Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 67

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

wischt, der eigentlich zum Kern des Problems führen sollte. Wir lösen das Problem der in zu geringer Anzahl vorhandenen Lehrplätze jedes Jahr wieder mit kleinen Pflastern, die die Wirklichkeit verdecken, und es wird in der Öffentlichkeit der Anschein erweckt, als wären es die Jugendlichen, die schuld sind, die sich zu wenig vorbereitet haben, um einen Lehrplatz zu finden. In Wahrheit liegt seit Jahrzehnten ein strukturelles Problem vor, und seit Jahrzehnten wird dessen Lösung vertagt.

Sie wird auch deswegen verschoben, weil man mit kurzfristigen Maßnahmen immer wieder das Problembewusstsein verdeckt und nicht den Mut hat, das Problem wirklich beim Namen zu nennen.

Die Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung in Österreich sind im Wesentlichen noch auf den Fundamenten der zünftlerischen Berufsorganisation aufgebaut, sie sind aufgebaut auf der Berufskarriere Lehrling – Geselle – Meister. Dem globalisierten Wirtschaftsleben trägt dieses Grundmuster einfach nicht mehr Rechnung. Es braucht größere Lösungen, es braucht große Entwürfe, es braucht den Mut zu dem Ein­geständnis, dass wir hier neue Lösungen benötigen.

Wir retten uns darüber hinweg, indem wir mit Vergleichen mit anderen europäischen Ländern argumentieren, in denen wir wieder gut dastehen. Ich komme aus dem Bun­desland Oberösterreich, dort wird mit den anderen Bundesländern verglichen. In Wirklichkeit gibt es Hunderte Jugendliche mit ihren Familien, mit ihren Einzelschick­salen, deren Probleme nicht zu unterschätzen sind und deren persönliche Probleme sehr groß sind, die wir damit verursachen, dass wir die Lösung dieses Struktur­problems immer wieder hinausschieben. Es bräuchte wirklich ernsthafte Maßnahmen.

Ich hoffe sehr, dass die Maßnahme jetzt ein Zeichen und vielleicht wirklich ein ernst­hafter Lösungsansatz ist, dass der Vorarlberger Manager Blum zum Lehrlings­be­auftragten der Bundesregierung ernannt worden ist und dass er wirklich ernsthaft und erstmalig auch Lösungsansätze anschneidet, wie er sie in seinem eigenen Land mit der Umlage angegangen ist.

Herr Minister! Eines müssen Sie eingestehen, und ich als Gewerkschafter höre das auch immer wieder von Unternehmen: Eine der Hauptursachen besteht darin, dass die Betriebe belohnt werden, die nicht ausbilden, und jene bestraft werden, die ausbilden. Haben Sie den Mut und springen Sie über den ideologischen Schatten, um endlich dieses Problem anzugehen! Dann haben wir im Nu, binnen Jahresfrist und ohne kurz­fristige Lösungsverdeckungsgesetze, wie wir sie heute wieder beschließen, eine Lö­sung, die in die Zukunft weist, eine Lösung, die die Jugendlichen und auch die Wirt­schaft die globalisierten Herausforderungen bestehen lässt. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.42

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

 


13.43

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Danke vielmals, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Ich glaube nicht, Herr Bundesrat Gumplmaier, dass wir durch unser System der dualen Berufs­ausbildung einen strukturellen Nachteil haben. Ich bin vielmehr zutiefst davon über­zeugt, dass es sich hier um einen strukturellen Vorteil handelt, den Österreich, den auch Deutschland, die Schweiz und Südtirol, den also, auf gut Deutsch, das deutsch­sprachige Mitteleuropa haben.

Wieso komme ich zu dieser Auffassung? – Zum einen, weil wir im internationalen Vergleich eine niedrige Jugendarbeitslosenrate haben. Es ist richtig, dass EUROSTAT


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite