BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 66

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historischer Wahrheit gegangen; denn die Zerstörung der Demokratie in den Jah­ren 1933 und 1934, die Verfolgung und Hinrichtung unzähliger unschuldiger Menschen hat den Boden auch für den Nationalsozialismus aufbereitet. Und welche Schreckens­herrschaft danach gefolgt ist, brauche ich Ihnen heute nicht darzulegen.

Ich bedanke mich bei all jenen Abgeordneten, die diesen Gesetzesantrag im Nationalrat eingebracht und jahrelang darüber verhandelt haben. Heute sind wir so weit, dass wir dieses Gesetz, das schon längst, wie mein Kollege Mayer gesagt hat, überfällig war, beschließen können.

Es wird Sie nicht überraschen, dass meine Fraktion diesem Gesetz wohlwollend zustimmen wird. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


11.56.27

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Um gleich die Antwort auf die Frage des Kollegen Edgar Mayer, ob wir uns diesem Gesetz anschließen werden, vorwegzunehmen: Ja, das werden wir tun. Wir werden diesem Gesetz heute hier zustimmen.

Es gab im Vorfeld der Meinungsbildung hier durchaus kritische Stimmen, ich möchte das gar nicht verhehlen. Ich denke, dass man bei einer Gesetzesmaterie, der man zustimmt, auch durchaus kritische Stimmungen und kritische Stimmen einfließen lassen soll, denn allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Und das gilt natürlich auch im speziellen Fall, bei diesem Gesetz.

Ich denke, dass es wichtig und notwendig ist, diesem Gesetz zuzustimmen, weil es sich um ein Versöhnungsgesetz handelt, weil es darum geht – die Vorrednerin hat es gesagt –, 80 Jahre nach einer Diktatur, die wir in Österreich hatten, hier endlich beide Seiten zu einer Form der Versöhnung zu bringen.

Trotzdem muss man auch die Frage stellen und muss die Frage erlaubt sein, wenn es hier im § 4 Abs. 3 heißt: „Allen, die sich zwischen dem 12. November 1918 und 12. März 1938 in Wort und Tat für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich eingesetzt haben , gebührt die Achtung der Republik.“, wie es im Einzelfall aussieht. Denn es sind das schöne Worte, aber trotzdem muss immer auch der Einzelfall angesehen werden.

Wir haben hier mit diesem Gesetz eine Bausch-und-Bogen-Entlastung, auch für private Schuld jedes Einzelnen, aber Schuld ist immer individuell und muss auch individuell gesehen werden.

Wir haben zum Beispiel im Fall des Richard Bernaschek, das war einer jener, die bei dem ersten Schusswechsel in Linz dabei waren, eindeutige Hinweise darauf, dass er sich keinesfalls für ein unabhängiges, demokratisches Österreich eingesetzt hat.

Er selbst schreibt da: „Das Programm der Nationalsozialisten steht uns näher ... Österreich ist nicht lebensfähig, und daher verlangen wir den Anschluß an ein großes Wirtschaftsgebiet, und zwar als Deutsche an das Deutsche Reich.“ – Nachzulesen im Buch „Die Tragödie der österreichischen Sozialdemokratie“, 5. Kapitel.

Ich möchte ihm nicht ins Grab nachspucken, das liegt mir fern, und er hat seine Leistungen auch durchaus erbracht, nur: Wenn wir heute hier mit einem Bausch-und-Bogen-Gesetz sagen, dass alles, was damals passiert ist, heute geklärt ist, dann muss man natürlich immer auch die Frage nach der Schuld des Individuums stellen. Und die


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