgehen. Die Beamten meines Hauses, die die Aufsichtsfunktionen für mich ausüben, haben auch die entsprechenden Aufträge, das schnell, zügig und generell zu machen.


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Sehr geehrter Herr Professor! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist in unserer Republik nichts Ungewöhnliches, dass sich Minister, die gewählte Funktionäre dieses Staates sind, wozu es auch einen Staatskonsens gibt, dass Ministerämter aus allen Bevölkerungsschichten bekleidet werden können, dann, wenn sie Rechtszweifel haben, Universitätsprofessoren oder Instituten bedienen, um diese Rechtszweifel und die Rechtsansicht, die sie haben, evaluieren zu lassen. Für ihre Entscheidungen erhalten sie dann eine auch vom Haus und den eigenen Positionen unabhängige Sicht, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ihren Beamten – was im Dienstrecht für Beamte vorgegeben ist – eine Weisung gegeben und damit eine Entscheidung der Aufsichtsbehörden herbeigeführt zu haben, die nicht traditionell ist oder unter Umständen anders gesehen werden kann. Ich glaube daher, dass das nichts Ungewöhnliches ist.

Ich bin Herrn Kollegen Schennach durchaus dankbar, dass er in der Unvereinbarkeitsregelung eine gleiche Sicht hat wie ich. Ich sage das auch in der Klarheit: Es ist für mich unvorstellbar, dass auf die Volksanwaltschaft und andere, sicherlich auch Sie als Bundesräte aus allen Bundesländern, von Betroffenen der Pensionsversicherungsanstalten, die Hoffnungen auf die Begutachtung einer Frühpensionierung oder auf Rehabilitationsleistungen und anderes haben, eine Reihe von Beschwerden zukommen, während wir in neun Bundesländern nunmehr Außenstellen und gemeinsame ärztliche Dienste einzurichten haben, in denen aber die Personen in leitenden Funktionen mit Nebentätigkeiten belastet sind.

Es ist mir bewusst, dass ich nur Aufsichtsbehörde bin. Es ist Angelegenheit des Dienstgebers, Nebentätigkeiten zu erlauben oder nicht zu erlauben. Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Ich werde mich nicht davon abbringen lassen, wenn ich auf Grund von Beschwerden von Bürgern aus dem betroffenen Bereich zur Überzeugung gekommen bin, dass es gut wäre angesichts der Überleitungsphase und gegenüber früher, als die durchschnittliche Pensionszuerkennung zweieinhalb Monate gedauert hat – heute liegen wir schon deutlich schlechter –, beide Anstalten mit vollem Herzen und mit vollem Zeitengagement zusammenzuführen. Dies ist eine schwierige Aufgabe mit zwei Instituten mit unterschiedlicher Kultur, und auch darüber geben die Rechnungshofberichte der vergangenen Jahre deutlich Aufschluss.

Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, weil ich auch die Geschäftsordnung beeinsprucht habe, dass es auch für die Damen und Herren des Parlaments nachvollziehbar sein müsste, dass Personen, die bei den Rechnungshofbeschlüssen und -überprüfungen der letzten Jahre in gewissen Amtsbereichen nicht gut abgeschnitten haben, zu hinterfragen sind. Es ist zu fragen, ob es Sinn macht, sie mit den gleichen Amtsbereichen weiter zu beschäftigen oder ihnen nicht neue Amtsbereiche, in denen sie besser abgeschnitten haben, gänzlich zu übergeben.

Es ist Angelegenheit des Dienstgebers, diesen Ansichten nachzukommen. Ich werde das auch dort, wo ich die Rechtsbasis habe, selbstverständlich, wie das für einen Rechtsstaat üblich ist, per Bescheid aussprechen, um auch den Dienstgebervertretern, wenn sie eine andere Sicht haben, die Möglichkeit zu geben, die es in einem Rechtsstaat gibt. Sie werden mir sicherlich attestieren müssen, dass in der Präambel zumindest die ärgsten Bedenken meiner demokratischen Gesinnung, Herr Professor, nicht gerechtfertigt sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir die Unvereinbarkeitsregelungen ansehen, stellen wir fest, sie sind klar im ABGB formuliert. Es bestünde nach Studium des ABGB auch für jeden einzelnen – da gebe ich Kollegen Schennach Recht – die Möglichkeit, von sich aus seine Unvereinbarkeit zu erklären und damit von mir gesehene Probleme aus der Welt zu schaffen. Ich habe auf Grund meines Einspruches der Bestellung in der ersten Sitzung des Überleitungsausschusses nach etwa 14 Tagen Gegenäußerungen von Betroffenen bekommen, dass sie nicht daran denken. Daher hat es auch einige Zeit gedauert, bis ich klarerweise – vielleicht auch in der falschen und trügerischen Hoffnung, dass man von sich aus solche Unvereinbarkeiten selbst sieht und einsieht – dann die entsprechenden Überprüfungen und Rechtsberatungen eingeholt habe.


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Ich sage das in der Klarheit dazu, weil ich nicht daran denke, den Prozessbereich auszudehnen, sondern weil ich meine, was ich im Zusammenhang mit den Sitzungen des Überleitungsausschusses gesagt habe, dass es nicht gescheit ist, wenn man den Masterplan für die soziale Absicherung von etwa 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der ursprünglich von uns beeinsprucht war, aber nunmehr gemeinsam, so glaube ich, auf einem guten Vorschlag der Beamten meines Hauses beruhend, rechtskonform getätigt werden kann, weiter verzögert und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht möglichst bald Rechtssicherheit im Hinblick auf ihre Zukunft gibt.

Ich glaube daher, dass man sehr viele der Vorwürfe, die im Vorfeld in den Raum gestellt worden sind, wenn man die Sachlage kennt – ich glaube, dazu braucht man sie nicht wohlwollend zu kennen, sondern sich nur ordnungsgemäß über die vorliegenden Tatsachen zu informieren –, auch anders sehen kann.

Ich darf nunmehr zur Beantwortung der einzelnen Fragen kommen, und ich hoffe, Herr Professor, ich werde heute nicht – im Gegensatz zum letzten Mal, als Sie es mehrfach moniert haben – die von Ihnen für mich eingeräumte Zeit über Gebühr strapazieren und dem knappen Zeithorizont dieser Sitzung gerecht werden, ohne mich zu den grundsätzlichen Fragen der Demokratie, die für mich auch wichtig sind, verschweigen zu wollen.

Zu Frage 1:

Diesbezügliche Ersuchen wurden mit Schreiben des Vorsitzenden des Überleitungsausschusses vom 27. 5. per Fax noch vor Beschlussfassung und vom 24. 6. nach Beschlussfassung, auf dem Postweg eingelangt am 27. 6. 2002, übermittelt.

Zu Frage 2:

Nein. Die Prüfung der Bestellung ist noch im Gange.

Zu Frage 3:

Es gelten die Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, das heißt: ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Antragstellung. – Das ist übrigens eine Rechtshaltung, die ich auch im Zusammenhang mit den Bescheidbegehren von mehr als 30 000 österreichischen Bürgern im Zusammenhang mit den Ambulanzgebühren immer vertreten habe.

Zu Frage 4:

Ich verweise auf die Beantwortung der Frage 2.

Zu Frage 5:

Ich orientiere mich in meinen Entscheidungen prinzipiell an Grundlagen, die auf einer Rechtsbasis beruhen, und werde das auch in Zukunft so handhaben.

Zu Frage 6:

Die Rechtsgutachten liegen mir leider noch nicht vor.

Zu Frage 7:

Bis dato hat mir Herr Wetscherek keine diesbezüglichen Bekanntmachungen mitgeteilt.

Zu Frage 8:

In dieser Angelegenheit ist – Sie fragen ausdrücklich in Bezug auf Kollegen Wetscherek – ist kein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben worden. Es sind jedoch Überprüfungen durch meine Aufsichtsorgane im Gange, die ich abwarten werde.


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Zu Frage 9:

§ 8 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes erlaubt eine solche Vorgangsweise. Das Rechtsgutachten bezüglich Wetscherek dient mir als oberster Aufsichtsbehörde neben der fachlichen Beurteilung durch die Mitarbeiter meines Ressorts als Entscheidungsgrundlage für die Zustimmung oder Nicht-Zustimmung zur gegenständlichen Bestellung. Ich werde die Mitglieder der Bundesregierung im Ministerrat im August in der gegenständlichen Angelegenheit umfassend informieren.

Zu den Fragen 10 und 11:

Primär verfolge ich das Ziel, meiner Verpflichtung als oberster Aufsichtsbehörde nachzukommen. Ich hoffe, dass ich auch in der Vergangenheit in der Lage war, diese beiden Positionen, nämlich meine persönliche Meinung und die als Aufsichtsorgan, ordnungsgemäß zu trennen.

Zu Frage 12:

Das kann erst dann beurteilt werden, wenn mir das Rechtsgutachten vorliegt und die abschließenden Stellungnahmen meiner Beamten vorliegen. Aber es ist für mich vorstellbar, unter Umständen das, was derzeit im ABGB für Unvereinbarkeitsregelungen vorgesehen ist, gemeinsam mit dem Herrn Justizminister einer eindeutigen Regelung zuzuführen, dass auch die Bedenken, die Kollege Schennach formuliert hat, ausgeräumt sind.

Zu Frage 13:

Wie im Koalitionsübereinkommen der Regierungsparteien vorgesehen, sind Sozialversicherungsträger dann zusammenzulegen, wenn dadurch folgende Kriterien nachweislich erfüllt werden: Effizienz, Senkung der Kosten, andere Synergieeffekte, Wahrung der Bürgernähe und Beibehaltung der Qualität.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass wir auf der heutigen Tagesordnung ein solches Beispiel in der 60. ASVG-Novelle haben, nämlich die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalt Pengg mit der Sozialversicherungsanstalt des Österreichischen Bergbaus. Sie werden mir, so glaube ich, Recht geben, Herr Professor, dass diese Zusammenlegung all diesen Punkten der Regierungsübereinkunft vollinhaltlich gerecht wird. Diesbezüglich haben auch die Vertreter Ihrer Fraktion im Nationalrat keine abweichenden Meinungen geäußert. Im Sozialausschuss hat auch ein Vertreter Ihrer Partei expressis verbis diese Zusammenlegung als gutes Beispiel genannt, weil für die Versicherten dadurch tatsächlich positive Effekte entstehen. Das bestehende Gesetz vor der 60. ASVG-Novelle hätte eine Zusammenlegung von Pengg mit der Steirischen Gebietskrankenkasse vorgesehen, um das der Vollständigkeit halber hier anzuführen.

Zu Frage 14:

Beeinsprucht wurde vom Vertreter des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen in der Sitzung des Überleitungsausschusses am 8. 7. 2002 die Beschlussfassung betreffend Verantwortlichkeit der ersten und zweiten Führungsebene.

Zu Frage 15: Welche Bescheide wurden in diesem Zusammenhang erstellt?

Ich habe ausgeführt, dass mir die Ergebnisse der Überprüfungen und die Rechtsgrundlagen noch nicht vorliegen, aber ich dann, wenn mir die Überprüfungsergebnisse zur Entscheidung vorliegen, selbstverständlich innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist bescheidmäßig entscheiden werde, um dem Rechtsstaat voll zu entsprechen und den Betroffenen, falls sie andere Rechtsansichten haben, Klarheit zu verschaffen.


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Zu Frage 16:

Mit niemandem. Die Beschlussfassung einer Geschäftseinteilung ist Sache der Selbstverwaltung. Es erscheint mir in Hinsicht auf die Tätigkeit im Bankwesen allerdings logisch, jemanden, der aus diesem Bereich kommt, auch für diesen Tätigkeitsbereich vorzusehen.

Zu Frage 17:

In einer Demokratie herrscht Meinungsfreiheit. Jeder hat seinen eigenen Blickwinkel der Dinge, und ich möchte mir nicht einmal vorwerfen lassen müssen, dass ich die freie Meinungsäußerung beeinträchtigt hätte. Ich werde mir auch nicht vorwerfen lassen, dass ich geheim abgegebene Stimmen in irgendeiner Form werte, wie es in der heutigen Debatte mehrfach geschehen ist, denn bei geheim abgegebenen Stimmen sehe ich mich – zum Unterschied von manchen Rednern in der heutigen Debatte – nicht in der Lage, sie eindeutig der einen oder anderen Fraktion zuzuweisen.

Nachdem unterschiedliche Aussagen zum Abstimmungsverhalten und zu den Personen, die die Stimmen abgegeben haben, gemacht wurden, wären Zuordnungen hinsichtlich der Stimmabgabe völlig unzutreffend. Die mathematischen Möglichkeiten, hier unterschiedliche Ergebnisse zu erzielen, sind vielfältig.

Ich habe das in der Öffentlichkeit als meine private Meinung geäußert, dass ich das als unzulässig betrachte, und habe Stimmabgaben, im Besonderen geheime Stimmabgaben, in allen Punkten meines politischen Lebens immer akzeptiert. Auch wenn ich Ihnen Recht gebe, Herr Professor: Manchmal hat man mit Abstimmungsergebnissen mehr und manchmal weniger Freude, aber so ist das Leben.

Zu Frage 18:

Ich verweise auf die Anfragebeantwortung der dringlichen Anfrage an die Frau Vizekanzlerin, darf aber auch darauf hinweisen, dass die Gestaltung des entsprechenden Vertrages Angelegenheit des Dienstgebers ist.

Zu Frage 19:

Nein. Ich als zuständiges Regierungsmitglied bereite einen Sonderbericht vor, den ich im Ministerrat, wie ich eingangs skizziert habe, vorzulegen gedenke.

Zu Frage 20:

Ich verweise hier auf die Beantwortung dieser Frage durch den Herrn Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin.

Zu Frage 21:

Eine Vorlage ist nicht vorgesehen.

Zu Frage 22:

Ja. Die Festlegung der Inhalte eines Sondervertrages ist nicht meine Angelegenheit, die Beurteilung obliegt den zuständigen Organen der Selbstverwaltung. – Im Übrigen habe ich in der letzten Sitzung des Bundesrates, in deren Rahmen ich im Zuge einer dringlichen Anfrage dazu befragt worden bin, beziehungsweise in den einleitenden Worten zu dieser dringlichen Anfrage über meine Meinung und das Gefüge der durch den Rechnungshof überprüften Betriebe ohnehin schon einiges ausgesagt.

Zu Frage 23:

Nein.


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Zu Frage 24:

Kollege Gaugg hat durch Abgeordneten Graf im Überleitungsausschuss mitgeteilt, dass er die Dienstprüfung absolvieren werde. Das war, wenn ich es hier richtig auf dem Zettel stehen habe, in der Sitzung vom 8. 7., also in jener Sitzung, in der es um die Genehmigung seines ersten vorgelegten Sondervertrages gegangen ist.

Zu Frage 25:

Die Ablegung der Dienstprüfung ist in der Dienstordnung vorgesehen. Interne Richtlinien des Hauptverbandes sehen vor, dass ein Dispens nicht genehmigt wird. Die Ablegung der Dienstprüfung ist schon jahrelang Gegenstand der Dienstordnung. Dispens nicht mehr zu gewähren, ist auf eine Entscheidung des Hauptverbandes in der Ära des Präsidenten Sallmutter zurückzuführen. Ich habe das letzte Mal auch ausgeführt, dass auch die leitenden Angestellten der Steirischen, der Kärntner Gebietskrankenkasse und der Stellvertreter des leitenden Angestellten der Kärntner Gebietskrankenkasse solche Dienstprüfungen abgelegt haben, allerdings nicht im vollen Umfang, sondern nur den Teil für die höheren Beamten.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Dienstprüfungsordnung inzwischen wieder verändert worden ist, sodass die alte Dienstprüfung A und B und die neue Dienstordnung nicht kompatibel sind. Ich darf auch darauf hinweisen, dass in der Öffentlichkeit die falsche Meinung aufgetaucht ist, dass sich für den seit 1990 im Dienst befindlichen Generaldirektor-Stellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die Dienstprüfung nicht gegolten hat, aber ich habe auch in der Beantwortung der dringlichen Anfrage das letzte Mal hier klar ausgeführt, dass er von seiner damaligen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, um einen Dispens anzusuchen. Diese Ansuchen sind vor 1996 genehmigt worden und nach 1996 nicht mehr genehmigt worden. Daher glaube ich, zumindest dieser Punkt sollte in der öffentlichen Debatte kein Gegenstand großer Differenzen mehr sein.

Zu Frage 26:

Nein. Ich gehe jedoch davon aus, dass der Dienstnehmer Gaugg auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit, so wie jeder andere Dienstnehmer auch und so wie viele Mandatare dieses Hauses und auch ich selbst, sowohl durch seine private Diensttätigkeit als auch durch die politische Tätigkeit Pensionsansprüche erworben hat, die den unterschiedlichen Rahmenbedingungen des österreichischen Gesetzeswerkes unterliegen und daher immer auch mit dem Geist der damaligen Zeit und der Gesetzgebung kompatibel sind.

Zu Punkt 27:

Ich möchte auf die Beantwortung der letzten dringlichen Anfrage im Bundesrat am 6. 6. sowie im Nationalrat verweisen. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass sich mein Wissensstand bezüglich der Person nicht vergrößert hat, sodass mir konkrete rechtliche Schritte als nicht aussichtsreich dargelegt worden und daher auch nicht erfolgt sind. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

18.43

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr Staatssekretär Morak, der heute in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers bei uns war, hat die Wahrnehmung des Bundeskanzlers zur Selbstverwaltung kundgetan. Diese seine vom Herrn Staatssekretär dargestellte Wahrnehmung


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hat mich sehr gefreut, denn er hat seine Wertschätzung gegenüber der Selbstverwaltung bekundet.

Aus meiner Sicht möchte ich sagen: Diese Wahrnehmung, dieser Befund hat gestimmt bis vor Antritt dieser Regierung. Seit Antritt dieser Regierung, Herr Minister, stimmt dieser Befund einfach nicht mehr. Deshalb haben wir heute auch diese Diskussionen, deshalb müssen wir uns heute mit den Strukturen und den dort handelnden Personen befassen.

Bis zum Antritt dieser Regierung hat die Sozialversicherung den Versicherten gehört und wurde durch die Selbstverwaltung sozusagen verwaltet. Die Selbstverwaltung hat sich aus den Versichertenvertretern zusammengesetzt, und zwar von Arbeitnehmerseite wie Arbeitgeberseite. Selbstverständlich war die Aufsichtsbehörde in ihrer Kontrollfunktion tätig. Dieses System hat bestens funktioniert, da kann ich dem Herrn Bundeskanzler nur Recht geben. Aber seit Bestehen dieser Regierung wurde durch Anlassgesetzgebung massivst, sehr massiv in diese Selbstverwaltung eingegriffen.

Sie haben all diese Maßnahmen – ich erinnere an den Hauptverband und alles drumherum – damit begründet, dass die zu diesem Zeitpunkt handelnden Personen aus Ihrer Sicht zu wenig reformwillig seien. Ich weiß es nicht, ich habe mich bemüht, es neutral zu sehen, vielleicht kann mich jemand korrigieren, aber ich habe bis dato zu diesem Thema keine geeignete Reform dieser Regierung finden können. Es heißt, diese Regierung hat einen Reformwillen, der zum Wohle der Versicherten ist, aber hier hat sie keinen gezeigt, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Sie haben im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen zum Wahlrecht gesagt, dass Sie proportional darauf geachtet haben, dass in diesem Bereich Demokratie herrscht. Herr Minister! Man kann es – das habt ihr ausreichend getan – biegen und wenden, wie immer man es braucht. Man kann die Gesetze so lange ändern, bis die Zusammensetzungen passen, und das habt ihr gemacht, denn demokratische Wahlergebnisse – solange die Wahlordnung nicht geändert ist, gelten diese – wie bei der Arbeiterkammerwahl – das haben Vorredner schon gesagt – habt ihr einfach nicht zur Kenntnis genommen. Ihr habt in Wahrheit aus meiner Sicht eine reine Umfärbelungsaktion durchgeführt und habt überall die Sozialdemokraten entfernt, damit ihr ordentlich vertreten seid: Hinaus mit den Roten!, wie das meistens sehr abfällig gesagt wird.

Das ist euch auch beim Überleitungsausschuss gelungen, denn die Zusammensetzung des Überleitungsausschusses ist genauso geformt, dass ihr euch in Wahrheit die Stimmenmehrheit gesichert habt. Womit ihr nicht rechnen konntet – das habt ihr damals schon nicht kalkulieren können –, ist, dass die Arbeiterkammerwahlen so negativ für euch ausgehen. Womit ihr auch dieses Mal nicht rechnen konntet, ist, dass sich eine Person – ich wage es auch nicht zu interpretieren, wer sie war; sie hat allerdings meine höchste Wertschätzung, das möchte ich neutral zum Ausdruck bringen (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach ) – auf Grund der wirklich unverschämten Forderungen des Herrn Gaugg besinnt, die Seiten zu wechseln und diesen Forderungen nicht zuzustimmen.

Es herrscht große Verwunderung und Aufregung, und Sie haben auch gesagt, wenn man sich die durchschnittlichen Löhne angesichts dessen, was man an Leistungen erbringen muss, anschaut, dann sieht man, dass das Gehalts- und Entschädigungsniveau nicht allzu hoch ist. Ich kann Ihnen diesbezüglich Recht geben, Herr Minister! Nur welche Partei ist denn jahrzehntelang bis zum Erbrechen durchs Land gezogen und hat Stimmenfang damit gemacht, dass sie überall Privilegien geortet hat? – In Wahrheit war es während eurer Oppositionszeit schon so weit, dass alle anderen Funktionäre etwas hätten zahlen müssen, um überhaupt ihre Funktionen ausüben zu dürfen.

Seit ihr aber in der Regierung seid, ist es so, dass die Entlohnungen angesichts der Leistungsanforderungen nicht zu hoch, sondern zu niedrig sind. Ich hoffe, ihr merkt euch das für die Zeit – ich nehme an, nächstes Jahr, wenn ihr dann wieder in Opposition seid (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach  – ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) –, dass ihr


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dann auch wisst, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, dass man nicht darüber diskutieren sollte.

Herr Minister! Es wurde heute schon fast alles gesagt, und deshalb kann ich meine Ausführungen abkürzen. Eines würde ich Sie aber bitten: Sie sind das Aufsichtsorgan, Sie haben es mehrfach betont, und aus meiner Sicht sind Sie in dieser Frage parteilich. Ich würde Sie bitten, davon Abstand zu nehmen, Sie haben eine andere Funktion, und ich möchte Sie dringend auffordern, dafür zu sorgen, dass das letzte Resterl an Selbstverwaltung seiner Aufgabe nachkommen kann. Sie selbst haben in Ihren Ausführungen gesagt, dass es mittlerweile Beschwerden der Versicherten gibt, weil sich manche Dinge verzögern. Kein Wunder, wenn man ständig mit Personen wie Gaugg und deren Entschädigungen und Forderungen beschäftigt ist. Werden Sie bitte Ihrer Aufgabe gerecht, kommen Sie Ihrer Aufgabe nach, und üben Sie Ihre Funktion als Aufsichtsorgan aus! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gasteiger. – Bitte.

18.50

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Zwei Dinge stimmen mich in dieser Diskussion etwas sonderlich. Zum einen musste ich heute über die Medien erfahren, dass diese Affäre Gaugg Chefsache ist. Ich möchte jetzt Ihren Wert nicht schmälern, Herr Minister, Sie sind Aufsichtsorgan, aber es tut mir Leid, dass die Frau Vizekanzlerin, aber auch der Herr Bundeskanzler nicht anwesend sind und sich nicht bemüßigt fühlen, zu dieser Sache Stellung zu nehmen. Mich hätte schon interessiert, was beide Spitzen des Staates in dieser Angelegenheit denken.

Zum Zweiten wundert es mich sehr, dass bei diesen zwei Dringlichen die Freiheitlichen und auch die ÖVP jeweils nur einen Redner in dieses "Duell" – so sage ich es jetzt einmal – schicken. Es wundert mich aber noch viel mehr, dass von den Freiheitlichen nur zwei von zwölf Bundesräten jetzt hier sitzen. Von der ÖVP sind es sieben. Also wenn wir jetzt sofort über etwas abstimmen würden, hätten wir, so glaube ich, die Mehrheit. Das müssten wir normalerweise nutzen.

Über diesen FPÖ-Problemfall heute überhaupt diskutieren zu müssen, widert mich eigentlich an, wenn ich ganz ehrlich bin. Aber wissen Sie, warum ich trotzdem darüber rede? (Bundesrat Dr. Maier: Das interessiert uns aber nicht!)  – Ich tue das, weil ausgerechnet diese Partei der Ehrlichen und Anständigen, die Freiheitlichen, in vergangenen Wahljahren gegen Personen, die nur den leisesten Geruch eines Privilegs an sich haften hatten, einen regelrechten Feldzug organisiert haben. Heute müssen sie es sich gefallen lassen, dass über interne FPÖ-Probleme öffentlich diskutiert wird.

Ich sage Ihnen, mir persönlich ist es Wurscht, ob Gaugg zu diesem Posten kommt oder nicht, ob er sein Nationalratsmandat zurücklegt oder nicht. Mir ist es auch Wurscht, wer sich in der FPÖ über Gaugg und in welcher Form auch immer dazu äußert. Mir ist es aber nicht Wurscht, wenn es darum geht, in jeder öffentlichen Diskussion und Debatte auf diesen Sündenpfuhl hinzuweisen. Mir ist es auch nicht Wurscht, dass die Freiheitlichen jetzt versuchen, den Spieß umzudrehen und eine Lex Gaugg daraus zu machen. Ich weiß nicht, ob da etwas im Hintergrund steht, weshalb die Freiheitlichen so zurückhaltend und auch im Zickzack-Kurs argumentieren. Ich sage es Ihnen: Gaugg ist angetreten – so sagen zumindest jetzt die Freiheitlichen –, das System zu ändern. In Wahrheit wollte er nichts verändern (Bundesrat Freiberger: Oh ja, seine Einkommenssituation!), sondern im Übermaß profitieren. Diese Gier wurde ihm zum Verhängnis. Der Schaden für die Freiheitlichen wird nur schwer zu begrenzen sein. Die Affäre Gaugg brennt sich tief in die freiheitliche Wählerschicht ein, die einst der Oppositionspartei blind vertraute.

Die kleinen Leute hätten nicht erwartet, dass es ausgerechnet unter FPÖ-Sunnyboy Finanzminister Karl-Heinz Grasser die höchste Steuerbelastung seit Menschengedenken geben würde. Sie hätten auch nicht die Besteuerung der Unfallrenten, die Einführung der Ambulanzgebühren,


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der Studiengebühren, der Gebühren für die Chipkarte erwartet, ganz zu schweigen von der Anschaffung der Eurofighter. All das und noch viel mehr hat die Stimmung der blauen Klientel nicht verbessert. Und jetzt noch der Sündenpfuhl Gaugg!

Das Theater um den Möchtegern-Manager Gaugg ist ein Schaden für die ganze Bundesregierung, so behaupte ich jetzt. Das werden viele Wähler, die möglicherweise an eine echte Wende geglaubt haben, nicht vergessen. Dafür werden sicherlich wir sorgen.

Was mich aber am meisten verwundert, ist das Verhalten des freiheitlichen Regierungspartners, der ÖVP. Wenn man ÖVP-Vertretern in der PVA nahe legt, beim dritten Anlauf entsprechend zu "funktionieren", dann weiß man, was es geschlagen hat. Mich interessiert nur, wie lange sich die ÖVP von den Freiheitlichen auf der Nase herumtanzen lässt. Oder: Ist dies der Preis der Kanzlerschaft?

"VP wird immer instabiler", so FPÖ-Klubobmann Westenthaler über die Unzuverlässigkeit der Schwarzen. Nachzulesen im "profil" vom 22. dieses Monats. Zuletzt haben zwei ÖVP-Abgeordnete gegen einen FPÖ-Minister gestimmt. "Ich habe schon vor einem halben Jahr gesagt, dass Vereinbarungen mit der ÖVP nicht immer halten. Damals hat man geschmunzelt. Jetzt wird es immer offensichtlicher." – So derselbe FPÖ-Klubobmann Westenthaler.

Heute lese ich im "Gewinn" auf Seite 26 unter der Überschrift "Die Gaugg-Falle der VP und Haiders Comeback-Versuch": "Meiner Meinung nach hat die VP mit dem Fall Gaugg die FPÖ voll ins Privilegienmesser laufen lassen!" – Irgendetwas muss da sein. Und was tut der Bundeskanzler? – Schüssel wandert im Wienerwald, und der "Wienerwald" geht Pleite! Ich hoffe, dass das nicht irgendein graues Vorzeichen ist, geschätzte Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Maier: Das war ein SPÖ-Betrieb in Wien!)

So zum Lachen, wenn ich ganz ehrlich bin, sind diese Missstände nicht mehr. Herr Gaugg und Co diskreditieren den gesamten Berufsstand der Politiker.

Frau Präsidentin! Ich zitiere mit Verlaub aus der auflagenstärksten Tageszeitung von heute: "Die Jugend immer politikmüder – Der Fall Gaugg wird zum abschreckenden Beispiel. ,Angesichts des Falles Gaugg wundert es mich nicht, dass sich immer weniger Jugendliche für Politik interessieren’: Mit dieser Feststellung und der Frage, wie oft noch über den Vertrag des freiheitlichen Abgeordneten bei der Pensionsversicherungsanstalt abgestimmt werden solle, preschte die Chefin der Jungen ÖVP, Silvia Fuhrmann, vor. Ihre Forderung: das Sommertheater ,umgehend beenden’."

Unsere Forderung, die Forderung der Sozialdemokraten, Herr Bundesminister, denn Sie sind für diese Missstände politisch verantwortlich: Treten Sie zurück, und nehmen Sie Gaugg gleich mit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

18.57

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie erlauben mir vorweg zu sagen, nachdem ich mir erlaubt habe, vor etwa einer halben Stunde für fünf Minuten ein Medium einzuschalten, das sich Fernsehen nennt: Ich durfte dort den heute auch immer wieder angesprochenen internen Informanten der FPÖ erdulden, nämlich Klubobmann Hojac (Bundesrat Gasteiger: Wer ist das?), der wiederum von den Ställen sprach, die es auszumisten gilt. Diesmal ist der Stall die Postgewerkschaft. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir ein Plädoyer für die österreichischen Bauern, Bauernhöfe und Ställe anbringen, denn in den österreichischen Ställen gibt es einen Mist, der durchaus gesund und nützlich ist, der maximal gewechselt und ausgemistet werden muss, aber es ist kein Vergleich zu dem Sumpf herzustellen. Ein Sumpf kann nicht ausgemistet werden, sondern er muss trocken gelegt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Haupt. ) – Wohl, wohl, auch wenn Sie Tierarzt sind!


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Sollen wir jetzt weiterdebattieren über die Entsumpfung, die unökologische Variante der Entsumpfung und die politische Lage, in der Sie sich derzeit befinden, nicht nur mit Gaugg, sondern auch mit anderen? – Ich denke, dass ich meine Ausführungen abkürzen kann und Ihnen, Herr Minister, die ökologische Variante der Entledigung dieser Affäre selbst überlasse.

Zweiter Punkt: Ich könnte eigentlich dieser Bundesregierung und auch den Kärntner Mitgliedern der Bundesregierung einen Hinweis geben, wie man Gauggs und andere Geschichten in Hinkunft auf Bundesebene verhindert. Wie geschieht das etwa in Kärnten? – In Kärnten werden Beamte, öffentlich Bedienstete wie überall abgebaut, entlassen, in die Frühpension geschickt. Noch zeigen wir niemanden an, der von Haider selbst entlassen wurde und in die Frühpension gegangen ist. Das ist das eine. Aber wie machen "wir"– unter Anführungszeichen – es in Kärnten? – Wir beschäftigen Menschen, die Freunde, Kollegen, Kumpel sind, die wir in unserem Umfeld tätig werden lassen, in Form von Dienstzetteln.

Diese Dienstzettel sind kein Personal-, diese Dienstzettel sind Sachaufwand. Ich denke, wenn die Bundesregierung Anleihe an dem Modellfall Kärnten nehmen würde, dann gäbe es in Hinkunft keine personellen Probleme, sondern maximal einen Sachschaden. – Das wäre doch ein sinnvoller Hinweis, wie man Gauggs in Hinkunft verhindert. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine kurze Replik zur Freud’schen Fehlleistung des Herrn Staatssekretärs, damit es noch einmal in das Protokoll kommt für den Fall, dass es mittlerweile irgendwo dazwischengerutscht ist. Seine Feststellung: Die Fragen, die Sie gestellt haben, gehen am Thema vorbei!, ist eine eindeutige Erklärung des ÖVP-Staatssekretärs und damit auch der ÖVP, dass die Beantwortung an den Fragen vorbeigegangen ist. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. )

In diesem Zusammenhang darf ich eine etwas andere Haltung Kollegen Himmer gegenüber an den Tag legen. Herr Kollege Himmer! Die Präsidenten und Vizepräsidenten des Landesschulrates kann der Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit abschaffen. Ich gebe Ihnen folgenden Hinweis: Stellen Sie den Antrag, Ihre sieben geschäftsführenden Präsidenten, ÖVP-Präsidenten (Oh-Rufe bei der SPÖ), in den Ländern, Präsidenten des Landesschulrates, einen Sozialdemokraten im Burgenland, einen Freiheitlichen in Kärnten, und Ihre entsprechenden Vizepräsidenten ... (Rufe bei der ÖVP: Und Wien? Und Wien?) – Ja, in Wien hat die SPÖ auch einen, aber da hat auch die FPÖ eine Vizepräsidentin. Viele von Ihnen werden gar nicht wissen, wer das ist. Die Vizepräsidentin ist Kollegin Monika Mühlwerth. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Ich denke, das wird dieselbe Mühlwerth sein, die wir hier kennen gelernt haben. (Bundesrat Konecny: Ja, ja, richtig!)

Ich denke mir auch, Herr Kollege Himmer, dass sich die ÖVP sehr freuen wird, wenn Sie alle diese politischen Funktionäre – denn sie sind geschäftsführende Präsidenten und Vizepräsidenten – der ÖVP – ich zitiere Himmer – "politische Günstlinge" nennen. Ich gratuliere Ihren Präsidenten, den Günstlingen – laut Definition Himmer. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Nur mit einem Unterschied: Keiner der Präsidenten hat das Handelsschulwesen herab-gewürdigt, wie das Kollege Würschl gemacht hat! Das stelle ich mit aller Klarheit fest!)

Herr Kollege Würschl hat die Vorbildung des Nationalratsabgeordneten und Mandatars Reinhart Gaugg zitiert. Niemand in Österreich, auch nicht Reinhart Gaugg, muss sich bei der Auflistung seiner Vorbildung genieren. Niemand! Kollege Würschl hat die Wahrheit gesagt, nämlich dass er einen Handelsschulabschluss hat. Wer Schlechtes denkt, muss sich selbst hinterfragen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Trotzdem, partiell geschätzte ÖVP, versuche ich, ein bisschen Verständnis für Reinhart Gaugg und die Situation des Herrn Ministers aufzubringen – Verständnis, aber trotz allem keinen Millimeter davon abweichend, dass das politisch nicht tragbar ist. Fertig, aus! Ich werde auch aus der besonderen Sicht als Kärntnerin und langjährige Beobachterin – wie heißt es: Politische Feindbeobachtung ist ein wichtiges Unterfangen! – darzulegen versuchen, weshalb sich der Herr Minister und Reinhart Gaugg in der jetzigen Situation befinden. Danach werde ich Ihnen einen Satz widmen, partiell nicht geschätzte ÖVP, zu Ihrem Verhalten in der derzeitigen Regie


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rung, zu Ihrem Verhalten in der vorigen und vorvorigen Regierung. Ich werde Ihnen nichts überreichen, sondern mich nur verbal damit auseinander setzen.

Nun zur Situation des Reinhart Gaugg und des Herrn Ministers. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Ich werde mich kurz halten, sollte es aber Missverständnisse geben bei der Nennung von Namen und Zusammenhängen, dann ersuche ich, um diese von vornherein ausschließen zu können, nachzufragen.

Reinhart Gaugg war einer derjenigen, die Jörg Haider auf den Schultern getragen haben. Ab diesem Zeitpunkt kennt man ihn in ganz Österreich. Reinhart Gaugg ist zwei Jahre älter als ich, politisch natürlich noch älter, und er hat mehr geleistet, als nur einen künftigen Landeshauptmann auf den Schultern zu tragen.

Reinhart Gaugg gehörte wie die Familie Huber, zu der unter anderem auch Kriemhild Trattnig gehört, wie ein damaliger Stadtrat und Vizebürgermeister Walter Candussi oder der Villacher Gernot Rumpold – er ist ein bisserl später gekommen, aber das spielt keine Rolle – zu diesem ganz persönlichen Freundeskreis. Davor gab es jemanden, der in Kärnten sein politischer Vater war. Ich denke, manche werden ihn kennen: Er hieß Ferrari-Brunnenfeld. Nachdem Ferrari-Brunnenfeld den Oberösterreicher Jörg Haider in Kärnten politisches Asyl gegeben hat, weil er ihn für einen begabten jungen Mann gehalten hat, kam Haider in Kontakt mit seinen damaligen Freunden. Ich werde auf deren Namen noch zurückkommen. Mittlerweile werden Sie wissen, wo sich diese vormaligen Freunde des Jörg Haider befinden. Und anhand dieser Auflistung werden Sie dann Verständnis haben für die Situation des Reinhart Gaugg.

Reinhart Gaugg hat damals mitgeholfen, gemeinsam mit diesen Freunden und der politischen Ziehmutter Kriemhild Trattnig, für den Jungstar eine Position zu schaffen, und Ferrari-Brunnenfeld, der politische Vater, musste das politisch Zeitliche segnen. Übrig blieb diese Gruppe.

Das wird vielleicht auch an die Öffentlichkeit dringen, und daher muss ich sagen, ich habe heute ein Privileg: Kollegin Kanovsky-Wintermann ist ab der nun folgenden Phase – das andere ist historisch nachzulesen – meine Kronzeugin! Da entlasse ich jetzt den Herrn Minister, denn ihn habe ich damals nicht gekannt – Spittal und Klagenfurt sind ein bisschen weit voneinander entfernt –, ihn habe ich erst später kennen gelernt, obwohl er damals auch in der FPÖ war, aber nicht in diesem Umfeld der Klagenfurter Szene.

Vizebürgermeister Stadtrat Walter Candussi – ab jetzt tritt auch Kollegin Kanovsky-Wintermann ein, jetzt haben wir die faire politische Kultur, dass wir einander tatsächlich berichtigen können, wenn etwas nicht stimmt – war plötzlich irgendwie unliebsam und – ich kann das, wenn Frau Stadträtin Kanovsky-Wintermann Interesse daran hat, natürlich auch noch in einer weiteren Wortmeldung ausführen, aber ich will es kurz machen – wurde Thema des Parteipräsidiums der Kärntner FPÖ. Man unterstellte ihm, er hätte Jörg Haider mit dem Besitz von irgendwelchen Bildern in irgendeinem Koffer in eine unliebsame Situation gebracht, sprich, er hätte ihn erpresst. Also ich glaube das überhaupt nicht, diese Koffer und Bilder interessieren mich auch überhaupt nicht.

Danach musste Walter Candussi das politisch Zeitliche segnen. Wohnsitz unbekannt, er wollte eine Zeit lang U-Boot sein und seine Ruhe haben, vor wem auch immer. Damals hat Reinhart Gaugg, nicht als Täter, seinem Freund und Kumpel Jörg Haider geholfen, um diesen Candussi, der einer der ersten Mitbrüder und Väter war, in der Stadtrat- und Vizebürgermeisterfunktion entledigen zu können.

Eine, die im damaligen Parteipräsidium der FPÖ erstaunlicherweise das Wort für diesen Stadtrat Walter Candussi geführt hat, war – ich glaube, sie war Landtagspräsidentin – Kriemhild Trattnig. Sie hat sich auf den Weg gemacht und recherchiert, ob das stimmt, dass Candussi da mit irgendwelchen Bildern und Koffern erpresst, und ist draufgekommen: Das stimmt nicht.

Einige Zeit später, wie man weiß, haben dann einige, zu denen auch noch Gernot Rumpold und Reinhart Gaugg gehörten, diese Dame in der Kärntner Politik so lange lächerlich gemacht, bis es ihr gereicht hat. Sie ist dann auch aus ihren politischen Funktionen ausgeschieden, aber,


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und das ist nachweisbar – sie ist immer noch sehr charmant, sie ist keine böse Frau –, nicht mit Freude ausgeschieden. (Bundesrat Dr. Böhm: Und was tut das zur Sache?) Herr Kollege Böhm! Jene, die heute Gaugg nicht verstehen, werden ihn nach meinen Ausführungen menschlich verstehen, das garantiere ich Ihnen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wir sind ja keine Psychotherapeuten! – Bundesrat
Konecny: Aber der Gaugg könnte es brauchen!)

Übrig blieb Gernot Rumpold. Irgendwie hat sich aber Gernot Rumpold von der FPÖ auch offiziell getrennt; es interessiert mich aber nicht, weshalb. Er hat dann die Kollegin Sickl gecoacht (Bundesrätin Schicker: Nur ist nichts dabei herausgekommen!), und jetzt muss ich erfahren, dass er PR-Arbeit und Marketing-Arbeit für jene Abfangjäger, die wir jetzt bestellt haben, leistet. (Bundesrat Mag. Himmer: Aber da hat der Androsch auch einige Funktionen gehabt!) Das heißt, die Trennung von der FPÖ ist vollzogen, aber die Aufträge in irgendeiner Form laufen.

Rumpold ist also auch formaliter weg. Übrig bleibt von all den Kumpanen von damals – dazwischen war noch das Schultertragen Gugerbauers, er ist auch nicht mehr da; das war der Atterseer Kreis, es waren auch andere, nicht nur Kärntner bei der Steger-Sache dabei, die Kärntner allein wären zu wenig gewesen, aber die gibt es auch nicht mehr – als einziger Reinhart Gaugg. (Bundesrat Dr. Böhm: Was folgt da draus?)

Wie ist es Reinhart Gaugg während dieser Zeit ergangen? – Reinhart Gaugg war im Kärntner Landtag. Irgendwie stand eine Funktion im Landtag, in der Landesregierung an, es kamen Quereinsteiger, Reichhold und dann Grasser, das heißt, die sind sich im Weg gestanden, und man hat gesagt, Reinhart Gaugg sei gut für die Kommunalpolitik unserer Landeshauptstadt, und er wurde Vizebürgermeister in der Landeshauptstadt.

Dann kam die Gemeinderatswahl. Ziemlich logisch, dass Reinhart Gaugg geglaubt hat, dass er als Vizebürgermeister der FPÖ, der nichts Besonderes angestellt hat, auch Spitzenkandidat der FPÖ wird. Ich könnte zitieren, was er damals gesagt hat, aber das wäre zu persönlich.

Wissen Sie, was dann passierte? – Er wurde nicht Spitzenkandidat der FPÖ bei der Gemeinderatswahl in Klagenfurt, sondern man holte schon wieder einen Quereinsteiger, den ehemaligen Österreich-Werbung-Chef Lukas. Wie diese Wahl für die FPÖ ausgegangen ist und dass sich Reinhart Gaugg dann zu Recht darüber geärgert hat, dass seine Partei eine Chance vergibt, ist bekannt.

Wie geht es dann weiter? – Die FPÖ hat keinen Vizebürgermeister, Lukas ist weg, im Landtag ist auch nichts mehr frei, also muss Reinhart Gaugg in den Nationalrat. Gut. Endlich kommt die Zeit, für die dieser Mann auf seine Weise gearbeitet hat – das ist nicht meine Form –, gearbeitet für den Aufstieg des Jörg Haider und der FPÖ.

Endlich ist diese Partei in der Regierung. Gaugg als logischer Sozialminister entfällt, es tritt Sickl auf. Als Frau habe ich mich natürlich gefreut, dass eine Frau Sozialministerin wird. Sickl tritt wieder ab, und dann kommen sich zwei Freunde in die Quere: Haupt wird Sozialminister, übrig bleibt wieder Reinhart Gaugg. (Bundesrat Konecny: Jetzt muss er endlich etwas werden!) Seine berechtigte Karriereplanung wird permanent gestört von Quereinsteigern und auch von einem einzigen wirklichen Freund.

Dass sich Reinhart Gaugg heute, nachdem seine ganze politische Karriere immer von Quereinsteigern zerstört wurde, querlegt, ist, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, politisch, moralisch zwar nicht akzeptabel, menschlich aus seiner persönlichen Sicht aber durchaus verständlich.

Herr Minister, der Sie zu den Freunden des Reinhart Gaugg gehören! Egal, in welcher Situation sich eine Partei auf Grund personeller Probleme befinden kann, es gibt immer zwei Möglichkeiten, ein Problem zu lösen; ein Unterfangen, das man beginnt, das dann in der Öffentlichkeit doch anders ausschaut, als man es sich gedacht hat. Es gibt zwei Varianten.


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Zum einen könnte man sagen: Du, es geht nicht, ohne persönlichen Schaden zu nehmen! Würde ich in eine solche Situation kommen, würde ich sagen, ich möchte ganz gerne noch politisch weiterarbeiten, ich will den Schaden begrenzen, ich ziehe mich zurück. – Diese Variante haben Haupt und Gaugg nicht gewählt. Sie haben die andere Variante gewählt, nämlich: Durch, koste es, was es wolle! (Bundesrat Kone
cny: Koste es sicher, was es wolle!) Koste es wirklich, was es wolle – die Reputation der eigenen Person. Minister Haupt hat das nicht notwendig und in Wirklichkeit Herr Gaugg auch nicht, aber er weiß, was er tut.

Reinhart Gaugg ist heute 49 Jahre alt und muss die Zeit bis 55 ganz einfach überbrücken. Das ist für jeden Menschen ein Problem. Jetzt, nachdem er in seinem ganzen Leben nie Sicherheit erfahren hat, alle seine Kumpel aus der Vergangenheit eliminiert wurden, sagt er, im Alter von 49 Jahren, ganz einfach: Jetzt brauche ich ein Sicherheitsnetz! Dass er die ungeeignetste Funktion, das heißt den ungeeignetsten Job – das ist keine Funktion –, das ungeeignetste und politisch unerquicklichste Angestelltenverhältnis in diesem Zusammenhang angestrebt hat, war wirklich ein Regiefehler.

Aber das Sicherheitsnetz für sich will er, weil er – wie der Herr Minister richtig ausgeführt hat – dann in die alte Pensionsregelung fällt, die die FPÖ selbst beendet hat; Reinhart Gaugg hat da fest gewettert. Ich gestehe ihm sogar zu, dass er zu den Privilegierten gehört und seine Gemeinderatszeit, Vizebürgermeisterzeit und Landtagszeit berücksichtigt werden. Es hat damals in Kärnten sechs, sieben Personen gegeben, parteiüberschreitend, denen auf dem Kulanzweg Zeiten angerechnet wurden. (Ruf bei den Freiheitlichen: Fünf Rote und ein Freiheitlicher!) Ich bin sehr stolz darauf, dass ich nicht dazugehört habe. Ich habe neun Jahre, ein Jahr hat mir für die Pensionsberechtigung gefehlt, obwohl ich einbezahlt habe. Mich trifft das Schicksal vieler ASVG-Beschäftigten, die unter diese Regelung fallen, und ich habe keinen Pensionsanspruch. Bei anderen ist das anders gewesen, auch damals schon bei Reinhart Gaugg. – So weit so schlecht.

Letzter Punkt: Was macht der, für den sie alle gekämpft haben, nämlich Jörg Haider? – Zuerst hat er gemeint: "Hopp auf!" Reinhart Gaugg, um die Vizekanzlerin ein bisschen zu ärgern. Dann – und da muss ich meinem Klubobmann leider etwas widersprechen, er hat das nämlich nicht als FPÖ-Mann getan, sondern im Rahmen einer Pressekonferenz nach der Regierungssitzung als Landeshauptmann – hat er gesagt: Reinhart Gaugg geht mir jetzt am Nerv.

Wie Sie richtig gesagt haben, geschätzter Herr Klubobmann, hat er das nur einmal gesagt. Inzwischen wird es Reinhart Gaugg nämlich gereicht haben, und er wird Jörg Haider daran erinnert haben, dass sie viele Gemeinsamkeiten in der Vergangenheit hatten und dass er sich, wie es offensichtlich in der FPÖ üblich ist, jetzt sein Sicherheitsnetz abholen will. Daher lässt der Kärntner Landeshauptmann jetzt zum 16. Mal diese Bundesregierung darüber informieren, dass er den Koalitionskrieg ausrufen könnte: Ihr müsst einen Sonderministerrat abhalten! Auch vorzeitige Neuwahlen sind im Gespräch, weil Freund Gaugg in kein Angestelltenverhältnis kommt, das für ihn in Zukunft Sicherheitsnetz sein müsste.

Herr Minister! Sie erweisen sich ganz persönlich überhaupt keinen guten Dienst. Ich muss sagen, wenn ich Bundesrätin von der FPÖ oder sonst irgendetwas wäre, würde ich mich auf nichts verlassen; ausgenommen ich habe mich selbst erworben, den Vertrag selbst unterschrieben und kenne die Partner.

In einem Punkt jedenfalls kann man sich bei Herrn Minister Haupt sicher sein: Ein Freund ist ein Freund, wir gehen durch dick und dünn, selbst – wie in diesem Fall – als Elefanten durch das Nadelöhr! – Herr Minister! Das tut euch beiden nicht gut, kehrt um! (Beifall bei der SPÖ.)

19.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Professor Böhm hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Professor.

19.18

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es steht mir nicht zu, mich im Rahmen der Geschäftsordnung über den Stil der Ausführungen meiner Vorrednerin zu verbreiten.


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Sehr wohl im Rahmen der Geschäftsordnung erwähnen möchte ich Folgendes: Die Frau Kollegin hat es für nötig befunden, von Herrn Klubobmann Hojac zu sprechen. Es würde mich nicht stören, wäre das sein Name, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Dem ist aber nicht so, daher finde ich, das ist eine menschenverachtende Äußerung, denn der Namensträger hat das Recht, bei seinem Namen genannt zu werden und nicht bei einem anderen Namen, den Sie ihm zuschreiben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der övp.)

19.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Mag. Tusek hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.19

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber Frau Mag. Trunk hat zwei Äußerungen in diesem sicherlich interessanten politischen Stammbaum aus Kärnten, den sie uns in 20 Minuten dargelegt hat, getätigt, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

Erstens zur Position der Landesschulratspräsidenten: Mit Ausnahme von Vorarlberg, wo der Präsident tatsächlich Präsident ist, sind alle anderen geschäftsführende Präsidenten. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das habe ich gesagt!) – Ja, das haben Sie gesagt, und nach meiner Korrektur haben Sie auch festgestellt, dass das politische Verhältnis der Landesschulratspräsidenten 6: 2: 1 ist. Das entspricht genau dem Verhältnis der Landeshauptleute und auch genau dem Verhältnis der Erstgereihten hier in diesem Hause.

Daher ist es völlig klar, dass der geschäftsführende Landesschulratspräsident, der die Agenden des Landeshauptmannes oder der Landeshauptfrau üblicherweise auszuführen hat, eine wichtige Position ist, viel zu wichtig, als dass man von einer Abschaffung sprechen kann. (Bundesrat Konecny: Ja! Bravo! – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Es ist da um einen Vizepräsidenten gegangen, aber Frau Mag. Trunk hat von einem Präsidenten gesprochen; das sei nur als Korrektur erwähnt, wir könnten über diese Sache noch weiter reden, aber es ist schon zu spät.

Zur zweiten Äußerung – ich zitiere –: Einem Oberösterreicher wurde in Kärnten politisches Asyl gegeben. – Zitatende. Dazu möchte ich feststellen, dass die politischen Verhältnisse in Oberösterreich selbst nach dem heute novellierten Asylgesetz 1997 so stabil sind, dass kein Oberösterreicher in einem anderen Land politisches Asyl benötigt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky. – Bitte.

19.22

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): In aller Kürze und nur zur Ergänzung der geschichtlichen Abhandlung durch meine Frau Kollegin Trunk. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. ) Sie können sich dann wieder zu Wort melden, wir werden Ihnen lauschen, aber jetzt bin ich am Wort.

In der Sache Candussi möchte ich doch sagen, dass es ein Verfahren gegeben hat, bei dem sehr deutlich herausgekommen ist, dass es keine wie auch immer geartete Drohung, Erpressung oder sonstiges weder von der einen noch der anderen Seite gegeben hat. Ich möchte das ganz deutlich und klar sagen, weil sonst etwas anderes im Raum stehen bleibt.

Im Übrigen muss ich sagen, ist offenbar Kollegin Trunk öfter bei Präsidiumssitzungen gewesen als ich, mit einem Astralleib oder wie auch immer, weil sie offenbar vieles weiß, was uns im eigenen Kreis nicht bekannt ist. (Bundesrat Konecny: Sie macht gerne einen Schulungskurs!) Ich möchte ihr raten, vielleicht einmal ein Buch über die Geschichte der Kärntner Freiheitlichen


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zu schreiben, weil sie sich sehr dafür interessiert. (Bundesrätin Mag. Trunk: Die Christa Zöchling hat ein tolles geschrieben!) Ich würde dir in verschiedenen Dingen auch ein bisschen stützend zur Seite stehen. Das also will ich dir noch raten.

Zuletzt möchte ich noch Folgendes sagen, das wollte ich schon die ganze Zeit über, ich wollte mich aber nicht zu Wort melden: Es gibt, keine Verordnung, die besagt, dass Politiker ein Anforderungsprofil erfüllen müssen. (Bundesrat Gasteiger: Doch! Handschlagqualität!) Es gibt eine einzige Verordnung, und zwar für den Bundespräsidenten, die besagt: Man muss nachweislich Lesen und Schreiben können! (Bundesrat Konecny: Aber nicht Buchstabieren!) Das, meine Damen und Herren, muss ein Bundespräsident können, aber für uns gilt nicht einmal diese Verordnung.

Ich sage euch ganz ehrlich, ich hätte kein Problem damit, wenn man Wissens-, Intelligenztests, was auch immer für Politiker einführt, aber vielleicht würden dann jene, die jetzt so schreien, selbst ein bisschen in die Bredouille kommen. Das könnte durchaus der Fall sein, aber ich habe kein Problem damit.

Ich habe nur ein Problem damit, dass es Mischmasch-Systeme in Österreich gibt, und zwar zum Beispiel gerade bei einer Pensionsversicherungsanstalt. Einerseits gibt es dort Gemeinwirtschaft beziehungsweise Privatwirtschaft, auf der anderen Seite gibt es ein System, das eigentlich für öffentlich Bedienstete gilt. Ich muss ehrlich sagen, dass es im System der Privatwirtschaft Beamtenprüfungen gibt, das ist ein Spezifikum, das es wirklich nur in Österreich gibt. Ich bin überzeugt davon, dass diese Kassa mit 21 Milliarden € Umsatz ein großer, wichtiger Wirtschaftsbetrieb ist – und da muss man darüber nachdenken, ob eine Beamtenprüfung eine Qualifikation für eine Managerfunktion ist! (Bundesrat Konecny: Das ist ja keine Beamtenprüfung!) – Eine B-Prüfung oder A-Prüfung. Das kann es doch nicht sein. (Bundesrat Konecny: Das Thema Sozialversicherung ist der Prüfungsgegenstand!)

Aber dann muss man das Thema überhaupt zum Thema machen, dann muss man sich überlegen, was man in Zukunft auch an diesen Sachen verbessern kann. (Bundesrat Konecny: Da braucht man nichts zu verbessern, verstehen muss man es!) Daher gehören einmal diese Problembereiche, unabhängig von einer Person, durchforstet. Ich bin völlig beim Minister, wenn er sich überlegt, dass auch einmal Nebenverdienste überprüft werden und überhaupt einmal die Gehälter aller offengelegt werden. Ich glaube, das ist richtig, und das wird uns alle weiterbringen – aber bitte nicht an einer Person aufgehängt, sondern an diesem System, das eigentlich weder Fisch noch Fleisch ist, hier soll man einmal eine gerade Linie fahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 14 und 15 fort.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. – Bitte.

19.26

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Ausflug in die Kärntner FPÖ-Parteigeschichte, die uns viele neue interessante Facetten gebracht hat, die man mög


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licherweise gerne lesen würde – das wäre vielleicht einmal ein schönes Thema –, kommen wir nun zurück zur Normdebatte.

Ich komme auf die Zeitungs- und Zeitungszitatgeschichte zu sprechen. Frau Kollegin Auer hat vor der Verhandlung der dringlichen Anfragen den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz Winckler zitiert, und zwar mit einem negativen Zitat zur Reform. Ich befürchte, sie hat sich um einige Monate vergriffen, das wird nämlich wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Begutachtungsentwurf gemeint gewesen sein. Ich lese Ihnen jetzt das Zitat des Vorsitzenden der Rektorenkonferenz Winckler anlässlich der Beschlussfassung des aktuellen Gesetzes vor:

"Das Gesetz ist eine tragfähige Basis, um die Zukunft der Universitäten zu gestalten. Es ist insbesondere zu begrüßen, dass die Planstellenbürokratie und das kameralistische Haushalten ein Ende finden werden."

Ein Vorgänger des Rektoren-Chefs Winckler, der Rektor der Universität für Bodenkultur März, hat festgestellt: "Das ist ein Meilenstein für die Universitäten, eine Entwicklung, die sehr Positives bringen kann, wie die Möglichkeiten auch ausgenutzt werden, die dieses Rahmengesetz bietet. Die besondere Chance liegt in der individuellen Gestaltung der einzelnen Universitäten, speziell in den spezifischen Unternehmenskulturen im Umgang mit der Eigenverantwortung, und man soll sich nicht fürchten."

Insgesamt ist dieses Gesetz, wie die "Presse" anlässlich der Beschlussfassung festgestellt hat, die größte Veränderung seit 153 Jahren, seit der universitären Neuordnung unter Graf Thun-Hohenstein 1849, die die Universitäten damals für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fit gemacht hat. Eines der wichtigsten Reformwerke des 20. Jahrhunderts in der zweiten Hälfte war das Firnbergsche UOG 1975, das die Gremialuniversitäten gebracht hat.

Die Stärkung der Autonomie, der Wettbewerbsfähigkeit unserer Universitäten und ihre Entlassung aus der Bürokratie und sozusagen Stärkung der Eigenverantwortung sind die Antwort für das 21. Jahrhundert in diesem Universitätsgesetz 2002. Sogar der "Standard", wie Sie wissen, nicht gerade das Bejubelungsorgan der österreichischen Bundesregierung, übertitelte seinen Kommentar in diesem Zusammenhang: "Der universitäre Gang in die Autonomie wird dornig, aber der Beschluss war richtig!"

Im bildungspolitisch ohnehin gebeutelten Deutschland, wo eine rot-grüne Koalition am Werk ist, blickt man neidisch auf das österreichische universitäre Jahrhundertwerk, wobei es der Konsequenz und der monatelangen geduldigen, konstruktiven Dialogbereitschaft der Frau Ministerin zu verdanken ist, dass heute das Gesetz in dieser Form beschlossen werden kann, über das die "Süddeutsche Zeitung" am 9. Juli urteilte: "So gut wie nichts habe die Ministerin ausgelassen, was sich nicht schon deutsche Uni-Reformer erträumt hätten. Neidvoll blicke man ins Nachbarland, dem man als Vorbild diente."

Natürlich hat es in den letzten Monaten große und heftige Diskussionen über den bestmöglichen Weg in die Autonomie und über die österreichische Universitätslandschaft in das 21. Jahrhundert gegeben. So hat sich auch der in die Begutachtung entsandte Entwurf des Ministeriums im Vergleich zur nunmehr vorliegenden Endfassung des Gesetzes in wichtigen Punkten deutlich verändert. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Auch das Land Steiermark, welches mit vier Universitäten und nunmehr durch die Schaffung einer eigenen Medizinuniversität, über deren Auswirkungen wir in den nächsten Jahren hoffentlich freudige Feststellungen machen können werden, ein universitär und im Wissenschaftsbereich besonders engagiertes Bundesland ist, hat sich in das Begutachtungsverfahren eingebracht. In der Stellungnahme des Landes, an der auch der frühere Vorsitzende der Rektorenkonferenz Professor Rauch entscheidend mitgewirkt hat, wurde grundsätzlich festgestellt, dass zu den im vorliegenden Gesetzentwurf im Zusammenhang mit der geplanten Vollrechtsfähigkeit umgesetzten Überlegungen zur Schaffung einer deutlich größeren Budgetautonomie, aber auch zu mehr Organisations- und Personalautonomie ein klares Ja zu sagen ist.


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Dann wurden einige Änderungsvorschläge gebracht, insbesondere was den heftig diskutierten Universitätsrat betrifft, zu dem sich auch der Präsident der Rektorenkonferenz Professor Winckler geäußert hat. Ursprünglich war dieser Universitätsrat auf fünf Mitglieder konzipiert, von dem je zwei vom Ministerium beziehungsweise von der jeweiligen Universität nominiert werden sollen. Ein fünftes Mitglied hätte im Falle der Nichteinigung vom Ministerium ernannt werden können.

Das Land Steiermark hat auf Grund der unterschiedlichen Größen der Universitäten vorgeschlagen, die Anzahl der Mitglieder zwischen fünf und neun zu staffeln, und zur Stärkung der Autonomie die Wahl des Virilisten durch einen Universitätsvertreter angeregt.

Ähnliche Vorschläge sind von einer ganzen Reihe anderer Institutionen gekommen. Dies wird in diesem wichtigen strategischen Steuerungs-, Kontroll- und Aufsichtsgremium nunmehr in § 21 des Gesetzes voll verwirklicht: fünf, sieben oder neun Mitglieder; das fünfte, siebente oder neunte Mitglied wird im Fall der Nichteinigung durch den Senat aus einem Dreiervorschlag der Akademie der Wissenschaften gewählt.

"Wettbewerb und Autonomie statt Bürokratie und Zentralismus" ist die Devise. Leistungsverträge alle drei Jahre, Profilbildung, Profilentwicklung und Evaluierung – positiver Wettbewerb also. Dies ist ganz entscheidend für ein Land wie Österreich, wo der wichtigste Rohstoff, wie wir wissen, die Intelligenz und die bestmögliche Qualifizierung unserer Jugend sind.

Im Wifo-Monatsbericht 6/2002 sind Teile oder Zusammenfassungen der umfassenden Bildungsstudie des Wirtschaftsforschungsinstitutes vorgelegt worden, anhand deren das deutlich dargestellt wird. Bildung hat einen besonderen Stellenwert in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung eines rohstoffarmen Landes wie Österreich. Sie ist der Garant für die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des Lebensstandards.

Bildung hat insbesondere auch einen hohen Eigenwert. Insgesamt sind sowohl die quantitativen als auch die qualitativen Rahmenbedingungen ganz entscheidend, beginnend mit dem Grundschulbereich, von dem die PISA-Studie deutlich gezeigt hat, dass wir wesentlich wettbewerbsfähiger sind als beispielsweise Deutschland, über die Fachhochschulen, die eine österreichische Erfolgsstory geworden sind, bis nunmehr zum Universitätsgesetz 2002, womit wir einen weiteren deutlichen positiven Schub in diese Richtung erhalten werden.

Ich glaube, das Universitätsgesetz 2002 ist insgesamt auch ein weiterer Beweis für die Innovations- und Reformkraft dieser Regierung. Ich danke noch einmal der Frau Ministerin und ihren Mitstreitern, insbesondere auch Herrn Sektionschef Dr. Höllinger, für die große Konsequenz, die in diesem Zusammenhang gezeigt wurde. Ich sage ein klares und überzeugtes Ja zum Universitätsgesetz 2002!

Als Letztes darf ich noch kurz anmerken, dass es uns sehr freut, dass durch die Änderung des Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird, auch für die Steiermark eine kleine, aber feine Sache abfällt, nämlich die wirtschaftsjuristische Studienrichtung in Leoben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.34

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. – Bitte, Frau Bundesrätin.

19.35

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Auch aus Rücksichtnahme darauf, dass Sie, ohne es geplant zu haben, jetzt sehr lange warten mussten, bis wir nach Erledigung der dringlichen Anfragen zur Debatte über Ihr Reformwerk gekommen sind, denke ich, dass ich erstens feststellen kann, dass ich mit den allgemeinen Erklärungen des Kollegen Hösele zur Bedeutung von Bildung, Wissenschaft und Forschung d’accord gehe und uns daher eine Wiederholung ersparen kann.


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Der zweite Punkt betrifft Ihre Erwähnung, Kollege Hösele, dass für Ihr Bundesland, die Steiermark, etwas "abgefallen" sei – ich sage das nicht abfällig – im Zusammenhang mit diesem Reformwerk und der Zukunftsentwicklung der Universitäten.

In meinem Heimatland Kärnten sind wir bezüglich der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt in großer Sorge, und zwar vor allem bezüglich der Fort-, Aus- und Weiterentwicklung in jenen Fächern und Bereichen, die nicht im klassischen Sinn philosophisch oder linguistisch sind, sondern zu jenem Kapital der Republik Österreich gehören, wenn Menschen in diesem Bereich ausgebildet werden, bei dem Know-How und Kompetenz nicht sofort zur Umsetzung kommen, sondern im klassischen Sinn der allgemeinen Bildung und Weiterentwicklung einer Republik dienen, und zwar auch auf dem Ausbildungsweg.

Diesbezüglich sind wir in großer Sorge, weil der zukünftige Weg der Universität in Klagenfurt nicht erfreulich ist – außer die Frau Ministerin erklärt sich bereit, dieser noch sehr jungen Universität zu helfen.

Ich verweise nicht nur deswegen darauf, weil ich selbst zu der Zeit mein Studium in Wien begonnen habe und einige Professoren dann nach Klagenfurt gegangen sind, wo ich mein Studium der Germanistik beendet habe, sondern auch deshalb, weil auch Herr Kollege Karl-Heinz Grasser sein Basiswissen an der Klagenfurter Universität erworben hat – nicht das politische, das hat er sich anderswo erworben.

Es ist mir nicht nur ein Herzens-, sondern vor allem ein Kopfanliegen, für die Region Kärnten den Fortbestand und möglicherweise auch den Ausbau der Klagenfurter Universität im Kopf dieser und künftiger Regierungen zu verankern.

Ein Land wie Kärnten, das infrastrukturell zwar eine wunderschöne Landschaft, aber wenig Industrie, große Probleme mit der Beschäftigung und große Probleme mit dem Tourismus hat, der zwar international sehr bekannt ist, aber seit Jahrzehnten nicht mehr als 8 Prozent an Wertschöpfung abwirft, braucht eine Universität, weil sie auch ein sehr starker intellektueller Input ist. – Das sei vorweg gesagt.

Ganz kurz zwei Punkte zur Position der Sozialdemokratie: Frau Ministerin! Sie haben die Debatte im Nationalrat erlebt. Die Positionen ändern sich zwischen Nationalrat und Bundesrat nur sehr selten, daher kann ich ganz kurz bleiben: Sie haben von Seiten der SPÖ und unseres Parteichefs Gusenbauer im Nationalrat erfahren, dass – Punkt eins – die SPÖ ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit einer Reform abgelegt hat und ablegt.

Punkt zwei: Die Sozialdemokratie hat sich auch bereit erklärt, konstruktiv zusammenzuarbeiten, das heißt, sie hat in Kooperation mit Experten, Fachleuten der Universität, Bedenken geäußert, Alternativvorschläge erarbeitet und auch Konzepte mit eingebracht.

Dass es der Frau Ministerin nicht gelingen wollte, nicht gelungen ist oder nicht möglich war, dass man auch diese Vorschläge mit einbaut, hat nichts mit unserer Ablehnung zu tun. Ich betone, unsere Ablehnung hat nichts mit parteipolitischer Eitelkeit zu tun, sondern mit sehr massiven Einwänden, die nicht nur aus einer Partei kommen, sondern vor allem auch von den Betroffenen.

Geschätzte Frau Ministerin! Kernpunkt der Kritik ist: Beim Vorgehen sind Gespräche sehr notwendig. Aber Gespräche mit Konsequenz bedeuten, dass es eine gleichberechtigte Partnerschaft in der Position gibt, das heißt, keine unterschiedlichen Machtfaktoren. Das heißt, Kritik, Einwände, Vorschläge, Konzepte sowohl von Oppositionellen als auch von – teilweise selbst bestellten – Experten sind Ernst zu nehmen! Ich denke, jede Regierung, jeder Verantwortungsträger ist sehr gut beraten, wenn er diese Kritik beziehungsweise diese Ansätze mit einbaut. Das ist in diesem Fall nicht gelungen. Daher können wir im Gegensatz zu ÖVP und FPÖ diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben.

Zweiter Punkt – und das ist demokratiepolitisch im universitären Bereich auch sehr wichtig –: die Formen der Entscheidungswege. Es gibt in diesem Reformwerk eine ganz klare Einschrän


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kung des demokratischen Mitentscheidungsprozesses, und auch damit kann sich die Sozialdemokratie nicht identifizieren.

Frau Ministerin! Ich stehe aber andererseits nicht an, Ihnen zu der Vorgangsweise bezüglich allfälliger Vorschläge von Teilen Ihres Koalitionspartners zu gratulieren. Manche von ihnen haben, wie gesagt, eine Universität absolviert, und im Nachhinein als Minister hätten sie sich wahrscheinlich gern so manchen Rechts, das sie damals als Studenten nicht in Anspruch genommen haben, entledigt. Das heißt, dass es der FPÖ nicht gelungen ist, sich bezüglich der massiven Einschnitte im Bereich der Demokratie an den Universitäten insgesamt durchzu-setzen, und dazu gratuliere ich Ihnen, Frau Ministerin.

Ein letzter Punkt. Frau Kollegin Auer hat es angesprochen: das große Geheimnis der zukünftigen Budgets für die Universitäten. – Autonomie ist gut, und dazu bekennen wir uns auch, wenngleich das Ziel der Sozialdemokratie ein anderes ist. Aber zur Autonomie ist grundsätzlich ja zu sagen.

Frau Ministerin! Sie haben uns als Partner an Ihrer Seite – wenn Sie diese Partnerschaft nützen wollen –, wenn es darum geht, Budgetmittel für unsere Universitäten zu erstreiten und zu erkämpfen. Know-how, Kompetenz, Intelligenz und auch Kritik sind die Säulen einer Demokratie und auch der Reputation eines Staates im Ausland.

Wir wissen es, und Sie selbst wissen es auch, weil Sie sich in anderen Bereichen, an den Schulen, auch damit auseinander zu setzen haben. Entschuldigen Sie die saloppe Formulierung, aber: Autonomie ohne Marie funktioniert nicht! – Frau Ministerin! Wir werden Ihnen helfen, wenn Sie diese Hilfe in Anspruch nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Autonomie ohne Marie funktioniert nie!)

19.42

Präsident Ludwig Bieringer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, nämlich Herrn Fraktionsvorsitzenden Professor Böhm, möchte ich ihm von dieser Stelle aus zu seinem heutigen Geburtstag von ganzem Herzen alles Gute wünschen! (Allgemeiner lebhafter Beifall. – Bundesrat Dr. Böhm dankt von seinem Platz aus.)

Lieber Herr Professor! Da du der gleiche Jahrgang bist wie ich, kann das nur ein guter Jahrgang sein, und ich darf dich nun bitten, das Wort zu ergreifen. (Heiterkeit.)

19.42

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herzlichen Dank für die wirklich freundlichen Worte und die lieben Gratulationen! – Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dem heute zur Beschlussfassung anstehenden Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien, dem Universitätsgesetz 2002, wird ein Meilenstein in der jüngsten Geschichte der Universitätsreform gesetzt. Dazu ist der Bundesregierung im Allgemeinen und allen voran insbesondere der zuständigen Bundesministerin Gehrer voll zu gratulieren.

Für die legistische Ausformung der vorgegebenen hochschulpolitischen Grundlinien ist auch den leitenden Beamten des Ressorts, insbesondere Herrn Sektionschef Dr. Höllinger und Herr Ministerialrat Dr. Matzenauer sowie ihren federführenden Mitarbeitern Dank zu sagen.

Meine Damen und Herren! Sie werden es aber auch verstehen, wenn ich meine Genugtuung darüber zum Ausdruck bringe, dass diese Universitätsreform weithin auch von freiheitlichem Gedankengut mit geprägt ist. Das ist nicht zuletzt auch ein Verdienst unseres Wissenschaftssprechers, des Nationalratsabgeordneten Dr. Martin Graf, der an diesem Reformwerk erheblich mitgestaltend beteiligt war. Das Engagement, das er und der von ihm geleitete Arbeitskreis aufgebracht haben, war Beleg dafür, dass sich die Mitwirkung an einer offenen Planung im Zuge der Gesetzwerdung durchaus lohnt.

Was sind nun die Grundpfeiler und Eckdaten dieser meines Erachtens einschneidensten Universitätsreform der Zweiten Republik? – Primär ist dabei die Umwandlung der Universitäten


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und Universitäten der Künste von zuletzt teilrechtsfähigen Anstalten des Bundes in vollrechtsfähige juristische Personen des Öffentlichen Rechtes hervorzuheben. Damit hat der Anfang der neunziger Jahre eingeleitete Prozess, die Universitäten von staatlich gelenkten Einrichtungen, so genannten nachgeordneten Dienststellen, in autonome, das heißt eigenverantwortliche und leistungsfähige Institutionen überzuführen, sein Ziel erreicht.

Das UG 1975 unter der Ägide von Frau Bundesministerin Dr. Hertha Firnberg war gewiss ein erster Schritt auf diesem Weg, der jedoch aus meiner Sicht an der Überspannung des Prinzips der Mitbestimmung innerhalb rein kurial bestimmter Organisationseinheiten, verkürzt formuliert, an den so genannten "Gruppen- und Sitzungsuniversitäten" gescheitert ist.

Das UG 1993 war dann der Versuch von Bundesminister Erhard Busek, dieses Korsett zu sprengen und die aus der Autonomie erwachsende Gestaltungskraft zu stärken. Er wollte das durch die klare Trennung der Funktionen zwischen kollegial strukturierten operativen und monokratisch geprägten strategischen Organen und ihrem kooperativen Zusammenwirken erreichen. Die ihm von den Eigeninteressen der ständischen Berufsvertretungen abgerungenen Kompromisse führten dann allerdings zu einem für alle Beteiligten und auch im Hinblick auf das eigentliche Reformziel unbefriedigenden Ergebnis.

Nach meiner Einschätzung trifft all das auf das neue Universitätsgesetz 2002 nicht zu; dies trotz aller Zugeständnisse, die auch diesmal den beharrenden, jeder grundlegenden Reform widerstrebenden Kräften, insbesondere den Berufsfunktionären einzuräumen waren.

Dabei ist anzuerkennen, dass der Entwicklungstendenz zur Vollautonomie der Universitäten durch die Erklärung von Bologna 1999 ein wesentlicher Impuls verliehen worden ist. Wenngleich Bildung und Kultur nach wie vor in die Kompetenz der Nationalstaaten und nicht der Europäischen Union fallen, so haben sich deren Mitglieder doch zur freiwilligen Annäherung der Hochschulsysteme der europäischen Staaten verpflichtet.

Die vorrangige Bedeutung der Unabhängigkeit und Autonomie der Universitäten soll nach der Zielvorstellung der Erklärung von Bologna gewährleisten, dass sich die Universitäts- und Forschungssysteme den sich wandelnden Erfordernissen, den gesellschaftlichen Anforderungen und dem Fortschritt in der Wissenschaft laufend anpassen.

Europaweit wurde oder wird derzeit die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Universitäten hergestellt oder gestärkt. Ungeachtet der Weiterentwicklung der österreichischen Universitäten zu teilrechtsfähigen Anstalten des Bundes war daher der entscheidende Schritt hin zur Vollrechtsfähigkeit zu setzen; das nicht zuletzt auch deshalb, weil die Gestaltungsmöglichkeiten der Universitäten bisher durch allzusehr ins Detail gehende Regelungen eingeschränkt waren.

Zur Binnenorganisation der österreichischen Hochschullandschaft ist die Schaffung vollrechtsfähiger medizinischer Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck hervorzuheben. Das ist keineswegs, wie bisweilen behauptet, autoritär von oben her verordnet worden, sondern auf Grund interner Willensbildung dieser bisher in Gesamtuniversitäten integrierten Fakultäten geschehen, erhoffen sie sich davon doch eine verstärkte Position gegenüber den für das Krankenanstaltenwesen, also für die klinische Behandlung, verantwortlichen Ländern und Gemeinden.

Einen Wermutstropfen mag dabei zweifellos bilden, dass es im Zuge der Aufwertung von fachbezogenen Fakultäten zu selbständigen Universitäten nicht geglückt ist, zur fächerübergreifenden Neubestimmung des Wirkungsbereiches der medizinischen Universitäten – etwa im Sinne der im angloamerikanischen Raum so genannten "Life Sciences" – zu gelangen.

Fachliche Jurismen zwingen auch zum Festhalten an den Grenzen zwischen Veterinärmedizin, Allgemeinmedizin und Bodenkultur. Das ist so bedauerlich wie überholt.

Eines ist aber zweifellos unrichtig, dass nämlich die interdisziplinäre und interuniversitäre fachliche Kooperation an der Ausgliederung der medizinischen Fakultäten scheitern muss. Davon kann keine Rede sein! Ein gemeinsamer Koordinationsrat der medizinischen Universität


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und der Gesamtuniversität desselben Standorts soll nämlich in Hinkunft eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Universitäten in Forschung und Lehre sowie in bestimmten Bereichen der Verwaltung gewährleisten, also eine Art Brückenfunktion ausüben. Und es wird immer auch den tragenden Wissenschaftlern als Persönlichkeiten vorbehalten bleiben, fachübergreifend zu interagieren.

Kehren wir zu den echten Fortschritten der jüngsten Universitätsreform zurück! Als solche sehe ich und sieht meine Fraktion jene grundlegenden Neuregelungen an, die man mit einem Preis-Leistungsverhältnis zwischen der Universität als dem Anbieter von Lehr- und Forschungsleistungen und ihren Abnehmern umschreiben könnte.

In der Einführung von dreijährigen Globalbudgets und dem Entfall jeder bisher zu wahrenden Kameralistik sehe ich eine ganz entscheidende Verbesserung der Rahmen- und Arbeitsbedingungen der universitären Lehre und Forschung. Dafür kann gar nicht genug gedankt werden! Mit anderen Worten: Es obliegt dem Bund die Verpflichtung zur Finanzierung, wobei den Universitäten ein auf drei Jahre garantiertes Budget zur Verfügung gestellt wird. Das hat es bisher nie gegeben! Über die Verwendung der Mittel sowie über die eigenen Einnahmen können die hohen Schulen ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend frei verfügen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit vollem Recht stehen der Finanzierungszusage des Bundes entsprechende, ebenfalls für drei Jahre abgeschlossene, konkrete Leistungsvereinbarungen zwischen dem Staat, also dem Bund, und der Universität gegenüber. Dabei handelt es sich um "Management by Objectives". Das hat sich an führenden Universitäten wie der ETH Zürich und anderen bereits sehr bewährt.

Dabei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verträge, in denen wissenschaftlich und gesellschaftlich erwünschte Ziele definiert werden. Sie können auch einvernehmlich wieder geändert werden. Die Einhaltung dieser Vereinbarung wird evaluiert.

Zur Qualitäts- und Leistungssicherung haben die Universitäten ein eigenes Qualitätsmanagement aufzubauen. Das Gesetz sieht überdies vor, die Leistungen der Professoren und Professorinnen und der anderen Universitätslehrer und -lehrerinnen mit Lehrbefugnis sowie der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter regelmäßig, zumindest aber alle fünf Jahre zu überprüfen.

Im Einzelnen wird es dann Aufgabe des Rektorats sein, Zielvereinbarungen mit den Leitern der Organisationseinheiten abzuschließen. Darin soll festgelegt werden, innerhalb welchen Zeitraums und von wem welche Leistungen zu erbringen sind, wie diese Leistungen evaluiert werden und in welcher Form die Rückmeldungen über die Einschätzung dieser Leistungen erfolgen sollen.

Die Vollrechtsfähigkeit ermöglicht den Universitäten auch erstmals die autonome Gestaltung ihrer Binnenorganisation. Dazu gehört auch die Kompetenz zur Neuordnung des Dienstrechts. Dieses wird sich künftighin am Recht der Privatangestellten orientieren.

Rechtstechnisch ist hervorzuheben, dass künftig Organisations-, Studien- und Personalrecht in einem einzigen Bundesgesetz zusammengefasst werden. Bisher waren das ja drei verschiedene Gesetze. Darüber hinaus wird das vorliegende Universitätsgesetz auch zur Weiterführung der Europäisierung des Studienrechtes beitragen. Zum Studienrecht ist auch noch anzumerken, dass seine Vollziehung im Bereich der Hoheitsverwaltung verbleibt, was den Rechtsschutz des Studierenden besser wahrt.

Lassen Sie mich zuletzt noch zu drei lautstark vorgetragenen Einwendungen Stellung nehmen! Zum Einen ist es unwahr, dass der neu etablierte Universitätsrat zu einer Politisierung der Universitäten führen könnte. Sowohl politische Mandatare als auch Ministerialbeamte, aber auch aktive akademische Funktionäre sind als Mitglieder des Universitätsrates ex lege ausgeschlossen. Insofern wird es möglich sein, dieses Organ der strategischen Planung und Ausrichtung der Universitäten insbesondere parteipolitisch unabhängig sowie fachkompetent zu besetzen. Dieses Gremium wird Kontroll-, Steuerungs- und Aufsichtsfunktionen erfüllen.


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Unwahr ist weiters, dass die Dozenten, also die heutigen außerordentlichen Universitätsprofessoren, in ihrer Stellung beeinträchtigt worden sind. Selbstverständlich bleiben ihnen alle Rechte aus ihrer Lehrbefugnis erhalten, sie können nach wie vor Diplomarbeiten und Dissertationen betreuen, selbständig Forschungsprojekte übernehmen und auch zum Institutsvorstand gewählt werden.

Zuletzt teile ich nach langjähriger eigener, hochschulpolitischer Erfahrung – sowohl als Universitätsassistent als auch als zunächst außerordentlicher und später ordentlicher Universitätsprofessor – keineswegs die Kritik, die auch heute wieder bei Kollegin Trunk angeklungen ist, dass das vorliegende Universitätsgesetz die Mitbestimmung allzusehr beschränke und damit ihre wohltätigen Auswirkungen gefährde. Vielmehr habe ich selbst erfahren – ich habe es von beiden Seiten, wie angedeutet, mehrfach erlebt –, dass auf der einen Seite problematische Habilitationsverfahren mit der positiven Stimme eines einzigen Universitätsprofessors erfolgreich ausgegangen sind und dass umgekehrt Habilitationsverfahren auf der anderen Seite bei politisch missliebigen Habilitanden – ich denke etwa an sozial- und politikwissenschaftliche Bereiche – gegen die Mehrheit der positiv votierenden Universitätsprofessoren abgewiesen worden sind.

All das erweist, dass es stets angemessener Fachkunde bedarf. Dem freiheitlichen Konzept hat es schon immer entsprochen, für die Mitbestimmung aller betroffenen Gruppen im Rahmen autonomer Entscheidungsprozesse einzutreten. Unsere Leitlinie war dabei allerdings immer, dass es dabei um eine funktionsorientierte und nach Qualifikation abgestufte Mitbestimmung gehen müsse.

Mit anderen Worten hat nur derjenige über eine fachliche Qualifikation – sei es Dissertation oder Habilitation – zu entscheiden, der selbst bereits über eine entsprechende Qualifikation verfügt. Überhaupt ist nicht einzusehen, dass jemand in entscheidender Funktion eine hochschulpolitische Weiche stellen soll, der nur mehr oder weniger vorübergehend an der Universität beschäftigt und daher von den Folgen seiner eigenen Entscheidungen möglicherweise auch nicht mehr betroffen ist. Mitbestimmung einerseits und Mitverantwortung andererseits müssen wohl gleichgewichtig sein.

Im Universitätsgesetz ist aber vor allem im Senat als Organ der Universitätsleitung durchaus ausreichend Mitbestimmung vorgesehen. Die ihm zugewiesenen Entscheidungskompetenzen betreffen die wesentlichsten Studien- und Prüfungsangelegenheiten, insbesondere die Erlassung der Curricula sowie der Satzungen. Mitbestimmung wird es auch in den Berufungs- und Habilitationskommissionen weiterhin, wenn auch in angemessener Weise, geben.

All diesen langjährigen hochschulpolitischen Forderungen, die auch wir hier mit einbringen konnten, trägt das neue Universitätsgesetz voll Rechnung. Deshalb stimmen wir ihm sowie dem novellierten Universitäts-Studiengesetz auch gerne zu. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.56

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. Ich erteile ihm dieses.

19.56

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Nach dieser ausführlichen Darlegung von Herrn Professor Böhm, unserem heutigen Geburtstagskind – und bei dieser Jugend erlaube ich mir, diesen Terminus zu verwenden; ich gratuliere ebenfalls sehr herzlich zu deinem Geburtstag! –, kann ich mich auf einige mir wesentlich erscheinende Fakten dieses Gesetzes beschränken.

Das Universitäts-Studiengesetz 2002 ist die größte Universitätsreform zumindest seit 1848, wenn nicht seit 1365. Schade, dass Frau Kollegin Auer jetzt nicht da ist, denn diese Jahreszahl wurde von ihr angeschnitten.


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Mit dieser Reform ist ein sehr ehrgeiziges Ziel verbunden, nämlich: Unsere Universitäten sollen zur Weltspitze gehören! Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber gerade dann, wenn wir unsere Bildungslandschaft im internationalen Vergleich ansehen, können wir durchaus mit Stolz sagen, dass Österreich gut dasteht. Im Bereich des Pflichtschulwesens hat die PISA-Studie gezeigt, dass wir an der Spitze der europäischen Staaten liegen, aber auch so hohe Investitionen wie kein anderes Land in der OECD in den Bildungsbereich stecken.

Nur in einem Bereich haben wir die Chancen zur Weltspitze noch nicht ganz genützt, nämlich im Bereich der Hochschulen und Universitäten. Trotz des Versuchs – Herr Professor Böhm hat es bereits angeschnitten –, 1993 den Universitäten in einem ersten Schritt einmal die Teilrechtsfähigkeit zu geben, haben wir im Grunde bis heute an den alten, verkrusteten Strukturen festgehalten. Ich erinnere mich: 1993 gab es ähnliche bis gleiche Ängste wie in der jetzigen Diskussion zum neuen Universitätsgesetz.

Wir wollen – und das ist das Ziel unserer Frau Bundesministerin – im Bereich der Universitäten Weltspitze werden, aber wir müssen die Herausforderungen, die sich dadurch stellen, auch annehmen. Es ist ein mutiger Schritt, ich gebe das zu, und mutige Schritte gehen nicht ohne Widerstände. Ich möchte nur einige wenige der zahlreichen, ganze Bände füllenden Widerstände hier erwähnen.

Den ersten Widerstand gab es im Bereich der Autonomie. Es ist mir völlig klar: Die Autonomie hat einerseits ihren Reiz, aber sie erfordert anderseits auch Verantwortung. Und mit Verantwortlichkeit, mit klarer Verantwortung ist auch durchaus ein Mehraufwand an den Universitäten gegeben.

Es gab und gibt – ich kann das sagen, denn Kollegin Auer und Kollegin Trunk haben es heute hier auch zum Ausdruck gebracht – vor allem die finanziellen Ängste. Es wurde in diesem Zusammenhang sogar von einem Aushungern der Universitäten gesprochen. Es gab und gibt Ängste im Bereich des Dienstrechtes – auch das wurde schon angeschnitten –, vor allem im Bereich des habilitierten Mittelbaus. Und es gibt Kritik im Zusammenhang mit der Selbständigkeit der medizinischen Universitäten. Aber wenn wir die Forderungen gerade dieser medizinischen Fakultäten, die sie derzeit noch sind, betrachten, dann wird klar, dass diese Fakultäten eigentlich die volle Autonomie wollten, allerdings nicht die Verantwortung als selbständige Universität.

Der Werdegang dieses Gesetzes war sehr dornig und schwierig. Er war gekennzeichnet und begleitet von einer sehr guten Kooperation zwischen Ministerium, Parlament, den politischen Parteien – auch das hat Kollegin Trunk hier anerkannt –, zwischen Experten und den Betroffenen. Und Betroffene im Bereich der Universitäten gibt es sehr viele: von den Rektoren über die Professoren bis zum habilitierten Mittelbau, zu den Assistenten und Studierenden und deren Interessenvertretungen.

Die Frau Bundesministerin hat es sich absolut nicht leicht gemacht. Der Beginn der Diskussionen war am 15. Dezember des Jahres 2000: Über eineinhalb Jahre lang fanden sehr viele Diskussionen statt, bei denen alle Betroffenen mit einbezogen wurden. Ich denke dabei auch – auch das wurde heute schon erwähnt – an das ausführliche Begutachtungsverfahren. In der Zwischenzeit gab es 1 300 Besprechungen und Diskussionen mit allen Beteiligten.

Ich möchte von dieser Stelle aus besonders Frau Bundesministerin Gehrer und den Beamten ihres Hauses – jedem und jeder Einzelnen – sehr herzlich für diesen gewaltigen Einsatz danken. Danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es wurden in diesen Diskussionen sehr offen Bedenken dargelegt, und über diese Bedenken wurde nicht – wie es vorher erwähnt wurde – drübergefahren, sondern man hat versucht, alle diese fundierten Stellungnahmen einzubauen. Ich kann aus eigener Erfahrung, da ich bei einigen solchen Diskussionen und einer Enquete dabei war, sagen: Es ist sehr viel herausgekommen! Eine Reihe von Forderungen konnte in dieses Gesetz aufgenommen werden. Wenn Sie die erste Regierungsvorlage, die in die Begutachtung gegangen ist, und dieses Ge


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setz heute miteinander vergleichen, dann werden Sie sehen, dass dieses Gesetz das Ergebnis dieser Diskussionen ist. Es war also ein echt demokratischer Prozess, und das ist sehr wichtig.

Es ist mit diesem Gesetz auch ein beträchtlicher Gewinn für die Studierenden verbunden, ebenso wie für die Universitäten selbst, weil diese selbst eigenverantwortlich regeln können, was zu regeln ist. Es ist natürlich schwierig, wenn man sich nicht auf eine mehr oder weniger anonyme Institution wie das Ministerium ausreden kann. Man ist selbst verantwortlich, und ich glaube, gerade diese Eigenverantwortung wird sich positiv für die Studierenden auswirken. Wir hoffen, dass sie schneller, effizienter, verlässlicher und transparenter studieren können und dass wir mit diesem Jahrhundertgesetz endlich das erreichen, was das Ziel unserer Bildungsministerin ist, nämlich dass unsere Universitäten Weltspitze werden.

Nehmen wir in der Politik, aber auch an den einzelnen Universitäten diese Herausforderung an! Stehen wir positiv zu dieser Entwicklung! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.04

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

20.05

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Fast jeder neue Unterrichtsminister legt auch ein neues Universitäts-Organisationsgesetz vor. Das meine ich aber jetzt nicht negativ, sondern das will ich absolut positiv bewertet sehen, kommt doch darin zum Ausdruck, dass Änderungen des universitären Umfeldes zur Kenntnis genommen werden, dass man darauf reagiert. Das ist der Übergang zur Massenuniversität in den letzten 30 Jahren, das ist die Änderung von Bildungsinhalten: Es gibt heute Fächer, neue Disziplinen, die vor 30 Jahren – wie man sieht, wenn man in alten Studienführern blättert – noch nicht einmal dem Namen nach vorhanden waren. Ich denke da etwa an die EDV, die es an der damaligen Technischen Hochschule noch nicht gegeben hat. Damals hat man im Mathematikunterricht, in der Vorlesung "Mathematik für Chemiker", die ich damals besucht habe, noch mechanische Rechenmaschinen vorgestellt.

Auch die Wirtschaft hat neue Impulse gesetzt, hat den Anstoß zu neuen Organisationsformen gegeben. Ich habe auch an den Expertenrunden von Dr. Graf teilgenommen und bin froh, dass dort sehr viele wirtschaftliche Überlegungen angestellt wurden. Wenn man etwa von Evaluation spricht, dann sollte man sich vor Augen halten, dass diese zu jenen Dingen gehört, die aus der Industrie, aus der Wirtschaft kommen. Dort geht es ohne Evaluieren einfach nicht mehr.

Aber auch das politische Umfeld hat sich verändert, ist anders geworden. Der Ruf der 68er-Generation gegen den "Muff von 1 000 Jahren" – ich habe ihn noch im Ohr – hatte eindeutig eine ideologisch-politische Melodie unterlegt. Es ging damals nicht um die ureigensten Aufgaben eines Universitätsbetriebes, sondern um Gesellschaftspolitik. Das spiegelt sich in den Debatten zu diesem vorliegenden Gesetz – weniger hier, als im Nationalrat, wie man in den Protokollen nachlesen kann – wider. Dabei wird von der Opposition aber vergessen, dass selbst ein Entwurf eines Ihrer Minister, der Einem’sche Entwurf, in heute besonders beklagten Anliegen und Veränderungen wesentlich weiter gegangen ist. Ich möchte nur daran erinnern, dass der Entwurf von 1999 vorsah, dass die Institutsvorstände einfach vom Rektor eingesetzt werden. Was würde das für einen Aufschrei ergeben, würde das in diesem heute vorliegenden Gesetz festgeschrieben sein!

Ich will jetzt nicht das vorliegende Gesetz erläutern; das ist in ausgezeichneter Weise bereits durch Vorredner geschehen. Ich nehme auch an, dass all diejenigen, die sich zu diesem Gesetz Gedanken gemacht haben und etwas dazu sagen wollen, es auch gelesen haben. Es sollen nur einige markante Neuerungen angemerkt werden, und hier ist die Autonomie an erster Stelle zu nennen, und sie war auch das große Ziel dieser Reform. Aber Autonomie, autonom sein ist untrennbar mit Eigenbestimmung verbunden, und dazu sind auch Geldmittel notwendig.


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Dieses neue Gesetz sieht vor, dass die Universitäten jetzt die Budgethoheit bekommen. Sie bekommen auch die Personalhoheit. Sie werden auch die Organisationshoheit bekommen. Sie werden ihre Ziele selbst definieren. – Die Evaluierung allerdings kann dann nicht im eigenen Bereich erfolgen; das würde dem System abträglich sein, es würde dann nicht funktionieren. – Das allein sind Freiheiten, über die österreichische Universitäten schon Jahrzehnte nicht mehr verfügt haben.

Warum man sich gegen eine solche Autonomie wendet, dagegen Sturm läuft, ist mir unverständlich. Hat man Angst, selbst verantwortlich zu sein? Hat man Angst vor der eigenen Courage, dieses Modell auch leben zu können? – Ich habe dies in Äußerungen von verantwortlichen Universitätsorganen, von Professoren und Dekanen, mit denen ich gesprochen habe, nicht gehört. Als wir den Entwurf vorliegen hatten und die Leute von den Universitäten Einsicht nehmen konnten, sind Änderungen vorgenommen worden – man kann es natürlich nicht allen gleichzeitig Recht machen –, und diese Änderungen haben dann zu einer großen Akzeptanz geführt, die auch bei all jenen zu orten ist, die dem Geist dieses Gesetzes auf den Grund gekommen sind. Angst, so glaube ich, haben nur jene, die für ihre Karriere eine politische Partei im Rücken brauchen.

Wie Professuren heute besetzt werden, ist wohl allgemein bekannt, und auch das soll sich ändern. Ich warte aber natürlich schon darauf, dass sich, wenn ein Blauer eine Professur bekommt, das Geschrei von "Rot raus und Schwarz-Blau rein" erhebt. – Darf es nur rote Neubesetzungen geben?

Wir träumen, wir alle träumen von einer Weltgeltung unserer Universitäten, die wir schon lange nicht mehr haben – von einzelnen Disziplinen natürlich abgesehen. Warum gibt es Elite-Universitäten? Sind diese Universitäten nicht ein Stachel im Körper jeder unserer Universitäten? – Aber dort geht es um die Leistung: Bei den Elite-Universitäten geht es um die Leistung der Lehrenden und der Lernenden.

Es weiß heute doch jeder, wo man bestimmte Fächer leichter studiert als zum Beispiel in Wien. – Ich will das Fach nicht nennen, aber man lächelt, und man weiß es. – Das ist nicht der Weg zum Erfolg, sondern zum Mittelmaß, wenn wir das weiter pflegen.

Die Autonomie muss auch gegenüber der Politik gewahrt werden. Gesellschaftspolitik ist schon genug betrieben worden. Die Reform betrifft in erster Linie die Universität selbst: ihre Organisation, ihr Budget, ihre Berufungen, ihren Stellenwert im internationalen Vergleich. Sie betrifft aber auch die Studenten selbst: ihre Studienzeit, ihre Lerninhalte, ihre Ausbildung, die sie für adäquate Berufe befähigen soll. Sie betrifft Österreich: Sie stellt die Sicherheit für eine zukünftige Entwicklung dar.

Der Hunger ist nicht durch Beschlüsse von Parteien aus Europa verbannt worden, aber durch die Forschungsergebnisse europäischer Universitäten. – Ich glaube, an solchen Beispielen sollten wir unsere Universitäten messen! Und das, meine Damen und Herren, ist der Fortschritt der letzten 100 Jahre oder noch mehr gewesen – nicht Parteibeschlüsse, wenngleich der eine oder andere Beschluss vielleicht auch dazu beigetragen hat –, aber das hat den Fortschritt gebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das neue Gesetz betrifft – und das ist vielleicht das Wichtigste im Selbstverständnis des universitären Anspruchs – das Allgemeine, das Ganze, das Universale und das Humane; dieses dürfen wir nie aus den Augen verlieren.

Frau Ministerin! Ich gratuliere zu diesem Gesetz! Ich glaube, es ist wirklich ein Meilenstein und wird sich an die Humboldt’sche Universitätsreform anschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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20.13

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

20.13

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dieser Universitätsreform und mit diesem Universitätsgesetz 2002 haben wir das umgesetzt, was die Rektorenkonferenz in ihrem Gelbbuch in ihrer Evaluierung der bestehenden Gesetze festgeschrieben hat: weniger Regulierung – weniger Verordnungen, Gesetze et cetera –, mehr Wettbewerb – international, national –, stärkere Leistung, nach Kompetenz und Verantwortung differenzierte Mitbestimmung und strategische Zielvereinbarungen mit dem Staat. Diese Zielvorstellungen haben wir in diesem Universitätsgesetz 2002 verwirklicht. Es sind dies Zielvorstellungen, die nach internationalen Expertenmeinungen die ganz wichtigen Eckpunkte für moderne zukunftsorientierte Universitäten sichern. Diese modernen Eckpunkte sind:

Erstens: Autonomie und Selbstständigkeit. Dabei heißen Autonomie und Selbstständigkeit nicht, dass jeder macht, was er will, und Laisser-faire, sondern es heißt, dass wir in einer verantworteten Freiheit gegenüber Staat und Gesellschaft, gegenüber dem Steuerzahler unsere Ziele an den Universitäten setzen können, dass die Universitäten im Rahmen ihres Budgets, im Rahmen von Leistungsvereinbarungen mit dem Steuerzahler ihre wertvolle und wichtige Arbeit leisten.

Zweitens: die persönliche Verantwortung. Es muss die Entscheidungskompetenz mit der Verantwortungskompetenz zusammengeführt werden. Das haben wir in diesem Gesetz geschaffen.

Drittens: die Gewaltenteilung. Eine Gewaltenteilung: die wissenschaftliche Ebene – der Senat –, die operative Ebene – das Rektorat –, die strategische Ebene – der Universitätsrat. Diese drei wichtigen Universitätsorgane arbeiten zusammen.

Viertens: die Subsidiarität, auch innerhalb der Universität – das Übertragen von Verantwortung auf andere Organisationseinheiten, auch das Arbeiten innerhalb der Universität mit modernen Zielvereinbarungen, mit Mitarbeitergesprächen, mit Abgabe von Verantwortung, mit Einforderung aber ebendieser Verantwortung.

Meine Damen und Herren! Das Universitätsgesetz 2002 hat europäisch für Aufsehen gesorgt: Ich bin vom "Spiegel", von der "Süddeutschen Zeitung" angerufen worden, von verschiedenen internationalen Zeitschriften angerufen worden. Es hat das ASEA UNINET bei einer Tagung in Trient vor kurzem festgestellt: Diese Universitätsreform ist ein Schritt, der uns weiterbringt.

Ich kann Ihnen sagen: Es war harte Arbeit, es war nächtelange Arbeit. Es war harte Arbeit, über 1 300 Sitzungen, Besprechungen abzuhalten. Es war eine sehr harte Arbeit für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sie sind sehr gefordert worden. Ihnen möchte ich aufrichtig danken (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen): Herrn Sektionschef Dr. Höllinger, Herrn Gruppenleiter Dr. Matzenauer. Ich möchte vor allem auch Frau Ministerialrätin Dr. Sebök danken, die nächtelang die neuen Versionen formuliert und geschrieben hat, die alles für uns vorbereitet hat, und auch meinem Mitarbeiter Günther Simonitsch, meinem Referenten, der darüber einige Kilo verloren hat. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bedanke mich aber auch sehr herzlich bei allen Abgeordneten, also bei den Abgeordneten aller Fraktionen. Alle haben ganz Wesentliches dazu beigetragen – die Abgeordneten der Koalition, die Abgeordneten der Opposition –, und ich habe am Schluss so das Gefühl gehabt, dass uns gerade noch ein Seidenblatt von einer gemeinsamen Beschlussfassung trennt. Ich höre aber aus den Debattenbeiträgen aus den verschiedenen Fraktionen, auch aus den Oppositionsfraktionen, dass ein großes Maß an Zustimmung besteht.

Nach solch einer intensiven Arbeitsphase möchte man meinen, dass jeder jetzt sagt: Gott sei Dank, wir haben das geschafft! – Es ist aber nicht so: Nach einem derartigen Anspannungs-Bogen entsteht natürlich sofort die Frage: Wie geht es weiter? Was müssen wir jetzt machen? – Und da fällt mir immer wieder der Spruch ein, der lautet: Glücklich ist ein Mensch dann, wenn er ein Ziel erreicht und das nächste schon vor Augen hat. – So gesehen sind wir sehr glückliche Menschen, denn wir haben mit der heutigen Nicht-Untersagung des Gesetzes das Ziel der


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Universitätsreform, sie im Gesetz festzuschreiben, erreicht, aber die nächsten Herausforderungen liegen damit vor uns!

Die nächsten Herausforderungen sind die wichtige Phase der Umsetzung. Bis zum 1. Oktober 2002 wird das Gesetz in Kraft treten. Bis 30. November 2002 wird sich an jeder Universität ein so genannter Gründungskonvent konstituieren, der die Implementierung dieses Gesetzes durchführt. Wir arbeiten intensiv, um die Wahlordnung auszuarbeiten und alles in die Wege zu leiten, damit dieser Gründungskonvent seine Arbeit aufnehmen kann.

Auf Vorschlag des Gründungskonvents wird bis zum Ende des Sommersemesters 2003 der Rektor vom Uni-Rat gewählt werden, es wird der Uni-Rat eingesetzt werden, und spätestens bis 31. Dezember 2003 wird die Implementierung an allen 21 österreichischen Universitäten umgesetzt sein.

Ein großes Stück Arbeit liegt hinter uns, ein großes Stück Arbeit liegt vor uns, und ich bitte Sie, uns auch bei dieser Implementierung zu begleiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.18

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) sowie Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz) (1159 und 1226/NR sowie 6719/BR der Beilagen)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 174

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002) (1160 und 1240/NR sowie 6720/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesluftreinhaltegesetz und

ein Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002.

Die Berichterstattung über die Punkte 16 und 17 hat Frau Bundesrätin Anna Höllerer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird (Bundesluftreinhaltegesetz), liegt den Bundesrätinnen und Bundesräten in schriftlicher Form vor. Ich kann daher auf die Verlesung verzichten und komme zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002), liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich darf daher auf die Verlesung verzichten und komme zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Auer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

20.23

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir bringen heute die eben verlesenen Bericht zur Abstimmung, worin es um zwei Gesetze geht, nämlich um das Bundesluftreinhaltegesetz und das Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002.

Im Bundesluftreinhaltegesetz wird eine bundeseinheitliche Regelung für die Verpflichtung zur Reinhaltung der Luft und zum Verbot der Verbrennens von nicht biogenem Material geschaffen.

Dieses Gesetz ist aus der Sicht meiner Fraktion prinzipiell zu begrüßen, gäbe es da nicht den Abänderungsantrag, in welchem weitreichende Ausnahmebestimmungen für die Landwirtschaft geschaffen werden sollen, und das noch dazu in zwei Kernpunkten des Gesetzes.


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690. Sitzung / Seite 175

Diese zwei Kernpunkte betreffen einerseits die Beeinträchtigung und die Belästigung Dritter durch üble Gerüche und andererseits die Luftschadstoffemissionen. Damit wird eine breite Ausnahme für die Landwirtschaft geordert, obwohl auf Grund dieses Gesetzes jedermann in Österreich generell zur Reinhaltung der Luft verpflichtet ist.

Das immer wieder ins Treffen geführte Argument, landwirtschaftliche Betriebe werden ordnungsgemäß geführt, kann nicht halten, denn in der Landwirtschaft gibt es keine Technik, die perfekt ist, und das wirft massive Probleme auf. Denken Sie nur an die industrielle Tierhaltung und an die Massentierhaltungsbetriebe, bei denen es zu enormen Geruchsbelästigungen kommt!

Alle Industrie- und Wirtschaftsbetriebe müssen in vielen Bereichen Emissionsstandards einhalten, Filteranlagen einbauen und andere Prüfverfahren über sich ergehen lassen. – In der Landwirtschaft soll das nicht mehr so sein. Es ist nicht unbedingt erstrebenswert (Unruhe bei der ÖVP – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen), dass es sich die Landwirtschaft auf Kosten der anderen richten kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP und Gegenrufe des Bundesrates Manfred Gruber. ) Jeder Österreicher, jeder österreichische Gewerbebetrieb muss sich an die Vorschriften des Bundesluftreinhaltegesetzes, manchmal sogar an die zum Teil noch schärferen gewerblichen Luftreinhaltebestimmungen und -regelungen halten, nur die Großbauern und die Bauern und ihre Vertreter hier im Parlament (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP) sollen sich mit diesem Gesetz alles richten können. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ach! Das glauben Sie ja selbst nicht, was Sie da aufgeschrieben haben!)

Mit diesem Abänderungsantrag, der dieses Gesetz schlichtweg aushöhlt, wird einer der Hauptverursacher, die Landwirtschaft, aus der Verantwortung entlassen. Dies entspricht nicht unserem Bild von gerechter und umweltfreundlicher Politik, und deshalb stimmt meine Fraktion dieser Vorlage in ihrer abgeänderten Fassung nicht zu.

Noch eine kurze Anmerkung zum Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002 (Bundesrat Hensler: Sind Sie die SPÖ-Agrarsprecherin? – Ruf bei der ÖVP: Der Kollege Winter ist der Agrarsprecher! – Bundesrat Gasteiger  – in Richtung ÖVP –: Was soll das? Lasst sie reden! – Die werden da gleich nervös!): Da es hier im Wesentlichen um die Umsetzung von EU-Richtlinien geht, ist zu hoffen, dass mit anderen EU-Ländern doch noch eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann, um die Endlagerung des jeweils eigenen Atommülls zur allgemeinen Zufriedenheit regeln zu können.

Diesem Gesetz stimmen wir zu. (Beifall bei der SPÖ.)

20.26

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. – Bitte.

20.26

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich es auf Grund der ausführlichen Tagesordnung ganz kurz machen.

Zum Bundesluftreinhaltegesetz hat Frau Kollegin Auer schon sehr Wesentliches gesagt. (Bundesrat Manfred Gruber: Wichtiges!) Luftreinhaltung ist ein sensibler Bereich im Umweltschutz. Dieses Gesetz trägt sicherlich wesentlich zum Schutz der Luft bei, besonders natürlich dadurch, dass, wie Sie richtig gesagt haben, biogene Materialien in Zukunft nicht mehr außerhalb von Verbrennungsanlagen verbrannt werden dürfen.

Frau Kollegin! Was die angesprochene Sonderregelung betrifft, so kommen wir da auf unser altes Problem zurück. Herr Kollege Schennach! Wir wissen es auch aus privaten Gesprächen: Da haben wir natürlich jenes Problem, dass Sie das romantische Bild der Heidelandwirtschaft nicht aus dem Kopf bekommen. Aber das ist klar, und ich verlange auch keine Fachkompetenz. Kollege Schennach ist von der Jugend her belastet. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Schennach. )


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690. Sitzung / Seite 176

Ich sage Ihnen eines: Es gibt in Österreich im internationalen Vergleich eine äußerst kleinstrukturierte, bäuerliche Landwirtschaft, und – Frau Kollegin, nehmen Sie das zur Kenntnis, ich muss es sonst bei jeder Sitzung wiederholen! – die glaubwürdigste Form der ökologischen Landwirtschaft ist jene der Tierhaltung, nämlich die Kreislaufwirtschaft: Die Nahrungsmittel, also die Früchte des Feldes und der Wiese, werden aus dem Kreislauf entnommen, an die Tiere verfüttert und in Form von Milch und Fleisch für die Lebensmittelproduktion verwendet. Und Gott sei Dank haben lebende Tiere auch eine Ausscheidung in Form von Urin und Kot – und das ist der Mist, die Jauche und die Gülle, die auf die Felder ausgebracht wird.

Frau Kollegin! Wenn Sie eine geruchlose Landwirtschaft wünschen – die wir Ihnen vorführen können –, dann haben Sie bewiesen, dass Sie keine Fachkompetenz haben! Dann nehmen wir den Mineraldünger: Da werden die Erdölscheichs glücklich sein, wir werden eine viehlose Landwirtschaft betreiben, Sie haben kein Problem mit Gerüchen – und Sie können sich glücklich schätzen, weil Sie glauben, Sie haben etwas bewegt. Das ist das Problem.

Von der Tierhaltung, Frau Kollegin, kann ich Ihnen etwas erzählen, weil ich sie seit 32 Jahren praktiziere. Unsere Tiere werden in so bescheidenen, kleinen Beständen gehalten im Vergleich zu anderen Ländern! Wir haben keine Diskussion über sechsstöckige Schweineställe, so wie in Holland, sondern wir haben eine artgerechte Tierhaltung, und – ich habe es heute schon mit den Kollegen aus der Gastronomie und Hotellerie besprochen – wir sollten endlich dazu zurückkommen, dass diese Qualitätsprodukte, die von unseren Konsumenten zum Teil auch sehr geschätzt werden, immer mehr konsumiert und genossen werden – und nicht argentinische Steaks oder Krokodil und Klapperschlange, wie wir es in manchem Dessertladen vorfinden. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Schennach: Das muss in Oberösterreich sein, die Klapperschlangen!)

Ja, die Ernährung auf Basis der drei Ks haben wir mitgemacht zu Zeiten der BSE-Krise: Krokodil, Klapperschlange und Känguru als Ersatz für unser qualitätsvolles Rindfleisch!

Deshalb zurück zur Tierhaltung: Wir haben natürlich da und dort bei Siedlungsgebieten Berührungsängste. Diese werden zum Großteil mit technischen Lösungen wirklich bereinigt. Glauben Sie mir eines – Sie haben es heute gesehen –: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksbauernkammer Vöcklabruck sind da hinten als Zuhörer gesessen. Täglich sind wir im Einsatz, um diese Probleme zu lösen; täglich sind wir bemüht, im Sinne einer guten Kollegialität vor Ort, dies zu bewältigen, und wir sind stolz und glücklich auf jede Bäuerin und jeden Bauern, die bereit sind, sich das Los der Tierhaltung aufzuerlegen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir haben keine Probleme bei der Termingestaltung und mit der Urlaubsplanung, sondern hier geht es um beinharte verlässliche Arbeit, und zwar 365 Tage im Jahr von morgens bis abends. Wir haben heute schon von Nachtarbeit gesprochen: Wenn wir frische Milch haben wollen, dann muss die Kuh gemolken werden. – In diesem Sinne stimmen wir diesen zwei vorliegenden Gesetzesvorlagen zu. (Zwischenrufe des Bundesrates Boden und der Bundesrätin Auer. )

Wunderbar, Frau Kollegin! Ich lade Sie jederzeit herzlich ein, wenn Sie einmal im Urlaub Zeit haben, in meinen Betrieb zu kommen! Wir haben einen Massenbetrieb für österreichische Verhältnisse, aber unsere Tiere sind sehr glücklich. – Diese beiden Gesetze finden – wie gesagt – die Zustimmung meiner Fraktion. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.31

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. – Bitte.

20.31

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich sollten wir uns gerade in dieser Materie einig sein! Luft atmen wir alle, und es sollte kein Privileg sein, gute Luft atmen zu dürfen, beziehungsweise sollte es kein Nachteil sein, nicht im Westen wohnen zu können, weil man deswegen die Abluft einer ganzen Stadt in die Atemluft bekommt.


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690. Sitzung / Seite 177

Heute ist man technisch in der Lage, die Luft zu reinigen und so Lebensqualität, zumindest was die Luft betrifft, sicherzustellen und zu garantieren. In der Industrie verteuern die Luftreinigungsmaßnahmen den Produktionsprozess spürbar. In den letzten beiden Jahrzehnte wurde allerdings ein Standard geschaffen, den zu überbieten nur mehr sehr schwer möglich sein wird. Aber auch diesbezüglich ist es überall anders: Die letzten Meter sind immer die schwierigsten und anstrengendsten.

In der Landwirtschaft verhält es sich ähnlich, nur ist es hier ungleich komplizierter: Kann der Landwirt die Abluft des über seinen Feldern ausgebrachten Düngers absaugen und reinigen? – Wenn man diese Frage stellt, meine Damen und Herren, dann provoziert man eine gleich dumme Antwort: Dass Landwirtschaft auch mit üblen Gerüchen verbunden ist, weiß jeder, der einen Bauernhof nicht nur aus den Prospekten betreffend Urlaub am Bauernhof kennt, doch auch einer, der einmal auf einer Kuhflade ausgerutscht ist, soll nicht glauben, dass er von der Landwirtschaft schon etwas versteht! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sind die Bauernhöfe noch die romantischen Gehöfte? – Massentierhaltung hat die alten bäuerlichen Betriebe schon lange zur Rarität gemacht! Aber der Bauernhof mit Massentierhaltung ist nicht der typische österreichische Bauernhof. Das hat mein Vorredner Steinbichler eindeutig gesagt. Die mittlere Stückzahl von Schweinen liegt in Österreich bei 40 Stück. In vielen EU-Staaten ist es ein Vielfaches: Es gibt auch sechsstöckige Schweinezuchtanstalten. Dort gibt es natürlich andere Probleme, die man anders angehen muss. Man kann nicht Ungleiches über den gleichen Kamm scheren. Das ist unmöglich! – Das habe ich jetzt gesagt, damit man die Größenordnung richtig einschätzen kann.

Alle reden von natürlichen Produktionsmethoden, nur stinken darf es nicht. Ich warte jetzt nur mehr, bis der Biobauer auf Kunstdüngerbasis kreiert wird. Meine Damen und Herren! Das sind Schäferspiele à la Rokoko! Wer sich das unter Landwirtschaft vorstellt, der glaubt auch an die violette "Milka"-Kuh. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

In Österreich hat es bis dato eine unübersichtliche Rechtslage gegeben. Durch das neue Luftreinhaltegesetz wird nun dieser Gordische Knoten gelöst und werden die länderspezifischen Regelungen zusammengeführt. Besonders das Verbot des Verbrennens nicht biogener Abfälle außerhalb von geeigneten Anlagen ist zu begrüßen. Hoffentlich fällt damit auch das Verbot, Heckenschnitt von Kleingärtnern zu verbrennen, wie es von vielen Gemeinden in Niederösterreich gehandhabt wird, denn es ist vielen Bürgermeistern nicht zu erklären: Ob das Holz kompostiert oder verbrannt wird, das Endprodukt beider Prozesse ist das gleiche, wobei ich jetzt nicht das qualmende Verbrennen von noch grünen Pflanzenteilen meine.

Nun einige Worte zum Strahlenschutzgesetz: Manche wundern sich, dass darüber verhandelt werden soll, weil man nach der landläufigen Meinung Strahlenschutz natürlich mit Atomkraftwerken verbindet. Österreich hat bekanntlich keine Atomkraftwerke, wenn man vom Universitätsinstitut und Seibersdorf absieht; ich glaube aber, dass die diesbezüglichen Anlagen nicht mehr in Betrieb sind.

Denken Sie aber an die vielen medizinischen Geräte und technischen Einrichtungen, bei welchen man heute mit Strahlen arbeitet, oder denken Sie daran, dass in vielen Räumen – ich bin mir nicht ganz sicher, ob es auch im Parlament so war – die Rauchgasmelder Strahler waren, die auszutauschen und zu entsorgen ein Problem geworden ist! Die Lösung dieses Problems kostet viel Geld, und es geht dabei auch um die Lagerung.

Eine sehr große Zahl von österreichischen Arbeitnehmern hat tagtäglich mit Strahlung zu tun, und zwar nicht nur die Röntgenärzte; auch in der Wirtschaft und Industrie werden, wie schon gesagt, Untersuchungsmethoden angewendet, die auf Strahlung basieren. Jetzt wurden einheitliche Normen geschaffen. Die Maximaldosen, welchen ein Arbeitnehmer ausgesetzt werden darf, sind halbiert worden. Als ehemaliger Strahlenschutzbeauftragter einer großen Wiener Firma weiß ich um diese Probleme ziemlich genau Bescheid!


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690. Sitzung / Seite 178

Ich möchte mit einer Anmerkung dazu schließen: Die Kompetenzen und Weisungsrechte des Strahlungsbeauftragten sollen noch exakter beschrieben werden, denn nur dann kann man diesen im Unglücksfall auch zur Verantwortung ziehen, um dem Gesetz wirklich Genüge zu tun. – Meine Fraktion wird beiden Gesetzen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.38

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das partikuläre Bundesrecht im Bereich der Luftreinhaltung bereinigt und das Verbrennen von nicht biogenen Materialien außerhalb von Anlagen verboten wird, Bundesluftreinhaltegesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden, Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (das Protokoll "Tourismus") (1090 und 1227/NR sowie 6721/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (das Protokoll "Berglandwirtschaft") (1091und 1228/NR sowie 6722/BR der Beilagen)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten (1092 und 1229/NR sowie 6723/BR der Beilagen)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 179

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung (das Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung") (1093 und 1230/NR sowie 6724/BR der Beilagen)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald (das Protokoll "Bergwald") (1094 und 1231/NR sowie 6725/BR der Beilagen)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr (das Protokoll "Verkehr") (1095 und 1232/NR sowie 6726/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (das Protokoll "Bodenschutz") (1096 und 1233/NR sowie 6727/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege (das Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege") (1097 und 1234/NR sowie 6728/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie (das Protokoll "Energie") (1098 und 1235/NR sowie 6729/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 bis 26 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies:

das Protokoll "Tourismus,

das Protokoll "Berglandwirtschaft",

das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten,

das Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung",

das Protokoll "Bergwald",

das Protokoll "Verkehr",

das Protokoll "Bodenschutz",


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 180

das Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege" und

das Protokoll "Energie".

Die Berichterstattung über die Punkte 18 bis 26 hat Herr Bundesrat Friedrich Hensler übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich bringe die neun definitiven Beschlüsse und möchte mich kurz halten.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 181

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Germana Fösleitner. Ich erteile ihr dieses.

20.43

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte über die Protokolle zur Alpenkonvention ist ein guter und willkommener Anlass, um einerseits auf die Bedeutung der Bauern zur Sicherung der Ernährung und wichtiger Lebensgrundlagen aufmerksam zu machen, an die Verantwortung der Politik zur Erhaltung bäuerlicher Strukturen in ökologisch sensiblen Regionen zu appellieren, weiters die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der Agrarpolitik kritisch und konstruktiv zu debattieren und sich schließlich auch darüber zu freuen, dass Österreich mit der Ratifizierung der Alpenkonvention eindrucksvoll dokumentierte, dass die weltweiten Herausforderungen und die wirtschaftlichen sowie die ökologischen Probleme spezifische Maßnahmen für die Bergregionen erfordern.

An dieser Stelle möchte ich gleich vorab unserem Bundesminister Mag. Molterer und seinem Team, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die hervorragende Arbeit in dieser Materie in den letzten Jahren herzlich danken!

Die Erweiterung der Europäischen Union, die Diskussion über die Halbzeitbewertung der "Agenda 2000" und die WTO-Verhandlungen sollten in ihrer grundsätzlichen Strategie auch den Erfordernissen für lebensfähige Berggebiete Rechnung tragen. Eine grundlegende Rolle dabei nimmt die Land- und Forstwirtschaft ein, deren Multifunktionalität mehr als in anderen Regionen eine fundamentale Voraussetzung für eine nachhaltige Existenz des Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraumes ist.

Eine umfassende Politik für die Berggebiete und die alpinen Räume muss auf den ständigen Ausgleich von unveränderbaren Nachteilen, auf eine Verringerung der veränderbaren nachteiligen Faktoren und auf eine besondere Berücksichtigung der außerordentlichen Werte und Ressourcen der Berggebiete abzielen. Eine unternehmerisch begründete Produktionsfunktion der Land- und Forstwirtschaft in den Berggebieten ist die entscheidende Voraussetzung für die vielfältigen Funktionen, die eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung genießen.

Traditionell sind die Bergbauerngebiete in Österreich auf Grund der grünlandbetonten Produktionsgrundlagen auf die Viehwirtschaft, insbesondere auf die Rinderhaltung, ausgerichtet. Daneben haben die Bergbauern vielfach in der Forstwirtschaft ein zweites Existenzstandbein.

Umweltkonforme Produktionsmethoden in den Berggebieten können nur in einem Gesamtsystem nachhaltig aufrecht erhalten werden, wenn die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Schrankenloser Wirtschaftsliberalismus ohne ordnungspolitische Elemente führt zu einer Konzentration an Standorten, wo eine kostengünstigere Produktion möglich ist (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen), und damit natürlich zu einem Rückzug der Erzeugung aus den Regionen mit schwierigeren Standorteigenschaften.

Das Übereinkommen zum Schutz der Alpen, kurz "Alpenkonvention" genannt, besteht aus einer Rahmenkonvention, in der die Ziele und Spielregeln festgelegt sind. Die konkreten Maßnahmen zur Durchführung des Abkommens werden in den Protokollen vereinbart. Die Protokolle sind das Herzstück der Alpenkonvention. Sie bilden separate Vereinbarungen unter dem Dach der Konvention und beinhalten die Bestimmungen zur Umsetzung der Ziele in folgenden


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 182

Sachbereichen: Berglandwirtschaft, Naturschutz und Landschaftspflege, Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Bergwald, Bodenschutz, Energie, Tourismus und Verkehr.

Die Alpenkonvention soll zukünftig in allen Staaten Grundlage der Politik für das gesamte Alpengebiet werden und im Rahmen notwendiger Gesetzesanpassungen in die regionale, kantonale und kommunale Ebene integriert werden. Jedem Staat steht es frei, höhere nationale Standards zu verwirklichen oder beizubehalten.

Den Berggebieten und ihrer Bevölkerung werden in den letzten Jahren international verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Sie wissen, dass das Jahr 2002 von der UNO-Generalversammlung als "Jahr der Berge" ausgerufen wurde und viele Veranstaltungen und Aktivitäten zu diesem Zweck stattfinden. Ziel ist es, den Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen zu fördern und die Lebensqualität der Berg- und auch der Flachlandbevölkerung zu sichern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Alpenbogen stellt den größten zusammenhängenden Natur- und Kulturraum Europas dar. Dieser ist der Lebens- und Wirtschaftraum für 13 Millionen Bewohner in 43 Regionen und in 5 934 Gemeinden mit einem Flächenausmaß von rund 190 000 Quadratmetern. Er stellt auch eines der empfindlichsten Großökosysteme Europas mit einem unerschöpflichen Reservoir an kontinentaler Biodiversität und einem eindrucksvollen Mosaik von Landschaften und Lebensräumen dar. Für die Alpenbewohner stehen die eigenständige nachhaltige Nutzung der heimischen Ressourcen und die Sicherung der Lebensqualität im Vordergrund. In der Außensicht werden die Alpen als Verkehrsbarriere, als Dachgarten Europas, als Wasserschloss, touristisches Großerholungsgebiet oder schutzbedürftiger Großraum gesehen.

Die Landwirtschaft gehört zu den Alpen wie die Berge selbst. Sie bildete bis weit ins 20. Jahrhundert die wichtigste Lebensgrundlage für die meisten Bewohner dieser Gebiete. Die unterschiedlichen Bewirtschaftungsmethoden, Kulturen und Lebensweisen und die verschiedenen geologischen und klimatischen Voraussetzungen brachten eine große Vielfalt an Kulturlandschaften, an Pflanzen und Tierarten mit sich.

Die Bedeutung dieser teilweise sehr kleinstrukturierten Bergwirtschaft geht daher weit über den reinen landwirtschaftlichen Wert hinaus. Der Beitrag, den diese zur Erhaltung und Pflege der Natur- und Kulturlandschaft sowie zur Sicherung vor Naturgefahren und zum Schutz der Gebiete leistet, ist Grundvoraussetzung für die Nutzung der Alpen als Siedlungsraum, als Wirtschaftsraum und als Freizeit- und Erholungsraum.

Das Protokoll "Berglandwirtschaft" trägt diesem hohen Stellenwert Rechnung. Die Vertragsparteien sind bestrebt, die Maßnahmen der Agrarpolitik auf allen Ebenen entsprechend den unterschiedlichsten Standortvoraussetzungen zu differenzieren und die Berglandwirtschaft unter Berücksichtigung der natürlichen Standortnachteile zu fördern.

In Österreich hat die Förderung der Landwirtschaft in benachteiligten Gebieten, insbesondere der Berglandwirtschaft, eine jahrzehntelange Tradition. Seit Beginn der siebziger Jahre wurde im Rahmen des Bergbauern-Sonderprogramms bereits eine Direktzahlung an die Bergbauernbetriebe, der so genannte Bergbauernzuschuss, geleistet. Das Förderungssystem für die Berglandwirtschaft wurde in den Folgejahren weiter ausgebaut und mit dem EU-Beitritt noch ausgeweitet.

Eine globale Sensibilisierung für die Situation der Berggebiete ist besonders für Österreich von großer Bedeutung, denn Österreich hat innerhalb der EU einen der höchsten Anteile an Berggebieten. Für die langfristige Erhaltung der Umwelt und des ländlichen Raumes einschließlich der ländlichen Entwicklung im Berggebiet ist die Aufrechterhaltung der Landwirtschaft eine wichtige Voraussetzung. Ihre Bedeutung reicht von der Gefahrenabwehr, von der Produktion von hochwertigen Nahrungsmitteln, von der Erhaltung und Gestaltung der Kulturlandschaft, vom Schutz der Artenvielfalt und der Biodiversität, vom Schutz des Waldes und des Wassers, von


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der Bewirtschaftung der Almflächen und der Erfüllung der Mindestbesiedelungsfunktion bis zur Schaffung der entsprechenden Basis für den Tourismus.

Das aus der Landwirtschaft erzielbare Einkommen der Bergbauernbetriebe liegt allerdings weit unter jenem der Nichtbergbauernbetriebe. Unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind dafür öffentliche Förderungen unbedingt erforderlich. Die Förderung der Berglandwirtschaft ist ein nicht unwesentlicher Teil der österreichischen Agrar- und Berggebietspolitik.

Eine Philosophie des Lebendigen baut auf der Ehrfurcht vor dem Leben und auf dem Prinzip der Verantwortung auf. Bildung durch Ökologie führt zum Verantwortlichsein für die Gesamtheit von Mensch und Natur im Hinblick auf die Nach- und Umwelt.

All unseren Entscheidungen ist die Überlegung voranzustellen, wie unsere natürlichen Lebensgrundlagen und unser Landschaftsraum kommenden Generationen übergeben werden. Verantwortung, Vorsorge und Nachhaltigkeit als Arbeits- und Lebensprinzip gehören zur Landwirtschaftsethik. Es sind dies die geistigen Grundlagen für die Erhaltung und sinnvolle Nutzung ökologischer Systeme und die Bewahrung genetischer Vielfalt und der Schönheit der Landschaft.

Wir werden daher dieser Materie zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.54

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Klaus Gasteiger. – Bitte, Herr Bundesrat.

20.54

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als tirolerischen Älpler erfüllt es mich heute mit Freude und Stolz, zum Protokoll zum Schutz der Alpen, auch "Alpenkonvention" genannt, nach über einem Jahrzehnt der Verhandlungen meine Zustimmung geben zu dürfen! (Bravo-Ruf des Bundesrates Mag. Gudenus,  – Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wie im Bericht festgehalten, wurde diese "Alpenkonvention" als Rahmenvertrag konzipiert, mit dem Ziel, internationale Übereinkommen unter Beachtung des Vorsorge-, des Verursacher- und des Kooperationsprinzips im Sinne einer ganzheitlichen Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen unter ausgewogener Berücksichtigung der berechtigten Interessen aller Alpenstaaten und ihrer alpinen Regionen sowie einer umsichtigen, nachhaltigen Nutzung der Ressourcen sicherzustellen.

Die Alpenkonvention gibt dem Alpenraum einen ökologischen Sonderstatus innerhalb unserer Europäischen Union. Für Österreich sind selbstverständlich alle Themen in der Alpenkonvention wichtig, vom Bereich der Energie über die Landwirtschaft bis zum Tourismus. Für die älplerischen Bundesländer, also eher die westlichen Bundesländer, ist aber insbesondere der Verzicht auf den Bau einer hochrangigen Straße für den alpenquerenden Verkehr der Schlüsselsatz. So wurde damit zum Beispiel der Bau der Alemannia Autobahn von Nord nach Süd beziehungsweise von Süd nach Nord zu Grabe getragen. Gerade das Verkehrsprotokoll bietet dem Umwelt- und Verkehrsminister bei der Durchsetzung der dringenden österreichischen Anliegen wie zum Beispiel des Transitvertrages und der Ökopunkte-Regelung eine sehr wichtige Rückendeckung.

Die Bundesregierung ist daher dringend aufgefordert, gerade beim Transitvertrag hart zu bleiben, um einen adäquaten Nachfolgevertrag im Sinne der Alpenkonvention mit der Europäischen Union auszuverhandeln. So zeigt beispielsweise die Entwicklung der vergangenen Tage in Bezug auf die Ökopunkte, wie wichtig der Abschluss des Protokolls zum Schutz der Alpen ist.


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Wenn der Verkehrsminister und der Tiroler freiheitliche Landesparteivorsitzende zum Kampf gegen die EU aufrufen, dann ist das an und für sich rein zum Lachen! Minister Reichhold ist der dritte Minister dieser Regierung, der sich an den Ökopunkten die Zähne ausbeißt. Wie im Vorjahr nimmt die EU-Kommission auch heuer die übermittelten Zahlen nicht ab. Wie im Vorjahr wollte die Regierung Brüssel auch solche Transporte als Transitfuhren unterjubeln, die bilateral zu verstehen sind. Und wie im Vorjahr ruft der Verkehrsminister den EuGH zu Hilfe; der Gang zum EuGH ist jedoch mehr ein publicitywirksamer Politaktionismus unseres Herrn Verkehrsministers zur Befriedigung der Tiroler Vielleichtwähler denn eine Lösung des Problems.

Bis die EU-Richter eine Entscheidung fällen, gehört der Transitvertrag möglicherweise längst der Vergangenheit an. Statt sich in Streitereien über die Zahlen der Transitfahrten zu verzetteln und damit letzte Verbündete zu vergraulen, braucht die Regierung dringendst Partner für eine Wende in der EU-Verkehrspolitik, und diese hat sie nicht, weil sie sich wahrscheinlich mit dem einen oder anderen Nachbarn angelegt hat.

Obwohl in den österreichischen Medien suggeriert wird, dass Österreich in der Transitfrage am längeren Ast sitzt, kommt es zu keiner Entscheidung. Der Transitvertrag läuft im Jahre 2003 aus. Daran ändert ein Veto gegen die Erweiterung auch nichts.

Die Alpenkonvention ist ein verbindlicher Vertrag für den gesamten Alpenraum, der nachhaltiges Wirtschaften und eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie zum Ziel hat. Österreich hat in den vergangenen zehn Jahren bis zur heutigen Beschlussfassung der Alpenkonvention sehr großes Engagement an den Tag gelegt, und dieses Engagement ist auch weiterhin fortzusetzen. Dazu fordere ich die Bundesregierung auf!

Erfreulich ist, dass die Bemühungen der Tiroler Landeshauptstadt, den Sitz der Alpenkonvention nach Innsbruck zu bringen, auf fruchtbarem Boden gestoßen sind. Ich sehe dies als Aufwertung des Bundeslandes Tirol, werte dies aber zugleich auch als Erkennen der Tiroler Transitprobleme. – Insgesamt ist dies ein erfreulicher Tag für die Tiroler transitgeplagte Bevölkerung. Wir Sozialdemokraten werden dieser Vorlage gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.00

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte, Frau Bundesrätin.

21.00

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass es gelungen ist, acht EU-Alpenstaaten an einen Tisch zu bringen und einen großen Erfolg, eine Gemeinsamkeit zu erreichen, nämlich die Durchführung des Alpenkonvents, ist, so glaube ich, für uns alle bemerkenswert und ein würdiger Tag. Wenigstens acht von zwölf Protokollen werden heute beschlossen, die sich diesem wunderbaren Alpenraum widmen. Es gab zehn Jahre Auseinandersetzung – wie Herr Kollege Gasteiger bereits gesagt hat –, zehn Jahre Verhandlungen, dieser Regierung aber gelang es, zu einem Ergebnis zu kommen. Das dürfen wir nicht vergessen. Es ist dies ein Ergebnis, das durch das Zusammenwirken von Menschen, von vielen Organisationen erzielt wurde, um eine nachhaltige Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen und eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen sicherzustellen.

Österreich hat den ersten Schritt getan, meine Damen und Herren! Warum auch nicht? – Für Österreich, für ein Tourismusland wie Österreich mit all seiner Vielfalt, mit zwei Dritteln Alpinregionen – ein Anteil wie in keinem anderen Land –, mit Ressourcen an Wasser, mit einem riesigen Reichtum an Quellen und Wald – wir alle wissen, dass ein Drittel des Waldnachwuchses gar nicht genutzt wird –, mit seiner Einmaligkeit der Landschaftsflächen verbunden mit Kultur und Tradition ist es ein wichtiges Anliegen.

Auch der Befürchtung des Ausverkaufs von Wasser wird damit entgegengewirkt, und wie wichtig gerade dies ist, zeigt uns auch die morgige Ausgabe der "Kronen Zeitung": "Unser Wasser muss in öffentlicher Hand bleiben!" (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Auf EU-


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Ebene denkt man an die Privatisierung unserer Versorgung mit kühlem Wasser. Das ist zwar vorerst ins Wasser gefallen, aber man wird es weiter vorantreiben, und ich glaube, das ist wirklich eine Gefahr für die Qualität unseres Wassers. Ich glaube, wir werden alles daransetzen müssen – und diese Regierung wird es tun –, den Schutz des Wassers sicherzustellen.

Die Bewahrung und der Schutz der Vielfalt an Pflanzenarten und wildlebenden Tieren sowie der Schutz der naturnahen Lebensräume sind eine wichtige Aufgabe dieses Alpenkonvents. Es geht um den Lebensraum für die Bewohner dieses Landes und für Gäste, die dieses Österreich schon lieben lernten, aber auch noch lieben lernen sollen, um eine Rundherum-Wohlfühl-Oase, in der man leben und arbeiten kann. Wenn jedoch die Grenzen dieses Lebensraumes überschritten werden, besteht die Gefahr, dass es zum Verlust der lokalen Identität und zum Verlust eben dieser so wertvollen Ressourcen wie Kultur, Tradition und Brauchtum kommt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen sind diese Protokolle so wichtig. Sie sind ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Österreich und die österreichische Regierung werden stark genug sein, auch die anstehenden Probleme zu lösen. Von Brüssel müsste natürlich viel mehr Initiative gesetzt werden und nicht diese Gegenschüsse kommen wie jetzt beim Transitvertrag.

Herr Kollege Gasteiger! Es war kein FPÖ-Infrastrukturminister, es waren Klima und Streicher, die vor dem EU-Beitritt diesen leidigen Transitvertrag ausgehandelt haben. (Bundesrat Gasteiger: Warum leidig? Warum? Erklären Sie mir das?)  – Weil er schlecht definiert war, weil er nie vorgesehen hat, was dann ist, wenn er ausläuft. (Bundesrat Manfred Gruber: Die FPÖ-Minister wären froh, wenn sie so einen Vertrag zusammengebracht hätten, Frau Kollegin! Sie wären froh!) Daher ist es immer wieder eine harte Arbeit (Bundesrat Gasteiger: Populismus pur!), und Sie können unseren Ministern nicht vorwerfen, dass sie nicht alles darangesetzt haben, diesen Transitvertrag weiter auswerten zu können. (Bundesrätin Schicker: Meinen Sie die Vorschläge der Ministerin Forstinger?) Ich glaube, das müssen Sie richtig stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Probleme bestehen hinsichtlich der Zersiedelung, der Einhalt geboten werden muss. Ebenso bedarf es für die anstehenden Probleme, die wir mit Italien, Griechenland und Deutschland haben, langfristiger Lösungen, die noch ausverhandelt werden müssen. Aber ich glaube, dass wir mit Stolz sagen können, dass Konsequenz ein Markenzeichen dieser Regierung ist, und mit Konsequenz und Beharrlichkeit wird sie es schaffen. Es ist dies eine große Aufgabe, und alle Staaten sind aufgefordert, zusammenzuarbeiten, um diese Synergien besser nutzen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort

21.06

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Die Rede von Frau Bundesrätin Fösleitner hat für mich einige sehr spannende Elemente enthalten, die es auch wert gewesen wären – so wie das Thema dieses Tagesordnungspunktes überhaupt –, in einer ausführlicheren Art und Weise behandelt zu werden. Deshalb ersuche ich das Präsidium, vielleicht für künftige Sitzungen zu überlegen, ob es dem Parlamentarismus nicht angemessener wäre, eine Tagesordnung von über 50 Punkten nicht in solch einer Art und Weise, in einer Tages- und Nachtsitzung durchzupeitschen, sondern das auch den Themen und dem Parlamentarismus entsprechend auf zwei Tage zu verteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist auch eine Frage der Menschenrechte für uns selbst. Wir sitzen hier seit 9 Uhr und sollen Debatten abwickeln, meine Damen und Herren, zum Beispiel gerade jene über eine der größten Errungenschaften wie die Ratifizierung der Alpenkonvention. (Bundesrat Gasteiger: Man könnte ja jetzt noch unterbrechen!) Ich befürchte, dass das heute noch die ganze Nacht so weitergeht. Wenn wir heute in der Früh mit Herr Landeshauptmann Schausberger über die Aufwertung des Bundesrates diskutiert haben, so wäre das schon eine Sache, sich selbst ernst zu


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nehmen und nicht den zweiten Teil der Tagesordnung in einer Art Schnellschusssitzung, bei der dann niemand mehr zuhört und die Themen nicht seriös behandelt werden, durchzupushen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die über 51 Tagesordnungspunkte sind nicht erst seit heute bekannt, sondern liegen der Präsidiale seit längerem vor. Mir persönlich ist es unverständlich, warum das so ist. (Bundesrat Manfred Gruber: Die Salzburger Festspiele sind auch schon länger bekannt!)

Frau Fösleitner! Noch einmal ein Kompliment für Ihrer Rede. Es tut mir Leid, dass das in der Form nicht zu bewältigen ist, aber eines möchte ich schon sagen: Sie haben Dank geäußert. Es schadet nie, dem jungen, dynamischen Minister Molterer viel Dank zukommen zu lassen, aber ein bisschen – wie würde Kollege Steinbichler sagen? – müssen wir die Kühe auch wieder in den Stall bringen, denn den eigentlichen Dank müssen wir doch jenen abstatten, die das vor 40 Jahren auf den Tisch gelegt haben. Das waren sehr viele NGOs und sehr viele engagierte Beamte, die sich nie entmutigen haben lassen. Der erste Startschuss war vor 13 Jahren in Berchtesgaden.

Vor elf Jahren gab es dann in Salzburg die große Einigung über die Rahmenkonvention. Nach den Unterzeichnungen der ersten Protokolle hat es weitere acht Jahre gedauert, ehe 1995 in Österreich diese Rahmenkonvention ein bisschen in Kraft getreten ist, und heute – wenn wir wie vorher in der Landwirtschaft bleiben – haben wir auf diese Rippen, auf diese Rahmenrippen endlich Fleisch gegeben. Aber, wie gesagt, dieser Dank gilt vor allem den vielen NGOs und Umweltschützern, die sich vor allem durch die Rückschläge in den achtziger Jahren – Sie werden das genau wissen – nicht entmutigen haben lassen. Die achtziger Jahre waren, was diese Konvention betrifft, kein Ruhmesblatt.

Diese Alpenkonvention ist nicht nur eine tolle Sache für die künftige Politik betreffend die Alpen, sie ist auch eine ganz wichtige Initiative über die Umwelt hinaus zur Völkerverständigung. Erstmals sind für den Raum zwischen Belgien und Slowenien Spielregeln, gemeinsame Ziele formuliert worden, und man geht jetzt daran, Umsetzungsprojekte zu erarbeiten. Es geht also um Umwelt und Völkerverständigung! Deshalb ist auch wichtig, jene initiativen Stellen, die sehr lange daran gearbeitet haben, weiterhin in die künftige Umsetzung und auch in diesen künftigen Prozess entscheidend einzubinden und vielleicht doch Innsbruck als ständigen Sitz für diese Konvention vorzusehen.

Österreich war einmal ganz vorneweg, wir sind jetzt das dritte Land, das ratifiziert. Drei von neun: Das heißt, wir sind nicht das erste Land. Ich habe nichts dagegen, Wilhelm Molterer zu danken – ich schicke ihm immer viele Grüße –, aber wir haben schon einen Stotterer gehabt. Wir haben jetzt über ein Jahr gewartet, um diesen Stotterer ein bisschen zu überwinden, denn der Nationalrat hat das, was wir heute vorliegen haben, bereits am 1. März 2001 einstimmig beschlossen.

Kollege Gasteiger hat bereits die vielen Protokolle erwähnt. Eines werden wir gleich brauchen, das ist das Verkehrsprotokoll. Wenn ich nach Kärnten schaue, dann brauchen wir auch das Naturschutzprotokoll äußerst dringend, denn was sich in der Nationalparkkernzone abspielt, ist ein bisschen mehr als problematisch.

Auch für das Berglandwirtschaftsprotokoll – ich möchte auf Grund der Zeit und der äußeren Bedingungen dieser Debatte gar nicht mehr lange darauf eingehen – sind wir mit der Bundesanstalt für Bergbauernfragen gerüstet.

Zum Schluss zum Alpenschutz: Diesbezüglich, meine Damen und Herren, klopfen wir uns über alle vier Fraktionen hinweg wahnsinnig auf die Schultern, aber eines muss uns schon klar sein: Den Alpenschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Das heißt, es wird eine ganze Reihe von Aufstockungen entsprechender Töpfe im Herbst zu verhandeln sein. Protokolle und Konventionen sind zwar jetzt einmal das "Fleisch", aber es müssen auch Maßnahmen und Projekte daraus erwachsen, und dazu werden wir auch finanzielle Mittel benötigen.


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Es wird auch, wie gesagt, einen Antrag geben, in dem der Bundesrat die Einrichtung dieses ständigen Sekretariats im Herzen der Alpen – als Tiroler kann man das sagen: im Herzen der Alpen –, nämlich in Innsbruck fordert. Ich halte das für eine sehr gute und wichtige Initiative. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätin Fösleitner und des Bundesrates Mag. Ram. )

21.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Georg Keuschnigg. Ich erteile ihm das Wort.

21.12

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Schennach! Sie haben die heutige Tagungsgestaltung angesprochen. Ich möchte nur darauf verweisen, dass im Europäischen Parlament meines Wissens Redezeiten von einer bis zwei Minuten Sitte und Übung sind und dass ich eigentlich nie etwas über negative Auswirkungen auf den Parlamentarismus gehört habe. (Bundesrat Schennach: Der europäische Parlamentarismus ist kein Vorbild! Ich bitte Sie!) Ich möchte damit sagen, dass die guten Argumente auch in kurzer Zeit gesagt werden können und so auch eine lange Tagesordnung abgewickelt werden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Der europäische Parlamentarismus als Vorbild? Meinen Sie das im Ernst, Herr Kollege?)  – Bezüglich der Kürze der Redebeiträge würde ich durchaus glauben, dass das ein Vorbild sein könnte.

Aber zum Tagesordnungspunkt betreffend die Alpenkonvention möchte ich, um die fortgeschrittene Zeit zu berücksichtigen, dem Grunde nach nur einen einzigen Gedanken einbringen, und zwar ist das die Prozesshaftigkeit – Herr Kollege, Sie haben das schon angeschnitten – dieser Alpenkonvention. Jeder von uns weiß, dass es seit Jahrzehnten – das hat in den fünfziger Jahren begonnen – den Ruf nach einem besseren Schutz der Alpen gibt. Seit 1989 dauert der konkrete Prozess der Alpenkonvention an, also immerhin 13 Jahre. Wir haben derzeit eine Zwischenerledigung in einer schon sehr lange andauernden Politik.

Ein weiteres Beispiel dafür ist auch die Diskussion über den Brenner – Basistunnel. Schon seit den siebziger Jahren gibt es in Tirol Studien, Projektskizzen, alles Mögliche, und erst jetzt, nach 30 Jahren, sind wir hart daran, irgendwo durchzustoßen, aber wir haben es noch nicht. Auch daran sieht man, was Politik bedeutet und wie das geht.

Die jetzige Öko-Punkte-Diskussion, die dieser Tage die Zeitungen füllt, ist letztlich eine Stunde der Wahrheit für die Alpenpolitik – keine Frage –, aber auch an diesem Beispiel sehen wir, dass eine Alpenpolitik nicht gegen Europa geführt werden kann, sondern letztlich nur mit aktiven Lösungsvorschlägen, die wir nicht geschenkt bekommen, sondern um die wir täglich ringen müssen.

Die Alpenkonvention hat für mich einen ganz wichtigen inneren Wert, nämlich, dass diese Politik plötzlich eine Plattform bekommen hat, auf der sie sich abspielen kann. Das Problem der Alpenpolitik ist dem Grunde nach auch, dass viele Staaten einen jeweils sehr kleinen Alpenanteil haben und dieser kleine Alpenanteil im jeweiligen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, aber auch darüber hinaus, keine überragende Bedeutung politischer Natur haben kann. Jetzt haben wir zum ersten Mal eine Plattform, auf der sich dieser Prozess abspielt, der völkerrechtlich – wie bereits gesagt – verbindlich ist. Wir haben Protokolle, mit deren Hilfe die Teilpolitiken umgesetzt werden können. Es gibt auch die Leitsätze zur Umsetzung dieser Protokolle, die in der Zwischenzeit beschlossen wurden, und es gibt eine Arbeitsgruppe, bestehend aus diesen Vertragsstaaten, die die Implementierungsmechanismen erarbeiten soll. Wir sehen also, dass das eine ganz entscheidende Sache ist.

Der nächste Schritt – damit bin ich schon fast am Ende – betrifft die Errichtung des ständigen Sekretariats für die Alpenkonvention. Wir alle wissen, welche enorme Bedeutung letztlich dieser Sitz hat, denn dieses ständige Sekretariat wird selbstverständlich der Kernpunkt der Politikentwicklung sowie eine Ideenschmiede und der Motor der Alpenpolitik sein. Aus diesem Grund ist es ganz entscheidend, dass wir als jenes Land, das den größten Alpenanteil hat, dieses


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Match letztlich gewinnen. Die Entscheidung – wir befinden uns schon in der Schlussphase – soll am 19. und 20. November bei der 7. Alpenkonferenz der Umweltminister der Vertragsstaaten und der Europäischen Union in Bozen fallen.

Ich würde Sie sehr herzlich ersuchen – damit bin ich schon am Ende –, zur Unterstützung dieser Position Innsbrucks mit uns den Entschließungsantrag, wonach sich der Bundesrat für die Bewerbung Innsbrucks für dieses ständige Sekretariat einsetzt, zu beschließen, um damit eine klare Willensbekundung auch dieses Hauses zu erbringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall der Bundesrätin Schicker und des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Keuschnigg überreicht den Antrag an Präsident Weiss.)

21.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Unterstützung der Bewerbung Innsbrucks als Sitz des ständigen Sekretariats der Alpenkonvention ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Georg Keuschnigg, Wilhelm Grissemann, Klaus Gasteiger, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung Innsbrucks als Sitz des Ständigen Sekretariats der Alpenkonvention

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesrat unterstützt die Bewerbung Innsbrucks als ständiges Sekretariat der Alpenkonvention und ersucht die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, ihre Initiative betreffend die Kandidatur der Tiroler Landeshauptstadt nach Kräften fortzusetzen.

*****

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Manfred Gruber das Wort. – Bitte.

21.19

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Von meinem Vorredner wurde bezüglich der Alpenkonvention schon sehr viel Wahres und auch sehr viel Wichtiges gesagt. Dass sich acht Alpenstaaten zusammenschließen und versuchen, gemeinsam mit der EU eine übergreifende Politik zu machen und sich in den wichtigsten Bereichen abzustimmen, ist eine wunderschöne Sache. Seien Sie mir aber nicht böse, wenn ich meine, dass es für diese Sache sehr spät ist, dass es nicht fünf vor zwölf, sondern, wenn man sich die Probleme anschaut, mit denen wir konfrontiert sind, eigentlich fünf nach zwölf ist. Es ist schade, wenn eine wichtige Sache 13 Jahre dauert, die eigentlich vor 30 Jahren passieren hätte sollen, als sichtbar und erkennbar wurde, was auf uns und vor allem auf den Alpenraum und auf die Menschen, die dort leben, zukommt.

Es sind dies – das ist überhaupt keine Frage – wichtige Schlüsselsätze, wichtige Vorschläge, aber meiner Meinung nach kommen sie doch etwas spät. Ich bin der Meinung, dass man das sehr stark forcieren und massiv betreiben müsste, um noch größeren Schaden vom Alpenraum abzuwenden. Mir ist es einfach zu wenig, wenn ein wichtiger Schlüsselsatz, eine wichtige Entscheidung zur Verhinderung einer hochrangigen Straße führt. Sicher, diese Straße wird nicht gebaut, aber, meine Damen und Herren, wir haben gerade über die Transitpunkte, die Öko-Punkte-Regelung gesprochen. Wir kennen die Probleme auf der Brennerautobahn. Wir kennen die Probleme auf der Tauernautobahn. Wo sind Konzepte? Wo sind Vorschläge? Wo sind Mittel der EU, um den Schwerverkehr auf die Schiene zu bringen, um die Schiene mit EU-Förderungen auszubauen? – Mir sind solche Konzepte und solche Vorschläge der EU im Zusammenhang mit der Alpenkonvention und im Zusammenhang mit dem Verkehrsprotokoll leider nicht


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bekannt. Daher bin ich der Meinung, dass mehr geschehen muss außer dem Hinweis: Es ist gelungen, eine weitere Straße im Alpenraum zu verhindern.

Im Bereich Tourismus wird von einer Balance zwischen den ökologischen, den wirtschaftlichen und den sozialen Bedürfnissen gesprochen. Es wird – ich habe das heute schon einmal angesprochen – sehr schwer sein, in diesem Bereich zu einem Ausgleich, zu einer Balance zu kommen, weil es eine Entwicklung im Alpenraum, in den Alpentälern, in den Gemeinden gibt, die leider in eine andere Richtung geht. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt bedauerlicherweise. Sehr viele Menschen wandern aus den Orten in den Tälern ab in die Zentralorte. Da ergibt sich ein Minus an Arbeitskräften. Wir sind auf dem Wege, im Fremdenverkehr Monokulturen zu errichten, aber genau diese Monokulturen bringen letzten Endes im Alpenraum sehr viele Probleme für die Fremdenverkehrswirtschaft, aber auch für die Menschen, die dort geboren sind und am Ende keine Beschäftigung mehr finden. Dieser Interessenausgleich vor Ort, der den Gästen, der Umwelt und der Wirtschaft dienen sollte, wird sehr schwierig sein. Und auch hier möchte ich noch einmal festhalten: Wir sind sehr spät dran.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie mir zustimmen, aber sehr lange waren räumliche Entwicklungskonzepte, Raumplanung im ländlichen Raum eher Fremdworte. Heute kämpfen wir mit den Kosten der Zersiedelung, mit der Klimaveränderung und mit den Schutzwäldern, deren Funktionsfähigkeit durch unsere Umwelt- und Verkehrspolitik europaweit gelitten hat. Daher ist auch die Forderung, unsere Kulturlandschaft, im Besonderen die Bergwälder und Schutzwälder, zu erhalten und eine nachhaltige Forst- und Landwirtschaft zu betreiben, mehr als berechtigt.

Auch haben wir, wenn wir uns die verschiedenen Umweltkatastrophen, die Klimaveränderung, die daraus resultierenden Unwetter und Vermurungen in vielen Bereichen anschauen, Handlungsbedarf, und zwar wesentlich schneller, als wir alle wahrscheinlich miteinander letzten Endes glauben. Wir dürfen aber nicht blauäugig sein. Wir haben durch Erschließungen in vielen Regionen, die wir heute wahrscheinlich so nicht mehr machen würden, selbst dazu beigetragen. Jetzt müssen wir uns der Situation stellen, jetzt müssen wir das Beste daraus machen.

Vor allem im Bereich Energie sind wir in Österreich grundsätzlich in einer sehr guten Situation. Wir haben die Wasserkraft, die Biomasse, Sonnenenergie und Windenergie. Bei einer entsprechenden Forcierung dieser Energien und einem Ausbau bräuchten wir meiner Meinung nach vor einem nächsten Ölschock keine Angst zu haben. Überzeugende Lösungen lassen aber EU-weit auf sich warten. Stattdessen gewinnt die Atomlobby in Europa wieder Oberwasser. Eine Risikotechnologie wird wieder forciert, weil es nicht gelingt, die Emissionen des Kfz-Verkehrs zu verringern, weil ökologische Anreize im Steuersystem fehlen und weil die Förderung erneuerbarer Energie nur halbherzig ausfällt.

Ich vermisse in den wesentlichen Punkten dieser Alpenkonvention die Unterstützung der EU-Kommission. Ich ersuche daher die Vertreter unserer Regierung, in dieser Richtung Druck auszuüben, denn nur dann kann es zu einer ökologischen Neugestaltung des Alpenraumes kommen, nur dann wird es möglich sein, dass die Bevölkerung in den alpinen Regionen unseres Landes Zukunft und Sicherheit und unsere Gäste Ruhe und Erholung finden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

21.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

21.25

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Einleitend zu Kollegen Schennach, der bedauert hat, dass man angesichts dieser Tagesordnung ein solch wichtiges Thema zu so ungünstiger Zeit diskutiert, sei gesagt: Herr Kollege! Es liegt nicht an denen, die hier sprechen, sondern wir haben insgesamt jetzt schon zur Causa Gaugg sieben dringliche Anfragen gehabt. (Bundesrat Schennach: Es waren nur drei!) Das führt zu einer gewissen Zeitverzögerung, die auch dazu beiträgt,


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dass wichtige Themen spät diskutiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Aber es ist unbestritten, dass das demokratische Rechte sind!)

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass einige unglückliche historische Ereignisse dazu geführt haben, dass diese Alpenkonvention Probleme hat. Wer hat denn den Transitvertrag damals vor ich weiß nicht wie vielen Jahren ausgehandelt? – Es waren keine Minister der jetzigen Bundesregierungskoalition, es waren die Minister Streicher und Klima, die eine sehr unglückliche Formulierung, sprich eine Nichtformulierung, vorgenommen haben, weil sie die Öko-Punkte ersatzlos auslaufen haben lassen und uns das als Vertrag hier vorgelegt haben. (Bundesrat Gasteiger: Der Transitvertrag ist unbestritten bei der Tiroler Bevölkerung! Geh einmal nach Tirol, Kollege Gudenus!) Es war bei den Diskussionen damals hier im Hohen Haus schon Kritik an den Ministern beziehungsweise Kanzler Streicher und Klima erkennbar.

Kollege Keuschnigg hat die Staaten mit kleinem Alpenanteil angeführt. Ich möchte das ein bisschen zurechtrücken. Liechtenstein hat einen totalen Alpenanteil, und die Schweiz möchte ich auch nennen, die 80 Prozent Alpenanteil hat. Wir wollen keinen Wettbewerb machen, wer mehr oder weniger Alpenanteil hat, aber es gibt einige Staaten, die einen sehr großen Alpenanteil haben. Auch Österreich leidet nicht unter einem Mangel an Alpen, deswegen fällt es uns so leicht, Herr Kollege, diese Alpenkonvention, die wir schon im Jahr 1994 ratifiziert haben, auch heute hier mit ihren acht Durchführungsprotokollen zu beschließen.

Hatte man vor einigen Jahren noch die Vision gehegt, auch im Tiroler Land – es ist schon lange her – Autobahn und Autobahnanschlüsse haben zu müssen, um zu einem Weltort oder zu einem Weltbundesland zu werden, so bezeichnet man diese Attitüden von damals heute als Asphaltkaisertum, Asphaltkaiserei oder als Kaputterschließen. Darüber sind wir zum Glück hinweg, aber nun bestehen einmal einzelne dieser Einrichtungen. (Bundesrat Keuschnigg: Aber es sollen keine neuen hinzukommen!) – Freilich, so ist es. Die Ansichten ändern sich. Man darf auch gescheiter werden, nicht wahr? Das ist gut so, und darüber reden wir heute.

Heute beschließen wir eine Alpenkonvention. Es ist eben zum Glück ein Bewusstseinswandel eingetreten, und das, was man ehedem als Fortschritt bezeichnet hat, empfindet man jetzt doch oftmals als Hindernis oder als beschwerlich, als umweltschädlich und was immer. Schauen wir, dass wir das Beste daraus machen!

Es ist wirklich bedauerlich – einer meiner Vorredner hat das auch angeführt; ich glaube, Kollege Schennach war es verdienstvollerweise –, dass das Institut für Bergbauernfragen im Rahmen dieses Gesetzes nicht in dem Maße zum Zuge gekommen ist, sondern in ein anderes Gesetz subsumiert wurde, wobei dem aber alle Parteien im Nationalrat zugestimmt haben, das muss man fairerweise dazusagen. Aber es ist ein Problem, und ich glaube, wir hätten es durchaus vertragen können. Das ist meine persönliche Meinung.

Dass die Alpen ein großes Wasserreservoir sind, hat meine Kollegin Haunschmid schon erwähnt. Auch wir und insbesondere ich lehnen eine Privatisierung dieser Wasserquellen ab. Man kann nicht alles privatisieren. Es gibt Dinge, die eine Ursubstanz des Staates und der Bevölkerung darstellen. Dazu zählt eben auch das Wasser. Ich bin sehr froh, dass hier eine starke Gruppe ... (Bundesrat Schennach: Und der Wald?) Bitte, Herr Kollege? (Bundesrat Schennach: Wie ist das beim Wald?) Auch beim Wald? Ja, es gibt verschiedene Dinge, die in einer gewissen Art und Weise nicht ständig in ihrem Besitzverhältnis verändert werden sollen, sodass sie überall international verfügbar sind. Einigen wir uns vielleicht darauf! Internationale Verfügbarkeit halte ich nicht für sehr zweckmäßig bei gewissen staatlichen Naturschätzen. Dazu zählt natürlich auch der Wald.

Ich möchte in diesem Zusammenhang "Natura 2000" ansprechen, da dieses Programm auch in gewissem Maße den Alpenschutz betrifft. – Im Ausschuss habe ich das auch getan. Bei "Natura 2000" geht es ebenfalls um den Schutz der Landschaft. – Fauna, Flora, Habitat und Vogelschutz fallen unter "Natura 2000". Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.


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Betrüblich – zumindest für diesen Fall – ist, dass "Natura 2000" auf die Naturschutzgesetzgebung der Bundesländer Rücksicht nehmen muss, obwohl es von der EU gefördert und gefordert wird. Dies führt dazu, dass in den Bundesländern verschiedene Anteile an Grundflächen "Natura 2000" unterliegen. Der oberösterreichische Flächenanteil, der unter "Natura 2000" fällt, beträgt 5 Prozent – die Herren von der Beamtenbank lächeln, –, für Niederösterreich betrug er – zumindest vor drei Wochen noch – 30 Prozent, aber vielleicht ist das schon gesenkt worden.

Ich sehe in dieser Vorgangsweise eine sehr starke, so möchte ich sagen, Willkürlichkeit. Wenn man Grundbesitzer ist, fragt man sich, warum in einem Fall fast der ganze Grundbesitz "Natura 2000" unterliegt, nur weil er sich in einem bestimmten Bundesland befindet, während er im anderen Fall überhaupt nicht betroffen ist, weil eben nur 5 Prozent darunter fallen. Ein Drittel Bundesland gegen ein Zwanzigstel Bundesland. – Das erscheint mir doch ein bisschen gewagt in der Durchführung.

Wir wissen allerdings, dass diese Durchführung zum Glück nicht so streng gehandhabt wird und dass es gewisse Großzügigkeiten gibt, weil der EU offensichtlich – das ist manchmal fast ein Glück – das Geld ausgeht, um diese Eigentumseinschränkungen auch finanziell abgelten zu können.

Ich möchte noch eine Anmerkung an meine Freunde von der ÖVP richten: In einer der Zeitungen der ÖVP wurde geschrieben – ich glaube, es war im " Österreichischen Bauernbündler", aber es kann auch in einer anderen Zeitschrift gewesen sein –, dass die ... (Bundesrat Keuschnigg: Den gibt es nicht mehr! – Allgemeine Heiterkeit.) – Dann war es eben eine andere Zeitschrift, das macht nichts. Titel tun nichts zur Sache. Solange ich die ÖVP-Zeitung der Bauern nicht "Volksstimme" nenne, ist doch alles in Ordnung, liebe Freunde!

Die FPÖ, so lautet hier ein Titel, ist gegen den Erhalt der Milchquoten. Liebe Kollegen von der ÖVP! Erstens trete ich für Meinungsfreiheit und Redefreiheit ein. Zweitens ist es eine Tatsache, dass in der "§ 7-Kommission" ein Vertreter der Freiheitlichen eine ähnliche Überlegung anstellte wie Kommissar Fischler. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. ) Das heißt noch nicht, dass das endgültig beschlossen ist. Die Freiheitlichen sind auf diesem Gebiet sehr gerne gesprächsbereit. (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja!) Ich bitte daher, noch keine Tartarenmeldung in Ihrer Bauernzeitung zu veröffentlichen. Kurz gesagt: Nix ist fix. (Allgemeine Heiterkeit. – Rufe bei der ÖVP: Nix ist fix!)

Fix ist aber, dass es einen großen Nebel um die EU-Agrarreform gibt (Bundesrat Boden: Wo ist denn der?) und dass sich sowohl Günther Nenning, der eine große Schwäche für den urtümlichen Bauernstand hat – Gott sei es gedankt, er ist zum Glück auch sehr katholisch –, als auch der Präsident des Österreichischen Bauernbundes, unser lieber Kollege Bundesrat Fritz Grillitsch, aber auch Maximilian Hardegg und Ing. Montecuccoli sehr massiv gegen Überlegungen aus Brüssel stellen, Änderungen an der Förderung vorzunehmen.

Ich kann Ihnen sagen: völlig zu Recht! Wehren wir uns, solange es geht! Es geht nicht an, dass der bäuerliche Betrieb zu einem reinen Subventionsempfänger ohne Gegenleistung abgewertet wird. (Bundesrätin Schicker: Das sagt ja niemand! Kein Mensch!) Ein Bauer muss produzieren können. Ich kann Ihnen sagen, die österreichischen Bauern und Grundbesitzer sind mit ihren Überlegungen in Europa nicht alleine. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, hat in der "Frankfurter Allgemeinen" wissen lassen, Fischlers Plan gehe zu Lasten der deutschen Bauern. – Wir können sagen, Fischlers Plan geht zu Lasten der österreichischen Bauern. Überlegen wir uns das, und schauen wir, dass uns Fischlers Plan nicht zu sehr belasten wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

21.36

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als achte und letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt werde ich mich natürlich auch ganz kurz fassen. Einige Aussagen kann ich jedoch nicht unwidersprochen


Bundesrat
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hinnehmen – auch eine von Ihnen, lieber Herr Kollege Gudenus! (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist nett, dass Sie "lieber Gudenus" sagen! Das gefällt mir! – Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Rosenmaier: Das war nur ein Ausrutscher!) – Zu fortgeschrittener Stunde wird man wohl schon etwas sanftmütiger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Ratifizierung von acht Durchführungsprotokollen der Alpenkonvention werden – das ist heute schon mehrmals angeklungen – die jahrelangen Bemühungen und Verhandlungen um den Schutz der Alpenregionen auch für Österreich zum Abschluss gebracht. Mit dem heutigen Tag müsste aber auch – ich glaube, es war Kollege Schennach, der das angeschnitten hat – schon die Arbeit an der Umsetzung der in diesen Protokollen festgehaltenen Inhalte im Sinne der österreichischen Bevölkerung beginnen.

Das wird eine sehr schwierige Aufgabe, weil wir alle wissen, wie vielfältig die Interessen in Bezug auf Verkehr, Tourismus, Energie, nachhaltige Entwicklung und so weiter sind. Immer im Vordergrund, so meine ich, muss für uns jedoch das Bewusstsein stehen, dass es sich bei den Alpenregionen um ein Natur- und Kulturerbe handelt, das es zu schützen und zu bewahren gilt. Wird dieses Erbe nachlässig behandelt, wird der Gesellschaft und damit Österreich und Europa ein großer Schaden zugefügt.

Diese Gegenden sind einerseits sehr reich, andererseits aber auch sehr verwundbar. Sie verfügen über natürliche Ressourcen, über schöne Landschaften, eine vielfältige Fauna und Flora; sie verfügen über einzigartige Ökosysteme und lebenswichtige Ressourcen an Wasser, Luft und Mineralien. Sie sind aber, wie gesagt, auch verwundbar, und zwar durch Raubbau oder auch durch die Aufgabe der menschlichen Tätigkeit.

Besonders die österreichischen Bergbauern spielen in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle. Ihrem zahlenmäßigen Rückgang muss, so meine ich, mittels Aufwertung und Anerkennung ihrer Aufgaben im Hinblick auf die Erhaltung der Almenlandschaften und damit auch auf die Wahrung der Artenvielfalt Einhalt geboten werden.

Ich bin in diesem Fall im Gegensatz zu Kollegen Gudenus der Meinung von EU-Kommissar Fischler, der mit seinem Vorschlag betreffend eine Neuverteilung der Agrarförderungen gerade auch für die Bergbauern in die richtige Richtung geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, nur durch besondere Hilfen kann in diesem Fall eine wirksame Betreuung der Umwelt zur Vermeidung der Schädigung der Gebirgslandschaften gewährleistet werden. Es ist für mich daher auch unverständlich – das ist heute bereits angeschnitten worden –, dass es anscheinend Pläne gibt, das Institut für Bergbauernfragen zu schließen. Es müsste meines Erachtens noch aufgewertet werden.

Ich ersuche Sie, Frau Bundesministerin, an Herrn Minister Molterer die Bitte weiterzuleiten, diese seine Pläne nochmals zu überdenken und eine neue, gute Lösung für dieses so wichtige Institut vorzuschlagen. (Bundesrat Keuschnigg: Genau das ist die Absicht!) Im Übrigen bin auch ich der Meinung, dass es sehr sinnvoll und daher auch unterstützenswert wäre, wenn die Stadt Innsbruck mit der Einrichtung des ständigen Sekretariats der Alpenkonvention beauftragt würde. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.) – Über alle Parteigrenzen hinweg. Den uns vorliegenden Protokollen zur Alpenkonvention geben wir gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

21.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Gehrer das Wort. – Bitte.

21.40

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Als Tirolerin und als Vorarlbergerin, also als Bewohnerin von besonders alpenländischen Regionen, freut es mich, dass bei den Alpen das gelungen ist, was bei den Universitäten nicht gelungen ist, nämlich die Zustimmung von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses zu erhalten. Ich freue mich auch drüber, dass unser engagierter Umweltminister Willi


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 193

Molterer erreicht hat, dass aus der unendlichen Geschichte eine endliche Geschichte geworden ist und dass heute alle Protokolle beschlossen werden. – Dafür ist ihm und allen seinen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich zu danken. (Allgemeiner Beifall.)

21.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus, Protokoll "Tourismus".

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft, Protokoll "Berglandwirtschaft".

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 über die Beilegung von Streitigkeiten.

Auch dieser Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodass er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist somit angenommen .


Bundesrat
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Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Protokoll "Raumplanung und nachhaltige Entwicklung".

Der vorliegende Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder und bedarf daher der Zustimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 195

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bergwald, Protokoll "Bergwald".

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf auch er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist angenommen .

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Keuschnigg, Grissemann, Gasteiger und Schennach auf Fassung einer Entschließung betreffend Unterstützung der Bewerbung Innsbrucks als Sitz des ständigen Sekretariats der Alpenkonvention vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit . (E 183-BR/02)

Der Antrag ist angenommen .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Verkehr, Protokoll "Verkehr".

Auch dieser Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodass er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist angenommen .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz, Protokoll "Bodenschutz".

Auch dieser Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodass er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege, Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege".

Auch dieser Beschluss unterliegt dem Zustimmungsrecht des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist angenommen .

Wir kommen schlussendlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie, Protokoll "Energie".

Auch dieser Beschluss unterliegt dem Zustimmungsrecht des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist angenommen .

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung (1144 und 1236/NR sowie 6730/BR der Beilagen)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen (1145 und 1237/NR sowie 6731/BR der Beilagen)

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung (1171 und 1238/NR sowie 6732/BR der Beilagen)

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen (1146 und 1239/NR sowie 6733/BR der Beilagen)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 196

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gelangen nun zu den Punkten 27 bis 30 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung,

das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) samt Anhängen und Erklärungen,

das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung und

das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen.

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Ich bringe Ihnen den ersten Bericht betreffend Chemikalien und Pestizide im internationalen Handel.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht betrifft die Bekämpfung weiträumiger grenzüberschreitender Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Unwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Der dritte Bericht betrifft den Beschluss des Nationalrates betreffend Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 197

Der vierte Bericht betrifft das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Keuschnigg das Wort. – Bitte.

21.52

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es liegen hier vier Staatsverträge zur Beschlussfassung vor, die im Nationalrat einstimmig genehmigt wurden. Ich gehe davon aus, dass das vermutlich auch hier so sein wird, daher werde ich mich sehr kurz fassen.

Das Ziel dieser vier Staatsverträge ist die Ergänzung und Vervollständigung des Regelwerkes der internationalen Umweltpolitik und des internationalen Umwelt-Managements beim Handel mit gefährlichen Chemikalien und Pestiziden – Stichwort: Schutz von Entwicklungsländern – und bei der Produktion und der Verwendung persistenter organischer Schadstoffe.

Diese Gesetze bringen Vorschriften über die umweltgerechte Entsorgung von Lagerbeständen. Es werden hier die grenzüberschreitenden weiträumigen Luftverfrachtungen – Stichwort: Schutz der Polregionen – geregelt und Bestimmungen für den Informationsaustausch und die gegenseitige Informationsverpflichtung über die grenzüberschreitende Verbringung genetisch veränderter Organismen erlassen.

Für die österreichische Innen-, aber auch Wirtschaftspolitik haben diese Verträge eine relativ geringe Bedeutung, weil bei uns die Umweltstandards beträchtlich höher sind. Da aber die Umweltpolitik und die Umweltwirtschaft, wie ich ergänzen möchte, immer weniger national regelbar sind und die Probleme nur international gelöst werden können, ist es zweifellos notwendig, diese Staatsverträge abzuschließen. Meine Fraktion wird ihnen daher auch die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

21.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gasteiger. – Bitte.

21.54

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Bitte auch so kurz!) – Ich wollte gerade sagen, in aller Kürze:

Die Ratifizierung der drei internationalen Abkommen ist mit Sicherheit ein umweltpolitischer Meilenstein. Ich freue mich sehr, dass wir das heute beschließen können.

Das Rotterdamer Übereinkommen über gefährliche Chemikalien ermöglicht es den Ländern erstmals, die Einfuhr von gefährlichen Chemikalien zu verweigern beziehungsweise zu kontrollieren. Das betrifft natürlich vor allem die Entwicklungsländer, die bisher sehr mit dem Problem zu kämpfen hatten, dass aus den entwickelten Ländern so genannte gefährliche Chemikalien zu ihnen exportiert wurden.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 198

Ich bedauere sehr, dass es keine Haftung gibt und dass die Kennzeichnung in diesem Übereinkommen nicht enthalten ist, aber ich hoffe, dass es im Rahmen von Vertragsstaaten-Konferenzen zu einer solchen Regelung kommen und dass Österreich sich auch weiterhin dafür einsetzen wird.

Insgesamt ist dies umweltpolitisch gesehen ein sehr großer Fortschritt. Wir werden dieser Ratifizierung gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Lindinger. – Bitte.

21.55

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es geht um die Ratifizierung von drei internationalen Abkommen.

Wegen der bereits bestehenden strengen österreichischen Gesetze werden diese Abkommen keine Auswirkungen auf unser Land haben. Trotzdem ist diese Ratifizierung wichtig, da solche Abkommen keine nationale Beschränkung haben sollen, insbesondere auch in Hinblick auf die so genannten Schwellenländer. Diese dürfen nicht zum "chemischen Abfallkübel" der Industrienationen werden, oder anders gesagt: Was bei uns nicht verwendet werden darf, darf auch nicht zur Verwendung in anderen Ländern exportiert werden. Dies trifft auf uns jedoch nicht zu, da meines Wissens solche Stoffe in Österreich nicht produziert werden.

Was uns aber schon betrifft, sind die weiträumig grenzüberschreitenden Luftverunreinigungen durch so genannte POPs – persistente organische Schadstoffe. – Das sind biologisch nicht abbaubare Stoffe. Gegen diese Stoffe können wir die Grenzen weder dicht machen, noch uns anders als durch internationale Verträge schützen.

Der Inhalt dieses Vertrages ist das Verbot, das sich die Vertragsstaaten selbst auferlegen, solche Stoffe zu produzieren oder zu verwenden. – DDT, das vielen sicher noch in Erinnerung ist, fällt zum Beispiel darunter.

Das Übereinkommen enthält die umweltgerechte Entsorgung, Verwendungsbeschränkungen und verbindliche Grenzwerte auch im Hinblick auf Müllverbrennungsanlagen. – Viele hochgiftige Stoffe wie Dioxin entstehen erst durch Erhitzung, zum Beispiel von PCBs – polychlorierten Biphenylen. Viele werden mit dem Begriff nicht viel verbinden, es ist aber eine allgegenwärtige Chemikalie. – Denken Sie daran, dass damit früher Orangen gegen Bakterien geschützt wurden! Auch in den Kondensatoren der alten Leuchtstofflampen waren PCBs. Sie werden also vermutlich noch in sehr vielen Räumen vorhanden sein. Das ist eine Chemikalie, die an und für sich nicht sehr giftig, sondern eher inert ist, aber bei erhöhter Temperatur entsteht das so genannte "Seveso-Gift", das gefährliche Dioxin.

Es sind auch ein Technologie-Austausch zur Entwicklung von Alternativprodukten und eine regelmäßige Überprüfung der Vertragspartner vorgesehen. Es ist also im Großen und Ganzen ein Gesetz, das uns nicht unmittelbar betrifft, das aber wegen der internationalen Zustimmung auch für Österreich von großer Bedeutung ist. Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 199

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel samt Anlagen und Erklärung.

Der vorliegende Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe – POP – samt Anhängen und Erklärungen.

Auch dieser Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe samt Anlagen und Erklärung.

Auch dieser Beschluss unterliegt dem Zustimmungsrecht des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 200

Ich bitte auch hier jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt samt Anlagen.

Auch dieser Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodass er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2002) (1166 und 1213/NR sowie 6695 und 6738/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 31. Punkt der Tagesordnung: Strafrechtsänderungsgesetz 2002.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Universitätsprofessor Dr. Peter Böhm übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Waffengesetz 1996, das Fremdengesetz 1997 und das Telekommunikationsgesetz geändert werden – Strafrechtsänderungsgesetz 2002.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Fassung vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 201

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer das Wort. – Bitte.

22.04

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Strafrechtsänderungsgesetz hätte in seiner Entstehungsgeschichte im Zeichen der Terrorbekämpfung stehen sollen. Gerade der nahende erste Jahrestag der schrecklichen Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 wäre Anlass genug gewesen, um über die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit weiterer gesetzlicher Bestimmungen zur Verbesserung der Sicherheit unseres Landes und seiner Bevölkerung zu diskutieren. Stattdessen aber verschwindet die Bedeutung dieses Gesetzes hinter einer – ich kann es nicht anders sagen – Husch-Pfusch-Aktion, die vermutlich von Bundeskanzler Schüssel ausgegangen und von Klubobmann Khol zur Exekution gebracht worden ist.

Am 24. Juni 2002 hat der Verfassungsgerichtshof den immerhin schon seit 31 Jahren heftig umstrittenen § 209 – auch als Homosexuellen-Paragraph bekannt – für verfassungswidrig erklärt. Zugleich billigte er der Bundesregierung eine Frist bis 28. Feber 2003 zur Neuregelung zu. Doch anstatt die Meinung von Experten einzuholen sowie den für Herbst anstehenden Rahmenbeschluss der EU und auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum § 209 abzuwarten, tauchte nicht einmal drei Wochen nach Bekanntwerden der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Sitzung des Nationalrates am 11. Juli 2002 ein neuer Gesetzestext auf.

Ohne Begutachtungsverfahren und ohne die gerade in einer so heiklen Materie unverzichtbare, ausreichende wissenschaftliche Begleitung wurde in einer äußerst unsauberen – anders kann man es nicht bezeichnen – parlamentarischen Arbeit, die ÖVP und FPÖ zu verantworten haben, ein selbst von dieser Bundesregierung nicht zu erwartendes Pfuschgesetz mehrheitlich beschlossen.

Ich bezweifle nicht, ja ich behaupte sogar, dass sich ein Großteil der Abgeordneten nicht einmal genau bewusst war, was da beschlossen wurde (Bundesrat Mag. Himmer: Na geh!), denn sonst wäre es kaum möglich gewesen, dass ein – wie es selbst der ehemalige ÖVP-Generalsekretär und -Justizsprecher Michael Graff bezeichnet hat – "unbrauchbares, ja unanwendbares" Gesetz beschlossen worden wäre. Übrigens spricht auch die Junge ÖVP Steiermark von einem unverständlichen Schnellschuss.

Wir werden daher zukünftig anstatt des § 209 den um nichts weniger umstrittenen § 207b haben. Bevor ich aber auf den Punkt meiner vorrangigen Kritik eingehe, möchte ich namens meiner Fraktion festhalten, dass wir zweifelsfrei und ohne Vorbehalt dafür eintreten, dass der Schutz vor Prostitution und Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses unbestreitbar gewährleistet sein muss. Genauso legen wir jedoch Wert auf die Feststellung, dass es das Recht eines jeden jungen Menschen sein muss, seine Sexualität ohne Druck, Zwang oder Abhängigkeit entwickeln zu können. Genau dieses Recht wird durch den neuen § 207b in seinem ersten Absatz erheblich eingeschränkt.

Anstatt entsprechend der längst gegebenen gesellschaftlichen Realität den einzig sinnvollen Schritt zu setzen und auch das Schutzalter für homosexuelle Jugendliche auf 14 Jahre zu senken, wurde es nur auf 16 Jahre gesenkt. Gleichzeitig wurde aber das Schutzalter für Mädchen von bisher 14 Jahren auf 16 Jahre angehoben – dies, obwohl es seit vielen Jahren keine gröberen Beanstandungen gegeben hat und ein Reformbedarf zu keiner Zeit in Diskussion stand!

Mit der generellen Festsetzung eines Schutzalters von 14 Jahren hätte Österreich nicht einmal einen revolutionären Schritt gesetzt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, aber sogar im Vatikanstaat gibt es schon seit Jahrzehnten ein sowohl für Mädchen als auch für Buben geltendes Schutzalter von 12 Jahren. Die ÖVP, die sich so gerne auf ihre christlich-sozialen Werte beruft, wäre also keineswegs in Konflikt mit der katholischen Kirche gekommen.


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Mit dieser Neuregelung werden nicht nur homosexuelle Jugendliche, sondern vor allem viele Tausende heterosexuelle Jugendliche in die Nähe der Diskriminierung und Kriminalisierung gerückt, und all dies unter dem Deckmantel "Jugendschutz". Aus Sicht der betroffenen Jugendlichen muss wahrscheinlich von nun an das Wort "Jugendschutz" anders definiert werden, nämlich als: Schützt die Jugend vor dieser Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Überheblichkeit oder mangelnde Kenntnisse dürften auch der Grund dafür gewesen sein, Begriffe wie "aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug" und "mangelnde Reife" zu Strafkriterien zu machen. Herr Bundesminister! Können Sie mir die Frage beantworten, nach welchen Kriterien zukünftig Richter beurteilen sollen, was unter dem Begriff "mangelnde Reife" zu verstehen ist?

Ich bin nämlich der Meinung, dass es in der Interpretation des Begriffes "mangelnde Reife" große Unterschiede zwischen Erwachsenen und Jugendlichen gibt und dass es – ausgenommen deutlich erkennbare geistige Behinderung – keinerlei Beurteilungskriterien gibt, die eine eindeutige und zweifelsfreie Beurteilung zulassen. Wie soll ein Richter zum Zeitpunkt der von ihm geforderten Rechtsprechung – dieser Zeitpunkt liegt in der Regel zumindest Wochen, wenn nicht Jahre nach einer Straftat – die Reife eines unter 16-jährigen Jugendlichen zum Zeitpunkt der Tat beurteilen?

Mit einer Entscheidung wird daher jeder Richter – vorausgesetzt, er kann subjektives Empfinden ausschließen – überfordert sein. Da in Österreich Urteile im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu fällen sind, wird sich § 207b im Abs. 1 von selbst ad absurdum führen. Meine Damen und Herren! Glauben Sie mir, dass das für mich kein Grund zum Jubeln ist! Die Erfahrungen beim sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen uns, dass mangels an Beweisen auch wahre Täter freizusprechen sind. Diese erwirken sich dadurch einen Freibrief, und übrig bleibt das Opfer, das seine Glaubwürdigkeit verloren hat.

Diese Erfahrungen zeigen uns, wie wichtig es ist, gerade in solch einer Materie klare und deutliche gesetzliche Bestimmungen zu schaffen. Meine Fraktion vertritt daher die Ansicht, dass es notwendig ist, diesem Gesetz die Zustimmung zu verweigern. Im Interesse der betroffenen Jugendlichen treten wir dafür ein, einen Diskussionsprozess zu starten und unter Einbeziehung von Experten sowie entsprechender wissenschaftlicher Begleitung notwendige sexuelle Schutzbestimmungen neu zu definieren.

Ich appelliere aber auch an Sie, werte ÖVP- und FPÖ-BundesrätInnen, im Bewusstsein Ihrer parlamentarischen Verantwortung einem Bundesgesetz, das in einer so entscheidenden Angelegenheit keinem Begutachtungsverfahren unterzogen wurde, die Zustimmung zu verweigern.

Es gibt außerdem einen zweiten entscheidenden Grund, der dafür spricht, dieses Gesetz neu zu regeln. Bestandteil des Strafrechtsänderungsgesetzes ist auch die Novellierung des Waffengesetzes 1996. Eine Novelle, die sich im Wesentlichen nur auf eine Klarstellung der Waffenanzahl beschränkt, ist meiner Fraktion nicht weitreichend genug. Das zeigt sich gerade auch in Anbetracht der schrecklichen Ereignisse am vergangenen Montag in der Steiermark: Eine Frau und ein zum Einsatz gerufener Gendarmeriebeamter wurden Opfer eines Täters, der nicht illegal, sondern völlig legal eine Waffe besessen hat. (Bundesrat Steinbichler: Dann brauchen wir noch ein Gesetz ...!)

Als ruhig und unauffällig wurde der Täter von einem Gendarmeriebeamten bezeichnet. Es gab also keinerlei Auffälligkeiten, die darauf hingewiesen hätten, dass irgendein Grund bestanden hätte, dieser Person die Waffenbesitzkarte zu entziehen. (Bundesrat Steinbichler: Ein neues Waffengesetz brauchen wir, Frau Kollegin?) Allein schon das Leid der Hinterbliebenen, Herr Kollege Steinbichler, sollte uns allen Anlass genug sein, endlich ein Verbot für den Besitz privater Waffen auszusprechen! (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr Waffen in Privatbesitz bringen der Bevölkerung nicht mehr Sicherheit. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Sie bergen vielmehr ein großes Gefahrenpotenzial in sich. (Bun


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desrat Manfred Gruber: Weniger Waffen heißt mehr Sicherheit!) Für Personen mit mangelnder Konfliktfähigkeit ist der Gebrauch einer Waffe oft der letzte Ausweg bei Konflikten. Je leichter eine Waffe erreichbar ist, desto niedriger wird die Hemmschwelle, und viele diesbezügliche Beispiele beweisen dies.

Um Kollegen Mag. Tusek nicht zu enttäuschen – er wartet sicher schon darauf –, bringe ich den Entschließungsantrag der Bundesräte Anna Schlaffer und GenossInnen betreffend sofortige Ausarbeitung einer Novelle zum Waffengesetz ein, die sich an folgendem Gesetzesantrag der Abgeordneten Dr. Cap und KollegInnen orientieren soll. Er liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor und ist sehr umfangreich. Ich komme daher direkt zum Text des Entschließungsantrages:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Anna Schlaffer und KollegInnen betreffend sofortige Ausarbeitung einer Novelle zum Waffengesetz, die sich am folgenden Gesetzesantrag der Abgeordneten Dr. Cap und KollegInnen orientieren soll

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Bundesrat hat beschlossen:

Es ist unerträglich, wenn die Bundesregierung den Sommer-Ministerrat lediglich dazu benützt, die Privilegien Gauggs abzusichern, und sich um die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung nicht kümmert. Der Bundesminister für Inneres wird daher aufgefordert, den Sommer-Ministerrat dazu zu nutzen, eine Novelle zum Waffengesetz in der Regierung beschließen zu lassen, welche die von der Öffentlichkeit und der SPÖ geforderten Punkte – insbesondere Verbot des privaten Waffenbesitzes – umsetzt, um eine Beschlussfassung schon im September in den parlamentarischen Gremien zu ermöglichen.

*****

(Bundesrat Dr. Aspöck: Was hat das Waffengesetz mit Gaugg zu tun? – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Donnerstag nähert sich dem Ende. Ich fordere Sie alle auf: Beenden Sie diesen Tag mit einer guten Tat, und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Schlaffer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend sofortige Ausarbeitung einer Novelle zum Waffengesetz ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herwig Hösele das Wort. – Bitte.

22.17

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Entschließungsantrag möchte ich prinzipiell nur einen Satz sagen: Ich halte das für eine relativ billige populistische Aktion und einen Aufruf zur Anlassgesetzgebung, die das Problem an der Wurzel nicht löst. (Bundesrätin Mag. Trunk: Seit neun Jahren fordert die SPÖ das! – Bundesrat Manfred Gruber: Herr Kollege! Wer betreibt denn in diesem Haus Anlassgesetzgebung? Ihre Fraktion! Das ist billiger Populismus, was Sie da aufführen!)


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Nein, billiger Populismus ist nicht, die Ursachen zu bekämpfen, sondern zu glauben, wenn jetzt gerade wieder eine Sache aktuell ist, kommt das jedes Mal, alle drei ... (Bundesrat Manfred Gruber: Nicht eine Sache! Zu viel ist schon passiert, Herr Kollege! – Bundesrätin Mag. Trunk: Seit neun Jahren ...! – Bundesrätin Schlaffer: Bevor Sie sich äußern, besuchen Sie ...!)

Jetzt komme ich zum nächsten Thema. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie viele tote Frauen und Kinder ...!) Bitte? (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie viele tote Frauen und Kinder hat es durch Waffengebrauch im Privathaushalt gegeben in diesen neun Jahren, seitdem Sie das verhindern, die ÖVP und die FPÖ? – Bundesrat Ledolter: Aber doch nicht mit legalen Waffen ...! – Bundesrat Konecny: Viele! – Bundesrat Manfred Gruber: Der Großteil mit legalen Waffen, bitte! – Bundesrat Ledolter: Blödsinn! – Bundesrat Konecny: Bitte, Herr Kollege!) Ich möchte jetzt nicht untersuchen, wie die Auswege ausschauen, wenn Schusswaffen verboten sind, wie diese auf Umwegen beschafft werden und welche anderen Waffen sonst zum Einsatz kommen.

Zum anderen Thema, zum § 207b: Liberalität darf nicht mit Regellosigkeit verwechselt werden. Ich bin auch im Sinne der Rechtssicherheit sehr dankbar dafür, dass so rasch eine Nachfolgeregelung gefunden werden konnte. (Bundesrat Manfred Gruber: Diese Regelung ist eine Unrechtlichkeit! Lesen Sie die "Salzburger Nachrichten"?) Ich lese viele Zeitungen, und ich lese Ihnen noch ein bisschen dazu vor, aber ich sage Ihnen dazu noch etwas: Das ist im Prinzip auch kein Husch-Pfusch-Verfahren, sondern das ist eine Sache ... (Bundesrat Manfred Gruber: Anlassgesetzgebung!)

Das ist keine Anlassgesetzgebung, weil man sich relativ lange auf diese Dinge vorbereiten konnte. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesregierung im Sinne der Rechtssicherheit nicht bis zum Außerkrafttreten zugewartet und die Frist bis 28. Feber 2003 ausgenützt hat, sondern ... (Bundesrätin Schlaffer: Begründen Sie die Rechtssicherheit! Die Rechtssicherheit, die dieser Paragraph im ersten Absatz hat! Begründen Sie das!)  – Ja, dazu komme ich jetzt, verehrte Frau Kollegin!

Ich habe hier ein Interview des Herrn Justizministers aus der amtlichen "Wiener Zeitung" vom 15. Juli vorliegen, worin er erstens gesagt hat, dass man sich sehr lange auf dieses Thema vorbereiten konnte, und zweitens: "Mangelnde Reife" ist ein von der Judikatur sehr ausgeprägter Begriff aus dem Jugendgerichtsgesetz. (Bundesrätin Schlaffer: "Mangelnde Einsicht" heißt es aber dort!) Ich nehme an, der Herr Bundesminister wird selbst auch noch etwas dazu sagen. (Bundesrat Konecny: Gerne! Sie trauen sich nicht, oder wie?) Ich bin davon überzeugt, dass man in der Sache sachdienlich vorgehen muss, sachdienlich in dem Sinn: einerseits Beendigung von Diskriminierungen, andererseits Schutz der Jugend vor sexuellem Missbrauch. (Bundesrat Manfred Gruber: Gummiparagraph! – Bundesrätin Schlaffer: Das ist jetzt plötzlich ...!)

Ich darf Ihnen aus dem Erkenntnis etwas vorlesen: "Der Verfassungsgerichtshof zieht das den einschlägigen Normen des Sexualstrafrechtes zugrunde liegende Schutzziel, Kinder und Jugendliche vor frühzeitigen, vom Gesetzgeber als für die Entwicklung schädlich angesehenen hetero- und homosexuellen Kontakten sowie vor sexueller Ausbeutung zu bewahren, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in Zweifel. Die Festlegung eines bestimmten Schutzalters für Jugendliche fällt weitgehend in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wobei eine allfällige Neuregelung auch andere Elemente wie etwa den Altersunterschied des Partners berücksichtigen dürfte." – Das ist ein Teil aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2002.

In einem Interview mit der Zeitschrift "profil" hat Klubobmann Andreas Khol – Sie werden das nicht sehr gerne hören, weil das nicht in Ihre Vorstellung passt –, mit der Sorge konfrontiert, dass der Tatbestand "Ausnützen einer Zwangslage" vor Gericht bei Homosexuellen härter als bei Heterosexuellen bestraft werden könnte und die Diskriminierung daher bestehen bleibt, sehr pointiert geantwortet: Ich habe Vertrauen in die Gerichte. Der Verfassungsgerichtshof hat § 209 ausdrücklich nicht wegen der Ungleichbehandlung von sexuellen Orientierungen und nicht wegen der altersmäßigen Ungleichbehandlung aufgehoben. Aufgehoben wurde er, weil ein homosexuelles Liebesverhältnis zwischen einem 15- und einem 17-Jährigen erlaubt ist, aber


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zwei Jahre später, wenn der eine 17 und der andere 19 ist, nicht mehr. Der Richter, der vor kurzem einen 55-Jährigen im Zusammenhang mit einem Kontakt mit einem 15-Jährigen verurteilte, verdient einen Preis für Zivilcourage, denn er hat sich nicht dem Meinungsdruck der Schickimicki-Gesellschaft gebeugt, die den Eindruck erweckt, § 209 sei generell als gleichheitswidrig aufgehoben worden. – Das ist eine sehr pointierte Aussage des Klubobmanns Khol, aber ich halte sie in der Tendenz für richtig.

Konrad Paul Liessmann, ganz sicher nicht ein Mann, der insgesamt ein sehr konservativer Mensch ist, hat kürzlich in einem Interview mit der "Furche" über das Thema, wie das mit Schutzalter-Debatten und Ähnlichem sei, gesagt: "Halbwüchsige, die eben noch nicht diesen Status der vollen Autonomie und der Selbstbestimmung zuerkannt bekommen können, müssen bestimmten besonderen Schutzbestimmungen unterliegen." – Dazu bekenne ich mich ganz ausdrücklich, und ich glaube, das ist insgesamt ein Ziel, das eine Gesellschaft, die liberal, modern und aufgeschlossen sein will, die gleichzeitig aber auch nicht diskriminieren will, für Jugendliche heterosexueller und homosexueller Orientierung ganz selbstverständlich vertreten muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Beispiel ist im Wohnrecht vor kurzem die Maßnahme getroffen worden, dass beim Wohnungseigentumserwerb die gleichgeschlechtlichen Partner gemeinsam Wohnungseigentum erwerben können.

Ich bin prinzipiell überall gegen ungerechtfertigte Diskriminierungen, aber gleichzeitig sollte man sehr verantwortungsbewusst mit den Fragen des Jugendschutzes umgehen. Das ist für mich eine Wertvorstellung, die unsere Gesellschaft im höchsten Maße verteidigen sollte! (Bundesrat Manfred Gruber: Betonung liegt auf "verantwortungsbewusst"!)

In diesem Sinne: ein klares Ja zur neuen Regelung des § 207b! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Auer. Ich erteile ihr das Wort.

22.24

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! § 209 beziehungsweise 207 wurde jetzt mehr oder weniger ausgiebig diskutiert. Nach zwei Rednern kann man noch nicht sehr viel sagen. Ich möchte aber über andere Punkte im gegenständlichen Gesetz sprechen, welches wir verabschieden und mit dem wir es zu Stande gebracht haben, dass auf Grund der völlig überschießenden Bestimmungen erheblichste Bedenken bestehen.

Wir haben in Fortsetzung einer Reihe von Vorhaben das zu Stande gebracht, was Sie auch in der Vergangenheit schon ausgezeichnet hat, nämlich dass Sie mit der Datenrückerfassung von Bewegungsdaten mehr oder weniger halb Österreich jederzeit überprüfbar machen. Ich glaube nicht, dass sich die Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen bewusst sind, wozu sie ihre Zustimmung geben: dass nämlich sie selbst und alle anderen, für die sie in den Wahlkreisen eintreten müssen, verfolgbar sind!

Das Strafrecht ist eine Rechtsordnung, die eigentlich am stärksten in das Leben der Menschen eingreift. Das Strafrecht ist auch sozusagen die stärkste Eingriffsmöglichkeit des Staates in das Leben des Menschen. Umso mehr ist meiner Ansicht nach eine seriöse Auseinandersetzung mit dieser Rechtsmaterie erforderlich, und umso mehr wird der Vorwurf bestärkt, dass versucht wird, ohne Einbeziehung von Experten Dinge durchzupeitschen, die sich vor allem massiv auf das Leben der Menschen auswirken. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Es gilt als innovativ, dass wir im Strafgesetz endlich das Wort "Neutralität" streichen. Herr Minister! Sie würden für das Streichen des Wörtchens "Neutralität" aus der Bundesverfassung keine Mehrheit mehr bekommen! Sie trauen sich ja nicht einmal, "Neutralität" in der Öffentlichkeit in den Mund zu nehmen. Der Herr Bundeskanzler hat es gewagt und hat in einer Rede


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den Vergleich mit Mozartkugeln gezogen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Jetzt müssen wir uns die ganze Parlamentsrede anhören!) Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist falsch, das Wort "Neutralität" und die Neutralitätsgefährdung aus dem Gesetzbuch zu streichen! (Bundesrat Dr. Aspöck: Wortwörtlich das Gleiche war schon im Parlament zu hören!) Dazu gibt es in Ihrem Antrag keine Begründung, und auch in den Erläuterungen scheint nichts darüber auf.

Des Weiteren wird heute in der Strafprozessordnung die Telefonüberwachung geändert, was dazu führt, dass genaue soziale Bewegungsprofile einzelner Menschen erstellt werden können, und zwar völlig legal. Der "gläserne Mensch", der durch und durch transparente Mensch ist wieder ein Stück mehr Wirklichkeit geworden, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt!

Das sind einige wenige Punkte, die uns an diesem Strafrechtsänderungsgesetz nicht gefallen, sodass es keine Zustimmung geben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

22.28

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Ich erteile ihm dieses.

22.29

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Um es kurz zu machen: Wir Freiheitliche sind der Ansicht, dass dieses Strafrechtsänderungsgesetz gut und richtig ist, und wir bedanken uns daher beim Minister und seinen Mitarbeitern für einen weiteren gelungenen Reformwurf.

Ich darf ganz kurz auf Terrorismus und Computerkriminalität eingehen. Ich meine, dass mit der Anhebung dieser Strafsätze wieder mehr Ausgewogenheit im Gesamtkontext der Strafsätze unseres Strafrechtes erreicht worden ist.

Auf § 207b wird mein lieber Freund und Kollege Mag. John Gudenus noch zu sprechen kommen. Ich darf jetzt auf die Ausführungen der Kollegin Schlaffer kurz eingehen.

Kollegin Schlaffer beschwert sich an einer Stelle über die Ausdrucksweise "mangelnde Reife". – Kollegin Schlaffer weiß anscheinend nicht, dass es nun einmal unbestimmte Begriffe im Gesetz geben muss. Das mache ich Ihnen jetzt an einem Beispiel deutlich: Kollegin Schlaffer bringt einen Antrag ein. Im Entwurf zu diesem Gesetz steht, dass Waffen unter anderem nur Bürgern auszustellen sind, die verlässlich sind. – Frau Kollegin! Ich bedaure den armen Richter, der beurteilen soll, ob Sie verlässlich oder nicht verlässlich sind! So ist nun einmal die Juristerei, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Im Übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition, möchte ich Ihnen sagen: Wenn Sie heute die Absicht haben, die Sitzung möglichst lange hinauszuzögern, dann arbeiten Sie doch selbst hier am Rednerpult dafür! Ich bin nämlich schon wieder fertig (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.31

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

22.31

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bedanke mich bei Herrn Bundesrat Aspöck dafür, dass er die legistische Leistung der Beamten unseres Hauses unter der Leitung von Herrn Sektionschef Dr. Miklau anerkannt hat! Das war wirklich eine gute legistische Leistung, und es gab auch eine sehr gute Zusammenarbeit mit den beiden Klubs der Regierungsparteien. Es war dies eine sachliche Zusammenarbeit, und man hat die Tatbestände ausführlicher diskutieren können – ich spreche jetzt vom § 207b StGB –, weil eben schon Vorarbeiten in den Klubs vorhanden waren und dadurch sofort der Einstieg in eine niveauvolle Diskussion möglich war.

Ich möchte mich aber mit ganz klaren Worten dagegen wenden, dass man den Tatbestand nach § 207b Abs. 1 so sehr in Misskredit zieht, weil dort Begriffe vorhanden sein sollen, welche


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die Richter nicht richtig werten könnten. – Ich bin aufgefordert worden, diesen Tatbestand zu erklären, und ich tue dies gern.

Er besteht zum einen darin, dass dort zu lesen ist, dass Kinder oder Jugendliche aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug sind, um die Bedeutung des Vorganges einer sexuellen Handlung zu erkennen. – Ich glaube, dass es ein Teil der Lebenserfahrung ist, dass jeder wissen muss, wenn er sexuelle Handlungen anbahnt, ob der Partner oder die Partnerin erkennt, was da vor sich geht. Und ich glaube, dass es auch ein Teil der Lebenserfahrung ist, dass man auch das Gegenteil erkennen kann, nämlich dass eben diese Reife des Partners noch nicht vorhanden ist.

Wer dies leugnet, leugnet Tatsachen des Lebens, die wir alle immer richtig einschätzen müssen. Wer behauptet, dass Richter das nicht auch nachträglich nachvollziehen können, der unterschätzt ganz einfach die tägliche intellektuelle Leistung unserer Richter. Es ist eine Herabwürdigung eines gesamten Standes, der für uns alle sehr wichtig ist, wenn man sagt, dass Richter das nicht einschätzen können. Sicherlich liegen zwischen der sexuellen Handlung und der gerichtlichen Beurteilung im Einzelfall Zeiträume, aber ... (Bundesrat Manfred Gruber: Die Richterschaft hat selbst Bedenken geäußert! Ich habe keinem der Richter unterstellt, dass sie das nicht können, sondern die Richter haben selbst Bedenken! Das ist die Tatsache!)

Einzelne Richter haben im Zeitraum der Entstehung des Gesetzes, als dieses teils sehr unsachlich diskutiert wurde, Bedenken anhand unfertiger Tatbestände geäußert. Nach Beschlussfassung im Plenum kenne ich eine derartige Kritik jedoch nicht. Sie können mir diese aber vorhalten, und ich werde dann darauf eingehen.

Das ist aber nicht das Einzige, was hier zu sagen ist. Herr Dr. Aspöck hat es schon angedeutet: Insbesondere die Jugendrichter haben täglich mit diesem Alter der verzögerten Reife zu tun. Sie haben sich aber noch nie darüber beklagt, dass sie da überfordert seien.

Hinzu kommt, dass dieser Tatbestand noch ein zweites Element aufweist, nämlich dass der Partner – in der Regel wird es zugegebenermaßen ein Mann sein – seine altersbedingte Überlegenheit nicht ausnutzen darf. Was heißt das? – Das heißt, dass der Altersunterschied an sich nicht Instrument dafür sein darf, dass sich das unreife Kind oder der unreife Jugendliche zu sexuellen Handlungen hinreißen lässt oder dazu verführt wird. Altersbedingte Überlegenheit bedeutet nach den psychologischen Erkenntnissen auch, dass gerade dieser Umstand bei den missbrauchten Jugendlichen besonders tiefe Spuren hinterlässt.

Um es einmal deutlich zu sagen: Wenn sich ein Sechzehnjähriger an einer Vierzehnjährigen vergeht, die verzögerte Reife aufweist, dann ist das nicht strafbar. Es ist aber auch nicht so schädlich für das Kind oder den Jugendlichen, als wenn dies ein älterer Mensch tut, der eben seine altersbedingte Überlegenheit einsetzt. – In Verfolgung dieser psychologischen Erkenntnis und Erfahrungen haben wir diese beiden Tatbestandselemente zusammengefügt, und sie ergeben insgesamt für unsere Jugendlichen einen Schutz, den wir benötigen und auf den wir nicht verzichten zu können glauben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

22.36

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus.– Bitte.

22.36

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie dem Herrn Bundesminister und meinen Kollegen aus der freiheitlichen Fraktion wahrscheinlich geläufig ist, habe ich mit diesem Gesetz eine Zeit lang doch intensiv gehadert. Ich war mir nicht ganz schlüssig, wie ich dieses Gesetz beurteilen soll. Nach langer und oftmaliger Beschäftigung mit diesem Gesetz und nach Gesprächen mit Freunden und auch solchen, die nicht meiner Partei angehören, war ich jedoch überzeugt, dass es ein gutes Gesetz ist, das möchte ich jetzt sagen. Und wenn ich sage, das ist ein gutes Gesetz, dann ist klar, dass ich diesem Gesetz auch zustimmen werden.


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Es ist eben nicht nur alles, was alt ist, gut. Bei der Steuer sagt man: Alte Steuer, gute Steuer, neue Steuer schlechte Steuer, und bis man sich daran gewöhnt hat, dann kommt wieder eine Novellierung. – So besteht auch bei diesem Gesetz klarerweise Anpassungsbedarf. Es wurde aber sehr schnell reagiert, und es trägt zur Rechtssicherheit bei, dass dieses Gesetz so schnell geschaffen wurde und man die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Frist nicht ausgenützt hat.

Als gläubiger Mensch meine ich, dass Weihbischof Andreas Laun nicht Unrecht hat, wenn er sagt, dass er für eine Regelung sei, bei der weiterhin zwischen homo- und heterosexuellen Kontakten unterschieden wird. (Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber. ) Damit sollte auch die Manipulation des Denkens hintangehalten werden, so meint er, welche die Menschen glauben machen will, homosexuelle Kontakte seien das Gleiche wie die normale Mann-Frau-Beziehung.

Ich gehe davon aus, dass Weihbischof Laun und andere Moraltheologen nicht Unrecht haben. Das heißt aber noch nicht, dass es für die Rechtspraxis in einem Staat die gangbare Lösung sein muss und kann. Ich bin überzeugt, dass dieses Gesetz, im Gegensatz zu den Einwendungen der Kollegin Schaffer und einiger anderer, wie schon gesagt, ein gutes Gesetz ist, und ich stimme diesem mit voller Absicht und vollem Gewissen zu.

Ich möchte dazu nur gleich festhalten, dass ich es nicht als Vorstufe einer Angleichung auch des Zivilrechtes sehe. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich beziehe hier nur das Strafrecht, nicht aber das Zivilrecht mit ein, und ich möchte dem Herrn Minister und manchen, die es vielleicht gerne anders hören wollten, sagen, dass es da bei mir und einigen anderen Widerspruch geben wird. Das soll offen ausgedrückt werden, denn auch ein gutes Gesetz hat eben nur für einen bestimmten Gesetzeszweck seine Güte und soll nicht überborden.

Ich möchte jetzt, weil der Herr Bundesminister hier ist – leider Gottes ist Minister Molterer nicht hier! –, von diesem Thema einen kurzen Schlenker weg machen: Vor kurzer Zeit hat Bundeskanzler Schüssel in einem Rundfunkinterview gemeint: Niemand muss sich in einer Demokratie, wenn er gute Argumente hat, vor etwas fürchten. – Nun haben Bundesminister Böhmdorfer und Bundesminister Molterer vor einigen Tagen gemeint, Volksanwalt Stadler wegen dessen Geschichtsbild öffentlich rügen zu müssen. – Ich stelle in dieser begrenzten Öffentlichkeit um bald 23 Uhr fest, dass ich die Rüge gegenüber Minister Stadler ... (Bundesrat Konecny: Das ist er Gott sei Dank nicht!) Ich halte diese Rüge gegenüber Volksanwalt Stadler für nicht gerechtfertigt, umso mehr als auch Präsident Fischer – Angehöriger und Präsident dieses Hauses – in einer CD-Sammlung über die Geschichte der Zweiten Republik selbst Untertitel gewählt hat wie: Österreich ist frei. Der letzte Besatzungssoldat verlässt Österreich. – Diese ist in unserer Boutique oder wie immer der Verkaufsstand des Parlaments heißt, erhältlich. – Ich bitte, diese Replik hier gütig zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.42

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schlaffer und Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend sofortige Ausarbeitung einer Novelle zum Waffengesetz vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

32. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (1168 und 1214/NR sowie 6696 und 6739/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 32. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Schlaffer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Anna Schlaffer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. – Bitte.

22.45

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof bringt die Umsetzung des Römischen Statuts und damit die Etablierung eines Internationalen Strafgerichtshofs in das österreichische Rechtssystem mit sich.

Das Römische Statut wurde am 17. Juli 1998 in einer von den Vereinten Nationen einberufenen diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz angenommen. Von Österreich wurde die Ratifizierungsurkunde im Dezember 2000 hinterlegt, und sie ist damit am 1. 7. 2002 in Kraft getreten.

Das Statut sieht einen Internationalen Strafgerichtshof vor, dem die Gerichtsbarkeit über folgende Verbrechen obliegt: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Garantiert wird die Rechtssicherheit durch ein eigenes Bundesgesetz, das uns heute vorliegt und dem wir gerne zustimmen.

67 Staaten haben die Statuten bisher ratifiziert. Zunächst sind die Staaten eigens und selbst berufen, die Gerichtsbarkeit über diese Verbrechen auszuüben. Sie müssen die Gerichtsbarkeit also selbst ausüben. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind oder es nicht tun, wird der Inter


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nationale Gerichtshof aktiv werden. Das Statut verpflichtet alle Vertragsstaaten, mit dem Internationalen Strafgerichtshof in allen nötigen Bereichen zusammenzuarbeiten.

Es ist dies das erste permanente und internationale Tribunal betreffend Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Bisher ist in solchen Fällen das Tribunal Nürnberg oder Den Haag eingesetzt worden.

Bisher wurde das Statut von 139 Staaten unterzeichnet und – wie gesagt – von 67 Staaten ratifiziert. Im Ausschuss und im Nationalrat wurde von einigen Kollegen darauf hingewiesen, dass die USA das Statut bisher nicht unterzeichnet haben. De facto sind aber gerade die USA schon längst dabei und haben all das in Wahrheit vorgelebt, und es wird dies sicherlich kein Problem sein und bleiben. Die USA sind und waren stets Garanten einer starken Demokratie und Freiheit und haben selbstlos, da Tausende Kilometer entfernt, und opferbereit Europa vom Nationalsozialismus entscheidend mit befreit und Westeuropa durch Jahrzehnte vor dem Kommunismus bewahrt und somit das freie Europa möglich gemacht.

Auch in neuester Zeit hätten wir Europäer es zum Beispiel ohne US-Hilfe nicht geschafft, im ehemaligen Jugoslawien, also in unserem Europa, so weit es möglich ist, Frieden zu Stande zu bringen. Meine Partei wird diesem Bundesgesetz selbstverständlich zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

22.48


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 211

Präsident Ludwig Bieringer:
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Auer. Ich erteile ihr dieses.

22.48

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Bundesrat Liechtenstein hat schon auf die Ratifizierung der Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes hingewiesen. Seit 1. 7. 2002 sind diese auch bei uns in Österreich in Kraft.

Wir, die SPÖ, begrüßen die Schaffung dieses Internationalen Strafgerichtshofes, in dessen Zuständigkeit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen fallen.

Herr Bundesrat Liechtenstein hat schon vorweggenommen, dass, wenn Staaten dieses Gesetz nicht umsetzen, der Internationale Strafgerichtshof die Möglichkeit hat, diese Verfahren selbst aufzunehmen und durchzuführen. Es ist nur zu hoffen, dass diesem Internationalen Gerichtshof auch die internationale Anerkennung entgegengebracht wird, die er braucht, um die Bedeutung zu erlangen und zu behalten, die er nach außen haben soll und auch verdient.

Von den USA – aber das hat sich ja im Guten gelöst – hatten wir zuerst die Information, dass sich die Vereinigten Staaten ausklammern und diesem Gesetz nicht zustimmen werden. Wir hoffen, dass die entsprechende Meinungsäußerung jedoch zu einer guten Lösung führt und der vorliegende Gesetzentwurf angenommen wird.

Es sollte aber auch die Gelegenheit genützt werden, über materiellrechtliche Regelungen nachzudenken. Es geht um die Schaffung entsprechender Strafbestimmungen. Im Strafgesetz ist – wie angesprochen – lediglich Völkermord als eigener Tatbestand aufgenommen, nicht aber sind andere internationale Verbrechen enthalten, wie zum Beispiel die Folter, die jetzt eigentlich nur unter Körperverletzung subsumiert werden kann. Es wäre doch lohnend, darüber nachzudenken, ob nicht für diesen ganz spezifischen Bereich eigene rechtliche Bestimmungen geschaffen werden sollten. (Beifall der Bundesräte Rosenmaier und Dr. Nittmann. )

Ich möchte in diesem Zusammenhang etwa auf den deutschen Entwurf eines Völkerstrafgesetzbuches zur Erfassung der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im nationalen Strafrecht oder auch auf die in Belgien geltenden Regelungen hinweisen. – Wir stimmen diesem Gesetz zu. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

22.51

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

22.51

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Fast 100 Jahre lang dauert die Diskussion über den Internationalen Strafgerichtshof. Bis jetzt haben 76 Staaten das entsprechende Statut ratifiziert, und 139 Staaten haben es unterzeichnet.

Es ist betrüblich, dass sich einige Staaten und insbesondere die Vereinigten Staaten diesem nicht angeschlossen haben. Möglicherweise haben die Vereinigten Staaten einige gute Bedenken. Ich werde darauf noch eingehen.

Der neue Weltstrafgerichtshof zwingt die Amerikaner allerdings nicht zum Verzicht auf das aus ihrer Sicht Unverzichtbare: auf die Option der militärischen Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen durch eine Regierung, auf globalen Terror Privater und auf die atomare, bakteriologische oder chemische Bedrohung durch einen hartleibigen Aggressor.

Es verhält sich jedoch ganz anders. Der Vorrang der nationalen Strafverfolgung wird durch diesen Strafgerichtshof noch abgesichert. Es liegt die Annahme nahe, dass die amerikanische Regierung den mit dem Internationalen Strafgerichtshof verbundenen Anspruch minimaler internationaler Verhaltenskontrollen durch von Amerika nicht kontrolliertes Personal per se zurückweisen möchte. – Ich halte diese Vorgangsweise für nicht ganz gerechtfertigt. Ich denke jetzt an den Nürnberger Gerichtshof und an das Standardwerk über den Nürnberger Gerichtshof, welches einer der Chefankläger, nämlich Telford Taylor, geschrieben hat und aus dem ich kurz zitiere: "Das Kriegsrecht gilt nicht nur für mutmaßliche Verbrecher besiegter Länder. Es gibt keinen moralischen und rechtlichen Grund, siegreichen Ländern Immunität gegenüber einer gerichtlichen Untersuchung zu gewähren. Das Kriegsrecht ist keine Einbahnstraße."

Wie gesagt: Die nationale Hoheit der Gerichtsbarkeit bleibt bestehen. Der Internationale Strafgerichtshof greift nur dort ein, wo diese nicht gewährleistet ist. Es ist betrüblich, dass sich gerade die Vereinigten Staaten, die für sich die Weltomnipotenz auch in der Gerichtsbarkeit in Anspruch nehmen, dem nicht anschließen. Ich verweise etwa auf den "Alien Tort Claims Act" von 1789, der jetzt wiederum zu Recht ausgegraben wurde, um für die Opfer ehemaliger Sklavenverfolgungen aktiv werden zu können. Und auch der "Torture Victim Prevention Act" aus dem Jahr 1991 ermöglicht den Vereinigten Staaten, diesbezüglich weltweit tätig zu werden. Gerade jetzt werden in den Vereinigten Staaten zwei mittelamerikanische Generäle wegen Tortur an ihnen Unterstellten angeklagt.

Aber vielleicht geht es um Folgendes: Die Konstruktion des Strafgerichtshofs ist natürlich zu einem gewissen Maß fragwürdig, denn es ist ein Strafgerichtshof, der von keinem Souverän legitimiert ist, der an keine klaren Gesetze gebunden ist und den keine vollziehende Staatsgewalt stützt. Daher ist er vielleicht auch politisch riskant und leichtsinnig, weil die realen Machtverhältnisse der Staatenwelt missachtet werden und eine supranationale Autorität beansprucht wird, die permanent strittig ist.

Hinzu kommt, dass in die Gerichtsbarkeit dieses Gerichtshofs – und ich bringe jetzt Einwände gegen den Gerichtshof, obwohl ich ihn befürworte, aber ich versuche, auch die Vereinigten Staaten und einige Staaten, die nicht zustimmen, zu verstehen – eine Mischform von Rechtsphilosophien einfließt. Es wird dort das angelsächsische Recht, das kontinentaleuropäische Recht, das asiatische Recht und das afrikanische Rechtswesen geben, und es wird natürlich auch arabische Richter dort geben, die in diesem Kulturkreis die anderen Kulturen fremde Scharia-Gesetzgebung als eine wesentliche Grundlage betrachten.

Wenn also Argumente vorhanden sind, um diesem Gerichtshof zwar nicht ablehnend, aber kritisch gegenüber zu stehen, so will ich hier jetzt hier einige vorgebracht haben und meinen, dass es berechtigt und notwendig ist, diese Bedenken hier auch zu nennen, selbst wenn man dieses Gesetz aus voller Überzeugung unterstützt. Nur so können wir zu einer Lösung kommen.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 212

Wir müssen uns auch dessen bewusst sein, welche Probleme mit diesem Gerichtshof auftreten können. Ich hoffe allerdings, dass sie nicht allzu groß sein werden!

Ich bedaure, dass wir den Entschließungsantrag der Bundesräte Konecny und seiner Genossinnen und Genossen auf Grund gewisser parlamentarischer Vorgangsweisen nicht mittragen können. Nachdem wir von diesem durchaus – das betone ich auch hier – nachvollziehbaren Entschließungsantrag nicht verständigt worden sind, können wir diesem nicht folgen. Aber im Geiste bin ich bei Ihnen, Herr Professor! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP .)

22.58

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat.

22.59

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Tatsache ist, dass sich ein Internationaler Strafgerichtshof, so wie jede international operierende Gerichtsinstitution, naturgemäß nicht auf gesatztes Recht stützen kann, sondern, wenn es um eine weltweite Organisation geht, versuchen muss, die Rechtstraditionen verschiedener Kulturkreise in zentralen Punkten nach einer Art Billigkeitsprinzip in Übereinstimmung zu bringen. So schlecht sind wir da in vielen Jahrzehnten mit dem Internationalen Gerichtshof, der Streitigkeiten zwischen Staaten zu behandeln hat, nicht gefahren. Auch dort hat es erfolgreich den Versuch gegeben, ohne gesatztes Recht nach allgemein anerkannten Rechtsprinzipien zu Entscheidungen zu kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Es geht um Strafrecht!) – Sie haben völlig Recht, Herr Professor! Strafrecht ist naturgemäß eine Dimension schärfer, obwohl einen Staat mit seinen Ansprüchen abzuweisen üblicherweise zu mehr Wellen führt als die vielleicht nicht von allen verstandene Verurteilung eines Einzelnen.

Es ist keine Frage, dass internationale Gerichtsbarkeit, wenn sie denn besteht, auch ihre Strukturen und ihren gemeinsamen Vorrat an Ideen und Judikaturen entwickelt und entwickeln wird. Wir haben im Augenblick sozusagen Singulärgerichtsbarkeit im Fall der Verbrechen, die im Zusammenhang mit den Balkankriegen geschahen, und auch diesbezüglich geht es um Sachverhalte, welche die internationale Gemeinschaft abzuurteilen wünscht und wo es einen deutlich erkennbaren Fortschritt gibt, der auch zum Sammeln von Erfahrungen in diesem Bereich gehört.

Ich bin mit vermutlich allen, die dazu gesprochen haben, gemeinsam davon überzeugt, dass vielleicht nicht wir, aber Nachfolger von uns in diesem Saal Ergänzungskonventionen und Weiterentwicklungen dieses Rechtsinstruments beschließen werden und beschließen müssen. Ich gebe aber jedenfalls – und das sage ich sehr persönlich – einer solchen internationalen Instanz klar den Vorzug gegenüber nationalen Gesetzgebungen, die sich selbst verabsolutieren.

Herr Kollege Gudenus, der sich ganz offensichtlich in Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt damit mehr beschäftigt als ich, hat andere erwähnt, als ich sie genannt habe. Er hat Ansprüche der USA genannt, weltweit im nationalen Gerichtsrahmen zu judizieren. Es gibt die belgische Rechtsordnung, die zwar von der Intention her durchaus verständlich und auch positiv ist, aber der Zugang, dass sich sämtliche UNO-Mitgliedstaaten selbst zum Schiedsrichter für jedes irgendwo auf der Welt begangene Verbrechen machen, führt nicht zu mehr Rechtssicherheit, sondern zum Rechtschaos. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich sage ganz offen: Das kann nicht das Ziel sein! Die Vereinigten Staaten haben in ihrer Geschichte all das getan, was Vincenz Liechtenstein mit Recht hier hervorgehoben hat. Auch ich bin immer ein Anhänger des Prinzips Hoffnung. Es sind daher nicht einfach die USA, sondern es ist ganz konkret die gegenwärtige Administration, die in massivster Weise jedem Multilateralismus ein Nein entgegensetzt, ob es jetzt um internationale Umweltverträge, um internationale Abrüstungsverpflichtungen oder um den Internationalen Strafgerichtshof geht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. ) Bitte, Herr Kollege? Ich habe Sie nicht verstanden! (Bundesrat Dr. Maier: Clinton hat ja auch nichts getan!) – Er hat nichts gemacht, er hat es nur unterschrieben, aber sonst ist alles in Ordnung! So familiär war ich mit Bill Clinton auch nicht, dass ich


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 213

Ihnen die Frage beantworten könnte, welche Hintergedanken er gehabt hat! Sie waren es offensichtlich!

Ich glaube, dass das eine Entwicklung ist, welche man gerade dann, wenn man auf eine Zusammenarbeit mit den USA Wert legt – und was sollte Europa stärker tun als genau das? –, den amerikanischen Freunden immer wieder vor Augen führen muss.

Natürlich gibt es dann die cranks des politischen Spektrums. Es gibt da so eine Eigendynamik von Populismus, nämlich dass unser direktes Visavis, der amerikanische Senat, zumindest in einer Art ersten Lesung, wenn ich das in unser Gesetzgebungsverfahren übertrage, einen Gesetzentwurf beschlossen hat, der die Regierung ermächtigt, allenfalls in Den Haag vor Gericht stehende USA-Bürger, wenn es den sein muss, auch mit Gewalt wieder aus den Fängen des Internationalen Strafgerichtshofes zu befreien. Das ist wirklich hart zu schlucken! (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ein Skandal!)

Herr Kollege! Das ist natürlich ein objektiver Skandal. Wir wissen aber auch, wie solche Gesetzentwürfe gerade im amerikanischen Gesetzgebungsprozess zu Stande kommen! Das kommt aus der lunatic fringe. Aber es ist halt etwas, wozu niemand wirklich nein sagt, und dann wird es beschlossen. Gut ist es jedenfalls nicht, akzeptabel ist es nicht, und sagen muss man das den Freunden in den USA auch.

Nochmals: Diese Haltung der USA ist meiner Einschätzung nach kurzsichtig. (Bundesrat Dr. Maier: Das sagt gar nichts!)  – Herr Kollege! Ich gebe zu, dass die Zeit fortgeschritten ist, ich gebe zu, dass Sie inzwischen etwas rückgeschritten sind, aber in Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof sollten wir uns sachlich auseinander setzen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben daher den Entschließungsantrag eingebracht, dessen Begründung ich Ihnen jetzt nicht mehr vorlesen will, weil ich die wesentlichen Argumente in meinem Debattenbeitrag gebracht habe und mich daher auf den Entschließungsantrag selbst beschränken kann.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen betreffend den Internationalen Strafgerichtshof

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung wird ersucht, sich auf bilateraler Ebene und im EU-Kontext mit Nachdruck für eine Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofes durch die USA einzusetzen.

Die Bundesregierung wird ersucht, einem etwaigen Ansuchen der USA, ein bilaterales Abkommen zu schließen, das die Anklagen von US-Soldaten vor dem ICC verhindern soll, keine Zustimmung zu geben.

Die Bundesregierung wird schließlich ersucht, sich in dieser Frage für ein entsprechend akkordiertes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten einzusetzen.

*****

Auch wenn – was ich akzeptiere – Kollege Gudenus meint, dass aus parlamentarisch fraktionellen Gründen seine Fraktion diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen könne, lade ich Sie ein, sehr wohl Ihre Hand zu heben, wenn er zur Abstimmung kommt. Aber ich freue mich auch dann darüber, wenn wir über dieses Anliegen ohne formelle Mehrheit in diesem Haus einer Meinung sind. (Beifall bei der SPÖ.)

23.07


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 214

Präsident Ludwig Bieringer:
Der von den Bundesräten Konecny, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend den Internationalen Strafgerichtshof ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Konecny, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend den Internationalen Strafgerichtshof vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

33. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG) (1167 und 1215/NR sowie 6740/BR der Beilagen)

34. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (1169 und 1216 der Beilagen sowie 6741/BR der Beilagen)

35. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (1003 und 1217/NR sowie 6742/BR der Beilagen)

36. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (974 und 1218/NR sowie 6743/BR der Beilagen)


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 215

Präsident Ludwig Bieringer:
Wir gelangen nun zu den Punkten 33 bis 36 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Zinsensrechts-Änderungsgesetz,

ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird,

eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen und

eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.

Die Berichterstattung über die Punkte 33 bis 36 hat Herr Bundesrat Mag. John Gudenus übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. John Gudenus: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird.

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates wird die Zahlungsverzugs-Richtlinie in das österreichische Recht eingefügt. Dabei werden die gesetzlichen Verzugszinsen für Geldforderungen im geschäftlichen Verkehr angehoben. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die außergerichtlichen Betreibungs- und Einbringungskosten ein Teil des dem Gläubiger aus dem Verzug erwachsenden Schadens sind, der nicht im Kostenverzeichnis, sondern auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen ist. Ferner werden einige ältere Vorschriften aufgehoben.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Da jedem Mitglied des Bundesrates diese Berichte zugegangen sind, würde ich darum bitten, nur die Antragstellung zu verlesen.

Berichterstatter Mag. John Gudenus (fortsetzend): Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 216

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Schließlich bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. – Bitte, Frau Bundesrätin.

23.13

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, aus ökonomischen Gründen im Namen der sozialdemokratischen Fraktion gleich zu allen drei Gesetzesmaterien Stellung zu beziehen.

Zu Tagesordnungspunkt 33 betreffend das Zinsenrechts-Änderungsgesetz gibt es – und das hat keinen News-Wert – keine Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion, und zwar ganz einfach deshalb, weil, wie in den entsprechenden Ausschüssen und auch im Plenum des Nationalrates klar und deutlich ausgeführt würde, die Bereitschaft seitens der Regierungsparteien und des zuständigen Ministers, Aspekte zur effizienten Verbesserung eines echten Konsumentenschutzes in dieses Zinsenrechts-Änderungsgesetzes einzubringen, nicht gegeben war. Daher wird es von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion keine Zustimmung geben, obwohl wir wissen, dass es sich dabei lediglich um eine EU-Richtlinienanpassung handelt. Dennoch sind wir der Auffassung, dass sich Österreich auch bei Anpassungen an EU-Richtlinien durchaus die Freiheit nehmen kann – was auch vorgesehen ist –, entsprechende andere Anrechnungsregeln in Anwendung zu bringen.

Zum Rechtspraktikantengesetz und der entsprechenden Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeit mit Praxisbezug: Da geht es im Besonderen darum, dass juristische Praktikanten nicht wie bisher ausschließlich bei Gerichten, sondern auch bei Justizanstalten Praxis machen können. Dazu gibt es unsere volle Zustimmung, weil das sinnvoll und gescheit ist. Ich hätte jetzt fast auch gefragt, warum es nicht möglich war, auch über die Anregung der sozialdemokratischen Fraktion und nicht zuletzt auch des Volksanwalts, des vorigen Klubobmannes, nachzudenken, dass man diese Ausbildungserweiterung auch auf die Volksanwaltschaft bezieht. Warum es im Nationalrat für diesen Abänderungsantrag keine Mehrheit gab, ist mir an sich unerklärlich, aber vielleicht ist das in irgendeiner Form doch noch machbar!

Zu den Tagesordnungspunkten 35 und 36 betreffend den Schutz von Minderjährigen: Da handelt es sich tatsächlich um eine entsprechende Adaptierung in Anbetracht der Tatsache, dass die Staaten Litauen und Lettland Österreich in einem Staatsvertrag betreffend die Kooperation hinsichtlich des Schutzes von Minderjährigen und anderen Aspekten beigetreten sind. Es geht ganz einfach, aber doch auch sehr wesentlich darum, dass die entsprechenden Behörden aller drei Staaten im Bereich der Maßnahmen des Schutzes von Minderjährigen kooperieren.

Zu diesen beiden Tagesordnungspunkten gibt es natürlich gerne die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion. (Beifall bei der SPÖ.)

23.16

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm dieses.

23.16

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Kollegin Trunk bereits gesagt hat, dass ihre Fraktion den Punkten 34, 35 und 36 die Zustimmung geben wird, möchte ich diese Gelegenheit, da ich die gleiche Meinung wie Kollegin Trunk vertrete, dafür nützen, um zu sagen: Ich möchte dem nichts mehr hinzufügen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 217

Im Zusammenhang mit dem Zinsenrechts-Änderungsgesetz geht es darum, dass insbesondere Klein- und Mittelbetriebe als Gläubiger oft darunter leiden, dass in den Mitgliedstaaten die Frage der Verzugszinsen unterschiedlich geregelt ist. Daher profitieren von dieser EU-Richtlinie 2035 nicht zuletzt gerade die Klein- und Mittelbetriebe.

Wir erwarten uns, dass sich durch diese Änderung auf 8 Prozent über dem Basiszinssatz die Zahlungsverzögerungen zurückdrängen lassen, was letztendlich auch der Liquidität der Unternehmen zugute kommen sollte. – Wir werden auch diesem Punkt und damit allen Punkten die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

23.18

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.18

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir einige persönliche Anmerkungen zum Rechtspraktikantengesetz!

Die Ausbildung von Rechtspraktikanten erfolgt grundsätzlich für die Dauer von neun Monaten, Verlängerungen sind bei sozialen Härtefällen oder einer Anstellungsübernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst möglich. Schon nach der bisherigen Gesetzeslage war vorgesehen, dass sich Rechtspraktikanten nicht nur im Rahmen einer gerichtlichen Zuteilung ausbilden lassen konnten, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft. Ich selbst habe meine juristische Karriere mit dem Abschluss des Rechtspraktikums beendet, wenn man einmal davon absieht, dass ich mit einer Rechtsanwältin verheiratet bin, also praktisch auf dem Standesamt die Rechtsanwaltsprüfung bestanden habe. (Beifall der Bundesrätin Haunschmid. )

Wenn mir die höheren Weihen der angewandten Jurisprudenz auch nicht aus eigener Kraft zuteil wurden, so habe ich doch im Verlauf meiner Gerichtspraxis lange Zeit als Bezirksanwalt gearbeitet. Für diese schon damals im Gesetz verankerte Möglichkeit bin ich heute noch dankbar, denn ich bekam Gelegenheit, die Mechanik des Strafprozesses nicht nur aus der Warte des Richters zu sehen. Die Rolle des Bezirksanwaltes erlaubt es auch, aktiv am Prozessgeschehen teilzunehmen und diese Rolle unterschiedlich anzulegen, denn damals verpflichtete die Strafprozessordnung die Staatsanwälte, nicht nur belastende Umstände hervorzubringen, sondern auch solche, die zu Gunsten des Beklagten sprachen.

Ich fand hier – möglicherweise nicht ganz im Sinne des Gesetzes – mein eigentliches Tätigkeitsfeld. Wenn ich meiner bescheidenen juristischen Laufbahn nämlich etwas zugute halten kann, dann die Tatsache, dass es während meiner Amtszeit als Bezirksanwalt zu einer merklichen Steigerung von Freisprüchen kam. Zurückzuführen war das nicht darauf, dass ich besonders nachsichtig oder juristisch besonders qualifiziert gewesen wäre. Grund dafür war allein die Tatsache, dass es überhaupt jemanden gab, der auch die Position des Beschuldigten im Auge hatte, denn am Bezirksgericht ist eine Verteidigung durch Rechtsanwälte die Ausnahme, nicht die Regel.

So musste ich feststellen, dass eine Vorstrafe oder ein Mangel an Artikulationsvermögen die Chance auf einen fairen Prozess nicht unwesentlich beeinträchtigte. Ich erlebte auch Bezirksrichter, die auf dem Aktendeckel schon die Höhe und die Anzahl der Tagsätze berechnet hatten, bevor der Beschuldigte auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung sagen konnte. Ich erlebte Richter, welche die Verhandlungslänge danach festsetzten, ob das Wetter segeltauglich war oder nicht, die während der Befragung des Beschuldigten durch die Bezirksanwälte den Saal verließen, oder einen wegen Bagatelldelikten Vorbestraften zu einer unbedingten Haftstrafe verdonnerten, weil er über einen Zaun gestiegen war und ein paar Zwetschken mitgehen lassen hatte. Ich erlebte Fälle, in denen der Beschuldigte während der gesamten Verhandlung nicht begreifen konnte, weswegen man ihm eigentlich den Prozess machte. Mir kamen aber auch Bezirksanwälte unter, die bis zum Ende der Verhandlung durchschliefen, um dann die Verurteilung des Beschuldigten zu verlangen, mitunter in dem Ausmaß, das mit dem Richter zuvor in der Gerichtskantine vereinbart worden war.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 218

Gewiss: All das sind Anekdoten. Ich behaupte daher nicht, dass diese Erlebnisse repräsentativ für die damaligen Verhältnisse an den österreichischen Bezirksgerichten gewesen wären. Viel eher muss man davon ausgehen, dass es sich um eine ungewöhnliche Anhäufung von Einzelfällen handelte. Ich will damit auch nichts anderes beweisen als die Zweckmäßigkeit der heute anstehenden Gesetzesnovelle, denn jede zusätzliche Perspektive, die ein Rechtspraktikant während seiner Gerichtspraxis gewinnen kann, ist von Vorteil, und zwar schon deshalb, weil jeder Rechtspraktikant als Staatsbürger einen Teil der Öffentlichkeit darstellt und als solcher Kontrolle ausübt.

Das Gesagte gilt aber auch für die Möglichkeit, das Rechtspraktikum in einer Justizanstalt fortzusetzen. Sie wissen, dass ich einer Partei angehöre, die den Opferschutz vor den Täterschutz stellt. Als "Law-and-Order-Partei" muss es uns aber auch darauf ankommen, dass Häftlinge korrekt behandelt werden. Das umschließt den Schutz vor jedweder Willkür auch für Übergriffe durch Mithäftlinge. Wenn uns die körperliche Unversehrtheit so wichtig ist, dass wir die Delikte gegen Leib und Leben deutlich strenger ahnden als jene gegen das Vermögen, dann muss diese Wertung auch in Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit der Häftlinge zum Ausdruck kommen. Dieser Gedanke erstreckt sich natürlich auf sämtliche Haftbedingungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich hoffe also, dass mit dieser Gesetzesnovelle nicht nur die Kenntnisse der Rechtspraktikanten über den Strafvollzug vertieft und das Interesse an juristischen Tätigkeiten in Justizanstalten geweckt werden: Vielmehr hoffe ich, dass diese kleine Novelle einen Beitrag zur Sensibilisierung eines größeren Juristenkreises für die Probleme des kollektiven Lebens hinter Gittern und zur Festigung rechtsstaatlicher Verhältnisse in unseren Haftanstalten leistet.

Im Übrigen möchte ich Frau Kollegin Trunk Recht geben: Ich verstehe auch nicht, warum es nicht möglich sein soll, ein Teil des Rechtspraktikums bei den Volksanwälten zu absolvieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

23.23

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Ludwig Bieringer: Ich gebe bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Hoscher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefährdung der unparteiischen Amtsführung des Bundesministers für Justiz durch laufende Zahlungen aus seiner ehemaligen Kanzlei an den Herrn Bundesminister für Justiz vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung.

*****

Mir liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz).


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 219

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 21 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

37. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG-Vollstreckungsamtshilfegesetz – EG-VAHG), das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz,


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das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002) (1175 und 1202/NR sowie 6692 und 6734/BR der Beilagen.)

38. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird (1203/NR sowie 6693 und 6735/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 37 und 38 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies:

das 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 und

ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 37 und 38 hat Herr Bundesrat Herbert Würschl übernommen. – Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Herbert Würschl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend 2. Abgabenänderungsgesetz 2002.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Text liegt Ihnen schriftlich vor. Ich verzichte deshalb auf die Verlesung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird.

Auch dazu liegt Ihnen der Bericht schriftlich vor. Ich verzichte deshalb auf die Verlesung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr


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Bundesrat Dr. Ferdinand Maier. Ich erteile ihm dieses.

23.29

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind übereingekommen, dass wir zu diesem Tagesordnungspunkt relativ kurz reden. Ich überlasse die Argumentation meinen beiden Nachrednern, insbesondere Kollegen Weilharter, und lade Sie ein, die verbleibende Zeit von einer Minute, die mir zur Verfügung steht, zu nutzen, um in aller Ruhe darüber nachzudenken, welchen Sinn es gibt, eine Diskussion zu Dringlichen und ähnliche Debatten so zu führen, wie sie in den letzten Stunden in diesem Haus geführt wurden. Ich habe jetzt noch 45 Sekunden Zeit. Wir können in aller Ruhe darüber nachdenken. (Beifall bei der ÖVP. – Der Redner verharrt in Schweigen. – Bundesrat Gasteiger: Ja, Herr Oberlehrer, wir denken nach! – Bundesrätin Mag. Trunk: Das Maß der Überforderung steigt!)

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesrat Dr. Maier, Sie sind am Wort.

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (fortsetzend): Somit komme ich auch schon zum Schluss. Sie haben 30 Sekunden Zeit gehabt, über die Sinnhaftigkeit Ihrer Aktionen nachzudenken. Denken Sie weiter darüber nach, vielleicht kommen Sie zu einem positiven Ergebnis! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Spärlicher Applaus!)

23.30

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfredo Rosenmaier. Ich erteile ihm dieses.

23.31

Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich erlaube mir, die zwei Minuten, die ich nützen möchte, nicht in Schweigen zu verbringen, sondern doch ganz kurz etwas zu sagen.

Das Tabaksteuergesetz ist ein Gesetz, das sicherlich, seit es erfunden worden ist, immer Streit hervorgerufen hat. Das ist auch ganz klar: Von denjenigen, die Raucher sind, wurde es, wenn es um eine Erhöhung gegangen ist, nicht mit Freude begrüßt, diejenigen, die dem Lager der Nichtraucher angehören, haben das jedes Mal goutiert. Ganz besonders begrüßenswert ist im gegenständlichen Fall die Zweckbindung für die Gesundheitsvorsorge. Ich glaube, dass das eine sehr gute und auch eine sehr wichtige Sache ist.

Laut EU-Forderung wäre noch etwas Zeit gewesen, diese Erhöhung erst mit Jahresende beziehungsweise mit dem neuen Jahr einzuführen, ich glaube aber, dass es, wenn es für die Gesundheitsvorsorge verwendet wird, mit Sicherheit kein Fehler ist, es rasch umzusetzen.

Das Abgabenänderungsgesetz wird im Speziellen bei der Lohnsteuerprüfung eine spürbare Verbesserung bringen. Es wird diese vier Prüfer, die bis jetzt gekommen sind, um eine Prüfung durchzuführen, wobei einer dem anderen die Klinke in die Hand gegeben hat, nicht mehr geben. Ich glaube, dass es eine wichtige Sache ist, dieses Gesetz in diesem Sinne zu beschließen. Da sind wir auch dafür und ganz bei Ihnen.

Zur Veräußerung des beweglichen Bundesvermögens: Ich glaube, der Verkauf der Panzer, der alten M 60, ist sicherlich eine gelungene Sache, aber in Zukunft sollte, wenn man Kriegsgerät anschafft beziehungsweise ankauft, noch mehr und intensiver darüber nachgedacht werden, ob es überhaupt notwendig ist und in welcher Größenordnung es notwendig ist, denn dann hat man nicht das Problem, dass man es wieder verscherbeln muss.

Wenn man jetzt sagt, man habe eine halbe Milliarde an Einnahmen, dann muss man fairerweise auch zwei Dinge dazusagen: Die halbe Milliarde bekommen wir nicht wirklich – Kollege, ich bin schon fertig, ich halte mich an die Zeitvorgabe –, denn die haben wir eigentlich im Vorfeld schon verbraten, trotzdem ist es beachtlich, dass man so einen alten Schmarren noch um so viel Geld verkaufen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Aspöck. )

23.33

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile dieses.

23.33

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Auch in aller Kürze ein paar Sätze und Anmerkungen zum 2. Abgabenänderungsgesetz.

Es wurde schon von der Häufigkeit der Prüfungen und davon gesprochen, dass nun vier Prüfungen zu einer Prüfung zusammengelegt werden. Das bringt natürlich für alle Betroffenen Vorteile. Es können bei den Prüfungen keine unterschiedlichen Prüfergebnisse mehr herauskommen – unterschiedliche Ergebnisse bei der Prüfung der Sozialversicherung, bei Steuerprüfung oder Gemeindeprüfung sind Geschichte –, es wird mehr Prüfungskapazität frei, was natürlich auch eine höhere Effizienz bei Prüfungen ergibt. Wichtig erscheint mir dabei aber vor


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allem, dass es für die Prüfer, aber auch für die Geprüften mehr Rechtssicherheit geben wird, und zwar deshalb, weil es ein Prüfungsergebnis gibt, das beide Teile akzeptieren werden.

Zweiter Schwerpunkt des Abgabenänderungsgesetzes ist für mich, dass der Umsatzsteuerhinterziehung im Bereich der General- und Subunternehmungen auch ein Riegel vorgeschoben wird. Das ist, so glaube ich, ein richtiger Schritt, damit in diesem Bereich der Steuerhinterziehung quasi Einhalt geboten wird.

Wir werden daher diesem Abgabenänderungsgesetz gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

23.35

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, die Bundesabgabenordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie, das Abgabenverwaltungs-Organisationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (2. Abgabenänderungsgesetz 2002).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

39. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird (Austria Wirtschaftsservice-Gesetz) und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes (Garantiegesetz 1977), das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung (AMFG) und das Bundesfinanzgesetz 2002 (... BFG-Novelle 2002) geändert werden (Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz) (1181 und 1204/NR sowie 6694 und 6736/BR der Beilagen)


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40. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird (714/A und 1205/NR sowie 6737/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 39 und 40 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 39 und 40 hat Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Tagesordnungspunkt 39: Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend das Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz. Der Text liegt Ihnen vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Nun zu Tagesordnungspunkt 40: Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.38

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Ausführungen auf die Regierungsvorlage, welche die Errichtung einer Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung beinhaltet, beschränken.

Zweck dieses Gesetzes ist die Zusammenführung von Institutionen der unternehmensbezogenen Wirtschaftsförderung des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, von deren Aktivitäten unter einem Dach und damit die Schaffung eines bürgerfreundlichen und serviceorientierten Kundencenters beziehungsweise von One-Stop-Shops.

Die unternehmensbezogene Wirtschaftsförderung sowie sonstige Beratungs- und Finanzierungsleistungen des Bundes zur Unterstützung der Wirtschaft und zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sowie zur Standortsicherung sollen inhaltlich verstärkt auf Technologie- und Innovationsförderung ausgerichtet werden. Es ist sicherlich ein Vorteil, wenn sich Wirtschaftsförderungsanlaufstellen jetzt zu einer zusammenfinden. Aber wenn man schon alle Wirtschaftsförderungen zusammenzieht, hätte diese neue Servicestelle auch für die Koordination von EU-Förderungen aus Strukturfondsmitteln zuständig sein können. Das Einsparungs


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potenzial durch diese Zusammenlegungen soll zirka 18 Millionen € betragen und soll letztendlich, so die Argumentation der Regierungsparteien, dem Förderwerber zugute kommen.

Gerade die seitens der KMUs und des Tourismus geäußerten Bedenken, dass sie bei den Förderungen zu kurz kämen, weil vor allem der Tourismus im Gesetz nicht mehr erwähnt wird, scheinen berechtigt zu sein.

Mit dem von allen vier Parteien im Nationalrat eingebrachten Entschließungsantrag betreffend Förderung von klein- und mittelständischen Betrieben soll eine entsprechende Evaluierung stattfinden. Bis Ende 2004 soll es auch eine Berichtsvorlage dazu geben, welche Auswirkungen diese Änderungen bei den Förderungen gerade für die erwähnten Betriebe gebracht haben.

Den wirklich ernst zu nehmenden Bedenken seitens der KMUs und des Tourismus, dass bei den Förderungen eine Vernachlässigung zu Gunsten der Industrie zu befürchten ist, schließen wir uns an. Auf Grund dieser Bedenken können wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.42

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.42

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Debatte im Parlament verfolgt haben, werden Sie auch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs kennen, der sehr eindrucksvoll darauf hingewiesen hat, dass es insbesondere mit der Novelle zum Bankwesengesetz zur Installierung eines Frühwarnsystems kommt, das auch die Fehlentwicklungen rechtzeitig aufzeigen wird, womit ein Beitrag zur Sicherheit der Kunden geleistet wird.

Ich erspare mir jetzt vieles andere, was man hier noch sagen könnte, aber im Hinblick auf die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei darauf hingewiesen, dass es natürlich für Klein- und Mittelbetriebe eine Erleichterung ist, Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und auch eine Kosteneinsparung in der Größenordnung von 18 Millionen € zu erreichen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

23.43

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte, Frau Bundesrätin.

23.43

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Eine grundlegende Reform der unternehmensbezogenen Wirtschaftsförderungsaktivitäten des Bundes bezieht Bürges, ERP-Fonds, AMF und FGG mit ein, und die Tourismusbank wird nun über einen noch abzuschließenden Vertrag an diese neue Gesellschaft angebunden werden können.

Die Ziele der Gesellschaft sollten in erster Linie um die Bereiche Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Klein- und Mittelbetrieben, Sicherung und Schaffung von Beschäftigung, Verbesserung der Innovationskraft und Verbesserung des Zuganges zu neuen Finanzierungsformen erweitert werden. Gerade im letzten Punkt weist Österreich im europäischen Vergleich erhebliche Defizite auf.

Die Tourismusbank sollte nun in diesem Gesetz verankert sein, aber das ist uns leider nicht gelungen. Nun soll es eben eine vertragliche Lösung zwischen der AWS und der Förderungsbank geben. Es muss natürlich sichergestellt werden, dass die Tourismusförderung über die Österreichische Hotel-Treuhand abgewickelt wird, damit jene die Förderung bekommen, die sie auch brauchen, also ein Know-how-Prinzip. Damit ist es auch eine Selbstverständlichkeit, dass das Geld für diese Förderung sichergestellt werden soll.


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Ein Erfolg ist uns sicherlich auch dahin gehend gelungen, dass es in begründeten Fällen keine Bereitstellungsgebühr geben wird. Dem Ansuchen, die Inanspruchnahmefrist von ERP-Krediten für alle sachlich begründeten Fälle ohne Verrechnung von Bereitstellungsgebühren über ein halbes Jahr hinaus zu verlängern, wurde nun Rechnung getragen, und ich freue mich besonders, dass das ein Erfolg des freiheitlichen Vizepräsidenten der Österreichischen Wirtschaftskammer, Matthias Krenn, war.

Es wurde aus dem Wirtschaftsministerium auch zugesichert, dass im ERP-Jahresprogramm 2002/03 in begründeten Fällen der Ausnützungszeitraum ohne Verrechnung einer Bereitstellungsgebühr um bis zu vier Kalenderquartale verlängert werden kann. Diese Regelung gilt auch rückwirkend für alle im letzten Geschäftsjahr genehmigten Tourismuskredite.

Daher glaube ich, dass der Tourismus nicht um seine Förderungen fürchten muss, was für die Tourismusbranche an sich auf Grund der erwarteten Zunahme an Bundesgarantieanfragen im Zuge von Basel II sicher bitter wäre.

Ich bin froh, dass es – so wie im Nationalrat – gelungen ist, einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag zusammenzubringen, um gerade den klein- und mittelständischen Unternehmen und der Tourismuswirtschaft gerecht zu werden. Vor allem muss niedergeschrieben werden, dass zu überprüfen ist, wie es den KMUs und der Tourismusbranche dabei geht. Vergessen wir nicht, es geht um einen Garantierahmen von bis zu 500 Millionen €! Wünschenswert wäre ein fixer Bestandteil für den Tourismus in der Budgetdotierung beispielsweise in der Höhe von 16 bis 17 Prozent entsprechend dem Bruttoinlandsprodukt des Tourismus. Damit würde sich die Mittelverteilung an der Wichtigkeit in der Wirtschaft orientieren.

Ich bedanke mich bei den Kollegen, dass sie sich diesem Entschließungsantrag angeschlossen haben, und erlaube mir, diesen nun einzubringen.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ulrike Haunschmid, Johann Ledolter, Günther Kaltenbacher, Stefan Schennach und Kollegen betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben

Zur Überprüfung, wie sich die Neuordnung der österreichischen Wirtschaftsförderung im Bereich der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe einschließlich der Unternehmen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft bewährt hat, stellen die unterfertigten Bundesräte daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit werden ersucht, spätestens bis zum Ende des Jahres 2004 einen Bericht vorzulegen, in dem insbesondere folgende Punkte evaluiert werden:

Erfahrungen mit der neuen Struktur der AWS,

Mittelstandsfreundlichkeit der AWS,

Zugang von KMU zu Förderinstrumenten und

Abwicklung der Tourismusförderung

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.47


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690. Sitzung / Seite 226

Präsident Ludwig Bieringer:
Der von den Bundesräten Haunschmid, Ledolter, Kaltenbacher und Schennach eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Dann ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird und das Bundesgesetz vom 13. Juni 1962 über die Verwaltung der ERP-Counterpart-Mittel (ERP-Fonds-Gesetz), das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen, das Bundesgesetz betreffend die Erleichterung der Finanzierung von Unternehmungen durch Garantien der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft m.b.H. mit Haftungen des Bundes, das Bundesgesetz über die Errichtung einer Innovationsagentur, das Bundesgesetz betreffend die Arbeitsmarktförderung und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden. Es ist dies das Austria Wirtschaftsservice-Errichtungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Haunschmid, Ledolter, Kaltenbacher und Schennach auf Fassung einer Entschließung betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E/182-BR/2002)

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und das Kartellgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

41. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Religionsunter


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690. Sitzung / Seite 227

richtsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Landesvertragslehrergesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das EU-Beamten-Sozialversicherungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Richterdienstgesetz, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Einsatzzulagengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002) (1182, 709/A und 1260/NR sowie 6687 und 6744/BR der Beilagen

)

42. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird (1261/NR sowie 6688 und 6745/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 41 und 42 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002 und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 41 und 42 hat Herr Bundesrat Mag. Thomas Ram übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Thomas Ram: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport zum Tagesordnungspunkt 41, Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf den Antrag.

Der Ausschuss für öffentliche Leistung und Sport stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zu Tagesordnungspunkt 42: Bericht des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen auch schriftlich vor, daher komme ich gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für öffentliche Leistung und Sport stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Würschl. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.52

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei einem Deregulierungsgesetz im öffentlichen Bereich müsste es eigentlich um Verwaltungsvereinfachungen gehen, also um eine Verwaltungsreform in welchem Umfang auch immer. Es müsste um Effizienzsteigerung in diesem Bereich gehen, und es müsste über die Optimierung der


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690. Sitzung / Seite 228

Aufgabenverteilung im öffentlichen Bereich nachgedacht werden. Ebenso wäre die Frage zu stellen, wo Doppelzuständigkeiten sinnvollerweise abgebaut werden könnten.

Geschätzte Damen und Herren! Mir sind bei dieser Gesetzesmaterie vor allem zwei Bereiche aufgefallen, die mit dem Anspruch auf Deregulierung an und für sich nichts zu tun haben.

Ich erwähne zuerst den Bereich der Verwaltungsakademie. Hier kommt es zur Auflösung beziehungsweise ist der Prozess bereits abgeschlossen. Ich meine, dass eine Verwaltungsakademie zentral auf Bundesebene grundsätzlich eine sehr wertvolle Einrichtung ist. Ich frage mich, was für eine Einsparung erzielt werden soll, wenn nämlich gleichzeitig in den verschiedenen Ministerien Bildungseinrichtungen, Fortbildungsinstitutionen aufgebaut werden sollen. Ich habe nichts dagegen, wenn das parallel dazu in den Ministerien geschieht, aber ich glaube trotzdem, dass eine Verwaltungsakademie – zentral bestehend – wertvolle Dienste leistet.

Ich verweise darauf – und ich nehme an, dass die Zahlen stimmen –, dass von etwa 160 000 Bundesbediensteten immerhin 20 000 Bundesbeamte von dieser Einrichtung Gebrauch gemacht haben. Für mich persönlich ist das durchaus eine sehr akzeptable Zahl, die da aufscheint.

Geschätzte Damen und Herren! Ich nehme aber sehr wohl die Rechnungshofkritik in diesem Bereich ernst. Ich habe da zum Beispiel von überhöhten Kosten gelesen. Ja selbstverständlich – da geht es um Steuergelder – sind diese Kosten auf ein entsprechendes Maß zu reduzieren, damit da keine Verschwendung von Steuergeldern stattfindet.

Oder ich habe auch gelesen – als Lehrer bin ich da sehr empfindlich, weil das eigentlich auch den Kindern gegenüber sehr ungerecht ist –, dass von veralteten Lehrmethoden der Vortragenden die Rede ist. Da frage ich mich, sehr geehrte Damen und Herren, wo hier die Aufsicht bleibt. Diese veralteten Lehrmethoden sind, wenn dafür Geld ausgegeben wird, augenblicklich abzustellen. Es ist menschliches Versagen gegeben, wenn da nicht eingegriffen wird.

Es wird auch kritisiert, dass das Ausbildungsangebot nicht zeitgemäß wäre. Verflixt, da müsste man hergehen und dieses Angebot auf den modernsten Stand bringen. Auch dafür sind wieder Menschen verantwortlich.

Deshalb meine Kritik und meine Vermutung in dieser Angelegenheit: Ich glaube nämlich, dass es den Regierungsparteien um etwas ganz anderes geht. Es geht ihnen nicht darum, eine Bildungseinrichtung zu optimieren, was ihre Aufgabe wäre, sondern in dieser Frage geht es ihnen offensichtlich darum, eine öffentliche Einrichtung zu zerschlagen und ihren Parteifreunden, Günstlingen oder was auch immer gewisse Aufgaben zuzuschanzen, sei das im Wifi oder in privaten Organisationen. Mir fällt vor allem auf, dass das Wifi sehr stark von ihnen bedient wird. Also dort, wo ÖVPler herumlaufen, wird ein Geschäft zugeschanzt.

Was mich auch stört, ist, dass gewisse persönliche Freiheiten eingeengt werden. Ich meine, dass den Bundesbeamten das subjektive Ausbildungsrecht genommen wird. Das passt mir überhaupt nicht, dass da mit der Methode gearbeitet wird, den Beamten irgendetwas vorzuschreiben.

Letzter Punkt, der mir aufgefallen ist und mich sehr stört – ich bin neugierig, wie sich jetzt zum Beispiel unser Kollege Schöls als Spitzengewerkschafter bei dieser Gesetzesmaterie verhalten wird; er zieht den Rock an; ich nehme an, er wird den Saal dann bei der Abstimmung verlassen, aber ich bitte ihn als Gewerkschafter, hier auch seine gewerkschaftlichen Aufgaben wahrzunehmen –, betrifft das Bundes-Personalvertretungsgesetz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da kommt es zu einer Einschränkung. Sie wollen Personalvertretungswahlen, die fällig sind, weil es Umstrukturierungen gibt, verhindern. Ich bin als Gewerkschafter immer davon ausgegangen, dass Personalvertretungsorgane legitimiert sein müssen, auf dem letzten Stand sein müssen, und ich lehne es massiv ab, dass Dienstgeber die


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690. Sitzung / Seite 229

Rechte der Dienstnehmer einfach schmälern oder gar beseitigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ein Skandal!)

23.57

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Deswegen hat er sich das Jackett angezogen; also nicht, um den Saal zu verlassen, sondern um zu sprechen. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.57

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Kollegen Würschl zwei Freuden nicht machen: Erstens werde ich den Saal nicht verlassen, zweitens kann ich es ihm nicht ersparen, ihm in Erinnerung zu rufen – denn das ist anscheinend der blinde Fleck bei manchen sozialdemokratischen Gewerkschaftern im Bereich des öffentlichen Dienstes, was das Personalvertretungsgesetz betrifft –, dass das Bundes-Personalvertretungsgesetz im Jahr 1968 unter der Regierung Klaus gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Mandatare in beiden Kammern dieses Hauses beschlossen worden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Sag nicht nein, es ist so! Es war ein Beschluss der ÖVP-Alleinregierung gegen die Opposition der Sozialdemokraten.

Der Standort bestimmt anscheinend immer den Standpunkt. Ihr habt überhaupt immer ein gestörtes Verhältnis zur Personalvertretung, zu den Organen der Personalvertretung im öffentlichen Dienst gehabt. Es war nicht möglich, in der Zeit, in der wir gemeinsam in der Koalition waren, qualitative Verbesserungen des Personalvertretungsgesetzes in organisatorischen Fragen durchzusetzen.

Ich lade Kollegen Würschl und alle, die es nicht glauben, ein, sich der Mühe zu unterziehen – es muss nicht heute sein –, das einmal zu studieren. (Bundesrätin Mag. Trunk: Vorschreiben lassen wir uns das nicht!) Die Parlamentsbibliothek steht dafür sicher auch zur Verfügung. Es waren immer sozialistische Minister – das ist nicht zum Lachen, sondern das ist leider Gottes traurig –, die dagegen waren, dass qualifizierte Verbesserungen im Bundes-Personalvertretungsgesetz durchgeführt wurden.

Wir bekennen uns dazu, dass es nicht notwendig ist, jetzt Neuwahlen durchzuführen. Es hat vor zwei Jahren Bundes-Personalvertretungswahlen gegeben. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind gegeben, dass auch in zusammengelegten Dienststellen funktionierende, rechtlich abgesicherte Personalvertretungen bestehen.

Daher besteht weder ein Anlass dafür, dass ich den Saal verlasse, noch dafür, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

24.00

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. – Bitte, Frau Bundesrätin.

0.00

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Mit den gegenständlichen Beschlüssen des Nationalrates werden – wie vorher auch teilweise sehr emotional vorgetragen – eine ganze Reihe von Bestimmungen im Dienst- und Besoldungsrecht der öffentlich Bediensteten geändert. Unter anderem geht es dabei auch darum, dass eine gewisse Verwaltungsakademie aufgelöst wird – eine Verwaltungsakademie, die neben vielen anderen Aufgabenstellungen und -bereichen auch für die psychosoziale Betreuung in Situationen wie Mobbing und sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich des öffentlichen Dienstes zuständig war. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tagesordnungspunkt ist für mich und die sozialdemokratische Fraktion Anlass dafür, Ihnen erstens die Ihnen so unangenehmen dringlichen Anfragen zu ersparen und zweitens einen Entschließungsantrag, den ich später verlesen werde, einzubringen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 230

Es wurde vor mittlerweile schon geraumer Zeit der Fall von zwei Mitarbeiterinnen des Grazer Magistrates bekannt, die von ihrem Vorgesetzten, einem FPÖ-Stadtrat, mehrfach und gröblich sexuell belästigt wurden. Ob bei dieser Form der Belästigung das Strafrecht verletzt wurde, wird derzeit von der zuständigen Staatsanwaltschaft überprüft. Naturgemäß sind solche Vorkommnisse auch Gegenstand des Disziplinarrechts.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Neben den beiden betroffenen bediensteten Frauen hat natürlich auch der Täter davon gewusst, aber angeblich – ich werde mir später erlauben, ein Zitat zu bringen – haben überhaupt alle davon gewusst. – Dazu gehört auch die derzeitige Staatssekretärin Mares Rossmann, ein Mitglied dieser Bundesregierung.

Frau Staatssekretärin Rossmann hat – und zwar in absolut unverantwortlicher Weise – selbst zugegeben, dass sie von diesen beiden Frauen kontaktiert wurde, dass sie von ihnen nach einer langen Zeit des schweren, gröblichen sexuellen Missbrauchs und der Übergriffe des FPÖ-Stadtrates über diese Sache informiert wurde und dass ihr als zuständiger Politikerin – damals in anderer Funktion – zu diesen groben und schweren Menschenrechtsverletzungen nichts anderes eingefallen ist, als zu ihrem damaligen Parteivorsitzenden zu gehen, einen Aktenvermerk anzulegen und die Sache ad acta zu legen.

Kollegin Rossmann hat sich, nachdem der Fall öffentlich wurde, unter anderem mit folgender Aussage verteidigt:

"Ich konnte daher auch nichts unternehmen. Ich war nicht in der verantwortlichen Position, um weitere Schritte zu setzen. Außerdem bitte, es haben damals ja alle gewusst." (Bundesrat Gasteiger: Sauber!)

Ich kann voraussetzen, dass die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen informiert ist und durch diese knappe und kurze Darstellung meinerseits genügend Information bekommen hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Versetzen wir Opfer und Täter in eine andere Situation (Bundesrätin Haunschmid: So wie in Oberösterreich bei Hufnagl! – Bundesrat Dr. Nittmann: Causa Hufnagl!): Wie würden Sie handeln, wie würden Sie politisch argumentieren, wenn Sie in Erfahrung bringen, dass eine Abgeordnete, ein Abgeordneter bei der Fahrt von x nach y an jemandem, der verletzt auf der Straße liegt, vorbeifährt, ohne Hilfe zu leisten oder zumindest Hilfe herbeizurufen? (Bundesrätin Haunschmid: Jetzt wissen wir es wenigstens! Wir haben das erlebt, bei der Causa Hufnagl!) Das ist vergleichbar, wenngleich das erste Delikt noch schwer wiegender ist. (Bundesrätin Haunschmid: Frau Kollegin Kainz hat berichtet, wie er gefragt worden ist! Hesoun! – Bundesrat Dr. Nittmann: Hesoun!)

Das heißt, man oder frau muss nicht erst Politiker oder Politikerin sein, um solche schweren und groben Menschenrechts- und Gesetzesverletzungen entsprechend zu beantworten, nämlich sich der Verantwortung als Staatsbürger bewusst zu werden. (Bundesrätin Haunschmid: Frau Kollegin Kainz kann Ihnen das berichten! Hufnagl in Oberösterreich ) – Ich gebe Ihnen Zeit für Ihre Zwischenrufe. (Bundesrätin Haunschmid: Die Deckung der SPÖ!) – Bitte, Kollegin Haunschmid? (Bundesrätin Haunschmid: Die Deckung der SPÖ in Oberösterreich!)  – Ich würde Ihnen vorschlagen, kommen Sie zum Rednerpult und decken Sie diesen oberösterreichischen Fall auf, gut? – Danke schön. (Bundesrätin Haunschmid: Das werde ich auch machen! Ganz kurz! Sie erzählen den oberösterreichischen Fall Hufnagl!)  – Es handelt sich hier offensichtlich um Kollegin Rossmann. Ich habe keine Lust, nicht nur zu dieser Stunde, sondern auch nicht in der Früh, auf Ihre ziemlich schwer nachvollziehbaren Zwischenrufe einzugehen. (Bundesrätin Haunschmid: Man kann nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt!) – Kommen Sie bitte ans Rednerpult und argumentieren Sie hier!

Es geht darum, dass nicht allein die Politikerin, sondern auch die Staatbürgerin Mares Rossmann zum damaligen Zeitpunkt gewusst hat, was ihre Pflicht ist, was die Pflicht jedes Menschen ist. Wenn es zu solch groben Verletzungen kommt, dann hat man entsprechende Schritte zu setzen. (Bundesrätin Haunschmid: Das hätten wir auch geglaubt!)


Bundesrat
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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass Kollegin Rossmann allerdings in ihrer Partei offensichtlich nicht die Einzige ist, die ein etwas gestörtes Verhältnis zu entsprechenden Handlungsweisen nach solchen Vorfällen an den Tag legt (Bundesrätin Haunschmid: Das ist eine Frechheit!), beweist in der Tat eine Aussage der Abgeordneten Partik-Pablé, als damals im Nationalrat der Tatbestand der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz mit richtigen und dementsprechenden Gesetzen beantwortet wurde. Ich zitiere, was Frau Partik-Pablé als Nationalratsabgeordnete damals dazu gesagt hat:

"Dohnal und die Frauen, die die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als eines der Hauptthemen der Frauen betrachten, machen sich dadurch nur lächerlich."

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen – auch Frau Kollegin Haunschmid! Solche Vorfälle sind nicht lächerlich. Solche Vorfälle verlangen Konsequenzen. (Bundesrätin Haunschmid: Das war aber auch nicht lächerlich damals in Oberösterreich, mit einem SPÖ-Bürgermeister!) In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der Vorfall ... (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Das Thema ist die Verwaltung und ihre Reformierung!)  – Genau darum geht es! (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Es ist traurig, aber es ist der Zusammenhang nicht da!) – Frau Kollegin Wintermann versteht es noch nicht, daher muss ich Ihre Zeit doch noch etwas in Anspruch nehmen und etwas weiter ausholen. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Laut Medienberichten wollten zwei junge Frauen, dass "es" – und das ist ein Beweis für die Sprachlosigkeit der Opfer – endlich aufhört. Deshalb wollten sie, dass diese Affäre dokumentiert wird. Sie fühlten sich jahrelang von ihrem Chef, dem damaligen Grazer FPÖ-Stadtrat Ferdinand Spielberger, massiv sexuell belästigt. Es begann mit Fotospielen, und es endete – laut Angaben der Frauen – mit Handgreiflichkeiten. Wenn sie sich wehrten, habe sie der Politiker unter Druck gesetzt – mit ordinärem Ton und zynisch. Einmal, so eine Zeugin, habe er sich beißend genähert. Sie habe sich mit Gewalt losgerissen und fluchtartig den Raum verlassen. – Die Dokumentation der Vorfälle lasse ich Ihnen natürlich gerne zukommen, auch in Form der Begründung dieses Entschließungsantrages.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Für die sozialdemokratische Fraktion sind und müssen diese Vorfälle Anlass dafür sein, dass wir einen Entschließungsantrag einbringen. (Bundesrat Dr. Maier: Was hat denn der Stingl gemacht in der Frage?)

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal

Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport wird auch im Hinblick auf die generalpräventive Wirkung ersucht, einen Bericht über sexuelle Übergriffe und Belästigungen und deren Verfolgung im Bereich des öffentlichen Dienstes zu erstellen.

Sie wird weiters ersucht, mit den Ländern und Gemeinden in Verbindung zu treten, um auch die Situation der Landes- und Gemeindebediensteten im Hinblick auf sexuelle Übergriffe und Belästigungen in diesen Bericht aufzunehmen.

Schließlich wird der Bundeskanzler ersucht, zu überprüfen, ob Staatssekretärin Rossmann im Hinblick auf diese Vorwürfe für ihn und gemäß den Grundsätzen seiner politischen Verantwortung in ihrer Funktion noch tragbar ist. Sollte der Bundeskanzler bei der Überprüfung auf dasselbe Ergebnis wie die Antragsteller kommen, wird der Bundeskanzler aufgefordert, dem Bundespräsidenten umgehend die Entlassung von Staatssekretärin Rossmann vorzuschlagen.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

0.10


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 232

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Der von den Bundesräten Mag. Trunk, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte.

0.10

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Den Ausführungen der Frau Bundesrätin Melitta Trunk möchte ich aus meiner Sicht als Bundesminister für Frauenangelegenheiten Folgendes hinzufügen: Sehr geehrte Frau Kollegin Trunk! Für mich als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, der auch für die Gleichbehandlungskommission in Graz zuständig ist, war es überhaupt keine Frage, sofort, nachdem ich über die Medien von der Affäre erfahren hatte, den beiden vermutlich Belästigten – "vermutlich", weil bis zum Abschluss eines Rechtsverfahrens schlussendlich die Unschuldsvermutung zu gelten hat – über die Gleichbehandlungskommission in Graz von Seiten meiner Behörde einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen.

Bezüglich der Zitate zu den damals behaupteten Vorkommnissen im Magistrat Graz, die Sie zu unserer Information vorgetragen haben, darf ich Ihnen ganz klar sagen, dass Frau Staatssekretärin Rossmann in ihrer damaligen Funktion im Magistrat Graz meines Wissens beide Damen sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe in ihr Büro aufgenommen hat, um sie dem direkten Bereich der Belästigungen, die behauptet wurden, zu entziehen. Sie hat ihnen den bestmöglichen Schutz, den sie in ihrer damaligen Funktion gewährleisten konnte, gegeben.

Wer in dieser Sache tatsächlich schuldhaft gehandelt hat, und wie, werden die österreichischen Strafbehörden, so wie es das österreichische Gesetz vorsieht, feststellen. Es gilt daher für mich – und ich hoffe auch für alle anderen – bis zu einer entsprechenden gerichtlichen Verurteilung die Unschuldsvermutung.

Da Sie in Ihren Antrag auch den Bericht über die Gemeinde- und die Landesbediensteten miteingeschlossen haben, darf ich erwähnen, dass meine Haltung als verantwortlicher Minister, wie ich glaube – ohne mich selbst loben zu wollen –, nachvollziehbar ist und dass ich zumindest umfassender und schneller reagiert habe als meine Vorgängerin Prammer in Zusammenhang mit behaupteten Übergriffen, die schlussendlich zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt haben. – Ich spreche von den Vorkommnissen, von denen Frauen in der Gemeinde Windischgarsten betroffen waren. Ich sage das wertfrei und klar.

Ich meine daher, dass es für einen Entschließungsantrag an die Frau Bundesministerin und Vizekanzlerin in diesem Zusammenhang eigentlich keinen Anlass gibt, denn wenn die Bundesminister für Soziales, Generationen und Frauenangelegenheiten – in welcher Form das auch immer nach dem Ministeriengesetz zusammengehört – ihre Aufgabe ordnungsgemäß wahrnehmen, kann solch ein Fall keine Angelegenheit der parteipolitischen Zugehörigkeit eines behaupteten Täters sein, sondern es geht ausschließlich darum, jenen, die sich belästigt fühlen, entsprechende Hilfestellung zu geben.

Frau Kollegin Trunk! Als jemand, der eine Institution für Frauen in solchen Situationen in Klagenfurt leitet, wissen gerade Sie, dass Frauen aus Rücksicht auf das eigene Umfeld und auch aus Angst vor ihrer eigenen Stigmatisierung und davor, in der eigenen Umgebung als Opfer noch ein zweites Mal stigmatisiert zu werden, sehr oft sehr lange schweigen und leider oft in der frühen Phase des Bekanntwerdens solcher Vorkommnisse Details nur teilweise oder unvollständig bekannt geben. Erst, wenn die Zeit reif geworden ist, sich mit diesen negativen Erfahrungen zu befassen, und wenn auch kompetente Hilfe angeboten wird, kommt der Zeitpunkt, an dem diese Ereignisse aufgearbeitet und umfassend Einzelheiten bekannt gegeben werden. – Das passiert oft erst nach Jahren, oder, wenn es sich um sexuelle Übergriffe gegenüber Kindern handelt, manchmal erst nach Jahrzehnten. Erst dann wird auch der Täterkreis bekannt und kann einer Erhebung, einer Rechtsverfolgung und einer Verurteilung zugeführt werden.


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Sehr geehrte Frau Bundesrätin Trunk! Ich glaube daher, dass ein Frauenminister, der seine Aufgaben wahrnimmt, und auch eine Ministerin, die ihre Aufgaben wahrnimmt, keinen Entschließungsantrag brauchen, sondern dass wir mit dem derzeitigen Instrumentarium an möglichen Hilfestellungen durchaus in der Lage sind, wenn uns solche Sachzusammenhänge berichtet werden oder wenn uns aus unseren vorgelagerten Institutionen solche Vorfälle zu Ohren kommen, einen entsprechenden Opferschutz zu bieten, der eine richtige und wichtige Angelegenheit ist.

Ich denke auch, dass wir uns gemeinsam mit den Kriseninterventionszentren, mit dem Herrn Justizminister und dem Herrn Innenminister intensiv mit dem Problem beschäftigt haben und dass durch die langfristige Absicherung auf nunmehr über fünf Jahre im Rahmen dieser Bundesregierung eine wichtige Weichenstellung im Opferschutzbereich getätigt wurde. Dies geschah schon zuvor und wurde nicht erst durch die Pressemeldungen im Zusammenhang mit den Vorkommnissen in Graz ausgelöst – mit den behaupteten Vorkommnissen in Graz. – Ich weiß auch nicht, was sich schlussendlich als Wahrheit herausstellen wird.

Ich meine aber, dass wir in unserer Gesellschaft alles daransetzen sollten, die vieldiskutierte große Bandbreite wahrzunehmen, die beim Witz beginnt und beim tatsächlichen Übergriff in die sexuelle Intimsphäre mit Gewaltanwendung und bei der oftmals doppelten oder sogar dreifachen Stigmatisierung des Opfers endet, und dass wir mit der nötigen Sensibilität und der gebotenen Fairness den Opfern gegenüber an diese Angelegenheit herangehen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Alles andere ist, wie ich meine, nicht geeignet, um eine langfristige Hilfestellung für die Opfer zu gewährleisten, denn Wahlgänge sind rasch erledigt, die Sorgen der Opfer bleiben jedoch da, und die Aufarbeitung ihrer Traumatisierungen dauert oft Jahrzehnte. Ich habe es leider in meiner politischen Vergangenheit allzu oft erlebt, dass solche Themen zunächst im Vorfeld des Wahlkampfes aufgegriffen und hochgespielt wurden, dass die Betroffenen aber nach den entsprechenden Wahlentscheidungen mit ihren Sorgen, ihren Bemühungen, ihrem zerstörten Familienverband und ihren zerstörten Persönlichkeiten alleine gelassen wurden. Ich hoffe nicht, dass dieser Fall ähnlich endet, wie ich es während meiner politischen Tätigkeit bei manch anderen Fällen leider erlebt habe.

Ich möchte aber auch zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Würschl Stellung nehmen. Herr Kollege Würschl! Sie wissen selbstverständlich, dass nicht nur im Bundeskanzleramt und im Amt der Frau Vizekanzlerin mehrere Personalvertretungen gemeinsam am Wirken sind. Auch in meinem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gibt es drei Personalvertretungen, die bis zum Jahre 2005 in Funktion sind.

Da unter der alten Präsidialabteilung manchmal ein Gegensatz zwischen den drei Personalvertretungen zu Tage getreten ist, habe ich die Anweisung gegeben, für alle sämtliche Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer meines Hauses betreffenden Angelegenheiten jeweils alle drei Personalvertretungen gemeinsam einzuberufen.

Seit damals hat es keine Neuwahlen gegeben, der Zusammenhalt zwischen den Personalvertretungen ist gut, und das Wirken in meinem Hause passiert friedlich und einvernehmlich, wie wir es schlussendlich auch bei der gemeinsamen Verabschiedung des Ausgliederungsvorhabens der Bundessozialämter im Nationalrat vorgesehen haben. Zumindest manche der Personalvertreter bestätigten mir gegenüber im persönlichen Kreis, dass bis dato alles ohne nennenswerte soziale Härten über die Bühne gegangen ist.

Ich denke daher, man sollte nicht alles kritisieren. Die Rechnungshofberichte und die dort enthaltene Kritik ist ja vom Kollegen Würschl selbst anerkannt worden, aber auch Kollege Würschl wird mir wohl darin Recht geben, dass angesichts einer Institution für 160 000 Beamte, die lediglich von 20 000 Beamten in Anspruch genommen werden konnte, nicht von einer Verschlechterung für alle Beamten gesprochen werden kann.


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In meinem Bereiche und auch in anderen Bereichen sind wir durchaus dazu übergegangen, dass es neben der Fortbildung im eigenen Haus für jene 140 000 Beamte, die nicht in den zentralen Fortbildungseinrichtungen eine weitere Schulung und Fortbildung erfahren und damit auch die Möglichkeiten der weiteren Aufstiegskarriere im Bundesdienst bekommen haben, in Zukunft auch Joint Ventures mit Fachhochschulen in diesem Bereich geben wird, damit eine kompatible und moderne Ausbildung ermöglicht werden kann, sodass die neuen Mitarbeiter, die Vertragsbedienstete sind, nicht nur im Bundesdienst, sondern auch bei lukrativen Angeboten außerhalb des Bundesdienstes gleiche Chancen haben wie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, die die Fortbildungschancen der Fachhochschulen und anderer Institutionen außerhalb des Bundesdienstes annehmen.

Ich denke daher, dass das vorliegende Gesetz in dieser Form wohl durchdacht ist und dass es auch im Rahmen der Neuordnung des Bundesdienstes den zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusätzliche Chancen nicht nur im Bundesdienst, sondern auch bei Bewerbungen außerhalb des Bundesdienstes geben wird. – Das halte ich für gut so. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

0.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Nittmann. – Bitte.

0.20

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag, den Frau Kollegin Trunk referiert hat, behandelt sicher eine sehr ernste Angelegenheit. Ich muss allerdings ehrlich zugeben, dass ich den Zusammenhang zwischen dem Sexskandal in Graz und dem Deregulierungspaket, das wir jetzt besprechen, nicht erkennen kann.

Da über dieses Paket bisher wenig gesprochen wurde, möchte ich das nachholen. Ziel des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates ist die Beseitigung nicht erforderlicher Mitwirkungsbefugnisse des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport in Angelegenheiten anderer Ressorts, die Aufhebung einer großen Anzahl von Verordnungen und Gesetzen, die obsolet geworden sind, und eine stärkere Ausrichtung der gesamten dienstlichen Aus- und Weiterbildung am konkreten Bedarf des Ressorts.

Die Ausbildung im Bundesdienst, aber auch deren Organisation sind seit langem reformbedürftig. Es gibt mittlerweile seit zehn Jahren Reformbestrebungen, die eigentlich alle zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt haben. Insbesondere die Grundausbildung für den allgemeinen Verwaltungsdienst orientiert sich derzeit ungenügend am Bedarf und an strategischen Zielen der Verwaltung.

Im Mittelpunkt des Deregulierungsgesetzes 2002 steht daher die Schaffung neuer Voraussetzungen für die Ausbildung im Bundesdienst.

Ich darf folgende Säulen der Reform hervorheben:

Erste Säule: Die Grundausbildung orientiert sich an den konkreten Bedürfnissen des Ausbildungsbereiches, also der einzelnen Dienststellen.

Zweite Säule: Die verantwortlichen Personalentwickler und die unmittelbaren Vorgesetzten werden beauftragt, den erforderlichen Ausbildungsbedarf der Bediensteten zu ermitteln. Hierzu sind auch Mitarbeitergespräche zu führen.

Dritte Säule: Arten der dienstlichen Ausbildung sind nicht nur die Grundausbildung, sondern auch ein Management-Training und die Mitarbeiterqualifizierung.

Vierte Säule: Die Einheitsgrundausbildung des allgemeinen Verwaltungsdienstes hat sich nicht bewährt. Schon 1990 kritisierte das Bundeskanzleramt, dass die tatsächlichen Dienstan


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forderungen nicht ausreichend in die Grundausbildung einfließen und die Grundausbildung wegen ihrer undifferenzierten Wissensvermittlung zu wenig effizient sei. Die inhaltliche Gestaltung sowie die organisatorische Bereitstellung der Grundausbildung sollen daher grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der einzelnen Ressorts fallen und sich an den dortigen Anforderungen orientieren. Schon jetzt führen die Bundesministerien für Finanzen, für Inneres, für Landesverteidigung sowie für soziale Sicherheit und Generationen vor, wie es geht. Die Grundausbildung für jene Ressorts, die über keine geeigneten Grundausbildungseinrichtungen verfügen, wird auch weiterhin vom Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport bereitgestellt.

Fünfte Säule: Die Dienstprüfung kann künftig auch in Form von Teilprüfungen abgelegt werden. Das bedeutet eine besondere Erleichterung für alle Dienstnehmer. Grundausbildungslehrgänge können solcherart im Modulsystem durchgeführt werden.

Sechste Säule: Den Dienstbehörden wird aufgetragen, allen Mitarbeitern die erforderliche Weiterbildung zu ermöglichen.

Siebente Säule: Dem Management-Training wird besonderes Augenmerk geschenkt. Dieser wesentliche Teil des Bildungsangebotes soll von Seiten des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport bereitgestellt werden. Dabei soll vom praxisorientierten Ausbildungssystem der Fachhochschulen, aber auch von postgradualen Ausbildungen Gebrauch gemacht werden.

Achte Säule: Die Verwaltungsakademie wird in ihrer derzeitigen Form nicht weiterbestehen. Hier folgt die Vorlage einer Empfehlung der Aufgabenreformkommission, die sich für die Auflösung der Akademie ausgesprochen hat. Diese Empfehlung korrespondiert auch mit der Kritik des Rechnungshofes, der hier schwere strategische und organisatorische Mängel anlastet. – Herr Kollege Würschl hat es angeschnitten: Die Rede ist von überhöhten Kosten, veralteten Lehrmethoden, einem Ausbildungsangebot, das am Bedarf vorbeigeht und so weiter.

Bereits 1990 hat das Bundeskanzleramt die undifferenzierte Wissensvermittlung und die veralteten Lehrmethoden gerügt. Es ist also zwölf Jahre lang nichts geschehen, um das zu beheben.

Was man vielleicht auch sagen sollte – das ist bisher nicht passiert –: Die Auslastung der Seminarräume an den drei Standorten Schloss Laudon, Geblergasse und Judenplatz liegt gerade einmal bei 40 Prozent.

Ein besonderes Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfes ist die Gleichstellung beim Frühpensionsalter. Bei der Post, bei der Telekom und bei den ÖBB ist das Frühpensionsalter in den letzten Monaten stark gesunken. Das Pensionsantrittsalter hat sich von durchschnittlich 57,6 Jahren bei allen Unternehmen im Jahr 1999 auf 53,5 bei der Österreichischen Post, 54,3 bei der Telekom Austria und 56,9 bei der Postbus AG reduziert. Im Jahr 2002 ist es noch weiter gesunken: bei der Post – man höre und staune, man glaubt es kaum – auf 48,2 Jahre und bei der Telekom auf 51 Jahre.

Dieser Entwicklung soll nun ein Riegel vorgeschoben werden. Für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit der Beamten, die der Post, der Telekom AG und den ÖBB zugewiesen sind, wird künftig die Pensionsversicherungsanstalt zuständig sein. Damit ist gewährleistet, dass eine unabhängige Stelle und nicht nur unternehmenseigene Betriebsärzte Gutachten für krankheitsbedingte Ruhestandversetzungen erstellen. Auch das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung aller Arbeitnehmer, ganz gleich, ob sie in der Privatwirtschaft arbeiten oder im öffentlichen Bereich.

Schließlich untersuchen schon heute Ärzte der Pensionsversicherungsanstalt die unselbständig Erwerbstätigen, die in die Berufsunfähigkeitspension oder in die Invaliditätspension gehen wollen. Es geht ja nicht nur um einen Finanzierungsaspekt, um die Finanzierung des Sozialsystems, es geht hier auch schlicht und einfach um Gerechtigkeit – Gerechtigkeit für die Arbeitnehmer, die nicht bei der Post, der Telekom oder den ÖBB beschäftigt sind. Darüber hinaus werden auch deren eigene Dienstnehmer geschützt, denn in jüngster Vergangenheit


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sind manche von ihnen eher unfreiwillig in Pension geschickt worden und müssen deshalb lebenslange Pensionskürzungen in der Höhe von bis zu 18 Prozent in Kauf nehmen.

Das vorliegende Gesetz schafft aber auch die Möglichkeit, dass auch Bundesbedienstete genauso wie unselbständig Erwerbstätige in der Privatwirtschaft das Recht auf Familienhospiz in Anspruch nehmen können. Zudem wird der Ring derer, die einander betreuen können, jetzt auch auf Geschwister sowie auf Schwiegereltern und Kinder ausgedehnt.

Ich freue mich, dass wir wenigstens zu den letzten beiden Punkten die Zustimmung der ÖVP haben, wenn ich richtig informiert bin. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

0.27

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen. Bei Amtsantritt hat die Frau Vizekanzlerin erklärt, es gebe im öffentlichen Dienst um 15 000 Mitarbeiter zu viel. Daher sind auf Regierungsauftrag bei ÖBB, Post und Telekom Pensionierungen vorgenommen worden.

Ich bin Mitarbeiter der ÖBB, und in den letzten Jahren hat sich unser Personalstand von zirka 56 000 auf derzeit 49 000 Mitarbeiter reduziert. Nach den letzten Meldungen haben wir noch immer um 7 000 Mitarbeiter zu viel.

Nachdem diese Pensionierungen durch das angestrebte Nulldefizit nicht mehr finanzierbar sind, hat der Herr Finanzminister natürlich einen Aufschrei getan. Jetzt dürfen wir von unseren eigenen Anstaltsärzten nicht mehr untersucht werden. Wir müssen zur PVA gehen, und diese Pensionierungen wird der Herr Finanzminister unterschreiben. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass die Ärzte der ÖBB keine Gefälligkeitsgutachten ausgestellt haben. Dieser Gesetzesantrag ist ein Misstrauensantrag gegen unsere eigenen Ärzte.

Einerseits werden wir nach Hause geschickt, andererseits dürfen wir von unseren eigenen Ärzten nicht mehr untersucht werden. Ich befürchte, da geht es nur um die Zerschlagung von ÖBB, Post und Telekom. Bei der Affäre Gaugg hat die FPÖ jedoch nicht die geringsten Bedenken. Diesem Antrag können wir unsere Zustimmung sicherlich nicht geben. (Beifall bei der SPÖ.)

0.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. – Bitte.

0.29

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zum Entschließungsantrag der Kollegin Trunk, die jetzt nicht mehr im Saal ist: Mich würde schon interessieren, inwieweit hier auch aus der Sicht der Geschäftsordnung Entschließungsanträge eingebracht werden können, die meines Erachtens mit dem Verhandlungsgegenstand selbst nichts zu tun haben. Es geht mir gar nicht um die Causa an und für sich, sondern darum, ob diese Möglichkeit nach § 43 der Geschäftsordnung überhaupt gegeben ist.

Meines Wissens müssen sich Entschließungsanträge auf einen Gegenstand beziehen, der Sache der Bundesvollziehung ist. Gemäß den Erläuterungen von Frau Kollegin Trunk bezieht sich dieser Entschließungsantrag jedoch auch auf Mitarbeiter in einem Magistrat. Das zeigt, dass der Inhalt nicht auf Bundesbedienstete bezogen ist.

Zum Zweiten müssen Entschließungsanträge auch in inhaltlichem Zusammenhang mit dem Gegenstand der Verhandlung stehen. Es stellt sich wirklich die Frage, ob das hier der Fall ist. Sonst könnte ja einfach jedes Thema behandelt werden kann. Das heißt nicht, dass das Thema nicht wichtig ist; selbstverständlich ist es das. Es stellt sich aber die Frage: Sollen wir im Bun


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desrat über alles sprechen können? – Dann muss das aber auch für alle anderen Bundesräte gelten, und auch ich werde mich in Zukunft entsprechend vorbereiten und Entschließungsanträge zu unterschiedlichen Themen einbringen. Oder legen wir die entsprechenden Paragraphen der Geschäftsordnung eng aus? – Dann muss das aber auch für alle gelten.

Ich hoffe, dass ich von den zuständigen Juristen beziehungsweise von Herrn Dr. Labuda Auskunft und eine entsprechende Antwort bekommen werde.

Zur sexuellen Belästigung möchte ich nur mehr ein paar Sätze sagen, weil ich glaube, dass sich der Herr Bundesminister dazu sehr richtig und sehr sensibel geäußert hat. Das zeigt im Übrigen, dass er ein Frauenminister ist, der mit sehr viel Verständnis und Sensibilität die Probleme der Frauen, der Jugendlichen, der Mädchen und natürlich auch der Menschen, denen es besonders schlecht geht, nämlich der Behinderten, erkannt hat. Ich halte es für ganz wesentlich, dass wir einen Frauenminister haben, der diese Feinfühligkeit besitzt.

Der Herr Minister hat es zwar schon gesagt, aber ich muss es unterstreichen: Es ist immerhin so, dass für diese Menschen die Unschuldsvermutung gilt, auch wenn es in Graz einen Skandal gegeben haben soll, den ich nicht beurteilen kann. Es ist für mich schon wichtig, dass wir die Unschuldsvermutung in jedem Fall anwenden. Wir leben in einem Rechtsstaat und haben eine Rechtsordnung. – Ich weiß nicht, ist das jetzt Thema? (Die Rednerin wendet sich zu Bundesrätin Mag. Trunk um, die beim Präsidium steht und sich mit Vizepräsidentin Haselbach unterhält.) – Gut, dann kann ich wieder weiterreden. Ich meine, dass die Unschuldsvermutung für jeden gelten sollte.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen und einmal als Frage formulieren. Bei allem Verständnis für die Problematik der sexuellen Belästigung und die Schwierigkeiten, die die Opfer damit haben, darf die Frage gestellt werden: Wie kommt es zu Stande, dass man dieses Thema nach drei Jahren offensichtlich an die Öffentlichkeit bringen will, aber vorher nicht? – Ich gebe keine Antwort darauf, aber ich darf diese Frage stellen.

Jetzt möchte ich zum eigentlichen Thema kommen, und zwar zur Deregulierung im Bereich der Verwaltung. Hiezu hat mein Vorredner auch schon sehr viel gesagt. Ich werde mich kurz fassen, weil wir in der Zeit schon weit fortgeschritten sind, aber es ist für mich einfach wichtig, dass wir jetzt mittels dieses Gesetzes Deregulierungen vornehmen werden.

Ich halte das deshalb für wichtig, weil es sich dabei um eine freiwillige Machtrücknahme, einen freiwilligen Machtverzicht der Bundesministerin handelt. Das soll auch einmal deutlich ausgesprochen werden, denn immerhin verzichtet die Bundesministerin in diesem Gesetzesvorschlag auf das zusätzliche Unterschreiben unzähliger Gesetzesvorlagen, überlässt die Entscheidungen den jeweils zuständigen Ressorts selbst und meint, es braucht nicht auch noch die Bundesministerin für Sport und öffentliche Leistung eingebunden zu werden.

Ich halte das für sehr wichtig und bin der Ansicht, dass weniger eben mehr ist. Dies gilt auch, wenn jetzt einige Gesetze, die teilweise tatsächlich veraltet waren oder nicht mehr angewandt wurden, als obsolet erklärt und einfach ausgelöscht werden.

Zur Ausbildung von Bundesbediensteten ist schon zu sagen, dass die Personalentwicklung und die Stärkung der Verwaltung wohl ein wesentliches Ziel von uns allen ist. Die Frage ist halt immer, wie man glaubt, dieses Ziel bestmöglich erreichen zu können.

Ich bin der Ansicht, dass auch die Verwaltungsakademie teilweise durchaus positiv gearbeitet hat, aber sie hat offenbar die Trends der heutigen Zeit nicht mehr erkennen können oder zumindest die Antworten darauf nicht mehr in der Form gefunden, wie sie eigentlich notwendig gewesen wären.

Ich erwähne hier nur die Management-Seminare, die für Beamte schlicht und einfach notwendig sind, egal, in welchem Bereich sie tätig sind. In Zukunft werden verstärkt die Gebiete Budgetierung, Finanzierung, Controlling, aber natürlich auch Bereiche wie zum Beispiel Verbesserung


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von Teamfähigkeit oder Krisenmanagement als notwendige Themen erachtet. Ich bin der Ansicht, dass die Beamten in diesen Bereichen geschult werden sollen.

Es ist nicht so, wie jetzt behauptet wird, dass irgendetwas zerschlagen wird. – Das stimmt nicht. Es wird auch in Zukunft im Bereich der Bundesministerin eine Ausbildung möglich sein, aber nur subsidiär, das heißt, wenn in den jeweiligen Ressorts selbst die Ausbildung nicht möglich ist. Das wird jedoch nicht allzu oft der Fall sein. Denken Sie zum Beispiel nur an die Finanzakademien, die eigentlich eine ausgezeichnete Ausbildung für die Finanzbeamten in ihrem Bereich durchführen! Wir stellen uns vor, dass das auch in anderen Bereichen durchaus möglich sein wird. Das heißt also: subsidiäre Ausbildung durch das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport, aber ein verstärktes Angebot an Ressortausbildung. (Rufe bei den Freiheitlichen: Schluss! Genug! – Bundesrat Dr. Aspöck deutet auf seine Uhr.)

Die Familienhospizkarenz ist bereits erwähnt worden. Ich möchte darauf nicht mehr eingehen. Wir haben ohnehin schon darüber gesprochen. (Bundesrat Konecny: Frau Kollegin, lassen Sie sich nicht einschüchtern! Sie haben etwas zu sagen, sagen Sie es!)

Zum Schluss möchte ich noch die Ruhestands- und Dienstunfähigkeitsthematik ganz kurz erwähnen, weil auch mein Vorredner darüber gesprochen hat. Das ist aber wirklich der letzte Bereich, den ich ansprechen möchte. Ich wundere mich schon, warum eigentlich so getan wird, als wäre da alles in Ordnung. Ich brauche mir nur im "Kurier" von heute und gestern durchzulesen, was der Rechnungshof berichtet, um zu sehen, dass das nicht so ist: Bei Post und Telekom hat es im Vorjahr 2 473 Frührentner gegeben, im Jahr 2000 waren es nur 755. Bei den ÖBB waren es 1 461, 1 190 davon krankheitshalber. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) 52,2 Jahre war das durchschnittliche Pensionsalter bei der Bahn, bei der Telekom waren es 51 Jahre und bei der Post 48,2.

Da frage ich Sie von der SPÖ wirklich, ob Sie nicht selbst meinen, dass man einmal überlegen müsste, welche neuen Lösungen da gefunden werden können. Es kann doch nicht sein, dass die Menschen, die dort arbeiten – außer denjenigen, die wirklich körperliche Arbeit verrichten –, die in der Verwaltung beschäftigt sind, um so viel kränker sind als die Menschen, die in allen anderen Bereichen arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es ist die Frage der Zulässigkeit eines derartigen Entschließungsantrages angesprochen worden.

Ich darf Ihnen den Beginn der Begründung für diesen Antrag in Erinnerung rufen:

"Mit dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates wird eine Vielzahl von Bestimmungen im Dienst- und Besoldungsrecht der öffentlich Bediensteten abgeändert. Ebenso wird mit der gegenständlichen Vorlage die Verwaltungsakademie aufgelöst, jene Einrichtung, die sich im Bereich der öffentlich Bediensteten auch für die psychische Betreuung in Situationen des Mobbing und der sexuellen Belästigung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einsetzte."

Auf Grund dieser Einleitung zu dem Antrag bin ich der Meinung, dass das sehr wohl mit ein Verhandlungsgegenstand sein kann. (Bundesrat Dr. Nittmann: An den Haaren herbeigezogen!)

Frau Bundesrätin Trunk hat den von ihr eingebrachten Entschließungsantrag zurückgezogen . Es wird jedoch gerade ein neuer Antrag kopiert, damit Sie ihn auch in Händen haben. Im Prinzip unterscheidet er sich nur in einem Punkt von dem bereits eingebrachten Entschließungsantrag, der Ihnen ja bekannt ist und der Ihnen auch schriftlich vorliegt: Der letzte Absatz ist gestrichen. Sie werden bald die neue Fassung in der Hand haben.

Ich bitte Frau Bundesrätin Mag. Trunk zum Rednerpult.

0.40

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei Einbringung des Entschließungsantrages habe ich –


Bundesrat
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genau so wie meine Fraktion – nach bestem Wissen und Gewissen und unter Berücksichtigung all der uns zu jenem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Information gehandelt.

Nach der Stellungnahme des Herrn Ministers, einer aus meiner Sicht sehr glaubwürdig erscheinenden Erklärung durch Mitarbeiter des Ministeriums und einer Darlegung der Situation erscheint es mir nicht mehr zulässig, der Frau Staatssekretärin zu unterstellen, dass sie nicht entsprechend gehandelt hätte.

Nach wie vor denke ich jedoch, dass aus diesem Fall gelernt werden sollte. Erlauben Sie aber, dass ich die Informationen, die mir zur Verfügung gestellt wurden, für mich behalte, da die Verfahren ja im Gange sind!

Ich möchte daher einen neuen Entschließungsantrag einbringen, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal

Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport wird auch im Hinblick auf die generalpräventive Wirkung ersucht, einen Bericht über sexuelle Übergriffe und Belästigungen und deren Verfolgung im Bereich des öffentlichen Dienstes zu erstellen.

Sie wird weiters ersucht, mit den Ländern und Gemeinden in Verbindung zu treten, um auch die Situation der Landes- und Gemeindebediensteten im Hinblick auf sexuelle Übergriffe und Belästigungen in diesen Bericht aufzunehmen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

0.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Mag. Trunk, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, das die Kurzbezeichnung "Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002" hat.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – so weit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen, allerdings betrifft das nur die Teile, die dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Trunk, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend politische Verantwortung für den Grazer Sexskandal vor.


Bundesrat
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Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit .

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

43. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Manfred Gruber, Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 (132/A(E)-BR/02 sowie 6746/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 43. Punkt der Tagesordnung: Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Manfred Gruber, Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Mag. Trunk übernommen. Ich darf Sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Mag. Melitta Trunk: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport über den Selbständigen Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Manfred Gruber, Dr. Robert Aspöck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Olympischen Winterspiele 2010 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Beschluss:

Der Ausschuss für öffentliche Leistung und Sport stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle die beigedruckte Entschließung annehmen.

Ich ersuche um Annahme.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

0.46

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Kombination der Kulturweltstadt Salzburg mit den führenden Wintersportregionen Tirol, Bayern und Salzburg ist ein bestechendes Argument für die Bewerbung um die Austragung der Winterspiele 2010.

Die Bewerbung ist kompakt und konzentriert die 78 Bewerbe auf nur drei Regionen. Dutzende Welt- und Europameisterschaften sowie zahlreiche internationale Sportgroßveranstaltungen


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haben an diesen Austragungsorten bereits stattgefunden. Die daraus resultierende langjährige Erfahrung der Organisatoren nützt natürlich sehr bei dem geplanten Vorhaben.

Wir werden auch den Sicherheitsanforderungen, die an Großveranstaltungen dieser Dimension gestellt werden, in jeder Hinsicht gerecht. Das beweisen auch andere Veranstaltungen wie zum Beispiel der Weltwirtschaftsgipfel in Salzburg.

Die österreichische Bundesregierung hat in der Erklärung von Obertauern den Willen bekundet, die Bewerbung Salzburgs nach Kräften zu unterstützen. Die Olympiabewerbung ist eine herausragende Chance, die Vorzüge Österreichs, der Stadt Salzburg und der ausrichtenden Regionen der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Die Schönheit Salzburgs, der "Skiverbund Amadé" und Kitzbühel bieten ein unverwechselbares rot-weiß-rotes Flair.

Der ökologische Aspekt wurde bereits bei der Bewerbung und bei der Erstellung der Machbarkeitsstudie, an der 150 Experten in 13 Arbeitsgruppen mitgearbeitet haben, berücksichtigt.

Olympische Spiele sind auch ein großes wirtschaftliches Projekt: Diese Veranstaltungen sichern der Region Wertschöpfungen und Investitionen, die vom Internationalen Olympischen Komitee finanziert werden. So werden Investitionen in der Höhe von 725 Millionen € in Aussicht gestellt, weiters ist mit Steuereinnahmen im Ausmaß von mindestens 290 Millionen € und mit 2 000 neuen Arbeitsplätzen zu rechnen.

Die Großveranstaltung vor unserer Haustür bedeutet einen riesigen Anreiz für die heimischen Nachwuchssportler und einen besonderen Ansporn für Vereine, Funktionäre und Ehrenamtliche.

Es ist daher richtig und wichtig, dass auch der Bundesrat ein sichtbares Zeichen für Olympia 2010 setzt. In diesem Sinne lautet die Devise: Voller Einsatz für Olympia 2010! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

0.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte.

0.49

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem, was Kollege Saller gesagt hat, fast nichts mehr hinzufügen, außer, dass ich Sie alle ersuche, diesen Entschließungsantrag mit zu unterstützen. Dass ich eine kleine Träne im Auge habe, brauche ich auch nicht zu verhehlen: Das Gasteinertal zählt leider nicht zu den Austragungsstätten. Wir sind aber nicht brotneidig und haben auch kein Kirchturmdenken, darum sollte diese Olympiade in der Form unterstützt werden.

Die Vorteile wirtschaftlicher und werbemäßiger Natur und die umweltschonende Errichtung von Infrastruktur und Sportstätten sind schon erwähnt worden und auch in diesem Antrag enthalten. Meine Bitte an den Bundesrat lautet also, diese Sache so wie der Nationalrat und die Bundesregierung zu unterstützen.

Erfreuliches am Rande: Gestern stand in den "Salzburger Nachrichten", dass mittlerweile 74 Prozent der Salzburger für Olympische Spiele in Salzburg sind. 1997 waren es nur 59 Prozent. Es gibt nur mehr 8 Prozent, die dagegen sind. – Das ist eine vernachlässigbare Größe.

In diesem Sinne wäre Salzburg ein guter Austragungsort für Olympische Spiele, und es brächte Vorteile für Österreich, für Salzburg und für die Region. Ich ersuche Sie um Unterstützung und bedanke mich schon jetzt dafür. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
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0.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. – Bitte.

0.50

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kollege Saller hat Recht, Kollege Gruber hat Recht, und an meiner Meinung hat sich nichts geändert. An der Verlängerung dieser Sitzung zu Gunsten der Opposition werde ich nicht teilnehmen. Ich bin natürlich auch für den Entschließungsantrag. (Allgemeiner Beifall.)

0.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Damit es wirkliche Winterspiele werden, bitte ich jetzt Herrn Bundesrat Winter zum Rednerpult. – (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Dr. Aspöck  – in Richtung des Bundesrates Winter –: Möchtest du sie nach Niederösterreich verlegen?)

0.51

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur, dass ich Winter heiße und die Winterspiele natürlich auch unterstütze, möchte ich doch auch als Niederösterreicher darauf hinweisen, dass wir alle zu diesen Olympischen Spielen stehen sollten. Wir haben hier im Parlament eine eindrucksvolle Präsentation erlebt, ich weise aber auch darauf hin, dass nicht nur die betroffenen Regionen, sondern unser ganzes Land beworben werden soll und davon auch profitieren wird.

Für Österreich sind diese Olympischen Winterspiele wichtig. Wir alle werden auch im Nachhinein von ihnen profitieren. Ich wünsche für die Bewerbung natürlich auch aus niederösterreichischer Sicht alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

0.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport auf Annahme der dem Ausschussbericht (6746 der Beilagen) beigedruckten Entschließung ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport auf Aufnahme der dem Ausschussbericht in Zahl 6746 der Beilagen beigedruckten Entschließung ist somit angenommen . (E/181-BR/2002)

44. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (60. Novelle zum ASVG) (1183, 201/A und 1193/NR sowie 6698 und 6747/BR der Beilagen)

45. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (27. Novelle zum GSVG) (1184 und 1200/NR sowie 6699 und 6748/BR der Beilagen)


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46. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum BSVG) (1185 und 1199/NR sowie 6700 und 6749/BR der Beilagen)

47. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG), BGBl.Nr. 287/1984 idF des BGBl.I Nr. xxx/2002 geändert wird (1198/NR sowie 6750/BR der Beilagen)

48. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (30. Novelle zum B-KUVG) (1186 und 1197/NR sowie 6701 und 6751/BR der Beilagen)

49. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (11. Novelle zum NVG) (1187 und 1196/NR sowie 6702 und 6752/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 44 bis 49 der Tagesordnung, über welche die Debatte wieder unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

eine 60. Novelle zum ASVG,

eine 27. Novelle zum GSVG,

eine 26. Novelle zum BSVG,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft geändert wird,

eine 30. Novelle zum B-KUVG und

eine 11. Novelle zum NVG.

Die Berichterstattung über die Punkte 44 bis 49 hat Herr Bundesrat Weilharter übernommen. Ich bitte um die Berichte.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend die 60. ASVG-Novelle.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten darf und mich auf die Antragstellung beschränke.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 45: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen zur 27. Novelle zum GSVG.


Bundesrat
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Auch dazu liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf die Antragstellung beschränke.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 46: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend die 26. Novelle zum BSVG.

Auch dazu liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf die Antragstellung beschränke.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 47: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen betreffend den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft geändert wird.

Auch dazu liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf die Antragstellung beschränken darf.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 48: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend die 30. Novelle zum B-KUVG.

Auch dazu liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, sodass ich gleich die Antragstellung vornehmen darf.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 49: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (11. Novelle zum NVG).

Auch dazu liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, daher darf ich mich auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

0.57

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beschluss über die Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes enthält nach den beispielhaften Erläuterungen des schriftlichen Ausschussberichtes mehrere Punkte, die für sich allein gesehen Verbesserungen bringen und daher uneingeschränkte Zustimmung finden.


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Ich befasse mich im Folgenden mit jenen Teilen des Gesetzesbeschlusses, die in bemerkenswerter Weise im Ausschussbericht ausgespart sind, obwohl sie den Schwerpunkt der ASVG-Novelle darstellen.

Wie bereits in der vorangegangenen Sitzung des Bundesrates angekündigt, bringen die von Vorarlberg entsandten Bundesräte in Übereinstimmung mit der vom Landtag am 6. März 2002 einstimmig gefassten Entschließung den Antrag ein, gegen den Gesetzesbeschluss betreffend Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit folgender Begründung Einspruch zu erheben.

Antrag

der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, 1183/NR und 1193/NR sowie 6698/BR, Einspruch zu erheben.

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, 1183/NR und 1193/NR sowie 6698/BR, wird mit der angeschlossenen Begründung Einspruch erhoben.

Begründung:

Mit dem Gesetzesbeschluss wird unter anderem die Absicht verfolgt, finanzielle Probleme verschiedener Krankenkassen durch eine Neugestaltung des Strukturausgleiches, durch eine weitere Erhöhung der Beiträge an den Ausgleichsfonds sowie durch die Verpflichtung einzelner Krankenkassen zur Gewährung von Darlehen an den Ausgleichsfonds zu beheben. Er trägt allerdings zu wenig dem Gesichtspunkt Rechnung, dass Strukturprobleme nicht durch Einmalzahlungen, sondern nur durch Strukturreformen gelöst werden können.

Abgesehen davon, dass diese Finanzierungsform von den Krankenkassen selbst abgelehnt wurde und in Vorarlberg auch auf den geschlossenen Widerstand des Landtages, der Gemeinden, aller politischen Parteien, der Sozialpartner und der Bevölkerung stößt, sind für den Einspruch gravierende verfassungsrechtliche Bedenken maßgeblich, auf die im – für die Beschlussfassung der Regierungsvorlage allerdings gar nicht abgewarteten – Begutachtungsverfahren von zahlreichen Stellen hingewiesen wurde.

Es ist davon auszugehen, dass das für die österreichische Krankenversicherung charakteristische System der Selbstverwaltung keinen einfachgesetzlichen Änderungen unterzogen werden darf, die das Prinzip der Autonomie der einzelnen Sozialversicherungsträger grundlegend untergraben würden. Der einfache Bundesgesetzgeber muss die Selbstverwaltung vielmehr nach den bundesverfassungsgesetzlich ausdrücklich vorgegebenen oder jedenfalls historisch vorgefundenen und in das B-VG implizit übernommenen Grundsätzen gestalten. Der Gesetzesbeschluss überschreitet in mehrfacher Hinsicht sowohl die verfassungsrechtlichen Grenzen der Selbstverwaltung als auch die durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums zu beachtenden Schranken.

Zunächst werden bei der Neugestaltung des Strukturausgleichs auch solche Tatbestände als Strukturnachteil anerkannt, die durch den Krankenversicherungsträger im Rahmen seiner finanziellen Autonomie selbst verursacht wurden. Strukturnachteile, die im Rahmen eines Strukturausgleichs zwischen den verschiedenen Krankenversicherungsträgern ausgeglichen werden sollen, können nach ihrem Sinn und Zweck, aber auch nach Sachlichkeitserwägungen regelmäßig nur objektive, also von den Krankenversicherungsträgern unbeeinflussbare Belastungen sein.


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Weiters sieht der Gesetzesbeschluss eine Erhöhung der Beiträge an den Ausgleichsfonds für die Geschäftsjahre 2003 und 2004 von 2 Prozent auf 4 Prozent vor. Dieser Beitragssatz war erst zum 1. Jänner 2001 von 1,4 auf 2 Prozent erhöht worden. Mit der nunmehrigen Erhöhung wird der Beitrag innerhalb von zwei Jahren beinahe verdreifacht. Damit wird die finanzielle Situation auch jener Gebietskrankenkassen mit einer bislang ausgeglichenen Gebarung so verschlechtert, dass auch sie ihre gesetzlichen Pflichtleistungen aus eigenen Mitteln nicht mehr erfüllen können.

Insgesamt stellt sich daher die Frage, ob es dem aus dem Gleichheitssatz fließenden Sachlichkeitsgebot sowie dem Grundsatz der finanziellen Selbständigkeit der Krankenversicherungsträger entsprechen kann, dass eine Verpflichtung zu Beitragszahlungen an den Ausgleichsfonds auch dann besteht, wenn diese dazu führt, dass einzelne Krankenversicherungsträger zur Gewährleistung ihrer gesetzlichen Leistungsverpflichtungen Darlehen am freien Kapitalmarkt aufnehmen müssen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 11.013/1986 die Auffassung vertreten, dass eine Abschöpfung jedenfalls dann unsachlich wäre, wenn der Krankenversicherungsträger durch die Überweisungen an den Ausgleichsfonds nicht mehr in der Lage ist, seinen gesetzlichen Aufgaben und Verpflichtungen mit seinen eigenen Mitteln und mit den Mitteln des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger nachzukommen.

Schließlich werden mehrere Krankenversicherungsträger verpflichtet, verzinsliche Darlehen an den Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zu gewähren. Dadurch wird das bereits durch die erhöhten Beiträge an den Ausgleichsfonds entstehende Gebarungsproblem weiter verschärft, sodass in absehbarer Zeit alle Krankenkassen sanierungsbedürftig sein werden.

Auch ist bezüglich der sachlichen Rechtfertigung dieser Zwangsdarlehen zu bedenken, dass die Krankenversicherungsbeiträge ihren legitimierenden Erhebungsgrund in der Abdeckung des Risikos einer bestimmten Versicherungsgemeinschaft, nämlich der jeweiligen Krankenkasse der Versicherten, finden. Durch die Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens an den Ausgleichsfonds werden diese Krankenversicherungsbeiträge nicht mehr für das Versichertenrisiko der jeweiligen Krankenkasse, für welche die Beiträge erhoben wurden, sondern für dritte Kassen, das heißt andere Versichertengemeinschaften, verwendet. Dies erscheint insbesondere deshalb unsachlich, weil die Beitragssätze der im Ausgleichsfonds verbundenen Krankenversicherungsträger zum Teil erheblich divergieren und folglich die Versicherten mit höheren Beitragssätzen andere Krankenversicherungsträger mit niedrigeren Beitragssätzen "subventionieren". Eine so verstandene Versichertensolidarität widerspricht dem Grundsatz der Selbstfinanzierung. Dafür, dass überhaupt nur im Rahmen gleicher Beitragssätze eine Versicherungsriskengemeinschaft besteht, spricht auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach es dem Gleichheitssatz widerspräche, wenn innerhalb einer Risikogemeinschaft unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen würden.

Darüber hinaus verstößt die angefochtene Regelung gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsfreiheit. Eingriffe in die Rücklagen der Krankenversicherungsträger sind zumindest als enteignungsähnliche Eigentumsbeschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu qualifizieren. Derartige Eingriffe sind aber nur gerechtfertigt, wenn sie einem öffentlichen Interesse dienen und verhältnismäßig sind. Bei Enteignungen verlangt der Verfassungsgerichtshof darüber hinaus, dass ein konkreter Bedarf vorliegt, das Objekt zur Deckung dieses Bedarfes geeignet ist und es unmöglich ist, diesen Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt eine gesetzliche Regelung jedenfalls die Eigentumsfreiheit, wenn sie einen geradezu konfiskatorischen Effekt hat, dass heißt wenn eine Geldleistungspflicht den Pflichtigen exzessiv belasten und dadurch seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde.

Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Durch die gegenständliche Verpflichtung zur Darlehensgewährung wird die finanzielle Selbständigkeit als wesentlicher Bestandteil der eigenen Rechtspersönlichkeit der Sozialversicherungsträger derart gefährdet, dass letztlich selbständige Handlungsspielräume verloren gehen.


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Mit der nunmehrigen Neugestaltung des Ausgleichsfonds, durch die hinkünftig nur mehr weniger als die Hälfte der Einnahmen des Fonds zum Ausgleich von Strukturnachteilen zur Verfügung gestellt werden, die restlichen Einnahmen hingegen für so genannte Zielerreichungs-Zuschüsse heranzuziehen sind, wird überdies ein grundsätzlicher Systemwechsel vollzogen. Damit werden die Gebietskrankenkassen faktisch in Organisationseinheiten eines zentral geführten Krankenversicherungsträgers umgewandelt.

Abgesehen davon, dass es verfassungswidrig ist, die Verfügung der Mittel aus dem Ausgleichsfonds von Organen bestimmen zu lassen, die – entsprechend dem Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2002, B 1492/01 – nicht jene Organisationsstrukturen aufweisen, die für die Selbstverwaltung verfassungsrechtlich geboten sind, bestehen dagegen weitere verfassungsrechtliche Bedenken, weil weder die Rechtsnatur noch die Art des Zustandekommens dieser Ziele hinreichend klar sind.

An den gegen die Zwangsdarlehen einzelner Krankenkassen vorzubringenden Einwänden vermag die im Gesetzgebungsverfahren des Nationalrats vorgenommene Präzisierung der Verpflichtung, die Darlehen zurückzuzahlen, nichts zu ändern. Die betroffenen Gebietskrankenkassen verfügen weder über eine Ausfallshaftung des Bundes noch über zivilrechtliche Ansprüche einer durch den Bundesgesetzgeber nicht mehr beeinflussbaren Art. Es liegt im Ermessen des einfachen Bundesgesetzgebers, bei neuerlichen finanziellen Problemen die Rückzahlungsfristen zu erstrecken, die Möglichkeit der Aufrechnung gegen Beitragsforderung des Ausgleichsfonds abzuschwächen oder überhaupt auf die im Begutachtungsentwurf enthaltene Bestimmung zurückzugreifen, wonach die Darlehen vom Ausgleichsfonds lediglich nach Maßgabe der verfügbaren Mittel zurückzuzahlen sind. Ein besonderer Schutz vor solchen nachträglichen Änderungen, beispielsweise durch ein Zustimmungsrecht der Länder oder des Bundesrates, besteht nicht.

Es sind schließlich auch keine hinreichenden Gründe ersichtlich, warum der Finanzbedarf der Gebietskrankenkassen nicht auf dem Kapitalmarkt gedeckt wird, zumal dieser Weg nach Verbrauch aller Rücklagen ohnedies unausweichlich sein wird. Eine solche Form der Zwischenfinanzierung bis zum Wirksamwerden von Strukturreformen hätte auch den Vorteil, dass hier die Rückzahlungsverpflichtung nicht frei gestaltbar wäre und einen größeren Druck auf das tatsächliche Zustandekommen von Reformen ausüben würde.

*****

So weit die Begründung des Einspruchsantrages. – Ich ersuche bei dieser Gelegenheit, bei der Abstimmung über diesen Antrag die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben.

Zu einigen in den Diskussionen der letzten Zeit immer wieder zu hörenden und zu lesenden Punkten möchte ich noch kurz gesondert Stellung nehmen – zunächst zu der vornehmlich an das Land Vorarlberg und seinen Landeshauptmann gerichteten Kritik eines unsolidarischen Verhaltens.

Als Erstes stelle ich die Frage, was an der Geltendmachung gravierender verfassungsrechtlicher Einwände unsolidarisch sein soll. Verhält sich allenfalls auch der Verfassungsgerichtshof unsolidarisch, sofern er die Bedenken teilen sollte? – Für uns ist Solidarität mit der Verfassungsordnung und der Selbstverwaltung nach wie vor und über die Tagespolitik hinaus ein hohes Gut politischer Kultur.

Die Begründung des Einspruchsantrages verweist auf den vom Verfassungsgerichtshof vor einem Monat gefassten Beschluss, einzelne Bestimmungen der 58. ASVG-Novelle amtswegig in Prüfung zu ziehen. Ich zitiere daraus nur ganz kurz: "Der Verwaltungsrat dürfte daher weder den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein in Selbstverwaltung tätig werdendes Organ noch jenen Anforderungen genügen, die aus verfassungsrechtlicher Sicht an die Organisation ausgegliederter Rechtsträger gestellt sind, die Aufgaben der Staatsverwaltung besorgen. Er dürfte daher durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in verfassungswidriger Weise eingerichtet sein." – Ende des Zitats aus dem Prüfungsbeschluss des Verfassungsge


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richtshofes, dem sich noch mehrere dieser Art anfügen ließen, und so weit der Verfassungsgerichtshof zu jenem Organ, dem bei den vorgesehenen Finanztransaktionen zwischen Krankenkassen und Ausgleichsfonds eine maßgebliche, aber offenbar heute schon absehbar verfassungswidrige Rolle zugedacht ist.

Zweite Frage: Wie unsolidarisch wäre denn eigentlich Österreich, wenn es sich als Nettozahler in der EU gegen höhere Beiträge wehrt und sich einzelne die ASVG-Novelle verteidigende Politiker sogar für eine Kürzung unserer bisherigen Beiträge aussprechen, obwohl auf der Hand liegt, dass die Erweiterung der EU einen erheblichen Mitteleinsatz erfordern wird? – Hier wird ganz offenkundig mit zweierlei Maß gemessen.

Schließlich erweckt die Kritik den Eindruck, als ob man gegen die Einrichtung eines Ausgleichsfonds und damit verbundene Solidarzahlungen wäre. Tatsache ist aber, dass es einen solchen Ausgleichsfonds bereits 40 Jahre lang gibt und unser Land, wie andere auch, die ganze Zeit hindurch widerspruchslos Nettozahler war. Wenn aber dieser Beitrag innerhalb der beiden letzten Jahre nahezu verdreifacht wird und zusammen mit den Zwangsdarlehen dazu führt, dass nunmehr auch die letzten Gebietskrankenkassen ein Gebarungsdefizit bekommen werden, dann wird man die Sachgerechtigkeit dieser Vorgangsweise doch wohl in Zweifel ziehen dürfen, zumal wir damit keineswegs allein stehen.

Ein Kritiker hat ja an die Adresse Vorarlbergs sogar gemeint, so habe er sich Solidarität und Subsidiarität der christlichen Soziallehre in der Praxis immer schon vorgestellt. Das übersieht einen fundamentalen Grundsatz dieser Soziallehre, nämlich dass Hilfe vornehmlich Hilfe zur Selbsthilfe sein soll. An der Hilfe hat es jetzt schon 40 Jahre lang nicht gemangelt, wohl aber offenkundig an der Bereitschaft zur Selbsthilfe.

Ein weiterer Kritiker forderte Solidarität mit folgendem Argument ein: "In den Ländern mit Universitätskliniken ist die Versorgung natürlich teurer. Sie wird ja auch von den Bewohnern der angrenzenden Bundesländer in Anspruch genommen werden. Daher müssen auch die unterschiedlichen Kosten ausgeglichen werden." – Ende des Zitats. Dieser Hinweis verschweigt aber geflissentlich, dass diese erwähnten Mehrkosten bereits bei der Festlegung der Landesquoten in der 15a-Vereinbarung über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung berücksichtigt sind. Ist es unsolidarisch, wenn man sich dagegen wehrt, dass für ein und denselben Sachverhalt zwei Mal bezahlt werden soll?

Dem Verfassungsgerichtshof wird immer wieder vorgeworfen, dass er mit seinen Entscheidungen Politik mache. Das muss er aber wohl, wenn der Gesetzgeber bei der Beachtung verfassungsrechtlicher Schranken ein Vakuum hinterlässt und zweifelsfrei verfassungskonforme Alternativen, wie etwa eine Übergangsfinanzierung auf dem Kapitalmarkt, von vornherein ausschließt. Ein Einspruch des Bundesrates würde den Nationalrat in die Lage versetzen, die Weichenstellung so zu gestalten, dass sie vom Verfassungsgerichtshof nicht nachträglich kontrolliert werden muss und politisch dauerhaft Bestand hätte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

1.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Fasching. – Bitte.

1.14

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde meine positive Haltung zur 60. ASVG-Novelle etwas kürzer fassen. (Bundesrat Konecny: Es fällt einem dabei auch wenig ein!)  – Hören Sie mir einmal zu, Herr Kollege Konecny, bevor Sie schon ein Urteil abgeben! Okay? (Bundesrat Konecny: Sicher!)  – Einverstanden.

Die einzelnen Versicherungszweige beziehungsweise die Versicherungsträger innerhalb eines Versicherungszweiges sind mit unterschiedlichen finanziellen Leistungsfähigkeiten ausgestattet. Meine Damen und Herren! Die Tendenz zur Entwicklung reicher und ärmerer Versicherungsträger möchte ich wie folgt begründen:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 249

Wir haben in den Bundesländern eine unterschiedliche wirtschaftliche Dynamik, daher auch ein unterschiedliches Einkommensniveau und damit klarerweise verbunden eine unterschiedliche Beitragsentwicklung. Wir haben in Österreich eine unterschiedliche demographische Struktur. Wir haben auch unterschiedliche Beitragsgrundlagen und Beitragssätze. Ein weiterer Grund ist der Strukturwandel in den Berufsgruppen, zum Beispiel bei den Bauern. Ich darf aber auch darauf hinweisen, dass es gerade die Bauernfamilien mit zirka drei Kindern im Durchschnitt sind, die in den verschiedensten Trägerschaften einzahlen.

Diese finanziellen Differenzen, die zwischen den einzelnen Versicherungsträgern bestehen, sind daher mit dem Instrument des Finanzausgleichs zu beheben. Kollege Weiss hat bereits darauf hingewiesen: Mit Wirkung vom 1. Jänner 1961 wurde daher beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger der Ausgleichsfonds errichtet.

Meine Damen und Herren! Es ist ein Gebot der Stunde, diesen Ausgleichsfonds neu zu strukturieren. Es gibt jetzt einen Strukturtopf, wobei objektiv beurteilt wird, wie viele Versicherer, wie viele Angehörige, wie viele Pensionisten es gibt und wie hoch das Einkommen der einzelnen Träger ist. Diese bereits vorhin erwähnten Unterschiede sind durch den Strukturtopf auszugleichen.

Weiters wurde ein zweiter Topf, der so genannte Zielerreichungs-Topf, geschaffen. Das heißt, dass jeder Träger seine Aufgaben erfüllen muss, insbesondere auch durch eine wirtschaftliche Verwaltung.

Ich bin der Auffassung, dass die Neustrukturierung des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger wichtig ist und auch eine neue Herausforderung an das Management der Sozialversicherungsanstalten darstellt. Ich bin nicht der Auffassung wie Kollege Weiss, dass alle diesen Ausgleichsfonds ablehnen; dem ist sicherlich nicht so! Ich bekenne mich zum System der Pflichtversicherung der Berufstätigen inklusive der Selbstverwaltung und auch der dezentralen Strukturen, denn nur sie garantieren Versichertennähe und Kundenservice. Ich glaube, dass mit diesem neuen Ausgleichsfondssystem auch das Bemühen um eine kostengünstige Verwaltung entsprechend berücksichtigt wird.

Weitere Punkte dieser 60. ASVG-Novelle sind unter anderem die Einführung einer Unabhängigen Heilmittelkommission als Tribunal gegen Entscheidungen wegen Nichtaufnahme von Arzneispezialitäten – ein wichtiger, entscheidender Punkt –, die Aufhebung der Krankenscheingebühr unter gleichzeitiger Einführung eines Serviceentgelts für die Sozialversicherungs-Chipkarte und letztendlich auch die verpflichtende elektronische Abrechnung für Vertragspartner ab 1. Jänner 2004 – ein weiterer wichtiger und entscheidender Punkt.

Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung sei mir noch gestattet: Die Zahl 60 vor der Novelle zeigt, dass die Sozialversicherung ein Bereich ist, der ständig neu überdacht und überlegt werden muss. Nur so ist gesichert, dass wir unseren hohen Gesundheitsstandard erhalten können. Eine Alternative zu diesem Ausgleichsfondssystem gibt es nicht. Die bürgerliche Sozialpolitik war immer dann gut unterwegs und gut beraten, wenn sie nicht nach Farbe beurteilt wurde, sondern nach Inhalten.

Gestatten Sie mir auch einige Sätze zur 26. Novelle des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes! Im Jahr 1997 wurde mit dem Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz eine Beitragspflicht in der Sozialversicherung für alle Erwerbstätigkeiten eingeführt. Diese Regelung wurde von allen im Parlament vertretenen Parteien beschlossen; interessanterweise wollen heute einige nichts mehr davon wissen. Seit dem Jahr 1999 sind auch die bäuerlichen Nebentätigkeiten davon betroffen.

Die vorliegenden Änderungen betreffen die Beitragsbemessung für Nebentätigkeiten und eine Verbesserung für Direktvermarkter und Most-Buschenschenken. Seit 1. Jänner 2002 unterliegen auch die Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie der Most-Buschenschank der Beitragspflicht nach dem BSVG.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 250

Durch die vorliegende Novelle zum BSVG wird nun die bisherige Freigrenze in einen Freibetrag in der Höhe von 3 700 € umgewandelt, für den keine Beiträge zur bäuerlichen Sozialversicherung zu entrichten sind. Die Umwandlung der Freigrenze in einen Freibetrag bringt dem einzelnen davon betroffenen Bauern bei Vollversicherung – Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, Beitragssatz insgesamt 22,8 Prozent – eine Ersparnis in der Höhe von immerhin 253 € pro Jahr. Für die anderen bäuerlichen Nebentätigkeiten ergeben sich hinsichtlich ihrer Beitragspflicht keine Änderungen.

Insgesamt bin ich der Auffassung, dass auch die Novelle zum BSVG mehr soziale Gerechtigkeit mit sich bringt und dass es legitim ist, alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungsgesetzgebung einzubeziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche dieser österreichischen Solidaritätsaktion viel Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

1.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, teile ich Ihnen mit, dass der von den Bundesräten Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger eingebrachte Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, Einspruch zu erheben, samt der gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates beigegebenen Begründung genügend unterstützt ist und demnach mit in Verhandlung steht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

1.22

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Gesetzesnovellen sind sicherlich kein Beitrag zur Sanierung der Krankenkassen. Diese Umschichtungen – ich möchte mir dazu genaue Ausführungen ersparen, weil dies Vizepräsident Weiss in sehr deutlicher Art und Weise hier vorgetragen hat – werden das Problem nicht lösen, es wird nur hinausgeschoben. Dieses Kassenpaket bedeutet sicherlich keine Sanierung mit nachhaltiger Wirkung, sondern maximal eine Bankrotterklärung dieser Regierung, und keine Reform des Gesundheitssystems, wie immer wieder fälschlich behauptet wird.

Meine Damen und Herren! Jeder Versuch von Ihnen, die Krankenkassen zu sanieren, hat immer zu Belastungen für die Versicherten geführt. (Bundesrat Dr. Böhm: Warum muss denn saniert werden? Waren Sie nicht verantwortlich dafür?)  – Ich werde in meinem Redebeitrag noch darauf zurückkommen. Wenn Sie mir aufmerksam zuhören (Bundesrat Dr. Böhm: O ja! Ich bin gespannt!), dann werden Sie wissen oder dann werden Sie draufkommen, warum die Kassen dringend Geld brauchen. Ganz einfach erklärt: weil ihnen Einnahmen entzogen wurden! (Bundesrat Weilharter: Ach ja! Das EDV-System!)

Meine Damen und Herren! Denken Sie zum Beispiel an den Rohrkrepierer der Ambulanzgebühren! Sie sind sowieso unsozial, ein hoher Verwaltungsaufwand ist erforderlich, und es kommen viel weniger Mittel herein, als Sie ständig behaupten. Die Spitalskostenbeiträge sind erhöht worden, die Rezeptgebühren wurden erhöht, die Krankenversicherungsbeiträge für kinderlose Ehegatten wurden eingeführt und so weiter und so fort. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann ist ja mehr hereingekommen! Erstaunlich!)

Ja, aber wenn man das gegenüberstellt, was jetzt hinzukommt, dann kommt in der Summe wieder ein Minus heraus, Herr Professor Böhm! Das ist das Problem, weil die Regierungsparteien – inklusive Ihnen – sozusagen den Krankenkassen viel mehr Geld entzogen haben, als durch die Belastungen hereinkommt, mit denen die Versicherten zur Kasse gebeten worden sind. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! All diese Belastungen haben nicht gereicht, um die Kassen zu sanieren, weil Sie den Krankenkassen auf der anderen Seite sehr viel Geld entzogen haben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 251

Die Kassen müssen um 1,5 Milliarden Schilling – ich sage es noch in Schilling – mehr zur Spitalsfinanzierung beitragen (Bundesrat Fasching: Lesen Sie ..., Herr Kollege!), damit der Bund seine Zahlungen in gleicher Höhe reduzieren kann. Die Kassen müssen den Privatkrankenanstalten zusätzlich sehr viele Mittel zukommen lassen. Die Gebietskrankenkassen müssen zur Sanierung der Bauernkrankenkassen erhebliche Mittel beitragen, die sich der Bund dadurch erspart. Für Arbeitgeber wurde die Frist für die Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge verlängert, was einen gewaltigen Zinsenausfall bewirkt. Die Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung ohne ausreichende Kompensation kommt noch hinzu.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Durch diese Politik geraten die Krankenkassen in finanzielle Schwierigkeiten. Durch Ihre Haltung drängt sich aber der Verdacht auf, dass Sie das solidarische Gesundheitssystem ganz bewusst schwächen wollen. Sie machen Politik für die privaten Versicherungen und schaffen so eine Zwei-Klassen-Medizin.

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wollen ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem, zu dem alle Menschen unabhängig von ihrem Einkommen den gleichen Zugang haben. Wir haben auch genügend Vorschläge parat, um diese Situation zu gewährleisten; Sie von den Regierungsparteien bräuchten diese nur aufzunehmen und mit uns zusammen zu beschließen. Ich bringe dafür nur einige Beispiele.

Die Tabaksteuer ist nicht für unser Gesundheitssystem zweckgebunden worden; das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier.  – Bundesrat Mag. Hoscher: Na, guten Morgen!) Die Spannen im Arzneimittelhandel hätten schon längst auf das europäische Durchschnittsniveau reduziert werden müssen. Die Abgeltung der Mehrwertsteuer bei Medikamenten und bei Heilmitteln wäre ... (Bundesrat Fasching: Das haben Sie 30 Jahre lang nicht gemacht! Warum haben Sie es nicht gemacht, 30 Jahre lang?)

Herr Kollege Fasching! Haben Sie irgendwie ein Syndrom im Kopf? – Es wäre gut, wenn Ihnen einmal etwas anderes einfallen würde. (Bundesrat Fasching: ... Finanzminister! – Bundesrat Gasteiger: Weil Sie 14 Jahre dabei waren und es verhindert haben! – Bundesrat Fasching: Sie haben den Finanzminister gehabt und den Sozialminister! – Bundesrat Gasteiger: Vergesslich war das! – Bundesrat Fasching: Das war der Unterschied!) Einstimmigkeit in den Regierungssitzungen ist Ihnen also unbekannt! (Bundesrat Ledolter: Ihr seid ja nicht einmal mit den Vorschlägen gekommen! Die Konzeptlosigkeit, die am Anfang ...!)  – Jetzt habe ich soeben ein paar Vorschläge vorgelesen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Aufregung kann ich wohl verstehen, weil diese Belastungen, die Sie jetzt mit Ihren Maßnahmen setzen, den Bürgerinnen und Bürgern natürlich wehtun. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. ) Aber die Vorschläge, die ich jetzt gerade zitiert habe, sind schon älter und stammen bereits aus einer Zeit, als wir noch mit der ÖVP in einer Koalitionsregierung waren. Aber da haben Sie immer die Verhinderer gespielt! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wollen von der Bekämpfung des Schwarzunternehmertums nichts wissen, obwohl dort wertvolle Sozialversicherungsbeiträge verloren gehen. Der Abbau der Beitragsschulden der Arbeitgeber müsste forciert werden. Auch die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe wäre eine wichtige Maßnahme, damit wir zu zusätzlichen Mitteln für die Finanzierung unseres Sozialversicherungssystems kommen.

Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs schon erwähnt, dass dieses Kassenpaket nur Kosmetik ist und ein Hinausschieben des Problems darstellt. Aber die Vorarlberger Bundesräte haben das erkannt, und ich schätze ihre mutige Haltung. (Beifall bei der SPÖ.) Vielleicht schließen sich doch noch andere Kolleginnen oder Kollegen dieser Meinung an, um unser solidarisches und modernes Gesundheitssystem zu erhalten und weiter auszubauen. Wir Sozialdemokraten lehnen diese Vorlagen ab. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
690. Sitzung / Seite 252

1.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

1.29

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach dem, was ich jetzt von Ihnen gehört habe, Herr Kollege, beschuldigen Sie zwar die ÖVP, aber Sie haben mit keinem Wort erwähnt, dass die jetzige Regierung ein Desaster übernommen hat: ein Defizit in Höhe von 7 Milliarden Schilling in den Gebietskrankenkassen! Ich darf Ihnen dazu sagen: Im Jahr 2001 betrug das Defizit bereits weniger als die Hälfte, nämlich nur noch 2 Milliarden Schilling. Daher kann man dieser Regierung nicht vorwerfen, dass sie nicht alles versucht hat, um Einsparungen zu erzielen! (Bundesrat Freiberger: Na ja! Sondervertrag für Gaugg!)

Wenn Sie 30 Jahre Verantwortlichkeit der Sozialdemokratie für Krankenkassen, Sozial- und Gesundheitspolitik mit 30 Jahren der "Verschlamperei" von Geldern und Unfähigkeit vereinbaren, dann lasse ich mir das gefallen, meine Damen und Herren, dann stimmt es! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) 30 Jahre Verantwortlichkeit für Krankenkassen, Sozial- und Gesundheitspolitik und 30 Jahre Schlamperei und Unfähigkeit – das sage ich noch einmal deutlich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Glauben Sie nicht, dass Oberösterreich oder wir Bundesräte aus Oberösterreich glücklich darüber sind, dass wir genauso zur Kasse gebeten werden sollen! (Bundesrat Gasteiger: Braucht ihr nur dagegen zu stimmen! – Bundesrätin Schicker: Aber es klingt so!) Aber Sie wissen – und Sie sind sich dessen bewusst –, dass es intensive Verhandlungen gegeben hat (Bundesrat Konecny: Bei denen nichts herausgeschaut hat!), dass Zugeständnisse gemacht worden sind und dass es ein Darlehen ist. Ich glaube, über eine Solidarität gegenüber Krankenkassen oder maroden Krankenkassen braucht man nicht zu sprechen. – Ich wundere mich darüber, Herr Kollege Konecny, dass Sie überhaupt dazu Stellung nehmen oder das kritisieren, Sie als einer von den Wienern, die das ganze Debakel und das ganze Desaster verursachen, bitte schön! (Bundesrat Konecny: Ja, wir haben die Bessere! Gemessen am Volumen der Beiträge ist unser Defizit ein Lapperl!)

Bitte, da würde ich doch einmal ganz ruhig sein! Wenn ich mir das anschaue, dann bemerke ich, es ist immer Wien, das die größten Schulden macht, immer Wien, das die größte Arbeitslosigkeit hat, und immer wieder Wien, das wir von der Peripherie und von der Provinz aus ausgleichen müssen. Genau so schaut es nämlich aus! Daher haben Sie überhaupt kein Recht, darüber zu debattieren (Bundesrat Konecny: O ja!), sondern müssen froh sein, wenn man Ihre Krankenkasse mitsaniert. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. )

Ich glaube, die Diskussion über diese kranken Kassen, die von finanziell gesunden mittels Darlehen aufgepeppt werden sollen, ist überaus diffizil. – Das schreibt das "Volksblatt", und das schreiben auch die Zeitungen in Oberösterreich. (Bundesrat Konecny: Das Volksblatt!) Aus ideologischen Rücksichten, aus Rücksicht auf Parteifreunde, gibt es immer nur Stücke von der Weide. – Kann ich vielleicht wieder weiterreden? Sind Sie vielleicht ein bisschen leiser? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: ... wir hören Ihnen aufmerksam, wenn auch nicht begeistert zu!)

Was sich derzeit rund um diese geplanten Ausgleichsdarlehen für marode Krankenkassen abspielt, sind eigentlich Nagelproben für uns alle. Das wissen wir, und wir können nur dem vertrauen, was unsere Regierungsmitglieder ausverhandelt haben. Wir vertrauen dem auch, und wir wissen es aus ... (Bundesrat Konecny: O je! Das täte ich nicht!) O ja, und ich glaube, es ist eines darüber zu stellen. Wenn ich sage: Solidarität für Krankenkassen – dann nein! Aber wenn es um Solidarität für alle Patienten geht, dann sage ich schlichtweg ja! Ich glaube, das ist für uns alle das Wichtigste. Dazu sind wir auch aufgefordert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mehr habe ich dem nicht hinzuzufügen. (Demonstrativer Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Christoph Hagen das Wort. – Bitte.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 253

1.34

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Weiss hat aus Vorarlberger Sicht bereits zum Großteil die Probleme angesprochen, die wir Vorarlberger mit diesem Gesetz haben. Ich möchte aber trotzdem noch auf ein paar Punkte eingehen.

Grundsätzlich muss ich sagen, dass dieses Gesetzespaket, das wir heute beschließen, dringend nötige Verbesserungen beinhaltet, die unter SPÖ-Ministern versäumt wurden. (Bundesrat Manfred Gruber: Na, na!) Doch, das stimmt schon! – Als negativ bezeichnen muss ich allerdings die Abschöpfung der Krankenkassengelder, das heißt der Reserven der gesunden Kassen. Diese Gelder gehören meiner Ansicht nach den Beitragszahlern der jeweiligen Länder und aus Vorarlberger Sicht den Vorarlberger Beitragszahlern. Sie haben auf Leistungen verzichten müssen und nur einen geringen Teil zurückbekommen.

Um zum Beispiel die Kurenstatistik, die Krankenstandstage oder was es da sonst noch alles gibt zu vergleichen, möchte ich Ihnen ein paar Dinge vorlesen. So liegen zum Beispiel die Krankenstandstage bei Erwerbstätigen in Vorarlberg im Durchschnitt bei 12,8 Tagen, im Österreich-Durchschnitt bei 13,43 und bei der Wiener Gebietskrankenkasse bei 14,03 Tagen; bei den Eisenbahnern sind es – das wird Herrn Kollegen Binna interessieren – sogar 20,41 Tage. In Vorarlberg werden im Durchschnitt sechs Rezepte – Zusatz in Klammer: Heilmittel – pro beitragszahlendem Versicherten verordnet, bei der Wiener Gebietskrankenkasse sind es acht. Die durchschnittlichen Kosten für Heilmittel pro Versichertem liegen in Vorarlberg – ich möchte das, um es zu verdeutlichen, in Schilling angeben – bei 2 657 S, in Wien bei 3 754 S. (Bundesrat Dr. Böhm: Jetzt weiß ich, warum ihr aktiv seid!)

Aber auch bei den Spitalstagen sind wir Vorarlberger sehr kostenbewusst. So liegen in Vorarlberg die durchschnittlichen Spitalstage je Versichertem bei 2,21 Tagen, im Österreich-Durchschnitt liegen sie bei 2,36 Tagen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ihr seid ja jünger!) Nein, ich muss dazu sagen: Wenn man sich die Kurenverschreibungstaktik anschaut, dann sieht man, dass jemand in Vorarlberg schon auf Händen und Füßen daherkriechen muss, um eine Kur verschrieben zu bekommen. Von Wien weiß man, dass man dort teilweise zweimal im Jahr auf Kur gehen kann. Das ist etwas, was ich nicht einsehe. (Bundesrat Manfred Gruber: Alle zwei Jahre einmal? Wie geht das?)

Meine Damen und Herren! 108 000 Unterschriften sind für mich als Vorarlberger Bundesrat ein klares Signal, gegen die Abschöpfung der Krankenkassengelder zu stimmen! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Wir unterstützen Sie!) Die Vorarlberger Beitragszahler sehen nicht ein, warum sie auf Leistungen verzichten mussten, die bei den defizitären Kassen selbstverständlich waren, und ihr Erspartes, das sie für schlechtere Zeiten auf die hohe Kante gelegt haben, nun hergeben sollen. (Bundesrat Dr. Böhm: Die Bürger oder die Kasse?)

Da auch die Rückzahlung angesprochen wurde, muss ich sagen: Wir Vorarlberger sind misstrauische Menschen, und wir vertrauen lieber uns selbst! Wenn ich auch erwähnen darf, dass die Vorarlberger Gebietskrankenkasse heuer selbst defizitär ist, so sieht man, dass wir die Reserven eigentlich im Lande selbst brauchen.

Ich möchte diese Rücklagen auch etwas kritisch beleuchten und die Vorarlberger Gebietskrankenkasse nicht aus der Verantwortung lassen, weil, wie gesagt, die Beitragszahler nur sehr geringe Teile zurückbekommen haben. Diesbezüglich ist mir am Montag in den "Vorarlberger Nachrichten" ein Leserbrief mit der Überschrift "Plünderung des Diebes" aufgefallen. Darin schreibt ein gewisser Herr Raimund Glatter-Götz aus Schwarzach: "Während sich scheinbar ganz Vorarlberg über die Plünderung seiner geliebten VGKK empört, geht die Frage ganz unter, wie denn die VGKK solche gewaltigen Summen ansparen konnte. Sind die Beiträge zu hoch oder die Leistungen zu niedrig? Ist es Aufgabe der Krankenkassen, Gewinne zu machen und diese dann dem Kapitalmarkt zuzuführen? Was für eine Form des Sparens mit fremdem Geld ist das, wenn auf das Ersparte nur mit großen Verlusten zugegriffen werden kann? Und dieses Geld, welches eigentlich den Beitragszahlern in Form von Leistungen oder auch Rückzahlungen gehört, wird nun von der Regierung abkassiert. Ist hier nicht ein Dieb geplündert wor


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 254

den, und sollte sich unsere Empörung nicht einmal gegen ihn wenden?" – Diese Frage stellt der Herr, und ich glaube, das ist eine berechtigte Frage. Ich möchte die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hier nicht aus der Verantwortung lassen.

Ich hätte auch einen Vorschlag, wie die Krankenkassensituation in Zukunft besser geregelt werden könnte oder wie die Zukunft der Gebietskrankenkassen aussehen könnte. Wünschenswert wären im Sinn einer Weichenstellung für die Zukunft die Zusammenlegung von Krankenkassen und Staffelungen im administrativen Bereich auf Länderebene, das heißt autonome Länderkassen mit Einnahmen- und Ausgabenkonzept – dadurch wäre die Berücksichtigung der Situation im jeweiligen Bundesland möglich –, Definition eines Leistungskataloges, Grundleistungen und Mindeststandards im Sinne der EU, Definition eines Leistungskataloges für Zusatzleistungen, Möglichkeiten einer Höherversicherung für Zusatzleistungen, Transparenz für erbrachte Leistungen pro Quartal oder Jahr, ein Bonus als Sparanreiz für den Beitragszahler und ergebnisorientierte Leistungen. Es wäre eine Möglichkeit, für die Zukunft einmal darüber nachzudenken.

Der Vorschlag ist die landesweite Zusammenlegung aller Krankenkassen. Das heißt, dass es nur noch eine gibt; keine Bauernversicherung, keine Arbeiterversicherung und was weiß ich was alles mehr, sondern nur noch einen Träger, der das im Land optimal regelt, aber bundesländerweise! (Bundesrat Manfred Gruber: Generaldirektor Gaugg!)  – Nein, ich glaube, da gäbe es noch einige andere Kandidaten, die auch geeignet wären. (Heiterkeit.) Überall muss Gaugg jetzt nicht sein, Gaugg ist kein Vorarlberger – also so will ich es nicht sagen.

Zusammenfassend: Aus den genannten Gründen kann ich der 60. ASVG-Novelle meine Zustimmung leider nicht geben, obwohl dieses Gesetz allgemein einige gute Punkte aufweist. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Bravo!)

1.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Anna Höllerer. Ich erteile ihr das Wort.

1.42

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Die Änderungen des ASVG, der Parallelgesetze und der heute in Verhandlung stehenden Gesetze beinhalten, wie bereits von meinen Vorrednern angesprochen, gravierende Verbesserungen in den verschiedensten Bereichen, und zwar auch, wie bereits von meinem Kollegen Bundesrat Fasching erwähnt, im Bereich der Bauern-Sozialversicherung durch die 26. Novelle. Auch eine Änderung des Landarbeitsgesetzes möchte ich hier anführen, diese ist heute noch nicht erwähnt worden. Damit wird eine Klarstellung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsbegriffes und somit eine genaue Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit erreicht. Das war uns immer ein Anliegen, und das kann nun mit dieser Gesetzesmaterie mitverhandelt werden.

Aber auch ich möchte zur Neukonstruktion des Ausgleichsfonds sprechen und hier vor allem einen Appell zur Solidarität aussprechen. Es scheint mir sehr wichtig zu sein, dass wir die Solidarität in den Mittelpunkt stellen. Es ist eine Solidarität zwischen den Berufsgruppen und zwischen den Sozialversicherungsträgern gefordert.

Wir haben in Österreich, wie heute bereits angeklungen ist, ein berufsständisches Versicherungs-Pflichtsystem. Das heißt, dass jeder nach seinem Beruf einem Versicherungsträger zugeordnet ist und sich den Versicherungsträger nicht frei aussuchen kann. Das hat große Vorteile, weil in den Versicherungen berufsspezifisch agiert werden kann. Es ist dadurch eine Nähe zum Versicherten gegeben, und das ist von enormer Wichtigkeit.

Aber es hat auch einen großen Nachteil. Dieser zeigt sich insbesondere dann, wenn man die Sozialversicherungsanstalt der Bauern etwas genauer betrachtet. Es sind immerhin 60 Prozent der aktiven Bauern im Nebenerwerb tätig, und sie zahlen in ein anderes Beitragssystem ein, zumeist in die Gebietskrankenkasse, da sie unselbständig erwerbstätig sind. Die Eltern dieser Bauern sind allerdings Leistungsbezieher aus der Sozialversicherungsanstalt der Bauern.


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690. Sitzung / Seite 255

Dadurch ist ein gewaltiges demographisches Problem für die Bauern-Sozialversicherung entstanden. Diese Strukturprobleme, die durch Überalterung gegeben sind, müssen natürlich durch einen internen Finanzausgleich der Versicherungskassen behoben werden.

Um Ihnen ein bisschen näher zu bringen, wie die Pensionsquote in der Krankenversicherung tatsächlich ausschaut, möchte ich Folgendes feststellen: In der Sozialversicherungsanstalt der Bauern haben wir eine Pensionsquote von 48,5 Prozent, das heißt, es sind beinahe 50 Prozent der krankenversicherten Personen Pensionisten. In der Gebietskrankenkasse sind es 30,7 Prozent. Es ist sehr wohl ein gravierender Unterschied, ob beinahe ein Drittel oder schon fast 50 Prozent der Versicherten Pensionisten sind, noch dazu, wenn man bedenkt, dass ältere Menschen gewaltig mehr an Leistungen aus der Krankenversicherung brauchen als junge Menschen.

Ich kann Ihnen auch dazu eine Zahl nennen. Es wurden die Heilmittelkosten pro geschützter Person des Berichtsjahres 2000 errechnet – da geht es natürlich noch um Schillingbeträge –, und da haben junge Menschen zwischen 20 und 29 Jahren im Durchschnitt aller Sozialversicherungssysteme 927 S im Jahr an Kosten hervorgerufen. Heilmittel sind Arzneien. Bei den Menschen zwischen 60 und 69 Jahren waren es 5 948 S, und dieser Betrag verdoppelt sich nahezu bis zum 80. Lebensjahr.

Wenn Strukturschwächen dieser Art in einem Krankenversicherungsträger schlagend werden, dann ist es selbstverständlich ein großes finanzielles Problem, das hierdurch herangetragen wird. Das ist ein Problem, bei dem man tatsächlich von einer unbeeinflussbaren Belastung sprechen kann. Umso notwendiger ist da natürlich auch die Solidarität, die im Rahmen eines internen Finanzausgleiches geübt werden muss.

Die Finanzierung dieses neu konstruierten Ausgleichsfonds erfolgt nicht durch eine Erhöhung von Beiträgen oder eine Senkung von Leistungen, sondern durch eine Rücklagenauflösung der Versicherungsträger. Ich verstehe schon, dass es Krankenkassen gibt, die Rücklagen schaffen konnten und diese nicht gerne auflösen, und schon gar nicht, um damit einen Topf zu speisen, aus dem strukturschwache Krankenversicherungsträger, die mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen, ihr Defizit abdecken können.

Es ist aber – und das muss ich auch einmal sagen – nicht die vordringlichste Aufgabe eines Krankenversicherungsträgers, Beiträge der Versicherten zu horten, auf die hohe Kante zu legen, sich Immobilien anzuschaffen oder die Mittel in Anleihen und Aktien zu investieren, sondern wir haben in Österreich ein Umlagesystem, ein Umlageverfahren, bei dem der Gesunde für den Kranken zahlt und der Aktive für den Pensionisten einzahlt. Daher muss es möglich sein und ist es auch notwendig, dass der liquide Versicherungsträger für den Versicherungsträger, der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, einzahlt, weil es Strukturveränderungen gibt, die nicht beeinflussbar sind. (Bundesrat Manfred Gruber: Eine gewisse Manövriermasse darf er sich zurückbehalten!)

Selbstverständlich sollte es eine gewisse Manövriermasse geben, da gebe ich Ihnen Recht. Aber diese Gelder, die jetzt aufgelöst werden, sind in diesen Topf einzubringen, um die Krankenkassen, die das dringend brauchen, in Solidarität wieder etwas liquider machen zu können.

Es wundert mich ein bisschen – das muss ich schon sagen –, dass es gerade die Gebietskrankenkassen sind, die sich massiv dagegen wehren, insbesondere der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, der diesen Ausgleichsfonds, wie er jetzt neu konstruiert wurde, ablehnt (Bundesrat Konecny: Ja!), obwohl die Wiener Gebietskrankenkasse jene Krankenkasse ist, die am meisten davon profitieren würde. (Bundesrat Konecny: Nein, das ist auch nicht wahr!) Das muss ich ganz spezifisch dazu sagen. (Bundesrat Manfred Gruber: ... keine Strukturprobleme hat wie die Bauernkasse!)

Sie alle wissen – und ich wundere mich darüber, dass das heute hier so massiv abgelehnt wird, obwohl Sie alle das wissen –, dass die Defizite der Kassen in erster Linie einnahmenseitig


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entstehen. Das heißt, dass die Einnahmen regional und berufsspezifisch äußerst unterschiedlich sind und dass die Leistungen in den Bundesländern bei den verschiedenen Berufen und bei den verschiedenen Kassen, also den Versicherungsträgern, weitestgehend identisch sind. (Bundesrätin Kainz: Darum kann man nicht ausgabenseitig ansetzen!) Selbstverständlich muss dann ein Strukturausgleich, wie er hier vorgeschlagen und vorgesehen ist, stattfinden, noch dazu dann, wenn in diesem neuen Ausgleichsfonds alle Einsprüche, die von den Bundesländern gekommen sind, berücksichtigt worden sind. (Bundesrat Kone
cny: Das glaube ich nicht!)

Es wird die Ausschüttung von Geldern aus dem Ausgleichsfonds von Reformleistungen der Versicherungsträger abhängig gemacht. Es liegt ein Tilgungsplan vor, nach dem die Rückzahlung der Gelder erfolgen soll. Auch die verzinsten Darlehen können, wenn sie nicht zurückgezahlt werden könnten, immer noch mit den Beiträgen in den Ausgleichsfonds kompensiert werden. Somit entgeht also keinem Versicherungsträger etwas von dem Geld, das er als Darlehen an die Versicherungen abgibt oder in den Ausgleichsfonds einzahlt.

Ich rufe Sie alle auf zu dieser Solidarität zwischen den Berufsgruppen und den Sozialversicherungsträgern! Ich bin sicher, dass das der richtige Weg ist, einen Beitrag zur Gesundung unserer Krankenkassen zu leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

1.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr das Wort.

1.51

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Ich möchte am Anfang positiv vermerken, dass durch die allgemeine Diskussion und den anfänglichen Widerstand von Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und der Wirtschaft nunmehr Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf möglich geworden sind.

Allerdings ist dieses Sozialversicherungsgesetz für uns aus Vorarlberg und auch für mich persönlich nicht so gestaltet, dass ich ihm zustimmen kann. Es werden mit diesem Gesetz nicht die Ursachen der Überschuldung einzelner Kassen bereinigt, sondern es wird nur die Wunde auf Kosten anderer zugedeckt. Ich könnte auch sagen: Das Haus wird mit diesem Gesetz nicht auf Grund gebaut. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Das Land Vorarlberg und die Vorarlberger Gebietskrankenkasse haben schon mehrfach und auch tatkräftig mitgeholfen, Strukturausgleiche zu ermöglichen, und damit Solidarität gelebt. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse zahlt schon jetzt wöchentlich über 10 800 € in den Ausgleichsfonds ein. Der Ausgleichsfondsbeitrag wurde im Jahre 2001 von 1,4 auf 2 Prozent erhöht, um Strukturänderungen zu ermöglichen. Aber es gibt nachweislich Krankenkassen, die bisher nicht bereit waren, strukturelle Änderungen durchzuführen – Krankenkassen, die säumig sind! Sie werden nun dadurch belohnt, dass sie zusätzliche Darlehen bekommen, während jene Kassen, die sparsam gewirtschaftet haben, Geld, das sie eigentlich selbst brauchen, um Defizite abzudecken, als Darlehen gewähren müssen. Ist das Solidarität?

Da der Hauptverband nun doch bereit war, Geld zuzuschießen, haben sich die Darlehen bei den Gebietskrankenkassen entgegen dem ursprünglichen Entwurf verringert, nicht aber bei den Versicherungen der Eisenbahnen und der öffentlich Bediensteten sowie bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft. Da immer wieder versichert worden ist, dass die Darlehen zurückgezahlt werden – was Fachleute auf Grund der Situation und Erfahrungen bezweifeln (Bundesrat Konecny: Genau das!)  –, hätten die Darlehen, wie ich schon vor vielen Wochen gesagt habe, bei den Banken aufgenommen werden können. Die Banken hätten das sicherlich gewährt, wenn der Bund die Ausfallshaftung übernommen hätte.

Die verantwortungsvolle Gebarung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse haben die Vorarlberger Versicherten am eigenen Leib gespürt. Darum trifft dieses Gesetz einen empfindlichen


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Nerv der Vorarlberger Bevölkerung. So gab es zum Beispiel mehrere Jahre lang keine Verträge der Vorarlberger Gebietskrankenkassen mit den Zahnärzten. Man musste all das selbst bezahlen und bekam dann einen sehr geringen Teil zurück. Die Kuraufenthalte werden in Vorarlberg viel strenger als in anderen Bundesländern gehandhabt. Was die Vorarlberger von Kurgästen anderer Bundesländer zu sehen und zu hören bekommen, wenn sie auf Kur sind, ist nicht gerade aufbauend. Auch besteht für die Ärzte in Vorarlberg eine Deckelung ihrer Arzthonorare. – Dies, um nur einige Beispiele zu nennen.

Es wird das Gefühl vermittelt, verantwortungsbewusst zu handeln und zu sparen ist nicht klug! Daher kommen auch die 108 000 Unterschriften.

Herr Staatssekretär Dr. Waneck! Sie und Ihr Minister, Mag. Haupt, haben mir persönlich und auch hier im Bundesrat des Öfteren versichert, dass Sie ebenfalls nicht dafür sind, dass jene Kassen, die verantwortungsbewusst handeln, die anderen unterstützen, die das nicht tun. Leider geht das vorliegende Gesetz genau in diese Richtung!

Ich denke auch – um einmal einen Vorschlag zu bringen –, dass Strukturveränderungen unter anderem organisatorisch erfolgen müssen. Nach meinen Informationen entstehen zirka 90 Prozent der gesamten Kosten durch niedergelassene Ärzte und stationäre Behandlung. Als Beispiel dazu sei erwähnt: Wenn jemand krank ist und zu einem Arzt geht, werden dort verschiedene Untersuchungen durchgeführt; er wird dann ins Spital eingewiesen, und im Spital werden noch einmal genau die gleichen Untersuchungen gemacht. Da besteht eine Doppelgleisigkeit, die doppelt Geld kostet und die meiner Meinung nach relativ rasch abgestellt werden könnte.

Ich kann in diesem Zusammenhang der ehemaligen Führung des Hauptverbandes sowie den Verantwortlichen verschiedener Kassen einen Vorwurf nicht ersparen, denn die prekäre Situation einzelner Krankenkassen ist schon lange bekannt. Daher hätten Strukturen schon vor Jahren und nicht erst in letzter Minute geändert gehört!

Weitere Gründe für mich, diesem Gesetz nicht zuzustimmen, sind folgende: Mit diesem Gesetz werden die Verantwortung und der wirtschaftliche Spielraum der Kassen total eingeengt. Der Hauptverband sagt im Endeffekt, wo es langgeht, und wer diese Kriterien nicht erfüllt, bekommt kein Geld. (Bundesrätin Kainz: Nicht der Hauptverband! Der Gesetzgeber!) Zentralisierung anstatt Dezentralisierung heißt das so schön! Wo wird da auf die spezifischen Ländereigenheiten eingegangen? – Das ist nicht zukunftsweisend.

Was passiert in weiterer Folge mit jenen Kassen, die bankrott bleiben oder werden? – Auch das ist in diesem Gesetz nicht geklärt. Ein weiterer Grund für mich, dem Gesetz nicht zuzustimmen, ist, dass die Begutachtungsfrist nicht eingehalten wurde und diese Regierungsvorlage in einem Sonderministerrat beschlossen wurde, was schon aus demokratiepolitischen Gründen zurückzuweisen ist. (Bundesrat Würschl: So ist diese Regierung!)

Erfreulich in diesem Zusammenhang ist, dass die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft durch harte Verhandlungen erreicht hat, dass die Mindestbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung halbiert wird und dass die Jungunternehmer und -unternehmerinnen zwei Jahre die Mindestbeitragsgrundlage bezahlen, sowie eine 60-prozentige Erhöhung der Unfallversicherung für Selbständige. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ich habe gesagt, das ist positiv.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass Selbständige den höchsten Beitragssatz von 8,9 Prozent in der Krankenversicherung bezahlen und einen Selbstbehalt von 20 Prozent haben. Außerdem muss die Selbständigen-Krankenversicherung 72 Millionen € als Darlehen gewähren, also fast 100 Prozent mehr als die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, die von den Krankenkassen den höchsten Darlehensbeitrag zu leisten hat, nämlich 37 Millionen €. – Wo ist da die Solidarität?

Der Preis der Gewerblichen Sozialversicherung der Selbständigen für die vorher erwähnten Verbesserungen ist hoch. Auch Gewerbetreibende müssen mühsam und mit viel Einsatz und Arbeit ihre Betriebe führen und Arbeitsplätze erhalten. Ich weiß auch, dass bereits verschiedene


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Länder und Krankenkassen Gesundheitsmodelle entwickeln. Interessant dabei ist – nebenbei erwähnt –, dass dies gerade jene Kassen tun, die sparsam und verantwortungsbewusst handeln. Dies ist vielleicht aber auch bezeichnend. Das Vorarlberger Gesundheitsmodell liegt seit dem letzten Jahr im Ministerium. Leider ist jedoch bis heute, Herr Staatssekretär Dr. Waneck, noch keine Entscheidung darüber gefallen! Ich möchte Sie daher heute fragen, bis wann wir mit einer Entscheidung rechnen können.

Abschließend ersuche ich Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ihre Entscheidung anhand meiner oben angeführten Gründe nochmals zu überlegen und unserem Einspruchsantrag zuzustimmen, damit das österreichische Gesundheitshaus auf solidem Grund gebaut werden kann! Dies ist notwendig. (Bundesrat Manfred Gruber: Ja! Das ist sehr notwendig!) Davon bin ich zutiefst überzeugt, damit das Gesundheitssystem in Österreich auch in Zukunft finanziert werden kann. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, der Freiheitlichen und der SPÖ.)

2.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herwig Hösele. Ich erteile ihm das Wort.

2.02

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Solidarität und Strukturreform müssten eigentlich die Überschriften sein, unter welchen die langfristige Absicherung des Sozialversicherungssystems in Österreich stehen sollte, und ich glaube, dass die 60. ASVG-Novelle sowie die Reformbemühungen der letzten Jahre weitere Schritte dazu darstellen.

Es ist dies leider insgesamt ein relativ innovationsresistentes System, bei welchem man sehr behutsam vorgehen muss und leider nur langsam vorgehen kann. – Ich bringe aus dem steirischen Bereich ein kleines Beispiel, das beweist, dass gewisse Strukturreformmaßnahmen sehr sinnvoll sind: Im Frühjahr 2002 wurde nicht zuletzt durch die Aktivitäten der neuen Führung des Hauptverbandes bekannt, dass die steirische Gebietskrankenkasse im September 1995 ein EDV-Projekt mit veranschlagten Kosten in der Höhe von 2,2 Millionen € gestartet hat, das ursprünglich 1998 fertig gestellt sein sollen hätte. Derzeit sind erst drei Viertel des Projektes fertig, es wurden aber schon 12,3 Millionen €, also etwa das Sechsfache der ursprünglich veranschlagten Kosten, ausgegeben. Die geplante Fertigstellung des Projektes wird aber voraussichtlich erst im Dezember 2003 stattfinden und ist mit Gesamtkosten in der Höhe von 22,3 Millionen € veranschlagt, obwohl am 21. Dezember 2001 dem Sprecher des Hauptverbandes von der steirischen Gebietskrankenkasse noch mitgeteilt wurde, dass alles in Ordnung und die Sache endlich fertig sei.

Die beauftragte Prüfungsfirma, die deutsche Unternehmensberatungsfirma Kompass, hat im Frühjahr im Succus ihrer Prüfung festgestellt: Das Projekt wurde aus Sicht von Kompass wesentlich unterschätzt und hätte in der derzeitigen Form nicht aufgesetzt werden dürfen.

Darüber hinaus wurde vom Ministerium eine Rechnungshofsonderprüfung erbeten. Welche Konsequenzen die steirische Gebietskrankenkasse bisher daraus gezogen hat, ist auch bekannt: Es ist niemand zurückgetreten, und es ist auch niemand abberufen worden. Drei leitende Mitarbeiter, darunter der Generaldirektor, erhielten eine Rüge, ein mittlerweile pensionierter Direktor verlor seine Zusatzpension, aber insgesamt sind die Kosten des Projekts auf das Zehnfache, nämlich auf 22,3 Millionen €, angestiegen. (Bundesrätin Höllerer: Hört! Hört!) Das ist ein recht hübscher Betrag!

Gleichzeitig muss ich auf die Klage des steirischen Roten Kreuzes hinweisen, bei welcher es um einen verhältnismäßig kleinen Betrag geht, der aber sehr wichtig ist. Das Grazer Rote Kreuz beklagt seit Jahren die Tarife der steirischen GKK. Die Beträge wurden im Vorjahr noch in Schilling gerechnet: Das Grazer Rote Kreuz erhielt 351 S für einen Krankentransport im Stadtgebiet, es kann aber erst ab 450 S pro Transport kostendeckend gearbeitet werden. – Ich will jetzt keine Gegenrechnung aufstellen, mit welch minimalem Betrag man diese Sache in Wahrheit ordentlich regeln können hätte, wenn man beim EDV-Projekt verantwortungsbewusst gehandelt hätte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)


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Noch eine kleine Anmerkung zum Punkt Planungsgenauigkeit beziehungsweise Budgetwahrheit der steirischen Gebietskrankenkasse: Im Endeffekt ist das Ergebnis zwar erfreulich, ich stelle mir aber doch die Frage, wie so etwas möglich ist. – Im Voranschlag 2001 wurde noch ein Defizit in der Höhe von 44 Millionen € veranschlagt. Tatsächlich betrug der Abgang nur 3,4 Millionen €. Es ist eine großartige Leistung, wenn das Defizit gegenüber dem Voranschlag im Abschluss um das Zehnfache verringert wird, ich frage mich aber, wie es mit der eigentlichen Kostengenauigkeit dort wirklich vor sich geht!

Ich glaube, es gibt eine ganze Reihe von Reserven bei allen Sozialversicherungsträgern, die sehr genau überprüft werden sollten. Wo aber bleiben die Vorschläge der Opposition für eine sinnvolle Strukturreform? – Meist hören wir in diesem Zusammenhang nur die Forderung nach einer Beitragserhöhung!

Ich meine, man sollte insgesamt an den Strukturen und an Strukturreformen arbeiten. Wäre nicht auch die Schaffung von Landesgesundheitsfonds sinnvoll, ähnlich wie es Kollegin Giesinger für Vorarlberg hier angesprochen hat und was alle fünf ÖVP-Gesundheitslandesräte kürzlich wieder vorgeschlagen haben, um gewisse Doppeluntersuchungen, Doppelbefundungen und Mehrgleisigkeiten abzustellen? – Anstatt sozusagen alles zwischen den Trägern Bund, Sozialversicherung, Land und Gemeinden hin- und herzuschieben, würde sich auch die Möglichkeit bieten, einen einheitlichen Fonds zu schaffen und damit eine Verteuerung und die Zersplitterung der Gesundheits- und Spitalsfinanzierung mit gemeinsamer Verantwortlichkeit zu beenden. Ich halte das für eine der Möglichkeiten.

Insgesamt meine ich aber, dass mit der 60. ASVG-Novelle weitere wichtige Schritte in Richtung Solidarität und notwendiger Strukturreform gesetzt werden, und wir werden dieser gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

2.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Hedda Kainz das Wort. – Bitte.

2.07

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist heute unter diesem Tagesordnungspunkt sicher einiges Richtiges gesagt worden, jedoch auch eine ganze Menge Falsches. (Bundesrat Manfred Gruber: Jawohl! – Bundesrat Dr. Maier: Das können Sie nicht beurteilen! – Bundesrat Dr. Böhm: Sprechen Sie ex cathedra?) Darf ich jetzt weitersprechen?

Zahlreiche Argumente beziehen sich auf Einzelpositionen, die aus dem Zusammenhang gerissen eben falsch sind, obwohl sie in der subjektiven Wahrnehmung vielleicht einige Berechtigung haben. – Tatsache ist jedenfalls, dass heute hier mit keinem Wort die enorme Steigerung im Bereich des Gesundheitswesens erwähnt wurde. Es wurde mit keinem Wort erwähnt, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen Aufgaben vorgibt und ihnen dann die Bedeckung verweigert, wie wir heute bei dieser 60. Novelle feststellen müssen.

Wir haben in den vergangenen Jahren und gerade in den Jahren 2000 und 2001 eine enorme Belastung der Kassen durch gesetzliche Maßnahmen erleben müssen. Dann werden hier als Beispiel für Einsparungen und positives Wirtschaften einzelne Länderkassen genannt. Auch die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse wirtschaftet sehr vorteilhaft. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt: Was uns als Gewerkschaftern weniger gefallen hat, ist, dass wir zur Kenntnis nehmen mussten, dass der enorme Druck auch auf die Personalsituation mit ein Grund für die positive Gebarung ist. Tatsache ist jedenfalls, dass da Dinge vermengt werden, die dann in Schlagworten wie Solidarität gipfeln.

Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird dieser 60. ASVG-Novelle keinesfalls die Zustimmung geben, die in ihrem Kernstück darin gipfelt, dass eine Finanzierungsmaßnahme vorgeschlagen wird, die den Ruin aller Kassen bedeutet. (Bundesrat Freiberger: So ist es!)


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Ich möchte mich hier gar nicht in einzelnen Argumenten ergehen. Herr Vizepräsident Weiss hat hier – was nicht verwunderlich ist – in äußerst profunder Art und Weise das Problem dargelegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier jemand der Meinung ist, dass eine Finanzierung über den Ausgleichsfonds eine gesicherte Finanzierungsmethode ist! Ich kann das Wort "Strukturmaßnahmen" schon gar nicht mehr hören! Was Strukturmaßnahmen sind, unterliegt nämlich auch wieder der jeweiligen Definition. – Ich behaupte, dass die hier angesprochene und vorgelegte Finanzierungsmethode so aussieht, als würde man jemandem für die Miete einen Kredit gewähren. Es ist dies ein Überbrücken mit einer Krücke für eine gewisse Zeit, um dann vor der Situation zu stehen, dass diese Maßnahme doppelt und dreifach gravierend wieder zum Tragen kommt. Wir werden im Zusammenhang mit diesen – unter Anführungszeichen – "Solidaritätsmaßnahmen" letztlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich dann nicht einzelne Kassen in finanziellen Schwierigkeiten befinden werden, sondern alle. – Ich meine, dass das doch nicht das Ziel einer Novelle sein kann!

Wenn ich jetzt mit einigen Bemerkungen auf die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse Bezug nehme, dann möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass es ein ganz gravierender Umstand neben den schmerzlichen Maßnahmen, die im Bereich des Personals getroffen wurden, die durchaus auch wirtschaftliche Vorgangsweisen bedeutet haben, war, dass das Schwergewicht dennoch auf gesundheitlichen Vorbeugemaßnahmen lag, weil erfahrungsgemäß Prophylaxe billiger als das Finanzieren der Sanierung von bereits eingetretenen Schäden ist. Wenn Oberösterreich jetzt die geforderte "Solidarleistung" – unter Anführungszeichen – einhalten soll, dann bedeutet das, dass wir diese Linie nicht fortführen können. Damit sind etwa die gesamte Kariesprophylaxe für Schulkinder und die gesamte Diabetesvorsorge – um nur zwei Punkt zu nennen – gefährdet. Beide Maßnahmen konnten jetzt aus dem Zinsendienst der Rücklagen bedeckt werden, wobei Letztere übrigens auch nur mehr für den Moment vorhanden sind und sich die Situation bereits in den nächsten Jahren wieder gravierend ändern wird.

Meine Damen und Herren! Wenn hier heute Vorschläge eingefordert wurden, dann möchte ich nur auf die Aussagen von Fachleuten in Österreich, aber auch in anderen Ländern hinweisen, welche ganz klar besagen, dass die einzige wirklich sinnvolle Maßnahme, um neben notwendigen flankierenden Maßnahmen die finanzielle Situation der Sozialversicherung in den Griff zu bekommen, die Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage ist. Notwendige Maßnahmen sind im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu treffen, bei der es jedoch Einschränkungen unter dieser Regierung gibt. Weiters wären Maßnahmen im Bereich der Ausbildung nötig, denn qualifizierte Ausbildung bedeutet qualifizierte Arbeitsplätze.

Eine Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage ist, wie gesagt, notwendig, und es gäbe durchaus noch einige Dinge, die auch schon angesprochen wurden, wie etwa bis jetzt nicht der Sozialversicherung unterliegende Einkommen. Die notwendigen Solidarausgleiche können dann für jene Maßnahmen, die bis jetzt als finanzierbar und zumutbar gegolten haben, bleiben, und damit ist die Sicherheit der sozialen Krankenversicherung für ihre Mitglieder gegeben. Es geht darum, dass man sich bei der Einführung dieser Selbsthilfeorganisation beziehungsweise bei der Gründung dieser Institution auch Finanzierungsgrundsätze gegeben hat, nämlich die paritätische Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das ist übrigens das Argument, warum wir höhere Selbstbehalte und eine größere Zahl an Selbstbehalten ablehnen, denn der genannte Grundsatz wird damit ganz massiv verzerrt beziehungsweise wurde leider bereits schon verzerrt.

Meine Damen und Herren! Das ist für uns eine ausreichende Zahl an Gründen, dass wir dieser 60. ASVG-Novelle nicht die Zustimmung geben. Im Übrigen verweise ich noch einmal auf die zusammengefassten und mit aller wissenschaftlicher Untermauerung hier dargelegten Argumente des Vizepräsidenten Weiss. Ich denke, dass es nicht unmöglich ist, auch mit Hilfe überparteipolitischer und weltanschaulicher Grundsätze in der Sachfrage eine Gemeinsamkeit herbeizuführen. Ich meine, dass der eine oder andere derjenigen, die hier sitzen und ganz genau wissen, dass diese Aussagen fundiert und begründet sind, doch in Betracht ziehen sollte, den Vorschlägen, die in dem Zusammenhang gemacht wurden, und auch dem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

2.16


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690. Sitzung / Seite 261

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel das Wort. – Bitte.

2.16

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dass die Debatte trotz fortgeschrittener Stunde sehr spannend und interessant ist, weil ich glaube, dass jeder hier sein Bestes bei der Darlegung seiner Überzeugung gibt, wie wir die Gesundheitsversorgung und das Versicherungssystem auf Dauer sichern können.

Ich stimme mit meiner Vorrednerin überein. Frau Kollegin Kainz! Sie haben Recht! Es gibt derzeit eine Vermischung von Selbstverwaltung, gesetzgeberischen Akten und gesetzlichen Initiativen. Auch ich halte das für eine der Ursachen, dass in diesem Bereich keine klaren Verantwortungsbereiche gegeben sind, dass auch das Controlling erschwert ist und dass wir heute vor diesen Tatsachen stehen, in Anbetracht welcher wir jetzt neue Perspektiven entwickeln müssen.

Sie haben eindrucksvoll geschildert, wie gut die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse ihre Arbeit erledigt. Auch ich bin beeindruckt, wie die das dort machen! Ich wundere mich nur, dass, wenn das Softwaremodell schon längst entwickelt wurde, andere wieder Lehrgeld zahlen müssen, wenn ohnehin alles bereits vorhanden ist. Es ist verwunderlich, wenn das Medikamentenkontrollsystem mit den Ärzten bestens funktioniert, sodass die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse im selben Jahr 250 Millionen Schilling Überschüsse erzielen kann, dass bei der gleichen sozialgesetzlichen Situation die Wiener Gebietskrankenkasse mit Herrn Bittner an der Spitze eine Milliarde Defizit macht! Irgendwo muss doch dann im Management der Hund liegen! Wir brauchen kein ... (Bundesrätin Kainz: Das sind die Strukturen, obwohl ich es nicht mehr hören kann!)  – Nein! Das habe ich nicht gesagt! Das haben Sie gesagt! Ich habe das Wort nicht verwendet!

Vielleicht müssen wir auch in diese Richtung etwas unternehmen. Ich meine nämlich, dass wir alle Maßnahmen setzen und keine Tabus haben sollten, wenn es darum geht, wie wir das System im Sinne einer besseren Patientenorientierung und Kundenorientierung für die Versicherten in diesem Land dauerhaft sichern können. Ich glaube, dass dieses Modell es wert wäre, einmal im Hauptverband oder bei einer Zusammenkunft der österreichischen Gebietskrankenkassendirektoren eingehend erläutert zu werden, denn es zeitigt Erfolge.

Ich habe mich etwas gewundert, als Kollege Freiberger gesagt hat, dass das Krankenversicherungssystem durch die jetzige Sanierungsaktion geschwächt werde. Ich weiß nicht, ob es sich um eine Schwächung handelt, wenn die Wiener Gebietskrankenkasse eine Milliarde Schilling bekommt, damit sie weiterarbeiten kann! (Bundesrat Freiberger: Zuhören!) Vielmehr ist das eine Solidaritätsaktion der anderen, um die Gesundheits- und Krankenversorgung in Wien zu sichern. – Mit Ihrer Argumentation komme ich also nicht ganz mit! (Bundesrat Freiberger: Ich habe gesagt, dass das Problem nur hinausgeschoben wird!) Jetzt wird einmal sichergestellt, dass die Wiener Gebietskrankenkasse ihre Verpflichtungen den Versicherten gegenüber weiterhin erfüllen kann. Das ist, wie ich glaube, der entscheidende Punkt.

Ich glaube, dass schon alles gesagt wurde, was das derzeitige System betrifft. Wir wissen, dass gegenüber der Erstfassung wesentliche Fortschritte erzielt wurden. Die Rücklagen des Hauptverbandes werden teilweise zur Sanierung der Krankenkassen herangezogen, die Höhe der Zinsen für die zu gebenden Darlehen wurde verbessert. Zu sanierende Kassen haben zur Finanzierung ihres Gebarungsabganges nicht betriebsnotwendige Vermögensbestandteile zu veräußern. Es hat sich im Zuge dieser Verhandlungen herausgestellt – um bei der Wiener Gebietskrankenkasse zu bleiben –, dass sie über Vermögenswerte von über einer Milliarde Schilling, Immobilienbesitz et cetera, verfügt. Ich meine, das auch das herangezogen werden soll, um die wirtschaftliche Situation der Kasse zu verbessern.

Ein Vorschlag für die Zukunft: Ich glaube, dass die Sozialpartner im Bereich der Selbstverwaltung sehr viel geleistet haben. Ich glaube, dass die Sozialpartner auch in den vergangenen


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drei Jahren vieles zu Stande gebracht haben. Ich erinnere etwa an die Vorarbeit, die sie für die Abfertigung neu für die Bundesregierung geleistet haben! Dieser Gesetzentwurf ist ja in enger Zusammenarbeit zwischen Präsident Leitl und Präsident Verzetnitsch ausgearbeitet worden. Es ist dies ein tragfähiges und gutes Fundament, und ich glaube, dass in diesem Stil auch an die Lösung der Probleme der Krankenversicherung herangegangen werden sollte. Ich erinnere an das Angebot von Präsident Leitl betreffend volle Verantwortung für die Sozialpartner und eine klare Regelung für die Krankenversicherung. Ich glaube, dieses Thema und dieses Problem ist bei den Sozialpartnern gut aufgehoben, und sie werden es gut lösen. Ich weiß, dass die Präsidenten Dr. Leitl und Verzetnitsch diese Sache akkordiert haben, und ich traue ihnen zu, dass sie diesbezüglich entsprechende Vorschläge bringen.

Wir können nicht so weitermachen wie bisher! Ich gebe Ihnen Recht, Frau Kollegin Kainz! Sie haben die Kostenentwicklung angesprochen: Derzeit steigen die Ausgaben um ungefähr 6 Prozent, und die Einnahmen hinken mit 3 Prozent wesentlich nach. Ich glaube, es ist wichtig, dass zukünftig eine Grundversorgung auf hohem Niveau garantiert wird, so wie es zum Beispiel von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse angeboten wird, und Sonderwünschen, die es bei den Fortschritten der Medizin natürlich immer wieder gibt, muss Rechnung getragen werden. Die Medizin ist sehr innovativ und forschungsintensiv. Da werden wir selbstverständlich nicht immer allen alles anbieten können. Ich glaube, das steht völlig außer Streit. Aber ich bin überzeugt, dass das ein guter Ansatz ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. )

Heute ist von mehreren Rednern die Vermischung von gesetzgeberischen Aktivitäten und Selbstverwaltung kritisiert worden. – Diesbezüglich gehört reiner Tisch gemacht! Nehmen wir doch dieses Angebot an, und beauftragen wir die Sozialpartner, für ihre Zahler und für ihre Kunden, für ihre Versicherten, dieses Problem anzugehen! Ich bin überzeugt, dass wir zu ähnlich befriedigenden Ergebnisse kommen werden wie bei der Abfertigung neu. Für die Versicherten wäre das ein großer Vorteil.

Es wurde bei einer großen Versicherung, bei der Gewerblichen, bereits vorgezeigt: Da hat sich in den letzten Wochen sehr viel Positives für die Versicherten getan. Die Halbierung der Krankenversicherungsbeiträge soll erst einmal jemand nachmachen! Die Halbierung der Mindestbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung ist eine Gemeinschaftsleistung von Präsident Sigl und Christoph Leitl, weiters auch die Pauschalierung der Krankenversicherungsbeiträge für Jungunternehmer und um 60 Prozent höhere Unfallversicherungsrenten ab dem neuen Jahr.

Mit dieser Erhöhung der Leistungen für die Versicherten wurde, wie ich meine, gute Arbeit geleistet. In diesem Sinne sollten wir die Probleme konstruktiv angehen! Ich glaube, in diesem Geiste werden auch entsprechende Erfolge gezeitigt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

2.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr das Wort.

2.26

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Vorredner beziehungsweise die Vorrednerin meiner Fraktion, aber auch die Kollegen aus Vorarlberg und Frau Kollegin Giesinger haben bereits darauf hingewiesen, dass sie diesen Gesetzesvorlagen nicht zustimmen werden, da wir zusammen – wenn ich so sagen darf – der Ansicht sind, dass die geplante Sanierung der finanzschwachen Krankenkassen durch Darlehen von finanzkräftigeren Sozialversicherungsträgern sozusagen nur eine Enteignungsaktion darstellen und eine nachhaltige Sanierung der finanzschwächeren Krankenkassen damit nicht gewährleistet wird. – Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Der Zugang der Sozialdemokraten zu einer nachhaltigen Sanierung der Krankenkassen ist ein anderer. Heute hat es wieder geheißen, dass es von uns keine Vorschläge gibt: Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag mit Vorschlägen für eine sowohl einnahmen- als auch ausga


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690. Sitzung / Seite 263

benseitige Sanierung wurde im Nationalrat eingebracht, und das entsprechende Maßnahmenpaket würde auch eine erstklassige medizinische Versorgung für alle sicherstellen.

Wir sind der Ansicht, dass Sie den politischen Weg zu einer Zwei-Klassen-Medizin einschlagen. Wir hingegen wollen faire Chancen für alle, und wir werden dieser Gesetzesmaterie unsere Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

2.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny das Wort. – Bitte.

2.27

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es ist mir zunächst einmal unbegreiflich, warum wir diese 60. ASVG-Novelle brauchen.

Anfang dieses Monats wurde vom zuständigen Ministerium die Broschüre "Wiens Spitäler 2002" herausgebracht. Diese Broschüre enthält offensichtlich einen Aufsatz des Herrn Staatssekretärs – es steht jedenfalls sein Briefkopf darüber –, und dieser Aufsatz beginnt mit der eindrucksvollen Schlagzeile "Krankenkassen sind saniert". – Wenn es sich so verhält, dann frage ich Sie: Wozu brauchen wir dann Solidarität, Ausgleichsfonds, Zwangsdarlehen und Ähnliches mehr? Der Herr Staatssekretär teilt der Öffentlichkeit mit – jetzt haben wir es schwarz auf weiß –: "Die Krankenkassen haben kein Defizit, die Kassen sind im Plus, freut sich der zuständige Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck."

Wir weisen diese Vorlage zurück und fordern dazu auf, zu versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden, wie wir das Plus gerecht auf die einzelnen Bundesländer und auf die einzelnen Krankenkassen aufteilen können! Es könnte natürlich sein, dass der Herr Staatssekretär vollmundig – auch wenn man das bei einem Druckwerk nicht wirklich sagen kann – etwas verkündet hat, was einfach nicht der Wirklichkeit entspricht, denn sonst würden wir ja diese Novelle nicht brauchen!

Ich meine, der Herr Staatssekretär sollte uns sagen, was hier gemeint ist, und zwar vor allem deshalb, weil er den überwiegenden Teil des Textes dafür aufwendet, Herrn Sallmutter zu diffamieren, der genau das vorhergesagt hat, dass nämlich die Krankenkassen auf einen Finanzierungsengpass zusteuern, und der davor gewarnt hat. Jener Mann, der so unfähig war, dass er stantepede weg musste, hat offensichtlich mit einer aus langjähriger Erfahrung abgeleiteten prophetischen Gabe dieses Schlamassel, mit dem Sie sich jetzt herumzuschlagen haben, vorhergesehen und natürlich auch – kommen Sie damit nicht! – Vorschläge dazu gemacht.

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten 30 Jahren, die Sie so oft im Munde führen, einen wirklichen Qualitätssprung – ich verwende jetzt aus guten Gründen das Wort "Quantensprung" nicht, denn es wurde einmal im Fernsehen erklärt, dass das bekanntlich ein physikalisch zufälliger Prozess ist – erreicht, der mit dem Satz des Kampfes gegen das Sterben vor der Zeit eingeleitet wurde. Wenn Sie sich die Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger – Raucher eingeschlossen – anschauen, dann sehen Sie, dass dieser Kampf – und wann kann man da schon von erfolgreich sprechen? – jedenfalls gewaltige Fortschritte gebracht hat. Es ist in diesen 30 Jahren zu einer Intensivierung der Gesundheitsversorgung, der Vorsorgemedizin und der kurativen Medizin, gekommen, was selbstverständlich auch Mehrkosten verursacht hat.

Wenn an einem Abend so viel von Solidarität die Rede ist, dann sollten wir auch Folgendes festhalten: Die allererste Solidarität in diesem Bereich hat doch wohl jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu gelten, deren Gesundheit nicht gesichert ist, welche die Hilfe der Gemeinschaft bei der Wiederherstellung ihrer Gesundheit, bei der Vermeidung von Erkrankungen oder zumindest bei einer relativen Verbesserung ihrer gesundheitlichen Lage brauchen. – Das ist jede Anstrengung wert!


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690. Sitzung / Seite 264

Nun verhält es sich mit Sicherheit so, dass die bisherige Tätigkeit dieser Bundesregierung – das ist in allen Einzelheiten hier dargelegt worden – entscheidend dazu beigetragen hat, dass sich die Krankenkassen in einer ernsten finanziellen Lage befinden. Es wurde beispielsweise unter dem berühmten Schlagwort des Nulltarifes tief ins Börsel der Krankenversicherungsträger gegriffen, um den Bund bei der Spitalsfinanzierung zu entlasten. – Das ist ein, aber keineswegs das einzige Beispiel.

Ich halte es für ein wenig skurril, wenn wir hier über die schwierige Lage der Kassen reden und dann eine Reihe von Sprecherinnen und Sprechern der Regierungspartei quasi als Palliativmedizin sagt: Aber es ist doch auch etwas Gutes an der 60. Novelle, da haben wir Beiträge gesenkt! – Dieser barocken Argumentation kann ich nicht wirklich etwas abgewinnen! Wir alle würden gerne für unsere jeweilige Klientel Beiträge senken, aber wenn wir die Aufgaben der Gesundheitspolitik ernst nehmen, dann ist das vermutlich nicht das Erste und Richtigste, was wir zu tun haben.

Aber natürlich sind es nicht nur die Maßnahmen im engeren Bereich der Gesundheitspolitik, welche die Kassen negativ betreffen. Wir erleben mit ziemlichen Sorgen eine Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die auch wieder einen Grund hat: Es gibt keine öffentlichen Aufträge und keine aktive Arbeitsmarktpolitik mit dem Ergebnis, dass uns Beitragszahler in der Pensionsversicherung, aber auch in der Krankenversicherung abhanden kommen. Ein Teil der besonderen Probleme der Wiener Gebietskrankenkasse hängt auch damit zusammen, dass sich die Personalpolitik dieser Bundesregierung mit ihrer Attacke auf den öffentlichen Dienst naturgemäß in der Bundeshauptstadt in besonderem Umfang auswirkt.

Wir haben Ihnen im Rahmen einer dringlichen Anfrage bei einer unserer letzten Sitzungen deutlich gesagt, dass das, was hier geschieht, nichts mit Problemlösung zu tun hat. Vielmehr ist dies die Vertagung eines Problems um – so sagen Experten – etwas mehr als ein Jahr. Und ich bin ganz der Meinung des Herrn Vizepräsidenten Weiss, dass zu diesem Zeitpunkt dann glücklich alle Kassen defizitär sein werden, dass jedoch Sie politisch mit diesem Problem nicht mehr konfrontiert sein werden!

Das mag Ihnen attraktiv erscheinen, aber eine Lösung für die Österreicherinnen und Österreicher und für das Gesundheitssystem ist das mit Sicherheit nicht! Natürlich hat Kollegin Höllerer Recht: Die Defizite entstehen in erster Linie einnahmenseitig. Daher ist es auch nicht wirklich erfolgversprechend, mit den gut klingenden Schlagworten von Strukturreformen und Verwaltungseinsparungen so zu tun, als ob das ausgabenseitig sanierbar wäre. Wir müssen ganz klar über den Vorrang im Gesundheitssystem diskutieren, ob wir also – das Wort ist gefallen, es ist hart, aber es ist deshalb nicht falsch – eine Zwei-Klassen-Medizin haben wollen und ob wir Gesundheitskosten auf den Verursacher, also auf den Kranken, in welcher technischen Form auch immer, überwälzen und jenem, der diesen Betrag nicht aufbringen kann, sagen: Es tut uns entsetzlich Leid, aber du gehörst jetzt wieder zu jenen, die vor der Zeit erkranken und vielleicht auch sterben müssen!, oder aber ob wir versuchen, Solidarität umfassend zu begreifen.

Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass man bei dieser Lösung, die keine Lösung ist, die Begutachtungsfrist, die den Ländern gegeben wurde, ignoriert hat. Es ist mit niemandem ernsthaft darüber verhandelt worden. Wenn gesagt wird: Setzen wir uns zusammen, und gehen wir solche Probleme wie unterschiedliche Beitragssätze an!, dann gebe ich zu, dass das durchaus auch etwas ist, was im Bereich der Solidarität anzudiskutieren ist! Wir werden zusätzliche Mittel im Gesundheitssystem brauchen, und es handelt sich um eine gesellschaftspolitische Prioritätensetzung, wo wir uns diese besorgen. Eine lineare – und ich betone das Wort "lineare" – Beitragserhöhung ist mit Sicherheit nicht die Lösung! Aber es gibt durchaus Möglichkeiten, Einkommensbestandteile, die heute nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen, für eine Verbreiterung des Beitragsaufkommens heranzuziehen. Wir werden über manche Einrichtungen durchaus auch im Zusammenhang mit einer Rationalisierung reden müssen.


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690. Sitzung / Seite 265

Was wir heute zu beschließen ersucht werden, ist jedoch mit Sicherheit eine Loch-zu-Loch-auf-Politik. Das Loch, das Sie aufreißen, lässt sich dort, wo es verursacht wird, noch ein Jahr länger tragen. Aber Herr Vizepräsident Weiss hat natürlich mit Recht darauf hingewiesen, dass Rücklagen nicht etwas sind, mit dem man jetzt protzen oder wuchern sollte, sondern mit welchen die Pendelausschläge des Beitragsaufkommens und die Pendelausschläge der Gesundheitskosten abgefedert werden sollten. Eine ordentliche Grippeepidemie, wenn sie denn auftritt, kostet relativ viel Geld, auch der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, und das ist leider nicht steuerbar, und daher schaut das eine Jahr besser und das andere schlechter aus. Die Summe des Systems schaut derzeit allerdings für alle schlecht aus.

Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Argumentation, die Herr Vizepräsident Weiss mit großer Sachkunde vorgetragen hat, mich vor allem in zwei Bereichen besonders beeindruckt hat: Auch er hat darauf hingewiesen, dass diese Vorgangsweise – und wir hatten das Thema heute schon einmal – einen tiefreichenden Eingriff in die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger beinhaltet. Es ist paradox, Herr Staatssekretär, dass gewissermaßen Sie und diese Regierung jene sind, die jetzt Tendenzen erkennen lassen, die Pensionsversicherung zu verstaatlichen und die Interessenvertretungen, die Sozialpartner, dort auszuschalten, und ganz offensichtlich auch Tendenzen haben, die öffentliche Gesundheitsversorgung zu verstaatlichen. Wenn es der Kurs dieser Regierung ist, die Selbstverwaltung zu beseitigen und an eine zentrale Kandare zu nehmen, dann muss ich sagen: Ein sozialdemokratischer Standpunkt ist das nicht, und ein Weg, den die Sozialdemokraten mitgehen können, ist das auch nicht!

Das Zweite ist die sehr stringente verfassungsrechtliche Argumentation, die Kollege Weiss verwendet hat und von der ich nur hoffen kann, dass ich ihr zu folgen in der Lage war. Aber ich kann von beispielhaften Vorfällen ausgehen, die sich in diesen Monaten pausenlos ereignen. Die Legistik dieser Bundesregierung scheint sich nicht allzu sehr darum zu kümmern, was von der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu erwarten ist. Ich bin allerdings zutiefst persönlich überzeugt – darüber brauchen wir nicht abzustimmen und auch keine Wetten abzuschließen –, dass eine angekündigte Beschwerde von Seiten Vorarlbergs vor dem Verfassungsgerichtshof in dieser Angelegenheit Erfolg haben wird, denn es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Gesetzesvorlage in diesem Punkt verfassungskonform ist. Und ohne, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf Punkt und Beistrich der Argumentation folgen, werden wir uns dennoch diesem Einspruchsantrag des Kollegen Weiss in der Form anschließen, dass wir dafür stimmen, weil er eine stringente Zusammenfassung auch unserer Einwände darstellt.

Ganz offensichtlich, nachdem Kollege Bieringer so gelassen ist, wird das nichtsdestoweniger ein Minderheitenprogramm sein. Soll sein, auch wenn ich die Erklärungen von Bundesräten aus jenen Bundesländern, die zunächst in gleicher Weise ihre Ablehnung dokumentiert haben, heute für ziemlich schwach empfunden habe! Es haben alle, beginnend vom Herrn Landeshauptmann heute Morgen, von den erzielten Verbesserungen gesprochen. Worin diese Verbesserungen wirklich bestehen, ist mir nicht so ganz klar geworden. Aber man braucht ja irgendeine Argumentation, um dann doch noch zustimmen zu können.

Wie gesagt, Sie können diesen Einspruch ganz offensichtlich heute niederstimmen, aber ich gebe Ihnen den guten Rat: Sie sollten sich rechtzeitig über die Nachfolgeregelung den Kopf zerbrechen, die Sie in dieses Haus bringen müssen, nachdem der Verfassungsgerichtshof diese 60. ASVG-Novelle in diesem Punkt aufgehoben haben wird! (Beifall bei der SPÖ.)

2.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist nun Herr Staatsekretär Dr. Reinhart Waneck. – Bitte.

2.42

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Nachdem mich Herr Professor Konecny eingangs aus einer Schrift zitiert hat, darf ich eingangs auch zwei Zitate erwähnen.


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690. Sitzung / Seite 266

Das eine Zitat stammt vom 12. Dezember 1999 vom damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Klima, und das andere Zitat stammt vom 27. 6. von Herrn Bürgermeister Häupl. – Ich glaube, beide sind herausragende Persönlichkeiten der Sozialdemokratie. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundeskanzler Klima hat, als er vor dem vorher verheimlichten, dann aber offenbaren Abgang der Krankenkassen in der Höhe von 3,5 Milliarden gestanden ist, gesagt: "Diesmal müssen sich die Krankenkassen selbst sanieren."

Herr Bürgermeister Häupl hat am 27. 6. anlässlich einer Pressekonferenz gesagt: "Mittelfristig sind die neun Gebietskrankenkassen zu einer zusammenzulegen." – Ich nehme an, dass dies keine Einzelmeinung ist. (Bundesrat Konecny: Etwas Ähnliches hat er gesagt, aber nicht das!)

Ich wurde auch darauf hingewiesen, dass wir Herrn Präsidenten Sallmutter ungebührlich – oder wie immer – angegriffen hätten. – Aber gerade er war derjenige, der zur Zeit seiner Verantwortung nicht nur zuerst das tatsächliche Ergebnis des Jahres 1999 verschleiert hat, sondern auch mit sämtlichen Folgeprognosen Unrecht gehabt hat. (Bundesrat Konecny: Das glaube ich wirklich nicht!) Er hat für das Jahr 2000 einen Abgang in der Höhe von 5,7 Milliarden Schilling vorhergesagt. Tatsächlich waren es dann aber, nachdem bereits Maßnahmen unsererseits gegriffen haben, nur 2,5 Milliarden. Er hat für das Jahr 2001 6,3 Milliarden Abgang vorhergesagt. Tatsächlich waren es dann nur 1,8 Milliarden.

Jetzt komme ich gleich zum Vorwurf des so genannten Nulldefizits. – Ich bin kein Finanzminister, ich bin auch nicht der Finanzminister des Gesundheitssystems, aber ich muss halt meinen Hausverstand anwenden: Wenn es einen Ausgleichsfonds gibt, in dem 1,9 Milliarden enthalten sind und es einen Abgang in der Höhe von 1,8 Milliarden gibt, dann habe ich sogar einen relativen Überschuss im Ausmaß von 0,1 Milliarden oder 100 Millionen. – Das ist für mich die Rechnung! Vielleicht liege ich völlig falsch, aber es verhält sich so! Und das ist das Nulldefizit!

Für dieses Jahr hat Präsident Sallmutter 9,3 Milliarden vorhergesagt. Die jetzige Prognose lautet auf 2,32 Milliarden. Ich bin außerdem absolut einer Meinung mit Herrn Professor Konecny, dass wir in Zukunft mehr Geld für das Gesundheitswesen brauchen werden, und ich nehme auch die Einladung gerne an. Wir praktizieren es ja auch, indem wir mit allen sprechen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )  – Das stimmt, glaube ich, so nicht! Das, was aber nicht angeht, ist, dass für die Sanierung des Altbestandes Beiträge hereinkommen sollen, denn diese sind für unsere zukünftigen Aufgaben bestimmt, die wir zu bewältigen haben werden.

Sie haben auch die Maßnahmen auf der Einnahmenseite, unter anderem den Ambulanzbeitrag, erwähnt, und ich darf Ihnen dazu sagen, dass ... (Bundesrat Konecny: Das habe ich nicht erwähnt! – Bundesrat Freiberger: Ich war das!) – Das waren Sie, Entschuldigung! Jedenfalls darf ich aber sagen, dass die neueste Erhebung des Hauptverbandes ergeben hat, dass jeder Versicherte der Bundesbediensteten, der eine Spitalsambulanz in Anspruch nimmt, durchschnittlich im Jahr 140 € zahlt, dass jeder Angehörige der Bundesbahnen 95 € im Jahr bezahlt, dass jeder Versicherte der gewerblichen Wirtschaft 99 € im Jahr bezahlt, dass jeder bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern Versicherte 40 € im Jahr bezahlt und dass die Berechnungen der Gebietskrankenkassen betreffend deren Versicherte derzeit 22,7 € betragen.

Dem gegenüber steht der Wunsch nach einem Erhöhungsbetrag durch Präsident Sallmutter von 109 € für jeden österreichischen Versicherten. – Ich glaube, das richtet sich selbst! Daher war es auch richtig, dass er damals gesagt hat: Ich habe alles gemacht, und jetzt gehe ich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich bin etwas betrübt, denn ich kenne andere Gremien, bei welchen es so ähnlich geht – ich komme aus solchen –, dass bei einem Gesetz, das höchst modern ist, das in Europa großes Interesse erregt und das 35 Veränderungen und Verbesserungen enthält, mehr oder weniger nur über einen Punkt gesprochen wird, in welchem es ausschließlich um Geldmittelverteilung


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690. Sitzung / Seite 267

geht. – Ich hätte mir erwartet, dass man hier eine qualitativ höher stehende Diskussion führt und sich nicht ausschließlich auf die Finanzierung beschränkt!

Ich halte es für bedauerlich, obwohl ich Vorarlberg persönlich sehr schätze, dass man sich dort durch eine überschießende Aktion des Landeshauptmannes in eine Sackgassensituation begeben hat, aus der man jetzt sehr schwer herauskommt. Ich habe auch dafür Verständnis, trotzdem glaube ich nicht, dass das unbedingt notwendig gewesen wäre.

Etwas muss man natürlich schon sagen: Wir haben nicht in die Selbstverwaltung eingegriffen, sondern wir haben die Selbstverwaltung durch die vergangene Novelle deutlich gestärkt. Ich darf darauf hinweisen, dass die jetzige Geschäftsführung mit ihrem Sprecher Dr. Kandlhofer Initiator dieser Ausgleichsfonds und dieser Maßnahmen ist. Daher möchte ich festhalten, dass es sich bei der Regelung betreffend den Ausgleichsfonds um eine Angelegenheit der Selbstverwaltung und nicht um eine Angelegenheit der Länder handelt.

Außerdem darf ich noch etwas sagen: Es wurde gesagt, dass man das Wort "Struktur" schon nicht mehr hören kann. – Das ist halt ein Begriff, der jetzt in einem Gesetz steht, und ich möchte darauf hinweisen, was "Strukturausgleich" heißt: Strukturausgleich heißt, dass man für alle Österreicher gleiche Bedingungen in Bezug auf Beitragsleistungen, aber auch auf Leistungen durch den Versicherungsträger schafft. Es kann nicht angehen, dass auf Grund der strukturellen Situation in Wien – der Herr Professor hat es selbst angeschnitten, man kann es auch anders beurteilen, aber diese ist gegeben – davon ausgeht, dass man Kassen in einer Region in Österreich, wobei ich mich jetzt gar nicht auf Bundesländer beschränken will, die etwa durch ein höheres Lohnniveau oder durch weniger Pensionisten bevorzugt sind, eben so genannte gute Krankenkassen sind und andere schlechte, weil ihnen diese Mittel nicht zur Verfügung stehen.

Ich möchte auch die Euphorie Oberösterreichs dämpfen: Ich sehe, dass Oberösterreich in die Geiselhaft eines Betriebsratsobmannes genommen wurde, aber auch in Oberösterreich ist es bei weitem nicht so gut bestellt, wie es aussieht! (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) In Oberösterreich haben wir die schlechteste Dichte an niedergelassenen Ärzten und auf Grund dessen die schlechteste Zugänglichkeit mit den höchsten Barrieren, und in regelmäßigen Abständen gibt es Skandale, ich nenne nur Freistadt, Linz und Gmunden. – In Oberösterreich ist es also auch nicht so gut, wie es vielleicht aussieht.

Dennoch möchte ich zum Abschluss noch auf etwas hinweisen: Ich persönlich – ich bin kein Jurist, aber ich bewerte das mit Hausverstand – sehe keine Verfassungswidrigkeit in der Tatsache, dass man sich innerhalb eines großen Gebildes – und das sind nun einmal die Sozialversicherungen –, in dem das Geld vorhanden ist, dieses vielleicht von außen im Wege von Bankkrediten holt. Das Wesentliche ist – und ich glaube, das ist durch das Gesetz gewährleistet –, dass jemand, der sein Geld zur Verfügung stellt, es auch wirklich auf Heller und Pfennig mit Zinsen zurückbekommen wird. Ich glaube, diejenigen, die jetzt jammern und kurzfristig schlechter gestellt sind in Bezug auf ihre Einnahmen, werden sich auf Grund der gegenwärtigen Lage, wenn wir uns den Weltmarkt im Börsen- und Aktienbereich ansehen, vielleicht noch einmal darüber freuen, dass sie garantierte Fixzinsen bekommen.

Es verhält sich auch keineswegs so, dass jetzt das Geld bei jenen verschwindet, die anscheinend schlechter arbeiten; vielmehr müssen sich genau diese – und jetzt verwende ich wieder das Wort "Struktur" – umstrukturieren, um jene Gelder wieder zurückzuzahlen. Das ist der Sinn bei dem Ganzen!

Weiters kann man mit der Zielerreichung eigene Projekte einem entsprechenden Controlling unterwerfen, so wie es für die österreichischen Krankenanstalten seit über fünf Jahren mit zweijährigen Planungen bestens funktioniert und das Geld dafür bereitgestellt ist. Es ist ja nicht so, dass man nur einzahlt, sondern man bekommt aus diesem Topf auch wieder Geld zurück!

Das Wesentliche dabei ist, dass wir auf der einen Seite eine Solidarität haben, die nicht nur von unten nach oben geht, sondern auch von oben nach unten, und dass wir auf der anderen Seite jene Maßnahmen der Qualitäts- und Struktursicherung treffen müssen, die den Fortbestand des


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 268

guten österreichischen Gesundheitssystems garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

2.53

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, 60. Novelle zum ASVG.

Ich gebe bekannt, dass ich zunächst über den Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der beigeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben, abstimmen lassen werde.

Hiezu wurde von Bundesrat Jürgen Weiss die Bekanntgabe der Für- und Gegen-Stimmen verlangt.

Wenn dieser Antrag, Einspruch zu erheben, keine Mehrheit findet, werde ich den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zur Abstimmung bringen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der beigeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Für den Einspruchsantrag haben 25 und 31 haben dagegen gestimmt. Das ist die Minderheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, 60. Novelle zum ASVG, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 269

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft – Landarbeitsgesetz 1984 – Bundesgesetzblatt Nr. 287/1984 in der Fassung des Bundesgesetzblattes aus 2002 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (30. Novelle zum B-KUVG).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Notarversicherungsgesetz 1972 geändert wird (11. Novelle zum NVG).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

50. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG) (1142 und 1201/NR sowie 6703 und 6753/BR der Beilagen)

51. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit (971 und 1194/NR sowie 6754/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 50 und 51 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundessozialämterreformgesetz und


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 270

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung über die Punkte 50 und 51 hat Herr Bundesrat Reisenberger übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Zu Tagesordnungspunkt 50: Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher auf die Verlesung verzichten.

Die im gegenständlichen Gesetzesbeschluss enthaltenen Verfassungsbestimmungen bedürfen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 51: Auch der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich kann auf die Verlesung verzichten.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

3.04

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzesbeschluss, das Bundessozialämterreformgesetz, bringt im Zusammenwirken der Bundessozialämter mit den Sozialeinrichtungen der Länder, namentlich den Sozialabteilungen der Bezirkshauptmannschaften, die Bereinigung von Doppelgleisigkeiten mit sich und ist in dieser Hinsicht ohne Zweifel ein Fortschritt, der auch zu Einsparungen beim Verwaltungsaufwand führen wird, ohne dass es zu Nachteilen für die Betroffenen kommt. – Ganz im Gegenteil: Im Sinne des One-Stop-Shop-Prinzips wird es also auch dadurch zu Verbesserungen für die Betroffenen kommen, dass sie sich an eine Stelle wenden können und nicht mehr – womöglich in derselben Angelegenheit – zwei Stellen an unterschiedlichen Standorten aufsuchen müssen.

Manche haben gedacht, der reformatorische Gehalt werde etwas kräftiger ausfallen. So hatte die Frau Vizekanzlerin ja ursprünglich zur Diskussion gestellt, die Bundessozialämter überhaupt zur Gänze in die Bezirkshauptmannschaften und die Sozialabteilungen der Länder zu integrieren. Das ist jedoch auf den Widerstand der Betroffenen gestoßen, der teilweise natürlich auch für bestimmte Zwecke eingesetzt wurde. Es ist leicht, bei diesem betroffenen Personen


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 271

kreis Ängste zu schüren. Man soll die Ängste aber respektieren, wenn sie bestehen. Da ist ein sensibler Umgang notwendig, und ein solcher wurde mit dem vorhandenen Reformschritt bewiesen.

Was die Verfassungsbestimmungen betrifft, so habe ich schon beim Gaswirtschaftsgesetz darauf hingewiesen, dass sie wegen Aushebelung der mittelbaren Bundesverwaltung und insbesondere des damit verbundenen Zustimmungsrechtes der Länder aus Sicht des Landes Vorarlberg abgelehnt werden. – Das hat nichts mit dem Inhalt des Gesetzes an sich zu tun, wir wollen jedoch von vornherein dem entgegentreten, dass ein wichtiger Bestandteil der Spielregeln für die mittelbare Bundesverwaltung so durch die Hintertür ohne Begutachtungsverfahren außer Kraft gesetzt wird.

Daher werden wir Vorarlberger dieser Verfassungsbestimmung keine Zustimmung geben können. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

3.06


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 272

Präsident Ludwig Bieringer:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

3.06

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute wird das Bundessozialämterreformgesetz beschlossen. Mit diesem Gesetz kommt es zu einer Neuorganisation der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen. Anstelle der derzeitigen sieben Bundesämter wird es von nun an ein Bundessozialamt mit Sitz in Wien und neun untergeordnete Landesstellen in den Landeshauptstädten geben. Das ist gesamt gesehen eine auch von uns mitgetragene Entscheidung, die letztendlich jenen helfen soll, die es am dringendsten benötigen, nämlich Personen mit Handicaps.

Der Weg zu dieser Gesetzesvorlage in der heute vorliegenden Form war jedoch nicht einfach. Letztendlich haben aber Sachargumente überwogen. Noch im Jahre 1999 wollte Vizekanzlerin Riess-Passer alle Bundessozialämter auflösen; Herr Präsident Weiss hat es kurz angeschnitten. Eine Protestwelle seitens der Betroffenen, nämlich jener Personen, die die Bundessozialämter ganz einfach brauchen – Menschen mit Behinderungen –, war die Folge. Demonstrationen und sogar Besetzungsaktionen durch Betroffene zeugten von deren Unmut.

Durch diese Szenen, die sich im Vorfeld des Beschlusses abgespielt haben, war man seitens der Regierungsparteien bereit, Vorschläge und Einwände nicht nur der Betroffenen, sondern auch der Oppositionsparteien zu berücksichtigen. Die Bundessozialämter bleiben erhalten, auch wenn es große Einschnitte gibt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Geschäftsstellen leisten Hervorragendes. Mit immer weniger Personal müssen immer mehr zusätzliche Aufgaben übernommen werden. Diese werden mit viel Engagement und Kompetenz im Sinne der Betroffenen erledigt.

Ein weiterer Punkt bei dieser Novelle ist die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Es muss eine einheitliche Behandlung von behinderten Menschen geben, von Wien über Vorarlberg bis ins Burgenland. Gerade diesbezüglich wird es Nachteile für die Betroffenen geben.

Die soziale Rehabilitation soll zukünftig von den Ländern übernommen werden. Die Länder werden je nach Maßgabe der Mittel und des Sozialhilferichtsatzes unterschiedlich über die Zuschüsse entscheiden. In der Steiermark wurden 2001 329 Förderansuchen über zirka 700 000 S bewilligt. Auch das Bundesland Steiermark hat gegen diese Kostenübernahme entschieden protestiert. Es kann ja nicht sein, dass Aufgaben vom Bund an die Länder abgetreten werden, jedoch die Finanzierung nicht sichergestellt ist.

Wir stimmen dem Gesetz zu, werden aber genau darauf achten, dass behinderte Menschen in Österreich nicht auf der Strecke bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

3.09

Präsident Ludwig Bieringer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.

3.10

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe kurz auf meinen Vorredner ein und darf zusammenfassen: Ende gut, alles gut.

Beim Tagesordnungspunkt 50 ist aus meiner Sicht insbesondere die Zusammenlegung der Bundessozialämter in eine Organisationseinheit hervorzuheben. Menschen mit Behinderungen haben in unserer Leistungsgesellschaft keinen leichten Stand. Sie dürfen nicht als Bittsteller angesehen werden, sondern haben ein Anrecht auf schnelle und nachvollziehbare Hilfestellung.

Der vorliegende Entwurf unseres Bundesministers und des Staatssekretärs ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer positiven Behindertenpolitik in Österreich. Klare Kompetenzverteilungen und Landesstellen in allen Bundesländern sind wesentliche Voraussetzungen für optimale Abläufe.

Begrüßenswert ist weiters, dass im Zuge der Änderung des Bundespflegegesetzes auch der Themenkreis Familienhospiz durch klare Auszahlungs- und Vorschussregelungen zusätzliche Verbesserungen erfährt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass wir im Sozialbereich am richtigen Weg sind und entsprechende Schritte setzen.

Unter Tagesordnungspunkt 51 beschäftigen wir uns mit einem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit. Derartige Abkommen im Bereich der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind Voraussetzungen für ein vernünftiges Funktionieren zukunftsorientierter Nachbarschaft.

Die freiheitliche Bundesratsfraktion stimmt den unter den Tagesordnungspunkten 50 und 51 behandelten Beschlüssen in diesem Sinne vollinhaltlich zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

3.12

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundessozialamtsgesetz und ein Bundesberufungskommissionsgesetz erlassen sowie das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Heeresversorgungsgesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (Bundessozialämterreformgesetz – BSRG).

Der gegenständliche Beschluss enthält Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 273

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

52. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1140 und 1262/NR sowie 6755/BR der Beilagen)

 53. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1035 und 1265/NR sowie 6756/BR der Beilagen)

 54. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1266/NR sowie 6757/BR der Beilagen)

 55. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird (1143 und 1269/NR sowie 6758/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 52 bis 55 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbe


Bundesrat
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690. Sitzung / Seite 274

haltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden,

eine Patientencharta,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 52 bis 55 hat Herr Bundesrat Dr. Nittmann übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Dr. Klaus Peter Nittmann: Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG) erlassen wird und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich verzichte daher auf eine Verlesung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Juli 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die zügige Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

3.18

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Aus Rücksicht auf die MitarbeiterInnen


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des Stenographenbüros werde ich mich am Schnellredewettbewerb nicht beteiligen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Die können das aber ganz gut!)

Die vier vorliegenden Gesetze können seitens meiner Fraktion in zwei Kategorien eingeteilt werden, nämlich in jene, denen wir zustimmen, und jene, die wir ablehnen.

In die Kategorie "Zustimmung" ist neben der in diesem Haus ohnehin schon bei anderen Anlässen mehrmals diskutierten Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientencharta vor allem das Bundesgesetz über die Regelungen der Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur einzureihen.

Mit dem Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz wurde nicht nur eine alte Forderung der SPÖ-Parlamentsfraktion sowie der Gewerkschaft umgesetzt, es ist auch gelungen, ein Gesetz zu schaffen, das Qualitätssicherung und Berufssicherheit schenkt. Die dadurch möglich gewordene Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen sollte für weitere Gesetze beispielgebend sein, die auch für andere Gesundheits- und vor allem auch Sozialberufe die notwendige Qualitätssicherung und Abgrenzung schaffen sollen.

Als Beispiel möchte ich das seit mehreren Jahren in Diskussion stehende und längst fällige Berufsgesetz für diplomierte SozialarbeiterInnen nennen.

Ich habe eingangs von zwei Kategorien gesprochen und komme daher nun zu jenen Gesetzen, denen meine Fraktion nicht zustimmen wird, nämlich zu den Bundesgesetzen, mit denen das Bundespflegegeldgesetz und das Rezeptpflichtgesetz geändert werden.

Ein schwerstkranker Mensch, dessen Verwandte Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen, soll nach seiner Entlassung aus dem stationären Aufenthalt einen Pflegevorschuss erhalten. Wenn derselbe schwerstkranke Mensch zwar eine ihn pflegende Person hat, mit dieser aber nicht verwandt ist, muss er weiter auf dem herkömmlichen, bürokratisch langwierigen Weg auf die Zuerkennung des Pflegegeldes warten.

Dieses Gesetz schafft daher nicht nur eine Ungleichbehandlung von pflegebedürftigen Menschen, es zeugt auch von einer geringen Bereitschaft, sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen und den sich verändernden Lebensumständen älterer Menschen entsprechend auseinander zu setzen. Vor allem verschließt man sich dadurch vor der Realität, dass gerade ältere Menschen in zunehmendem Maße neue Partnerschaften eingehen, dabei aber eher selten auch die Ehe schließen.

Diese Novelle des Bundespflegegeldgesetzes ist nichts anders als ein Täuschungsmanöver, mit dem ÖVP und FPÖ versuchen, die Versagung eines Entgeltes bei Inanspruchnahme von Familienhospizkarenz abzuschwächen.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz daher ebenso wenig zustimmen wie der Änderung des Rezeptpflichtgesetzes. Die mit dieser Änderung angestrebte finanzielle Entlastung der Krankenkassen wird nicht eintreten, denn was sich die Kassen auf der einen Seite ersparen, werden sie auf der anderen Seite für die notwendigen Gutachten und einen großen verwaltungstechnischen Aufwand benötigen. Ohne amtliche Gutachten aber wird den Argumenten der Zulassungsinhaber der betroffenen Arzneien nicht entgegenzutreten sein, denn diese werden bei einem Großteil ihrer Medikamente alle Argumente der Arzneimittelsicherheit ins Treffen führen, um den bescheidmäßig festgelegten Status der Rezeptpflicht beizubehalten.

Zudem werden andere teure Medikamente, die der Rezeptpflicht unterliegen, auf den Markt kommen und vermutlich von den Ärzten auch verschrieben werden. Gerade in einer Zeit, in der die Krankenkassen mit zunehmend großen finanziellen Problemen zu kämpfen haben und es der Bundesregierung trotz großspuriger Ankündigungen nicht gelingt, die Probleme in den Griff zu bekommen, kommt mit diesem Gesetz eine neue Belastung auf die Kassen zu. – Daher auch unsere Ablehnung.


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Zuletzt möchte ich aber noch festhalten, dass es meine Fraktion bedauert, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, uns Ihre sicherlich interessanten Argumente über das Versagen der sozialistischen Gesundheitspolitik ebenso vorenthalten wie Ihre Vorhaben bezüglich einer mittelfristigen Sicherstellung der Krankenkassenfinanzierung. Das hätte uns wirklich sehr interessiert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

3.23

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Wimmler. – Bitte.

3.23

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Punkt 54 unserer Beratungen sprechen, der die Änderung des Bundespflegegeldgesetzes zum Inhalt hat. Hierin wird die Möglichkeit geschaffen, dass Personen zum Zweck der Sterbegleitung von mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitgliedern und zur Pflege von schwerst erkrankten Kindern Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen können.

Jenen Personen soll auch Karenzurlaub beziehungsweise Dienstfreistellung gewährt werden. Die Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz muss durch eine Erklärung des Betreuers oder mittels einer Bestätigung des Arbeitgebers erfolgen. Die Gewährung des Pflegegeldanspruches wird unbürokratisch sein, und auf Antrag werden Vorschüsse gewährt werden, bis das Verfahren über die Höhe abgeschlossen ist, sodass jene Familienmitglieder, die die Pflege übernommen haben, zum Teil finanziell abgesichert sind.

Da man erst nach der Evaluierung des Gesetzes wirklich sagen kann, wie oft und wie lange Familienhospizkarenz in Anspruch genommen wird, ist dies bis dahin eine sehr wichtige gesetzliche Regelung. Wie ich von Mitgliedern des Hospizvereines hören konnte, werden es eher kürzere Zeiträume sein, in denen man einen Menschen begleiten will. Es werden sich die Eltern schwer kranker Kinder die Pflege so wie schon jetzt teilen wollen und in Teilkarenz gehen. Die Vorsitzende des Hospizvereines, eine Krankenschwester, meinte unter anderem wörtlich:

Wenn ich das Gefühl habe, gerade jetzt braucht mich dieser Mensch, werde ich gerne eine kurze Zeit dafür in Karenz gehen, und dann frage ich natürlich nicht als erstes, bekomme ich dafür bezahlt und wie viel. Dieser Mensch ist mir im Augenblick sehr viel Wert. – Zitatende.

Darum verstehe ich die Ablehnung dieser Gesetzesvorlage von jenen Abgeordneten dieses Hauses nicht, die ausschließlich das Finanzielle sehen. Warten wir doch die Evaluierungszeit ab, und reden wir dann darüber, was finanziell noch verkraftbar ist, wenn Fakten auf dem Tisch liegen! Ich bin froh, dass es jetzt zu dieser Regelung gekommen ist, und wir werden ihr natürlich zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

3.26

Präsident Ludwig Bieringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. – Bitte.

3.27

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! In aller Kürze: Es freut uns, dass es zumindest in zwei Punkten Einigkeit gibt, nämlich bei der Ausbildung zum medizinischen Masseur und der Patientencharta. – In beiden Punkten herrscht Einstimmigkeit. Das freut uns bei der Patientencharta deshalb, weil wir meinen, dass es der richtige Weg ist, um die Sicherung der Patientenpflege, der Pflegedokumentation, der medizinischen Dokumentation und der Patientenrechte im Allgemeinen auszubauen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch erwähnen, dass natürlich eine bundesweite Regelung, die alle Länder beträfe, ideal wäre. Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass Kärnten in dieser Patientenchartaregelung eine Vorreiterrolle eingenommen hat, dass wir das


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erste Land waren, das einen Artikel-15a-Vertrag hatte und eben diese Vorreiterrolle übernommen hat.

In zwei Punkten gibt es keine Einstimmigkeit – das wurde schon von meiner Kollegin der sozialdemokratischen Fraktion gesagt –, und zwar im Hinblick auf die Veränderungen der Rezeptpflicht und weiters im Hinblick auf das Pflegegeld. Auch hier kann ich nicht ganz verstehen und nachvollziehen, warum es zu den Möglichkeiten, die nun geschaffen werden, nämlich dass die Pflegepersonen schnell und unbürokratisch einen Vorschuss nehmen können, keine Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion gibt.

Ich meine, dass diesbezüglich sehr wohl abgewartet werden kann, und zwar einige Monate oder vielleicht sogar ein Jahr oder eineinhalb Jahre. Dann wird eine Bewertung stattfinden (Bundesrätin Schlaffer: Dann sind die schon gestorben!), und man wird sehen, inwieweit budgetäre Mittel vorhanden sind, um vielleicht den Kreis derer, die das Pflegegeld bevorschusst bekommen können, auszuweiten.

Insgesamt kann man sagen, dass diese Gesetze zukunftsweisend sind. Ich möchte zum Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz noch Folgendes sagen: Ich würde mir wünschen, dass es nicht nur zur Qualitätsverbesserung kommt, die in diesem Paket meines Erachtens inkludiert ist, sondern dass auch noch mehr Personen diese Ausbildung absolvieren. Ich hoffe, dass das so sein wird, denn die Ausbildungsstundenzahl hat sich massiv erhöht. Ich würde mir also sehr wünschen, dass noch mehr Personen diesen Beruf ergreifen, trotz der verschärften Bedingungen betreffend Ausbildungszeit, die notwendig sind, um tatsächlich die EU-Klassifizierung, die wir mit diesem Paket anstreben, zu erreichen.

Insgesamt ist das also ein sehr positives und zukunftsorientiertes Gesundheitspaket. Zum Abschluss möchte ich noch anmerken, dass mit der neuen Berufsausbildung "medizinischer Masseur" nun auch ein neues Berufsbild geschaffen wurde. Ich bin zuversichtlich, dass weitere Berufsbilder folgen werden, zum Beispiel ein einheitliches Berufsbild für Altenpflege. Das wird – da bin ich mir ganz sicher – in den nächsten Monaten im Parlament zur Verhandlung vorliegen.

Ich bedanke mich und meine, dass ein gutes Paket gelungen ist. Für meine Fraktion ist es natürlich klar, dass wir diesem Gesetzeswerk insgesamt zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

3.31

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wünscht auch niemand mehr das Wort.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur erlassen wird und mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das MTD-Gesetz, das Bildungsdokumentationsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Juli 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rezeptpflichtgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny, Anna Schlaffer und Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gefährdung der unparteiischen Amtsführung des Bundesministers für Justiz durch laufende Zahlungen aus seiner ehemaligen Kanzlei (2009/J-BR/02)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Mag. Hoscher, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Justiz.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm zu Wort gemeldet. Ich mache darauf aufmerksam, dass Wortmeldungen zur Geschäftsordnung 5 Minuten nicht überschreiten dürfen. – Bitte.

3.35

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsordnung): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich sage vorweg, dass mir bekannt ist, dass sich der Herr Bundesminister in der Sache äußern will. – Er hat ja auch nichts zu verbergen.

Das ändert aber nichts daran, dass ich davon ausgehe, dass, wie mir scheint, diese dringliche Anfrage in weiten Teilen ihrer konkreten Fragestellungen in der Geschäftsordnung nicht gedeckt ist. Zumindest die Fragen 4 bis 9 sind es deshalb nicht, weil die Vollziehung des Unvereinbarkeitsgesetzes klarerweise nicht in den Bereich der Vollziehung des Bundesministers


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für Justiz fällt. – Die Fragen 4 bis 9 beziehen sich in ihrer Überschrift allesamt auf die Vollziehung des Unvereinbarkeitsgesetzes.

In Verbindung damit trifft das auch auf die Frage 11 zu.

Die Frage 10 bezieht sich auf die Rechtsberatung von Bürgerinnen und Bürgern, also auf eine typisch anwaltliche Tätigkeit, und demnach ebenfalls nicht auf die Vollziehung des Bundesministers für Justiz.

Die Fragen 1 bis 3 – da ist die Lage sicherlich etwas mehr umstritten – erscheinen an sich als höchst problematisch. Wenn es Ihnen von der sozialdemokratischen Fraktion nämlich wirklich um die Frage der allfälligen Unvereinbarkeit in Zusammenhang mit dem Pachtvertrag von Herrn Dr. Böhmdorfer mit den Übernehmern seiner ehemaligen Anwaltskanzlei ginge, so könnten Sie ja nicht auf Gesetzesinitiativen des späteren, also nachmaligen, Bundesministers für Justiz Bezug nehmen, denn Sie meinen ja wohl nicht ernsthaft von ihm initiierte Individualgesetze, die allein die Wiener Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff KEG begünstigen.

Von Gesetzen, von denen "die" Anwälte profitieren – was immer das heißen mag –, könnten Sie aber keine Begünstigung seiner ehemaligen Kanzlei ableiten.

Durch die Allgemeinheit der ersten Frage, welche Gesetzesinitiativen der Bundesminister für Justiz eingeleitet hat – ich zitiere: "mit welchen das Rechtsverhältnis der Anwaltschaft oder der Anwälte im Einzelnen berührt wurde" –, stellt sich mir die Frage: Was soll das bedeuten? Was ist "das Rechtsverhältnis der Anwaltschaft oder der Anwälte"? – Als Jurist verstehe ich das nicht; das ergibt nämlich keinen Sinn. (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!)

Wenn damit bloss ein abstrakter Bezug zur anwaltlichen Tätigkeit als solcher gemeint ist, so ist er praktisch mit jeder Regelung im Justizbereich per se gegeben – bei jeder verfahrensrechtlichen Regelung von vornherein, aber natürlich auch bei jeder materiellrechtlichen, über die sich ein Anwalt zu äußern hat.

Mit einer konkreten Kanzlei hat all das überhaupt nichts zu tun. In Wahrheit müssten Sie dann ja verlangen, dass ein Rechtsanwalt – mit und ohne Kanzlei – überhaupt nicht Justizminister werden darf, damit keine Schlagseite zu Gunsten des Berufsstandes der Anwälte entsteht. (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!)

Hierzu erinnere ich Sie von der sozialdemokratischen Fraktion an den ehemaligen Justizminister Dr. Broda, der aus Ihren Reihen stammte. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Sie haben ja auch nichts dabei gefunden – auch ich finde nichts dabei –, dass der vormalige Justizminister Dr. Michalek (Bundesrat Konecny: Der war aber Notar!) seine Notariatskanzlei natürlich keineswegs aufgegeben hat, sich vielmehr zur Weiterführung eines Notariatssubstituten bedient hat. (Bundesrat Konecny: Das ist aber nicht dasselbe!) – Doch! Das Vorgehen Ihrer früheren Finanzminister Staribacher und Androsch will ich Ihnen ersparen (Bundesrat Konecny: Nein!), Sie kennen es ohnehin selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Oder sind Sie etwa der Meinung, dass nur Herr Dr. Böhmdorfer im Gegensatz zu allen vorher genannten Freiberuflern seine Anwaltskanzlei hätte verschenken sollen? (Bundesrat Konecny: Was hat das mit der Geschäftsordnung zu tun?)  – Die Tatsache, dass meiner Ansicht nach nichts von dem, was Sie in Ihrer dringlichen Anfrage ansprechen, etwas mit der Vollziehung des Bundesministers für Justiz zu tun hat! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

3.40

Präsident Ludwig Bieringer: Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung? – Das ist nicht der Fall.

Ich halte fest, dass die dringliche Anfrage angenommen wurde, daher steht sie zur Verhandlung.


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Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Hoscher als Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort zu ergreifen. – Bitte. (Bundesrat Dr. Aspöck: Gleich fachlich drauf eingehen! Das ist sehr hoch! – Bundesrat Mag. Hoscher – auf dem Weg zum Rednerpult, in Richtung des Bundesrates Dr. Aspöck –: Für dich vielleicht! – Bundesrat Dr. Aspöck: Da bin ich aber gespannt!)

3.41

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach der etwas rechts-kabarettistischen Einleitung ... (Bundesrat Dr. Böhm: Entschuldigen Sie, das ist eine Frechheit, was Sie sich da erlauben!) – Ja! (Heftige Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Dann verstehen Sie eben von Recht nichts! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny  – in Richtung Freiheitliche –: Entschuldigen Sie bitte, jetzt reicht’s, Herr Kollege! – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Konecny: Das Vokabel "Rotzbub" möchte ich in diesem Haus nicht hören müssen!)

Präsident Ludwig Bieringer: Meine Damen und Herren! (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Wenn das Glockenzeichen ertönt und der Präsident sich zu Wort meldet, dann bitte ich um Ruhe. (Bundesrat Dr. Nittmann  – in Richtung des Bundesrates Mag. Hoscher –: Was soll so jemand sagen! – Bundesrätin Haunschmid: Das ist ein Trauerspiel!) Meine Damen und Herren! Wir sitzen nunmehr einige Stunden beisammen. Sie haben heute eine beeindruckende Gesprächskultur bewiesen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Bis zu dieser Äußerung!) Ich bitte Sie eindringlich: Bleiben Sie bei dem Ton, der heute geherrscht hat, denn es bringt niemandem etwas, wenn hier Ausuferungen entstehen! Ich bitte alle Seiten, ihre Worte mit Bedacht zu wählen. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie sind wieder am Wort.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (fortsetzend): Herr Präsident! Ich nehme Ihre Aufforderung zur Kenntnis. Es war vielleicht eine etwas überzogene Reaktion auf die Bemerkung des Kollegen Aspöck, dass mir die Ausführungen des Herrn Kollegen Böhm, die fundiert waren (Bundesrat Dr. Böhm: Danke!), etwas zu hoch seien. Vielleicht war es eine etwas überzogene Reaktion, in Ordnung. (Ruf bei der SPÖ: Die "Frechheit" war auch überzogen!)

In Wirklichkeit geht es nicht nur um das Unvereinbarkeitsgesetz – ein Gesetz, mit dem wir alle auch selbst im Rahmen unserer eigenen Meldungen zu tun haben –, sondern es ist Herrn Professor DDr. Mayer darin zuzustimmen, dass es in diesem Zusammenhang insbesondere auch um politische Optik geht. Politische Optik spielt gerade auch bei Spitzenpolitikern eine Rolle.

Es mag um die Frage gehen, ob das Unvereinbarkeitsgesetz vielleicht in manchen Bereichen zu unscharf formuliert ist, sodass man Probleme hat – ich gestehe das durchaus zu –, zu wissen, was man eigentlich melden muss, in welchem Umfang man es melden muss, was noch unter die Verwaltung des eigenen Vermögens fällt und so weiter. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Ich stehe jedoch nicht an, festzuhalten, dass dieser Pachtvertrag meiner Meinung nach wahrscheinlich schon unter die Verwaltung des eigenen Vermögens fällt und daher nicht gegen das Unvereinbarkeitsgesetz verstößt. – Ich verkneife mir die Bemerkung nicht, dass mir das möglicherweise " zu hoch" ist, um es wirklich zu verstehen.

Die Wahrung der politischen Optik gerade bei Spitzenpolitikern sollte auch bewirken, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Kollege Böhm hat die Kollegen Staribacher und Androsch genannt. Über Androsch kann ich nicht so viel sagen, da war ich noch nicht dabei, über Staribacher kann ich genug sagen, denn da war ich dabei – im Übrigen auch bei den Unvereinbarkeitsausschüssen, die ungefähr bis dreiviertel fünf in der Früh gedauert haben. – Das ist möglicherweise die einzige Verbindung, die es zu der heutigen Sitzung gibt.

Es waren Unvereinbarkeitsausschüsse, die sich durch mehrere Nächte gezogen haben, in denen insbesondere die FPÖ massiv Detailaufklärungen verlangt hat, was ihr zusteht, keine Frage. Es gab Unvereinbarkeitsausschüsse, in denen auch die ÖVP, die damals noch in Koali


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tion mit der SPÖ war, aber doch bereits leicht am Absprung auf den Schüssel-Ditz-Kurs, der dann zur katastrophalen Wahlniederlage führte, gemeint hat, dass es der FPÖ zustehen müsse, Details zum Ausscheiden des Kollegen Staribacher aus seiner Kanzlei zu verlangen. Ich denke, dass man Maßstäbe, die man an andere ansetzt, auch an sich selbst ansetzen muss. Es geht um Detailklärungen, um nichts anderes. (Bundesrat Dr. Böhm: Bei einer großen Wirtschaftskanzlei!)

In diesem Zusammenhang der politischen Optik muss man eben auch die Vorgänge, die wir in der dringlichen Anfrage releviert haben, so meine ich zumindest, unter dem Gesichtspunkt eigener Aussagen sehen. Herr Bundesminister! Sie haben in einer OTS-Aussendung vom 29. August 2000 gemeint, es gebe keine "Verquickung" von Dr. Böhmdorfer mit der Böhmdorfer-Gheneff KEG.

Kurz zum Ablauf: Wie Sie selbst mitgeteilt haben und wie auch den Medien zu entnehmen ist, hat es einen mündlichen Pachtvertrag gegeben. – Ich möchte mich gar nicht polemisch auf die Frage einlassen, wie üblich es ist, Pachtverträge über immerhin eine Million Schilling pro Jahr mündlich abzuschließen. Das mag unter Rechtsanwälten so gang und gebe sein. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich sage ja, ich will mich nicht darauf einlassen. Das ist sicherlich zulässig, das ist keine Frage. Im Wirtschaftsleben ist es nicht üblich.

Wie dem auch sei (Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ), wenn ich die Ausführungen richtig gelesen habe, so hat dieser Pachtvertrag mit 30. Juli 1999 geendet. Zum Minister wurden Sie meinen Informationen nach am 29. Februar 2000 angelobt. Im März 2000 wurde der Abtretungsvertrag der Kanzlei unterfertigt, und Ende März 2000 folgte dann der schriftliche Pachtvertrag.

Das heißt, dass die Aussage, die verschiedentlich im Raum gestanden hat, dass sich der mündliche Pachtvertrag weiterentwickelt hätte und sozusagen unverändert bis über den Zeitpunkt Ihrer Angelobung hinaus bestanden hätte, formal so nicht stimmt, wie man anhand dieses Zeitablaufs feststellen kann. Sonst hätte nämlich Ende März kein schriftlicher Pachtvertrag abgeschlossen werden müssen, und zwar rückwirkend, also zu einem Zeitpunkt, als Sie schon Minister waren.

Weitere Ungereimtheiten in diesem Zusammenhang der politischen Optik sind folgende: Zunächst stimmt die verschiedentlich kolportierte Meinung nicht, dass der Name "Böhmdorfer" im Kanzleinamen keinerlei Einfluss auf den Geschäftsgang der Kanzlei habe. Das ist eine völlige Verkennung von wirtschaftlichen Gegebenheiten. Gerade der Firmenname, mit dem eine gewisse Reputation verbunden ist – das ist unbestritten –, ist ein eklatanter Wettbewerbsfaktor, auch im Wettbewerb der Freiberufler. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ließ sich nicht verhindern! Das ist ein Firmenname!) – Richtig, so ist es. Vor allem für die Generierung von Erstkontakten ist der Firmenname wichtig. Auch die Aussage des Vizepräsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages Benn-Ibler, es sei doch völlig egal, wie die Kanzlei heiße, wenn sie nur gut arbeite, ist mit Sicherheit nicht richtig, denn die Erstkontakte werden natürlich über den Namen hergestellt, und für den haben Sie, Herr Minister, ja ohne Zweifel hart gearbeitet.

Ebenso hart gearbeitet haben Sie wohl für den Klientenstock, und darin liegt meiner Meinung nach die politische Problematik: im Pachtzins für den Klientenstock und nicht für die Ausstattung der Kanzlei, das wäre nicht das Problem. Dieser Klientenstock wurde offensichtlich nicht verkauft, und es geht nicht darum, dass irgendjemand sein hart erarbeitetes Vermögen verschenken soll, ganz im Gegenteil: Es ist völlig legitim und auch völlig sinnvoll, den höchstmöglichen Preis dafür erzielen zu wollen. Das hat jeder verdient, der so lange dafür gearbeitet hat, das ist keine Frage.

In diesem Fall wurde der Klientenstock jedoch nicht verkauft und in Ratenzahlungen abgegolten, sondern er wurde verpachtet. Das bedeutet – für mich zumindest, ich kenne den Vertrag im Detail nicht –, dass der Klientenstock nach Ausscheiden aus dem Amt an Sie zurückfällt, Herr Bundesminister, was wiederum heißt, dass es hier eigentlich – wirtschaftlich gesehen – um eine Bewirtschaftung dieses Klientenstocks geht, also eigentlich um ein Fruchtgenussentgelt.


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Das bedeutet aber, dass Sie ein vitales, höchstpersönliches Interesse daran haben müssen, dass dieser Klientenstock bestmöglich verwaltet und bewirtschaftet wird, weil er ja an Sie zurückfällt und einen Vermögenswert darstellt.

Das bedeutet auch, dass Sie Interesse daran haben müssen, dass gerade die Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff KEG besonders gut floriert, weil Sie einen Pachtzins daraus erhalten, und dieser kann ja wohl nur verdient werden, wenn die Kanzlei entsprechende Einnahmen hat. (Bun-desrätin Haunschmid: Das wäre ja traurig!)

Das heißt aber, dass durch diese Kombination aus persönlichem Interesse am Fortkommen der Kanzlei – ich glaube, dieses muss gegeben sein – in Verbindung mit einer Pachtzinszahlung nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass es keine Verquickung zwischen Ihnen und der Kanzlei gebe.

Darin liegt für mich die politische Problematik, also in den Aussagen, die sozusagen schrittweise getätigt werden. Wenn das keine Verquickung ist, müsste wohl auch der Duden neu geschrieben werden.

Eine weitere Problematik – damit komme ich schon zum Schluss, damit wir dreiviertel fünf nicht erreichen – liegt im Messen mit zweierlei Maß. Ich bin bereits darauf eingegangen. Es wurde der Fall Staribacher erwähnt. Wir sind wirklich nächtelang gesessen, obwohl Staribacher in seiner Unvereinbarkeitsmeldung eine Detailgenauigkeit an den Tag gelegt hat, die, so würde ich sagen, möglicherweise einzigartig war. Er war auch nach langer Zeit der erste Freiberufler, der in ein solches Amt gekommen ist. (Bundesrat Dr. Böhm: Sachlich nichts dagegen! Gleiches Maß!)

Ich meine, dass da gewisse Missverständnisse auszuräumen sind. Es geht nicht um strafrechtliche oder sonstige Vorwürfe. Sie, Herr Minister, haben selbst gegenüber "NEWS" gesagt – zumindest ist es dort so gestanden –, dass diese Thematik geeignet sei, Missverständnisse zu erzeugen. Ich würde mir erhoffen, dass Sie diese Missverständnisse heute ausräumen und vielleicht notwendige Details bekannt geben, damit die Sache zumindest in diesem Gremium vom Tisch ist, ohne dass wir nächtelange Unvereinbarkeitsausschüsse benötigen. (Beifall bei der SPÖ.)

3.52

Präsident Ludwig Bieringer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundesminister für Justiz Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

3.52

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Es wird Sie, insbesondere die Damen und Herren von der Opposition, vielleicht wundern, aber ich bin nach dieser äußerst unfairen und unsachlichen Berichterstattung in einem Medium richtig froh darüber, dass ich hier Stellung nehmen kann – vor allem deshalb, weil ich dies sehr gerne gegenüber den Vertretern der Regierungsparteien tue. Ich halte es nämlich für richtig und notwendig, dass jeder Politiker in einer Spitzenposition völlige Klarheit über die Umstände, unter denen er Minister wurde und unter denen er Minister ist, schafft.

Ich möchte ganz kurz darauf eingehen, dass ich 25 Jahre Rechtsanwalt war, als ich 1998 eine Partnerin gefunden habe, eine sehr tüchtige Dame – tüchtiger als alle Herren, mit denen ich vorher zusammengearbeitet habe. Diese wollte mit mir – und ich mit ihr – eine Kanzleigemeinschaft begründen.

Wir haben damals eine Böhmdorfer-Gheneff OEG gegründet, eine Gesellschaft also, an der wir beide zu 50 Prozent, also gleichteilig, an Gewinn und Verlust beteiligt waren. Unbestreitbar ist aber, dass ich einen Überhang an Vorleistungen erbracht, nämlich einen Klientenstock aufgebaut hatte, sodass ich mit dem Vorschlag meiner damaligen Partnerin einverstanden war, dass dieser Klientenstock von mir um den Betrag in der Höhe von 100 000 S monatlich – das war 1998 – an diese Böhmdorfer-Gheneff OEG verpachtet wurde.


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Das heißt, wir haben 50 zu 50 geteilt, und die Abgeltung des Überhanges meiner Vorausleistungen wurde mit diesem Betrag festgelegt. – Das ist ein ganz normaler Vorgang, der auf Wunsch meiner Partnerin so gestaltet wurde, weil sie damals ein Kind erwartete und meinte, sie wisse nicht, wie sich das mit der Erziehung dieses Kindes entwickeln würde. Sie wollte deshalb einen Pachtvertrag abschließen und den Klientenstock nicht – was auch möglich gewesen wäre, das gebe ich zu – erwerben. Sie ist also, wenn Sie so wollen, eine wirklich tüchtige Dame, die auch praktisch denkt.

Es kam also dazu, dass wir während des Jahres 1999 einmal abgewartet haben, wie sich die Situation mit ihrem Kind entwickelt. Im Jahr 2000 wurde ich Minister, und über Vorschlag meiner Kollegin haben wir diesen Pachtvertrag einfach verlängert. Es ist also glatt unrichtig, zu behaupten, dass er rückwirkend begründet wurde. Es ist richtig, dass er verlängert wurde.

Damit dem Unvereinbarkeitsausschuss eine Urkunde über den Pachtvertrag vorgelegt werden kann, haben wir diesen Pachtvertrag damals schriftlich errichtet. – Es ist überhaupt keine Besonderheit, dass solche Verträge zwischen Kanzleipartnern mündlich errichtet werden. Ich kann Ihnen also die "Neuigkeit" verraten, dass das nichts Besonderes ist.

Ich musste mich damals – als ich die Aufforderung beziehungsweise die Möglichkeit erhielt, Bundesminister zu werden – über Nacht entschließen, wie es weitergeht, und meine Kollegin hat wieder einmal ihre Tüchtigkeit gezeigt und gesagt, sie kauft mir den Geschäftsanteil an der Böhmdorfer-Gheneff OEG ab. Es war dann so, dass ich innerhalb eines Monates – es war keine andere Lösung möglich – meinen 50-prozentigen Geschäftsanteil an der Böhmdorfer-Gheneff OEG verkaufen, also an sie abtreten musste. Das ist auch innerhalb dieser Frist geschehen. In der Präambel des Pachtvertrages ist auch zu lesen, dass es sich bei der Fortführung desselben um eine Verlängerung handelte, sodass – da Sie den Pachtvertrag offensichtlich kennen – das Zitat, das Sie gebracht haben, unrichtig ist.

Was den Firmennamen anlangt, war von Anfang an – seit 1998 – vereinbart, dass, wenn einer von uns beiden aus der OEG ausscheidet, die Firma keine Änderung erfährt. Sie sehen das heute bei allen Rechtsanwaltsfirmen. Da sind manche Partner im Verfassungsgerichtshof, manche sind in der Bundeswettbewerbsbehörde, und die Firma dieser OEG – oder die Rechtsanwaltsfirma überhaupt – bleibt unverändert, und niemand findet etwas dabei. Das ist auch richtig so. Es gibt seit ungefähr einem Jahrzehnt ein ordentliches Firmenrecht für die Anwaltskanzleien. Das ist nicht änderbar, wenn man aus einer Kanzlei austritt.

Es war aber so, dass sich eine sehr unfaire Kampagne desselben Magazins, das jetzt diese Veröffentlichung mit sehr unfairen begleitenden Kommentaren getätigt hat, gegen meine Ex-Partnerin gerichtet hat. In dieser Kampagne wurde völlig unsachlich so getan, als wäre es etwas Unlauteres, die Firmenbezeichnung der von ihr bereits 1998 mitbegründeten Firma weiterzuverwenden.

Das hat dazu geführt, dass sie unter stärksten nervlichen Druck gekommen ist, als sie diese Kanzlei unter alten Firma alleine weiterführte. Sie hat dann auch darauf verzichtet, diese Firma in den Kausen, in denen Politiker Prozessparteien sind, zu verwenden. Das war eine völlig unsachliche Vorgangsweise gegenüber einer Dame, die sehr tüchtig ist, mittlerweile ein zweites Kind hat und diese Kanzlei weiterführt – sehr tüchtig weiterführt. Das sei auch an die Adresse der Damen gerichtet, die vielleicht glauben, sich an dieser Kampagne beteiligen zu müssen. (Bundesrat Gasteiger  – in Richtung der Bundesrätinnen der SPÖ –: Macht’s ihr da mit?)

Ich sage das alles in dieser Deutlichkeit und Offenheit, weil es mich sehr betroffen macht, mit welcher Vehemenz hier polemisiert wird. Ich meine, dass man völlige Aufklärung schaffen sollte. Ich sage noch einmal, dass ich sehr dankbar dafür bin, dass ich hier und heute – wenn auch zu sehr später Stunde – dazu Stellung nehmen kann.

Vorteile hat diese Kanzlei also keine. – Sie hat Nachteile. Sie wird international sogar – man kann ruhig sagen – vernadert. Zum Beispiel wurde den "drei Weisen" mitgeteilt, dass ich an Massenklagen beteiligt sei, was natürlich falsch ist. Die unrichtigen Informationen dürften aus


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Österreich stammen. Ich bin nicht an Massenklagen beteiligt, ich habe nicht einmal einen einzigen Politiker geklagt, seit ich selbst Politiker wurde – keinen einzigen, und natürlich auch vorher keinen einzigen. Ich wurde aber gemeinsam mit meiner ehemaligen Kanzlei als Massenkläger vernadert. Das schafft natürlich für eine Kanzlei mehr Probleme als Vorteile.

Alle Verträge, die Sie heute hier bemängeln, sind seit zweieinviertel Jahren dem Unvereinbarkeitsausschuss bekannt, wurden von Ihren politischen Kollegen geprüft und sind nach dieser Prüfung unbeanstandet geblieben und als korrekt empfunden worden, genauso wie die gesamte rechtliche Situation, in der ich mich bewege.

Ich hätte ein Viertel der Geschäftsanteile von dieser Böhmdorfer-Gheneff OEG behalten können. Ich habe aber keinen Groschen behalten, bin also nicht an ihr beteiligt und nicht mit ihr verquickt.

Wenn Sie von jemandem Zahlungen erhalten, ist das keine Verquickung. Sie können zum Beispiel geschieden sein und vom geschiedenen Mann noch Zahlungen bekommen, aber trotzdem sind Sie mit ihm nicht mehr verheiratet, nicht an ihm "beteiligt" und nicht mit ihm "verquickt". Also seien Sie bitte fair in dieser Sache! Es gibt hier weder eine Beteiligung noch eine Verquickung. Meine Äußerung vom 29. 8. 2000 – ich glaube, es war dieser Tag – ist also richtig.

Nebenbei bemerkt: Ich darf meinen Beruf als Rechtsanwalt nicht ausüben und tue das auch nicht. Sie werden auf der ganzen Welt keinen Menschen finden, der behaupten kann, ich hätte ihm in diese Kanzlei empfohlen. Das gibt es nicht, nicht einen einzigen Fall werden Sie finden! Ich bekomme natürlich keine Politikerpension – das hat die FPÖ durchgesetzt –, muss aber übrigens meine Pensionszahlungen als Rechtsanwalt weiter bezahlen. So toll ist die Bemerkung also nicht. (Bundesrat Gasteiger: Gaugg ...! – Bundesrat Dr. Böhm: Aber es geht um Böhmdorfer!)

Ich rede jetzt von mir und möchte mich auch nicht mit anderen vergleichen. Mir ist der Fall Staribacher nicht bekannt, er war aber offensichtlich problematischer als meiner. (Bundesrat Konecny: Wirklich nicht! Weniger problematisch!) Da ich in meinem Fall mehr von den Anteilen an der Böhmdorfer-Gheneff OEG verkauft habe, als ich hätte verkaufen müssen – nämlich alles verkauft habe! –, kann das nicht problematisch sein.

Die einzige Alternative, die Sie mir offen lassen, wäre das Verschenken des durch 25 Jahre aufgebauten, bescheidenen Vermögens eines Klientenstockes. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!) Das sind 25 Jahre als Freiberufler – die meisten von Ihnen werden dieses Los nicht kennen –: voller Risken, voller Gefahren unter persönlicher Haftung, nicht abgesichert durch Kapitalgesellschaften, so wie Sie das wahrscheinlich haben. Das wünsche ich niemandem! Gott sei Dank gibt es mittlerweile die Anwalts-GesmbH und die OEG. Dieser Aufbau einer Anwaltskanzlei in einer Zeit, in der es nur die persönliche Haftung gab, ist ein Erlebnis, das ich niemandem wünsche und das sich heute auch niemand mehr zumutet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin deshalb sehr froh darüber, auf diese Fragen eingehen zu können. Ich müsste sie nicht vollinhaltlich zitieren, tue dies aber, damit Sie den Gesamtzusammenhang besser verstehen können.

Die Frage 1 lautet: "Welche Gesetzesinitiativen haben Sie während Ihrer Amtstätigkeit eingeleitet, mit welchen das Rechtsverhältnis der Anwaltschaft oder der Anwälte im Einzelnen berührt wurde?"

Es war dies zunächst das Europäische Rechtsanwaltsgesetz. Das war die Umsetzung einer Richtlinie betreffend gemeinschaftsrechtliche Vorgaben, die schon von Michalek eingeleitet wurde und von mir nur noch vollzogen wurde. Es war ferner das 2. Euro-Justiz-Begleitgesetz, das Änderungen der Rechtsanwaltsordnung mit sich brachte. Es war das Rechtsanwaltstarifgesetz – und zwar in einer unbedeutenden Ausprägung, wobei die Schillingbeträge in Euro-Betragsangaben umgestellt wurden –, und es war die Zivilprozessordnung. Sie kennen mög


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licherweise die Zivilprozessordnung. Damit bin ich bei den Rechtsanwälten massiv angeeckt. Ich wollte eine viel straffere Novelle durchsetzen. Es ist mir nicht gelungen, und zwar auf Grund des Widerstandes der Rechtsanwälte.

Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass irgendjemand mit Recht behaupten kann, die Anwälte wären wegen dieser Gesetze von mir begünstigt worden. (Bundesrat Dr. Böhm: Beileibe nicht!)

Zur Frage 2: "Haben die Anwälte aus diesen Initiativen heraus profitiert oder hat sich die Situation der Anwaltschaft daraus verschlechtert?"

Dazu sage ich, was ich vorhin schon angedeutet habe – das wiederhole ich –, und außerdem noch, dass solche Gesichtspunkte für mich nie maßgeblich waren. Als Bundesminister für Justiz bin ich immer um ausgewogene legistische Regelungen bemüht gewesen.

Zur Frage 3: "Wie wurden im Detail diese Gesetzesänderungen betreffend die Anwaltschaft beziehungsweise Anwälte begründet?"

Ich sage, sie waren sachlich begründet. Sehen Sie sich auch die Erläuternden Bemerkungen an. Es waren zum Teil, wie erwähnt, Richtlinienumsetzungen. Ich verweise auch auf meine Ausführungen im Nationalrat und hier im Bundesrat.

Zur Frage 4 – tatsächlich ist es so, dass die Fragen 4 bis 9 mit Sicherheit nicht in meinen Vollzugsbereich als Justizminister fallen, aber ich gehe gerne darauf ein –: "Stimmt die Berichterstattung der Zeitschrift ‚NEWS’, wonach Sie aus einem Pachtvertrag monatlich 100 000 ATS zuzüglich 20 Prozent Umsatzsteuer von der Böhmdorfer-Gheneff KEG oder einer Rechtsnachfolgerin davon erhalten?"

Die Antwort ist: Dieser Teil der Berichterstattung ist richtig. Ich habe das auch öffentlich sofort bestätigt. Im Übrigen liegt der Pachtvertrag seit zweieinviertel Jahren in allen seinen Details und auch mit dieser Summe beim Unvereinbarkeitsakt. Mir ist bekannt gegeben worden – ich weiß nicht, ob es stimmt; mir wurde es gesagt –, dass jetzt infolge der Sauren-Gurken-Zeit oder Sommerloch-Zeit einige Abgeordnete – mir wurden auch Parteien genannt, die ich aber jetzt nicht anführen möchte – mit diesen Verträgen zu den Medien gegangen sind, um diese zur Veröffentlichung anzubieten. Aber es hat sich dann nur ein Magazin gefunden, das dies veröffentlicht hat.

Zur Frage 5: "Welche Zahlungen – mit Ausnahme jener nach dem Bezügegesetz – haben Sie seit Ihrer Amtsübernahme von wem in welcher Höhe erhalten?"

Aus meiner ehemaligen Rechtsanwaltskanzlei habe ich nur den Pachtzins – wie dargestellt –, natürlich aber auch die bis zum Beginn meiner Ministertätigkeit erarbeiteten Honorare erhalten. Das ist so: Wenn Sie eine Kanzlei verlassen, bekommen Sie die bis dahin erarbeiteten Honorare; wenn Sie die Ministertätigkeit beendet haben, fangen Sie mit null wieder von vorne an. Das ist das harte Gesetz des Freiberuflers, das Sie hier im Saale mit Sicherheit zu 95 Prozent nicht aus persönlicher Erfahrung kennen.

Zur Frage 6: "Die Mitglieder der Bundesregierung haben alle zwei Jahre ihre Vermögensverhältnisse dem Präsidenten des Rechnungshofes offen zu legen. Während Ihrer Ministerschaft haben Sie 50 Prozent Ihrer Anteile an der Böhmdorfer-Gheneff KEG abgetreten."

Da ist schon die Frage unrichtig, nämlich im Bereiche Ihrer Unterstellung. Ich habe nicht 50 Prozent meiner Anteile abgetreten, sondern 100 Prozent meiner Anteile! Alle meine Anteile, die ich hatte, habe ich abgetreten.

Die Fortsetzung dieser Frage lautet: "Ist Ihr Vermögen durch die Abtretung Ihrer Kanzlei in außerordentlichem Ausmaß angewachsen?"

Nein, natürlich nicht.


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Schließlich wird in Frage 6 gefragt: "Wenn nein, warum nicht?"

Weil ich ein angemessenes Entgelt erhalten habe. Wenn Sie für eine Vermögensmasse, die 100 wert ist, auch einen Gegenwert von 100 bekommen, haben Sie sich nicht bereichert, sondern Sie haben dafür eine andere Vermögensmasse erworben. So einfach ist das. Ich habe keine Überzahlung erhalten, ganz im Gegenteil, Herr Mag. Hoscher: Sie werden wissen, dass ich als Anwalt mit Sicherheit besser als jetzt als Minister verdient habe. (Bundesrat Mag. Hoscher: Warum machen Sie es dann?)  – Weil es eben nicht nur um dass Geld geht! Manchen geht es nur um dass Geld, und manchen nicht, das ist ganz einfach. Es geht mir eben nicht um das Geld. (Bundesrat Gasteiger: Gaugg geht es auch nicht ums Geld!) Sie können ruhig polemisieren, dass jemand des Geldes wegen Minister wird: Das mag für Ihre Kreise gelten. Bei uns ist das nicht so.

Zur Frage 7: "Wie hoch war die Summe, die Sie aus dem Abtretungsvertrag erhalten haben?"

Das war der Wert des Kapitalkontos.

Fortsetzung der Frage: "Wann ist diese Summe angefallen?"

Diese ist nach Erstellung der jährlichen Einnahmen- und Ausgabenrechnung angefallen. Es war – auch danach ist gefragt – eine Einmalzahlung.

Zur Frage 8: "Gibt es neben den zwei" – "neben den beiden", wäre da zu sagen – "bekannten Verträgen noch weitere Verträge beziehungsweise Abreden" – Sie schreiben nicht, was "Abreden" sind – "betreffend Ihre Kanzlei, die Kanzleigemeinschaft, die Rechtsverhältnisse zwischen diesen oder die Rechtsverhältnisse zwischen diesen und Ihnen?"

Nein! In Hinblick auf das unscharfe Wort "Abreden" kann ich nur sagen: Nein, es gibt keine weiteren Verträge. Was Sie unter "Abreden" verstehen, weiß ich nicht. Wenn "Abreden" auch sozusagen kleinere Vereinbarungen sind, so ist es zum Beispiel die, dass ich in der Vergangenheit nie jemanden verabredungsgemäß in diese Kanzlei empfohlen habe und das auch in Zukunft nicht tun werde. Ich wiederhole es: Sie werden niemanden finden, der sagen kann, ich hätte ihm empfohlen, als Klient in diese Kanzlei zu gehen.

Zur Frage 9: "Hat die Rechtsanwaltskanzlei Böhmdorfer neben der Böhmdorfer-Gheneff OEG beziehungsweise KEG überhaupt noch bestanden?"

Nein, seit 1998 natürlich nicht mehr – wie Sie aus den Akten des Unvereinbarkeitsausschusses wissen, die Sie kennen – als selbständige Kanzlei.

Die Zusatzfrage "Wenn ja, in welchem Rechtsverhältnis sind diese zueinander gestanden?" entfällt natürlich. Ich verweise aber der Vollständigkeit halber darauf, dass es diesen Pachtvertrag gibt.

Zur Frage 10: "Würden Sie als Bundesminister für Justiz und Konsumentenschutzminister den BürgerInnen raten, Pachtverträge mit einen Pachtzins von mehr als 1 Million Schilling jährlich mündlich abzuschließen?"

Meine Antwort: Das kommt auf die Umstände des Einzelfalles an. Diese beschreiben Sie nicht.

Die Zusatzfrage "Wenn nein, warum nicht?" entfällt, weil die Antwort schon mit der ersten Frage gegeben ist.

Zur Frage 11: "Werden Sie den Pachtvertrag umgehend beenden, um diese schwer wiegende politische Unvereinbarkeit als Bundesminister für Justiz aufzulösen?"

Das wäre eine Schenkung, die ich nicht verstehen könnte. Es liegt nach schärfster parlamentarischer Kontrolle keine Unvereinbarkeit vor. (Bundesrat Gasteiger: Müssten Sie Steuer zahlen!)


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Ich glaube aber, dass Sie Ihren Irrtum in der Art Ihrer Anfrage zu erkennen geben, denn die Unvereinbarkeitsbestimmung besteht zwischen dem Staatsamt und der Ausübung der Rechtsanwaltschaft. Diese ist mir verboten und ist auch beendet! Ich habe keinerlei Ingerenz auf meine frühere Kanzlei und wirke in dieser auch nicht mit. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

4.10

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny. Ich erteile es ihm.

4.11

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben uns nun in einer Art und Weise, die mir nicht ganz erklärbar macht, was Herr Professor Böhm am Anfang eigentlich zum Ausdruck bringen wollte, Antworten auf diese Fragen gegeben. (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso?) Es bleibt jener schale Nebengeschmack einer Nicht-Trennung zwischen Ihrer Kanzlei und Ihnen bestehen. Ich habe nicht die Absicht, irgendeine von Ihren Aussagen, die Sie hier getroffen haben, inhaltlich in Zweifel zu ziehen. Dazu fehlt mir auch jedes Vorwissen. Ich bin nicht in der Lage und wäre auch nicht bereit, darüber zu diskutieren, ob Sie irgendjemandem diese Kanzlei empfohlen haben.

Aber vom ersten Tag an hat es in der Öffentlichkeit eine massive Kritik an dem Firmenwortlaut gegeben, und diese Kritik ist ständig erneuert worden. Das ist einfach etwas, was in einem sensiblen politischen Prozess keinen Platz hat: dass der amtierende Justizminister – so haben die ursprünglichen Vorwürfe geheißen – auf dem Briefpapier steht, ja seinen Namen für eine Kanzlei hergibt – das glaube ich Ihnen gerne –, von der er seinen 50-prozentigen Anteil – Sie verzeihen uns den Schreibfehler – zu 100 Prozent abgetreten hat. Dies ist gegenüber einer Öffentlichkeit, die mit Recht kritisch und sensibel geworden ist, weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, die nicht jeden Einzelfall in seiner Detailliertheit erfassen können, in höchstem Maße problematisch! (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Sache ist – und das gilt auch nach Ihrer Erklärung –: Hier erfolgen regelmäßige Zahlungen, hier erfolgen monatliche Zahlungen, die – das hat Kollege Hoscher schon in seiner Begründung ausgeführt – zunächst einmal von dieser hoffentlich wirklich tüchtigen Kollegin auch erwirtschaftet werden müssen. Das ist nicht dasselbe wie ein Sparguthaben – in Zeiten wie diesen möchte ich nicht von Aktienbesitz sprechen, wenn ich von Vermögensverwaltung oder Vermögenserträgen rede (Heiterkeit)  –, das ist moralisch einfach nicht dasselbe ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )  – Bitte, Herr Kollege? (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Leider verstehe ich Sie nicht. Das liegt eher nicht an meinen Ohren, sondern an Ihrer Sprache.

Das ist eine Verquickung, die in diesem sensiblen Bereich in höchstem Maße auf Misstrauen stößt. Sie haben in Ihrer politischen Tätigkeit Dutzende Male erlebt, dass Ihre Verhaltensweisen, Ihre Vorgangsweisen von den Rechtsberufen in diesem Land mit großem Misstrauen und mit großer Kritik aufgenommen wurden.

Ich finde es sehr merkwürdig, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Weisen-Bericht und Ihrer sehr eindeutigen Darstellung dabei nur zu dem Vokabel "Vernaderung" greifen. Sie haben es ja nicht mit drei Grenzdebilen zu tun, die nicht in der Lage waren, sich eine eigenständige Meinung zu bilden, denen irgendjemand irgendwas erzählt hat, und daher ist das so in diesem Bericht enthalten. Es hat gute Gründe und gut ausargumentierte Gründe gegeben, warum Sie als Person und als Amtsträger in diesem Bericht erwähnt sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Dr. Böhm: Keine sachlichen!)

Politik ist mit Sicherheit mehr als nur die formale Erfüllung von gesetzlichen Vorschriften. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Was soll er denn tun, Herr Kollege?) Politik bedeutet oder


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erfordert mit Sicherheit ein hohes Maß an eigener Sensibilität. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Kein Verstoß, hat der Unvereinbarkeitsausschuss ...!) Auch das, was nicht objektiv rechtswidrig ist, muss deshalb noch nicht politisch richtig sein. Wenn immer wieder auch die ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Präsident! Darf ich in aller Bescheidenheit bitten, dafür zu sorgen, dass ich sprechen kann, ohne die technischen Hilfsmittel überzustrapazieren – im Interesse aller anderen Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner steigert im folgenden Satz die Redelautstärke, indem er die Stimme erhebt und den Abstand zum Mikrophon minimiert.) Mit der Lautsprecheranlage geht das ganz gut! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Vielleicht können wir das anders lösen, Herr Präsident! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: War nur eine Frage! – Bundesrat Dr. Aspöck: Jetzt kommt er wieder mit dem Achtundsechziger-Schmäh, dass er ins Mikrophon brüllt! – Bundesrat Mag. Himmer: ... den meisten Zwischenrufen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Ludwig Bieringer (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Am Wort ist Herr Bundesrat Konecny. Wenn Sie sich zu Wort melden, dann schicken Sie Ihren Ordner her, wir sind hier nicht am Basar von Bagdad. (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ.) Am Wort ist Herr Bundesrat Konecny, und ich möchte bitten, ihn aussprechen zu lassen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Danke. (Bundesrat Mag. Himmer: ... wann kommen Sie zum Ende?)  – Auch die Zeit bestimmt der Präsident und nicht Sie, lieber Kollege! Das Glockerl oder das Lamperl wird mir das rechtzeitig mitteilen.

Es hat immer wieder, zum Beispiel von Seiten der Richtervereinigung, massivste Kritik gegeben, nicht nur politisch-inhaltliche, die Sie immer als Einzelerscheinung abgetan haben, auch wenn es natürlich keine Einzelerscheinung war, sondern sehr wohl – und das ist auch in dieser Debatte wieder aufgetaucht – an Ihrem Verhalten im gegenständlichen Fall gelegen ist. Niemand – und das tun wir nicht! – kann Ihnen vorwerfen, dass Sie in formaler Hinsicht den Erfordernissen des Unvereinbarkeitsgesetzes nicht entsprochen haben. Ich habe keinen Hinweis darauf, dass irgendein ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Von was reden wir denn dann ...?)

Herr Präsident! Wenn Sie schon nicht Ruhe herstellen können, ziehen Sie mir wenigstens die Zeit ab, die der Kollege braucht, um seine Zwischenrufe zu machen!

Aber es gibt eben mehr als diese formale Verantwortlichkeit. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie sind der mit den meisten Zwischenrufen!) Sie haben in Zwischenrufen Kollegen Broda genannt. Der hat genau das gemacht! Als er Justizminister war, hat er schlichtweg seine Kanzlei geschlossen und nicht durch einen Substituten – das war noch das alte System ... (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja nicht wahr, was Sie sagen!) Natürlich! (Bundesrat Dr. Böhm: Er hat einen Kollegen gehabt!) Er hat seine Kanzlei geschlossen (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja nicht richtig!), und er ist ... (Bundesrat Dr. Böhm: Schachter hat er gehabt, zum Beispiel!)

Nein, Schachter war bei ihm Konzipient in den Phasen, in denen seine Kanzlei von ihm betrieben wurde. Broda war nicht immer Justizminister, auch wenn das in der Erinnerung so aussieht! (Beifall bei der SPÖ.) Natürlich hat er dafür gesorgt, dass seine Klienten nicht von dem Tag an, an dem er Minister wurde, nicht mehr betreut wurden. Er hat nur nach meinem Wissen – und ich habe darüber einiges Wissen – dafür keine Zahlungen erhalten, sondern er hat sich um diese Klienten gekümmert. (Bundesrat Dr. Maier: Wie war das denn beim Androsch? – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Auch wenn Sie noch so schreien – das ist das sensible Verhalten, das ich mir von einem Justizminister, der eben im besonderen Maße auch auf die Reaktion der Bevölkerung zu achten hat, vorstelle!

Ich will mir weder die Auffassungen von Professors Mayer Wort für Wort zur Richtschnur meines Urteils machen, noch habe ich die Absicht, jedes Wort zum Maß zu machen, das Kollege Worm im "NEWS" geschrieben hat. Ich wüsste nicht, was an dieser Berichterstattung


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unfair ist, außer dass ein Sachverhalt öffentlich gemacht worden ist, den Sie von sich aus jedenfalls nicht öffentlich gemacht haben.

Ihre Erklärung, dass Sie mit dieser Kanzlei – ich sage es jetzt umgangssprachlich – nichts zu tun haben, ist im Verständnis der Öffentlichkeit mit Sicherheit unrichtig. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist falsch!) Im Sinn des Unvereinbarkeitsgesetzes ist es korrekt, aber Sie können nicht davon ausgehen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier.  – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen), dass der rechtssuchende Bürger, um dessen Vertrauen in die Justiz es dabei geht, vorher eine Prüfung über das Unvereinbarkeitsgesetz ablegen und es auswendig können muss. Der Bürger und die Bürgerin wollen darauf vertrauen können, dass diese Justiz so unabhängig und unbeeinflusst arbeitet (Bundesrat Dr. Böhm: Ist sie ja!), wie er und sie sich das wünschen.

Darüber könnten wir in einer weiteren Dringlichen – heute nicht mehr – debattieren (Bundesrat Dr. Böhm: Gestehen wir Ihnen gerne zu!), obwohl das Thema sehr eng damit verbunden ist und deren Einbringung daher geschäftsordnungsmäßig durchaus noch möglich wäre. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber ja! Machen Sie es! Da verstehe ich mehr davon als Sie!) Aber die Tatsache, dass dieser Justiz in der österreichischen Öffentlichkeit in zunehmendem Maße Misstrauen entgegengebracht wird (Bundesrat Dr. Böhm: Das Sie schüren!), dass sich Menschen, die in dieser Justiz tätig sind, über Druck beklagen, dass die Entscheidungsfindung ... (Bundesrat Dr. Böhm: Was für ein Druck? Des Herrn Justizministers?)

Na selbstverständlich! Da hat es eine Diskussion über den Standort und das Bestehen des Jugendgerichtshofes Wien gegeben. Es hat niemand – mit einer Ausnahme, und die ist in einer nicht sehr attraktiven Form im Fernsehen gezeigt worden – die Meinung des Herrn Justizministers geteilt. Alle Experten, alle Betroffenen haben sich gegen seine Auffassung ausgesprochen. Aber die Dialogform dieses Ministers besteht eben darin, am Ende einer solchen Diskussionsrunde zu sagen: "Ich habe alle überzeugt." – Wenn das nicht Druck ist, was ist dann Druck?

Er ist Leiter dieses Ressorts. Er hat damit eine politische Verantwortung und ... (Bundesrat Dr. Böhm: Er muss die Entscheidung treffen! Nicht der Herr Jesionek ist der Ressortchef!) Bitte? (Bundesrat Dr. Böhm: Nicht der Herr Jesionek ist der Ressortchef!)  – Nein, aber er ist ein verantwortungsbewusster Jurist, der ein beispielloses und wirklich beispielgebendes Modell in diesem Bereich mitgetragen und mit verwirklicht hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Hat nicht er erfunden!) Er hat es nicht erfunden. Es wurde ja ein Jubiläum gefeiert, als es aufgelöst wurde – diese Delikatesse muss man auch noch einmal haben!

Aber es ist mit Sicherheit nicht so, dass die Justiz von heute in den Augen der Öffentlichkeit dieselbe ist wie die Justiz vor vier oder fünf Jahren, als es in diese Unabhängigkeit und diese Unbeeinflusstheit ein klares und eindeutiges Vertrauen gegeben hat, das sich die Justiz schwer erarbeitet hat. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist auch eine Frage des Respekts vor den Menschen, die in der Justiz arbeiten, ob ihnen der Minister diesen Teppich unter den Füßen wegzieht. Ich meine, er ist hier und in anderen Fällen im Begriff, das zu tun.

Ich habe es schon eingeworfen: Ich bin nicht der Meinung, dass man jedes Wort, mit dem Kritik am Herrn Bundesminister geübt wird, politisch unterschreiben soll. Ich werde daher die Rücktrittsaufforderung, die Herr Redakteur Worm in seinem Kommentar verständlicherweise zum Ausdruck gebracht hat, nicht unterschreiben und hier nicht äußern. Aber ich erwarte mir, dass der Herr Bundesminister über die Selbstgerechtigkeit hinaus, die er hier gezeigt hat (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Wer ist selbstgerecht? Sie sind selbstgerecht, Herr Professor!), auch einmal versucht, Sensibilität sich selbst gegenüber geltend zu machen, darüber nachzudenken, ob seine Handlungen und seine Verhaltensweisen für diese Republik und ihr Rechtssystem erträglich und ertragbar sind, und vielleicht auch dann zu anderen Lösungen zu kommen als jener, die er uns heute erklärt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

4.24


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690. Sitzung / Seite 290

Präsident Ludwig Bieringer:
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anna Schlaffer. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bitte, ich habe Frau Bundesrätin Schlaffer das Wort erteilt! Wenn jemand etwas sagen möchte, soll er sich zu Wort melden. – Bitte, Frau Bundesrätin.

4.25

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vernehme, dass Sie alle anscheinend noch über so viel Energie verfügen, dass ich keine Angst und keine Befürchtung haben muss, dass Sie die wenigen Minuten meines Redebeitrags nicht mehr überstehen werden. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber natürlich überstehen wir das!) So viel Zähigkeit traue ich Ihnen noch zu. Aber vielleicht haben Sie etwas Verständnis für unseren Präsidenten, der einen schon am Mittwoch begonnenen, schweren Amtsantritt hinter sich gebracht hat (Bundesrat Dr. Böhm: Das liegt ja an Ihnen!) und sicherlich auch wie Sie alle froh sein wird, dass ein Ende in Sicht ist. Also wenn Sie – wie der Herr Präsident schon gesagt hat – Ruhe aufbringen, dann werden wir es schnell vorbei haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! So, wie sich mittlerweile die Dunkelheit der Nacht in die Helligkeit des Tages verwandelt hat, so erwartet sich auch meine Fraktion von Ihnen, Herr Bundesminister, dass sich durch Ihre Antworten der von uns vorgebrachte Vorwurf der vor allem politischen Unvereinbarkeit erhellt. Ich muss Sie jedoch enttäuschen, es ist weiterhin dunkel geblieben. Wenn alles tatsächlich so harmlos und transparent ist, wie Sie uns berichtet haben, dann frage ich mich: Wieso müssen dann SPÖ- und Grün-Mandatare des parlamentarischen Unvereinbarkeitsausschusses – wie es "NEWS" diese Woche berichtet – eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, dass sie die Ausschussvertraulichkeit nicht gebrochen haben? (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Das Kapitel "NEWS" ...!) Wieso werden auch parlamentarische Mitarbeiter in dieser Angelegenheit zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet? (Unruhe im Saal. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundesminister! Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie für Ihre vormalige Rechtsanwaltskanzlei eine gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßende Regelung getroffen haben. Ich bin auch der Meinung, die schon Mag. Hoscher geäußert hat, dass eine beachtliche Leistung dazu gehört, sich so etwas zu schaffen, was Sie erreicht haben. Dazu kann ich auch nur gratulieren.

Ich stimme aber nicht nur mit meinen Vorrednern, sondern auch mit mehreren Rechtsexperten wie Dr. Graff und DDr. Heinz Mayer überein, wenn sie die jetzige Situation oder die gegebene Situation für bedenklich erhalten. (Bundesrat Dr. Böhm: "Für bedenklich halten"!) Halten – Entschuldigung, um diese Zeit mögen Versprecher vielleicht nicht als so bedeutend angesehen werden wie zu einer früheren Zeit. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Wir sind ja tolerant! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Aber ich finde das nicht nur mir gegenüber unfair, sondern vor allem auch dem Herrn Minister gegenüber, der selbst gesagt hat, dass er froh sei, die Gelegenheit geboten bekommen zu haben, Klarheit in diese – seiner Meinung nach ungerechten – Vorwürfe zu bringen. Also geben wir ihm bitte auch die Möglichkeit, das tatsächlich durchzuführen! (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Das haben wir eh schon gesagt!)

Allein die Tatsache, dass der Herr Bundesminister – egal in welcher Form, aber doch noch immer – mit seiner Kanzlei in Verbindung steht, sei es durch den Pachtvertrag, sei es durch die weiter gebräuchliche Verwendung des Namens der Kanzlei, suggeriert, dass die Inanspruchnahme dieser Kanzlei von Vorteil sein könnte.

Herr Minister! Was dabei unsachlich ist, wenn der Name Böhmdorfer aus dem Firmennamen entfernt wird, verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht (Ruf bei der ÖVP: Umtaufen, Herr Minister!), zumal Sie in Ihrer aktiven Zeit als Anwalt (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Meinl heißt ja auch noch Meinl, und trotzdem ...!), wenn auch nicht immer sehr verständliche, aber doch sehr erfolgreiche Urteile für Ihre Klienten erwirken konnten. Daher sehe ich auch die problema


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tische Verbindung mit dem Namen Böhmdorfer in dieser Kanzlei durchaus – wie bereits geschildert – als Anreiz, die Kanzlei in Anspruch zu nehmen. Immerhin wird man einer Kanzlei, die in Verbindung mit dem amtierenden Justizminister steht, erst recht zutrauen, dass sie bestimmte Erfolge erzielt. Es wäre in diesem Zusammenhang sehr interessant, zu erfahren, ob und wie sich die Auftragslage und der Personalstand der Kanzlei in der Zeit seit Ihrem Einstieg in das Ministeramt verändert haben.

Der Pachtvertrag und die dadurch erwirkten Einnahmen mögen rechtlich zwar korrekt sein. Ob sie aber auch korrekt im politischen Sinne sind, wird mit anderen Kriterien beurteilt und muss auch so beurteilt werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundesminister! Korrekt finde ich es aber nicht, wenn andere Politiker in gleichen oder ähnlichen Situationen gerade von Ihrer Partei mit dem Vorwurf der Unvereinbarkeit konfrontiert werden. (Bundesrat Fasching: Bei Dr. Moser ist ...! – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Beispiele wurden bereits genannt. Bei Dr. Moser ist es keine Unvereinbarkeit, Herr Kollege Fasching – wenn Sie das nicht wissen sollten. (Unruhe im Saal. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Als Dritter Landtagspräsident wird von ihm sicherlich erwartet ... (Bundesrat Konecny: Kein Exekutivorgan!) Und er ist kein Exekutivorgan, wie Herr Professor Konecny gesagt hat. Also bleiben wir korrekt, und seien wir nicht polemisch! (Zwischenrufe.)

Wie ich bereits gesagt habe, sind einige Beispiele schon genannt worden. Jetzt erleben Sie, Herr Minister, persönlich, wie unangenehm solche persönlichen Angriffe sind! Alle anderen Personen und Politiker, die von der FPÖ angegriffen werden, erleben es auch nicht als angenehm. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Wir tun es nur, wenn es berechtigt ist!)

Wenn sich die FPÖ derart stark für den Abbau von Privilegien einsetzt, dann sollte sie auch dafür Sorge tragen, dass bei ihren eigenen Leuten keine schiefe Optik entsteht. Gerade von einem Justizminister dürfen wir uns ein nach allen Seiten hin korrektes Vorgehen erwarten! (Beifall bei der SPÖ.)

Danke, dass Sie noch so viel Energie aufgebracht haben! Wir hätten ruhig noch eine weitere Dringliche machen können. Die Leute sind noch frisch, wie man sieht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Wir merken uns das für das nächste Mal!)

4.32

Präsident Ludwig Bieringer: Meine Damen und Herren! Ich finde es berührend, dass sich so viele um mich Sorgen machen. Aber es braucht sich niemand Sorgen zu machen, ich bin so etwas gewohnt! Es ist nicht das erste Mal, dass ich um diese Zeit noch auf bin. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Konecny. ) Es stört mich daher überhaupt nicht.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Ich erteile ihm dieses.

4.33

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Ich verlängere nicht mehr als notwendig. – Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Lieber Dieter! Homo homini lupus est, sagt ein altes lateinisches Sprichwort. Einige Stellungnahmen aus dem "linken" Österreich haben mir gezeigt, wie richtig dieses Sprichwort ist. Es ist geradezu peinlich, wie die sozialdemokratischen Redebeiträge und die dahinter stehenden Personen mit völligem Unverständnis "glänzen" oder ganz einfach nicht verstehen wollen!

Zunächst einmal zu den Ausdrucksweisen: Der erste Redner spricht von "rechtskabarettistischen" Ausführungen nach den Ausführungen eines Universitätsprofessors (Bundesrat Gasteiger: Das hat er lang nicht gesagt!), eines Universitätsprofessors höchster Qualifikation! Er glaubt tatsächlich, dass er beurteilen kann, ob die Ausführungen des Universitätsprofessors Dr. Böhm "rechtskabarettistischen" Charakter haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Ein Topfen war’s!)


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Zum zweiten Redner, meine Damen und Herren – da sehen Sie die Polemik –: Da spricht ein Professor h. c. Konecny vom “schalen Nebengeschmack”. Das ist Polemik pur, nachdem der Herr Bundesminister jeglichen “schalen Nebengeschmack” aufgeklärt hat und nichts
mehr übrig geblieben ist! (Bundesrat Würschl: Wo denn? Das hat keiner gehört!) Der Herr Bundesminister hat Ihnen, ohne dazu verpflichtet zu sein, eine Reihe von Fragen beantwortet und bis ins Detail aufgeklärt.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Sie die Ausführungen des Herrn Universitätsprofessors Dr. Böhm zu den Punkten 1, 2 und 3 nicht verstanden haben, dann erkläre ich sie Ihnen gerne noch einmal. Und jetzt darf ich Ihnen noch einiges erklären. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollegin Schlaffer hat in ihrer Begeisterung auch noch die österreichischen Richter angegriffen! Sie hat nämlich gemeint, dass der Herr Bundesminister als Rechtsanwalt so erfolgreich war und die Urteile durchaus nicht immer verständlich waren. Frau Kollegin: Das ist ein Frontalangriff auf die österreichische Richterschaft! (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!) Haben Sie überhaupt verstanden, dass Sie das damit zum Ausdruck bringen? (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, nein, nein! – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das war ein Frontalangriff gegen die Richter! (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Jetzt darf ich noch kurz auf einige Beispiele eingehen. Da gibt es in Wien eine Kanzlei, wie ich höre, die Heller Löber Bahn heißt. Ich kenne sie nicht, da ich Salzburger bin. Von ihnen soll einer im VfGH sitzen, angeblich soll er sogar der roten Fraktion im VfGH angehören. Aber der Name scheint anscheinend noch immer in der Kanzlei auf, meine Damen und Herren – so ist das!

Weiters nenne ich Ihnen ein zweites Beispiel – Herr Professor Böhm und der Herr Bundesminister haben es dem Herrn Professor Konecny erklärt, aber er wollte es nicht wahrhaben –: Michalek hat sein Notariat nicht zurückgelegt! Er hat nur einen Substituten das Notariat Michalek führen lassen.

Zum Dritten kann ich Ihnen noch eines sagen: Ihr Vergleich mit Justizminister Broda hinkt, Herr Professor Konecny! Sie wissen nicht, dass es zur Zeit des Justizministers Broda noch keine Kanzlei Maier Müller OEG, KEG und so weiter gegeben hat. (Bundesrat Konecny: Natürlich weiß ich das!) Die Broda-Kanzlei war die ganze Zeit, während Broda Minister war, geöffnet und wurde vom Kanzleipartner weitergeführt. (Bundesrat Konecny: Nein!) Nehmen Sie dies zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nehmen Sie weiters Folgendes zur Kenntnis: Der Justizminister hat nicht gesagt, dass ihn die drei Weisen vernadert haben, sondern der Herr Justizminister hat gesagt, dass er bei den drei Weisen vernadert wurde (Bundesrat Konecny: Das unterstellen Sie ...!) und die drei Weisen dann so fahrlässig waren, den Herrn Justizminister nicht einmal zu fragen, ob diese Lüge von den Massenklagen richtig oder unrichtig sei. Nehmen Sie das als historische Tatsache zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Abschluss sei in Ihr Stammbuch geschrieben, meine Damen und Herren: Nicht die einfachen Bürger sollten eine Prüfung über die Unvereinbarkeitsgesetze dieser Republik machen, sondern manche, ja sehr viele Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei Österreichs! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

4.38

Präsident Ludwig Bieringer: Mir liegt eine weitere Wortmeldung von Frau Bundesrätin Schlaffer vor. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Restredezeit 12 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Bundesrätin.

4.38

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich die erregten Worte des Kollegen Aspöck nicht im


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Raum stehen lassen wollte. Ich habe hier in keinerlei Form irgendeinem Richter etwas unterstellt, sondern ich habe ... (Bundesrat Mag. Himmer: Alle Richter! – Bundesrat Weilharter: Alle! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Moment, ich habe von den Urteilen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Vielleicht hören Sie genau und besser als vorhin zu, dann werden Sie auch verstehen, was ich gemeint habe. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: ... auch dem Herrn Jesionek!) Ich habe gesagt, dass Herr Minister Böhmdorfer in seiner aktiven Zeit als Anwalt sehr viele erfolgreiche Urteile für seine Klienten erwirkt hat (Bundesrat Dr. Böhm: Ja, als guter Anwalt!), wenn auch nicht alle immer verständlich waren, und habe damit gemeint, dass auch für die Öffentlichkeit das Ergebnis dieser Urteile nicht immer verständlich war, man hätte andere erwarten können, vor allem wenn ich als konkretes Beispiel jene nehme, die sich gegen kritische Journalisten gerichtet haben. (Unruhe im Saal. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Wenn es der Herr Präsident schaffen sollte, einigermaßen Ruhe in diesen Saal zu bringen, möchte ich eines mit aller Deutlichkeit sagen ...


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Präsident Ludwig Bieringer:
Frau Kollegin! Ich brauche keine Belehrung Ihrerseits. Nehmen Sie bitte eines zur Kenntnis – ich habe das schon einmal gesagt –: Wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es zurück. (Bundesrat Dr. Maier: Mehr Sachlichkeit!)

Ich möchte darum bitten, wiederum zur Sachlichkeit zurückzukehren. Dann brauchen wir auch keine Glocke zu betätigen. – Bitte setzen Sie fort. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bundesrätin Anna Schlaffer (fortsetzend): Herr Präsident! Sie werden mir vielleicht zubilligen, dass es nicht sehr einfach ist, in einen so lauten Saal hinein zu sprechen. (Bundesrat Dr. Maier: Sachlich ...!) Wenn der Lärmpegel einmal ein bestimmtes Maß überschritten hat, muss es auch einer Rednerin am Pult möglich sein, darum zu ersuchen, für Ruhe zu sorgen. Das war keine Kritik an Ihnen.

Was ich noch sagen möchte – ich erlebe es heute schon einige Male, und ich verwahre mich strikt dagegen –, ist: Es kann einfach nicht sein, dass man nur in irgendeiner Form in einem Satz in die Nähe des Wortes Richter kommt, wie es heute gewesen ist, oder zum Beispiel von Gendarmeriebeamten, und man bekommt postwendend – obwohl man es nicht gesagt hat! – die Rückmeldung, als hätte man deren Arbeit kritisiert. Ich möchte das jetzt bewusst am Schluss unserer Debatte sagen: Das finde ich nicht fair, und vor allem auch nicht die polemische Art, in der das passiert! Niemand von uns hat in irgendeiner Form die Arbeit der Richter als solche kritisiert, auch wenn es vielleicht durch eine etwas ungeschickte Wortwahl möglicherweise so verstanden werden konnte. (Bundesrat Weilharter: Ein Appell an die eigene Fraktion!) Aber trotzdem ist das eine unfaire Art, wenn man hier wie Kollege Dr. Aspöck herausgeht und eine Behauptung in den Raum stellt, die in dieser Form nie und nimmer gefallen ist. (Bundesrat Dr. Böhm: Von Fairness sprechen Sie heute überhaupt noch? Von Fairness? – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Dr. Böhm! Über das Wort "Fairness" ... (Unruhe im Saal.)

Präsident Ludwig Bieringer: Am Wort ist Frau Bundesrätin Schlaffer, bitte!

Bundesrätin Anna Schlaffer (fortsetzend): Über das Wort "Fairness" könnten wir wahrscheinlich noch eine ausführliche Diskussion führen. (Bundesrat Dr. Böhm: Gern!) Aber denken Sie zurück an eine Zeit, in der Sie in der Situation der Sozialdemokratischen Partei von heute waren. (Bundesrat Dr. Böhm: War ich nie! – Bundesrat Konecny: Oh, Herr Kollege! – Bundesrat Dr. Böhm: Ich jedenfalls nicht!) Wie viel Rücksicht und wie viel Fairness wurde seitens Ihrer Fraktion vorgebracht? – Ich kenne es nur aus Erzählungen. Aber das, was ich gehört habe, reicht mir aus. Ich finde, dass wir sehr viel Fairness aufbringen, wenn ich an die Erzählungen aus früheren Zeiten denke. (Beifall bei der SPÖ.)

4.42

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Professor Böhm.

4.43

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zunächst möchte ich mich beim Herrn Bundesminister herzlich dafür bedanken, dass er es für richtig befunden hat – weil er ja in der Tat nichts zu verbergen hatte –, hier ausführlich und inhaltlich substanziell Stellung zu Fragen zu nehmen, zu denen er rechtlich überhaupt nicht zur Antwort verpflichtet gewesen wäre. (Bundesrat Gasteiger: ... ein schlechtes Gewissen!) Ich bin sehr froh darüber, weil dadurch Klarstellungen getroffen werden konnten gegenüber einer medialen Kampagne mit Unwahrheiten. Allerdings nehme ich zur Kenntnis, dass Sie diese Aufklärungen nicht zur Kenntnis nehmen. (Bundesrat Gasteiger: Immer!)

Es war auch so, dass keine Unvereinbarkeit nach dem Unvereinbarkeitsgesetz vorlag. Das haben Sie auch nicht in Frage gestellt, das räume ich ein. Es ging weder um Liegenschaften oder Kapitalvermögen noch um Anteilsrechte an Unternehmen oder Verbindlichkeiten. Trotzdem hat sich der Herr Bundesminister veranlasst gesehen, diesen Pachtvertrag dem Unvereinbarkeitsausschuss vorzulegen. Dieser hat den Vertrag selbstverständlich für völlig korrekt befunden. Wie Sie da von Unkorrektheit sprechen können, verstehe ich nicht. – Aber ich weiß schon, Sie meinen politische Korrektheit im Sinne Ihrer Ideologie! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich muss auch feststellen – verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, da rede ich nicht als Professor und als Jurist, aber trotzdem muss ich es leider kritisch sagen –, dass Sie rechtliche Grundbegriffe nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. (Bundesrat Gasteiger: Oh, Herr Lehrer!) Es müsste zum Beispiel jeder, der in der Landwirtschaft tätig ist, wissen und verstehen – auch wenn er nicht professioneller Jurist ist –, was ein Pachtvertrag ist. Dass ein Pachtvertrag ... (Bundesrätin Schlaffer: Keine Beleidigungen!)  – Das ist keine Beleidigung, das ist eine Tatsachenfeststellung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass ein Pachtvertrag überhaupt keine Beteiligung an einem Unternehmen ist (Bundesrat Todt: 100 000 S!) und keine Verflechtung in diesem Sinne – was Sie mit "Verquickung" meinen, darüber kann man lang streiten; Verflechtung ist ... (Bundesrat Konecny: Darüber kann man eben nicht streiten!)  – Doch, doch! Eine Verflechtung ist nämlich gewiss kein Pachtvertrag, weil er keinerlei Anteilsrecht und keinerlei Verfügungsrecht an dem verpachteten Unternehmen gewährleistet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Nein, das müssten Sie wissen! Das ist bei uns Anfängerwissen. Da würde man bei der Einführung durchfallen, wenn man das nicht versteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum anderen scheinen Ihnen "Gesellschaftsrecht" und "Firmenrecht" Fremdworte zu sein. Der Herr Bundesminister hatte als Rechtsanwalt, der seine Kanzlei übertragen hatte, keine Möglichkeit, einen Firmennamen eines gemeinsamen Unternehmens, bei dem er ja nicht Alleininhaber war, zu ändern. Das kann er nicht. Daher hat auch die Rechtsanwaltskammer, die das überprüft hat, natürlich alles in völliger Ordnung befunden. Herr Dr. Böhmdorfer wäre gar nicht in der Lage gewesen, den Firmenwortlaut zu ändern!

Ein Weiteres wurde schon von meinem Vorredner Dr. Robert Aspöck gesagt: Selbstverständlich hatte Dr. Broda einen Partner! Es war nicht gesellschaftsrechtlich organisiert, aber selbstverständlich hatte er einen Partner und konnte daher eins zu eins nach dem Ende seiner ersten Ministerschaft und auch danach jederzeit in die Kanzlei wieder eintreten, die ja weitergeführt worden ist.

Dann sind Sie auch nicht auf den früheren Justizminister Dr. Michalek eingegangen. Ich habe keine Kritik geübt, weil ich ihn auch persönlich höchst schätze. Aber Sie haben nicht dazu Stellung genommen: Es hat Sie nicht gestört, er war ja Justizminister in Ihrer Ära! (Bundesrat Konecny: Er war Notar, was nicht ganz dasselbe ist! Anfängerwissen!) Er hat selbstverständ


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lich die Notariatskanzlei behalten und durch einen Notarsubstituten weiterführen lassen. Das ist aber in Ihren Augen offenbar keine Verflechtung! Das hat in Ihren Augen seine Unabhängigkeit und die Objektivität seiner Amtsführung in keiner Weise gefährdet, obwohl in dieser Ära zahllose Gesetze ergangen sind, die auch das Notariat betroffen haben.

Ich würde sogar die Behauptung aufstellen – obwohl ich an meiner hohen Wertschätzung für den ehemaligen Minister Michalek festhalte und auch keinen sachlichen Vorwurf erhebe; dass ich nicht missverstanden werde! –, Minister Michalek hat wesentlich mehr für das Notariat getan als Herr Dr. Böhmdorfer für die Anwaltschaft. Es ist völlig richtig, ich war in der Arbeitsgruppe zur Zivilprozessreform dabei. Obwohl ich selbst aus einer Anwaltsfamilie stamme, möchte ich mich nicht dazu äußern, wie unsachlich die Anwaltschaft gegen all das agiert hat, was im Sinne des Rechtssuchenden in dieser Reform herbeigeführt werden sollte.

Noch einmal zurück zum Pachtschilling: Wenn Sie sagen, rechtlich mag all das in Ordnung sein, aber politisch sei es nicht korrekt, dann kann ich wiederum nur im Sinne Ihrer alten Eigentums-Ideologie meinen: Politisch korrekt ist wohl nur der Verzicht aufs Eigentum, denn offenbar gilt, "Eigentum ist Diebstahl"! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wenn Sie meinen, dass die Rechtsberufe gegen den Herrn Bundesminister für Justiz eingestellt sind, dann weiß ich nicht, welche Sie meinen. Obwohl er, wie ich schon erwähnt habe, keineswegs als Lobbyist für die Anwaltschaft unterwegs war, steht die Anwaltschaft nach wie vor voll hinter ihm, und zwar auch unter wechselnden Präsidentschaften.

Falls Sie die Richtervereinigung meinen, so kann ich Ihnen nur eines sagen: Wir haben jüngst einen Habilitanden an unserem Institut gehabt – er ist ein hoher Richter –, der mir gesagt hat: Na ja, diese Richtervereinigung ist leider nicht repräsentativ für uns; das ist ähnlich wie bei der Gewerkschaft, die Funktionäre rekrutieren sich da meistens von selbst, das geht nicht von der Basis nach oben, und die Präsidentin der Richtervereinigung ... (Bundesrat Reisenberger: Damit disqualifizieren Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ja, das kann ich Ihnen jederzeit belegen. Ich habe nicht meine Meinung geäußert, sondern ich habe einen hohen Richter zitiert, der das so sieht. (Bundesrat Konecny: Einen namenlosen roten Richter! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.)  – Ja, ich kann es Ihnen sagen. Es ist der jetzige Universitätsdozent Dr. Gerhard Kodek.

Ich kenne auch die Präsidentin der Richtervereinigung. Ich schätze sie persönlich, wir haben persönlich ... (Bundesrat Konecny: Ich werde es ihr ausrichten!) – Ja, gerne, tun Sie es! Sie kann es auch von mir persönlich hören. Ich habe persönlich zu ihr ein viel besseres Verhältnis, als es leider offenbar zwischen dem Herrn Bundesminister und ihr besteht. (Bundesrat Konecny: ... auch durch den Professor Böhm ihre Grüße aus!) Allerdings muss ich sagen, dass ihre Ausführungen bereits ein Ausmaß angenommen haben, das von der Richterschaft so nicht getragen wird, weil es nicht einmal mehr berufsständisch motiviert ist, sondern teilweise nur noch ideologisch verstanden werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Als Letztes nun zum Weisenbericht: Wenn Sie ihn genau gelesen haben – ich teile ihn in diesem Punkt nicht –, wissen Sie, es sollte dabei herauskommen, dass in Österreich im Grunde nicht einmal der "bösen" freiheitlichen Fraktion Entscheidendes vorzuwerfen ist. Ein Bauernopfer hat man gebraucht, und leider ist da offenbar der Herr Bundesminister ins Visier geraten, und zwar auf der Grundlage, dass in der Tat keine persönlichen Anhörung von ihm stattgefunden hat, was rechtsstaatlich ja bemerkenswert ist. Aber Weise sind vielleicht an den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht gebunden.

Was wird in diesem Bericht kritisiert? – Im Grunde die österreichische Gesetzgebung! (Bundesrat Konecny: Oh!) Die österreichische Gesetzgebung, ja (Bundesrat Konecny: So habe ich das nicht gelesen!): dass wir Privatanklagedelikte haben, die die Gerichte, wenn sie sie nicht in verfassungskonformer Interpretation "weginterpretieren", zu Schuldsprüchen veranlassen, die das Gesetz erfordert hat. Mittlerweile hat sich ja die Justiz weitestgehend der Straßburger Judikatur angeschlossen.


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690. Sitzung / Seite 296

Als Justizminister hat man Herrn Dr. Böhmdorfer überhaupt nichts vorgeworfen. Sie haben ja gehört, er hat nicht eine Vertretung mehr unternommen. Auch seine Kanzlei hat Politiker nicht mehr – rechtlich, meine ich jetzt – verfolgt. Was er früher als Rechtsanwalt und Parteienvertreter im Rahmen der Gesetze und seines freien Mandats unternommen hat, das kann man ihm nicht vorwerfe, und das war wohl auch nicht Gegenstand.

Natürlich – das möchte ich nicht verschweigen – haben die Weisen eines nicht bedacht: Man muss sehen, dass sich so manche Medienprozesse im sehr sensiblen Bereich der Vorwürfe politischer Delikte bewegt haben. Die Bundesrepublik Deutschland kennt kein Verbotsgesetz. Wenn sich heute ein Politiker – gerade Ihre Reichshälfte war davon nicht frei und war sehr leichthin mit diesem Vorwurf – sich vorwerfen lassen muss, dass sein Verhalten gegen das Verbotsgesetz verstößt, dann muss man sehen, dass das der Vorwurf eines schweren politischen Verbrechens ist, das mit hohen Haftstrafen belegt ist! Darin soll offenbar die Schwere dieses Delikts zum Ausdruck kommen.

Ein vergleichbares Gesetz kennt die Bundesrepublik Deutschland nicht. Kein Weiser aus diesen Staaten kannte das. Es ist gar nicht anders möglich, bitte: Wenn mir heute ein solcher Vorwurf unberechtigt gemacht wird, dann muss ich mich dagegen verteidigen! Dies dann als "Klagefreudigkeit" zu bezeichnen, finde ich absurd. Auch hier waren die Weisen über die österreichische Rechtslage offenbar nicht ausreichend informiert. Alles in allem denke ich aber doch ... (Bundesrat Konecny: ... Beweise?) Ja, das lässt sich belegen. (Bundesrat Konecny: Herr Professor Böhm! Sie hätten sich das anschauen sollen!) Ich kenne ja die Kollegen, und ich kenne auch Kollegen Frowein. Er ist ein Staatsrechtler und hat vom Zivilprozess keinen blassen Tau. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: Sie disqualifizieren sich, Herr Professor!)

Aber ich möchte zuletzt doch eines sagen. (Bundesrat Konecny: ... "keinen blassen Tau"?) Hat er nicht! – Ich möchte zuletzt sagen: Worum es Ihnen eigentlich geht, ist, einen erfolgreichen ... (Unruhe im Saal. – Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Konecny: Bleiben Sie beim Thema! Nicht ausweichen!) Bleibe ich! (Bundesrat Konecny: Wenn Sie den Rest der Welt ...!) Ich bleibe beim Thema. (Unruhe im Saal.)

Präsident Ludwig Bieringer (das Glockenzeichen gebend): Herr Professor Konecny! Am Wort ist Herr Universitätsprofessor Böhm. Ich bitte, ihn aussprechen zu lassen. – Bitte, Herr Professor Böhm.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (fortsetzend): Es geht Ihnen um etwas anderes, wie auch in anderen Zusammenhängen und bei diesen haltlosen Misstrauensanträgen im Nationalrat. Diese Möglichkeit haben Sie hier nicht, sonst hätten Sie es hier sicher auch schon mindestens sieben Mal probiert. Es geht Ihnen offensichtlich darum, einen erfolgreichen Bundesminister zu beschädigen und anzupatzen. Sie sehen, er ist der erste Minister – weil er jetzt auch die Kompetenz dazu hat –, der wie kein Vorgänger vor ihm im Konsumentenschutz tätig ist und der es nicht scheut, den Kunden auch gegenüber Banken zu vertreten. Das ist wahrer Mannesmut vor den heutigen Thronen! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Herr Minister! Das haben Sie nicht verdient, diese Verteidigung!)

Er hat sich zuletzt auch um die Heime angenommen. Ich frage mich: Wo haben Sie, die Sie doch so sozial bewegt sind, das getan? – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

4.56

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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690. Sitzung / Seite 297

Meine Damen und Herren! Darf ich mir eine Bemerkung erlauben? – Schade, dass Herr Universitätsprofessor Böhm nicht um 4 Minuten länger gesprochen hat. Dann hätte die Sitzung heute genau 20 Stunden gedauert!

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 50 Anfragen, 1960/J bis 2009/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 3. Oktober 2002, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 2. Oktober 2002, ab 14 Uhr vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen einen schönen, erholsamen Urlaub, dass Sie am 2. Oktober bei den Beratungen wieder voll fit sind, und ich wünsche unseren Bauern vor allem eine gute Ernte!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 4.57 Uhr