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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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827. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 26. Februar 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

827. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 26. Februar 2014

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 26. Februar 2014: 13.02 – 20.50 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Universität für Weiter­bildung Krems (DUK-Gesetz 2004) geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Stabilitätsabgabegesetz, das Umgründungssteuer­ge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Kapitalverkehr­steuergesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuer­gesetz 1992, das Flugabgabegesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Alkohol­steuer­gesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuergesetz 1995, das Glücks­spielgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisations­ge­setz 2010, das Finanzstrafgesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz, das Bankwesen­gesetz, das Börsegesetz 1989, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Firmenbuchgesetz sowie das Zahlungsdienstegesetz geändert werden und der Abschnitt VIII des Bundes­gesetzes BGBl. Nr. 325/1986 aufgehoben wird (Abgabenänderungsgesetz 2014 – AbgÄG 2014)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993, geändert wird

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 2

Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über die Errichtung eines Ein­heitlichen Abwicklungsfonds durch den Herrn Bundespräsidenten               ............................................................................................................................... 24

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit durch den Herrn Bundesprä­sidenten                             28

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR .................................................................................................. 31

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 94

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 95

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz ........................................................................ 129

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................... 131

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Aktuelle Stunde (24.)

Thema: „Der positive Einfluss des Pflegefonds auf die Pflegedienst­leis­tungen in Ländern und Gemeinden“ ................................................................................................................... 7

Redner/Rednerinnen:

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ....... 7

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ....... 9

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 11

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 13

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ..................................................................  15, 21

Richard Wilhelm ..................................................................................................... ..... 17

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 19

Dr. Dietmar Schmittner .......................................................................................... ..... 20

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 31

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 31

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  31, 131

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­mi­nisterin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Abschaffung der Schul­no­ten, andere sozialistische „Bildungsphantasien“ und das Datensicherheitsdesaster im bifie (2965/J-BR/2014) .................................................... 59


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 3

Begründung: Monika Mühlwerth .................................................................................. 59

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................ 63

Debatte:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ..... 71

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 75

Edgar Mayer (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 78

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 78

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 80

Werner Herbert ......................................................................................................  83, 94

Ing. Andreas Pum ................................................................................................... ..... 86

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ..... 88

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 90

Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 93

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung des bewährten Systems der Beurteilung der Leistungen der Schüler in Form von ziffernmäßigen Noten – Ablehnung (nament­liche Abstimmung) ......................................................  74, 95

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 95

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Ober­österreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz (23 d.B. und 34 d.B. sowie 9143/BR d.B.) ...................................................................................................... 32

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 32

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (35 d.B. sowie 9144/BR d.B.) .......................... 32

Berichterstatter: Mag. Christian Jachs ........................................................................ 32

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................  33, 48

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 35

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ..... 37

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 39

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer .............................................................. ..... 40

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ..... 44

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierungssystem für Universitätskliniken – Ableh­nung ....................................  33, 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 48


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 4

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems (DUK-Gesetz 2004) geändert wird (25 d.B. und 36 d.B. sowie 9145/BR d.B.) .......................................................................................... 49

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 49

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 49

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 50

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ..... 51

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 52

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 53

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ..... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 56

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Stabilitätsabgabegesetz, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Kapitalverkehr­steuergesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuer­gesetz 1992, das Flugabgabegesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Alkoholsteuergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuer­gesetz 1995, das Glücksspielgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgaben­verwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Finanzstrafgesetz, das Bundesfinanz­gerichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das Versiche­rungs­aufsichtsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Notariatstarifgesetz, das Rechts­anwaltstarifgesetz, das Firmenbuchgesetz sowie das Zahlungsdienstegesetz geändert werden und der Abschnitt VIII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 325/1986 aufgehoben wird (Abgabenänderungsgesetz 2014 – AbgÄG 2014) (24 d.B. und 31 d.B. sowie 9140/BR d.B. und 9141/BR d.B.) ....................................... 56

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 56

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 56

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 96

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 99

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ... 101

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 104

Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ....................................................................... ... 106

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 109

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 111

Ilse Fetik ................................................................................................................... ... 113

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 115

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 119

Antrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, das Stabilitätsabgabegesetz, das Umgründungssteuergesetz, das Um­satzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Kapitalverkehrsteuer­gesetz, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuer­ge­setz 1992, das Flugabgabegesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Alkoholsteuergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuer­ge-


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 5

setz 1995, das Glücksspielgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenver­waltungsorganisationsgesetz 2010, das Finanzstrafgesetz, das Bundesfinanzge­richtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das Versicherungs­aufsichtsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwalts­tarifgesetz, das Firmenbuchgesetz sowie das Zahlungsdienstegesetz geändert werden und der Abschnitt VIII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 325/1986 aufge­hoben wird (Abgabenänderungsgesetz 2014 – AbgÄG 2014) (24 d.B. und 31 d.B. sowie 9140/BR d.B. und 9141/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben – Ablehnung ........................  113, 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 120

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993, geändert wird (111/A und 42 d.B. sowie 9142/BR d.B.) ............................................................................................................... 120

Berichterstatterin: Ana Blatnik .................................................................................... 120

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 120

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 121

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 122

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ... 123

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ... 125

Günther Novak ........................................................................................................ ... 127

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 128

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 129

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Zumutbar­keitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale [195/A(E)-BR/2014]

Anfragen der Bundesräte

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Exekutive – Planstellen und Überstunden (2962/J-BR/2014)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Sonderkommissionen (2963/J-BR/2014)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Personalstand bei der Exekutive (2964/J-BR/2014)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Abschaffung der Schulnoten, andere sozialistische „Bildungsphantasien“ und das Datensicherheitsdesaster im bifie (2965/J-BR/2014)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖBB sowie VAO Echtzeitdaten und Open Government Data (2738/AB-BR/2014 zu 2959/J-BR/2013)


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ungleichbehandlung bei der Gewährung des Allein­verdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages aufgrund des gestaffelten Ferien­beginns (2739/AB-BR/2014 zu 2960/J-BR/2013)

 


 


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 7

13.01.47Beginn der Sitzung: 13.02 Uhr

 


Präsident Michael Lampel: Ich eröffne die 827. Sitzung des Bundesrates.

Ich begrüße Sie, geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte, bei dieser Bundesrats­sitzung sehr herzlich. Ganz besonders herzlich begrüßen möchte ich den Bundes­minis­ter Rudolf Hundstorfer. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr herzlich begrüßen möchte ich aber auch die Zuseher und Zuseherinnen zu Hause vor den Fernsehgeräten. Ich darf mich in diesem Zusammenhang für das konstruktive Gespräch bei ORF-Generaldirektor Dr. Wrabetz recht herzlich bedanken. Gleichzeitig möchte ich mich herzlich bedanken beim Chefredakteur Christoph Takacs und seinem Team für die heutige Übertragung der Bundesratssitzung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das Amtliche Protokoll der 826. Sitzung des Bundesrates vom 31. Jänner 2014 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Efgani Dönmez, Adelheid Ebner, Ing. Bernhard Ebner und Stefan Schennach.

13.03.15Aktuelle Stunde

 


Präsident Michael Lampel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Der positive Einfluss des Pflegefonds auf die Pflegedienstleistungen in Ländern und Gemeinden“

mit dem Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundes­ministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Josef Taucher. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Prä­sidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.04.22

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Sehr geehrte ZuseherInnen! Aktuelle Stunde zum Pflegefonds. Ich denke mir, das Wich­tigste, was wir hier heute besprechen können, ist, dass der Pflegefonds verlängert wurde. 2013 hat die Bundesregierung beschlossen, den Fonds über das Jahr 2014 hinaus bis 2016 zu verlängern, und das ist ein Gewinn für die Länder und Gemeinden, um ihren Aufgaben in dem Bereich nachzukommen.

Wir sind ja vor immer größere Aufgaben und Herausforderungen in diesem Bereich gestellt, die wir bewältigen müssen. Man denke nur an die Diskussionen zum demo­graphischen Wandel, an die Diskussionen zum Altern in der Gesellschaft, ein Thema, das wir hier auch im Rahmen einer Enquete besprochen haben. Und da geht es nicht


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 8

um Peanuts, da geht es um wirklich viel Geld. Es waren 2011 bis 2014 685 Mil­lionen € für diesen Pflegefonds vorgesehen, und für die Jahre 2015 bis 2016 werden weitere 650 Millionen € hierfür vorgesehen. Das sind in Summe 1 335 000 000 €. Das ist also ein ordentlicher Brocken, der hier zu stemmen ist, der in den Sozialbereich, in den Pflegebereich einfließt. Das ist eine immense Unterstützung für die Gemeinden und für die Länder.

Wenn wir uns das – ich bin ja ein Wiener Mandatar – für Wien anschauen, dann waren das im Jahr 2011 20,2 Millionen, und 2016 werden es schon 72,1 Millionen € sein. Das sind über 20 Prozent der Mittel, die wir in der Bundeshauptstadt für diesen Bereich aufbringen. Das ist natürlich gut für die Menschen, denen diese Mittel zugutekommen, aber auch für den Arbeitsmarkt gut, denn das schafft Jobs in diesem Bereich, und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten brauchen wir selbstverständlich Jobs in allen Be­reichen, aber im Speziellen im Bereich der sozialen Dienstleistung.

Der Pflegefonds regelt auch die faire Mittelaufteilung zwischen den Ländern aufgrund des Bevölkerungsschlüssels, der laufend neu errechnet wird. Die Binnenverteilung im Land auf die Gemeinden wird dann auf Bedarf bezogen errechnet. Es ist auch eine neue Regelung drinnen, dass das Geld, das jährlich zur Verfügung steht, nicht verfällt so wie in der Kameralistik, sondern man kann für größere Investitionen auch Geld in die nächsten Jahre mitnehmen. Ich glaube, es sind an die 40 Prozent der jährlich zur Verfügung stehenden Mittel, die man ins nächste Jahr mitnehmen kann, um auch größere Projekte durchführen zu können, die investitionsintensiver sind.

Durch die Finanzierung aus dem Pflegefonds wird zudem der flächendeckende Ausbau des Case- und Care-Managements ermöglicht. Das sind so Fachbegriffe, das heißt, dass gut ausgebildete Sozialkräfte zu den Leuten kommen, individuell erheben, was diese brauchen, und dann ein Management rund um diese Person aufbauen, damit der oder die dann auch die richtigen Leistungen erhält, die die Person braucht.

Ein spezieller Schwerpunkt wird auch auf dem Ausbau der Palliativ- und Hospiz­betreuung liegen – und hier im Speziellen auf dem Thema Kinderhospiz, das prioritär zu behandeln ist.

Aber wir werden diesen demographischen Wandel nicht allein mit den üblichen Mitteln, die wir heute zur Verfügung haben, bewältigen können, sondern darüber hinaus müssen natürlich auch innovative Modelle in diesem Bereich gefördert werden: Senio­ren-WGs, Projekte, wie es sie in den Ländern gibt, zum Beispiel Green Care, wo Menschen im bäuerlichen Umfeld betreut werden und dort noch Kompetenz einbringen können. Das heißt, man wird sich hier aufgrund des Wandels vieles überlegen müssen, neue Ansätze finden müssen, und das ist auch immer mit Geld verbunden. Dadurch, dass das Geld jetzt zur Verfügung gestellt wird, ist es auch möglich, innovative Ideen umzusetzen.

Dieser Pflegefonds wirkt sozusagen auf den Arbeitsmarkt; auch hier ein paar Daten: Es wird hochgerechnet, dass er mit diesem Geld ein Potenzial von bis zu 60 000 Ar­beitsplätzen – ein Potenzial, sage ich, das kann man ja immer nur schätzen und hochrechnen – schafft. Allein heuer, im Jahr 2014, wären das hochgerechnet zirka 10 800 Arbeitsplätze, die aus diesen Mitteln neu geschaffen werden können. Und wir brauchen sie auch! Wir brauchen sie einerseits auf dem Arbeitsmarkt, aber wir brauchen sie auch in der Pflege. Wir brauchen qualifizierte, menschliche, gut ausge­bildete Betreuungskräfte, die mit ihrer Pflege ein menschenwürdiges Altern oder ein menschenwürdiges Sein ermöglichen.

Die bisherigen Leistungssteigerungen in diesem Bereich zeugen auch davon, dass die Mittel des Pflegefonds hervorragend eingesetzt wurden. Und deswegen bleibt mir sozusagen abrundend noch zu sagen: Alles in allem ist der Pflegefonds die soziale


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Handschrift unseres Sozialministers und eines der vielen herzeigbaren Ergebnisse dieser Koalition, dieser Bundesregierung. Das möchte ich auch hier im Hohen Haus betonen, weil es immer heißt, da geht nichts weiter, da passiert nichts, die bringen nichts auf den Weg. Das ist ein Projekt, das wirklich allen in der Bevölkerung zugute­kommt – den Familien, den Älteren und auch dem Arbeitsmarkt. Und wenn wir hören, dass es 1,33 Milliarden sind, dann ist das schon ein ordentlicher Brocken, den diese Regierung hier auf den Weg bringt.

Der Pflegefonds ist auch ein Zeichen für eine solidarische Arbeit und Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Das soll auch hier in der Länderkammer hervorgestrichen werden, denn genau diese Zusammenarbeit brauchen wir, von der kleinsten Einheit, der Gemeinde, bis hin zum Bund. Es ist notwendig, dass hier poli­tisch zusammengearbeitet wird und auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden.

In diesem Sinne: Weiter so, sehr geehrter Herr Minister! Wir freuen uns, dass das so gut gelungen ist. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.11


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gödl. Ich erteile ihm dieses.

 


13.11.41

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuhörerInnen hier im Raum und an den Fernsehgeräten zu Hause! Zuallererst darf ich mich, nachdem ich das letzte Mal angelobt wurde und heute hier zum ersten Mal am Rednerpult stehen darf, einmal herzlich bedanken für die freundliche Aufnahme im Landtag. Ich hoffe, ich kann mit meiner (Rufe: Bundesrat! Bundesrat!) Pardon, im Bundesrat! Ich wollte sagen, ich hoffe, ich kann mit meiner Erfahrung – ich war schon 10 Jahre Mitglied des Steier­märkischen Landtages, daher kommt der Versprecher – auch etwas beitragen zur Behandlung der Themen, die hier besprochen werden, und freue mich wirklich auf die­se bevorstehende Zeit.

Der Zeitpunkt ist ja nicht ganz ohne, das muss man sagen, denn der Bundesrat ist ja in aller Munde, und das nicht nur positiv. Er wird ja immer wieder auch sehr stark infrage gestellt. Ich glaube, wir sollten gerade auch von diesem Haus aus diese Diskussion mit einem offenen Visier führen und durchaus auch die Für und Wider dieser Einrichtung, dieser Körperschaft ganz offen mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren.

Wir leben nun einmal in Zeiten sehr starker Veränderungen, und das nicht nur hier bei uns, sondern auch in der ganzen weiten Welt. Man denke nur an die politischen Umbrüche derzeit in der Ukraine oder an die vielen technischen Innovationen, aber auch – und damit sind wir beim Thema – an die gesellschaftlichen Veränderungen, bei uns hier in Österreich im Besonderen.

Einer dieser großen gesellschaftlichen Umbrüche manifestiert sich ganz klar an dem stark steigenden Bedarf an Pflegedienstleistungen. Die klassische Großfamilie – ich komme aus einer ländlichen Region –, die sich für die Pflege vom Kindesalter bis zum betagten Alter verantwortlich gefühlt hat und das bewerkstelligen konnte, ist heutzu­tage nicht mehr die Regel, sondern immer mehr die Ausnahme. Das zeigt sich auch dadurch, dass dieser Pflegebedarf, dieser Bedarf an Pflegedienstleistungen sehr stark im Steigen ist, und das manifestiert sich natürlich auch an den nackten Budgetzahlen.

Diese Kostensteigerungen betreffen alle Gebietskörperschaften. Ich habe selbst in Vor­bereitung für heute in den Zahlen meiner eigenen Gemeinde nachgeschaut. Als ich vor mehr als 19 Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde, also im Jahr 1995, haben wir in


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den Sozialhilfeverband des Bezirkes Graz-Umgebung, aus dem Sozialhilfe, Jugend­wohlfahrt und Pflege finanziert werden, 40 000 € einbezahlt, mit zirka 1 500 Einwoh­nern. Jetzt sind wir um 200 Einwohner mehr, und heute zahlen wir um die 180 000 € ein, als wirklich kleine ländliche Gemeinde. Das heißt, dieser Betrag hat sich mehr als vervierfacht. Und einer der Hauptgründe für diese Kostensteigerungen ist natürlich der gestiegene Bedarf an Pflege.

Auch die Zahlen des Landes Steiermark habe ich mir kurz angeschaut. Im Jahr 2005, um es einfach auch beispielhaft und exemplarisch darzustellen, benötigten wir im Land Steiermark nur für die stationäre Pflege 160 Millionen €, und im Jahr 2012 waren es 370 Millionen €. Da sieht man die enormen Belastungen in finanzieller Hinsicht, auch für die Länder und für die Gemeinden.

Es ist daher wirklich eines der brennendsten Probleme: Wie können wir diese finan­zielle Herausforderung auch in Zukunft schultern? Wie können wir für eine der – sage ich einmal ganz bewusst – größten gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre und Jahrzehnte ein verlässliches Finanzierungssystem aufstellen?

Es ist natürlich bitter, das sage ich durchaus kritisch, wenn sich bei einem derartigen Diskussionsbedarf, den wir bei diesem Thema haben, derzeit alles um andere Themen dreht in der österreichischen Politik. Es ist bitter, dass sich derzeit alles, auch medial, um die Frage der Hypo dreht und um den größten Sündenfall eines, kann man durch­aus sagen, großmannssüchtigen Provinzpolitikers, um die Aufarbeitung dieses Sün­denfalls. Es wäre nämlich höchst wichtig, dieses drängende Thema, das bis in die kleinsten Gemeinden drängt, nämlich die Finanzierung der Pflegedienstleistungen, offensiv zu diskutieren und auch politisch offensiv zu gestalten.

Sie wissen, wir haben in der Steiermark, SPÖ und ÖVP, eine Reformpartnerschaft und versuchen, hier einige Dinge, vor allem auch das Landesbudget, wieder ins Lot zu bringen. In dieser Hinsicht gab es für Gemeinden bereits erhebliche Probleme, ausge­glichen zu bilanzieren, und einer der Gründe, warum wir in der Steiermark auch eine Gemeindereform machen, ist eben, zu schauen, wie wir die Finanzen der Gemeinden wieder in Ordnung bringen können. Und dass die Gemeinden so stark unter Druck geko­mmen sind, dass in der Steiermark beispielsweise im Jahr 2010 zirka 250 der 540 Gemeinden nicht ausgeglichen bilanzieren konnten, hat unter anderem mit den extrem stark steigenden Kosten für den Sozialbereich und da wiederum mit den stark steigenden Kosten im Pflegebereich zu tun.

Es war daher ein notwendiger und wirklich sehr wichtiger Schritt aufseiten der Bun­desregierung und von Ihnen, Herr Bundesminister, diesen Pflegefonds einzurichten und das Pflegefondsgesetz 2011 dann auch zu beschließen. Er ist ja steigend in der Budgetierung. 100 Millionen waren es im ersten Jahr. Mein Vorredner hat schon einige Zahlen genannt. Für die Steiermark bedeutet das zum Beispiel 14,4 Millionen im Jahr 2011, und davon gingen wieder 5,7 Millionen in die Unterstützung der Gemeinden hinsichtlich ihrer Kosten. Es war 2011 tatsächlich das erste Mal in der Steiermark nach Jahren und Jahrzehnten, dass die Sozialhilfeausgaben der Gemeinden ein bisschen rückläufig waren. Das hat damit zu tun, dass eben dieser Pflegefonds eingerichtet wurde.

Wenn er auch weiterhin entsprechend budgetiert ist – und noch dazu verlängert ist bis 2016 –, mit 300 Millionen im Jahr 2015 und mit 350 Millionen im Jahr 2016 für Gesamt­österreich, dann ist das ein wichtiger Schritt, aber es bleibt trotzdem eines der drän­gendsten Probleme, die Pflegefinanzierung auf Dauer abzusichern. Und ich glaube, da ist dringend – und ich weiß, dass da wirklich schon viel überlegt wird – zu überlegen, mit welchem System wir das sicherstellen können: Ist es ein Versicherungsmodell? Oder ist es die Steuerfinanzierung, die in diesem Fall das bessere Modell ist? –


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Jedenfalls ist es dringend notwendig, dieses Thema für die Zukunft wirklich auf eine gesunde Basis zu stellen.

In der Steiermark haben wir derzeit – und dafür werden wir oft gescholten – die Rege­lung, dass wir nicht ganz auf den Unterhaltsanspruch verzichten. Es gibt in der öster­reichischen Rechtsordnung nun einmal den familiären Unterhaltsanspruch, geregelt im ABGB seit dem Jahre 1811. Und es gibt derzeit in der Steiermark die Linie, diesen Unterhaltsanspruch, Stichwort Pflegeregress – ein Reizwort in der steirischen Landes­politik –, zumindest zu argumentieren und auch zu überlegen. Er ist nicht in Stein gemeißelt. Wir werden auch weiterhin überlegen, wie wir in Zukunft die Pflege in der Steiermark finanzieren. Aber auch das gehört zur gesamtheitlichen Schau und Sicht­weise, darüber nachzudenken, ob es reicht, eine Steuerfinanzierung zu machen oder ein Versicherungsmodell, und wieweit wir eben auch diese Unterhaltspflichten in die gesamte Pflegeproblematik einfließen lassen.

Die Stoßrichtung, wenn man ins Regierungsprogramm schaut, ist absolut richtig. Der häuslichen Pflege, der nichtstationären Pflege ist, wo es geht, der Vorzug zu geben. Daher sind derzeit auch über 80 Prozent in nichtstationärer Pflege, also zu Hause betreute Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher. Darauf muss weiter ein Augenmerk gelegt werden, dass die mobilen Dienste, die Unterstützungen vor Ort ausgebaut werden und diese stationäre und auch sehr kostenintensive Pflege nur als Ultima Ratio dienen soll, eben wenn es keine andere Lösung gibt.

Die Conclusio: Der Pflegefonds ist eine wichtige Stütze für die Länder und Gemeinden, um die Herausforderung der Pflege zu bewältigen, aber es bedarf einer noch größeren Kraftanstrengung für die Zukunft, um eine dauerhafte Finanzierung zu sichern, nämlich über das Jahr 2016 hinaus. In diesem Sinne: Glück auf! Und danke, dass ich da dabei sein darf. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.20


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


13.20.34

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister Hundstorfer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuhörerInnen und ZuseherInnen an den Fernsehgeräten! Wenn Herr Kollege Gödl hier in seiner ersten Rede meint, er müsste die Großmannssucht eines ehemaligen Kärntner Politikers mit dem Thema Pflegefonds vermischen, dann finde ich das äußerst ver­wegen. Es wäre eher angebracht, dass er seinen Kollegen im Nationalrat oder der Regierungsspitze die Zustimmung zu einem Untersuchungsausschuss anrät. Dann könnte die Rolle der Menschen, die für diese Misere zuständig waren, vielleicht besser geklärt werden. Also das wäre, so glaube ich, eher angebracht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Perhab:  nennt man das Kindesweglegung!) – Das könnte man in einem Untersuchungsausschuss ohne Weiteres alles klären. Das ist kein Problem.

„Der positive Einfluss des Pflegefonds auf die Pflegedienstleistungen in Ländern und Gemeinden“, so lautet das Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Herr Minister, ich glaube, wir sind uns alle einig, dass dafür viel Geld nötig ist. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir ja im Zuge der Pflegegelddiskussion dieses Thema bereits behandelt, wo es darum ging, den demographischen Wandel auch zur Kenntnis zu nehmen. Da wir im Rahmen dessen auch festgestellt haben, dass es in Zukunft enorme Mittel braucht, um diesem Pflegebedarf tatsächlich entsprechen zu können, ist die Einrichtung des Pflege­fonds natürlich eine gute Sache.


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Es werden heuer 230 Millionen € ausgeschüttet, im Jahr 2015 300 Millionen €, im Jahr 2016 350 Millionen €. Den Pflegefonds gibt es seit dem Jahr 2011. Auf Nachfrage in den diversen Bundesländern war festzustellen, dass er ziemlich unterschiedlich ge­hand­habt wird, logischerweise, weil die Landesgesetze in den Bundesländern wahr­scheinlich auch entsprechend anders sind. Es ist in den letzten drei Jahren offensichtlich nicht in allen Bundesländern gelungen, einheitliche Standards für die Berechnungen zu erstellen, und es fehlen offenbar noch immer verbindliche Aussagen über die Tarifhöhe, den Personalschlüssel und eine von der Sozialhilfe unabhängige Finanzierung der Pflege.

Der Pflegefonds sollte, wie ja bereits angesprochen wurde, neue Anreize für innovative Konzepte bieten, zum Beispiel Seniorenwohngemeinschaften und informelle Hilfe für Angehörige oder freiwillige Helfer. Davon ist aber noch nicht in allen Bundesländern etwas erkennbar.

Wichtig wäre, dass die stationäre Pflege eher hintangehalten wird – wobei sie nicht vergessen werden darf, weil sie einfach notwendig ist. Speziell dieser Fonds sollte ausschließlich für mobile und teilstationäre Angebote beziehungsweise für Alternativen zu Pflegeheimen stehen, und der Schwerpunkt sollte effektiv auf neuen Projekten liegen.

Was Vorarlberg betrifft: Vorarlberg hat 19 Care und Case Management-Regionen gebildet. Die Mittel des Pflegefonds werden für die Verbesserung der Maßnahmen in der Langzeitpflege eingesetzt. Leider sind die Mittel nur – oder Gott sei Dank mittlerweile schon – bis 2016 gesichert. Für die Gemeinden, die durch Kosten­beteili­gungen für die Einrichtung des Care und Case Managements eine Mitfinanzierung machen, ist das, wie gesagt, zeitlich begrenzt, und das ist ein Problem für die Gemeinden. Wenn sie jetzt diese Care und Case Management-Institutionen aufbauen, dieses Geld sozusagen als Starthilfe nehmen, aber ab 2016 diese Gelder nicht gesichert sind, dann bleiben die Gemeinden und die Länder auf diesen Kosten sitzen.

Es sollte also auch eine Finanzierung für die weiteren Jahre zugesichert werden. Im Übrigen ist die Finanzierung des Pflegefonds ja nicht ein Weihnachts- oder ein Oster­geschenk an die Gemeinden beziehungsweise an die Länder, sondern die Finan­zierung erfolgt durch den Vorwegabzug von der Verteilung der gemeinschaftlichen Bun­desabgaben gemäß Finanzausgleichsgesetz. Also diese Gelder stünden den Ländern aufgrund des Finanzausgleichs sowieso zu. Wie diese Verhandlungen ab 2016 aussehen werden, das wissen die Götter. Für die Gemeinden ist es aber durchaus notwendig, dass sie eine langfristige Planungssicherheit haben.

Sie sind der zuständige Minister für den Arbeitnehmerschutz. Erst gestern hatte ich in meiner Gemeinde eine Sitzung, in der es um den Bau eines neuen Pflegeheims ging. Jetzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf einen Punkt zu sprechen zu kommen. Bei der Heimordnung steht, dass zum Beispiel beim Bau eines Pflegeheims eine betriebsbereite Ausstattung notwendig ist. Dieser Ausdruck „betriebsbereite Aus­stattung“ ist eigentlich nicht näher definiert. Es wäre vielleicht überlegenswert, in einer Überarbeitung dieser Heimordnung darauf Rücksicht zu nehmen, dass auch ein ergonomisches Arbeiten für das Pflegepersonal ermöglicht wird. Das würde sich sowohl auf die Patienten als auch auf das pflegende Personal positiv auswirken. Es hat sich gestern in der Diskussion herausgestellt, dass das ein großer Wunsch der Mitarbeiter ist. Das fällt sicher auch in Ihr Ressort als zuständiger Minister für den Arbeitnehmerschutz.

Wir stehen vor riesengroßen Herausforderungen. In der Zukunft braucht es sehr viel Kraft, sehr viele Mittel und vor allem auch eine umfassende Gesundheitsreform. Die FPÖ hat in der Vergangenheit eine Reihe von Initiativen und Anträgen eingebracht, die


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von der Wertanpassung des Pflegegeldes über Freibeträge für behinderte Menschen, über ein Gütesiegel Personenbetreuung bis hin zu Maßnahmen zur Entlastung pfle­gender Angehöriger gehen, um nur einige zu nennen.

Ich bin neugierig, in welcher Form Sie, Herr Minister, in Zukunft diese Anträge und die­se Initiativen, die auch von der FPÖ in diese Richtung kommen, unterstützen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28


Präsident Michael Lampel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile ihr dieses.

 


13.28.25

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Wertes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Ich möchte hier jetzt nicht die Zahlen des Pflegefonds und seine Genese und so weiter wiederholen. Das ist nun schon einige Male geschehen. Der Pflegefonds, so glaube ich, hat Wichtiges und Bedeutendes geleistet. Auch dass im Rahmen der Verlängerung des Pflegefonds wichtige Qualitätskriterien im Bereich der Pflege formuliert wurden, halten wir Grüne für wichtig und richtungsweisend. Das heißt, dass Ziele formuliert wurden, dass es zu einer Weiterentwicklung der bedarfsgerechten Versorgung pflegebe­dürftiger Personen und ihrer Angehörigen mit bedürfnisorientierten und leistbaren Betreuungs- und Pflegedienstleistungen im Bereich der Langzeitpflege kommen soll.

Ein Ziel, das wohl bei Weitem noch nicht erreicht ist und an dem es zu arbeiten gilt, ist die Harmonisierung. Ich denke, es kann nicht angehen, dass es noch immer von der Postleitzahl abhängig ist, in welchem Ausmaß und wie man im Rahmen der Pflege versorgt wird. Ich halte das für ein Problem – gerade auch für ein Problem, dessen sich der Bundesrat annehmen sollte, weil es natürlich ein Problem der Kooperation zwischen Ländern und Bund ist.

Es sollte zu einer österreichweiten adäquaten Pflegedienstleistungsdatenbank und ‑statistik kommen. Mir ist nicht bekannt, dass das wirklich existiert und dass man darauf in der Planung zurückgreifen kann. Wir halten das für sehr wichtig. Ich hoffe, dass das auch eingerichtet werden wird, auch dass die einheitlichen Richtversor­gungsgrade erreicht werden, die bei der Verlängerung definiert wurden.

Es ist so, dass die Länder bis 31. Oktober jedes Jahres verpflichtet sind, dem Minis­terium Sicherungs-, Aus- und Aufbaupläne für die Folgejahre vorzulegen. Ich weiß nicht, in welcher Qualität und welchem Ausmaß das auch tatsächlich geschieht. Denn dann sollte es natürlich möglich sein, eine österreichweite Gesamtschau im Bereich der Pflegedienstleistungen zu gewinnen, damit auch arbeiten und darauf weiter auf­bauen zu können.

Es muss aber, so glaube ich, auch im Rahmen des ganzen Bereichs des Pflegegeldes zu einer Verwaltungsvereinfachung kommen. Mein eigene Erfahrung, aber auch die Erfahrung von vielen anderen ist, dass selbst Menschen, die sich mit Behörden und Antragstellungen nicht schwertun, wenn sie vor der Tatsache stehen, die Pflege für ihre Mutter, ihren Vater organisieren zu müssen, erst einmal sagen: Das ist alles andere als einfach. – Ich habe das selbst erfahren und weiß es eben auch von Freunden und Bekannten.

Hier muss es zu einer Verwaltungsvereinfachung kommen. Ob dieses Care und Case Management wirklich etwas bringt – ich wage es noch zu bezweifeln. Ich glaube, dass man auch von der anderen Seite her, es eben grundsätzlich einfacher zu machen, arbeiten muss, damit ein Care und Case Management sozusagen nicht so viel zu tun


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hat, um hier zu besseren Ergebnissen zu kommen. Auch der Rechnungshof glaubt, dass da Handlungsbedarf besteht.

Ich denke, man sollte sich auch dessen bewusst sein, dass das eine Verlängerung eines Provisoriums ist und dass kein wirkliches Konzept dahintersteht, wie die Pflege in Zukunft abgesichert und auch finanziert werden kann.

Zum Beispiel die Valorisierung des Pflegegeldes. Wie wird verhindert, dass das Pflege­geld zu einem Taschengeld verkommt? Gibt es da einen entsprechenden Stufen­plan? – Aber es ist auch so, dass trotz dieser positiven Schwerpunktsetzung die großen Probleme im Grunde genommen aufgeschoben werden.

Es ist eine Tatsache, dass die Pflegedienstleistungen oft nach wie vor zu teuer oder schlichtweg nicht verfügbar sind. Wir haben in Salzburg Heime, die ausgebaut werden konnten, die vergrößert werden konnten, jedoch nicht in Betrieb gehen können, weil die Pflegekräfte dafür nicht vorhanden sind. Das heißt, es gibt fix und fertige Betten, aber es gibt keine ausgebildeten Pflegekräfte.

Es ist so, dass nach wie vor die Hauptlast der Pflege von den Angehörigen getragen wird, zu über 60 Prozent. In den Medien ist in den letzten Wochen das Thema aufge­griffen worden, wie viele Kinder Pflegeleistungen zu Hause vollbringen. Es sind 43 000 Kinder, die ihre Angehörigen pflegen. Das sind nach wie vor erschreckende Zahlen, wo es massiven Handlungsbedarf gibt.

Wir werden heute auch über Ärzteausbildung und Investitionen in diesen Bereich sprechen. Aber es muss uns bewusst sein, dass wir im Bereich der Pflege massive Probleme haben, weil die Gehälter so sind, wie sie sind, weil es nicht gelingt, diesen Berufsgruppen die entsprechende Wertschätzung, die sich natürlich auch in entsprechenden Gehältern, in entsprechenden Dienstzeiten und so weiter ausdrückt, zukommen zu lassen.

Ein unglaublicher Auswuchs dieser Diskussion ist meiner Ansicht nach die Entwicklung eines Kuschelroboters – ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben –, dieses wunder­schönen Kuscheltiers. Das ist eine Robbe mit weichem Fell, ein Roboter, der in Altersheimen für Demente und andere Personen eingesetzt werden soll. Das ist etwas, wo ich mich frage: Ticken wir noch richtig? Gelingt es uns wirklich nicht, diesen ganzen Bereich der Pflege personell derartig aufzuwerten, zu bewerten und auch zu finanzieren, sodass man nicht solche Kuschelroboter entwickeln muss?

Ich meine, dass es hier nach wie vor viel zu tun gibt. Wenn man sich jetzt die Beträge aus dem Pflegefonds, diese 1,3 Milliarden €, ansieht – 4 Milliarden € sind der Betrag, der für die Pflege in ganz Österreich eingesetzt wird – und das Hypo-Debakel dem gegenüberstellt, dann wissen wir schon und muss uns bewusst sein, dass wir, wenn es uns nicht gelingt, diesem internationalen Finanz – wie soll ich es nennen? – etwas entgegenzusetzen und zu verhindern, dass die Volkswirtschaften ausgeblutet und ausgeraubt werden, in diesem Bereich nicht weiter- und vorankommen werden.

Das, was wir derzeit an Geldmitteln einsetzen, ist wohl im untersten Bereich und steht, wie gesagt, in keinem Verhältnis zu dem, was hier angeblich notwendig ist, um Banken zu retten und Spekulanten zufriedenzustellen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl.)

13.37


Präsident Michael Lampel: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 15

13.37.25

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade der letzte Redebeitrag zeigt, wie wichtig es ist, Information weiterzugeben. Ich ersuche darum, das Thema so zu behandeln, wie es zu behandeln ist. Wir sind Weltmeister. Seien Sie stolz darauf, in einem Land zu leben, wo 5,2 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld bekommen! Sie finden kein Land der Welt – kein Land der Welt! –, wo 5,2 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld bekommen.

Und dann bitte und ersuche ich auch darum, mit Zahlen vorsichtig zu sein. Ich bin beim Hypo-Skandal vollkommen bei Ihnen, dass das eine Spekulation war, die einen Namen hat. Das hat der Kärntner Untersuchungsausschuss schon klar erwiesen. Das ist aber nicht das Thema. Ich ersuche nur darum, diese 19 Milliarden € nicht zu erwähnen, denn sie stimmen nicht. Sie wissen ganz genau, um welchen Betrag es wirklich geht. Es sind um die 4 Milliarden € herum, die wir noch aufzuwenden haben – zu den 3,5 Milliarden €, die wir schon aufgewendet haben.

Aber ich bitte, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass wir für Pflege pro Jahr in Österreich in Summe 7 Milliarden € ausgeben – pro Jahr! Sie müssen nur rechnen, Frau Bun­desrätin – ich lade Sie dazu ein –: das, was die Länder zahlen, das, was die Gemein­den zahlen, das, was die Menschen von ihrer Pension einbringen, das, was wir vom Pflegegeld einbringen, und das, was wir vom Pflegefonds dazu einbringen. Das Pflegegeld alleine macht derzeit knapp 2,5 Milliarden € aus. Das ist das, was wir für diese 444 000 Menschen derzeit ausschütten.

Natürlich ist es so, dass dieser Pflegefonds eine Befristung bis 2016 hat. Aber ich bitte und ersuche auch darum – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, zu bedenken: Es gibt ein Regierungsprogramm, in dem drinnen steht, wie es weitergeht. Sie können sicher sein, dass die beiden Regierungsparteien keine politischen Selbstmörder sind, indem sie das nicht fortführen. Das ist vollkommen klar.

Sie wissen auch, warum es diese Befristung bis 2018 im Regierungsprogramm gibt: weil wir natürlich auf dem Weg dorthin den nächsten Finanzausgleich zu verhandeln haben und im nächsten Finanzausgleich weitere Dinge zu entwickeln sind. Wie es weitergehen wird, das werden wir sehen.

Vollkommen klar aber ist: Das Grundkonstrukt Pflegegeld ist da, und das wird auch weiterhin so sein, und der Zusatz, der Pflegefonds, wird sich ebenfalls weiterent­wickeln, weil wir uns natürlich auch der Debatte gestellt haben: Pflegeversicherung oder keine Pflegeversicherung? Und wir brauchen nur ein bisschen in die Bundes­republik Deutschland zu schauen, wo es die Pflegeversicherung gibt, wo aber jetzt alle zu sagen beginnen: Bitte hören wir auf damit!

Warum? – Die Pflegeversicherung ist nichts anderes als zwei Geldbeträge. Die Menschen brauchen aber trotzdem in einem sehr hohen Ausmaß Sozialhilfe, weil sie natürlich nicht auskommen mit diesem Geld, weil es natürlich einen ganz ent­scheidenden Unterschied zur Krankenversicherung gibt: Wir haben in der Langzeit­pflege, in der Betreuung, in der geriatrischen Betreuung, in der Demenz-Betreuung keinen Leistungskatalog – und das ist die Grundvoraussetzung einer Versicherung.

Wir haben uns sehr intensiv – mit allen möglichen Expertinnen und Experten dieses Landes, mit 90 Menschen – ein Dreivierteljahr lang mit der Frage auseinandergesetzt: Macht es einen Sinn, eine Pflegeversicherung einzuführen, oder macht es keinen Sinn? Und wir sind alle gemeinsam zur Meinung gekommen, es mache keinen Sinn. Denn soll ich definieren: Sieben Mal am Tag Windeln wechseln, drei Mal am Tag Windeln wechseln? In welchem Leistungskalkül machen wir das versicherungs­tech-


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nisch? – Ich glaube, wir sollten den Weg, den wir in Österreich gewählt haben, nämlich ein steuerfinanziertes Zusatzsystem, weitergehen.

Und diesen Weg werden wir weitergehen, und das heißt: Natürlich müssen wir den diversen Kräften, die hier mitfinanzieren, auch weiterhin entsprechend helfen. Und ein Helfen erfolgt in Form dieses Pflegefonds, wobei ich dazusage: Ein Drittel ist Geld der Länder, zwei Drittel sind Geld des Bundes – damit das auch klar dokumentiert ist.

Damit auch das klar dokumentiert ist, Frau Bundesrätin: Die Heimordnung ist eine Landesgeschichte. Wenn es Ihnen gelingt, in Vorarlberg Ihre Landesregierung so weit zu bringen, dass sie die Heimordnungen „verbundlicht“, ich mache es gerne. Aber Sie wissen die Antwort Ihres Ländles, und ich weiß die Antwort Ihres Ländles. Und demzufolge ist die Heimordnung Landessache. Ja, wir wollen sie zusammenführen, weil klar ist, dass niemand erklären kann, warum in einem Bundesland – ich sage jetzt Hausnummern, damit es ja nicht missverstanden wird – pro Bett die Kubatur zehn Quadratmeter und im anderen Bundesland acht Quadratmeter beträgt. Ich kann Ihnen das auch nicht erklären. – Ich habe absichtlich gesagt, ich sage Ihnen Hausnummern.

Das heißt, natürlich macht es Sinn, Dinge zusammenzuführen. Darüber sind wir uns auch einig und haben das mit den Ländern beschlossen. Natürlich macht es Sinn, vor allem das Personal zusammenzuführen, die Personalschlüssel zusammenzuführen, weil natürlich klar ist, dass bei gewissen Dingen kein Unterschied sein darf, ob ich nun am Bodensee bin oder am Neusiedler See. – Das heißt ganz einfach, wir müssen versuchen, hier weiterzumachen.

Die Statistik, Frau Bundesrätin, gibt es, sie ist in der Statistik Austria abrufbar. Dort haben Sie die Pflegestatistik, dort haben Sie diese Datenbank. Die haben wir gemacht.

Was auch ganz klar ist: Wir werden weitermachen, was vor allem diese Weiter­entwicklung betrifft.

Und Folgendes ist vielleicht auch interessant: Das meiste Pflegegeld pro Kopf wird derzeit in Vorarlberg ausbezahlt. Was die Summe betrifft – in der Relation zur Bevöl­kerung, zur Wohnbevölkerung eines Bundeslandes –, ist die Steiermark Spitzenreiter, einsamer Spitzenreiter. Ich weiß auch nicht, warum 70 Prozent der Steirer, die 75 plus sind, Pflegegeld bekommen. Wenn man die gleiche Relation auf Tirol legt – 75 plus –, bekommen nur 56 Prozent der Tiroler Pflegegeld. Das muss irgendwie mit der Luft zusammenhängen, womit auch immer. (Allgemeine Heiterkeit und Zwischenrufe.) – Ich sage gleich dazu, das sind natürlich alles statistische „Spielereien“, unter Anführungs­zeichen.

Klar ist, dass wir uns natürlich auch um pflegende Angehörige gekümmert haben. Gerade das, was jetzt im Jänner wirksam wurde – die Pflegekarenz, die Pflegeteilzeit –, ist wiederum ein Schritt, damit Menschen mit Situationen fertigwerden können, damit Menschen mit Situationen auch klarkommen. Es ist keine Frage: Ist der Pflegefall akut, gibt es große Probleme, ist er langsam angleitend, dann geht es leichter. Der Schlag­anfall meldet sich aber nicht vorher an, und der sich daraus ergebende Pflegefall ist etwas total Akutes. Demzufolge haben wir die Pflegekarenz, haben wir die Pflege­teilzeit entsprechend geschaffen. Wir haben auch die Urlaubsaktionen, und ich habe etliche Male gesagt, ich habe kein Problem, wenn wir bei der Urlaubsaktion ein paar Millionen mehr ausgeben, nur: Die Menschen müssen kommen und müssen sagen, ich brauche es, ich will es, ich möchte es in Anspruch nehmen.

Wir werden auch bei den pflegenden Kindern nicht aufhören, uns dieses Themas anzunehmen – wobei ich mir zugute halte, dass ich der erste Sozialminister war, der diese Studie in Auftrag gegeben hat, um auch dort einmal hinzuschauen: Was tut sich da, was entwickelt sich da, was müssen wir dementsprechend tun?


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Ich möchte zum Schluss kommen und Ihre Aufmerksamkeit nicht über Gebühr bean­spruchen: Sie können annehmen und Sie können versichert sein, dass wir das System natürlich jetzt weiterentwickeln werden bis 2016 und darüber hinaus. Es haben auch alle Bundesländer zwischenzeitlich gelernt, wie abgerechnet wird. Wir haben mit keinem Bundesland irgendein Problem, alle holen sich zwischenzeitlich ihr Geld ab. Und die Relationsrechnung: wofür hole ich mir das Geld?, obliegt den Ländern. Das sind nicht wir. Wir haben nur aufgemacht, sodass es für alle möglichen innovativen Modelle möglich ist.

Und ich darf Ihnen mitteilen, es sind alle Bundesländer zwischenzeitlich sehr, sehr kreativ und versuchen, neue Wege zu gehen, Wege zu gehen, die vor zehn Jahren nicht gegangen worden sind. Und es gibt in jedem Bundesland immer ein Highlight-Projekt, so wie Sie in Salzburg das Tageszentrum Zell am See haben, so wie die Steiermark jetzt auf einmal ein mobiles Palliativteam für Kinder und Jugendliche aufgebaut hat – vor zehn Jahren war das kein Thema, jetzt machen wir es. Es gibt gerontopsychiatrische Maßnahmen in Vorarlberg im ambulanten Bereich, nicht nur stationär, und so weiter.

Das heißt – der langen Rede kurzer Sinn –: Es greift das, was mit dem Fonds ver­bunden ist an Innovation, an Neuentwicklungen, aber die Verantwortung zu ent­scheiden: was tue ich, wie tue ich es?, obliegt den einzelnen Bundesländern.

Es ist ja auch so, dass wir sehr unterschiedlichen Zugang zur Sozialhilfe haben. Wir haben Bundesländer, wo, so wie bei Ihnen, 50 Prozent das Land zahlt, wir haben Bundesländer, wo alles auf Gemeindeebene heruntergebrochen wird und die Gemein­den das organisieren müssen, wir haben Bundesländer, wo es die Sozialhilfeverbände organisieren, und so weiter. Wir haben in Wahrheit eine totale Mischung. Das hat sich über 60, 70, 100 Jahre so entwickelt. Wir werden diese Mischung auch nicht innerhalb von ein paar Jahren wegbringen, das wäre auch nicht gut; was wir aber zusam­menbringen werden, ist, dass die Standards, die Qualitätsstandards, die Personalstan­dards zusammenwachsen, denn – ich möchte das noch einmal wiederholen – es ist auch mir ein sehr, sehr großes Anliegen, dass die Bedingungen am Bodensee genauso sein sollen wie am Neusiedler See. Es soll dazwischen nicht extremste Unterschiede beim Personalschlüssel geben und so weiter. Das ist auch eine der Intentionen des Fonds.

Das heißt – der langen Rede kurzer Sinn –: Der Fonds greift. Der Fonds hatte ganz am Anfang kleine Kinderkrankheiten, die haben wir ausgemerzt durch eine Novellierung, und jetzt sind wir eigentlich sehr, sehr gut unterwegs. Und die Finanzierung ist über das Jahr 2016 mit den Beschlüssen des Regierungsprogramms – die erst legistisch umgesetzt werden müssen, das ist mir schon klar – bis 2018 abgesichert. Dazwischen sind Finanzausgleichsverhandlungen, und dann geht die Reise weiter. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.49


Präsident Michael Lampel: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte.

 


13.49.45

Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Pflegefonds­ge-


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setz bringt eine Sicherung des Pflegesystems für die nächsten Jahre. Pflege ist für die Bevölkerung ein sehr emotionales Thema, da es jeden betreffen kann.

Die alternde Gesellschaft, der zunehmende Pflegebedarf, die Auflösung traditioneller Familienverbände sowie die heutige Arbeitswelt erlauben es nicht mehr, das Risiko Pflege individuell abzusichern. Aufgrund der hier bekannten demographischen Verän­derungen sind Angehörige oft schon selbst aus Altersgründen ausgeschieden. Es ist daher zur Aufgabe der Allgemeinheit geworden, dieses Lebensrisiko abzu­sichern, wobei das Pflegefondsgesetz nicht nur im Dienste der Senioren steht. Dieses Gesetz gewährleistet einen einheitlichen Richtversorgungsgrad auch für Projekte und qualitätssichernde Maßnahmen wie zum Beispiel alternative Wohnformen, mobile Betreuungsdienste, Kurzzeitpflege in stationären Einrichtungen und so weiter.

Durch das neue Pflegefondsgesetz werden zahlreiche Verbesserungen in der Pflege umgesetzt oder beschleunigt. Wir können eigentlich darauf stolz sein, dass wir auch in wirtschaftlich turbulenten Zeiten Mittel für die Pflege aufstocken werden. Und darüber hinaus sieht das Regierungsprogramm, wie wir gehört haben, eine weitere Verlän­gerung nach 2016 bis 2018 vor. Es soll und wird auch nicht am Geld scheitern, dass Menschen, die Betreuung brauchen, diese auch bekommen.

Wie ein Vorredner schon gesagt hat: Es ist eine gute Nachricht auch für die Gemein­den. Sie werden nicht im Regen stehen gelassen, was die Kostensteigerungen betrifft. Der Forderung der Gemeinden, dass einen Großteil der Finanzierung der Bund trägt, wird mit diesem Pflegefondsgesetz entsprochen. Die Ausgaben für Pflege waren und sind eine immer größere Kostenfalle für Städte und Gemeinden. Wie wir wissen, stei­gen die Sozialkosten und Aufwendungen der Gemeinden für die Pflege von Jahr zu Jahr enorm. Mit diesem Gesetz wird dem entgegengewirkt.

Wenn man den Betreuungsmix in Summe ansieht – er liegt bei rund 46, 47 Prozent –, so lassen sich vor allem ältere Menschen lieber zu Hause betreuen und wollen nicht ihre gewohnte Umgebung verlassen – was natürlich verständlich ist. Der Grund liegt nicht nur in sentimentalen Erinnerungen, sondern die eigene Wohnung macht noch immer einen Teil der eigenen Identität aus.

Man darf bei allem Positiven jedoch nicht vergessen, dass diese Menschen auch be­treut werden müssen. Wir brauchen in allen Bereichen, in denen Pflege geleistet wird, mehr Personal. Österreichweit gibt es rund 5 000 offene Plätze, die momentan nicht besetzt sind. Der Druck auf die in der Sparte Pflege arbeitenden Menschen wird immer größer, und hier ist natürlich die Gewerkschaft auch gefragt.

Weiters sind die Anforderungen an Mitarbeiter enorm gestiegen. In der Steiermark ist zum Beispiel das Durchschnittsalter in den Pflegeheimen 85 Jahre, und die durch­schnittliche Pflegestufe liegt zwischen 4 und 5. Dann haben wir noch regionale Unter­schiede, ländermäßige Unterschiede, wo das Verhältnis Mitarbeiter zu Bewohnern nicht angepasst ist. Auch hier hat man nun die Möglichkeit, durch den Bundespflege­fonds, dessen Mittel zweckgebunden für Pflege und Betreuung sind, diese Situation zu entschärfen.

Dieses Pflegefondsgesetz ist ein sehr soziales, es lässt auch sehr viel Spielraum für die Länder zu, wo man Betreuungslücken jetzt schließen kann. Weiters muss das Pfle­gesystem, der Pflegefonds auch nach 2016 ein dauerhaftes Steuerungssystem sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

13.53


Präsident Michael Lampel: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann zu Wort. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 19

13.53.44

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass das Thema der heutigen Aktuellen Stunde der Pflegefonds ist und – anders als im Juli, als wir hier über die Fortschreibung des Pflegefonds diskutiert haben – heute auch einmal ein Rückblick erlaubt ist.

Ich will einmal von den allgemeinen Zahlen ein Stück weit weggehen und, beispielhaft für viele Bundesländer, Tiroler Zahlen hernehmen. Auch wenn wir anscheinend auf­grund der guten Tiroler Luft weniger Pflegegeld brauchen und gesünder sind, fordert uns dieses Thema natürlich genauso. Es gibt auch von unserer Seite einen genauen Plan. Es wurde 2012 der Strukturplan Pflege 2012–2022 beschlossen, in dem sehr viele Bereiche einfach festgehalten wurden.

Dank des Pflegefonds ist es uns auch gelungen, in sehr vielen Bereichen Steigerungen oder Ausbauten zustande zu bringen. Bei den mobilen Diensten haben sich zum Beispiel die Leistungsstunden in nur einem Jahr auf 84 000 Stunden erhöht. Seit Beginn der mobilen psychiatrischen Pflege im Jahr 2012 hat man innerhalb von einem Jahr 12 000 Leistungsstunden bereits in Anspruch genommen.

Es gibt zahlreiche Themen, wie das betreute Wohnen, Übergangspflege, die Pilot­projekte, die präventive Seniorenberatung, Nachtbereitschaft, Palliativ- und Hospiz­betreu­ung und den Schlaganfallpfad. Also ich glaube, auch wir zählen zu jenen Bundesländern, die sich sehr viele Gedanken machen. Frau Kollegin Michalke – sie betritt gerade den Saal – darf ich einladen, wenn sie auf der Suche nach innovativen Projekten in der Pflege ist, uns in Tirol einmal zu besuchen. Wir stellen da gerne einige Projekte vor.

Auch wenn wir uns alle einig sind, dass die Zukunft in den mobilen Bereich gehen muss, gibt es auch bei uns Regionen, in denen einfach auch noch stationäre Betreu­ungseinrichtungen benötigt werden, und auch hier findet ein ständiger Ausbau statt. Wichtig ist aber, dass fünf Prozent dieser Betten für die Kurzzeitpflege sind und auch die Tagespflege ein großer Schwerpunkt in der Zukunft sein wird. Da darf ich auch dem Herrn Minister recht geben, weil ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Rahmen­bedingungen dafür schaffen, aber auch den Menschen Mut machen, diese zu nützen. Und man bekommt immer wieder mit – mit der Kurzzeitpflege ist es vielleicht schon ein Stück weit besser –, dass Angehörige nach wie vor auch noch ein schlechtes Gewissen haben und sagen: Wie schaut denn das aus? Ich fahre in den Urlaub und lasse meine Angehörigen in dieser Zeit in einer Einrichtung betreuen?!

Wenn es um das Thema Mut machen geht, möchte ich noch einen Bereich aufgreifen, der heute schon zweimal in unterschiedlicher Art und Weise angesprochen worden ist, nämlich jenen des Personals. Kollege Taucher hat natürlich auch von einem Potenzial gesprochen von den Arbeitsplätzen her. Das stimmt; aber ich kann auch Frau Kollegin Reiter recht geben: Es gibt auch Einrichtungen, die nicht in Betrieb genommen werden können, weil das Personal in diesem Bereich fehlt. Es wird viel Personal ausgebildet, und man kann auch die Ausbildung aufstocken. Aber ich glaube, die Kunst liegt in Wahrheit darin: Wie gelingt es uns, dieses Personal wirklich auch in den Langzeit­pflegebereich zu bringen?

Ich freue mich, dass das im Regierungsprogramm als Schwerpunkt festgehalten ist, dass man auch schon in der Ausbildung schaut, dass es – auch für die Kompetenz in der Ausbildung – eine stärkere Anpassung an die Erfordernisse der Langzeitpflege gibt. Aber ich glaube, wir müssen auch den Menschen einfach Mut machen, in diesen wirklich besonderen Bereich zu wechseln, und auch dem Berufsbild der Pflege, gerade


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auch der Langzeitpflege, eine andere Wichtigkeit und ein positives Image geben, denn in Wahrheit sind diese Menschen das Herz der Langzeitpflege.

Die Rahmenbedingungen sind wichtig, der Pflegefonds ist wichtig, damit wir das leben können und damit wir das aufbauen können. Es sind Qualitätssicherungsmaßnahmen wichtig oder auch Richtlinien, wie ein Heim zu bauen ist. Aber ich glaube, das alleine ist nicht das Ausschlaggebende dafür, ob es unseren Menschen dort gut geht. Wir könnten ihnen allen einen Palast bauen, aber wenn sie in diesem Palast alleine sind oder niemanden auf Dauer in der Nähe haben, dem Sie vertrauen oder der ihnen wichtig ist, wird ihnen der Palast mit der Zeit nichts mehr nützen.

Und genauso geht es uns auch bei unseren Pflegeeinrichtungen, denn nur wenn die Menschen dort mit Herz, mit Liebe, mit Begeisterung arbeiten und pflegen, ist dies ein Garant dafür, dass es jenen, die diese Pflege und Betreuung brauchen, gut geht.

Mir ist es ein Herzensanliegen, dass wir zusätzlich zur Sicherstellung der Rahmen­bedin­gungen einen Schwerpunkt auch darauf setzen, den Menschen Mut zu machen, in diesen Bereich zu wechseln. Ohne genügend Personal wird es schwierig, das zu leben. Und ich glaube, das ist ein Weg, den wir gemeinsam weitergehen sollen, Bund, Land und Gemeinden. Das gilt einerseits für die Rahmenbedingungen, aber machen wir auch allen Mut, die schon in diesem Beruf, in diesem Zweig arbeiten, und setzen wir uns dafür ein, dass auch viele noch diesen Weg einschlagen, damit alle Menschen bei uns, in unserem Bundesland und in Österreich, mit einem guten Gewissen und mit einem guten Gefühl alt werden können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.59


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schmittner. – Bitte.

 


14.00.01

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich hoffe, Sie haben sich von Ihrem Unfall schon erholt. Sehr verehrte Fernsehzuseher, und da besonders die Pflegebedürftigen und Behinderten! Um euch geht es ja heute. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute sehr viel über den Pflegefonds gesprochen worden. Ich möchte mich jetzt eher mit dem beschäftigen, was der einzelne Pflegebedürftige beziehungsweise Behinderte tat­sächlich bekommt. Das ist ja das Wichtige für ihn.

Da muss ich feststellen – Herr Bundesminister, das ist kein Thema, wo man polemi­sieren soll –, dass man seit der Einführung des Pflegegeldes keine Inflationsabgeltung gewährt hat. Warum? Will man jetzt das Budget auf Kosten der Behinderten und Pflegebedürftigen sanieren und dort einsparen?

Auch bei den Freibeträgen hat es nie eine automatische Wertanpassung gegeben. Ja warum? – Das spüren die Behinderten, die Pflegebedürftigen und auch deren Ange­hörige. Mit dem neuen Belastungspaket, das jetzt beschlossen worden ist, tut es dop­pelt weh.

Herr Bundesminister! Viele Leute sagen mir: Na ja, wir haben eben keinen Neugebauer wie die Beamten. – Dann muss ich darauf sagen: Na ja, ihr habt den Buchinger. Den hat ja euer Minister, der Herr Hundstorfer, das zweite Mal bestellt, der allerdings mehr Schlagzeilen macht mit seiner internationalen Vorreiterrolle in der Väterkarenz als mit den Behinderten. (Bundesrätin Blatnik: Das ist gut! Das ist gut! Das ist beispielhaft! – Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Ja, ja, aber ich würde sagen, Herr Bundesminister: Setzen wir uns dafür ein, dass das Pflegegeld so steigt, wie es steigen soll, dass die Inflation abgegolten wird und dass


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 21

auch die Freibeträge entsprechend angepasst werden! Sie werden sicherlich die Unterstützung der FPÖ und der Bevölkerung, gerade der Behinderten, der Pflegebe­dürf­tigen und von deren Angehörigen haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.01


Präsident Michael Lampel: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.

 


14.02.15

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Danke schön. – Und damit Sie das nicht missverstehen: Ich wurde ersucht, hierher ans Rednerpult zu gehen, weil das Mikro Probleme hat und die Fernsehzuschauer mich nicht hören können. Darum wurde ich ersucht, das von hier aus zu machen.

Ich möchte noch ein paar Punkte beantworten. Punkt eins – bei den Angehörigen habe ich zuerst einen Punkt vergessen –: Wir haben natürlich auch die sozialversiche­rungsrechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen, soweit sie noch im erwerbs­fähigen Alter sind. Das heißt, wir beziehen die Menschen in die Krankenversicherung und Pensionsversicherung mit ein; das kostet uns die Kleinigkeit von zirka 32 Mil­lionen. – Das sei nur am Rande erwähnt, das tun wir auch noch. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Na ja, es ist nicht gerade wenig. Das sollte man, glaube ich, ein bisschen beachten.

Was wir auch beachten sollten, ist: Natürlich ist das Personal ein wesentlicher Schlüs­selfaktor. Allein das, was wir über das AMS steuern können, betrifft pro Jahr zirka 5 000 Menschen. Pro Jahr werden 5 000 Menschen für diesen Sektor ausgebildet. Natürlich gehen auch einige wieder weg, weil sie dann draufkommen: Das ist nicht das, was mein weiterer Lebensweg sein soll, es ist nicht meine Perspektive. – Aber es ist doch ein nicht unwesentlicher Teil.

Die Bearbeitungsdauer der Pflegegeldanträge ist unter 60 Tage gerutscht – ein nicht unwesentlicher Erfolg! Wir haben geöffnet ab der Pflegestufe 4, dass das die Pflege macht. Das heißt, die diplomierte Krankenpflege macht die Begutachtungen, nicht mehr die Medizin, weil es ab der Pflegestufe 4 ... (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Na ja, das ist in ganz Österreich. Auch im Ländle greift es schön langsam, Frau Abgeordnete. (Bundesrätin Michalke: Aber vor einem Monat war es noch anders!)

Nein, das stimmt nicht! Ich bringe Ihnen die diplomierten Krankenpflegepersonen, die bei Ihnen in der Sachverständigenliste stehen, die das tun. Wir machen nur nicht die Ersteinstufung, die Ersteinstufung macht die Medizin. Aber wenn jemand in 4 ist und höhergereiht werden soll, dann ist das Angelegenheit der Pflege. Das ist so ausge­schrieben.

Dass das teilweise nicht erfolgt und immer noch die Medizin macht, mag sein, aber ich habe trotzdem Zigtausende Bearbeitungen von der Pflege. Wir sind ja nicht starr, die 440 000 Menschen bewegen sich ja. Wir haben eine immense Fluktuation. Es sind pro Monat, wenn ich es richtig im Kopf habe, 6 000 Bewegungen: rauf, runter, sterben, neu hinein und, und, und. Es ist ja nicht etwas Starres.

Ich kann Ihnen nur sagen, ich bringe Ihnen die Liste aus Vorarlberg, denn das Ländle ist nicht anders, glauben Sie es mir. Auch wenn Sie es vielleicht meinen, aber es ist ... (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Ich bringe Ihnen die Liste und zeige es Ihnen,


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damit Sie endlich wissen, wovon wir reden. (Bundesrat Mayer: Das Ländle ist schon anders, Herr Minister, aber nicht in dem Fall!) Ach so. (Heiterkeit des Redners.)

Das Pflegegeld ist erhöht worden; nicht jährlich, sondern es ist erhöht worden in der Vergangenheit. Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden. Wir haben uns dafür entschieden: Die Valorisierung wird nicht periodisch vorgenommen, sondern atypisch. Das letzte Mal ist es, glaube ich, 2009 valorisiert worden.

Wir haben eine andere Antwort geliefert, und die andere Antwort heißt: Pflegefonds! Dieser Pflegefonds ist genau die Antwort, um den Zukauf der Sachleistung abzu­sichern. Es geht darum, den Zukauf der Sachleistung abzusichern, und Sachleistung ist all das, worüber wir da geredet haben: Das Palliativ-Team ist Sachleistung, die Hospiz ist Sachleistung, das geriatrische Tageszentrum ist Sachleistung, der stationäre Aufenthalt ist Sachleistung. Um überall dort die Kostensteigerungen abzufangen, gibt es den Pflegefonds.

Wir hätten es natürlich auch so machen können: Wir valorisieren und machen keinen Pflegefonds. Die Leute hätten sich bedankt!

Bei beidem haben wir ein bisschen ein Finanzproblem. Da haben wir eben ein bisschen ein Finanzproblem, unter anderem dank Ihrer Partei in Kärnten. Hätte Ihre Partei in Kärnten nicht diverse Haftungsbeschlüsse massiv getragen, dann hätten wir unter anderem ein bisschen mehr Geld! Aber das ist halt so. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Dörfler: Herr Bundesminister, da hast du ...! – Weitere Zwischen­rufe.)

Lieber Gerhard Dörfler! Du weißt ganz genau, wie es war, und du kennst auch das Ergebnis der Untersuchungsausschüsse von Kärnten. Das Ergebnis der Unter­suchungs­aus­schüsse von Kärnten sind die 700 Seiten, die könnt ihr alle haben, die sind alle im Internet verfügbar. Die kann man nachlesen, die sind ja kein Geheimnis, und man weiß, zu welcher Zeit, wann was beschlossen wurde im Kärntner Landtag. (Bundesrätin Mühlwerth: Und auch von wem!) Dort war eines Faktum: eine Mehrheit der Freiheitlichen Partei! (Bundesrat Dörfler: Eine absolute?) Ich will das ja nicht wegdiskutieren. Ich will es nicht wegdiskutieren ... (Bundesrat Jenewein: Hat es eine Absolute gegeben? Herr Minister, war es eine absolute Mehrheit?)

Ja, aber eine sehr massive Mehrheit, Ihre Partei. Ihr wisst, wer der Gemeindereferent in diesem Land war, und ihr wisst, wie der Gemeindereferent mit den roten Bürger­meistern umgegangen ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das sollte man auch dort ein­mal sagen und das sollte man auch einmal dazusagen, damit Sie das ein bisschen wissen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Jenewein: Und Ambrozy war dann nur beim Villacher Fasching, Herr Kollege?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen wir zur Sache retour! So ernst die Causa Hypo ist ... (Bundesrätin Mühlwerth: Dann hätten Sie ja zuerst dabei bleiben können! – Bundesrat Jenewein: Ich habe gemeint, der Villacher Fasching ist ernst?) Der Villacher Fasching ist eine ... (Bundesrat Jenewein: Weil der Herr Ambrozy nie betroffen war, denn im Landtag hat er ja nie etwas zu tun gehabt!) Na ist okay, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sich abschließend verabschieden von Jörg Haider (Bun­des­rätin Mühlwerth: ... Sie sich verabschieden!) als Parteiobmann, als Landeshaupt­mann und, und, und. (Bundesrat Jenewein: Sie verabschieden sich vom Unter­suchungs­ausschuss ...!) Das nehme ich zur Kenntnis. (Bundesrat Jenewein: Von allem haben Sie sich verabschiedet ...!)


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Wir verabschieden uns überhaupt nicht von Untersuchung (Bundesrat Jenewein: Und das nicht einmal einstimmig, weil einige Abgeordnete ...!), sondern wir halten uns daran, Menschen zu helfen, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Menschen zu helfen heißt ... (Bundesrat Jenewein: Ich bin kein Abgeordneter! Ich bin Mitglied des Bundes­rates! Das sollten Sie als Minister wissen!)

Entschuldigung! – Sehr geehrtes Mitglied des Bundesrates! Wir helfen Menschen, indem wir die Causa Hypo raschest in eine Abwicklungsform bringen, denn dann hilft man den Menschen, aber nicht mit Untersuchungen, wo sich der Herr Vilimsky bei Ihnen profilieren will, bevor er sich nach Europa verabschiedet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, das Erfolgsrezept Pflegefonds entwickelt sich so weiter. Ich hoffe, es ist uns auch möglich, für pflegende Angehörige, die eine nicht unwesentliche Stütze des Ganzen sind, weiter etwas zu tun. Hier sieht man auch, das Ländle ist ein bisschen anders. Das Ländle ist das einzige Bundesland, wo es aus Landesmitteln auch einen Zuschuss für pflegende Angehörige gibt. Das machen alle anderen nicht, das macht das Ländle als Einziges. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Vielleicht können sich die anderen acht noch ein Beispiel am kleinen Ländle nehmen. – Ich danke schön, auf Wiedersehen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mayer: Gutes Beispiel, Herr Minister!)

14.09


Präsident Michael Lampel: Ich danke, Herr Bundesminister, für die abschließende Stellungnahme.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

14.09.17Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Michael Lampel: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteil­ten Anfragebeantwortungen 2738/AB und 2739/AB (siehe S. 5) beziehungsweise

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B‑VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über die Errichtung eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit

verweise ich auf die im Sitzungsaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B‑VG:

Anlage 1:


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Anlage 2:


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Präsident Michael Lampel: Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass ein Verhand­lungs­gegenstand, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, eingelangt ist.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 31

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Michael Lampel: Weiters ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten Sebastian Kurz von 26. bis 28. Feber 2014 in Serbien und Kosovo bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter mit seiner Vertretung eingelangt.

Eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt den Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen wurden:

Jahresvorschau des BMVIT 2014 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Kommission sowie des Operativen Jahresprogramms des Rates – zuge­wiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie;

Bericht des Bundesministeriums für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014, Achtzehn­monats­programm des irischen, litauischen und griechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union – zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten;

EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2014 – zugewiesen dem Umweltausschuss;

Jahresvorschau des Bundesministeriums für Justiz auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2014 sowie des Achtzehn­mo­nats­programms des irischen, litauischen und griechischen Ratsvorsitzes – zugewiesen dem Justizausschuss;

EU-Jahresvorschau 2014 des Bundesministeriums für Finanzen – zugewiesen dem Finanzausschuss.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Aus­schüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

14.12.12Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Michael Lampel: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag einver­stan­den sind, bei den gegenständlichen Ausschussberichten von der 24-stündigen Aufliegefrist Abstand zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmen­ein­hellig­keit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

*****

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 32

14.12.59Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Michael Lampel: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 unter einem durch­zuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

14.13.14Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Michael Lampel: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Schulnoten, andere sozialistische „Bildungsphantasien“ und das Datensicherheitsdesaster im bifie an die Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

14.13.571. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend Vereinbarung ge­mäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz (23 d.B. und 34 d.B. sowie 9143/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (35 d.B. sowie 9144/BR d.B.)

 


Präsident Michael Lampel: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. und 2. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen beiden Punkten ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. Bitte um die Berichte.

 


14.14.32

Berichterstatter Mag. Christian Jachs: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberöster­reich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrich­tung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz.

Weiters bringe ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und For­schung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 über ein Bundes­gesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird.

Beide Berichte liegen Ihnen vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung beantragt, gegen beide Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 33

Präsident Michael Lampel: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. Ich erteile es ihr.

 


14.15.58

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Hohes Prä­sidium! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte zu diesem Tagesordnungspunkt einen Entschließungsantrag einbringen. Der Entschließungsantrag betrifft vor allem das Finanzierungssystem für Universitätskliniken.

Die Begründung dafür ist, dass die vom Nationalrat beschlossene Vereinbarung ge­mäß Art. 15a B-VG zwischen Bund und Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Human­medizin an der Universität Linz ganz deutlich gezeigt hat, dass insbesondere die Finanzierung des klinischen Mehraufwandes in Universitätskliniken intransparent und alles andere als gerecht gehandhabt wird. Die derzeitigen Regelungen zur Spitals­finanzierung sind verwaltungssaufwendig, intransparent und in keiner Weise gerecht.

Wir stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat möge beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich mit der Salzburger Landes­regierung Verhandlungen über die Abdeckung des klinischen Mehraufwands der Salz­burger Universitätsklinik aufzunehmen und dafür noch heuer die erforderlichen Mittel vorzusehen.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis spätestens 30. Juni 2014 ein gerechtes, transparentes und verwaltungsökonomisches Finanzierungssystem für alle Univer­sitäts­kliniken auszuarbeiten.

3. Es möge dafür Sorge getragen werden, dass die Mittel für die Universitäten ab 2016 zumindest in Höhe der laufenden Kostensteigerungen erhöht werden.

*****

Ich bitte Sie, diesem Antrag beizutreten, weil ich glaube, dass gerade damit auch viel Problematisches in diesem Bereich einer Lösung zumindest nähergebracht wird.

Die Hauptkritik von mir in diesem Punkt ist, dass es nach wie vor keine Gesamt­strategie für den tertiären Sektor in Österreich gibt. Das heißt, eigentlich gäbe es sie schon. So wurde ja vor zehn Jahren die Entscheidung gegen eigenständige Medizin­universitäten gefällt. Es wurde entschieden, dass das Studium auf zwei Standorte aufgeteilt werden sollte, auf Graz und Wien, übergeführt in Bakkalaureat und Master­studium, also weg von den derzeitigen Diplomstudien.

Aber das, was hier jetzt geschehen ist mit diesen Einzelvereinbarungen zur Gründung der Medizinuniversität in Linz, widerspricht einer solchen schlüssigen Gesamtstrategie, an die sich aber weder der Minister noch eben die Bundesregierung ausdrücklich gebunden fühlen. Das heißt, das Projekt wird gestartet, ohne dass es eigentlich wirk­liche Grundlagen dafür gibt. Der Studienplan steht nach wie vor nicht. Das Aufnahme­verfahren gibt es nicht. Die Vereinbarungen zur Uni-Klinik gibt es nicht. Die Auswir­kungen auf die anderen Standorte wurden nicht evaluiert und geprüft und die Finan­zierung von anderen Standorten ebenfalls nicht.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 34

Für die Finanzierung der Beginnphase des Linzer Projekts finden sich im Finanz­minis­terium Gott sei Dank Rücklagen. Das war aufseiten der Landespolitik eigentlich auch schon immer eine beliebte Vorgangsweise: Wenn ein Projekt politisch gewünscht wurde, war es auf einmal mit der Budgetknappheit nicht so weit her und es wurden irgendwo Rücklagen gefunden – so auch in diesem Fall.

Andererseits: Wie schaut es mit einer garantierten Aufstockung des Wissenschafts­budgets ab 2018 aus? – Im Bundesfinanzrahmen sind weder die notwendige Steigerung für die Deckung der laufenden Kosten der Unis noch die Kosten für eine Medizin-Universität Linz vorgesehen. Gleichzeitig werden Ermessensausgaben um 42 Millionen gekürzt, werden Offensivmittel entsprechend gekürzt. Das heißt, Beste­hendes wird zugunsten von etwas Neuem ausgehungert.

Das ist grundsätzlich möglich, wenn man sich dazu entschließt und dazu auch steht. Aber wie schaut es jetzt mit dem konkreten Projekt aus? Da werden also Ärzte ausge­bildet, um der Nachfrage nach entsprechenden Studienplätzen Rechnung zu tragen – und das angesichts der Tatsache, dass Österreich die höchste Ärztedichte innerhalb der EU hat. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Bei uns gibt es 468 Ärzte auf 100 000 Einwohner, im EU-Durchschnitt sind es 330; ein Viertel der promovierten Mediziner wandert ab. – Wo sind die Konzepte, um in diesem Bereich etwas dagegen zu unternehmen?

Ein anderer Aspekt dabei ist die Quotenregelung im Bereich des Medizinstudiums betreffend vor allem deutsche Studierende und Numerus-Clausus-Flüchtlinge, die derzeit schon schwierig zu argumentieren ist. Die Argumentation in diese Richtung wird mit Errichtung der Linzer Uni noch schwächer. – Seit über zehn Jahren ein ungelöstes Problem.

Dass die beiden Systeme – das Diplomstudium und das jetzt eingeführte Bakkalaureat-Master-Studium – wirklich kompatibel sind, wage ich zu bezweifeln. Ebenso gibt es große Bedenken, was die Qualitätssicherung betrifft, denn habilitierte Ärztinnen und Ärzte können nicht ohne Weiteres in Forschung und Lehre wechseln. Wenn ich mir vorstelle, wie schwierig es ist, gerade die Fächer Chemie, Biochemie, Physik in Linz neu aufzubauen und dort auch das entsprechend qualifizierte Personal dafür zu finden, dann hätte das, denke ich mir, wenn man zusätzliche Ärzte möchte, an den vorhan­denen Standorten sicher wesentlich günstiger und ökonomischer geschehen können.

Die Hochschulkonferenz hat Bedingungen für die Realisierung der Medizin-Uni in Linz gestellt. Es wurde auch versprochen, diese zu erfüllen. Aber von den Zusagen ist praktisch nichts umgesetzt worden. Das betrifft die Aufstockung der Mittel für die Universität zumindest in der Höhe der laufenden Kostensteigerung, das betrifft den Hochschulplan mit einer Gesamtstrategie und die Medizin-Uni als einen Teil davon. Das betrifft ein konkretes Maßnahmenprogramm zur Attraktivierung des Arztberufs und das betrifft transparente Neuregelungen des klinischen Mehraufwands.

Dass das ein Problem ist, zeigt zum Beispiel die Diskussion um das AKH Wien, wo das wieder ganz anders geregelt ist. Das zeigt sich auch in Innsbruck, an den Problemen der Krankenhausfinanzierung dort. Diese Probleme gibt es in Salzburg und auch in anderen Kliniken. Das ist ein ungeheuer großer Verwaltungsaufwand. Da gibt es keine transparenten nachvollziehbaren Richtlinien, wie der klinische Mehraufwand da tatsächlich herausgerechnet wird. Da besteht unserer Meinung nach ein dringender Handlungsbedarf, um eben auch die Kliniken entsprechend finanzierbar zu halten.

Da wir vorhin so viel über Pflege und Pflegeberufe diskutiert haben, möchte ich hier noch eine Anmerkung dazu in diesem Rahmen machen: Vor 20 Jahren war in Deutsch­land das Verhältnis Arzt zu Pflegenden eins zu vier bis fünf; derzeit ist das Verhältnis Arzt zu Pflegenden eins zu eineinhalb. Das heißt, auch da, denke ich, haben


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 35

wir andere und wichtigere Anliegen als die Zahl der Ärzte zu erhöhen, um die Gesundheitsversorgung in den Spitälern, aber auch draußen sicherzustellen.

Was die Problematik betrifft, die ländlichen Regionen mit Ärzten zu versorgen und Hausärzte zu bekommen: Da müssen konkrete Maßnahmen vor Ort gesetzt werden, die auch Geld kosten, um das attraktiver zu machen und finanziell abzusichern. Aber das liegt nicht an der Zahl der Ausgebildeten. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass die am Ort Ausgebildeten eine entsprechende Bindung an diesen Ort zeigen, was sich in einer höheren Dichte an Hausärzten ausdrücken würde.

Aus diesen Gründen werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.26


Präsident Michael Lampel: Der von den Bundesräten Dr. Reiter, Kollegin und Kolle­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Finanzierungssystem für Univer­sitätskliniken ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich begrüße recht herzlich Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.) Und es ist mir eine besondere Freude, in der Länderkammer Herrn Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer begrüßen zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


14.27.06

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister Mitterlehner! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Pühringer! Sehr geehrter Herr Rektor der Johannes Kepler Universität Linz Hagelauer! Seien Sie willkommen in dieser schönen und durchaus auch historischen Stunde!

Lassen Sie mich zu Beginn eine Anmerkung machen, die ich, wie ich glaube, im Namen aller Mitglieder dieses Hauses machen darf! Es gibt Bekenntnisse zu diesem Haus, zu dieser Kammer des Parlaments, stärkere und weniger starke. Ein starkes Bekenntnis kommt stets vom oberösterreichischen Landeshauptmann, der immer wieder von seinem Rederecht in diesem Haus Gebrauch macht – ich erinnere an das vorige Jahr –, etwa als es um die Zielvereinbarung im Bereich Gesundheit ging, und heuer, heute an diesem Tag, wenn es um die Medizinische Fakultät in Linz geht.

Herr Landeshauptmann, wir wissen, dass das ein starkes Bekenntnis von dir zu dieser Kammer im Haus ist, und wir danken dir für dieses Bekenntnis! (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei Bundesräten der FPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

Trotz der sehr mahnenden und fast ein bisschen traurigen Worte meiner Vorrednerin lasse ich mir den schönen Augenblick nicht ganz verderben. Es ist für einen Linzer doch ein ganz besonderes Ereignis, wenn eine klassische Fakultät – auf dem Weg zur Volluniversität Linz – heute hier in diesem Haus abgesegnet wird. Ich lasse es mir nicht nehmen, und, Frau Kollegin Reiter, ich werde Ihnen auch ein paar gute Gründe dafür nennen, warum diese Fakultät sein muss und warum es höchste Zeit, ja eigentlich schon viel zu spät ist, das zu tun.

Linz hat einen großen pulsierenden Zentralraum. Dort leben, auch wenn Linz selbst gerade einmal 200 000 Einwohner hat, fast eine halbe Million Menschen. Linz ist ein Industriegebiet, Linz ist Gewerbegebiet, Linz ist Kulturstadt und Linz hat eine prospe­rierende, wachsende Universität, die etwa 50 Jahre nach ihrer Gründung 20 000 Stu­die­rende hat. Und – jetzt kommt noch etwas dazu – Linz hat nach einer sehr gelun­genen Spitalsreform eine prosperierende und florierende Spitalszene, mit sehr, sehr vielen Spezialisten, mit jetzt bereits bestehender Forschung, ohne dass eine Fakultät vorhanden ist, sodass Sie sich eines sicher sein können – auch wenn ich generell noch


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 36

etwas dazu sagen werde, dass man Forschung, Fortbildung und Ausbildung nicht immer nur auf den schnöden Mammon herunterbrechen soll –: Die Mittel, die dort ver­wendet werden, werden sehr, sehr wirksam verwendet werden und Früchte tragen.

 Zum Zweiten – das darf ich Ihnen auch sagen – können Sie auch sicher sein, dass in dieser Gewerbe- und Wirtschaftsszene dieses boomenden Kerngebiets das Auftreiben von Drittmitteln gar nicht so schwierig sein wird, das wird jetzt bereits bei der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät teilweise sehr gut gezeigt.

Wir haben eine Aufgabe, und diese Aufgabe ist, als Zentralraum nicht zu vergessen, dass die Hälfte der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher in Regionen wohnen, in die die Adern des Zentralraums hinausführen, und das Herz muss dort auch etwas hinauspumpen, zur Versorgung ländlicher Regionen. Das Blut, das durch diese Adern rinnt, ist nicht reines Geld, sondern das sind manchmal eben auch lebensnotwendige Dinge. Dazu gehört – ich glaube, das können wir gemeinsam außer Streit stellen – die medizinische Grundversorgung, die ärztliche Versorgung, die die Menschen vor Ort brauchen, zumindest einmal in Form einer Erstversorgung, und das kann nur durch gut ausgebildete österreichische Ärzte erfolgen.

Ich unterschreibe Ihnen, dass wir darüber diskutieren müssen, dass die Ausbildung der Ärzte postgradual, nach dem Studium neue Wege wird beschreiten müssen. Ich bin sicher, dass wir über die Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten reden müssen. An allem Anfang steht aber die Ausbildung, die Theorie, das Studium, das absolviert werden muss, damit man überhaupt irgendwann einmal in die Praxis eintreten kann.

Wir beklagen jährlich – auch Ihre Fraktion hier im Haus und im Nationalrat – nicht zu Unrecht, dass wir 10 000 Bewerber für Medizinstudien haben und nur 1 500 aufneh­men können. Daher frage ich mich, was tatsächlich dagegenspricht, dass ein weiterer Standort eröffnet wird, der die Möglichkeit gibt, das Ziel zu erreichen, 2 000 Studenten auszubilden, denn das ist ein Ziel, das wir uns à la longue gesetzt haben. Auch das ist ein ganz klarer Grund, warum wir diesen neuen Standort brauchen.

Sie haben hier in einer längeren Rede einige Gründe aufgezählt, die dagegen sprechen. Ich habe keinen stichhaltigen Grund gefunden. Ich könnte jetzt auf viele Punkte eingehen, die Zeit dafür reicht nicht.

Das Auswahlverfahren ist im Übrigen längst festgelegt: Mit 1. März beginnt dieses.

Generell möchte ich sagen, dass die Grünen sich immer sehr stark dagegen ver­wahren, dass Bildung kommerzialisiert gesehen werden soll; Wissenschaft und Wirt­schaft zusammen, das riecht sozusagen ein bisschen, das soll nicht sein. Trotzdem sind all Ihre Argumente, die dagegen vorgebracht worden sind, geldwerte Argumente. Daher meine ich, dass das letztlich nicht schlüssig ist.

Ich glaube auch, dass wir uns hier herinnen als Bundesländervertreter nicht aus­einanderdividieren lassen sollten. Wir können über alles reden, auch darüber, dass Salzburg berechtigt ist, Medizinstudenten auszubilden, aber es ist, glaube ich, nicht im Sinne dieses Hauses, dass sich Vertreter Salzburgs herausstellen und sagen, Ober­österreich dürfe nicht ausbilden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zuallerletzt habe ich noch ein Argument vernommen, das so ein bisschen durch die Couloirs gekreist ist: dass es sich um ein Prestigeobjekt eines Landeshauptmannes handle. (Zwischenruf des Bundesrates Brückl.) Wir haben viele gute Landeshaupt­leute in diesem Staat Österreich, aber ich wünsche jedem Bundesland einen Landes­hauptmann, der Wissenschaft, Bildung und Forschung als sein Prestigeobjekt betrach­tet, denn dann wird es uns in Österreich à la longue recht gut gehen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 37

Ich freue mich daher über diese Stufe, über diese klassische Fakultät. Es fehlt uns nur noch eine Fakultät in Linz, das ist die geisteswissenschaftliche, die wir auch sehr wertschätzen, und ich bin sicher, dass diese um eine Spur leichter aufzubauen sein wird.

Fakultät kommt aus dem Lateinischen, Frau Kollegin Reiter, von „facultas“ – die Befähigung, das Talent. Der griechische Begriff „dynamis“ – die Kraft, das Talent – ist das Äquivalent zu „facultas“. Ich wünsche uns allen – nicht nur bei dieser Abstimmung, sondern auch danach, bei der Umsetzung des Projektes – und den Studentinnen und Studenten jene Dynamik, die dazu führen wird, dass nicht nur Linz, sondern ganz Oberösterreich und auch andere Gebiete in den Bundesländern davon profitieren, dass man in Linz gut Medizin lernen kann. – Ich danke für Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

14.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Reich. – Bitte.

 


14.34.18

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werter Herr Rektor! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! „Linzer Medizin-Fakultät nimmt im Parlament die letzte Hürde“, so titelten die „Oberösterreichischen Nachrichten“ gestern, und dieser Zeitpunkt des Überwindens der letzten Hürde ist jetzt und heute hier.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bund und Land Oberösterreich regeln hiermit die gemeinsame Finanzierung von Errichtung und Betrieb einer medizinischen Fakultät sowie der Einrichtung eines Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz.

Eine Regierungsvorlage über den Abschluss der entsprechenden Artikel-15a-Verein­barung wurde bereits am Ende der vergangenen Gesetzgebungsperiode dem National­rat übermittelt. Da sie nicht mehr beschlossen werden konnte, wurde sie nun noch einmal vorgelegt.

Diese Vereinbarung regelt die rechtlichen und budgetären Aufgaben des Bundes und die organisatorische und finanzielle Beteiligung des Landes Oberösterreich bei diesem Projekt. Dabei verpflichtet sich der Bund zur Schaffung der gesetzlichen Vorausset­zung für die Errichtung der neuen Fakultät in Linz und legt einen Budgetpfad dazu vor.

Laut diesen Planungen wird der Bund ab 2014 bis zum projektierten Vollausbau 2027/2028 einen jährlich steigenden Betrag für Personalkosten, Infrastruktur und lau­fende Sachkosten übernehmen. Beginnend mit 2,7 Millionen € für 2014 wird diese Kostenübernahme durch den Bund im Jahr der Vollausbauphase ungefähr 58 Millionen erreichen. Für Neu-, Ergänzungs- und Umbauten samt Ersteinrichtung kommen in der Gründungsphase das Land Oberösterreich und seine Gemeinden auf. Zusätzlich hat man auch ein transparentes Modell für die Regelung des klinischen Mehraufwands gefunden, das laut Wissenschaftsminister Mitterlehner Vorbildwirkung auch für andere Universitäten haben kann.

Durch die vorliegende Vereinbarung erfolgt eine Einbindung des Landes Oberöster­reich in die Anschubfinanzierung der Medizinischen Fakultät an der Universität Linz und eine Stärkung von Kooperationen zwischen Universitäten.

Das Studium der Humanmedizin an der Universität Linz soll im Studienjahr 2014/2015 beginnen – das haben wir schon gehört – und schrittweise aufgebaut werden. Die Zahl der StudienanfängerInnen wird zunächst jeweils 60 pro Jahr betragen, mit jedem zweiten der darauf folgenden Studienjahre um jeweils 60 ansteigen und im Endausbau 300 erreichen.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 38

Bis zum Vollausbau soll ein Kooperationsmodell mit der Universität Graz durchgeführt werden.

Die auf den Bund entfallenden Kosten für den Aufbau der Medizinischen Fakultät an der Universität Linz werden aus Mitteln des Finanzministeriums gedeckt. Ab 2018 wird das Wissenschaftsbudget jedenfalls um die dem jeweiligen Umsetzungsstand der Medizinischen Fakultät Linz entsprechenden notwendigen Finanzmittel aufgestockt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die grundsätzliche Entscheidung, eine medi­zinische Fakultät in Linz zu errichten, ergab sich hauptsächlich aus den Befürchtungen vieler am Gesundheitssystem Beteiligten, die ausgezeichnete Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den verschiedenen Regionen nicht mehr aufrechterhalten zu kön­nen. Auch wir im Bundesrat beschäftigten uns vor nicht allzu langer Zeit in einer Enquete mit der Zukunft der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, und ich durfte bei verschiedenen Veranstaltungen dabei sein. Auch im Landeskrankenhaus Rohrbach in meinem Heimatbezirk ist zum Beispiel die Zahl der Turnusärzte drastisch vermindert worden, und es ist die einhellige Meinung aller, dass sich dies unter anderem durch die Errichtung einer Ausbildungsstätte in der Nähe verbessern könnte.

Auch der Österreichische Wissenschaftsrat beschäftigte sich mit dem Konzept der Medizinischen Fakultät Linz und sah alle Voraussetzungen zur Errichtung erfüllt: Es gibt ein Interesse der Uni, des AKH Linz und der Landespolitik; es gibt den Bedarf an Studienplätzen; es besteht eine Realisierbarkeit, und es gibt ein großes Entwicklungs­potenzial.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf nun einige Argumente für den Standort der Medizinischen Fakultät Linz anführen, die nahezu von allen, insbesondere von ober­österreichischen Politikerinnen und Politikern und anderen Entscheidungsträgern mitgetragen und auch von der Spitze der Bundesregierung, unter anderem von Ge­sundheitsminister Stöger, unterstützt wurden: Eine neue Schwerpunktsetzung in der Ärzteausbildung in der Allgemeinmedizin, Altersvorsorgeforschung und Publik Health kann erreicht werden. Eine Bedarfsstudie der Ärztekammer und des Wissenschafts­ministeriums zeigt zwar jetzt noch keinen Ärztemangel, aber durch Pensionierungen in den nächsten Jahren wird ab dem Jahr 2020 Bedarf gegeben sein. Außerdem gibt es ein differenziertes Bild im ländlichen Raum, und auch Frauen sollen bessere Möglich­keiten zur Niederlassung geboten werden, unter anderem durch gemeinsame Kassen­praxen.

In Oberösterreich ist auch eine signifikante Abwärtsentwicklung der Zahl der Medizin­studentinnen und -studenten erkennbar. Nicht nur die StudentInnenzahlen im Allge­meinen haben sich halbiert, auch die Zahl der erstzugelassenen Studierenden ist auf die Hälfte zurückgegangen.

Was das Mehr an Ausbildungsplätzen in der Humanmedizin, die bei den Studentinnen und Studenten sehr gefragt ist, betrifft – sie ist stärker gefragt, als wir überhaupt Plätze anbieten können, insbesondere seit es die Zugangsbeschränkungen in diesem Studium gibt und seit seinerzeit gleichzeitig mit der Einführung der Zugangsbe­schränkungen auch die Zahl der Studienplätze drastisch reduziert wurde –, ist es zu begrüßen, dass in diesem stark nachgefragten Studium zusätzliche Studienplätze in Österreich, in diesem Fall eben in Linz, worauf wir ganz besonders stolz sind, ge­schaffen werden. 300 neue Plätze im Endausbau sind, so glauben wir, ein sehr gutes Angebot für alle interessierten Studentinnen und Studenten der Humanmedizin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich noch feststellen, dass auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auf den Standort Oberösterreich sehr positiv gesehen werden, dass die Möglichkeit einer Kooperation zwischen der JKU und der Fachhochschule Hagenberg neue Chancen in der Forschung bietet und auch mit


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neuen medizintechnischen Produkten eine neue Dynamik entwickelt werden kann und man damit auch eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet wird spielen können. Es gibt damit eine große Chance zur Entwicklung des Universitätsstandortes Linz.

Es herrscht auch Übereinstimmung, dass die Behebung des Ärztemangels, der in einigen Regionen eine unabweisbare Tatsache ist, zusätzliche Maßnahmen braucht und mehr Medizinabsolventinnen und -absolventen in Österreich gehalten werden müssen. Wir müssen auch vernünftige Angebote für die sogenannten Landärzte und insbesondere für die Landärztinnen finden. Es soll nicht nur der Bergdoktor im Fernsehen interessant sein, sondern auch der Landarzt.

Ich möchte ganz stark betonen, dass durch ein Projekt, hinter dem alle stehen, bei dem gute und intensive Verhandlungen über alle Parteigrenzen hinweg geführt wurden, nun ein Meilenstein in der medizinischen Ausbildung gesetzt worden ist. Ich möchte betonen, dass sich durch die Errichtung einer Medizinischen Fakultät an der Universität Linz die Zahl der Studienplätze für den Bereich Humanmedizin und damit auch die Zahl der Bildungsabschlüsse erhöhen wird, was natürlich auch dem politischen Ziel der sozialdemokratischen Wissenschaftsfraktion entspricht.

Zum Schluss kommend glaube ich, dass die Hürden nun genommen sind. Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung für Österreich, ich glaube, es ist ein guter Beginn. Ich freue mich, dass ich bei dieser Entscheidung mitwirken darf. Ich wünsche unserer Medizin-Uni in Linz alles Gute. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Brückl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.43.23

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vereinbarung „über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät“ in Linz, eine Artikel-15a-Vereinbarung, ist zu begrüßen. Ich sage das so ganz salopp, auch um herauszustreichen, dass es mir als Oberösterreicher und gerade auch als freiheitlichem Politiker sehr, sehr viel bedeutet, dass wir diesen Beschluss hier heute fassen werden. (Bundesrat Mayer: Geht doch! Geht doch! – Rufe und Gegen­rufe zwischen Bundesrätin Mühlwerth und Bundesrat Mayer.)

Im Jahr 2005, lieber Kollege Edgar Mayer, haben wir Freiheitliche sowohl im Linzer Gemeinderat als auch im oberösterreichischen Landtag zuerst einmal einen ent­sprechenden Antrag eingebracht, in der Folge immer wieder derartige Anträge, die zumeist – nicht immer, Herr Landeshauptmann, aber zumeist – einstimmig beschlos­sen wurden. Und es war gut, dass man hier das Gemeinsame über das Trennende auch über Parteigrenzen hinweg gestellt hat.

Das macht sich heute bezahlt, denn schließlich bringt diese zu errichtende Medi­zinische Fakultät in Linz definitiv eine langfristige Behebung des Ärztemangels. Es entsteht ein neuer Standort für Lehre, für Bildung, es entsteht ein neuer Standort für die Jugend, wo sie ihre Ausbildung erfahren kann. Es bieten sich Chancen für die Industrie, für die Wirtschaft in Oberösterreich, auch für die Johannes Kepler Univer­sität, und es ergeben sich Möglichkeiten für Innovationen in der Forschung. Und auch die Aussage des Herrn Rektors Professor Hagelauer in einem Interview, in dem Sie, Herr Rektor, sagen, die Hälfte der Zeit wird für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen, gibt Hoffnung.

Nicht zuletzt können die vorhandenen Ressourcen, die eben da sind, nämlich an der Johannes Kepler Universität und auch an der Fachhochschule Hagenberg, für inno-


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vative Forschung entsprechend genutzt werden. Und man darf auch nicht vergessen, die Zusammenarbeit zwischen der Universität Linz und der Karl-Franzens-Universität in Graz besonders hervorzuheben, auch im Hinblick auf die geplante Spezialisierung auf Altersmedizin und Versorgungsforschung. Auch das gibt Hoffnung für die Zukunft.

Warum wir diese Universität brauchen? – Das sage ich Ihnen auch anhand von Bei­spielen, die aus dem Leben gegriffen sind. In den kommenden zehn Jahren wird in Ober­österreich mehr als die Hälfte der rund 360 Landärzte in Pension gehen. Es besteht ein Fachärztemangel, auch ein Ärztemangel in den Spitälern und ein Ärzte­mangel bei den Turnusärzten – und dieser besteht bereits jetzt, das beweisen die Bemühungen der Hausärzte dort, den Hausärztlichen Notdienst in Oberösterreich entsprechend neu zu organisieren, auch in Richtung eines kommenden Ärztemangels.

Ich kann Ihnen aber auch ein Beispiel bringen, das ich am eigenen Leib erfahren habe, wenn ich Ihnen sage, dass ich im Juni einen Anruf beim Facharzt getätigt habe – im Juni, wohlgemerkt! –, und der hat mir dann mitgeteilt, am 19. Dezember wäre ihm jemand ausgefallen und ich könnte diesen Termin nutzen. – Also dieser Fachärzte­mangel und dieser Ärztemangel generell, der besteht. Der ist da und den kann man auch nicht wegdiskutieren. Die Menschen spüren und fühlen das.

Und wenn Sie, Frau Kollegin Dr. Reiter, dann hier – erstens – einen Antrag einbringen betreffend die Finanzierung und von Aushungern sprechen, dann sage ich Ihnen, damit entfachen Sie in Wirklichkeit nur eine Neiddebatte im universitären Bereich, und die, glaube ich, braucht niemand und die will auch niemand.

Wenn Sie weiters davon sprechen, dass die Ärztedichte in Österreich zu hoch ist, dann sage ich Ihnen Folgendes: Ihre Kollegin, die Abgeordnete im oberösterreichischen Landtag Ulrike Schwarz, hat in der Sitzung am 3. Oktober bestätigt, dass wir einen Ärztemangel, insbesondere im ländlichen Raum, in Oberösterreich haben. Und wenn Sie dann auch noch meinen, es gäbe Wichtigeres, als diesen zu beheben, dann sollten Sie das den Menschen draußen am Land sagen. – Also das halte ich für nicht gerechtfertigt und weit überzogen.

Die Finanzierung steht im Übrigen: 500 Millionen € vom Bund, 225 Millionen € vom Land Oberösterreich und den Gemeinden.

Und wenn man dann auch noch Einwände – Kollege Fürlinger hat es gerade ange­sprochen – hört, wie, es handle sich hier um ein Prestigeprojekt des Herrn Landes­haupt­mannes, dann muss ich Ihnen sagen, da gibt es andere Projekte, aber sicher nicht diese Medizinische Fakultät. (Heiterkeit.) Das ist einfach eine gesellschafts­politi­sche Notwendigkeit, es ist so! Und jede andere unseriöse und unsachliche Kritik beziehungsweise ablehnende Haltung führt schlichtweg zu dem, was ich gesagt habe, nämlich zu einer Neiddebatte.

Wir Freiheitliche, Hohes Haus, freuen uns jedenfalls, dass wir eine neue Aus­bildungs­stätte für unsere Jugend bekommen, dass ein neuer, ein zusätzlicher Ort der For­schung und der Wissenschaft entsteht, und vor allem freuen wir uns darüber, dass bereits im Herbst die ersten Medizinstudenten mit ihrer Ausbildung in Linz beginnen können. Wir werden daher dieser Vereinbarung jedenfalls zustimmen. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

14.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf nun dem Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Pühringer das Wort erteilen. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 


14.48.57

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Hohes Präsidium! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister Mitterlehner! Sehr geehrte Rektoren


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Dr. Hagelauer und Dr. Smolle! Gestatten Sie, dass ich als Absolvent der Linzer Johannes Kepler Universität auch meinem ehemaligen Rechtslehrer und ehemaligen Präsidenten des Bundesrates Dr. Schambeck, der unter den Besuchern sitzt, einen respektvollen Gruß entbiete.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Tag wird aufgrund Ihres Beschlusses und des Beschlusses des Nationalrats vom vergangenen Montag in das Geschichts­buch des Landes Oberösterreich als besonderer Tag eingehen. Er wird einen beson­deren Platz in der Geschichte des Landes bekommen.

Ja, ein großes Zukunftsprojekt mit einer, wie wir schon gehört haben, langen Vorge­schichte wird Wirklichkeit. Ich danke Ihnen vorweg für die sich abzeichnende Be­schluss­fassung auch in der Länderkammer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Beschluss für eine Medizinische Fakultät an der Johannes Kepler Universität nimmt die Politik ein ganz wichtiges Stück Zukunfts­sicherung wahr. Zukunftsverantwortung heißt, Entscheidungen aus der Perspektive der nächsten und der übernächsten Generation zu sehen.

Die demographischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen las­sen in vielen Fragen heute keine Haltung zu, die man überschreiben könnte mit: War­ten wir ab, schauen wir einmal! – Nein, hier ist handeln geboten. Gerade mit ihrem Ja zur Medizinischen Fakultät zeigt die Politik, dass sie entscheidungsfähig ist, dass sie rechtzeitig Weichen für Schienenstränge legt, die weit in die Zukunft hineinreichen. Ja, es ist für uns ohne Übertreibung ein Jahrhundertprojekt, eines für viele Gene­rationen.

Ich möchte an dieser Stelle dem neuen Wissenschaftsminister Dr. Mitterlehner herzlich danken. Er hat dafür gesorgt, dass nach der Wahl gilt, was vor der Wahl zugesagt und vereinbart wurde. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Brückl.) Das ist nicht immer selbstverständlich, daher soll es auch erwähnt werden, denn das ist ein gutes Zeichen für Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Politik.

Ja, meine Damen und Herren, es ist noch gar nicht so lange her, dass sich die Politik europaweit von einigen vorgeblich smarten Herren der Finanzwirtschaft den Vorwurf gefallen lassen musste, zu unbeweglich, zu gegenwartsbezogen und zu entschei­dungs­schwach zu sein. Heute, eine Wirtschaftskrise später, wissen wir, wie viele die­ser Herren gedacht haben: Interessant war für sie nur der nächste Quartalsbericht. Langfristige Risken wurden völlig ausgeblendet. Mit anderen Worten: Gegenwartsbe­zo­gener und zukunftsscheuer geht es gar nicht.

Zukunftsverantwortung zu übernehmen bedeutet, einen anderen Weg zu gehen, nämlich bereits heute die Chancen und Risken von morgen ins Blickfeld zu nehmen und sich darauf einzustellen. Im Fall der Medizinischen Fakultät bedeutet dies etwa, Ant­worten zu finden auf das Risiko, künftig zu wenig Mediziner im Land und insbe­sondere im ländlichen Raum zu haben, oder das Risiko, eben im Bereich der For­schung von anderen in Europa und darüber hinaus abgehängt zu werden.

Zukunftsverantwortung bedeutet neben Risikobereitschaft vor allem auch Chancen­bewusstsein. Im Bereich Medizinische Fakultät werden eine Reihe von Chancen eröffnet – für ganz Österreich und natürlich insbesondere für Oberösterreich.

Erstens: Die Medizinische Fakultät bedeutet mehr Chancen für den gesamten Uni-Standort Österreich, insbesondere für Oberösterreich. Sie ist ein Beitrag – Zitat – „zur Realisierung der Vision einer ,breiten Spitze an leistungsstarken und international kompetitiven Einrichtungen‘“ – Zitatende –, wie sie eben im Hochschulplan formuliert ist. Mit ihrem dezidiert kooperativen Ansatz ist sie eine sinnvolle Ergänzung der medizi­nischen Universitätslandschaft.


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Zweitens: Die Medizinische Fakultät bedeutet mehr Chancen für den Forschungs­stand­ort Österreich und insbesondere Oberösterreich. Die gewählten Forschungsschwer­punkte Versorgungsforschung und klinische Altersforschung eignen sich hervorragend für Forschungskooperationen mit den bestehenden medizinischen Universitäten und auch, das darf nicht übersehen werden, für die Gewinnung internationaler Partner, denn das sind absolute Zukunftsthemen. Wie auch durch Gutachten belegt, wäre die Johannes Kepler Universität mit der vorliegenden Konstruktion in Fragen der inter­fakul­tären Kooperation und der Querschnittsschwerpunktsetzung an einer medizinischen Fakultät im deutschen Raum in diesen Bereichen führend.

Drittens: Die Medizinische Fakultät, darüber wird sicher auch Minister Mitterlehner noch sprechen, bedeutet eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und insbesondere Oberösterreich. Gerade wir als zweitstärkster Ballungsraum in Österreich erfahren hier eine besondere Aufwertung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diese Potenziale nutzen. Diese Themen, wo wir die Forschungsschwerpunkte setzen, können ebenso wie die Medizin­technik nur dann qualitativ hochwertig erforscht, innovative Produkte entwickelt und Dienstleistungen auch für die Patientinnen und Patienten umgesetzt werden, wenn es dazu eine wissenschaftlich fundierte medizinische Basisforschung und Ausbildung gibt.

Natürlich bedeutet das eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich, für unsere medizinnahe Industrie, die mit herausragenden Unternehmen in Oberöster­reich vertreten ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Unternehmen auch die Chancen nützen werden, die diese Fakultät bieten wird. Ja, meine Damen und Herren, die Fakultät bedeutet aufgrund dieser wahrgenommenen Chancen durch die Unter­nehmen auch einen gewaltigen Impuls für den Arbeitsmarkt, insbesondere für qua­lifizierte Arbeitsplätze. Davon bin ich ganz fest überzeugt.

Meine Damen und Herren! Natürlich bedeutet diese Fakultät mehr Chancen für unsere Jugend. Und der sukzessive Aufbau der Universität bis hin zu 300 Studierenden pro Jahr, im Endausbau 1 800, dieser sukzessive Ausbau sichert auch, dass wir die Qualität gewährleisten können.

Die Medizinische Fakultät wird – fünftens – natürlich ein wesentlicher Beitrag zur Ver­sor­gungssicherheit und Versorgungsqualität. Ja, es stimmt: Laut der jüngsten Erhe­bung, die wir mit 15. Jänner durchgeführt haben, fehlen 115 Turnusärzte und Aus­bildungs- und Fachärzte an den oberösterreichischen Spitälern. Und es ist keine Seltenheit mehr, dass wir einen Gemeindearztposten drei oder vier Mal ausschreiben müssen, bis sich Bewerber insbesondere für den ländlichen Raum finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Summe ist die Medizinische Fakultät ein Meilenstein für das Bundesland Oberösterreich und insbesondere ein gewaltiger Schritt in Richtung Volluniversität für unsere Johannes Kepler Universität. Als großer, bedeu­tender und erfolgreicher Wirtschafts- und Industrieraum bleibt natürlich die Forderung einer Volluniversität unser Ziel. Und diesem Ziel kommen wir nun ein gewaltiges Stück näher.

Ich sage dazu, Herr Rektor Hagelauer, auch mit einer Gratulation an deine Mannschaft verbunden, das ist auch zu Recht so, denn erfreulicherweise zählt die Johannes Kepler Universität bereits jetzt zu den Top 50 der weltbesten jungen Universitäten. Das ist eine besondere Leistung! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich abschließend bei allen, die zur Realisierung dieses Projektes beigetragen haben. Ich bedanke mich bei der Bun­desregierung, dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler, ich bedanke mich bei Wissenschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner – ich habe auf seine beson-


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dere Rolle bereits hingewiesen –, bei seinem Vorgänger Dr. Karlheinz Töchterle, insbe­sondere auch bei der vorigen Finanzministerin Dr. Fekter und bei Gesundheitsminister Stöger, die ebenfalls wichtige Geburtshelfer waren.

Oberösterreich ist ein Nettozahler in alle Kassen des Bundes, daher haben wir auch selbstbewusst dieses Projekt und das Engagement des Bundes eingefordert. Aller­dings wissen wir, dass es trotzdem in Zeiten wie diesen keine Selbstverständlichkeit ist, dass derartige Projekte beschlossen werden. Das wissen wir sehr zu schätzen und danken dir, sehr geehrter Herr Minister, stellvertretend für die Bundesregierung noch­mals sehr, sehr herzlich.

Ich danke der Hochschulkonferenz, die sich ebenfalls für diese Fakultät ausge­sprochen hat, und ich danke allen Fraktionen des Nationalrates und heute des Bun­desrates, die diesem Projekt ihre Zustimmung geben – beim Bundesrat bin ich in guter Hoffnung; das ist noch nicht erfolgt.

Sehr geehrte Frau Dr. Reiter, ich werde auf Ihre Argumente jetzt nicht gesondert eingehen, sondern verweise auf das Stenographische Protokoll der Nationalratssitzung und gebe Ihnen den Rat, die Ausführungen der Frau Abgeordneten Dr. Lichtenecker genauer zu lesen (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ), die ich vor mir liegen habe, denn dann werden Sie eher davon überzeugt sein, als wenn Sie ein Fraktionsfremder von diesem Projekt überzeugen möchte. Ich kann nur feststellen: Ich bin nicht immer der Meinung der Grünen, aber in diesem Fall hat Frau Dr. Lichtenecker recht! (Beifall bei der ÖVP.)

Es tut uns leid, dass Sie als Salzburgerin und damit als Nachbarin gegen dieses Projekt stimmen. Sie als geschichtsbewusste Dame wissen, das nehme ich an, dass von 1812 bis 1849 die beiden Bundesländer ein Bundesland gebildet haben. Und wäre das heute noch so, würden Sie sicher nicht – das könnte ich mir nicht vorstellen – gegen das eigene Projekt stimmen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Oder ist das eine Vorsichtsmaßnahme? – Aber ich kann Ihnen sagen, ich habe schon drei Generationen von Salzburger Landeshauptleuten die Zusicherung gegeben: Wir stellen sicher nie mehr Gebietsansprüche in Richtung Salzburg! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Projekt ist auch deshalb Wirklichkeit geworden, weil im Land Oberösterreich alle – ich betone: alle! – politischen Fraktionen an einem Strang gezogen haben.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Fraktionen des Landtages für dieses ge­schlossene Auftreten.

Nicht zuletzt ist dieses Projekt Wirklichkeit geworden, weil die Stadt Linz und das Land Oberösterreich ebenfalls ihre Kräfte gebündelt haben. Und ich stehe nicht an, an dieser Stelle auch Herrn Bürgermeister außer Dienst Dr. Franz Dobusch, der gemeinsam mit mir Jahre hindurch das Proponentenkomitee angeführt hat, meinen Dank für seinen Einsatz zu sagen.

Die Zusammenarbeit über Fraktionen hinweg hat Oberösterreich in der Vergangenheit stark und erfolgreich gemacht, und dieses Projekt ist ein Beispiel dafür. Daher plädiere ich dafür, für die Politik und in der Politik das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, denn dann wird sie erfolgreich und glaubwürdig sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich auch bei den Mitgliedern des Expertenkomitees, Herrn Rektor Professor Dr. Richard Hagelauer, Herrn Vize­rektor Dr. Herbert Kalb, Herrn Dekan Dr. Meinhard Lukas, beim Expräsidenten der Medizinischen Gesellschaft Dr. Franz Schramm, bei Herrn Primarius Professor Dr. Josef


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Thaler, bei Herrn Professor Dr. Klaus Schmitt, bei Herrn Universitätsprofessor Dr. Franz Fellner und bei der Beauftragten des Landes für dieses Projekt Frau Dr. Elgin Drda, für ihre wertvolle Arbeit.

Frau Bundesrätin Dr. Reiter, ich als Demokrat nehme alle politischen Argumente zur Kenntnis, aber eines möchte ich schon sagen: Unser Konzept ist exzellent, und die Vorbereitungen sind so weit fortgeschritten, da dürften Sie sich nicht informiert haben. Der Realisierung dieses Projekts steht dank der Arbeit der soeben Genannten wirklich nichts im Wege.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht vergessen möchte ich auch auf die Pionierrolle, die in diesem Zusammenhang die Medizinische Gesellschaft Oberöster­reich mit Professor Aichner vor Jahren innehatte. Mit der Erstellung der ersten Exper­tise ist die Debatte nach Jahrzehnten wieder eröffnet worden.

Nicht unerwähnt soll auch der positive Beitrag der oberösterreichischen Ärztekammer zu diesem Projekt sein.

Zum Abschluss noch ein besonderes Dankeschön an Herrn Rektor Smolle und an die Medizinische Universität Graz. Es ist auch nicht unbekannt, dass einleitend gerade nicht von allen bestehenden Standorten applaudiert wurde. Dass es zu dieser groß­artigen Kooperation gekommen ist, im Rahmen derer im September, Oktober bereits die Oberösterreicher mit dem Studium in Graz beginnen können, dafür danke ich Ihrer Universität und dafür danke ich Ihnen persönlich ganz besonders, denn das ist eine Besonderheit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke nochmals allen und Ihnen schon im Voraus für die Zustimmung. Für die Wissenschaft beginnt ein neues, wichtiges Kapitel in der erfolgreichen Geschichte unseres Landes. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

15.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf nun Herrn Wissenschaftsminister Dr. Mitterlehner das Wort erteilen. – Bitte, Herr Minister.

 


15.05.16

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Herr Rektor Hagelauer! Herr Rektor Smolle! Auch ich darf Sie alle herzlich begrüßen und glaube, dass heute durchaus ein Tag der Freude ist, weil – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates – tatsächlich nunmehr die letzte formale Hürde für die Errichtung der Medizinischen Fakultät in Linz genommen wird. Ich spreche im Zusammenhang mit der Artikel-15a-Vereinbarung bewusst von der formalen Hürde, weil damit verbunden ist, dass jedes große Projekt – und ich glaube, es ist ein großes Projekt – natürlich ambivalent gesehen wird und jedes große Projekt nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile hat. Selbstverständlich liegt es nun an uns allen und an den Verant­wortlichen, bei der Umsetzung des Projektes die Nachteile so gering wie möglich zu halten oder überhaupt auszuräumen und die Vorteile zu stärken.

Ich darf auf den formalen Bereich zurückkommen. Der formale Bereich ist die vorlie­gende Artikel-15a-Vereinbarung. Damit wird der rechtliche Rahmen für die Errichtung der Medizinischen Fakultät Linz in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Graz geschaffen. Das heißt konkret, dass hier auch die Eckpunkte des Projektes festgelegt werden.

Diese sind im Wesentlichen, dass die Fakultät bis 2028 schrittweise auf insgesamt 1 800 Studenten wachsen soll. Das bedeutet maximal 300 AnfängerInnen pro Jahr,


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beginnend mit 60 AnfängerInnen – am 1. März soll die Anmeldung beginnen, am 4. Juli die erste Aufnahmsprüfung stattfinden, und im Herbst soll dann der Beginn des Studiums sein – und einer jährlichen Steigerung von maximal 60 StudentInnen.

Vereinbart ist auch eine Kooperation mit der Medizin-Uni Graz. Jedenfalls 120 Anfän­ger pro Jahr sollen die ersten beiden Jahre ihres Studiums an der Medizinischen Universität Graz absolvieren, 180 sollen dann in Linz beginnen. Die Sezierkurse sollen für alle 300 Anfänger pro Jahr in Graz stattfinden. Das heißt, da wird die gemeinsame Nutzung teurer Infrastruktur vorgesehen, damit werden Synergien genutzt. Genau das werden wir auch in den kommenden Jahren im Bereich der Universitäten brauchen, nämlich die Kooperation, die verstärkte gemeinsame Nutzung der Infrastruktur, um die Mittel, die schon angesprochen worden sind – das Budget ist knapp! –, auch wirklich zu nutzen.

Die formalen Dinge und die sonstigen Beschaffenheiten des Projektes sind ja im Wesentlichen von den Vorrednern dargestellt worden. Es sind drei Punkte, die immer eingewendet werden, um sozusagen Stimmung gegen das Projekt zu machen. Ich darf versuchen, diese jetzt einmal darzustellen und auch auszuräumen.

Erstens geht es um die Frage der Kosten. Es heißt, dass die Kosten überbordend wären und dass dies andere, vor allem medizinische Universitäten in ihrer Entwicklung mehr oder weniger beeinträchtigen würde.

Zweitens geht es um die Frage des Bedarfs. Es wird auch die Frage des Bedarfs gestellt, nämlich ob es angesichts einer guten Ärztedichte in Österreich in den nächs­ten Jahren überhaupt notwendig ist, zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die dritte und damit auch verbundene, über alles gehende Frage betrifft die Qualität. Es ist teilweise bemängelt worden, dass hier die Qualität von Anfang an vielleicht in Frage stünde.

Ich darf auf diese drei Probleme oder scheinbaren Probleme ganz kurz eingehen.

Erstens, was die Kosten anlangt, ist es so, dass wir hier einen neuen Weg gehen, der auch schon in der Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich eingeschlagen wurde und erprobt ist, nämlich eine Artikel-15a-Vereinbarungs-Partnerschaft mit dem jeweiligen Bundesland. Welchen Vorteil hat diese Partnerschaft? – Es sind vor allem die Kostenstruktur und die Kostendeckelung klar ersichtlich. Das haben wir bei der Donau-Universität Krems und beim IST Austria in Klosterneuburg schon positiv erleben können; genau das Gleiche wird auch hier sein.

Das heißt, in dieser Legislaturperiode – bis zum Jahr 2018 – werden die Kosten insge­samt 58,2 Millionen € betragen, und davon hat der Bund 35 Millionen € zu tragen. Diese Kosten sind durch Zusatzmittel aus Reservemitteln des Finanzministeriums abgedeckt. Damit ist der erste Einwand, wir hätten hier keine klare Kostenstruktur, ausgeräumt, vor allem auch der Einwand, es würde dadurch jemand benachteiligt. Wir haben eben zusätzliche Mittel, die anderen nicht weggenommen werden. Und beson­ders interessant ist, dass natürlich auch in den Jahren 2017 bis 2028 die jeweiligen Kosten auf die schon zur Verfügung stehenden Mittel aufgeschlagen werden.

Wir haben uns aber auch mit den Universitätsrektoren darauf geeinigt, dass für den Gesamtausbauplan aller Universitäten, Hochschulen und auch Fachhochschulen insgesamt Mittel von rund 1,6 Milliarden € in den nächsten Jahren notwendig sein werden – wir kämpfen gerade darum, das heißt, wir schauen, dass im Finanzrahmen auch die entsprechende finanzielle Abbildung vorhanden sein wird. Es geht vor allem darum, die Hochschulmilliarde als dringendste Notwendigkeit für die nächsten Jahre fortzuschreiben. Alles andere zieht sich ja dann schon in die nächsten Jahre hinein.


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Was wir ebenfalls bei den Kosten haben und was mit dem Entschließungsantrag in etwa korrespondiert, ist, dass wir, was den klinischen Mehraufwand anlangt, in Linz die Situation vorfinden, dass wir von Anfang an mit einer Kostenstellenrechnung arbeiten und zwischen dem Mehraufwand für Gebäude und Infrastruktur und dem personellen Aufwand schön und sauber trennen können. Das ist an anderen Universitäten nicht gegeben, ist diesen aber nicht zum Vorwurf zu machen, denn es hat sich teilweise einfach so entwickelt. Aber im Endeffekt ist nicht wirklich nachvollziehbar, welches System dahintersteht.

Ein System steht auf jeden Fall dahinter – das entspricht nicht ganz dem Ent­schließungsantrag, in Richtung Salzburg –: Der Bund trägt in keinem Fall – außer in Wien, und das ist ohnehin teuer genug – alle Mehrkosten; teilweise haben wir wun­derbare Aufteilungen. Und diese wunderbare Aufteilung, dass eben das Land und auch andere Kosten mittragen, wollen wir auch im konkreten Fall – in Zukunft eventuell als Systembestandteil; wir verhandeln ja gerade den klinischen Mehraufwand für alle anderen – zumindest in die Verhandlung einbringen. Das ist ein neuer Ansatz, der aus meiner Sicht besonders positiv ist.

Neu ist auch – das ist noch nicht erwähnt worden –, wir gehen an einer öffentlichen Universität erstmals den Weg, dass das Medizinstudium nach der Bologna-Struktur abgewickelt wird. Das sehe ich auch deswegen als grundsätzlich positiv, weil das die internationale Vergleichbarkeit sicherstellen wird. Das heißt, es sind drei Jahre Bache­lor und dann drei Jahre Master und alle anderen Elemente so wie in der Bologna-Struktur vorgesehen.

Jetzt eine kleine Schmeicheleinheit für Salzburg: In Salzburg und bei der Land­steiner Privatuniversität in Krems ist das genauso. Privatuniversitäten machen das also schon, und das ist, so glaube ich, sehr positiv.

Meine Damen und Herren! Damit ist, würde ich sagen, die finanzielle Frage, die Kos­ten­frage ausgeräumt. Wir tun das Möglichste. Ich gehe auf andere Kalkula­tions­grundlagen nicht mehr ein, aber das ist eine sehr, sehr sparsame Variante für beide Teile, weil hier eben – ich danke auch Graz – eine Kooperationspartnerschaft einge­gangen worden ist.

Die wichtigere Frage in diesem Zusammenhang, die natürlich mit dem ersten Teil zusammenhängt, ist: Was ist mit dem Bedarf? – Wir haben in Österreich eine gute Struktur, was die Anzahl, was die Quantität anlangt, aber wir haben qualitativ Prob­leme, weil viele Ärzte eben nicht tätig oder vor allem im Regionalbereich sind – ich spreche das Waldviertel, das Mühlviertel, aber auch Tirol an – oder bald in Pension gehen. Wir reden in diesem Zusammenhang nicht nur von einem oberösterreichischen Problem, sondern von einem Bundesproblem.

Wir haben da mehrere Studien, in Oberösterreich, auf Gesamtebene, gemacht und aus all diesen Studien geht hervor, insbesondere aus der Studie, die im Jahr 2012 vom BMWF, also von uns, und von der Ärztekammer gemeinsam in Auftrag gegeben wurde, dass wir bis ins Jahr 2030 einen Fehlbedarf von 2 700 bis 7 400 Ärzten haben. Warum diese Differenz oder Bandbreite, habe auch ich mich sofort gefragt. Deswegen, weil für den tatsächlichen Fehlbedarf dann entscheidend ist, ob jemand mit 60, 65 oder 70 Jahren in Pension geht; und das sind verschiedene Annahmen.

Wenn ich davon ausgehe, dass – und das hat eine Befragung ergeben – von den 1 380 Absolventen im Jahr rund 575 nicht in Österreich tätig werden, sondern in Bayern, irgendwo im Ausland, dann ist es sehr wohl berechtigt, dass wir erstens eine Quote haben und zweitens auch eigene Anstrengungen unternehmen, um sozusagen der EU nachzuweisen: Wir tun das Möglichste, um den Bedarf selbst abzudecken! Es ist das daher – viele befürchten, wir hätten ein Problem mit der Quote – ein Argument


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 47

für die Quote und ein Argument zur Unterstützung der Quote, dass wir eigene Anstren­gungen unternehmen.

In diesem Zusammenhang darf ich darauf verweisen, was heute schon ein paar Redner angedeutet haben: Herr Bundesminister Stöger arbeitet – mit uns gemeinsam wird er das dann vorstellen – daran, dass wir auch die Ärzteausbildung in weiterer Folge, was Turnustätigkeit und Tätigkeit im niedergelassenen Bereich anlangt, so attraktiv machen, dass die Ärzte, die ausgebildet sind, nicht woanders hingehen. Das muss natürlich beihilfenkonform sein, denn ich kann denen nicht Cash geben und sagen: Bleibt da, ich zahle euch das!, sondern das muss EU-konform sein. Das stellen wir dann gemeinsam vor. Die entsprechende Verordnung ist in Ausarbeitung und in Verhandlung. Ich glaube, dass wir da etwas Attraktives anbieten werden können.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang, den ich erwähnt habe, ist die Qualitäts­frage. Es heißt, da fängt jemand halt schnell an – das sehe ich nicht so! Es beginnt qualitativ hochwertig. Die Zusammenarbeit der beiden Universitäten Linz und Graz wird das garantieren.

Etwas Zweites wird ebenfalls die Qualität garantieren: die Zusammensetzung des Wissenschaftsrates. Dieser wird sich diese Woche konstituieren. Er nimmt auch eine Forderung der Hochschulkonferenz und des Wissenschaftsrates auf, nämlich hier auch internationale Kapazitäten einzuholen. Von uns wird beispielsweise Herr Professor Weiler über den Wissenschaftsrat nominiert, der gerade in Oldenburg, in Deutschland, beim Aufbau einer neuen Universität in diesem Bereich mitgewirkt hat. Er ist inter­national sehr ausgewiesen und wird uns helfen, auch hier die entsprechende Qualität umzusetzen. – Und auf Graz habe ich schon verwiesen.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, dass wir schon den konkreten Ablauf haben – ich habe schon angesprochen, mit 1. März, das ist de facto diese Woche, kann es in Richtung Anmeldung gehen. Ich glaube, heute ist wirklich ein Tag der Freude, nicht nur für Oberösterreich, sondern für Gesamtösterreich.

Der Herr Landeshauptmann hat einen Aspekt angesprochen, den ich noch nicht erwähnt habe: die Bedeutung für den Standort Österreich. Diese sehe ich gerade aufgrund der Querschnittmöglichkeit. Gerade Linz hat ausgewiesene Kapazitäten und Qualitäten, im Bereich der Mechatronik, im Bereich anderer Studien, auch im sozialwis­senschaftlichen Bereich, und es geht darum, dass wir das so nützen können, dass insgesamt Forschung entsteht, dass Verstärkungseffekte entstehen.

Welcher Standort in Österreich ist von der Wirtschaftskraft her noch stärker? – Eine Empfehlung an alle anderen, darüber nachzudenken. – Es sind nicht viele! Es sei erlaubt, das einmal in Richtung Oberösterreich zu sagen. Ich glaube, dadurch wird diesem Standort Rechnung getragen. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) – Bitte? – Vorarlberg, Steiermark, selbstverständlich. Gott sei Dank haben wir generell eine gute Aufstellung.

Ich denke, dass das dem Standort Österreich insgesamt nutzen wird. Und besonders gefreut hat mich, dass neben den beiden Koalitionsparteien auch die Freiheitliche Partei hier mitgestimmt hat – ich möchte das ausdrücklich erwähnen – und auch die oberösterreichischen Abgeordneten aus dem Klub der Grünen. Ich sehe das nicht nur als regionalen und oberösterreichischen Faktor, sondern auch mit der Überzeugung, dass diese Aktivitäten notwendig sind und dass dieses Projekt nicht nur Ober­österreich, sondern dem Standort Österreich insgesamt nutzen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

15.18



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 48

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


15.18.46

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Werte Kollegen und Kollegin­nen! Es ist faszinierend, mit welchem Engagement das hier vorgetragen wird. Das gibt, glaube ich, auch Anlass zu Optimismus, dass das ein gutes Projekt wird. Natürlich wünsche ich mir auch von ganzem Herzen, dass dieses Projekt ein gutes wird. Ich wünsche mir im Sinne der Studenten, die dort studieren werden, dass sie in höchster Qualität unterrichtet und auch erfolgreich in ihrem Beruf sein werden und dass das zur Stärkung des Forschungsstandortes und auch des Ausbildungsstandortes Österreich beiträgt.

Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass das an bestehenden Ausbildungs- und Forschungsstätten günstiger, besser und effektiver durchgeführt hätte werden können.

Ich bin selbst einige Zeit in der medizinischen Forschung und auch international tätig gewesen und habe da einen gewissen Einblick, aber ich wünsche dem Projekt natürlich das Beste für die Zukunft – im Sinne Österreichs und auch der Studenten, die dort tätig werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich frage noch einmal: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenom­men.

Es liegt ein Antrag des Bundesräte Dr. Reiter, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Finanzierungssystem für Universitätskliniken vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Feb­ruar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Bundesrätin Reich: Bitte noch einmal! Langsam!)


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 49

Ich darf wiederholen: Wir sind bei der Abstimmung über den Beschluss des National-rates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-gesetz 2002 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.22.24 3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems (DUK-Gesetz 2004) geändert wird (25 d.B. und 36 d.B. sowie 9145/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Pum. Bitte um den Bericht.

 


15.22.42

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Minis-ter! Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betref-fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Universität für Weiter­bildung Krems (DUK-Gesetz 2004) geändert wird, bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschusses für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


15.23.46

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Argumente dazu sind ganz ähnlich jenen in der vorangegangenen Debatte. Das heißt, auch jetzt wird wieder eine Sonderregelung für einen bestimmten Standort geschaffen – abweichend vom gesamtösterreichischen Hochschulplan, abweichend davon, dass man alle Beteiligten, insbesondere die Hoch­schulkonferenz, einbinden soll in Fragen, wenn es um die Schaffung von Sonderrege­lungen geht.

Im Ausschuss war zu hören, dass sie deshalb geschaffen wird, weil die dortigen Master-Studenten auch dort den Abschluss machen sollten. (Bundesminister Dr. Mit­terlehner: Eingeschränkt!) – Ja, eingeschränkt. Auf zwei bis vier Personen? (Bundes­minister Dr. Mitterlehner: Zehn Personen!) – Auf zehn Personen, also eine „Lex zehn Personen“. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Heiterkeit. – Bundesrätin Zwazl: Sei nicht so grausam, stimm einmal zu!)

Ich vermisse ein Gesamtkonzept in diesem Bereich, und aus diesem Grund können wir dem auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

15.25



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 50

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Zwazl. – Bitte.

 


15.25.26

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Niederösterreicherin und nicht nur als Niederösterreicherin begrüße ich diese gesetzliche Initiative, dass es jetzt auch für die Donau-Universität Krems möglich wird, Doktoratsstudien anzubieten. Das ist letztlich die Krönung für eine universitäre Einrichtung und ein notwendiger Schritt für diese Einrichtung.

In diesem Zusammenhang ist es mir ein Anliegen, etwas konkreter auf den Hochschul- und Wissenschaftsstandort Niederösterreich einzugehen.

In den letzten zwei Jahrzehnten sind enorme Schritte in meinem Heimatbundesland unternommen worden. Der tertiäre Sektor nimmt in Niederösterreich heute einen her­vor­ragenden, herausragenden Stellenwert ein. Insgesamt haben wir derzeit 18 000 Stu­die­rende an den tertiären Bildungseinrichtungen bei uns in Niederösterreich. Wir haben heute vier privatrechtliche Fachhochschulen in Niederösterreich, die insgesamt 66 Stu­diengänge anbieten, von der Technik über Wirtschafts-, Sozial- und medizinische Berufe.

Wir haben mit der Donau-Universität Krems die führende Anbieterin für und von berufsbegleitender universitärer Weiterbildung in Österreich. Sie ist die erste staatliche Universität in Europa, die sich auf berufsbegleitende postgraduale Weiterbildung spezialisiert hat. Die Studien werden im Wechsel zwischen Forschung und Praxis entwickelt und durchgeführt. In den letzten Jahren weist unsere Donau-Universität eine Steigerung von 8 bis 12,5 Prozent bei der Zahl der Studierenden aus. Aktuell studieren fast 7 000 Menschen, wobei die Verteilung auf Frauen und Männer ausgeglichen ist. Rund zwei Drittel der Studierenden kommen aus Österreich, ein Drittel kommt aus der EU und aus Drittstaaten.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass wir die Universität durch eine stärkere Profilie­rung in Forschung und Lehre weiter verbessern, und das wird im Wesentlichen durch das Promotionsrecht ermöglicht.

Die Wirtschaftskammer Niederösterreich hat mit der Gründung der New Design University im Jahr 2004 unser Land etwas bunter, vielfältiger gemacht. Wir haben damit in St. Pölten einen Ort für anspruchsvolle Ausbildung in Design, Technik und Management geschaffen. Besondere Kernkompetenzen liegen auf den Gebieten Grafikdesign und Innenarchitektur. Wir bieten heute an dieser Privatuniversität neun Bachelor- und Master-Studienlehrgänge an.

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der niederösterreichischen Forschungs­landschaft ist die Gründung unserer Elite-Uni in Klosterneuburg. Das im Jahr 2009 eröffnete Institut widmet sich der Spitzenforschung in Naturwissenschaften, Mathe­matik und Computerwissenschaften. Bis zum Jahr 2026 werden zirka 100 Forschungs­gruppen und 1 000 Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor Ort sein.

Mit der geplanten Errichtung der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheits­wis­senschaften wird darüber hinaus eine neue Privatuniversität bei uns in Niederöster­reich entstehen.

Es war mir ganz einfach wichtig, mit wenigen Worten die Dimension des blau-gelben Bildungsstandortes aufzuzeigen.

Das Promotionsrecht für die Donau-Universität ist zwar nur eines, jedoch ein sehr wichtiges Rädchen für die Entwicklung unseres Landes, und deshalb bitte ich um


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 51

Zustimmung, auch von dir (in Richtung der Bundesrätin Dr. Reiter), Heidi. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Winkler. – Bitte.

 


15.30.03

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsident Zwazl hat jetzt schon einiges gesagt, aber gestatten Sie mir als stolze Niederösterreicherin, auch wenn ich mich vielleicht in der einen oder anderen Sache wiederhole, trotzdem zu diesem Thema zu sprechen.

Wir erreichen mit dem Promotionsrecht für die Donau-Universität Krems eine Aufwer­tung dieser Universität, und das freut mich wirklich sehr, Frau Dr. Reiter, auch wenn diese Materie durchaus mit vielen Aspekten und divergierenden Meinungen diskutiert werden kann. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir als Politiker zu erfüllen haben: im Diskurs einen gangbaren Weg und sehr oft, so denke ich, auch eine Eini­gung zu finden. Meiner Meinung nach ist dieser Schritt sehr positiv.

Die Donau-Universität Krems ist die einzige staatliche Universität in Europa, die sich auf postgraduale Weiterbildung und auf lebenslanges Lernen spezialisiert hat. Meine Fraktion hält lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen für einen unabdingbaren Wert, den wir Menschen unbedingt brauchen und erfüllen müssen. Wir müssen diese Qualität nicht neu erfinden, denn 16 000 Absolventinnen und Absolventen aus 90 Län­dern in 20 Jahren sprechen, denke ich, für diese Ausbildungsstätte doch eine sehr deutliche Sprache, die auch auf die Qualität mehr als einen Rückschluss erlaubt.

Natürlich kann man die Frage stellen, ob man nicht in erster Linie den Fokus auf die Grundstudien richten sollte, aber die drei neu angedachten Felder – ich glaube, richtig informiert zu sein –, nämlich regenerative Medizin, Migrationsstudien und Raum für Soziales und Inklusion, sind sehr spannende und aktuelle Themen, gerade was die wissenschaftliche Aufbereitung betrifft.

Ich darf die Kriterien anführen, weswegen meine Fraktion diesem Antrag die Zustim­mung erteilen wird. Das sind im Wesentlichen drei Schwerpunkte, nämlich:

die Schaffung neuer Studienplätze vor allem für junge Forscherinnen und Forscher, wie ich meine auf Basis strengster Qualitätskriterien,

eine Evaluierung spätestens nach acht Jahren,

und für den Bund, das können wir sagen, sind keine weiteren zusätzlichen finanziellen Aufwendungen notwendig.

Ich denke, alle dargelegten Argumente sprechen für sich; ebenso bereits 56 Disserta­tions­projekte, die in Kooperation mit anderen Universitäten in der Vergangenheit abge­wickelt worden sind und die schon jetzt Zeugnis dafür ablegen und auch klar zur Kenntnis bringen, dass diese Ausbildungsstätte auch jetzt schon hohes Qualitäts­niveau hat.

Der neue Baustein für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Donau-Universität Krems ist für mich sehr wünschenswert. Ich bin sehr glücklich und sehr froh, und ich danke, dass Niederösterreich dieses Projekt in Angriff genommen hat. Ich glaube, es wird dem Land guttun und es wird auch den Menschen, die eine Ausbildung auf diesem Weg erfahren möchten, guttun. Vielen Dank dafür.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 52

Ich ersuche alle, diesen Weg mit uns zu gehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Pisec, Bachelor. – Bitte.

 


15.34.51

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Also alles eitel Wonne ist es natürlich nicht, obwohl der Ausbau des Wissenschaftsstandortes Österreich im Sinne der Schaffung eines Postgraduate Degrees wie des PhD oder des Philosophiae Doctor natürlich zu begrüßen ist. Warum ist nicht alles eitel Wonne? – Es wurde der Kopf errichtet und irgendwie auf das Gerüst vergessen.

Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben es eingangs gesagt, der Bologna-Prozess wurde implementiert. Ich darf korrigieren: Wenn wir vergleichen zwischen ordentlicher Universität und außerordentlicher Universität – und das ist das Studium in Krems, es ist eine außerordentliche Weiterbildung, bis dato noch; vielleicht ändert sich das noch, zurzeit ist es so –, so wurde dieser Bologna-Prozess nicht implementiert.

Was ist der Bologna-Prozess? – Er wurde bekanntlich Anfang des 21. Jahrhunderts in Österreich flächendeckend, beinahe überall umgesetzt. Es handelt sich um dieses dreistufige System mit Bakkalaureus – klingt vielleicht etwas besser als Bachelor –, Master – den Magister hat man leider abgeschafft – und PhD. In Krems wird das Bakka­laureat nicht angeboten, und das ist meiner Meinung nach nicht gerecht.

Ziehen wir einen Vergleich mit unserer ein paar hundert Meter von hier entfernten Hauptuniversität Wien, die übrigens nächstes Jahr das 650-jährige Jubiläum feiert! In Krems, zirka 20 Jahre alt, hat ein Student, wenn er zum Doktorrat antreten möchte, im Sinne des neuen Bologna-Prozesses bereits fünf Jahre hinter sich, fünf Jahre Anlernen und Fähigkeit Erlernen, wissenschaftlich zu arbeiten. Abgerechnet wird in der heutigen Zeit nicht mehr in Jahren, sondern in ECTS-Punkten, es gibt ja dieses europäische Hochschulsystem. Ein Bakkalaureat-Studium braucht zirka mindestens 180 bis 240 ECTS-Punkte – das ist ein Haufen Arbeit – und das Master-Studium angehängt zwei Jahre mehr, noch einmal 120 Punkte. In Krems ist das nicht der Fall, denn dort gibt es gar kein Bakkalaureat-Studium, und ein Master’s Degree kann man schon mit 60 Punkten erwerben.

Mir fehlen in diesem Gesetz die Zugangsvoraussetzungen für diesen dreijährigen Promotionslehrgang zum PhD, die sind nicht angeführt. Vergleicht man die Systeme – öffentliche Universität mit dem langwierigen Bachelor-System und Master-System, also Bologna-System, und Krems –, so ist Krems doch irgendwie ein Geschäftsmodell. Dort muss man 10 000 bis 20 000 € auf den Tisch legen, um ein Master’s Degree zu machen, und an der Universität Wien, an unserer schönen Universität studiert man für 17 € pro Semester. Dadurch ist natürlich wesentlich mehr Chancengleichheit gegeben, weil jeder studieren kann, weil jedem die Möglichkeit dazu gegeben wird. Das ist in Krems nicht der Fall.

Was ist das Resultat aufgrund dieser enorm hohen Beträge? – Dass dort natürlich nicht die Jungen studieren! Es heißt, man will junge Forscher heranziehen, im Gesetz steht, man will junge Forscher heranziehen. Das muss man dann aber im Gesetz anders definieren, denn in Krems ist der durchschnittliche Student bekanntlich 40 Jahre und hier auf unserer Hauptuniversität flockige 20 Jahre, der im Vergleich doch noch mehr Lebensjahre vor sich hat und somit für die Forschung wesentlich inter­essanter ist.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 53

Ich denke, sehr geehrter Herr Minister, man sollte hier doch über die Chancengleich­heit nachdenken!

Das zweite Problem in Krems ist: Es gibt vorwiegend externe Professoren. Ein For­schungsbetrieb sollte erst errichtet werden, sollte erst aufgebaut werden, er ist noch nicht vorhanden. Auch in der österreichischen wissenschaftlichen Community ist Krems nicht vertreten. Es kann noch werden, es ist sicherlich gut, aber es fehlt noch das Gerüst, und das muss noch errichtet werden.

Die Fähigkeit eines Doktors – das erwartet man – ist, dass er wissenschaftlich arbeiten und forschen kann und etwas Neues erstellt, und das muss angelernt werden. Das lernt man nicht über Nacht, das lernt man nicht in ein, zwei Jahren, das dauert Jahre, damit solche Kopien, wie das in Deutschland und auch in Österreich ab und zu der Fall ist, eben nicht passieren. Das ist eine Leistung, und diese Leistungsgerechtigkeit im Vergleich zu unserer Universität wird beispielhaft genannt, wo man eben fünf Jahre absitzen muss, bis man im sechsten Jahr antreten kann. Das ist in Krems nicht der Fall. Bitte schauen Sie sich das an, das gehört nachjustiert!

In diesem Sinne stimmen wir dem Gesetzesbeschluss natürlich zu, weil der Ausbau des Wissenschaftsstandortes Österreich natürlich immer zu begrüßen ist, aber im Fall Krems fehlt noch das Gerüst. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.40.01

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Mit „Es war einmal “ möchte ich fast beginnen, aber nicht mit einem Märchen, sondern mit einer Erfolgsgeschichte, die begann, als ziemlich genau vor 20 Jahren, am 8. April 1994, die Donau-Universität Krems per Gesetz gegründet wurde. Noch im selben Jahr verpflichtete sich das Bundesland Niederösterreich gemeinsam mit dem Bund, für deren Erhaltung zu sorgen. Am 13. September 1995 konnte die offizielle Eröffnung stattfinden und ein Jahr später mit 93 Studierenden in drei Lehrgängen der Betrieb aufgenommen werden.

Bereits einige Monate später – es handelt sich um eine postgraduale Ausbildungs­stätte – gab es die ersten Absolventen der Europäischen Journalismus Akademie. Etwas später erhielt diese Universität als erste österreichische Universität das Recht, den akademischen Grad Master of Advanced Studies zu verleihen.

Im Jahr 2003 wurde der neu renovierte Mitteltrakt des historischen Gebäudes eröffnet und der Grundstein für ein komplett neues Gebäude am Campus Krems durch unseren Landeshauptmann Dr. Pröll gelegt.

Es war im Jahr 2004, als das neue Bundesgesetz über die Universität für Weiterbil­dung Krems in Kraft trat, das sich weitestgehend am neuen Universitätsgesetz 2002 orientierte. Die Universität in Krems erhielt unter anderem das Recht, eigene Univer­sitätsprofessorInnen zu berufen. Im Jahr 2004 feierte die Donau-Universität Krems auch ihre Erhebung zur Universität für Weiterbildung und war somit die erste und einzige staatliche Weiterbildungsuniversität ganz Europas.

2005 wurde der neue Campus eröffnet und 2010 der zehntausendste Absolvent verabschiedet.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 54

Geschätzte Damen und Herren! 2013 startete die Donau-Universität Krems in Zusam­menarbeit mit der Andrassy Universität Budapest ein Doktoratsstudium „Zukunft der Demokratie in EU-ropa“.

Heute studieren fast 8 000 Hörer an dieser Universität in 252 Lehrgängen, wovon – und darauf sei auch hingewiesen – 50 Prozent Frauen und 30 Prozent ausländische Studierende sind. Wir haben dort einen Rektor, der in der Wissenschaftsszene bekannt ist, Herrn Mag. Faulhammer, und zwei Vizerektorinnen. An den drei Fakultäten, nämlich Gesundheit und Medizin, Wirtschaft und Globalisierung und Bildung, Kunst und Architektur, besteht die Möglichkeit, sich entsprechend weiterzubilden.

Geschätzte Damen und Herren! Ich darf Ihnen aus der Homepage der Donau-Uni­versität Krems zitieren:

„Die Donau-Universität Krems zählt zu den europäischen Pionieren auf dem Gebiet der universitären Weiterbildung und zu den Spezialisten für lebenslanges Lernen.“

„Die“ internationalen „Studierenden der Donau-Universität Krems sind Studierende mit hohen Ansprüchen. Sie sind durchschnittlich 40 Jahre alt, verfügen über mehrjährige Berufserfahrung und in der Regel über einen höheren Bildungsabschluss (Universität, Fachhochschule oder Akademie). An der Donau-Universität Krems bereiten sie sich auf den nächsten Karriereschritt vor, bringen ihr Wissen auf den letzten Stand, erwer­ben neue Kompetenzen und entwickeln ihre persönlichen Fähigkeiten weiter.“

Daher ist es nur gut und richtig, dass diese Universität auch ein Promotionsrecht erhält, das, wie schon gesagt wurde, auch entsprechend evaluiert werden soll. Somit sollte nach dem Ministerrat und dem Nationalrat auch der Bundesrat heute hier einen positiven Beschluss fassen.

Als Bundesrat sollten wir – und auch dieser Aspekt ist interessant – darauf verweisen, dass es uns wichtig ist, auch im Bildungsbereich dezentrale Strukturen zu haben. Das Land Niederösterreich – meine Kollegin Bundesrätin Zwazl hat schon darauf hinge­wiesen – investiert sehr viel Geld in Wissenschaft und Forschung, allein am Standort Donau-Universität 90 Millionen.

Herr Kollege Dörfler, wir in Niederösterreich investieren in die Zukunft, wir verpfänden sie nicht! (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das haben Sie nie gemacht!) Nein!

Geschätzte Damen und Herren, es war für mich auch ein besonderes Erlebnis, als ein Freund von mir, dessen Sohn an der FH in Krems war, einfach die Stimmung und das Klima auf diesem Campus lobte und dankbar war, dass sein Sohn dort die Ausbildung machte.

Der Standort Krems braucht einen Vergleich mit der Hauptuni Wien nicht zu scheuen. Darum darf ich die Kollegen von den Grünen, Frau Dr. Reiter, Frau Mag. Schreyer, lieber Kollege Schreuder, einladen, hier vielleicht doch den Grundsätzen ihrer Partei, nämlich Forschung, Bildung frei zu gestalten, einen freien Zugang und Vielschichtigkeit zu haben, zu folgen und einer Zustimmung näherzutreten. Es würde mich freuen, wenn Sie nochmals ans Rednerpult kämen, denn Ihre Argumentation war auch in Ihren Augen, denke ich, nicht ganz stichhaltig und nicht ganz überzeugend.

Geschätzte Damen und Herren! Bildung sollte vielfältig, lebenslang und regional sein. Wir in Niederösterreich sind stolz auf die Donau-Universität Krems, auf die Fachhoch­schule Krems und in Zukunft auch auf die Karl Landsteiner Privatuniversität für Ge­sundheitswissenschaften. Setzen wir diese Erfolgsgeschichte fort! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.46



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 55

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf nun Herrn Bundesminister Dr. Mitter­lehner das Wort erteilen.

 


15.46.16

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Vorredner haben es schon ange­sprochen, dass die Donau-Universität Krems in den letzten Jahren eine sehr dyna­mische, eine sehr positive Entwicklung genommen hat, was den internationalen Anteil und die Anzahl der Absolventen anbelangt. Wir haben jetzt mehr als 8 000 Studie­rende. Im Endeffekt hat sich diese Universität im Bereich der berufsbegleitenden Aus­bildung durchaus einen internationalen Stellenwert erworben.

In Zukunft werden wir – vorbehaltlich Ihrer Zustimmung – dort die Möglichkeit haben, auch im Promotionsbereich entsprechende Angebote zu machen, wobei die Qualität – und das ist die Diskussion, die jetzt geführt wird – auch abgesichert ist. Warum ist sie abgesichert? – Weil wir durch die Akkreditierung eine klare Vorgabe haben, was die Kriterien anbelangt. Diese Kriterien werden geprüft, es muss ein Programm vorgelegt werden, an dem arbeitet man, und wenn die positive Erledigung stattfindet, dann wird es nach acht Jahren eine Evaluierung geben.

Frau Kollegin, Sie haben gefragt, wie viele das sein werden. Es ist geplant, vorläufig, in einem ersten Schritt drei PhD-Programme anzubieten in den Feldern „Regenerative Medizin“, „Migration Studies“ und „Raum und soziale Inklusion“. Das sind drei Felder. Das wird vorbereitet. Das erste Programm soll 2014 beginnen. Gedacht ist, dass insgesamt zehn Absolventen promovieren werden und nicht mehr. Das heißt aber auf der anderen Seite nicht, dass das jetzt schon die taxative Aufzählung ist und das Ende der Kette erreicht ist, sondern wenn die Qualität stimmt, wird dort ausgeweitet.

Warum ist dieser eigentlich kleine Schritt quantitativ ein großer Schritt für die Uni­versität? – Ganz einfach deswegen, weil damit ein Weg, der sich in der Vergangenheit positiv bewährt hat, jetzt sozusagen in die Zukunft gerichtet mehr Attraktivität für die Universität bringt, wenn sie das in ihr Angebot aufnehmen kann. Es hat bisher schon 56 begleitende Programme – das ist von einer Vorrednerin schon erwähnt worden – gegeben, in deren Rahmen in Partnerschaft mit einer anderen Universität die Disser­tation entsprechend abgewickelt worden ist.

Jetzt habe ich das direkt an der Universität. Was hat das für einen Vorteil? Ich habe gesagt, es ist attraktiver, man hat aber auch die ganzen Begleitumstände nach dem Universitätsgesetz. Es müssen dort Fachleute, es müssen Professoren berufen werden. Damit ist auch die Frage teilweise zumindest gelöst, die Sie angesprochen haben, Herr Pisec, weil ich damit sozusagen im Haus dann die entsprechende Qualität haben werde.

Daher: Ich würde es jetzt in der Form nicht überbewerten, das ist nicht die Riesen­sensation im gesamten Bereich der Universitäten in Österreich, aber für die Donau-Universität Krems ein ganz, ganz wichtiger Schritt in Richtung Zukunft, in Richtung Attraktivität, in Richtung Qualität. Daher hoffe ich auch auf Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

15.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 56

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.49.564. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Stabilitätsabgabegesetz, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuer­gesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Kapitalverkehrsteuergesetz, das Ver­sicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Flug­abgabe­gesetz, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Alkoholsteuerge­setz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuergesetz 1995, das Glücksspielgesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungs­organisationsgesetz 2010, das Finanzstrafgesetz, das Bundesfinanzgerichts­gesetz, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989, das Versicherungs­aufsichtsgesetz, das GmbH-Gesetz, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwalts­tarifgesetz, das Firmenbuchgesetz sowie das Zahlungsdienstegesetz geändert werden und der Abschnitt VIII des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 325/1986 aufge­hoben wird (Abgabenänderungsgesetz 2014 – AbgÄG 2014) (24 d.B. und 31 d.B. sowie 9140/BR d.B. und 9141/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

In Vertretung des gewählten Berichterstatters bitte ich den Ausschussvorsitzenden Lindinger um die Berichterstattung.

 


15.50.50

Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses zum Abgabenänderungsgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. Februar 2014 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Ich darf sehr herzlich Frau Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl bei uns im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.51.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren an den Fernsehgeräten zu Hause! Vor der Wahl hat eine dieser beiden Regierungsparteien der Notkoalition versprochen, dass es keine neuen Steuern geben wird. Spindelegger hat gesagt: Mit mir gibt es keine Steuererhöhungen, sondern nur Steuererleichterungen! – Interview in den „Oberösterreichischen Nachrichten“, Mai 2013.

Die andere Partei dieser Notkoalition wollte unbedingt mehr Steuergerechtigkeit. (Bun­desrat Mayer: Was ist eine „Notkoalition“?) – Weil es eine Notkoalition war. Ihr wolltet ja mit niemand anderem. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, das ist leider falsch. Da leidet die ÖVP einmal mehr an Gedächtnisschwund.


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Die SPÖ hat gesagt: Niemals mit den Freiheitlichen! Aber die SPÖ hat eine Entlastung bei Einkommen bis 4 000 € versprochen. Dies noch kurz vor der Wahl, nämlich am 16.9.2013.

Okay! Wir sind alle gelernte Österreicher, wir wissen, vor der Wahl ist nicht nach der Wahl. Und was vor der Wahl gesagt ist, muss nachher überhaupt nicht mehr gelten. Und daher ist die Bevölkerung jetzt einmal mehr mit einem veritablen Belastungspaket konfrontiert. Und wen trifft es wieder? – Wie so oft den Mittelstand. Aber nicht nur den, sondern natürlich auch die Bezieher kleinerer Einkommen, weil die ja von all diesen geplanten Maßnahmen noch viel stärker betroffen sind als alle anderen.

Wer raucht, zahlt mehr. Wer Sekt trinkt, zahlt auch mehr. Da könnte man noch sagen, na ja, okay, das ist vielleicht ohnehin nicht so gesund, und daher ist es vielleicht verschmerzbar. Und die Regierungsparteien sprechen ja auch immer vom Lenkungs­effekt. Wenn es jetzt ein Lenkungseffekt wäre, dann, würde ich meinen, sollte das ganze Geld, das da mehr eingenommen wird, in das Gesundheitsbudget fließen. Tut es das? – Nein, tut es nicht. Wie immer fließt es in die selbstgemachten Budgetlöcher, die dringend gestopft werden müssen, weil Sie ja über allem geschrieben haben, das strukturelle Nulldefizit 2016 muss unbedingt erreicht werden, und das unter der Maßgabe, dass die Leute in diesem Land ohnehin schon seit Jahren dank Ihrer Regierung Reallohnverluste hinnehmen müssen. Und jetzt kommt halt noch dazu, dass noch einmal Steuern erhöht werden, was man ja unbedingt vermeiden wollte.

Wer ein Auto mit mehr PS hat, der hat leider Pech, der muss blechen, wenn er sich kein neues kaufen kann. Mit der NoVA und der motorbezogenen Versicherungssteuer schröpfen Sie natürlich einmal mehr die Melkkuh der Nation, denn da greifen Sie immer zuerst zu, und das sind die Autofahrer. Und da gehen Sie ziemlich ungeniert vor.

Sie wissen ganz genau, dass viele Menschen beruflich, zum Teil auch privat, aus verschiedensten Gründen, aber viele beruflich auf das Auto angewiesen sind. Die Grünen in Wien wollen ja den Autoverkehr aus der Stadt überhaupt verbannen, wie sie ja anlässlich der Debatte um die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße gesagt haben. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Da haben sie ja gesagt, das Auto sollte eigentlich aus der Stadt verbannt werden. Da sind Sie ja jetzt offensichtlich auf dem grünen Autoabschaffungspfad mit unterwegs, ohne dass Sie berücksichtigen, dass es Menschen gibt, die das Auto einfach brauchen und es nicht nur aus Jux, Tollerei und Bequemlichkeit verwenden.

Sie haben ein paar Tropfen auf den heißen Stein geschüttet, indem Sie die Gesell­schaftssteuer abschaffen werden, das ist ja noch nicht in Kraft getreten, und indem Sie bei den Lohnnebenkosten, aber wirklich so fuziklein, eine Erleichterung bringen wer­den. Sie haben die Familienbeihilfe erhöht. Aber ich kann Ihnen sagen, alle ande-ren Maßnahmen machen das bei Weitem wieder zunichte. Das heißt, den Menschen bleibt nach wie vor weniger Geld in der Tasche als vorher. Und von Reformen ist nach wie vor weit und breit nichts zu sehen.

Alles, was irgendwo nach Reformen gerochen hätte, ist ja von Ihnen in Arbeitskreise ausgelagert worden, was, wenn man Österreich und die österreichische Politik kennt, im Normalfall heißt: auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Oder Sie haben einen Ausweg gesucht und gefunden und sagen: Ja wenn wir Geld dafür haben, dann machen wir das. Wie das zum Beispiel bei der Frage der Arbeitskosten der Fall ist, worüber wir uns schon lange unterhalten, da wir wissen, die Arbeitskosten gehören gesenkt. Es gehört auch die Lohnsteuer gesenkt, denn es kann ja nicht sein, dass die Menschen, wenn sie eine Lohnerhöhung bekommen, in die nächste Progressionsstufe fallen, und am Ende bleibt ihnen viel, viel weniger von dem übrig, was sie eigentlich


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brutto bekommen haben. Also das sollte nicht sein. Aber da lassen Sie sich das Hinter­türchen offen und sagen: wenn Geld dafür vorhanden ist.

Bei diesen Maßnahmen hoffen Sie offensichtlich, dass der Wähler das ohnehin wieder vergisst, weil es jetzt am Anfang einer Legislaturperiode ist. Aber ich kann Ihnen sagen, ich glaube nicht, dass es Ihnen gelingen wird.

Und da frage ich gleich noch: Was ist eigentlich aus der Transparenzdatenbank gewor­den, die die ÖVP so toll gefunden und so nachhaltig gefordert hat? Dann hat sie den Koalitionspartner SPÖ endlich umgestimmt gehabt. 2010 war der Beschluss. Wir haben heute 2014! Wo ist diese Transparenzdatenbank, die die Vermeidung von Förderungen in doppelter und dreifacher Form zur Folge haben sollte, wo Sie ja gehofft und geglaubt haben, dass man sich dadurch etwas ersparen wird und diese Mehr­gleisigkeiten damit vermieden werden? Von der hat man auch nichts mehr gesehen, die ist auch irgendwo in der Schublade verschwunden, ungefähr so wie der Österreich-Konvent mit seinen Reformvorschlägen. Und das finde ich wirklich sehr bedauerlich, denn an sich war es ja eine gute Idee.

Das ist so, wie Sie bei den Regierungsverhandlungen plötzlich ein Milliardenloch entdeckt haben. Das waren zuerst 40 Millionen, dann waren es doch nicht 40 Millionen, dann hat es gar keines mehr gegeben, und am Ende weiß keiner, was jetzt wirklich genau war. Und man hat auch kein Zutrauen, dass die Regierung weiß, wie groß das Defizit eigentlich ist. Somit können Sie nicht erwarten, dass die Bevölkerung Ihnen jetzt wirklich Glauben schenkt bei all dem, was Sie da zutage fördern, dass sie meint, dass das auch so stimmt. Man hat eher so das Gefühl, man weiß nicht genau, wie was wann wo, und dann schaut man halt, und dann wird man schon sehen.

Das Einzige, wie gesagt, was bei Ihnen wirklich konkret ist, das sind die Steuererhö­hungen. Die picken jetzt, und das hat ja auch sehr schnell gehen müssen, denn das müssen wir mit 1. März machen. Darum tagen wir ja auch heute, damit der Steuer­zahler möglichst schnell geschröpft werden kann.

Und ich sage Ihnen: Dank Ihrer Steuerpolitik haben die Leute immer weniger Einkom­men, mit dem sie auskommen können. Wir haben uns an dieser Stelle schon oft genug über die Armutsgrenze unterhalten, darüber, wie viele Menschen bereits zusätzlich unter die Armutsgrenze gefallen sind, und vor allem, wie viele Menschen mit Kindern. Besonders betroffen sind sie, wenn sie mehr als zwei Kinder haben – mehr Kinder, das ist ja etwas, was eigentlich von uns gewollt sein sollte –, diese haben immer weniger zum Leben.

Bei den KMUs haben Sie sich auch wieder ordentlich bedient, obwohl die KMUs genau jene sind – da wird mir Frau Präsidentin Zwazl ja recht geben –, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden, die 80 Prozent der Jobs schaffen. (Beifall bei der FPÖ.) Und trotz­dem bedienen Sie sich wieder bei den KMUs und lassen diese auch nicht ungeschoren davonkommen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Ja wie soll heute einer in Österreich noch Gusto bekommen, sich selbständig zu machen, wenn er erlebt, dass er ununterbrochen geschröpft wird? Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Wille zur Unternehmensgründung bei uns vielleicht ein bisschen eingeschränkter ist als anderswo.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Bitte zum Schlusssatz zu kommen!

Bundesrätin Monika Mühlwerth (fortsetzend): Daher sage ich Ihnen: Wir werden diesem Belastungspaket erwartungsgemäß nicht zustimmen, denn ich erachte es wirklich als eine Unverschämtheit den Menschen gegenüber, zuerst die Schatullen


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aufzumachen, obwohl Sie wissen, dass Sie kein Geld haben, und dann dem Steuer­zahler das Geld wieder aus der Tasche zu ziehen. Mit uns nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

16.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich unterbreche nun die Verhandlungen zur Tages­ordnung.

16.00.11Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Abschaffung der Schul­noten, andere sozialistische „Bildungsphantasien“ und das Datensicherheits­desaster im bifie (2965/J-BR/2014)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mühlwerth als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.00.43

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier und zu Hause! Wir haben ja heute hier bei den Tagesordnungspunkten betreffend die Med-Uni Linz und die Doktoratsstudien an der Donau-Universität Krems schon über Bildung gesprochen, wo wir uns alle einig waren, dass wir hier wirklich auf einem guten Weg, auf einem guten Pfad sind. Das war die Sozialdemokratie in ihren Anfängen bildungspolitisch auch. Die Sozialdemokratie hat durchaus verstanden, dass der Weg nach oben oder eine Weiterentwicklung oder ein Karrierefortschritt nur über die Bildung geht. Leider haben Sie diese Linie in den letzten Jahrzehnten völlig verlassen, sind von den eigenen Grundsätzen abgekommen, was ich wirklich bedauerlich finde.

Stattgefunden hat in den letzten Jahrzehnten eine Nivellierung nach unten. Und das kann man drehen und wenden, wie man will, es ist so. Die Lehrer haben mir immer wieder erzählt, auch als ich noch Vizepräsidentin im Stadtschulrat für Wien war – ich bin ja nach wie vor im Kollegium und war es auch vorher –, dass sie zum Beispiel in den ersten Klassen einer AHS oder einer Hauptschule die Schularbeiten, die sie vor 20 Jahren gegeben haben, gar nicht mehr geben können, weil die Kinder das Wissen und das Können nicht mehr haben. Sie haben keine Ahnung von einer Satzanalyse und ähnlichen Dingen, die man aber doch immer wieder braucht.

Wir sehen auch, wie schwer es die Gymnasien haben: Es kommen dort Schüler hin mit Noten, die sehr gut sind, obwohl sie kaum lesen können. Viele davon können auch nicht ordentlich Deutsch. Das ist das Klagelied vieler Lehrer jeden Tag, das ich mir immer wieder anhören muss, wo es heißt, es werden Kinder mit einem Sehr gut von der Volksschule ins Gymnasium geschickt. Das ist natürlich nicht in Ordnung, was aber nicht heißt, dass die Note an sich ein schlechtes Instrumentarium wäre. Nur: Sie wird ein wenig missbräuchlich gehandhabt. Und es ist auch die Frage, wie man mit einer Note umgeht, denn eine Note ist ein Messinstrument, und zwar für mich selber, aber auch für andere, die bewerten oder die sich darauf verlassen können müssen, was meine Leistung ist und was ich kann. Daher sind wir von der FPÖ nach wie vor für die


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Vergabe der Ziffernnote, weil wir meinen, dass das eine wesentlich bessere Aus­sagekraft hat.

Es kommt oft der Vorwurf, dass in die Noten nicht nur die Leistung einfließt, sondern auch das soziale Verhalten, die Schrift und anderes. Man hat die Fleißnote abge­schafft. Die Betragensnote gibt es zwar noch, sie ist aber eigentlich auch nicht mehr wirklich wichtig. Und man hat die äußere Form der schriftlichen Arbeiten abgeschafft. Ich finde das schade und hoffe, dass das wieder eingeführt wird, denn ich sehe das schon so und erlebe es auch oft, dass in die Note alles hineingepackt wird, nicht nur die Leistung des Schülers, sondern eben auch, wie er schreibt, ob er das Heft in Ordnung hat, ob er seine Hausaufgaben gemacht hat, und so weiter. Da, finde ich, gehört wieder eine Trennung her, wo man sagt: Deine Leistung ist sehr gut. Die äußere Form deiner Arbeiten ist weniger gut, und dein Fleiß lässt zu wünschen übrig, denn man kann ja auch eine gute Note haben, ohne nach außen hin als fleißiger Schüler zu gelten.

Auch die OECD warnt davor, bei Noten nicht nur auf die Leistung einzugehen, sondern auch noch andere Eigenschaften zu benoten. Aber trotzdem haben wir einen Wurm im System drinnen.

Ich verstehe nicht, warum man auf der Gesamtschule so beharrt und die so super findet, obwohl schon der PISA-Haider, der ja kein Feind einer gemeinsamen Schule der 6- bis 14-Jährigen war, gesagt hat, man sollte sie vielleicht doch sein lassen. Und auch ein Ihnen nahestehender Universitätsprofessor, der Herr Liessmann, hat bei einer Diskussion mit der Frau Nationalratspräsidentin Prammer, wo ich dabei war und es daher live gehört habe, gesagt, das sei eine ideologisch besetzte Geschichte. Und wenn man sieht, dass man da nicht wirklich weiterkommt, dann ist es besser, dass man es lässt, weil der Schulerfolg ja nicht von der Organisation allein abhängt.

Immer noch haben wir Volksschüler, die Lernmängel aufweisen. Jeder achte Volks­schüler braucht, wie ich erst unlängst gelesen habe, Nachhilfe. Das wäre jetzt die Gesamtschule. Die müsste ja eigentlich schon ganz toll sein, wenn das alles stimmen würde, was so gesagt wird, da dürfte das überhaupt nicht stattfinden. Wir haben nach neun Schuljahren immer noch 20 Prozent der Schüler, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, wo man sich fragen muss: Was ist in den neun Jahren passiert? Wieso ist es niemandem aufgefallen, dass einer nicht lesen und schreiben kann? Das Einzige, was damit erreicht wird, ist, dass die Eltern in die Privatschulen flüchten. Die Tendenz ist bei uns steigend. In Belgien sind es 67 Prozent der Eltern, die ihre Kinder in die Privatschule schicken. In Frankreich, wo ja die Gesamtschule schon am Boden liegt, ist es ähnlich. Das heißt, da sind wir auf einem schlechten Weg.

Was die Noten betrifft, kann ich nur eines sagen: Wenn man den Schülern die Gele­gen­heit gibt, sich selber zu bewerten, sie fragt, welche Note sie sich selber geben würden, dann kann man feststellen, dass das in 90 Prozent der Fälle mit der Note, die der Lehrer gibt, übereinstimmt. 10 Prozent okay, das kann passieren. Ja, natürlich kann es auch passieren, dass Lehrer eine ungerechte Note geben. Nicht, dass ich das befürworte, aber ich sage, Lehrer sind auch nur Menschen. Der Lehrer ist kein Roboter, der wie eine Maschine funktioniert, daher kann das passieren.

Das ist aber auch Teil der Schule, die aufs Leben vorbereiten soll: dass man lernt, dass es auch Ungerechtigkeiten im Leben geben kann. Das passiert doch jedem in seinem Leben, wenn er erwachsen ist. Jedem von uns ist sicher schon passiert, dass er sich ungerecht behandelt gefühlt hat und sich gedacht hat, das ist eine Frechheit. Aber es ist etwas, womit man umgehen können muss, wo man vielleicht auch lernen kann, sich dagegen zu wehren, denn es ist ja nicht so, dass man sich das gefallen lassen muss, aber es ist eben auch ein Teil der Erziehung für das ganze Leben.


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Die Diskussion, die wir heute hier führen, führen wir nicht zum ersten Mal. Auch vor Ihnen haben es schon einige gefordert. Ich erinnere nur daran, dass Gusenbauer, der jetzt, glaube ich, Berater in Kasachstan ist, damals als SPÖ-Vorsitzender schon ver­langt hat, das Sitzenbleiben in der Volksschule, in der Hauptschule und in der AHS-Unterstufe aufzuheben. Er war auch für eine ausschließlich verbale Beurteilung.

Das ist also jetzt nichts Neues. Dass wir dagegen sind, ist auch nichts Neues. Das ist richtig. Aber wenn man sich anschaut, wie Eltern das in einer Schule sehen, dann stellt man fest, dass von zehn Klassen acht Klassen dafür sind, dass die Ziffernnote bleibt. Eine Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts hat ergeben, dass 73 Prozent für den Beibehalt der Noten in der Volksschule sind. In der Hauptschule und in der AHS waren es sogar noch mehr, und zwar waren es dort 87 Prozent, die für die Ziffern­note waren.

Es ist also alles eine Linie Ihrer Politik, wo es heißt: Gesamtschule, Abschaffung der Noten, Abschaffung des Sitzenbleibens, keine Hausaufgaben, wie Sie es erst vor Kurzem gefordert haben, keine Schultaschen; alles soll so funktionieren!  Das be­zweifle ich wirklich. Und wir sehen es ja auch, dass es so nicht funktioniert, denn wir haben es ja jetzt bei den Bildungsstandards erlebt, dass die Neue Mittelschule nicht der Hit ist, den Sie sich erhofft haben. Sie ist sogar schlechter als die Hauptschule. Und keinesfalls ist es so, dass sie diese überholt hat. Die AHS ist nach wie vor die beste Schulform. Bei den PISA-Studien ist immer verschwiegen worden, dass die AHS immer an der Spitze war, mit Finnland, mit Korea, mit Japan, je nachdem, in welchen Disziplinen abgefragt worden ist.

Es geht nicht um ein bestimmtes System! Ich bin wirklich eine Befürworterin des Leis­tungs­gedankens, aber was ich nicht will, ist ein System, wo dann der „Gott Kupfer“ aus dem uns allen bekannten Buch von Friedrich Torberg vor unserem geistigen Auge auftaucht, der die Schüler kaputtmacht. Das will ich nicht! Man kann eine Leistung erbringen, man kann Disziplin haben, ohne dass man daran zerbricht, denn ein gewis­ser Leistungsgedanke und eine gewisse Disziplin werden auch im weiteren Leben gebraucht.

Darum werden wir nicht herumkommen. Und wenn wir eine Kuschelpädagogik machen, wo man den Schülern sagt: Das brauchst du alles nicht, es ist alles ganz easy und es ist alles ganz nett und ganz kuschelig!, dann werden diese armen Kinder im normalen Leben Schwierigkeiten bekommen, denn plötzlich gibt es so etwas wie Tests, auch wenn es keine schriftlichen sind, wo man sich bewähren muss, wo man mit Unge­rechtigkeiten konfrontiert wird, und so weiter und so weiter. Und dann stehen sie da und verstehen die Welt nicht mehr, weil sie überhaupt nicht wussten, was auf sie zukommt. Das ist, finde ich, ehrlich gesagt ein Verbrechen an den Schülern, wenn man es so macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt: Bei den Bildungsstandards hat es sich jetzt gezeigt, dass die Neue Mittelschule nicht das ist, was man sich erhofft hat, dass sie sein wird. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Nun komme ich zu einem anderen Punkt: zum BIFIE. – Das BIFIE ist von der ursprüng­lichen Bildungsgesellschaft für Bildungsforschung in eine Forschungs­gesell­schaft für Schulwesen umgewandelt worden. Das BIFIE ist selbstverständlich, wie wir es in Österreich gewohnt sind, parteipolitisch gefärbt, denn es ist bei uns nicht so, dass man zuerst schaut, ob jemand die entsprechende Qualifikation hat, wirklich ein Experte ist, sondern umgekehrt. Wenn er ein Parteibuch hat, dann sage ich nicht, dass das nicht sein darf, aber bei uns ist es umgekehrt. Wir schauen zuerst, ob er das richtige Parteibuch hat, und dann schauen wir, ob die Qualifikation stimmt – und oft genug passt das nicht zusammen.


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Jetzt haben wir dieses tolle BIFIE-Institut und stellen fest, dass 400 000 Tests, 400 000 Ergebnisse von Schülern plötzlich auf einem rumänischen Server zu finden sind, inklusive 37 000 E-Mail-Adressen von Lehrern. Da fragt man sich: Wie geht das?, noch dazu, wo es seit dem 18. Dezember bekannt war. Es ist nicht so, dass das gestern erst aufgetaucht ist. Das Ministerium, Frau Minister, wusste es schon am 18. Dezember. Sie sind ja darauf aufmerksam gemacht worden. Was war die Antwort? – Es ant­wortete nicht einmal Ihr Ministerium, sondern nur das BIFIE. Ich zitiere aus der heuti­gen Ausgabe der Zeitung „Die Presse“:

„Das Schreiben habe ‚ein gewisses Staunen ausgelöst‘, schrieben die Direktoren. Sollte es der Firma aber nicht möglich sein, die ‚Verstöße zu präzisieren‘, werde das BIFIE gerichtlich gegen Zoe Solutions“ – das ist die Firma, die mit dem BIFIE zusam­mengearbeitet hat – „vorgehen. Noch eine harsche Bemerkung fand sich im Brief: ‚Im Übrigen ersuchen wir, zukünftig das unnötige Versenden von Kopien Ihrer Schreiben an die Frau Bundesminister [...] zu unterlassen.‘“

Na toll! Das ist die Reaktion des BIFIE, das darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass da Daten unterwegs sind, die eigentlich geschützt sein sollten, und dort, wo sie sind, gar nichts verloren haben. Das ist die Antwort darauf, dass man dem Menschen, der das aufzeigt, androht, gerichtlich gegen ihn vorzugehen. Also das muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Das sagt schon einiges über die Qualität aus, wie wir mit Sicherheit, mit Datenschutz et cetera umgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das BIFIE, das muss man schon auch feststellen – das ist in der Hauptzeit nicht in Ihrer Verantwortung gelegen, sondern in der Ihrer Vorgängerin, der Frau Schmied –, war von Anfang an ein Institut der Pleiten und Pannen. Das Wenige, was dort gut gemacht worden ist, ist durch Skandale, Pannen und Pleiten zunichtegemacht worden. Ich erinnere nur an die Planung der Zentralmatura, die zurückgenommen bezie­hungsweise verschoben werden musste, bis auf ein paar wenige Schulen, da sich Lehrer und Eltern darüber beschwert haben, dass die Vorbereitung ungenügend ist, die Übungsbeispiele zu wenig vorhanden sind und die Lehrbücher nicht entsprechend sind.

Das BIFIE ist aber super dotiert. Wir haben schon damals, als das BIFIE eingerichtet wurde, kritisiert, dass das Geld, das die bekommen haben, zu viel ist. Mit dieser Meinung waren wir nicht alleine. Es gab auch Experten, die das so gesehen haben. Das ist aber dann in den nächsten drei Jahren noch verdoppelt worden. Dann hat der Rechnungshof Kritik daran geübt. Er hat eigentlich sehr nett – der Rechnungshof ist sonst sehr direkt, in diesem Fall hat er das, finde ich, ein bisschen verklausuliert oder sehr schaumgebremst gesagt – gemeint, dass die kaufmännische Kompetenz des BIFIE schwach ausgeprägt sei.

Wir reden hier von öffentlichen Geldern! Das hat kein Minister aus seiner Privat­schatulle bezahlt. Die Rohdaten betreffend die diversen Bildungsstandards im Rahmen dieser Studie durften nicht öffentlich gemacht werden. Was war das Argument dafür, dass sie nicht öffentlich gemacht worden sind? – Der Datenschutz!

Also in Anbetracht dessen, was wir gestern den Zeitungen entnehmen konnten, ist es ein wahrer Treppenwitz, zu sagen: Aus Datenschutzgründen dürfen wir diese Daten nicht öffentlich machen! Und jetzt findet man sie auf einem rumänischen Server unverschlüsselt und ungeschützt.

Noch ein Kritikpunkt, der auch mit den Pleiten und Pannen des BIFIE zusammenhängt, ist, dass Daten auf Geheiß des Ministeriums, und zwar Ihrer Vorgängerin, Frau Minis­ter, verräumt wurden. Das haben Mitarbeiter des Ministeriums in einem anonymen Brief beklagt. Günter Haider – Sie wissen, das ist der PISA-Haider; mittlerweile auch


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geschasst –, ein enger Vertrauter von Claudia Schmied, die mittlerweile auch ge­schasst worden ist, hat dazu gesagt, dass Faymann keine Brösel vor der Wahl wollte.

Na das können wir uns sehr gut vorstellen. Das glauben wir, dass es vor der Wahl keine Brösel geben sollte. Auch Lucyshyn – politisch motivierter Abgang – musste gehen. Es war eine politisch motivierte Geschichte. Da waren sich eigentlich alle einig: Plötzlich hat er zu teure Büromöbel gekauft und zu viele Blackberrys  und was weiß ich, was da noch an Vorwürfen im Raum gestanden ist.

Wir haben also auf der einen Seite einen Bildungsweg, von dem wir Freiheitliche glauben, dass er geradewegs in die Katastrophe führen wird. Da war der letzte Punkt noch die Forderung der scheidenden Bundesgeschäftsführerin und Nationalratsabge­ordneten Laura Rudas, die Zentralmatura abzuschaffen. Ich nehme doch an – sie geht jetzt nach Stanford ein Jahr studieren –, dass sie dort sehr wohl einen Aufnahmetest machen sollte, also verstehe ich das Anliegen, die Matura abzuschaffen,  (Bundesrat Schreuder: Hat sie gemacht!)  Sie hat schon. Okay! Sonst könnte sie ja nicht studieren! Sie musste vorher einen Aufnahmetest machen. Aber im Lichte dessen zu sagen: Die Fragen bei der Matura sind wirklich furchtbar, das lehnen wir ab, eigentlich brauchen wir das alles nicht!, ist schon ein Ungleichgewicht. Da weiß offensichtlich die eine Seite nicht, was die andere tut. Da unterstelle ich dann schon eine gewisse Absicht, dass man sehenden Auges hinnimmt, wie unser Schulsystem nach und nach kaputtgemacht wird.

Nun zur Abschaffung der Ziffernote: Ich weiß, dass es andere Leistungsbeurteilungen gibt, wo wir im Stadtschulrat für Wien durchaus offen dafür waren, wo wir gesagt haben: Schauen wir uns ein Pensenbuch an, eine kommentierte Leistungsvorlage, Portfolio et cetera! Ich kann mir auch vorstellen, dass man bei der Ziffernnote einen Kommentar dazu abgibt, wie sich die Note zusammensetzt oder welche Aussagekraft sie hat. Die Volksschullehrerin von meinem jüngsten Sohn hat das zum Beispiel gemacht. Der wusste genau, wenn er ein Gut in Deutsch gehabt hat, warum er das gehabt hat. Aber mein zweiter Sohn, der mit der verbalen Beurteilung konfrontiert war, hat damit nichts anfangen können. Er hat gesagt: Mutti, ist das jetzt ein Einser oder ein Zweier? Und so geht es vielen.

Daher glauben wir, dass die Ziffernnote – mit allen Begleiterscheinungen, über die man reden kann – nach wie vor der aussagekräftigste Nachweis einer Leistung ist. Deshalb wollen wir von der FPÖ dabei bleiben. Wir wollen uns heute mit Ihnen, Frau Minister, darüber unterhalten, ob es einen Weg gibt, diese Ziffernnote beizubehalten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich die Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

 


16.19.06

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich habe gehört, dass das Mikrofon auf der Regie­rungsbank nicht gut funktioniert. Deswegen – nicht, dass Sie verwundert sind – stelle ich mich hier zum RednerInnenpult.

Ich möchte Ihnen gleich eingangs sagen: Die Daten sind offline! Das ist die erste Aus­kunft, die ich Ihnen gerne geben möchte. Selbstverständlich werde ich dann auch auf die Fragen eingehen  nach den Fragen, die die Noten betreffen  und Sie auch darüber informieren, was ich seit gestern unternommen habe, um dieses Datenleck möglichst rasch zu schließen, aber nicht nur das, sondern auch, was wir gemacht


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haben, um gerichtlich vorgehen zu können, falls hier Schuld und Versagen zutage treten.

Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass wir im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage in bildungspolitischer Hinsicht darüber reden können, was sich die Bundesregierung im Bereich der Noten vorgenommen hat, denn genau darauf beziehe ich mich dann auch bei der Beantwortung der Fragen. Genau darauf möchte ich eingehen. So wie Sie alle, denke ich, eine bildungspolitische Vision haben, weil wir als Politikerinnen und Politiker Bildungspolitik als einen sehr, sehr wichtigen Bereich ansehen, so ist es meine Vision und mein Wunsch, dass die Kinder in unseren Schulen neugierig sein können und nicht Angst haben müssen, dass sie wegen einer Note diskreditiert werden oder gar vor sich selber als Versager oder Versagerin dastehen.

Ich wünsche mir auch entspannte Eltern. Warum? – Sie alle kennen sicher aus Ihrem Umfeld Familien, in denen es doch vorkommt, dass viel nachgelernt werden muss, dass Nachhilfe bezogen werden muss, dass auch Kindern, damit sie die Schule wechseln oder in eine höhere Schule gehen können, viel aufgeladen wird, damit das möglich ist. Ich sehe diese Entspannung bei vielen Eltern nicht, denn alle Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, und das Beste ist manchmal mit viel Druck auf die Kinder verbunden und nicht immer auch das Beste in der Ausformung und im Resultat.

Natürlich wünschen wir uns alle auch eine Kollegen- und Kolleginnenschaft, motivierte Lehrerinnen und Lehrer – immerhin über 120 000 an der Zahl in Österreich –, die sich selber als Zukunftsarbeiterinnen und -arbeiter sehen, was viel mehr ist als nur Wis­sens­vermittlerinnen und -vermittler, wie das vielleicht in früheren Zeiten, die heute schon angesprochen wurden, der Fall war.

Lehrerinnen und Lehrer leisten heute sehr vielfältige Arbeit, sehr bewundernswert im Übrigen und auch sehr herausfordernd – und mitunter auch nicht unbelastend, nicht nur was ihre Arbeitsplatzsituation anlangt. Mir ist bewusst, dass auch da Verbesse­rungsbedarf gegeben ist, denn ein Arbeitsplatz, der gerade einmal so groß ist wie der Innenteil dieses Rednerpultes, ist für viele nicht groß genug. Ich denke, es ist auch an der Zeit, die Lehrerinnen und Lehrer da zu unterstützen. Wir werden im Herbst eine entsprechende Offensive starten, in der wir thematisieren, wie wir hier unterstützen können, eine Offensive, für die nicht unbedingt viel Geld nötig sein muss, sondern in der es darum geht, wie wir unterstützend für die Lehrerinnen und Lehrer da sein können.

Jedes Kind – das wurde auch im Eingangsstatement von Kollegin Mühlwerth gesagt – hat sicher besondere Talente und vielleicht auch das eine oder andere Defizit. Glauben Sie mir, weil sich die Bundesregierung das sehr zu Herzen genommen hat, haben wir auch Alternativvorschläge ins Regierungsprogramm geschrieben! Ich weiß nicht, ob Sie alle diese meine persönliche Meinung teilen, aber es ist nicht möglich, die Kom­petenzen eines Kindes anhand einer Note – sagen wir einmal zum Beispiel mit einem Dreier, das ist die Mitte – festzuschreiben. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Warum? – Da ist jemand besonders begabt im handwerklichen Bereich, hat aber feinmotorisch nicht die Kompetenz, dass er in der Lage wäre – weil Sie auch das Schriftbild und die äußere Form noch einmal erwähnt haben –, besonders deutlich und schön zu schreiben. Er kann aber wunderbare Aufsätze schreiben und will einen Lehrberuf ergreifen, in dem das Handwerk gefragt ist. Dieses Kind ist also sehr talen­tiert und vielseitig, und diese Vielfalt, die so ein Kind mitbringt, kann man, finde ich, nicht in einer Benotung von eins bis fünf zusammenfassen.

Was wir jetzt gemacht haben, ist – und ich komme gleich zur Beantwortung der Fragen –, im Regierungsprogramm alternative Möglichkeiten anzubieten, und zwar ein Jahr länger, als es sie schon gibt. Es ist ja schon möglich, in der ersten und zweiten


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Klasse Volksschule alternative Leistungsbeurteilungen zu verwenden. Es werden 2 800 Schulversuche angesucht, und denen können wir eine Hürde nehmen, nämlich dass man nicht über den Landesschulrat eine Genehmigung einholen muss, wenn man alternative Leistungsbeurteilungen anbieten möchte, sondern das direkt im Klassen­forum erledigen kann, wenn es eine Klasse möchte, oder im Schulforum, wenn es die ganze Schule benötigt – von der ersten bis zur dritten Klasse.

Das ist so gedacht: Man kann die Ziffernnote beibehalten, man kann die Ziffernnote durch eine alternative Leistungsbeurteilung ersetzen, die wiederum sehr unterschied­lich ausschauen kann, oder man kann beides nebeneinander anbieten. Ich freue mich wirklich, dass es gelungen ist, dass die Talente und die Begabungen eines jeden Kin­des sehr vielseitig dargestellt werden können. An der legistischen Umsetzung arbeite ich gerade, denn ich glaube, dass das Regierungsprogramm im Bildungsbereich vom Bereich der Kleinsten bis zur Erwachsenenbildung wirklich sehr viele Möglichkeiten offen­lässt, schrittweise Veränderungen herbeizuführen.

Ich bin nicht für die Abschaffung der Noten, denn ich stehe dazu, dass die neue Matura benotet wird, dass die neue Matura bleibt, weil sie eine standardisierte Überprüfung für alle jungen Menschen ist, die sich dieser Prüfung unterziehen. Aber dazu kommen wir ohnehin noch bei der Beantwortung der Anfrage. Es ist klar, dass man die Ziffern­benotung nicht von heute auf morgen abschaffen kann, aber wir wollen Schritt für Schritt Alternativen bieten. Glückliche Kinder, entspannte Eltern, motivierte Lehrerinnen und Lehrer – das ist ja nicht nichts!

Ich komme daher gerne zur Beantwortung der Fragen.

Die Fragen 1 bis 3 möchte ich zusammenfassen:

Ich möchte noch einmal wiederholen, was ich schon angedeutet habe: Wir wollen, wie im Regierungsprogramm festgehalten, ermöglichen, dass in den ersten drei Volks­schulklassen eine alternative Leistungsbeurteilung möglich ist und dass jede Schule im Rahmen der Schulautonomie für sich entscheiden kann, in welcher Form sie Kinder beurteilt. Der Begriff Schulautonomie wird noch sehr wichtig werden, denn es gibt auch dazu von mir beziehungsweise von meinem Haus legistische Vorbereitungen, und zwar dahin gehend, wie man den Schulen mögliche weitere schulautonome Entschei­dungen an den Schulstandorten überlassen kann. Das heißt, die Schule kann das schulautonom entscheiden, muss keinen Schulversuch mehr anmelden, sondern kann direkt im Schulforum oder sogar nur im Klassenforum, wenn es nur eine Klasse macht, entscheiden. Das wollen wir schon ab dem Schuljahr 2014/15, also ab Herbst möglich machen und, wie gesagt, die Hürde der Schulversuche beseitigen.

Diese Maßnahmen gelten ja schon bis zur zweiten Klasse. Auch ich habe in meinem Bekanntenkreis viele Eltern, die sehr glücklich darüber sind, dass Kinder in jahrgangs­übergreifenden Klassen unterrichtet werden, dass es ein Kommen und Gehen gibt, dass Kinder nachrücken, dass Kinder mit älteren Kindern zusammenarbeiten, dass sie voneinander profitieren, was so enorm wichtig ist. Der Stolz der Kinder ist groß, wenn sie mit einem Pensenbuch oder mit anderen Formen der Darstellung ihrer Leistungen kommen und das ihren Lehrerinnen und Lehrern oder ihren Eltern präsentieren können, zum Beispiel in einem Eltern-SchülerInnen-LehrerInnen-Gespräch. Das sollten wir den Kindern nicht nehmen.

Was wir tun, ist, eine Verwaltungshürde zu beseitigen, schulautonom entscheiden zu lassen und einen Jahrgang dazu zu nehmen. Daher freue ich mich sehr, dass heute auch Klarheit darüber herrscht, dass die Eltern auch in Zukunft selbstverständlich mit­entscheiden werden, wie sich die Leistungsbeurteilung ihrer Kinder darstellen kann. Da wir in einer Demokratie leben und zwei Drittel der Eltern und der Lehrer das wollen, wird das jede Schule für sich entscheiden können.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 66

Zur Frage 4:

Nein, natürlich nicht. Wir haben im Regierungsprogramm festgelegt, dass kein Darüber-Hinaus möglich sein soll, nämlich die Abschaffung der Schulnoten, um auf den Punkt zu kommen. Ich stehe auch dazu, dass das nur schrittweise geschehen kann. Wir beginnen bei den Kleinsten, um einen möglichst stressfreien Schulbeginn zu gewähr­leisten. Das halte ich für die richtige Vorgehensweise.

Zur Frage 5:

Die Beantwortung erübrigt sich meiner Ansicht nach aufgrund der Beantwortung von Frage 4. Diese habe ich gerade ebenfalls dahin gehend beantwortet, dass darüber hinaus nichts geplant ist. Es steht nichts im Regierungsprogramm dazu, alle Noten abzuschaffen.

Zur Frage 6:

Auch wenn zurzeit nicht in Diskussion steht, was über diese Legislaturperiode hinaus geschehen soll, finde ich es gut, dass diese Debatte einmal in Gang gekommen ist. Wir alle wissen nicht, was nach 2018 geschehen wird, wie sich dann die Regierung zusam­mensetzen wird, aber es gibt genug Expertinnen und Experten, die jetzt schon sagen, dass Noten nicht wirklich das einzige aussagekräftige Instrument sind und auch nicht wirklich ausreichen, um Kinder in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

Zur Frage 7:

Wir werden die Hauptschulen folgendermaßen zu Neuen Mittelschulen weiterent­wickeln: Im Schuljahr 2014/2015 wird es 136 Standorte zusätzlich geben, im Schuljahr 2015/2016 wird es 46 zusätzliche Standorte geben. Damit können wir sagen, dass die gesamte Umstellung von Hauptschulen zu Neuen Mittelschulen abgeschlossen sein wird.

Gestatten Sie mir zwei Sätze zu den Vorteilen dieser neuen Lehr- und Lernkultur, die­ser neuen Lehr- und Lernformen, in denen die Förderung in Kleingruppen sehr großge­schrieben wird und auch das gemeinsame Unterrichten in Hauptfächern. Im Regie­rungs­programm haben wir festgeschrieben, dass schulautonom auch zu einem Drittel davon abgegangen werden kann, das heißt, dass auch andere Fächer für das Team­teaching herangezogen werden können.

Zusätzlich zu Ziffernnoten wird es in der Neuen Mittelschule nicht nur die Eltern- Leh­rerInnen-SchülerInnen-Gespräche geben, sondern auch einen schriftlichen Zusatz zu den Ziffernnoten. In der Sekundarstufe I für die 10- bis 14-Jährigen wird es in der Neuen Mittelschule eine zusätzliche Beurteilung geben, damit man sich ein bisschen mehr vorstellen kann, als dass ein Dreier mittelmäßig ist. Das kann ja auch bedeuten, dass man in einem Bereich super gut ist und im anderen ein bisschen Nachholbedarf hat. Daher glaube ich, dass diese neuen Lehr- und Lernformen ein ganz richtiger Schritt in eine Lehr- und Lernkultur sind, die Kindern eine möglichst stressfreie Zeit in der Schule ermöglichen soll.

Zur Frage 8:

In die Neue Mittelschule gehen ab dem Schuljahr 2014/2015 150 852 Schülerinnen und Schüler. Über die Folgejahre ist es schwierig, Auskunft zu geben. Es steigen welche aus, es steigen welche ein – quer ein, quer aus. Die SchülerInnenzahlen schwanken, aber im Endausbau, können wir sagen, sind es rund 200 000 Schülerinnen und Schüler, die die Neue Mittelschule besuchen werden.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 67

Zur Frage 9:

Zu den Mehrkosten: Diese gesetzlichen Grundlagen sind natürlich auf Basis des Bun­desfinanzrahmens gelegt. Die Kosten sind im Schulorganisationsgesetz festgeschrie­ben und auch budgetiert. Nur ein kleiner Hinweis: Zur Hauptschule sind es nur 600 € mehr, zur AHS um einiges mehr, das ist klar, aber das ist ohnehin bekannt und braucht nicht noch einmal erwähnt zu werden.

Zur Frage 10:

Wir wechseln jetzt das Thema – nur um es noch einmal in Erinnerung zu rufen – und beginnen, über die Matura zur reden.

Es geht um die Frage, ob die Abschaffung der Matura im Regierungsprogramm steht. Sie haben es sicher alle gelesen und nicht gefunden: Natürlich steht das nicht im Re­gie­rungsprogramm, und es steht für die Koalition auch nicht zur Diskussion. (Bundes­rätin Mühlwerth: Die Frage ist, ob eine vereinbart ist!)

Nicht nur ich, sondern auch der Bundeskanzler und auch die Frau Bildungssprecherin Laura Rudas haben sich auch den Medien gegenüber klar und deutlich geäußert, dass wir nicht infrage stellen, dass die neue Matura kommen wird.

Die Matura steht grundsätzlich auch nicht infrage.

Zur Frage 11:

Das können wir nicht umsetzen, weil nicht vorgesehen. Daher erübrigt sich Frage 11 aufgrund von Frage 10.

Zur Frage 12:

Es geht wieder um die nächste Gesetzgebungsperiode. Ich stehe zum Leistungs­nachweis durch die Matura beziehungsweise durch die Matura Neu am Ende der Schulzeit.

Noch einmal kurz gesagt: Die Matura Neu bedeutet mehr Objektivität durch teilweise – es ist keine Zentralmatura, um das noch einmal zu sagen – standardisierte Fragen. Es ist nicht mehr von den Pädagoginnen und Pädagogen abhängig, wer welche Fragen bekommt.

Die Matura Neu bedeutet, dass wir auch einen anderen, eigenständigen Zugang zu Prüfungsfragen festlegen und konzipieren wollen. Entsprechende Schulbücher sind schon auf dem Markt – schon längst, schon seit einigen Jahren. Die Matura Neu wird ja schon seit zehn Jahren entwickelt.

Heuer können wir in einen Probebetrieb gehen, mit zwei Schulen, die den Durchlauf machen werden, und im nächsten Schuljahr wollen wir die Matura Neu für die AHS-Oberstufe und im Schuljahr darauf, also erst 2016/2017, für den berufsbildenden Bereich für alle flächendeckend anbieten.

Alle machen jetzt schon vorwissenschaftliche Arbeiten, wodurch sie sich schrittweise durch Teilergebnisse dieser Matura Neu annähern können. Das ist modern, das ist angenähert an die Universitäten, die vielleicht dann der nächste Schritt für die Ober­stufen­schülerinnen und -schüler sind. Vielleicht entscheiden sich aber die einen oder anderen auch für einen Lehrberuf. Wir haben im Regierungsprogramm vorgesehen, dass die Lehre nach der Matura ebenfalls implementiert ist und dass durch die Matura teilweise Anrechnungen für die Lehre gewährleistet werden können.

Umgekehrt haben wir es ja schon: dass Lehrabschlüsse nach einer berufsbildenden Ausbildung in einer Schule auch angerechnet werden.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 68

Zur Frage 13:

Die Matura steht nicht zur Diskussion. Was ich damit sagen möchte, ist, dass sie nicht wegfallen wird. Daher stellt sich die Frage nicht, dass im tertiären Bildungsbereich sepa­rate Aufnahmeverfahren eingeführt werden sollen. Die Matura bleibt. Sie wird zur Matura Neu, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zur Frage 14:

Wenn die Schulzeit absolviert ist, wird dann jemand – ohne Noten und Sitzenbleiben – studieren können? Die Frage stellt sich nicht. Im Regierungsprogramm ist festge­halten, dass es in den ersten drei Volksschuljahren schulautonom alternative Leis­tungsbeurteilungen geben wird können. Alles Weitere steht nicht im Regierungspro­gramm und somit nicht zur Disposition.

Zur Frage 15:

Jetzt geht es noch einmal ein Schwenk – um die Frage, die Sie alle und auch mich brennend interessiert, nämlich um die rasche Aufklärung der Vorkommnisse, was dieses Datenleck anlangt.

Wie gesagt, die Daten sind offline gestellt worden, das ist gelungen, aber gestern wurde noch sichergestellt, dass beide BIFIE-Direktoren Anzeige bei der Staatsanwalt­schaft erstattet haben und dass ich mit Kollegin Mikl-Leitner und dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit dafür sorgen werde – auch da wurde die Arbeit schon aufgenommen –, dass die Cyber-Crime-Gruppe im Bundeskriminalamt tätig wird, um Daten, sollten sie irgendwohin verschwunden sein, zu sichern. Da vertraue ich sehr auf die Behörden, in deren Hand es jetzt liegt, dass da so rasch wie möglich Aufklärung erfolgt.

Wir haben – das möchte ich auch sagen, und das wurde heute auch schon erwähnt – im Ministerium ein Schreiben erhalten, nicht direkt von dieser Firma, sondern wir haben eine Kopie des Schreibens dieser Firma, um die es heute ging – Zoe Solutions –, an das BIFIE erhalten, und zwar am 18. Dezember, also genau zwei Tage nach meiner Angelobung als Bildungsministerin. Es wurde am 19. Dezember sofort zur umge­henden Prüfung weitergeleitet, ob da etwas Wahres daran wäre. Ich hatte bis gestern keinen Grund, nicht darauf zu vertrauen, dass die BIFIE-Direktion alles in die Wege leitet, damit hier Aufklärung erfolgt.

Ich hatte geglaubt, das wäre erledigt, sage ich Ihnen, und ich bin gestern so wie viele aus allen Wolken gefallen, dass dem nicht so war.

Zur Frage 16:

Es geht um den Schutz der Daten von Lehrerinnen und Lehrern und von Schülerinnen und Schülern, und ich darf an dieser Stelle sagen: Die Daten der 400 000 Schülerinnen und Schüler sind keine Daten mit Namen. Es sind verschlüsselte Daten. Zur Beruhi­gung der Eltern sei gesagt: Es kann nicht nachvollzogen werden, um welche Schüle-rinnen und Schüler es sich handelt.

Ich bedaure sehr, dass die E-Mail-Adressen der Lehrerinnen und Lehrer kurz einmal online waren. Ich hatte nie Zugang zu diesen Daten, das BIFIE im Übrigen auch nicht, weil sie in Zusammenarbeit mit einer neuen Firma darauf vertraut haben, dass die Sache geschützt wäre.

Daher glaube ich, dass alles daran gesetzt wird, dass wir nicht nur Vertrauen zurück­gewinnen, sondern auch diese Datensicherheit sofort wiederherstellen und die Daten dem Zugriff von wem auch immer entziehen.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 69

Die Maßnahmen, die ich genannt habe, wurden gestern Abend bereits eingeleitet  einerseits ein Vorerhebungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft, andererseits Kontaktaufnahme mit der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit.

Zur Frage 17:

Es ist ein laufendes Verfahren. Der Fall soll natürlich so schnell wie möglich lückenlos aufgeklärt werden, und erst danach, wenn Schuldige gefunden wurden, wenn klar ist, wer dieses Datenleck in letzter Konsequenz zu verantworten hat, ist es seriös, die Öffentlichkeit zu Informieren.

Zur Frage 18:

Da geht es um Daten und die Frage der Matura Neu. – In der Anfrage steht noch „Zentralmatura“; „zentral“ stimmt aber nicht, weil nur teilstandardisiert. Das möchte ich nur noch einmal gesagt haben.

Ich sage Ihnen als Antwort: Bis Datensicherheit hergestellt ist, bis der Sachverhalt restlos aufgeklärt ist, finden keine weiteren Testungen statt. Das habe ich heute veranlasst. Ich werde nicht zulassen, dass Vorbereitungsüberprüfungen für die Bil­dungs­standards Deutsch, 4. Klasse, 8. Klasse  die sollten demnächst vorbereitet werden; im Mai sollte getestet werden –, stattfinden, wenn nicht abgeschlossen ist, was hier los war. Dann wird sich das verzögern. Das stelle ich somit klar.

Dasselbe gilt für die Matura Neu. Es geht um zwei Schulen, die den Durchlauf machen. Hier geht es eventuell darum, ob Prüfungsfragen an die Öffentlichkeit gelangen. Wenn auch hier eine Verzögerung ansteht, dann bin ich dafür, dass wir diese Verzögerung selbstverständlich in Kauf nehmen.

Die richtige, flächendeckende Matura Neu wird es erst nächstes Jahr – beziehungs­weise für die berufsbildenden Schulen in zwei Jahren – geben. Bis dann wird ja alles aufgeklärt sein.

Es kann daher zu Verzögerungen kommen. Bei der Matura Neu müsste es, glaube ich, zu keiner Verzögerung kommen, aber noch einmal: Keine weiteren Testungen durch das BIFIE an Schulstandorten, bis nicht geklärt ist, ob wieder totale Datensicherheit vorherrscht!

Zur Frage 19:

„Wenn ja, wie begründen Sie das?“ – Sachverhalt aufklären, keine weiteren Testun­gen – das habe ich schon gesagt.

Zur Frage 20:

Es geht jetzt darum, wenn es sich herausstellt, dass es einen Grund dafür gibt, alle Experten und Expertinnen auf Basis der Fakten zur Verantwortung zu ziehen. Ich schließe diese Konsequenzen selbstverständlich nicht aus. Es geht nicht darum, jemanden zu schützen. Es geht einzig und allein darum, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und deren Daten zu schützen. Wenn Schuldige gefunden werden, so haben diese auch die Konsequenzen zu tragen.

Zur Frage 21:

Welche Firmen sind im Umfeld des BIFIE tätig? – Ich möchte Ihnen das gerne zur Kenntnis bringen: Das BIFIE kooperiert mit einer ganzen Reihe von Dienstleistern in unterschiedlichen Bereichen – IT, Logistik, Druck, Personalvermittlung und einiges mehr. Im Bereich der IT arbeitet das BIFIE zurzeit mit drei größeren Dienstleistern zusammen: conova, ANEXIA und Kapsch. Ein weiterer größerer Dienstleister für das BIFIE im Bereich der Druckaufträge ist MBE.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 70

Zur Frage 22:

Wer davon ist für Datensicherheit zuständig? – Für Datensicherheit zuständig ist das BIFIE selbst, konkret das Zentrum für Management und Services im BIFIE. Wenn sensible Daten im Zuge von IT-Anwendungen an Dienstleister, wie ich sie soeben genannt habe, zum Beispiel an die Firma Kapsch, weitergegeben werden, so müssen die sich vertraglich verpflichten, dass sie hinsichtlich der Datensicherheit die gleichen Anforderungen erfüllen, wie sie auch im BIFIE zur Anwendung kommen. So war es auch bei dieser Informellen Kompetenzmessung, die da jetzt hochgegangen ist, mit den Daten.

Das heißt, alle Firmen, die in diesen Bereichen tätig sind, sind somit im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Datensicherheit verpflichtet. Das wird auch vertraglich festgelegt – auch für Druck, Logistik, Rechenzentren, Softwareplattformen et cetera. Das ist abgesichert. Trotzdem ist ein Leck entstanden. Das muss so schnell wie möglich aufgeklärt werden.

Ich möchte die Fragen 23 und 26 gerne zusammenziehen, weil ich Ihnen antworten möchte, dass ich die Antworten so schnell wie möglich schriftlich nachreiche. Ich habe mir keinen Überblick mehr machen können, wie viele Firmen das in Summe sind. Auch mit Xerox oder anderen Anbietern haben mein Ministerium und das BIFIE jetzt Ver­träge. Das muss man jetzt herausfiltern, und das würde ich Ihnen gerne so schnell wie möglich schriftlich nachreichen.

Zur Frage 24: „Gab es für die einzelnen Leistungen eine Ausschreibung?“

Selbstverständlich unterliegt das BIFIE auch dem Bundesvergabegesetz aus 2006, und Aufträge mit einem Volumen über 100 000 € werden selbstverständlich ausge­schrieben. Die genaue Handhabung des Bundesvergabegesetzes ist im Organisations­handbuch des BIFIE festgelegt. Im Zuge der zweiten Novellierung des BIFIE-Gesetzes in 2012 wurde zudem festgelegt, dass alle Verträge des BIFIE, deren Volumen 60 000 € überschreiten – die Summe wurde herabgesetzt –, dem Aufsichtsrat vorher zur Genehmigung vorzulegen sind. Das beinhaltet selbstverständlich auch die Aus­schreibungen beziehungsweise die Einleitung von Ausschreibungsverfahren. Ich habe folgende sechs Ausschreibungen zu verlesen:

Erstens: Vergabe Druck von Testmaterial für Schülerstudien in Österreich 2013 bis 2015 an Xerox Austria;

Zweitens: Vergabe Logistik von Testmaterial für Schülerstudien in Österreich 2013 bis 2015 an MBE Mail Boxes etc. - Büro und Versandservices GmbH;

Drittens: PLATO 2013, Web-Anwendung zur Unterstützung von Schülerleistungs­studien in Österreich an ANEXIA Internetdienstleistungs-GmbH;

Viertens: Vergabe Druck und Konfektionierung von Test- und Prüfungsunterlagen für SRDP und FT 2014 bis 2016 an B.O.S. Beratungs- und Organisationsservice-GmbH;

Fünftens: Vergabe Logistik von Test- und Prüfungsunterlagen für SRDP und FT 2014 bis 2016 an Post.Wertlogistik GmbH;

Sechstens: Vergabe von Dienstleistungen zum technischen Hosting für Server und IT-Infrastruktur des BIFIE in einem Rechenzentrum ab 1. März 2014 an conova com­munications GmbH.

Zur Frage 25:

Folgende Aufträge mussten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht ausgeschrieben werden, das sind Aufträge unter den von mir genannten Summen: Plattform CORA, Plattform ERGO , Plattform RLK, Plattform IKM, Plattform PIA.


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Ich hoffe, dass ich die Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet habe. Wie gesagt, 23 und 26 werden ehestmöglich nachgereicht.

Ich kann Ihnen versichern, dass ich alles daran setzen werde, dass alles zu diesem Datenleck lückenlos aufgeklärt wird und dass der bestmögliche Schutz der Kinder und der Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft gewährleistet sein wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke, Frau Ministerin.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten beschränkt ist

Als Erster ist Herr Bundesrat Jenewein zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. (Zwi­schenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Jenewein  auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich glaube nicht, dass es schlimm werden wird!)

 


16.45.31

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Ich bitte um Nachsicht, meine Stimme ist etwas angeschlagen, aber sie ist immer noch laut genug, um den Saal zu füllen. (Ruf bei der ÖVP: Kurz bitte!) – Ich werde mich bemühen, es kurz zu machen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Um gleich zum BIFIE zu kommen: Es ist schön, dass Sie uns mitgeteilt haben, dass seit gestern offenbar alle Räder in Bewegung sind und dass man seit gestern offenbar im BIFIE und auch in Ihrem Ministerium tätig geworden ist.

Fakt ist, dass seit 18. Dezember bekannt war, dass es ein Datenleck gibt – wo immer das auch herkommt oder wo immer auch diese Daten herkommen. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Eine Behauptung!) – Das war eine Behauptung, im Endeffekt hat sich die Behauptung eben als wahr herausgestellt. Das heißt, man kann dieser Be­haup­tung durchaus Glauben schenken.

Die Frage, die wir uns prinzipiell stellen sollten – unabhängig von diesem Datenleck, das sich dann als existent herausgestellt hat – ist, wie denn in Österreich von Haus aus mit sensiblen Daten umgegangen wird.

Wir haben in der jüngeren Vergangenheit – wir sprechen da also nicht von längeren Zeitspannen – immer wieder Datenpannen im öffentlichen Bereich gehabt. Meistens waren es nicht irgendwelche bösen oder vermummten Hacker, die irgendwo in einem Keller sitzen und Daten saugen, sondern es hat sich herausgestellt, dass die Ursache meist im eigenen Unvermögen der Ministerien zu suchen ist. Ich darf für alle, die es heute nicht in der „Presse“ gelesen haben, ein paar Beispiele bringen:

Es gab eine Panne im Computersystem des Innenministeriums. Darüber haben wir hier sogar schon einmal gesprochen. Ich habe Ihnen damals den Tagesplan der Frau Innenministerin Mikl-Leitner vorgelesen. Das war ebenfalls nicht darin begründet, dass irgendein böser Hacker die Daten veröffentlicht hätte. Es war ganz einfach ein unver­schlüsseltes System, und man konnte ganz offen ins Zeitmanagement der Frau Innen­ministerin schauen.

Im Jahr 2013 wurde ein Datensatz des Apotheker-Verlags öffentlich gemacht. Bei den Gesundheitsdaten des Hauptverbandes im Oktober 2013 gab es ebenfalls keinen Hackerangriff. In Tirol waren im Jahr 2011 550 000 Datensätze der Tiroler Gebiets­kranken­kasse öffentlich abrufbar.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 72

Jetzt haben wir wieder so einen Fall. Das heißt, in den Ministerien, in den Instituten und auch in den Unternehmen, die im Einflussbereich der Ministerien stehen, wird bis zum heutigen Tag nicht peinlich darauf geachtet, wie man in Österreich mit Daten und mit Datenschutz umgeht. Das ist eine höchst eigenwillige Arbeitsmoral, das muss ich Ihnen schon sagen.

Ich kann Ihnen auch hier und heute sagen, dass sich der Rechnungshof ebenfalls genau mit dieser Frage beschäftigen wird. Da frage ich mich schon, warum die Prüfung nicht schon selbständig anläuft. Es kann ja nicht wahr sein, dass wir ein oder zwei Monate offenbar völlige Untätigkeit haben.

Jetzt verstehe ich schon, dass Sie erst zwei Tagen zuvor Ministerin geworden sind. Ich mache Ihnen ja persönlich auch keinen Vorwurf. Aber es hat ja nur die Ministerin gewechselt und nicht das gesamte Ministerium. Es muss ja dort auch noch Verant­wortliche geben, die in der Zeit der Regierungsverhandlungen oder der Neubestellung einer Regierung tätig sind und darauf schauen, dass alles seine Richtigkeit hat.

Das alles ist höchst eigenwillig – alleine die Erklärung, die heute vom BIFIE gekommen ist: Es könnte möglich sein, dass Daten verloren gegangen sind. – Ja, die sind ganz sicher verloren gegangen, sonst wären sie ja nicht auf dem Server zu finden gewesen!

Fakt ist: So etwas darf nicht verloren gehen. Das nächste Mal finden wir dann eben die persönlichen Strafakten irgendwo veröffentlicht, und das nächste Mal finden wir Führer­scheindaten, die irgendwo verloren gehen.

Das sind ganz einfach Zustände, die wir nicht nötig haben. Das hat auch die Republik Österreich nicht nötig. Ich denke, wir haben entsprechende Personen, wir haben ent­sprechende Firmen, und wir hätten auch das Know-how, um so etwas gar nicht zuzulassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme zum eigentlichen Inhalt der Dringlichen Anfrage: Nun muss ich ebenfalls die Frage stellen, wohin denn der Weg der Bildungspolitik in Österreich eigentlich geht. Es gibt ja keine Partei in diesem Hohen Haus und den Landtagen, die sich die Bildungspolitik nicht als wesentliches Kernelement der eigenen politischen Darstellung in Wahlkämpfen an die Fahnen heftet. Wir müssen aber im Bereich der Bildungspolitik eigentlich Folgendes beobachten: Auf der einen Seite wird der wissenschaftliche und universitäre Bereich durchaus auf einen guten Weg gebracht. Wir haben das ja heute schon im Zusammenhang mit Krems und Oberösterreich gesehen. Auf der anderen Seite wird dort, wo es Grundlagen zu bilden gilt, damit man überhaupt Richtung univer­sitären Bereich gehen kann, seit Jahren von Experiment zu Experiment herumlaviert. Ich sage das so deutlich.

Man kann auch keine stringente, durchgehende Linie erkennen. Es gibt ganz einfach keinen Weg der österreichischen Bildungspolitik, von dem man sagen kann: Da wird seit Jahren an einem Strang gezogen. Jeder Minister, jede Regierung macht ein bisschen was da, ein bisschen was dort. Im Endeffekt wird dann spätestens nach den nächsten Wahlen alles über den Haufen geworfen. Dann wird es wieder neu erfunden, und dann machen wir wieder alles besser und schöner.

Ich habe das heute schon mit ein paar Kollegen besprochen: Ich werde heuer im Sommer 40 Jahre alt. Als ich in die Volksschule gegangen bin, habe ich im ersten Schuljahr selbstverständlich eine verbale Beurteilung bekommen. Das war für mich an sich nichts Aufregendes, das haben meine Schwestern, die allesamt älter sind als ich, auch schon bekommen. Das heißt, die verbale Beurteilung ist jetzt nichts Neues oder Interessantes. Das gibt es doch schon seit einigen Jahrzehnten. Es ist auch schon ein bisschen länger her, dass ich in der Schule gewesen bin.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 73

Jetzt, im Jahre 2014, überlegen wir dann plötzlich: Vielleicht sollten wir die verbale Beurteilung von der ersten Klasse auf die zweite oder gar die dritte Klasse ausweiten?

Die Frage ist ja vielmehr: Wie geht denn das weiter? Kommt dann vielleicht die nächste Bundesregierung auf die Idee und sagt: Naja, eigentlich brauchen wir ja in der vierten Klasse Volksschule auch keine Benotung mehr. Wir wollen ja sowieso die Gesamt­schule haben, und da muss ja jeder hingehen, also brauchen wir auch kein Jahres-abschlusszeugnis. Die Noten bekommen sie ja dann ohnehin in der Gesamtschule.

Dann kommt irgendwann das böse Erwachen, wenn die Schüler draufkommen, dass man bei der Benotung nicht nur den Namen singen oder klatschen können muss, son-dern dass es doch auch noch andere Bewertungskriterien im Leben eines Menschen gibt, die nicht unbedingt mit liebevollen Worten und reinen Streicheleinheiten verbaler Natur abzugelten sind. Dann stehen sie stattdessen beinhart in einem Benotungs­system.

Spätestens wenn man im Arbeitsprozess steht, wird gerade am Anfang der direkte Vorgesetze auch nicht unbedingt so sein, dass er den Mitarbeiter mit der verbalen Beurteilung streichelt und sagt: Naja, vielleicht könnten wir uns ein bisschen ver­bessern. Da wird dann eben Leistung eingefordert. Genau das ist des Pudels Kern.

Sehen wir uns an, was gerade bei der SPÖ-Bildungspolitik für Ideen kommen: Wir haben zum Beispiel die Wiener Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl, die den ver­pflich­tenden Kindergartenbesuch ab dem ersten Lebensjahr gefordert hat. Das wurde dann zwar vom Wiener Bürgermeister relativ schnell relativiert. Er hat gesagt, dass sie das ja eigentlich gar nicht so gemeint hätte. Diese Forderung der Frau Stadt­schulrats­präsidentin findet man aber im Interview mit den „Salzburger Nachrichten“, das kann jeder nachlesen.

Da stelle ich mir die Frage: Wie kommt man auf die Idee, dass man einem einjährigen Kind den verpflichtenden Kindergarten umhängen möchte? Wie kommt man auf so eine Idee? – Auf so eine Idee kommt man natürlich auch dann, wenn man Bildungs­sprecher im Parlament hat, die auf der einen Seite sagen, dass sie dafür kämpfen, dass jeder denselben Zugang zu Bildung hat und dass es keine Studiengebühren gibt. Dann legen sie auf der anderen Seite aber das eigene Mandat hin und sagen, dass sie jetzt nach Stanford gehen und dort 100 000 US-Dollar Studiengebühren zahlen. Das widerspricht sich eben auch ein bisschen. (Bundesrat Schreuder: Stanford ist aber keine Erfindung von der Frau Rudas! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Na sicher ist es keine Erfindung der Frau Rudas. Aber, Herr Kollege Schreuder, Frau Rudas war jene Politikerin, die sich in der Vergangenheit immer wieder sehr stark dafür gemacht hat, dass gleicher Zugang für alle Gesellschaftsschichten möglich sein muss.

Die Frage ist, ob sie dort, wo sie jetzt ihr Masterstudium machen wird, ebenfalls jene Umstände vorfindet, die sie ja selbst so gern für sich und ihre Wählerklientel in Anspruch nehmen möchte, nämlich den freien Zugang. Das schauen wir uns doch an, ob dort dann der freie Zugang ist! Das schauen wir uns doch an, wie das dort mit den Studiengebühren ist! Auf einmal, wenn es einen selbst betrifft, ist es eben nicht mehr ganz so wichtig. (Bundesrat Mayer: Unterrichtsminister Jenewein!) – Naja, nicht Unterrichtsminister Jenewein.

Aber Folgendes ist interessant: Ich weiß natürlich, dass gerade die Volkspartei auch beim nächsten Geniestreich der SPÖ-Bildungspolitik, nämlich bei der Gesamtschule, ein bisschen gespalten ist. Herr Kollege aus dem Ländle! Gerade im Ländle ist die Volkspartei ja durchaus – sagen wir einmal – diesem Experiment nicht abgeneigt. Auf der anderen Seite wissen wir auch  (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Wir haben eine ganz klare Linie. (Bundesrätin Blatnik:  da war die FPÖ


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aber auch dabei!) – Naja, wir haben eine klare Linie. Die FPÖ lehnt die Gesamtschule ab.

Herr Kollege, der Unterschied ist: Wenn bei uns jemand als Person eine Meinung hat, dann kann er die selbstverständlich haben. Bei Ihnen ist es ja so, dass die Partei in dieser Frage völlig in einen Westblock und einen Ostblock gespalten ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Frage ist nur, ob der Ostblock in dieser Frage nicht den richtigeren Weg einge­schlagen hat. Ich schätze Sie ja persönlich sehr, Herr Kollege. Aber ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, mit Gesamtschulexperimenten zu arbeiten, weiß ich nicht.

Eigentlich ist es auch ein Problem, dass man oftmals leider Gottes Ursache und Wir-kung verwechselt, und das zeigt sich hier auch wieder. Die Frage ist ja: Warum haben wir denn gerade im Schulsystem so ein Gefälle zwischen urbanem Bereich auf der einen Seite und ländlichem Bereich auf der anderen Seite? – Dafür gibt es natürlich auch Gründe. Schauen Sie sich die Schulsysteme in Wien an, und dann schauen Sie sich die Situation ein bisschen außerhalb von Wien an. Da brauchen Sie gar nicht weit zu gehen: nur 10, 15 oder 20 Kilometer außerhalb von Wien schaut es ganz anders aus.

Ich kenne sehr viele Leute, die niemals FPÖ-affin waren, die sogar die Grünen wählen, die sagen: In Wien gebe ich mein Kind nicht in eine öffentliche Schule, das ist ganz klar, da kommt das Kind in die Privatschule. Dieselben Leute flüchten sich dann relativ schnell irgendwo Richtung Speckgürtel, und dann ist es überhaupt kein Problem mehr, dann kann man das Kind durchaus in die öffentliche Schule geben.

Da muss man sich schon einmal die Frage stellen: Warum ist denn das so? Was ist denn da die Ursache? Liegt denn die Ursache für diesen Abfall des Bildungssystems auch darin, dass wir selbstverständlich auch durch die Zuwanderung in Wien einen Leistungs- und Niveauabfall haben? Der kann ganz einfach mit den derzeitigen Mitteln nicht kompensiert werden. Darum ist es auch eine Notwendigkeit, dass die Deutsch­kenntnisse der Schüler vor Schuleintritt objektiv beurteilt werden, und dass man sagt: Kinder dürfen erst dann am Regelunterricht teilnehmen, wenn sie der deutschen Sprache mächtig sind. Das ist ein wesentlicher Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind überhaupt der Meinung, dass wir Kinder vor Bildungsexperimenten und vor sozialpädagogischen Experimenten bewahren sollten. Aus diesem Grund sind wir auch der Meinung, dass wir das Schulnotensystem, das sich seit Jahrzehnten in diesem Land bewährt hat, auch behalten sollten.

Aus diesem Grunde darf ich einen Entschließungsantrag, den meine Fraktion heute eingebracht hat, zur Kenntnis bringen und verlesen:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, am bewährten System der Beurteilung der Leistungen der Schüler in Form von ziffernmäßigen Noten festzuhalten.“

*****

In formeller Hinsicht wird verlangt, gemäß § 53 (3) GO-BR über diesen Antrag eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, das Thema Bildung ist sehr, sehr wichtig. Auch das Thema Datenschutz ist wichtig. Wir sollten, wenn wir darüber debat­tieren, durchaus daran denken, dass es sehr viele Kinder und Jugendliche gibt, die


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derzeit zur Schule gehen. Sehr viele Kinder werden demnächst eingeschult. Ich möchte eigentlich auch, dass wir den zukünftigen Generationen, unseren Kindern und jenen, die in den nächsten Jahren die Schulbank drücken werden, ein Schulsystem hinterlassen, das ohne Experimente auskommt und auch auf die Zeit nach der Schule vorbereitet. Dann hat man sich jedenfalls dem Leistungsdruck zu stellen, während man eben bisher nicht mit einer Beurteilung oder einer persönlichen Benotung hat leben müssen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Der von Frau Bundesrätin Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Beibe­haltung des bewährten Systems der Beurteilung der Leistungen der Schüler in Form von ziffernmäßigen Noten ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Köberl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.59.26

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Bei der Diskussion, wann und wofür eine Dringliche Anfrage an Mitglieder der Bundesregierung notwendig ist, kann man geteilter Meinung sein. Jedenfalls: In Bezug auf das BIFIE bin ich eindeutig dafür.

Bei der Diskussion über die verbale Beurteilung lassen Sie mich einmal einen anderen Zugang versuchen. Ich habe die Vorschläge für die verbale Beurteilung im Grundschul­bereich hier ein bisschen für unser Plenum abgewandelt:

Punkt eins: benötigt bei der Durchführung von Arbeitsaufträgen, ist gleich Redebei­trägen, viel Zuwendung, Bestätigung oder Ermutigung; Punkt zwei: lässt sich bei Sach­begegnungen nicht oder schon durch Nebensächlichkeiten ablenken. Und Punkt drei wäre: setzt Spielanweisungen, ist in diesem Fall gleich Klubvorgaben, materialgerecht um. – Das wäre eine Auswahl aus den Möglichkeiten einer verbalen Beurteilung.

Aber zurück zum eigentlichen Thema, das uns heute beschäftigt. Und ich sage das als jemand, der seit rund 30 Jahren auch im Schuldienst steht, der das gerne macht, der auch Vater von zwei Kindern ist, die dieses Schulsystem durchlaufen. Mir ist eine Situation in Erinnerung, die noch gar nicht lange her ist: In der Stunde, in der die Zeug­nisse verteilt werden, gibt es bei mir immer auch die Befragung der betroffenen Schülerinnen und Schüler nach der Selbsteinschätzung im Notensystem in der fünf­teiligen Notenskala. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht über­raschend: Da haben wir eine sehr, sehr hohe Trefferquote. 70, 80 Prozent der Betroffenen schät­zen sich selber richtig und ehrlich ein.

Damit bin ich wieder beim gesamten Ansatz. Das Gros der Schüler und Schülerinnen und der Eltern – rund 80 Prozent – hat keine Probleme mit dem derzeitigen Schul­noten­system. Das wissen wir auch. Auch sehen die allermeisten betroffenen Jugend­lichen und die Eltern die Noten eigentlich ganz nüchtern als Bilanz dessen, was die eigenen Sprösslinge im Schulbereich eben geleistet oder nicht geleistet haben.

Hinter einer Zeugnisnote, das dürfen wir nicht vergessen, steckt eigentlich nicht eine blanke Ziffer, sondern davor gibt es eine Reihe von Maßnahmen, von Verbesserungs­möglichkeiten, von Informationen an die Erziehungsberechtigten – vor allem, wenn es um eine drohende negative Beurteilung geht. Hier gibt es einen Förder- und Nach­holbedarf in eigens angebotenen Stunden. Das hat sich in den letzten Jahren stark gebessert. Nur werden aus solchen Orientierungshilfen und Gesprächen – auch mit den Betroffenen – nicht immer die richtigen Konsequenzen gezogen. Und eigentlich –


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da müsste man sich gegenüber ehrlich sein – sollte es für den Vater oder die Mutter bei der Zeugnisverteilung keine Überraschung geben, wenn es um die Noten geht, denn es besteht genügend Möglichkeit, sich im Laufe des Jahres hier auch einzubrin­gen und nicht erst am Ende eines Semesters oder am Ende eines Schuljahres wach zu werden.

Wann werden Noten zum Problem? – Fragen wir uns das einmal! Zum massiven Problem werden Schulnoten, wenn Eltern, Schüler oder manchmal auch Lehrer oder Professoren etwa zum Beispiel ein Persönlichkeitsurteil hineinprojizieren, das in den Noten und Zeugnissen nichts verloren hat. Das muss man klar und deutlich heraus­streichen. (Bundesrat Dörfler: Applaus!)

Zum Streitpunkt werden Noten und Zeugnisse auch dann – und das kennen wir auch –, wenn sie eigentlich als Grundlage dafür dienen, dass Eltern oder Großeltern Zuwen­dungen – auch materieller Art  von guten Noten abhängig machen. Wer von uns kennt nicht in seinem Umfeld vielleicht Situationen, in denen jemand gesagt hat: Wenn du einen Einser hast, dann kriegst du das und das dafür. – Sollte das der richtige Ansporn sein? – Ich glaube, es kann ein Ansporn sein, es soll aber nicht davon abhän­gig gemacht werden, ob der Sprössling das eine darf oder das andere nicht darf. (Bundesrat Mag. Himmer: Positives Doping!)

Ich möchte dazu kommen – und glaube, das sieht man schon aus meinen Eingangs­bemerkungen –, und da darf ich wohl für die gesamte ÖVP sprechen: Wir bekennen uns zu einer Beibehaltung des Schulnotensystems in diesem Bereich, wo es Sinn macht, wo es sich bewährt hat und wo es auch in Zukunft diese Schulnoten weiter geben wird.

Ich darf aber auf diese spezielle Eingangsphase eingehen. Ich habe gerade mit meiner Schwester telefonisch darüber gesprochen – sie ist derzeit provisorische Schulleiterin in einer Volksschule –, wie es ihr denn mit diesen verbalen Beurteilungen geht. Wir haben gehört, es gibt rund 2 800 Schulversuche. Ich habe nachgeschaut, wie viele Volksschulen es in Österreich gibt. Es sind nicht viel mehr. Ich glaube, es sind etwa 3 130. Das heißt, wenn das überwiegende Gros das jetzt schon als Schulversuch angemeldet hat, was sich auch in der Praxis bewährt hat, dann kann das nicht so schlecht sein.

Herr Kollege Jenewein, man kann jetzt darüber diskutieren, ob es mit dem Ende der ersten Grundstufe, des ersten Teils beendet werden soll oder ob es auch noch in die dritte Volksschulklasse hineinkommt. Fest steht jedenfalls: Kinder wollen benotet werden. Das sage ich Ihnen als Lehrer, der das 28 Jahre lang auch gemacht hat. Sie fordern eine Anerkennung der Leistung und tolerieren auch eine schlechte Note, wenn sie wissen, warum bessere Noten nicht gegeben wurden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es steht auch außer Frage, dass natürlich in bestimmten Altersstufen ergänzende Erläuterungen zu gewissen Noten Sinn machen. Ich möchte Ihnen eine lustige Anek­dote dazu erzählen: Mich hat in meinem ganzen Leben eine verbale Beurteilung bei einer Leistungsfeststellung am meisten bewegt – oder ich habe mir diese am besten gemerkt –; nicht die Noten in verschiedenen Gegenständen, sondern als es darum ging, wer als Chorschüler in unserem Hauptschulchor – damals noch ein Knabenchor – geeignet war. Jeder hat ein Stück vorsingen müssen. Als der Schüler Günther Köberl drangekommen ist, hat er sich die Bundeshymne vorgenommen. Und nach wenigen Takten hat mich der Klassenvorstand und Chorleiter zur Seite geholt und gesagt: Nein, doch eher nicht! – Dieses „doch eher nicht“ habe ich mir lange gemerkt. Auch verbale Beurteilungen können sehr prägend sein, glauben Sie mir das. (Allgemeine Heiterkeit.)


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Noch einmal zurück zum Notensystem. Ich bin unserer Frau Minister sehr dankbar, dass sie hier klar Stellung bezogen hat. Es steht nichts im Regierungsprogramm. Eine Änderung würde es auch mit der ÖVP in dieser Legislaturperiode sicher nicht geben. Dass natürlich auch die Diskussion rund um die bevorstehende Matura Neu einiges an Staub aufgewirbelt hat, verstehe ich schon. Gerade meine Tochter ist auch eine derjenigen, die nächstes Jahr zu den Ersten zählen wird, die hier drankommen.

Ein Detail, Frau Minister, kann ich Ihnen nicht ersparen. Es war schon verwunderlich, dass man, als es darum gegangen ist, in Mathematik die Leistungsbeurteilung zu modifizieren – was von Fachleuten und Professoren lange gefordert wurde –, dort eigentlich nicht weitergekommen ist. Die Schülervertreter haben es zum Thema gemacht und sich erkämpft – im positiven Sinne –, dass nicht ein Beispiel komplett falsch oder mit null Punkten bewertet wird, wenn der Rechengang richtig ist und wenn man erst zum Schluss einen kleinen Fehler gemacht hat. Daher glaube ich, dass auch hier – um das berühmte Zitat zu verwenden – nicht alles in Stein gemeißelt sein darf, sondern man es hier auch ständig weiter verbessern und weiterentwickeln soll.

Diese Matura Neu werden wir wahrscheinlich dann zu beurteilen haben, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen. Auch die Neue Mittelschule, die NMS, sollte den geplanten Zeitraum für die Evaluierung durchlaufen. Begehen wir nicht diesen Fehler, dass wir während einer Evaluierungsphase alles als völlig richtig oder alles als völlig falsch erkennen und bereits jetzt über Bord werfen.

Zum System der verbalen Beurteilung: Wir bekennen uns dazu, dass es künftig auch möglich sein soll, nach einer schulstandortspezifischen Entscheidung bis zur dritten Klasse auch möglicherweise eine verbale Beurteilung hereinzubringen. Aber ein klares Nein zur Abschaffung der Noten im sekundären und tertiären Bereich!

Zum BIFIE wird sich vielleicht mein Kollege später noch zu Wort melden. Das ist eine ernste Angelegenheit. Hier geht es um einen Vertrauensbruch, der schwer wieder gutzumachen sein wird. Hier sind viele enttäuscht darüber, dass es passiert ist. Geschätzte Frau Minister, ich und wir fordern von Ihnen eine lückenlose Aufklärung und auch das Ziehen von notwendigen Konsequenzen, wenn es hier ein Fehlverhalten gegeben hat oder wenn hier Verfehlungen aufgedeckt worden sind. Hier ist ein Schaden entstanden, der sich schwer wieder gutmachen lässt, nicht ein Schaden in materieller Hinsicht, sondern ein Schaden, was das Vertrauen in eine neue Form betrifft. Da sind Sie sicherlich auch noch in den weiteren Entscheidungen gefordert.

Warum werden wir dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen nicht zustimmen? – Sie sprechen ausschließlich vom bewährten Ziffernsystem. Wir haben bereits in der Grundstufe eins der Volksschule dieses bewährte System, wo es gut geht und auch Sie davon gesprochen haben, dass es eigentlich Sinn macht, hier ergänzende verbale Beurteilungen vorzunehmen. Deshalb sagen wir: Wir wollen diese gemeinsame Form und wollen uns nicht ausschließlich – nicht ausschließlich! – auf eine Beurteilung durch Ziffern konzentrieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Mayer zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken. Ich erteile Herrn Bundesrat Mayer das Wort.

 



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17.11.02

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ja, lieber Herr Kollege Jenewein, es soll ja keine Retourkutsche sein. Eine tatsächliche Berichtigung ist einfach dazu da, um auf die Tatsachen, die Wirklichkeit aufmerksam zu machen. Da muss ich jetzt in aller Form anführen, dass die Vorarlberger Volkspartei und auch der Vorarlberger Landtag – der sich damit befasst hat – ein Forschungs­projekt initiiert haben, das sich auch mit den Hintergründen und den Möglichkeiten der gemeinsamen Schule in Vorarlberg auseinandersetzt. Aber dass die Vorarlberger Volkspartei jetzt von vornherein und grundsätzlich in Richtung gemeinsame Schule unterwegs ist, stimmt so nicht und ist deshalb zurückzuweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

Hingegen – und jetzt kommt sicher der Applaus für die eigene Partei – sind die Frei­heitliche Partei in Vorarlberg (Bundesrat Jenewein: Bravo!), auch der Parteiobmann Egger und die Bildungssprecherin Sabine Benzer, massiv (Bundesrätin Michalke: Silvia Benzer!) – Entschuldigung: Silvia Benzer – in Richtung gemeinsame Schule unter­wegs, entgegen allen freiheitlichen Bildungsmöglichkeiten in Restösterreich und auch entgegen der Meinung der Bundespartei der Freiheitlichen. Und das ist in dieser Form auch anzuwenden.

Die Vorarlberger wollen die beste Schule für Vorarlberg. Wir führen nicht nur eine Schuldebatte, sondern wir führen in Vorarlberg eine Bildungsdebatte, Herr Kollege Jenewein, und das ist der entscheidende Punkt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir setzen die Debatte fort. Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


17.12.50

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in meinem Statement vor allem auf die Leistungsbeurteilung, auf die Ziffern­noten eingehen und dazu Stellung beziehen.

Ich möchte euch eine Geschichte erzählen, meine Geschichte. Ich habe in meiner Volksschule, im Gymnasium sehr viel auswendig gelernt: für einen Test, für eine Note, für den Lehrer oder für die Lehrerin – aber niemals für mich. Ich hatte in der 2. Klasse Gymnasium ein „Nicht genügend“. Ich hatte aber in den Hauptgegenständen Einser und Zweier. Ich war eine negative Schülerin, und das, obwohl ich in Mathematik, und das, obwohl ich in Slowenisch, und das, obwohl ich in Deutsch ein „Sehr gut“ gehabt habe.

Dieses „Nicht genügend“ hat mich nicht motiviert. Dieses „Nicht genügend“ hat mich frustriert. – Das einfach zum Nachdenken, wie man Leistung definiert. Ein „Nicht genügend“, drei „Sehr gut“, zwei „Gut“, ein „Befriedigend“ – und ich war eine negative Schülerin.

Heute hat sich vieles geändert, Gott sei Dank! Wir haben neue Lernmethoden, wir haben neue Lehrmethoden. Wir haben offenes Lernen, fächerübergreifenden Unter­richt und Projektlernen, kompetenzorientiertes Lehren und Lernen, selbständiges Erar­beiten – das sind wichtige Faktoren in unserer Bildungspolitik geworden. Nicht nur das Wissen allein, nicht nur die fachliche Kompetenz allein – und die ist auch wichtig –, es sind auch andere Kompetenzen wichtig, zum Beispiel die soziale Kompetenz. Wenn ich fachlich gut bin, ist für eine Wirtschaft, für einen Betrieb – und das wird mir bestimmt Frau Präsidentin Zwazl auch bestätigen können – selbstverständlich das Wissen sehr viel wert und wichtig, aber wenn ich mich in das Team nicht eingliedern kann, dann hilft mir davon vieles oder fast alles nichts.


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Es ist unter der Bundesministerin Claudia Schmied viel passiert, und ich weiß, liebe Frau Bundesministerin, du wirst ihren Weg fortsetzen. Es ist passiert, Gott sei Dank, dass der Schüler und die Schülerin im Mittelpunkt stehen. Es ist passiert, dass Talente in den Vordergrund gestellt werden. Es soll eine Schule der Zukunft entwickelt werden, ohne Angst und Zittern, eine Schule, die Spaß und Freude macht. Ich habe vor diesem „Nicht genügend“ gezittert. Ich hatte Angst vor dem Professor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass Bildung etwas kosten darf. Wir wis­sen, dass wir in Bildung investieren müssen. Deswegen haben wir in Bildung investiert, 1,1 Milliarden €, 14 000 Lehrerinnen und Lehrer mehr  und wir fördern bitte auch die Ganztagsbetreuung.

Wenn ich in dieser Dringlichen Anfrage lese: „ein bildungspolitisches Desaster, das von Claudia Schmied hinterlassen wurde und von Heinisch-Hosek nahtlos fortgesetzt wird“, dann tut mir das weh, geht mir das unter die Haut. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wisst ihr, was ein Desaster ist? – Ein Desaster war die Situation in jener Zeit, als Schwarz und Blau regiert haben, das Bildungsbudget reduziert haben und Lehrer abgebaut haben. Das ist für mich ein Desaster. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich unterrichte seit 30 Jahren – mit sehr viel Freude – an der Berufsschule in Villach. Meine Aufgabe ist sicherlich, einerseits den Schülern und Schülerinnen Wissen zu vermitteln, andererseits aber auch die Schüler und Schü­lerinnen für die Zukunft vorzubereiten. Was heißt das für mich? – Sie dabei zu unter­stützen, dass sie selbständige, verantwortungsbewusste, eigenverantwortliche, krea­tive Menschen werden, die mitdenken, die mitbestimmen und die mitgestalten, die sich zu organisieren wissen.

Zu meiner Aufgabe gehört aber auch das Beurteilen. Unsere Beurteilung schaut fol­gendermaßen aus: Wir haben eine Ziffernnote und wir haben auch eine verbale Beur­teilung. Ich kann euch sagen, jeder Lehrer und jede Lehrerin, der oder die Schüler in einer Klasse beurteilt, hat so eine Leistungsbeurteilung (die Rednerin hält ein Schrift­stück in die Höhe) verbal zu machen.

Die gesamte Leistungsbeurteilung, die so aussieht (die Rednerin hält ein weiteres Schriftstück in die Höhe), beginnt mit einem ersten Satz: „Wenn Sie sagen, dass man nicht aus jedem Holz einen Löffel schnitzen könne, so antworte ich: Aber aus jedem Menschen kann ein Mensch werden.“

Diese verbale Beurteilung ist ein Resultat von allen Lehrern und Lehrerinnen, die in dieser Klasse unterrichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leistungsbeurteilungen dürfen nicht darauf hinaus­laufen, bei Schülern und Schülerinnen Ängste hervorzurufen und sie  – ja, und das unter Anführungszeichen – mit wenig aussagekräftigen Zahlen abzustempeln. Ich war keine negative Schülerin, wenn ich das als Ganzes sehe.

Es gibt genügend Experten und Expertinnen, die sagen, dass Noten nicht wirklich aus­reichend sind, um Kinder oder Jugendliche, Schüler und Schülerinnen insgesamt zu beurteilen. Neben Fachwissen gibt es auch Werte, Arbeitshaltungen und Sozialkom­petenzen, die meiner Meinung nach mit Ziffern nicht erfasst werden können.

Ich meine daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es an der Zeit und äußerst legitim ist, sich über neue Formen der Beurteilung Gedanken zu machen. Ich kann da das, was du, Kollege Köberl, gesagt hast, nur unterstreichen, und ich unterstütze dich, liebe Frau Ministerin, in deiner – wie hast du gesagt? – Vision, Utopie, den Menschen nicht nur als Abfolge von Ziffern zu sehen, sondern als Gesamtheit mit all seinen bezie­hungsweise ihren Kompetenzen.


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Deswegen unterstütze ich auch die Variante, die du angedacht hast, dass nämlich ab dem kommenden Schuljahr Eltern und Lehrer jeder Volksschulklasse bis zur dritten Schulstufe autonom entscheiden können, wie die Beurteilung der Kinder erfolgt. Das ist auch im Regierungsprogramm so verankert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, jede Neuerung ruft auch Kritik hervor, löst Ängste aus. Auch das ist äußerst legitim. Ein Kritikpunkt eines Landesschulrats­präsi­denten beispielsweise – ich habe das gelesen – war: Ziffernnoten sind etwas Bewähr­tes, eine bewährte Feedback-Methode in den Schulen. – Ja, das stimmt schon, aber eben nicht Ziffernnoten alleine.

Oder: Probleme kann man nicht durch Wegschauen lösen. Jeder Schüler und jede Schülerin haben ein Recht auf Beurteilung. – Auch das stimmt, aber auch Ziffernnoten, bitte, sind doch nicht das Gelbe von Ei. Ein „Nicht genügend“ zu geben ist das eine; man kann Fachkenntnisse sicherlich messen. Zu hinterfragen wäre allerdings, warum es zu diesem „Nicht genügend“ gekommen ist. Das lässt sich nicht messen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und dennoch dürfen wir auch da nicht wegschauen.

Ich kann nur völlig unterstreichen, was Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek sagt: Ich hoffe, dass wir uns die Ziffernnoten bald ersparen und die Kinder besser verbal beur­teilt werden.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Hvala lepa. Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

17.23

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­rat Schreuder. – Bitte.

 


17.23.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Eine Bildungsdebatte hat es natürlich immer so an sich, dass man per­sönliche Erfahrungen und Erinnerungen erzählt. Erlauben Sie mir, drei solche Erinne­rungen loszuwerden.

Die erste Erinnerung, die ich hier loswerden will, ist: Es war 1979. Meine Schulzeit liegt schon ein bisschen weiter zurück als die des Kollegen Jenewein, feiere ich doch in ein paar Wochen meinen 45. Geburtstag. 1979 also – und leider gibt es das auch heute noch – hat man meinen Eltern nach der Volksschule relativ deutlich vermittelt, dass man den Marco nicht ins Gymnasium schicken kann, weil er ja ein Ausländerkind und Deutsch nicht seine Muttersprache ist. – Das ist einmal eine Erinnerung.

Ich ging also in die Hauptschule. Das war aber eine super Hauptschule, das muss ich dazusagen. (Bundesrat Lindinger: In Strobl?) – Nein, in Bad Ischl. Die Hauptschule war in Bad Ischl; die Volksschule war in Rußbach bei St. Wolfgang.

Die zweite Erinnerung ist, dass ich im Maturazeugnis lauter Einser und Zweier hatte, nur in einem einzigen Fach nicht, sondern gerade noch ein Genügend. Das war Mathe­matik. Kurvendiskussionen habe ich bis heute nicht verstanden. Ich habe sie aber, ehrlich gesagt, auch wirklich nie gebraucht. (Widerspruch bei Bundesräten der ÖVP.) – Ja. – Nein. Ich habe sie nicht gebraucht. Ich sage ja nicht, dass man das grundsätzlich nicht braucht.

Jetzt kann man da heiter darüber hinweggehen, aber Tatsache war schon, dass all diese Jahre, in denen ich in so vielen Fächern gute Noten hatte, meine schlaflosen Nächte diesem einem einzigen Fach gegolten haben, in dem ich schlecht war. Bei allen Gesprächen und bei dem, was mein Vater von mir gefordert hat, hat es sich


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immer nur um dieses eine Fach gehandelt, in dem ich schlecht war. Zu hinterfragen, ob das gescheit ist, kommt ja eigentlich ohnehin 20 Jahre zu spät. Im Übrigen tut man das ohnehin schon seit ich weiß nicht wie vielen Jahrzehnten, und ich weiß auch nicht, wie viele Modell- und Schulversuche wir diesbezüglich schon in diesem Land gehabt haben. Es ist doch völlig klar, dass das nicht die Logik sein darf, dass die negative Beurteilung in einem einzelnen Fach für einen Schüler oder eine Schülerin nicht insgesamt eine Negativbeurteilung bedeuten darf. Das kann es nicht sein!

Ich habe jetzt das dritte Beispiel vergessen, das ich Ihnen noch erzählen wollte. Vielleicht fällt es mir noch ein.

Eines muss ich schon noch sagen, weil die Freiheitliche Partei vorhin die fehlende Linie in der Bildungspolitik kritisiert hat: Genau die fehlt mir bei den Freiheitlichen auch. Und zwar  (Bundesrätin Mühlwerth: Das habe ich nicht gesagt!) – Nein, nein! Das hat Herr Kollege Jenewein gesagt.

Auf der einen Seite wird also immer gegen die gemeinsame Schule argumentiert, denn dies sei sozialistische Gleichmacherei, so wird das dann genannt. (Die Bundesräte Jenewein und Mühlwerth: Genau! So ist es!) Man macht also gleich wieder Parteipolitik daraus, statt eine interessante Bildungsdebatte zu führen. Und gleichzeitig: Was ist gleichmacherischer als Schulnoten, ohne individuell auf die persönlichen Ziele von Schülern  (Bundesrat Jenewein: Ich bin sehr individuell!)

Jetzt lachen Sie mich nicht aus, Herr Kollege! Das ist jetzt nämlich an Sie gerichtet. Ich habe hier ein Comic für Sie. (Bundesrat Jenewein: Ich will das nicht sehen!) Ich zeige es Ihnen trotzdem. (Der Redner hält ein Tablet, mit dem Bildschirm Richtung FPÖ, in die Höhe.) Sie sehen – und ich erzähle Ihnen auch, was Sie sehen könnten, wenn Sie nicht herschauen – einen Lehrer, einen Baum, und Sie sehen einen Pinguin, einen Flamingo, einen Affen, einen Hund, einen Fisch, einen Seehund und einen Elefanten. Und der Lehrer sagt: „Um es gerecht zu machen, bekommt ihr alle dieselbe Aufgabe. Klettert auf den Baum!“ – Das ist ein Comic aus einem  (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kann ich jetzt, bitte, einmal reden, ohne dass Sie ständig hineinquatschen? Sie müs­sen auch einmal ein bisschen zuhören, Herr Jenewein! Ich habe Ihnen auch zugehört. Sie fordern hier Disziplin ein, aber Sie sind im Moment die Disziplinlosesten hier in diesem Saal, um das einmal deutlich zu sagen. (Widerspruch bei der FPÖ.)

Herr Kollege Jenewein, Schulnoten bedeuten nicht im Geringsten, dass man individuell auf Schüler und Schülerinnen eingeht. Schulnoten sind erstens einmal abhängig von den Lehrern und Lehrerinnen. (Bundesrat Herbert: Ist das bei verbalen Beurteilungen so viel anders?)

Jetzt fällt mir das dritte Beispiel ein: Ich hatte in Deutsch bei einem Lehrer grund­sätzlich immer ein Nicht genügend, und dann am Ende des Jahres ging sich gerade noch knapp ein Genügend aus. Dann kam ein neuer Lehrer, und plötzlich hatte ich ein Sehr gut. Und das ist vielen Menschen passiert. Sie können hier in diesen Reihen fragen, das wird ganz vielen hier passiert sein, dass ein Lehrer-, Lehrerinnenwechsel dazu geführt hat, dass man plötzlich ganz andere Noten hatte. (Anhaltende Zwischen­rufe.)

Beurteilen kann man natürlich Verschiedenes. Zum Ersten muss man, wenn man etwas beurteilt, ein Lernziel festlegen – und das ist das Wesentlichste, Herr Jenewein –, individuell, für jeden Schüler und jede Schülerin ein Lernziel festlegen. Und wenn das Schuljahr oder das Semester zu Ende ist, muss man prüfen: Was für ein Lernziel haben wir vereinbart? Wurde dieses Lernziel erreicht? – Ja, weit darüber hinaus, ja, fast oder nein? – Und, weil Sie ja auch eine strenge Beurteilung fordern, auch ein


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„Nein, wir haben das Lernziel nicht erreicht“, ist selbstverständlich eine Beurteilung. Diese bedeutet für den Schüler und die Schülerin: Da gehört noch etwas gemacht, da gehört noch etwas nachgeholt, da gehört etwas aufgeholt.

Eines halte ich schon für wichtig, weil wir jetzt eigentlich nur von Formen und Noten und dergleichen reden: Was ist, bitte, das Ziel von Schulen? – Das Ziel von Schulen ist doch, dass Schüler und Schülerinnen da drinnen sitzen und nicht Stoff lernen, sondern durch den Stoff das Lernen lernen und Freude am Lernen entwickeln, Neugierde ent­wickeln, Wissen vermittelt bekommen, Spaß daran haben und nicht ständig nur Angst davor haben, zum Beispiel vor diesem einen Fach. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das sage nicht ich, sondern das sagen Hunderte Pädagogen, Expertinnen und Exper­ten auf diesem Planeten. Und da können Sie noch so sehr abwinken, Frau Mühlwerth. Ich halte es für eine Unart, wie Sie hier gerade mit mir umgehen. Das möchte ich Ihnen schon sagen. (Bundesrat Mayer: Schulmeisterlich!) Schulmeisterlich. Vielen Dank, Herr Kollege Mayer!

So können wir eine Bildungsdebatte meiner Meinung nach nicht führen, wenn dann hier zuerst einmal ausgeteilt wird, aber wenn man dann wirklich darüber diskutieren will, wird das einfach – so wie jetzt – nur so abgetan mit irgendwelchen Schmähs. Das finde ich absolut unerträglich, um das hier ganz deutlich zu sagen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Meine Damen und Herren! Die derzeitige Rechtslage in Österreich schaut so aus, dass Schulnoten obligatorisch sind. Und wer darauf verzichten will, muss einen Schul­versuch dazu beantragen. Das ist der derzeitige Stand der Dinge. Wenn ich das richtig verstanden habe, und das können Sie mir gerne erklären, ist die geplante Regelung so, dass Volksschulen und – vielleicht können Sie mir diese Frage jetzt noch beant­worten –, wie ich meine, auch Sonderschulen – Fragezeichen – bis inklusive der dritten Schulstufe autonom über die Beurteilungsform entscheiden dürfen. Da können sie also auch auf Schulnoten verzichten. (Präsident Lampel übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es in Österreich bereits Schulen gibt, die auf Noten verzichten. Es gibt zum Beispiel die Modellschule Graz – zugegeben, eine private Schule, aber eine private Schule mit Öffentlichkeitsrecht. Sie können sich das gerne anschauen auf modellschule.at. Das ist im Übrigen ein Privatgymnasium.

Dort werden Lernziele festgelegt für jeden Schüler und jede Schülerin, es können auch mehrere Lernziele pro Unterrichtsfach sein; diese werden mit den SchülerInnen ver­einbart. Das heißt, dies ist wirklich ein Vertrag, wenn man so will, zwischen SchülerIn und LehrerIn. Und semesterweise wird beurteilt, ob diese Lernziele in hohem Maß, im Wesentlichen oder gar nicht erfüllt worden sind. Und wenn sie gar nicht erfüllt worden sind, dann ist das natürlich nicht zufriedenstellend, dann müssen diese Lernziele nachgeholt werden.

Es gibt in Vorarlberg die Volksschule Altach, die auch dementsprechend arbeitet.

Man kann sich das auch international anschauen. Schweden hat keine Schulnoten bis zur achten Schulstufe und schneidet bei den PISA-Studien hervorragend ab. Finnland hat keine Noten bis zur vierten Schulstufe. Ab der fünften darf und ab der siebenten muss benotet werden. Auf das möchte ich jetzt einfach einmal bei dem ganzen Themenbereich, denn es sind heute eigentlich viele Themen hier in dieser Dringlichen Anfrage verpackt worden, hinweisen.

Ich kann nicht drum herum, auch die Datenfrage rund um das BIFIE zum Thema zu machen. Vielleicht können Sie, Frau Ministerin – das ist ein Wunsch meinerseits – auch dafür sorgen, dass das in der gesamten Regierung diskutiert wird. Es ist eine ganz entscheidende und essenzielle Frage im digitalen Zeitalter, was gespeichert wird


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und wo öffentliche Daten gespeichert werden, mit welcher Sicherheit sie gespeichert werden. Wenn man Firmen beauftragt oder Firmen damit beauftragt sind, diese Daten zu verwalten, in welcher Form dann auch immer, ist es äußerst wichtig, dafür zu sorgen, dass die Sicherheit gewahrt bleibt, dass Daten zum Beispiel nur über Ver­schlüs­selung über verschiedene Server gespeichert werden und erst dann zusam­mengeführt werden können und so weiter. Wir haben hier relativ oft über Datenschutz diskutiert.

Es kann diese Katastrophe auch eine Chance sein, dass man sich jetzt wirklich mit der Datenschutzkommission, mit allen, die damit zu tun haben, dieses Problems an­nimmt – wobei die Datenschutzkommission leider völlig unterbesetzt ist und eigentlich dringend aufgestockt gehört, damit solche Dinge dann auch überprüft werden können, damit auch Firmen, die man beauftragt, gecheckt werden können. Wir brauchen da dringend mehr Personal, mehr Know-how. Die Welt hat sich leider viel dramatischer geändert als unsere Strukturen.

Ich weiß hier zum Beispiel nicht – das werden ja die Ermittlungen hoffentlich zeigen, vielleicht wissen Sie ja schon etwas , ob es ein Hack war, ob die Daten nicht sicher gespeichert waren, ob diese jemand heruntergesaugt und woanders hinaufgestellt hat oder ob es tatsächlich ein Interner war, der diese Daten speichern und mit hinaus­tragen konnte. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wenn man da schon etwas weiß, vielleicht können Sie uns das mitteilen, denn das ist schon auch wesentlich.

Ich meine natürlich, für beides muss man irgendwo vorsorgen, sodass Schutz möglich ist, denn da geht es um Daten von Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen. Aber bitte das innerhalb der gesamten Regierung zum Anlass zu nehmen und sich mit der Frage des Datenschutzes zu beschäftigen, damit das nicht wieder vorkommt. Ich erinnere nur an Dinge wie ELGA und so weiter, wir haben das alles hier diskutiert. Ein Missbrauch von Gesundheitsdaten wäre eine noch größere Katastrophe. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

17.35


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


17.36.08

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schreuder, wenn Sie hier meinen Fraktionskollegen Jenewein attackieren (Bundesrat Schreuder: Nicht ich habe Ihren Kollegen attackiert!) und ihn mit einem nicht zutreffenden Comic zu reizen versuchen, sich aber gleichzeitig hier als Oberlehrer aufspielen, dann ist das jener gelebte Widerspruch, der uns in der Bildungsdebatte immer wieder begegnet, nämlich in der Frage: Wie schaut der ideologische Zugang aus, und wie ist die Realität? – Die Realität unterscheidet sich halt in vielen, um nicht zu sagen in den entscheidenden Punkten von der ideologischen Wunschwelt.

Ich bin davon überzeugt, wir alle, die wir Kinder haben, die wir Eltern sind, wollen, dass es unsere Kinder einmal besser haben, dass unsere Kinder glücklich aufwachsen, dass unsere Kinder eine angenehme, eine faire, eine, sagen wir, auch gute Schulzeit erleben. Und wir wollen auch, dass man sie in der Schule auch auf das weitere Leben gut und richtig vorbereitet, ihnen nicht nur Wissen mitgibt, sondern sie auch soziales Verhalten lehrt und ihnen das Grundrüstzeug für den weiteren Lebensweg mitgibt.

Ich glaube, dass die Abschaffung der Noten generell kein guter Zugang ist, weil – und das wurde auch schon von den Vorrednern meiner Fraktion ausgeführt – es auch im beruflichen Leben, im späteren Leben immer wieder auch einer Differenzierung bedarf


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oder eben einfach eine Differenzierung vorgenommen wird. Und wenn ich den Kindern in der Schule vielleicht aufgrund des gut gemeinten Ansatzes, sie beschützen zu wollen, von ihnen das Böse fernhalten zu wollen, den Blick auf ihr weiteres Leben, die Realität nehme, dann glaube ich, dass das zwar gut gemeint, aber das Gegenteil von gut ist. Das ist eigentlich der Kernpunkt unserer heutigen Dringlichen Anfrage.

Ich denke, wir haben unseren Kindern gegenüber die Verpflichtung, ihnen auch jene Realität vor Augen zu führen, die wir alle nicht so haben wollen, aber die es halt auch ist, und sie zu lehren, mit dem Leben und auch den mitunter unschönen Zeiten des Lebens umzugehen. In der Schule kann man ihnen dies noch behütet beibringen, im wirklichen Leben allerdings nicht mehr.

Ich meine, der schlechteste Weg wäre, wir erziehen unsere Kinder zu realitätsfremden, sorglosen Wesen, um sie in weiterer Folge in eine Lehrzeit zu entlassen, wo sie man­gels geeigneter Voraussetzungen zwangsweise scheitern sollen, um sie dort wiederum in öffentlichen Lehreinrichtungen aufzufangen, um sie nicht quasi gleich aufgeben zu müssen, und sie dann – weil man dann vielleicht die Erkenntnis hat, dass sie für die Arbeitswelt schlussendlich nicht richtig gerüstet waren – vielleicht in die Mindestsiche­rung zu entlassen.

Das ist ein Szenario, das ich mir für meine Kinder nicht wünsche und das, glaube ich, wohl auch Sie alle hier nicht wünschen. Daher glaube ich, dass es auch in der Schule eine Differenzierung je nach Lernerfolg, nach dem sozialen Verhalten und nach dem Fleiß geben muss, und das sowohl im positiven Sinne als auch in Form von Sank­tionen, wenn dieses positive Verhalten nicht eintritt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, den ich heute noch ansprechen möchte, ist das Datensicher­heits­desaster beim BIFIE. Kollege Jenewein hat es schon angesprochen: Es ist nicht der erste Fall, dass im öffentlichen Bereich, sagen wir einmal, sorglos und in gewissem Maße unverantwortlich umgegangen wird mit den Daten von Bediensteten, von Mitar­beitern, aber auch von Personen, von Bürgerinnen und Bürgern, die sich an diese Institution wenden oder auch zwangsläufig mit ihr zu tun haben. Es ist dies nicht der erste Fall, dass da Daten missbräuchlich, ohne dass es gesetzlich vorgesehen wäre, an die Öffentlichkeit gelangen.

Wir sprechen da nicht von ein paar Daten, sondern von 400 000 Testergebnissen von Schülerinnen und Schülern, die – und da muss ich Ihnen widersprechen, Frau Bun­desminister – zwar vordergründig nicht zuordenbar sind, aber über den Umkehrweg Schule, Lehrer und Testabfrage sehr wohl eine Zuordnung möglich ist, um welchen Schüler es sich handeln kann. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Nein!)

Was in dieser Diskussion auch wesentlich vernachlässigt wurde, sind die persönlichen Daten von den 37 000 Lehrern, die dabei auch freigesetzt wurden, an die Öffentlichkeit gelangt sind, die genauso schutzwürdig sind. Auch diese 37 000 Lehrer haben ein Recht darauf, dass man den Datenschutz gerade in einem ministeriellen oder dem Ministerium vorgelagerten Bereich ernst und wichtig nimmt. Das wurde aber schwer vernachlässigt.

Ich glaube, da ist es wohl der übliche Mix, der sich bei solchen Dingen immer auf­macht: Es ist eine Vernachlässigung von Pflichten, die einer oder mehrere zu erfüllen haben. Es ist eine fachliche Inkompetenz, weil man sich mit der Materie, obwohl man dafür verantwortlich ist, wohl nicht wirklich auseinandersetzt und irgendwie gar nicht auf die Idee kommt, dass man da einen Handlungsbedarf hätte. Wahrscheinlich ist es auch eine nicht ausreichende Anwendung der erforderlichen Technik, die ja zur Verfügung steht, um solche Datenproblematiken, in diesem Fall „Datenabsaugen“ – nein, es ist kein „Datenabsaugen“, das ist ja einfach veröffentlicht worden – zu verhin­dern.


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Was mich an dieser Sache im Besonderen stört – das wurde heute auch schon angesprochen –, ist, dass das nicht erst seit ein paar Tagen vorliegt, sondern schon seit dem 18. Dezember bekannt ist, nämlich nicht nur dem BIFIE, sondern auch Ihrem Ministerium, Frau Bundesminister.

Wenn ich jetzt nachfrage, welche Konsequenzen das gehabt hat, dann entnehme ich Ihren Ausführen von vorhin: Sie haben in den letzten Tagen irgendwie mit den Sicher­heitsbehörden korrespondiert. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Gestern!) –Ges­tern. – Es wurden Ihnen seitens der Sicherheitsbehörden alle möglichen Optionen bereitgestellt, das nachzuverfolgen. Aber welche Konsequenz hat das bis jetzt für die Verantwortlichen im BIFIE gehabt? (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Wird sich weisen!) – Wird sich weisen.

Ich hätte mir erwartet, dass man da den Verantwortlichen  (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Vorverurteilungen !) – Nein, nicht vorverurteilen. Also, Frau Bundesminister, da liegt eine Menge Daten auf einem Server in Rumänien. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Wo? Sind nicht mehr oben! Der Server ist leer!) Es ist klar, dass da jemand seine Verantwortungspflichten vernachlässigt hat; es ist klar, dass da Daten ungerechtfertigterweise an die Öffentlichkeit gelangt sind; und Sie wollen niemanden vorverurteilen?! (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Nein!)

Da muss es doch einen Verantwortlichen geben, der für die Datensicherheit zuständig ist, und dieser Verantwortliche gehört sanktioniert. Es kann nicht sein, dass beim BIFIE alle sagen: Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen, schauen wir, wie es weitergeht, hoffentlich passiert uns das nicht mehr, und warten wir darauf, was die Frau Ministerin entscheidet. (Widerspruch bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Was soll das, bitte?!) Also das ist sehr wohl ein Zugang, der eines Rechtsstaates nicht nur unwürdig ist, sondern der auch alle Geschädigte in dieser Sache vordergründig verhöhnt. Das kann es doch nicht sein! (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich denke, da besteht dringender Handlungsbedarf. Und ich darf Sie, Frau Bundes­minister, einladen, Ihrer Verpflichtung als zuständige Ministerin nachzukommen und endlich auch sicherzustellen, dass die Verantwortlichen einer Sanktion unterliegen; was in allen anderen Bereichen, nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft gang und gäbe ist. (Widerspruch bei der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Was soll das, bitte?!)

Vielleicht auch ein abschließender Überblick, da vorhin die Datenlecks im öffentlichen Dienst angesprochen wurden. Ich glaube, es ist hier ein generelles, sagen wir einmal, saloppes Verhalten der Bundesregierung allgemein zu erkennen (Bundesrätin Grimling: Nein! Ich halt’s nimmer aus!), nicht nur dieser Bundesregierung, sondern insbesondere auch der vorigen. Es sind auch die gleichen politisch handelnden Personen – beziehungsweise Parteien, muss man richtigerweise sagen.

Ich denke da an das SWIFT-Abkommen: Ausverkauf heimischer Bankdaten an die USA. Ich denke da an die Vorratsdatenspeicherung: Ausverkauf heimischer Kommuni­kationsdaten an  (der Redner hält inne – Bundesrätin Grimling: An? Na!)  alle, die sie haben wollen, in erster Linie Sicherheitsbehörden, unter dem Aspekt, dass vordergründig pauschal verurteilt wird und dass vordergründig Daten gespeichert werden, und zwar persönliche Daten.

Das ist international höchst fragwürdig. Auch datenschutzrechtlich – ich verweise auf die Stellungnahme des Datenschutzrates – erscheint das höchst bedenklich, wurde aber von dieser Bundesregierung auf Geheiß der EU dennoch gesetzlich legitimiert.

Ich denke da an die gleichermaßen vorhandene Fluggastdatenspeicherung und an die Übertragung der Daten an die USA im Sinne der Terrorabwehr. Wenn Sie heute in


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einen Flieger einsteigen oder ein Ticket buchen (Bundesrätin Zwazl: Könntest du jetzt einmal wirklich bei der Sache bleiben?!), hat die NSA auch schon Ihre Daten. Wobei wir wieder beim nächsten Stichwort sind, wir hätten da datenschutzrechtlich einen weiteren Überblick. Und nicht zu vergessen: ELGA.

Das heißt, da geht es nicht nur um eine ministerielle Fehlleistung von einzelnen Handlungsträgern, sondern da geht es um ein fragwürdiges gesamtpolitisches Zugangsszenario in negativer Weise, wenn es um den Datenschutz und um die Daten der österreichischen Bevölkerung geht.

Dass es da beim BIFIE einmal mehr zu so einem Vorfall kommt, verwundert wenig. Wenn man sich das Gesamtbild anschaut, wie diese Bundesregierung den Daten­schutz schmählich und sträflich vernachlässigt, dann wundert man sich nicht, wenn es zu gar keinen Sanktionen für die Verantwortlichen kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher, Frau Bundesminister, darf ich Sie auffordern, dringend Aufklärung zu betreiben. Den ersten Schritt haben Sie dankenswerterweise schon getan. Ich fordere Sie auch auf, im Bereich des BIFIE die erforderlichen personellen Konsequenzen zu ziehen.

Was mir in dieser gesamten Diskussion auch abgegangen ist, ist eine Auseinan­der­setzung mit den Betroffenen, mit den Lehrern, mit den Schülern, mit den Eltern. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Das Wort „Vertrauensbruch“ ist hier einige Male gefallen; aber können Sie mir vielleicht sagen, ob mit den Betroffenen schon einmal gesprochen wurde, ob sie darüber aufgeklärt wurden, dass ihre Daten miss­bräuchlich im Internet sind? Das steht ihnen eigentlich nach dem Datenschutzgesetz zu.

Auch das ein interessanter Ansatz. Vielleicht können Sie mir das sagen? Wenn nicht, dann wäre es schön, wenn die Betroffenen darüber Aufklärung erhalten würden, denn so können sie auch entsprechende Gegenmaßnahmen setzen. Wenn ich nicht einmal weiß, dass ich in so einem Fall Geschädigter bin, dann tue ich mir schwer, da per­sönlich etwas im Sinne einer Schadensabwehr für meine Person oder für mein Umfeld zu tun. (Bundesrätin Grimling: Redezeit!)

Als Letztes darf ich Sie auffordern, vielleicht auf Ihre Kollegen in der Bundesregierung dahin gehend einzuwirken, dass dem Datenschutz wirklich jener Stellenwert einge­räumt wird, der ihm nicht nur gesetzlich zusteht, sondern auch von der Bevölkerung gewünscht wird.

Gerade in Bezug auf die NSA-Affäre wissen wir, dass Datenschutz eine sehr heikle Materie ist, die von der Bevölkerung sehr, sehr diffizil und sehr, sehr sensibel wahr­genommen wird. Daher wünsche ich mir, dass diese Bundesregierung, wenn sie es schon bisher nicht getan hat, doch zukünftig die Wünsche und Anliegen der Bevölkerung in Bezug auf den Datenschutz ernst nimmt. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.49


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Pum. Ich erteile es ihm.

 


17.50.02

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Fernsehschirmen! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Stimmt, die Fernseh­übertragung ist zu Ende. Meine Damen und Herren, die unsere Diskussion online mitverfolgen!


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 87

Wir führen heute eine Bildungsdiskussion, und Gott sei Dank eine Diskussion und nicht einen Fakt der Abschaffung von Schulnoten. Daher ist es notwendig, eine konstruktive gemeinsame Diskussion darüber zu führen. Ich glaube, es gehört vorweg sehr klar angesprochen, dass wir hier in Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, inno­vativste Firmen haben, im Europaschnitt im vorderen Drittel liegen und daher kein so schlechtes Bildungssystem haben können, wie es oftmals in der Diskussion dargestellt wird.

Ich meine, es ist auch sehr klar hier zu sehen, dass viele europäische Delegationen immer wieder zu uns ins Land kommen und unser Bildungssystem sehr klar auch als Vorbild nehmen. Ich denke da an die duale Ausbildung, die wir haben. Ich denke aber auch an die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, das nicht zuletzt Schlagwörter wie „Lehre mit Matura“ kreiert hat. Wir sehen schon, wir haben viele Formen, eine Vielfältigkeit im Bildungssystem, die letztlich auch verantwortlich dafür zeichnet, dass wir ein erfolgreiches Bildungssystem vorfinden.

Eines, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht wegdiskutieren: Wir befinden uns in einem leistungsorientierten Gesellschaftssystem, in dem letztlich immer wieder der Bessere vorne wegzieht und auch Leistung immer wieder gefordert wird.

Wenn wir heute die Diskussion zum Thema „Schulnoten ja oder nein?“ führen, dann stelle ich mir sehr wohl die Frage: Wie schaut das System ohne Schulnoten aus? Wie schaut es aus, wenn wir den Menschen in seiner Ganzheit bewerten, wie das oftmals hier in der Weiterführung dargestellt wird? Dann diskutieren Sie darüber, ob er vielleicht Fähigkeiten hat, die zwar im Gesellschaftspolitischen zählen; aber die Frage, ob er letztlich dem Gedanken der Bildungsaufnahme entspricht, ob letztlich Wissens­vermittlung auch wirklich funktioniert, wird dann, glaube ich, in den Hintergrund gerückt.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir sprechen immer noch von Bildungseinrichtungen und nicht von Erziehungs- oder sonstigen Einrichtungen. Dabei ist es auch eine wichtige Aufgabe der Schule, Werte zu vermitteln, auch das sei vorweg klargestellt.

Und eines ist eine große Frage: Welche Kompetenz hat letztlich jeder Verantwortliche in diesem System? Welche Kompetenzen haben unsere Pädagoginnen und Päda­gogen? Die Frage ist auch: Welche Rolle spielen die Eltern in diesem System, und vor allem welche Rolle spielt der Schüler, die Schülerin bei diesem Zusammenspiel?

Da gehört sehr klar gesagt, dass es, wenn Wissen vermittelt wird, notwendig ist, dass auch die Kompetenz sehr klar in der Bildungseinrichtung liegt. Schulautonomie, Entscheidungsfähigkeit in den Schulen, sind, glaube ich, klare richtungsweisende Entscheidungen, die auch umgesetzt gehören.

Es muss auch eines immer wieder gesehen werden: Die Matura ist international anerkannt. Daher ist sie ein Schulabschluss, mit dem man letztlich international bestehen kann. Viele wissen es: Es wird nicht gefragt, welche Benotung dort steht, sondern es wird gefragt, ob der Abschluss vorhanden ist.

Das ist auch immer wieder die Diskussion. Wahrscheinlich kann jede und jeder hier von einer Prüfung berichten, vor der er gezittert hat, die er einmal negativ abge­schlossen hat. Aber letztlich weiß auch ein jeder und eine jede hier, dass im Leben nicht das einzelne Fach gezählt hat, sondern die Gesamtheit der Ausbildung. Und eine Grundausbildung gehört eingefordert.

Es ist notwendig, dass die Jüngsten – da rede ich von den Volksschülern – lesen, schreiben und rechnen lernen. Wenn ich das weiterführen darf, dann sind gerade das die Dinge, von denen uns die Unternehmerinnen und Unternehmer tagtäglich sagen,


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 88

dass nämlich ihre Lehrlinge oft nicht in der Lage sind, einfachste mathematische Aufgaben zu lösen. Ich glaube, da gehört angesetzt; denn um im Beruf bestehen zu können, ist es notwendig, Zahlen und Fakten klar zu verstehen und anwenden zu können.

Wir sind im internationalen Vergleich aber im Bildungsbereich sehr wohl gefordert. Wir wissen, dass wir, was Hochschulabschlüsse betrifft, weit hinter dem asiatischen Raum liegen; wir wissen auch, dass wir im internationalen Vergleich wenige Hochschulabsol­venten haben. Daher ist eine Anstrengung notwendig, um gerade in dieser Hinsicht besser unterwegs zu sein.

Ein Phänomen, das ich immer wieder selbst erlebt habe: Wenn Sie auf junge Leute aus dem Osten treffen, spüren Sie diesen Bildungshunger, dieses Streben nach mehr, dieses Streben nach Wissen, das gerade diese Länder, die in gewisser Hinsicht Auf­holbedarf haben, sehr klar in ihrer Anstrengung umsetzen. Bei uns hingegen hat man oftmals das Gefühl, es ist ein Muss, eine Pflicht, es steht da viel mehr der Zwang anderer dahinter.

Ich glaube, Bildung ist ein Wert, den wir schätzen und hochhalten müssen. Wenn wir sehen, dass oft bis zu 9 000 SchülerInnen jährlich „verloren gehen“ – „verloren“ im Sinne, dass sie letztlich irgendwo in den weiteren Etappen nicht mehr erfasst werden –, oder wenn wir bedenken, dass 3,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung keinen Schulabschluss besitzen, dann wissen wir, dass da sehr wohl Handlungsbedarf ist.

Zur Frage, ob wir benoten beziehungsweise ob es lediglich verbale Benotungen sein sollen, wie es in den Schulklassen der ersten bis dritten Stufe auch ermöglicht wird, meine ich: Die Frage ist schlichtweg, ob es zu einem Bildungsabschluss kommt und ob wir auch weiterhin das Land der Patente bleiben, das Land jener sind, die mit Fleiß und Hirnschmalz ihre Unternehmen weiterbringen.

Ich möchte auch eines klar anfügen: Wir diskutieren über Bildung in Bezug auf ganz Österreich, aber ich kann eines aus meiner Region, aus dem ländlichen Bereich sagen: Bildungsprobleme im ländlichen Bereich haben wir nicht, und das sage ich mit aller Vehemenz. Diese Probleme spielen sich in manchen Städten, oftmals in größeren Städten ab. Dort sind Probleme, die gelöst gehören. Bei der Diskussion über Schulen im ländlichen Bereich stehen viel mehr die Autonomie und die Umsetzung eigener Ideen und Kreativitäten in den Schulen im Mittelpunkt.

Ich kann nur eines sagen, und das zum Abschluss: Bildung ist der Schlüssel zur Selbstbestimmung, zu einem selbstbestimmten Leben. Und eines muss uns in Zukunft klar in Verantwortung bleiben: Benoten wir das Ganze weiterhin positiv!

In diesem Sinne kann ich abschließend noch Folgendes sagen: Es wurde hier eine Dringliche Anfrage eingebracht. Wir werden dieser Dringlichen natürlich nicht zustim­men, weil es in der Diskussion ja nicht darum geht, ob wir das abschaffen oder nicht. Wir wissen, das System bleibt weiterhin in dieser Form bestehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

17.57


Präsident Michael Lampel: Als Nächste hat sich Frau Bundesrätin Reich zur Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


17.58.03

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der vorgeschrittenen Stunde sollte ich nicht, aber ich muss: Als langjährige Pädagogin in der Sekundarstufe muss ich zu einigen Dingen etwas aus persönlicher Erfahrung sagen.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 89

Frau Kollegin Mühlwerth, nun zu dir. Ich schätze dich an und für sich ob deiner Argu­mentation, aber: Klar können wir Schularbeiten aus der Zeit vor 20 Jahren nicht mehr geben. Wir wollen sie auch nicht mehr geben. Es hat sich etwas geändert. Wir leben jetzt im 21. Jahrhundert. Es hat sich viel für die Schüler geändert! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wir prüfen nicht mehr das Gleiche ab, wir wollen nicht mehr das Gleiche abprüfen. Wir arbeiten mit unseren Schülern viel mit Kompetenzen, wir arbeiten projektorientiert. Und als ich die Begriffe „Fleiß“, „Betragen“ und „äußere Form der Arbeiten“ gehört habe, habe ich geglaubt, ich höre nicht richtig. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, ja!) Das kommt mir vor wie: Zurück auf die Bäume! (Beifall bei der SPÖ.)

Gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen: Am Land haben wir sie, da gehen die Kinder hauptsächlich in die Hauptschulen. Und in der Stadt, in den Wiener Bezirken, wo 97 bis 98 Prozent ins Gymnasium gehen, was ist das dann? Bitte, sind wir am Land zu blöd fürs Gymnasium?

Keine Hausübungen: Ja, ich bin dafür, wir haben das in unseren ganztägigen Schul­formen. Die Kinder haben kein Problem, wenn sie die Hausübungen in den Schulen erledigen, und die Eltern sind meistens sehr froh darüber.

Wenn es heißt, keine Schultasche, dann würde ich sagen: Nein, das möchte ich nicht, weil sich die Kinder alle freuen, wenn sie ihre erste Schultasche bekommen.

Was mich auch ganz besonders schmerzt – und das ist einfach haltlos –: Man kann die Neuen Mittelschulen in den Bildungsstandardtests nicht mit den AHS vergleichen. Ihr wisst alle ganz genau, dass die Neuen Mittelschulen hauptsächlich aus den Brenn­punkt­schulen entstanden sind, wo Integration, sonderpädagogischer Förderbedarf, Integration von beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern an der Tagesordnung sind – und das ist in den AHS überhaupt nicht geschehen.

Auch haben Kinder, die in den AHS sind, hauptsächlich Eltern, die aus höheren Bil­dungsschichten kommen.

Was mich am meisten geschmerzt hat bei dir, war: Sollen wir in der Schule schon ungerecht sein, damit die Kinder das später besser aushalten?

Nun noch ganz kurz zu den Noten. Es geht jetzt einfach um die Ziffernnoten, nicht um Schulnoten. Ich könnte alle Punkte, die ich jetzt aus meiner wirklich langjährigen Erfahrung und aus meinen vielen Diskussionen mit meinen Kolleginnen und Kollegen bespreche, auch mit wissenschaftlichen Studien belegen, aber das möchte ich jetzt nicht.

Wer Ziffernnoten für unabdingbar hält, hat ein falsches Bild von unseren Schülerinnen und Schülern. Warum lernen Kinder bis zur Schule freiwillig, warum lernen sie aus Interesse, und dann plötzlich brauchen sie Ziffernnoten?

Wer kommt hier herein? Sind es nur die Eltern, ist es das Umfeld, ist es die Gesellschaft oder ist es einfach die alte Gewohnheit, man hat Noten zu haben?

Was mich auch ganz besonders stört, ist der Druck, der auf die Kinder ausgeübt wird. Wir wissen alle, dass sich der Druck nach unten hin schon fortsetzt. Plötzlich müssen die Kinder in der dritten Klasse Volksschule schon gute Noten haben, damit sie fallweise in eine AHS gehen können.

Was ich heuer ganz besonders beobachte, ist, dass auch unsere Schülerinnen und Schüler, wirklich sehr gute Schülerinnen und Schüler, enormen Stress mit den Noten beim Übertritt in weiterführende Schulen haben – was einfach auch nicht vernünftig ist.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 90

Noten sind wohl immer schön und gut für gute Schüler. Wie schaut es aber für die aus, die sich zwar bemühen, aber aus bildungsfernen Schichten sind, wo die Eltern nicht bereit und auch nicht fähig sind, ihre Kinder zuhause zu unterstützen? Und wie schaut es bei Kindern aus, die eine Beeinträchtigung haben?

Ich und meine Kolleginnen und Kollegen sind eher dafür, die Schüler zu motivieren und sie nicht zu demotivieren. Wir stimmen mit dir überein, Kollege Schreuder, der du gesagt hast: Lernen soll eine Lebensbereicherung sein, lebenslang soll man Freude haben, etwas Neues zu lernen.

Auch wissen wir alle, was man benotet. Es gibt unzählige Studien, die belegen, dass man Kinder, die schön schreiben, meistens sogar Mädchen, besser benotet als Knaben, die das nicht können. Benoten wir das Bemühen, benoten wir die körperlichen Voraussetzungen, zum Beispiel im Sport, in den Kreativbereichen!

Was machen wir da? Meistens ist die Ziffernnote dann schon glücklicherweise bei 1 und 2 ausgeschöpft.

Wie benoten wir? Benoten wir nach der Gaußschen Verteilungskurve, so wie wir es damals in unserer Ausbildung gelernt haben? Wo ist der Grenzbereich: bei 64,3 Pro­zent oder bei 66,4 Prozent?

Wer benotet? Wir haben es schon gehört; die Persönlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer ist hier ganz ausschlaggebend. Meine Erfahrungen als Lehrerin und auch jetzt als Direktorin zeigen es: Zum Beispiel kommen die Schülerinnen und Schüler, die zu uns in die Hauptschule kommen, aus den verschiedensten Schulen, und die AHS-Reife ist bei den fünf Schulen, aus denen sie zu uns kommen, ganz verschieden angelegt. Sogar aus einer Schule kann man bei zwei verschiedenen Klassen nicht nachvoll­ziehen, warum der eine Schüler AHS-Reife hat und der andere nicht.

Auch Arbeitgeber – und das weiß ich aus eigener Erfahrung – brauchen vielfach keine Ziffernnoten mehr, sie wollen sich ihre Lehrlinge oder Arbeitnehmer selber anschauen. Dazu haben wir die Schnuppertage. Dazu haben wir Berufsorientierung.

Trauen wir uns doch, diesen Weg der schrittweisen Abschaffung der Ziffernnoten zu gehen! Viele viele Länder mit sehr positiven Ergebnissen in allen Standards zeigen uns das vor. Vielleicht stellen wir es, so wie es der Vorschlag ist, den Schulen frei. Wir und ich würden gerne dabei sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.

 


18.05.06

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren zuhause, solange Sie noch Geduld oder gerade erst zugeschaltet haben! Als, glaube ich, vorletzter Redner auf der Rednerliste werde ich jetzt wahrscheinlich nichts grundlegend Neues mehr bringen, aber ich habe die Gelegenheit, auf Vorredner einzugehen. Hier sei mir gestattet, als erstes auf das einzugehen, was Sie, Frau Minister, ganz am Beginn Ihres Statements und vor Ihrer Fragebeantwortung gesagt haben.

Sie haben gesagt, Sie möchten neugierige Kinder, die keine Angst vor Noten haben müssen. Das ist ja durchaus zu unterschreiben.

Sie haben aber auch gesagt, dass Sie die Noten nicht von heute auf morgen ab­schaffen wollen und können, sondern Schritt für Schritt. Da haben eigentlich bei mir die Alarmglocken geschrillt, denn es scheint in dieser Legislaturperiode aus Ihrer Sicht dies der erste Schritt zu sein, nämlich bis zur dritten Klasse Volksschule die Noten


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abzuschaffen. In der nächsten Legislaturperiode kommt dann wahrscheinlich die ge­samte Volksschule dran und so weiter.

Sie haben auch gesagt, die Kompetenz könne man nicht anhand von Noten beurteilen. Ich frage mich, warum in allen modernen Managementprozessen es schlussendlich auch ganz wesentlich um Evaluierung geht. Um diese Evaluierung von Prozessen, von Zielerreichungsgraden vornehmen zu können, gibt es Messgrößen. Nach möglichst objektiven Kriterien werden Messgrößen gesucht, um das durchführen zu können. Je mehr dies Zahlen und Daten sind, desto objektiver werden diese Messgrößen ange­sehen, im Gegensatz zu weichen Messgrößen.

Ich frage mich schon: Warum soll das ausgerechnet in der Schule und für unsere Kinder nicht gelten?

Wo ist dann eigentlich die Beurteilung der Kompetenz bei einer ausschließlich verbalen Beurteilung? Wir haben ja nichts dagegen, dass das so gehandhabt wird, wie es jetzt auch schon gehandhabt wird, dass man eine ergänzende verbale Beurteilung abgibt. Aber wo besteht denn die Gefahr bei dieser verbalen Beurteilung? – Meiner Meinung nach ganz klar im Abgleiten in Floskeln. Es wird dann genau das passieren, wie es bei Dienstzeugnissen der Fall ist, wo dann irgendeine Formulierung drinsteht, von der jeder weiß: Aha, in Wirklichkeit hat der nichts gelernt und kann es nicht, aber es ist schön umschrieben und das Kind oder der Schüler freut sich! Ich glaube nicht, dass das Ziel sein kann.

Noten, Frau Bundesminister, setzen sich aus der Beurteilung verschiedener Leistungs­kriterien normalerweise innerhalb eines Semestern zusammen. Das ist nicht, wie es hier auch gesagt wurde, eine Schularbeit oder so irgendetwas, das sind meistens Mitarbeit, mehrere Schularbeiten, Projektarbeiten und so weiter. Am Schluss dieses Halbjahres kommt dann eine Note heraus. Wenn diese Note nicht mehr widerspiegelt, was die Kinder dann, wenn sie die Schule verlassen, auch tatsächlich können, dann befinden wir uns immer mehr in der Situation, in der wir schon sind, dass nämlich in weiterer Folge für die nächste Stufe der Bildung Aufnahmetests vorgenommen werden.

Das betrifft nicht nur die Universitäten, sondern ganz stark auch Lehrplätze. Alle großen Firmen, oder auch kommunale Institutionen, Gemeinden und Stadtwerke et cetera machen Aufnahmetests für ihre Lehrlinge. Dort wird dann ein Test an einem Tag gemacht und entschieden, ob jemand den Lehrplatz bekommt oder nicht.

Ist das Ihrer Meinung nach objektiver? Ist das gerechter? Da spielt die Tagesverfas­sung eine viel größere Rolle als eine Gesamtbeurteilung mit einer Note für das gesamte Halbjahr oder in einem Abschlusszeugnis für das gesamte Jahr oder für die schulische Laufbahn.

Wir haben leider Gottes sehr wohl Probleme, auch bei der ziffernmäßigen Benotung. Ich habe selbst mit Lehrern gesprochen – von Hauptschülern, Volksschülern –, die sagen, sie getrauen sich gar keine Note mehr zu geben, die schlechter als ein Zweier ist. Das wäre die Aufgabe der Schulpolitik! Da muss darauf geachtet werden, dass die ziffernmäßigen Noten die Leistungen und die Kenntnisse der Schüler widerspiegeln und nicht irgendetwas vorgaukeln wegen eines Kuschelkurses, das nicht der Realität entspricht. (Beifall bei der FPÖ.)

In weiterer Folge – das gebe ich zu – ist das dann die Konsequenz, wenn ich sage, die Noten erfüllen den Zweck nicht mehr, also schaffe ich sie ganz ab. Auf diesem Weg scheinen Sie sich zu befinden, aber das ist nicht der, der uns in der Bildungspolitik weiterbringen wird. Denn eines sollten wir zur Kenntnis nehmen: Für beruflichen Erfolg – und beruflicher Erfolg ist schlussendlich die Basis für unsere Lebensqualität,


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 92

für unsere Zufriedenheit – ist Leistung, ist Leistungsbereitschaft und sind Fähigkeiten notwendig.

Zum Thema Schulautonomie. – Schulautonomie, schön und recht, aber das kann doch nur so weit gehen, dass wir in einem Rahmen bleiben, der übergeordnet im Lehrplan die Lernziele vorschreibt. Es kann ja nicht sein – aber manchmal habe ich diesen Eindruck –, dass ein Schulausschuss bestimmt, was die Kinder lernen. Er kann gestalterische Dinge vornehmen, aber nicht über Inhalte bestimmen und selbstständig praktisch basisdemokratisch dann sagen: Das lernen wir oder das lernen wir nicht!

Lassen Sie mich jetzt noch auf einige andere Ausführungen von Rednern eingehen. Kollege Köberl und auch Kollege Pum haben uns ja eigentlich vollinhaltlich recht gegeben – ich danke dafür. Nur wundert es mich nicht, dass die ÖVP wie üblicherweise diesen Spagat sucht, damit sie einem Antrag von uns nicht zustimmen muss.

Noch einmal zur Klarstellung: Wir sind mit diesem Antrag für die Beibehaltung des Status quo. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Wir wollen nicht die bisherigen Bewertungen, die es in der ersten Klasse gegeben hat, abschaffen, sondern wir wollen grundsätzlich die Noten beibehalten.

Frau Kollegin Blatnik hat gemeint, dass nicht nur fachliche Kompetenz erforderlich ist, sondern auch soziale Kompetenzen, Teamfähigkeit und so weiter. Das ist schon richtig. Nur – auch Kollege Pum hat das gesagt –: Die Schulen sind keine Erziehungs­anstalt. Die primäre Aufgabe der Schule ist es, Wissen zu vermitteln, welches möglichst objektiviert sein muss, damit man dann weiß, wenn jemand aus einer bestimmten Schule einen Dreier hat, dann kann er dies und jenes besser und das andere schlechter. Dazu gibt es ja auch einzelne Fächer.

Die Schule wird nie das Elternhaus ersetzen können. Das kann und wird nicht die Aufgabe der Schulen sein.

Und ganz gefährlich ist die Ansicht des Kollegen Schreuder, dass man individuelle Lernziele mit den Kindern und den Schülern vereinbart. Es muss das Lernziel für den Schultyp festgelegt werden, aber nicht auf jeden Schüler speziell abgestimmt. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, aber das Lernziel muss klar inhaltlich definiert sein. (Bundesrätin Kurz: Das ist schon ziemlich veraltet! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Wir können auf kein Talent verzichten, aber das Talent muss richtig eingesetzt werden. Und es darf auch nicht durch nicht stattfindende Beurteilung irgendjemandem etwas Falsches vorgegaukelt werden. Das böse Erwachen kommt spätestens im Berufs­leben, denn dann spielt es das alles nicht mehr! Da wird dann Fähigkeit, da wird Leistung verlangt.

Vermehrt sehen wir Burn out, Überforderung, und dem ist entgegenzuwirken! Dieses Ziel werden wir nicht erreichen, wenn wir die Noten abschaffen und die ganze Schulzeit hindurch einen Kuschelkurs fahren, um nur ja keinem Schüler weh zu tun.

Ich weiß auch eines: Die Schüler selber wissen am allerbesten, warum sie eine schlechte Note bekommen und wieso es so ist. Es ist nicht richtig, dass die Beurteilung der Lehrer im Normalfall so abweichend ist, dass bei einem Lehrer derselbe Schüler ein „Sehr gut“ bekommt und beim anderen ein „Nicht genügend“. Das ist nicht Faktum.

Deshalb: Beibehaltung des Notensystems, aber in einer Art und Weise natürlich, bei der möglichst viel Gerechtigkeit Platz greifen soll und vorherrschen muss. Das muss das Ziel der Schulpolitik sein – und nicht das Kind mit dem Bad ausschütten und die Noten abschaffen! (Beifall bei der FPÖ.)

18.16



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 93

Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Pfister. Ich erteile es ihm.

 


18.16.59

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner darf ich auf den Herrn Krusche replizieren, der die Lehrlingsausbildung als Beispiel gebracht hat. Als ein Beschäftigter, der sich mit Lehr­lingen tagtäglich beschäftigt, muss ich dir, lieber Kollege, schon auch sagen, dass die Unternehmen nicht nur einfach Wert auf Noten legen, sondern dass es ein sehr, sehr individualisiertes Auswahlverfahren in vielen Unternehmen in Österreich gibt. Es wird sehr wohl Wert auf die Individualität gelegt, und nicht immer ist die Note ausschlag­gebend, ob der Kollege oder die Kollegin dann ein Lehrverhältnis in einem Unter­nehmen beginnt. Es gibt sehr viele Kriterien und auch persönlichen Gespräche. Man muss sich ja auch mit dem Jugendlichen auseinandersetzen, damit sehr klar heraus­kommt, ob er die Interessen hat, ob er mit diesem Bereich vertraut ist, ob er sich das auch vorstellen kann und ob es auch Möglichkeiten gibt.

Ich glaube schon, dass es sehr gut wäre, wenn Sie sich mit diesen Dingen auch auseinandersetzen würden und sich das sehr genau anschauen würden, wie das funktioniert, und da nicht irgendwelche Legendenbildungen bringen würden. (Bun­desrat Krusche: Das sind keine Legenden!)

Beim Thema Datenschutz – und das ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich mich zu Wort gemeldet habe – geht es um die Verantwortlichkeiten dazu. Die Frau Bun­desministerin hat es schon ausgeführt, die Rechtsgrundlagen für den Datenschutz sind in diesem Fall im Bundesinstitut für Bildungsforschung gegeben. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass das Bundesministerium sofort die Generaldirektion – so wie es die Frau Ministerin ausgeführt hat – in Kenntnis gesetzt und alle Schritte in die Wege geleitet hat. Also von Versäumnissen kann hier nicht die Rede sein.

Genauso geht es natürlich weiter auch für die Generaldirektion für Sicherheit, die sich sehr wohl auch damit auseinandersetzt. Vorverurteilungen sind nicht das, was wir hier im Bundesrat von den Kolleginnen und Kollegen erwarten, sondern dass man sich das sehr genau anschaut, analysiert, wie das überhaupt passieren konnte und wie das zustande gekommen ist.

Für diese Aufklärung steht nicht nur die Frau Bundesministerin, stehen nicht nur die Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, sondern, ich glaube, auch die Öffentlichkeit, die Österreicherinnen und Österreicher haben sich diese Aufklärung verdient und haben auch ein Recht darauf.

Wenn ich jetzt noch bei der verbalen Benotung etwas bleiben darf, ohne mich da als Oberlehrer aufzuspielen: Ich möchte den Herrn Kollegen Herbert in diesem Fall ansprechen; als Betriebsrat und als Gewerkschafter darf ich mir das auch heraus­nehmen. Wenn ich einen Kollegen hier im Bundesrat habe, der auch Personalvertreter ist, und dieser jetzt hier vom Rednerpult aus Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – als Personalvertreter wohlgemerkt! – vorverurteilt, indem er sagt, dass sie nachlässig, unzuverlässig und untätig in diesem Fall sind ... (Bundesrat Herbert: Das habe ich nicht gesagt! – Bundesrat Stadler: Sicher hast du es gesagt!) Genau das haben Sie hier gesagt! Wenn Sie das gesagt haben, dann darf ich mir jetzt auch erlauben, dass ich Ihnen hier als Personalvertreter und als Betriebsrat sage, für diese Aussage gebührt Ihnen als Personalvertreter ein Nicht genügend, ein Fünfer. Diese Aussage ist eines Personalvertreters nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 94

Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. Ich erteile es ihm

 


18.21.35

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Zu den Ausführungen meines Vorredners, des Kollegen Pfister, darf ich mich noch kurz zu Wort melden, auch wenn hier die Bereitschaft, ein Ende zu finden, schon eine sehr große ist.

Ich weise das zurück, was mir Kollege Pfister hier zu unterstellen versucht hat. Ich wollte  (Bundesrat Stadler: Dann schau dir das Stenographische Protokoll an!) – Kollege, aufpassen, dann lernen Sie vielleicht etwas! (Rufe bei der SPÖ: Oberlehrer!) – Ich wollte die zukünftigen Arbeitnehmer nicht schlechtreden, aber ich habe ein mögliches Szenario aufgezeigt, wie es einmal sein könnte, wenn das derzeitige Bil­dungssystem so gestaltet wird, wie es von Ihnen von der Bundesregierung sukzessive, in kleinen Schritten immer weiter vorbereitet wird, mit der Abschaffung der Noten beginnend, hin zur Gesamtschule, welche negativen Auswirkungen das für unsere zukünftigen Generationen, für unsere Kinder haben kann, wenn sie einmal in das Arbeitsleben eintreten.

Das war meine Intention. Die Unterstellung des Kollegen Pfister ist daher auf das Schärfste zurückzuweisen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.22


Präsident Michael Lampel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Beibehaltung des bewährten Systems der Beurteilung der Leistungen der Schüler in Form von ziffernmäßigen Noten vor.

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Wir gelangen daher zur namentlichen Abstimmung.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nun die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Blatnik geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

 


Präsident Michael Lampel: Die Stimmabgabe ist beendet.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 95

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Stimmenzählung wird vorgenommen. – Die Sitzung wird um 18.26 Uhr unter­brochen und um 18.29 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Michael Lampel: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag bei 56 abgege­benen Stimmen 9 „Ja“- und 47 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist damit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Brückl;

Dörfler;

Herbert Werner;

Jenewein;

Krusche;

Michalke, Mühlwerth;

Pisec;

Schmittner.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Beer, Bierbauer-Hartinger, Blatnik, Bock, Brunner;

Fetik, Fürlinger;

Gödl, Grimling;

Himmer;

Jachs, Junker;

Kneifel, Köberl Günther, Köberl Johanna, Köck, Köll, Kurz;

Lampel, Ledl-Rossmann, Lindinger;

Mayer;

Novak;

Oberlehner;

Perhab, Pfister, Poglitsch, Posch-Gruska, Preineder, Pum;

Reich, Reisinger, Reiter;

Saller, Schödinger, Schreuder, Schreyer, Stadler, Stöckl;

Taucher, Temmel, Tiefnig, Todt;


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 96

Wilhelm, Winkler;

Zelina, Zwazl.

*****

18.29.34Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Michael Lampel: Wir setzen die Verhandlung über den Tagesordnungs­punkt 4 betreffend Abgabenänderungsgesetz 2014 fort.

Zu Wort kommt Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile es ihm.

18.30.00

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren nach dieser Ehren­runde im Bildungswesen das Abgabenänderungsgesetz hier im Bundesrat. Es geht darum, wie wir die Rahmenbedingungen gestalten, indem wir investieren, indem wir zugleich auch sparen in bestimmten Bereichen, indem wir die Lebensbedingungen für die Bevölkerung verbessern und die Krise meistern.

Wir befinden uns nämlich schon im fünften Jahr einer krisenhaften Entwicklung. Wir sind noch nicht aus dieser Krise heraußen, die uns alle erfasst hat, die den Beginn in den Vereinigten Staaten genommen hat mit Immobilienspekulationen – ich brauche das nicht mehr zu wiederholen –, die zu Bankenzusammenbrüchen geführt hat. Das weitere Umfeld ist Ihnen bekannt, und es ist Ihnen auch bekannt, dass die Welt sehr klein geworden ist, dass diese Entwicklung auch Österreich massiv betroffen und ergriffen hat. Das muss man wissen, wenn man über die finanzielle Gebarung der Republik in der Gegenwart und über die Planung der nächsten fünf Jahre hier in die­sem Hause spricht.

Wir haben alles getan – und das war eine große parlamentarische Leistung –, um die Folgen und die Konsequenzen dieser weltweiten wirtschaftlichen Krise für die einzel­nen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Staate, in dieser Republik hintanzuhalten. Das hat aber Opfer erfordert. Das hat vor allem finanzielle Mittel erfordert. Wir haben das grosso modo ganz gut hinbekommen, aber mit der Folge, dass sich die Finanzen des Staates nicht zum Positiven entwickelt haben, dass wir Schulden aufnehmen mussten, dass wir Haftungen übernehmen mussten, dass wir Zahlungen hatten, die wir vorher nicht berechnen konnten, weil uns das alle miteinander unvorhergesehen getroffen hat. Und wir als Regierungsfraktionen, die Regierung insbesondere und natürlich auch wir als Abgeordnete hatten alles zu tun, um das wieder ins Lot zu bringen.

Wir haben auf der anderen Seite einen Finanzrahmenplan beschlossen, der uns auf der Ausgabenseite entsprechend einschränkt. Wir haben Ja gesagt zu einem Stabi­litätspakt, dem wir uns selbstverständlich verpflichtet fühlen. Pacta sunt ser­vanda – die Verträge sind einzuhalten. Das ist die Planke auf der anderen Seite. Das heißt, wir müssen durch diesen Gang durch, wo wir rechts und links klare Grenzen und klare Barrieren haben.

Es ist also wichtig, einzusparen. Wir wissen, dass hier große Anstrengungen von den Ministerien unternommen werden. 500 Millionen werden eingespart in der Verwaltung, in der Bürokratie, durch Zusammenlegungen verschiedener Abteilungen et cetera. 500 Millionen! Und wir haben natürlich auch – und ich verstehe diese Entscheidung der Regierung – die eine oder andere Maßnahme setzen müssen, um mehr Einnahmen für den Staat zu lukrieren.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 97

Dazu kommt noch, dass im vorigen Jahr eine enorme Dürrekatastrophe war und gleich anschließend eine Hochwasserkatastrophe. Das haben wir alles nicht vorhersehen können, aber das musste auch bedeckt werden. Und die Bürgerinnen und Bürger haben sich zu Recht Hilfe vom Staat erwartet, vom Staat, der schützen und nützen soll. Der Staat soll schützen und nützen in Situationen, in die der Einzelne unschuldig hinein­geraten ist. Auch dieser Verpflichtung haben wir uns ganz gut, glaube ich, gestellt. Alleine für die Hochwasserschäden hat der Bund durch den Katastro­phen­fonds 195 Millionen bereitgestellt, die Länder bisher mehr als 90 Millionen, die Gemein­den sind noch gar nicht abgerechnet. Das betrifft uns laufend.

Ich versuche nur, das Umfeld auszuleuchten, in dem wir uns derzeit befinden, und klarzumachen, dass wir in dieser Phase diese Maßnahmen, die wir zu bewerten und zu beschließen haben, vorantreiben müssen.

Unser vorrangiges Ziel ist ein strukturelles Nulldefizit bis zum Jahr 2016. Das ist paktiert in der Regierungsvereinbarung, und auch Bundeskanzler und Vizekanzler haben erst gestern wieder erklärt, dass sie dieses Ziel auch in Zukunft ehrgeizig verfolgen wollen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Keine neuen Schulden! Kein neuer schwerer Rucksack für unsere Kinder und Kindeskinder! – Das ist ein ganz wichtiger Auftrag an uns. Landeshauptmann Pühringer hat heute in seiner Rede zu einem anderen Thema hier gesagt, wir müssen bei unseren Maßnahmen an das Morgen und auch an das Übermorgen denken. Und das wird hier getan. Unsere Kinder und Kindes­kinder, unsere Enkelkinder sollen auch gestalten können, so, wie wir das tun – und nicht nur eine Kostenstelle im Budget bedienen müssen, nämlich die der Schulden. Das soll auch, glaube ich, beachtet werden, wenn wir dieses Abgabenänderungs­gesetz heute in diesem Hause bewerten und beraten.

Es gibt viele Maßnahmen in diesem Gesetz dazu. Ich will sie nicht im Detail aufzählen. Es gibt gesundheitspolitische Lenkungseffekte, aber nicht nur Lenkungseffekte, sondern selbstverständlich auch ökonomische Effekte. Unsere Gesellschaft wird immer älter, die demografische Entwicklung schreitet fort, und wir werden mehr Mittel aufbrin­gen müssen, um diese Pflegeleistungen, um die Seniorenheime, alle diese Einrichtun­gen mit entsprechend hoher Qualität ausstatten zu können. Daher, glaube ich, ist es richtig, dass man bei verschiedenen Steuergruppen, in die Produkte fallen, die viel­leicht in dem einen oder anderen Fall auch die Gesundheit schädigen, Alkohol, Tabak und so weiter, entsprechende Aufschläge vorsieht, um auch für die Gesundheitsmaß­nahmen des Staates entsprechende Mittel zur Verfügung zu haben. Auch ökologische Aspekte sind zu berücksichtigen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wichtigste sind Wachstums­im­pulse. Wir brauchen mehr Wachstum. Wir brauchen mehr Beschäftigung, damit die Prognosen, die Einnahmenprognosen auch Realität werden können. Ohne Wachstum geht gar nichts! Daher brauchen wir Impulse für unsere Betriebe, für Beschäftigung, für Investitionen, Anreize für Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit ihren tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darauf schauen, dass wir im internationalen Wett­bewerb uns bewähren können. Wir leben nicht auf einer Insel. Wir sind ein kleines Land, sehr stark exportorientiert. Wir brauchen immer wieder auch die Erträge aus den Exporten, um unsere Betriebe erhalten zu können, um unsere Betriebe weiterzuent­wickeln und die Beschäftigung nicht nur zu halten, sondern auch entsprechend auszu­bauen. Das brauchen wir ganz, ganz dringend.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Erhaltung der internationalen Wettbe­werbsfähigkeit ist eine der wichtigsten Aufgaben, denen wir uns als Abgeordnete verpflichtet fühlen müssen. Ich halte deshalb die Lohnnebenkostensenkung im Aus-


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 98

maß von rund 200 Millionen für ein ganz wichtiges Signal. Das ist nicht die Welt bei der großen Anzahl der Beschäftigten. Es ist ein Signal an unsere Betriebe, dass die Arbeit nicht immer nur verteuert wird, sondern dass man auch einmal runtergeht von den hohen Lohnnebenkosten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es sind 350 Millionen € für die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern drinnen – eine ganz, ganz wichtige Maßnahme. Wir sollen nicht immer nur sagen, die Leute sollen später in Pension gehen, wir müssen auch dafür sorgen, dass sie in den Betrieben Beschäftigung haben. Daher halte ich diese Maßnahme der Regierung für äußerst wichtig.

750 Millionen € für die Kinderbetreuung und für das Maßnahmenpaket für Familien innerhalb der gesamten Gesetzgebungsperiode – das ist ein ganz wichtiger Meilen­stein dieser Bundesregierung. Die Kinder sind unsere Zukunft. Wir haben das bei der Bildungsdiskussion vor wenigen Minuten in diesem Hause auch nachvollziehen kön­nen. Ich glaube, das ist gut investiertes Geld.

Ein Wort noch zu meiner Vorrednerin, bevor die Dringliche aufgerufen wurde, Frau Kollegin Mühlwerth, sie ist jetzt leider nicht im Saal; sie hat gesagt: Ihr habt ja im Regierungsprogramm drinnen, nur dann Maßnahmen zu setzen, wenn es Geld gibt. – No, na! Selbstverständlich! Wir machen es nicht so wie manche verbrecherische Geschäftsführer und Politiker in Kärnten, die Geld ausgeben, die Haftungen übernehmen, ohne dass Geld da ist, ohne dass eine Bedeckung da ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, wir sollten diese Effekte positiv bewerten, und ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind.

Ein kleiner Wermutstropfen sei mir auch erlaubt: Ich habe mir die Bemessung der Bankensonderabgabe, der Stabilitätsabgabe in diesem Gesetz genau angesehen. Ich muss sagen, die großen Banken kommen leicht davon, mit einer relativ geringen Erhöhung von rund 29 Prozent. Die regionalen Banken, die kleinen Banken – und das soll uns in der Länderkammer schon zu denken geben –, die kleinen Banken mit einer Bilanzsumme unter 20 Milliarden € kommen mit einer 64-prozentigen Erhöhung zum Handkuss.

Das sind genau jene Banken, die die Realwirtschaft fördern, die dem Wirtschafts­kreislauf essenzielle Impulse geben, die besonders Kredite vergeben und die Einlagen hereinnehmen, um das ganz normale Bankgeschäft zu erledigen. Ich finde, die brauchen wir, wenn wir sagen, mehr Investition, mehr Beschäftigung, mehr interna­tio­nale Wettbewerbsfähigkeit. Dann muss der Bankenkreislauf funktionieren, dann darf es keine Kreditklemmen und Ähnliches geben.

Ich denke, dass wir das hier entsprechend kritisch sehen müssen. Die Banken werden schwer zu tragen haben, besonders die Regionalbanken; ich betone das ganz klar. Die haben nie einen Euro vom Staat verlangt, die haben keine Haftungen abgerufen, die haben kein Geld von der öffentlichen Hand verlangt und werden jetzt überproportional zur Kasse gebeten. Das sind Institute, die uns alle bekannt sind, auf dem Land draußen; jeder hat seine Connections und seine Möglichkeiten, diese Dinge einzu­holen. Ich meine, dass auch in diesem Bereich mehr Gerechtigkeit gegeben sein sollte: wenn, dann alle, aber nicht mit unterschiedlichen Tarifen.

Das ist ein kleiner Wermutstropfen, aber es ist natürlich leicht gesagt, die Banken hätten sich selber einigen sollen, wer welche Dinge übernimmt. Ich bin der Ansicht, das hätten auch die öffentliche Hand und die Regierung übernehmen müssen. Das ist ein kleiner Wermutstropfen. Ich nehme mir heraus, das auch entsprechend zu sagen, weil ich glaube – ich komme aus der Wirtschaft –, dass diese regionalen kleinen Institute


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 99

sehr wichtig und notwendig sind, um in Zukunft Wachstum, Beschäftigung und Inves­titionen zu lukrieren. Vielleicht besteht in der Zukunft die Möglichkeit, das noch etwas zu korrigieren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

18.44


Präsident Michael Lampel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile ihm dieses.

 


18.44.32

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin Steßl! Man neigt natürlich als Opposition dazu, immer das zu kritisieren, was man schlecht findet – und da gibt es auch relativ viel, muss ich zugeben.

Es ist ein bisschen problematisch, dass so viele Punkte in diesem einen Paket ent­halten sind, man hat ja nur eine Stimme. Das halte ich schon für problematisch. Wir stimmen jetzt unglaublich vielen Steuern zu, etwa der GmbH light, und das alles in einem Akt. Da muss man einmal die Hand heben oder nicht. Das halte ich prinzipiell, auch demokratiepolitisch, für sehr bedenklich, um das auch einmal zu sagen.

Es gibt auch positive Punkte, zum Beispiel die Begrenzung der steuerlichen Absetz­barkeit bei den Managergehältern. Das ist etwas sehr Begrüßenswertes, betrifft jetzt vielleicht nicht gar so eine Riesenanzahl von Menschen – es sind wahrscheinlich unter 2 000 Menschen, die das betrifft –, aber das ist doch immerhin mehr als symbolisch. Positiv ist auch, dass ein weiterer Schritt in Richtung Steuerbetrugsbekämpfung gemacht wird, vor allem wenn zum Beispiel das Umgehen von Steuern bei Töchter­firmen in Irland der Fall ist. Das halten wir auch für richtig.

Auch die Erhöhung der Aufschläge auf die Bankenabgabe ist grundsätzlich positiv, wenn auch Kollege Kneifel völlig zu Recht gesagt hat, dass es hier eine Hierarchi­sierung gibt, die nicht wirklich erklärbar ist, auch aus meiner Sicht. Warum die Großen da verschont werden, mehr verschont werden als die Kleinen, ist tatsächlich nicht ganz nachvollziehbar.

Aber wir können dem Paket natürlich – nichts ist natürlich – nicht zustimmen; wahr­scheinlich habe ich deswegen „natürlich“ gesagt, weil ja auch medial zu diesen The­men, die wir hier behandeln, schon sehr viel berichtet wurde, aber ich möchte jetzt schon einmal etwas allgemeiner werden.

Ich möchte nämlich an den Wahlkampf erinnern. Ich möchte an die Zeit vor dem 29. September 2013 erinnern. Im Wahlkampf wurde seitens der ÖVP relativ viel ver­sprochen. Von „Entfesselung der Wirtschaft“ war die Rede. Davon war ja so oft die Rede, dass man es irgendwann nicht mehr hören konnte, so sehr saß man auf diesem Sager. Man hat auch ganz klar und sehr deutlich gesagt: keine Steuererhöhungen! Quasi: Read my lips! Keine Steuererhöhungen! (Bundesrat Perhab: Keine neuen Steuern!) – Wir beschließen jetzt aber neue Steuern.

Die SPÖ hat die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36 Prozent auf 25 Prozent versprochen. Das betrifft vermutlich über eine Million Menschen, und es haben wahr­scheinlich nicht wenige der SPÖ deswegen ihre Stimme gegeben, weil das im Wahl­kampf versprochen worden ist. Es wurde auch mehr Steuergerechtigkeit versprochen.

Es wurde versprochen, dass man auch umverteilt. (Zwischenruf bei der ÖVP). – Wir sind ja nicht in der Regierung, wenn ich Sie daran erinnern darf. – Und was be­schließen wir heute? An die ÖVP gerichtet: Wir beschließen heute eine höhere Belastung von 1,2 Milliarden €. Und an die SPÖ gerichtet: Wir beschließen heute keine Steuergerechtigkeit. Also ihr seid beide – und das, finde ich, ist das Traurige an dieser ganzen Geschichte – eigentlich Verlierer, wenn man das noch einmal mit den Wahlversprechen in Einklang bringen möchte.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 100

Ich möchte das aber auch zum Anlass nehmen, zu sagen, wir sollten schon darüber diskutieren, was eigentlich von wem wie – und da bin ich von mir aus auch einmal selbstkritisch – im Wahlkampf versprochen wird. Wenn wir eine demokratische Kultur haben, wenn wir ehrlich mit den Menschen reden wollen, dann führen diese PR-Spins – jetzt versprechen wir das, jetzt tun wir das und nachher passiert genau das Gegenteil – in einem dramatischen Ausmaß zu Demokratieablehnung, Politikverdros­senheit oder vielmehr zu PolitikerInnenverdrossenheit. Das sollte uns wirklich zu denken geben, zumal, wenn man daran denkt, was nach der Wahl und während der Regierungsverhandlungen passiert ist, als irgendwann vom Budgetloch die Rede war. Dann durfte man das nicht mehr „Budgetloch“ nennen, sondern „Erwartungsloch“ – und draußen hat sich genau keiner ausgekannt.

Man jonglierte auch mit den unterschiedlichsten Zahlen, da war zuerst von 40 Mil­liarden € die Rede, dann von 20 Milliarden €. Niemand wusste es; abstrakte Begriffe für die Menschen da draußen. Die können sich so viel Geld ja nicht einmal vorstellen, das muss man auch ehrlich sagen. Und am Ende, muss man sagen, war das ein Trauerspiel für unsere Demokratie, unsere Ehrlichkeit und unsere Offenheit gegenüber den Menschen draußen.

Ich möchte euch einen Tipp geben. Mir wäre sogar lieber, ihr würdet das jetzt lesen, als meiner Rede zuzuhören. Auf „derstandard.at“ ist heute ein sehr interessanter Artikel erschienen, und zwar geht es um den serbischen Ökonomen Branko Milanovic, der ja auch an der Universität New York Professor ist, ein sehr angesehener, guter Ökonom, der die gesamte Weltwirtschaft noch einmal beleuchtet und feststellen wollte: Wer bezahlt denn die Krise?

Und das sage ich jetzt vor allem in Richtung Sozialdemokratie: Es sind die unteren Einkommensschichten, die den Großteil der Kosten der Krise bezahlen. Wir sehen das im Übrigen auch in Griechenland, wo ein Spital nach dem anderen geschlossen wird, wo im Sozialbereich ein Haircut – nennen wir es einmal so – passiert ist, der ohne­gleichen ist.

Am Schluss kommt er zur These – also geht auf „derstandard.at“ und lest euch das einmal in Ruhe durch! –: Die Weltwirtschaft krankt an der fehlenden Gerechtigkeit.

Jetzt erinnere ich auch daran, dass die letzte Steuerreform, die wirklich diesen Namen verdient hat, wo man sich hingesetzt, ein Konzept erstellt und sich überlegt hat: Was macht Sinn, was wie zu besteuern? Was kann man völlig neu machen?, lange her ist. Das ist 25 Jahre her. Seitdem gibt es ein paar Anpassungen hier, ein bisschen Stückwerk da, ein bisschen Änderung da, aber kein Konzept.

Und auch heute beschließen wir kein Steuerkonzept. Was wir beschließen, sind zum Beispiel Tabaksteuern. Aus gesundheitspolitischen Gründen kann ich das ja nach­vollziehen, dass man sagt: Tabak höher besteuern, schauen wir, dass das Geld in den Gesundheitsbereich kommt! Das ist für mich nachvollziehbar.

Wenn wir aber ganz ehrlich sind: Wer raucht denn heutzutage? – Alexander Van der Bellen hat einmal etwas ganz Interessantes gesagt: Jetzt raucht nur noch die Unter­schicht – und ich. – Und es stimmt! Ich wohne im 15. Bezirk. Viele dieser Burschen, die in meiner Umgebung wohnen, suchen verzweifelt eine Lehrstelle, haben überhaupt kein Geld, haben auch noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie gerade aus der Schule kommen – aber sie rauchen alle Marlboro. Das steht übrigens auch in einem Gutachten des Budgetdienstes: Rauchen ist vor allem ein Phänomen in den unteren Einkommensschichten. Und die belasten wir heute. Ist das Gerechtigkeit? Ist das Steuergerechtigkeit?, frage ich hier.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 101

Sekt als „Luxus“ zu bezeichnen, das finde ich ja heutzutage auch nicht mehr wirklich zeitgemäß.

Und warum Luxuslimousinen und Sportautos von der NoVA ausgenommen sind, das konnte mir auch noch niemand erklären.

Ich bin jetzt überrascht, dass die Zeit schon so vorgeschritten ist.

Zustimmen können wir natürlich auch nicht wegen dieses ganzen Zickzacks und Hin und Her in Sachen GmbH light. Jungen Unternehmern und Unternehmerinnen, die vielleicht gerade auf dem Weg waren, die vielleicht gerade am Planen waren, eine GmbH zu gründen, eine derartige Rechtsunsicherheit zuzumuten, eine so völlige Unklarheit, das verstehe ich nicht. Vor gar nicht allzu langer Zeit wurde das erst beschlossen. Vor einem halben Jahr sind wir hier gestanden und haben das bejubelt – wir alle. Und jetzt wird das schon wieder geändert? Und dann wird es doch nicht geändert?

Das ist ein Zickzackkurs, den sich die Gründerinnen und Gründer nicht verdient haben. Auch fand ich es sehr unredlich in dieser gesamten Debatte, dass so in den Vorder­grund gerückt worden ist, dass sich all diese GmbHs, die es gibt, jetzt umgründen würden und GmbHs light werden wollen. 130 000 GmbHs gibt es in Österreich, 0,5 Prozent von denen haben sich umgegründet. 0,5 Prozent! Also wir reden wirklich von Peanuts.

Deswegen diesen jungen Unternehmern und Unternehmerinnen eine derartige Un­sicher­heit zuzumuten, das halte ich nicht für richtig. Es liest halt auch nicht jeder ausführlich jede Debatte, Frau Zwazl. Ich finde, kleine Unternehmer und Klein- und Mittelbetriebe haben sich diesen Umgang nicht verdient und bräuchten nicht noch mehr Fesseln, sondern sie bräuchten wirklich eine Entfesselung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.54


Präsident Michael Lampel: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lindinger. Ich erteile es ihm.

 


18.54.57

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schaue immer gerne ein bisschen in der Vergangenheit nach und kontrolliere, ob, wenn man heute Aussagen trifft, diese in der Vergangenheit auch so getroffen wurden.

Am 11. März 2003 stand in den „Salzburger Nachrichten“:

„In der Frage der Steuerreform tun sich bereits nach zehn Regierungstagen erste Soll­bruchstellen zwischen FPÖ und Finanzminister auf.“ Der Finanzminister erklärt: „Eine Garantie für die Steuerreform gibt es nicht.“ –

Dann wird gekontert. – „Nach dreieinhalb Jahren im Amt müsse ein Finanzminister einen Überblick über sein Haus haben, ätzte Haupt.“

Die geplanten Steuersenkungen wurden nicht durchgeführt. „,Die Diskussion darüber erübrigt sich’, sagte Haupt, der Grasser auch vorwarf, ,nicht verantwortungsvoll’ zu agieren.“

Und der FPÖ-Chef kritisierte damals noch Finanzminister Grasser an mehreren Fron­ten. „So erklärte Haupt auch, Grasser sei die Ausgliederung der Zollfahndung offenbar wichtiger als die Bekämpfung der Schwarzarbeit.“ – Heute wissen wir, warum die Schwarzarbeit nicht bekämpft wurde.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 102

Dann der Seitenhieb aus Kärnten. „Haider drohte Richtung Wien, entweder es komme zu Belastungsstopp und Privilegienabbau oder die Kärntner FPÖ werde in Zukunft einen eigenständigen Weg gehen, mit dem Ziel, eine Art Freistaat Kärnten zu schaffen.“

Wir wissen, wie das geendet hat. Das ist das Trauerspiel. Und heute wird von der Freiheitlichen Partei kritisiert, sie habe nie etwas davon gewusst.

Im „Standard“ vom 26. Februar 2003: Damals hat man noch die private Pen­sionsvorsorge mit 200 Millionen € gefördert. Und man kann sich ja vorstellen, dass sich eine Teilzeitbeschäftigte, vielleicht bei einer Großhandelskette an der Kassa beschäftigt, nicht viel Geld für eine private Pensionsvorsorge leisten konnte. Das war aber damals die Vorgangsweise.

Wenn Kollege Schreuder sagt, das ganze Abgabenänderungsgesetz, das ganze Paket, das wir heute beschließen, sei nicht gerecht, dann muss ich schon anmerken, dass es gerade auf das Arbeitsmarktpaket Auswirkungen hat; gerade auf die älteren Personen über 50 Jahre, auf 88 145 Ältere, die keine Arbeit haben und als arbeitslos vorgemerkt sind. Das sind mehr als im Vorjahr. Es wurden hier Beschäftigungspakete beschlossen, um diese zu fördern. (Bundesrat Schreuder: ! Das sollte die Politik machen!) – Ja, das ist ja Inhalt des gesamten Pakets.

Man kann nicht bei den sogenannten Belastungen etwas weglassen, denn dann kann man auch andere Maßnahmen, die gerecht sind, nicht weglassen.

 Was ich heute noch sagen will, ist, dass wir auch ohne dieses Abgabenänderungsgesetz und das gesamte Paket – und das freut mich als Oberösterreicher ganz besonders – ein Studium der Humanmedizin an der Universität Linz beschlossen haben, diese Artikel-15a-Ver­einbarung. Damit werden auch die 35 Millionen € aufgebracht, die 2013 bis 2017 für die Errichtung der Studienplätze notwendig sind. Das war ein Schritt in die richtige Richtung; das ist heute von sehr vielen gewürdigt und auch erwähnt worden.

Aber: Welchen Inhalt hat dieses Abgabenänderungsgesetz? – Im Vordergrund steht die Steuergerechtigkeit, die Bekämpfung von Steuerbetrug und das Fördern von Wachstum. Wenn man Wachstum fördert, dann bringt das Stabilität. Der österreichi­sche Staat ist im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen der OECD stabil. Wir sind ein stabiler Staat im Steuer- und Sozialbereich.

Bei uns können sich die Unternehmen auf den Staat verlassen, bei uns können sich auch die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf den Staat verlassen. Es hat jeder einen Anspruch, und es wird niemand durch das Netz fallen.

Gerade jene Einnahmen, die wir heute beschließen, garantieren die notwendigen Mittel für den Hochwasserschutz, den wir mit 460 Millionen € dotiert haben, und für den Wohnbau, der mit 276 Millionen € dotiert ist. Sie wissen, dass der Wohnbau einer der wichtigsten arbeitsplatzintensiven Bereiche ist. Vom kleinen Gewerbebetrieb – Instal­lation, Elektro, Wasser – bis zur Bauwirtschaft insgesamt haben alle – bis hin zu jener Firma, die den Dachstuhl macht, und dem Dachdecker – hier Arbeit, wenn der Wohn­bau forciert wird. Und wir wissen, dass es ganz wichtig ist für unsere jungen Men­schen, für unsere jungen Familien, dass günstige, leistbare Wohnungen geschaffen werden. Und mit einem Volumen von 276 Millionen € gehen wir da den richtigen Weg. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Im Bereich Infrastruktur werden 6 Milliarden € in die Straße investiert. Und es gibt noch viele Bauprojekte in Österreich, die fertiggestellt werden müssen. Gerade im Zentral­raum Linz gibt es Projekte, im Zentralraum Wien gibt es noch Projekte, und darüber hinaus die Tunnels in Tirol – überall wollen wir Projekte umsetzen. Wichtig aber ist, dass wir auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs 10,7 Milliarden € in die Schiene


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 103

investieren. Die Schiene ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Verkehrswege, die Bahn das umweltschonendste Verkehrsmittel überhaupt. Und dass sich das Verhältnis einmal umdrehen würde, das wäre früher nicht denkbar gewesen. Früher ist immer mehr in die Straße investiert worden und weniger in die Schiene. Heute wird mehr in die Schiene investiert.

In Wachstum wird unter anderem durch die Förderung von Betriebsansiedelungen im Ausmaß von 100 Millionen € investiert, ein großer Betrag, damit Betriebsansiedelun­gen auch in Zukunft gefördert und unterstützt werden.

Es erfolgt weiters eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 830 Millionen €, die für die vier Stufen ausverhandelt wurde. 830 Millionen € mehr bekommen die Familien, die ja ein wichtiger Bereich sind.

Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Abgabenänderungsgesetz setzt auf einen ausgewogenen Konsolidierungskurs, damit wir bis 2016 einen strukturell ausge­glichenen Haushalt erreichen und uns damit hohe Zinsbelastungen ersparen.

Ein wichtiger Bereich ist die Schließung von Steuerschlupflöchern und die Bekämpfung von Steuerbetrug. Und ein Teil der vorgesehenen Einnahmen wird über Luxus- und verhaltensbezogene Steuern eingehoben, die zum Teil sinnvolle ökologische und gesundheitliche Lenkungseffekte haben.

Geschätzte Damen und Herren! Diese Maßnahmen treten schon am 1. März in Kraft. So schnell hat es eine Regierung, ein Parlament noch nie geschafft, das Paket zu schnüren, dass also die Beamten in den Ministerien alle Bereiche fertig machen und den Gesetzestext erstellen – und am 1. März kann man auch damit rechnen.

Steuergerechtigkeit im Kampf gegen Steuerbetrug: Sie wissen, und wir haben darüber heute im Ausschuss schon intensiv beraten, dass dieser sehr wichtig ist und dass dadurch zum Beispiel 50 Millionen € hereinkommen. (Bundesrätin Zwazl: Stellt nicht immer den Steuerbetrug in den Raum, sondern redet vom Mehrwertsteuerkarussell! Da muss man , aber nicht immer unsere Betriebe !) – Nein, sondern das wird vorbei­geschleust, und wir haben ja heute gehört, dass auch solche Betriebe benützt werden für den Steuerbetrug. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Über die Steuerprivilegien für Top-Manager und Top-Managerinnen ist ja schon hin­läng­lich beraten worden, und es ist berichtet worden, dass der Solidarbeitrag für Top-Verdiener im Ausmaß von 170 Millionen € verlängert worden ist. Das bringt also auch viel Geld. Und bei Luxusdienstwägen, Kollege Schreuder, wird es 5 Millionen € an Einnahmen dadurch geben, dass sie nicht so steuerschonend geltend gemacht werden können. Es erfolgt die Verlängerung der Bankenabgabe – 90 Millionen € –, die Unter­stützung von Neugründungen, die Eindämmung der Steuerflucht, eine Neuregelung, aber Aufrechterhaltung der GmbH light, Betrugsbekämpfung – 100 Millionen € aus dem verschärften Kampf gegen Steuerbetrug! –, und die Ökologisierung der Pkw-Abgaben.

Ich verstehe die von Ihnen genannten Zahlen nicht. Die NoVA wurde für Luxuswägen doch erhöht, Kollege Schreuder, von derzeit 6 916 € auf in Zukunft 8 216 €. Im Vergleich dazu wurde sie beim Pkw VW Golf von derzeit 605 € auf 102 € gesenkt. Das heißt, die NoVA für die kleinen Autos wurde gesenkt, für die großen wurde sie erheblich angehoben. Das ist wirklich ein Beitrag zur Ökologisierung. Und auch die motorbezogene Versicherungssteuer bringt einen Ertrag für das Gesamtbudget von 230 Millionen €; die NoVA 50 Millionen €.

Ja, und dann gibt es noch Maßnahmen bei der Tabaksteuer und bei der Alkoholsteuer. Wir hatten eine große Abhandlung über die Schaumweinsteuer: Wann fällt die an? Was ist Sekt? Was ist Prosecco? Wir haben eine sehr gute Auskunft erhalten: Die Steuer fällt an bei Schaumwein ab einem Druck von 3 Bar in der Flasche und bei


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 104

einem Verschluss mit Draht und Korken. (Bundesrat Kneifel: Du hast gut aufgepasst in der Ausschusssitzung! Du hast gut aufgepasst diesmal! – Bundesrat Stadler: Nicht „diesmal“, sondern immer passt er auf!) – Also: In Zukunft nur Flaschen mit Dreh­verschluss, da fällt keine Schaumweinsteuer an!

Geschätzte Damen und Herren! Das Abgabenänderungsgesetz ist in vielen Punkten und mit vielen der darin vorgesehenen Maßnahmen ein Weg zu mehr Steuerge­rechtigkeit und zur Entlastung der kleinen und kleinsten Einkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Zelina zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.06.42

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Wir befinden uns mit unseren Staatsfinanzen in einer sehr kritischen Position, die auch sehr schnell sehr instabil werden kann. Wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit mit 450 000 Arbeitslosen, die höhere Sozialkosten nach sich ziehen. Wir haben eine Rekordverschuldung in Höhe von 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, mit 240 Milliarden € an Schulden, mit Zinszahlungen von 10 Milliarden € pro Jahr, und das bei einem historisch niedrigen Zinssatz, der jederzeit höher werden könnte.

Zusätzlich haben wir eine Rekordsteuer- und -abgabenquote von 45 Prozent. Bei die­ser Abgabenquote überlegt sich jeder Unternehmer drei Mal, ob er einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellt. Es ist richtig, aus dieser Krise herauszukommen geht nur, oder vorwiegend, indem wir Impulse für Wirtschaftswachstum schaffen. Nur: Wirtschafts­wachstum basiert darauf, dass wir die Kaufkraft der Bürger erhöhen, besonders derjenigen, die am niedrigen Ende der Einkommensskala sind, und auf der anderen Seite unsere Unternehmen entlasten, damit wieder Arbeitsplätze geschaffen und Mitar­beiter eingestellt werden.

Wir brauchen Leistung und Unternehmertum – das muss sich wieder lohnen! Steuer­erhöhungen sind konjunkturell absolut kontraproduktiv.

Auch die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer trifft fast jeden Bürger, sie trifft auch Unternehmer, und sie trifft besonders Familien und – ich erwähne das besonders, weil ich aus Niederösterreich komme – natürlich auch alle Pendler. Die Erhöhung der Familienbeihilfe ist in Ordnung, aber mit der gleichzeitigen Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer geht sehr viel davon wieder verloren.

Das heißt, wenn wir Richtung Wirtschaftswachstum kommen wollen, dann müssen wir genau das Gegenteil machen, nämlich Steuern senken, Gebühren senken und Wachs­tumsimpulse setzen.

Wir haben immer die Angst, dass wir Steuersenkungen gegenfinanzieren müssen. Aber denken wir an die Senkung der Körperschaftsteuer von 34 Prozent auf 25 Pro­zent! Diese Maßnahme hat uns letzten Endes mittelfristig ein höheres Gesamtsteuer­aufkommen gebracht. Das heißt, Steuersenkungen finanzieren sich letzten Endes selbst, weil sie die Wirtschaft ankurbeln.

Der Eingangssteuersatz der Lohn- und Einkommensteuer gehört zumindest mittelfristig von 36,5 Prozent herabgesetzt auf 25 Prozent, um dadurch die Kaufkraft zu erhöhen, um mehr Konsumnachfrage zu schaffen und auch die gering verdienenden EPUs finanziell zu stärken.


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Für die Anstellung des ersten Mitarbeiters eines EPUs wäre eine komplette Lohn­nebenkostenbefreiung für drei Jahre sinnvoll.

Auch wenn wir jetzt bei den Lohnnebenkosten einen kleinen symbolischen Schritt gemacht haben, hier müssen wir noch viel mehr tun! Da bedarf es einer Senkung im Ausmaß von mehreren Prozentpunkten – drei, vier Prozent –, um international wettbewerbsfähig zu bleiben und mit dem Ziel, über eine Stärkung des Exports mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Auch die Abschaffung der Gesellschaftssteuer ist ein sehr wichtiger Schritt bezüglich Kapitalerhöhungen. Wir brauchen viel mehr Eigenkapital und weniger Fremdkapital, um von den Banken unabhängiger zu werden. Jede Bestrafung von Eigenkapital ist schlecht. Daher ist das ein guter Schritt, das kann man loben.

Die Mindest-KöSt für GmbHs gehört meiner Meinung nach komplett abgeschafft. Wer keine Gewinne macht, soll auch keine KöSt zahlen.

Was die Wirtschaftskammer-Mitgliedsbeiträge betrifft, so kann man darüber dis­ku­tieren, ob man diese senkt – 10, 20 Prozent. Und vor allem für EPUs (Bundesrätin Zwazl: Das ist doch eine Grundumlage! Die zahlen ja gar keine!) würde ich die Kammerbeiträge überhaupt freistellen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Niedrigere Steuern machen auch die Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft unattrak­tiver. Wichtig ist, dass wir eine Steuer- und Abgabenquotenobergrenze in der Verfas­sung einführen, sodass wir uns selbst beschränken und hier nichts ausufern kann. Dasselbe gilt natürlich auch für eine Verschuldungsobergrenze. Und langfristig sollten wir die Steuer- und Abgabenquote kräftig herunterbringen, mittelfristig von 45 Prozent auf 40 Prozent und langfristig auf 35 Prozent. Was die Schweizer können, werden wir auch schaffen.

Wichtig ist außerdem noch, dass wir all die branchenspezifischen Steuerprivilegien und Steuerausnahmen, die wir haben, reduzieren. Wir haben über 500 Steuerprivilegien. Da kann man das Steuersystem vereinfachen.

Zur Gruppenbesteuerung und Konzernbesteuerung: Gewinne sollten grundsätzlich in dem Land versteuert werden, in dem sie auch anfallen. Und Inlandsinvestitionen sollten grundsätzlich steuerlich bessergestellt werden als Auslandsinvestitionen. Das schafft Arbeitsplätze im Inland.

Auch was das Thema Steuer-Oasen betrifft, mit all den Steuerschlupflöchern, wo wir immer wieder diese Konstruktionen haben, dass Marken in eigene Markengesell­schaften ausgegliedert werden, die sich dann auf Steueroasen befinden: Das gehört abgestellt! Die Verschiebung von Konzerngewinnen von Österreich in steuerfreie Oasen muss verhindert werden.

Die steuerliche Nicht-Absetzbarkeit von Lizenzgebühren ist auch ein guter Schritt.

Eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote wird in Summe das Gesamtsteuer­aufkommen erhöhen und finanziert sich durch Multiplikatoreffekte einer Konjunktur­belebung von alleine. (Bundesrat Stadler: Alles geht von allein! Alles fällt herunter!)

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte betreffend Hypo Alpe-Adria und Bankenabgabe sagen:

Wir brauchen in Österreich dringend ein Bankeninsolvenzrecht. (Staatssekretärin Mag. Steßl: Haben wir schon!) Haben wir nicht! (Staatssekretärin Mag. Steßl: Haben wir schon seit Juli letzten Jahres!) Bei Bankenkonkursen sollten ganz klar zuerst die Bankaktionäre haften, dann die Anleihengläubiger, dann ungesicherte Spareinlagen


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über 100 000 €, dann der Einlagensicherungsfonds und zum Schluss erst der Steuer­zahler. Das ist ganz wesentlich.

Und wenn wir einen Bankenpleiteabwicklungsfonds auch noch hinbringen, dann könnten wir diesen mit der Bankenabgabe speisen.

Eine Bankeninsolvenz zeigt den Investoren auch, dass sie in Zukunft nicht mehr damit rechnen können, dass der Steuerzahler per Bail-out ihre Verluste sozialisiert. (Bun­desrätin Zwazl: Die Banken zahlen 650 Millionen € an Bankenabgabe, und das fließt ins Budget! In Deutschland sind es 500 Millionen, obwohl Deutschland, wie wir wissen, größer ist, und dort geht sie in einen Fonds für die Banken!)

Ja, es wäre auch sinnvoll, dass die Bankenabgabe direkt in den Fonds für zukünftige Bankenrettungen geht und nicht anderweitig verwendet wird.

Ein Lösungsvorschlag, den man auch bei anderen Sanierungen macht, ist, dass man die Gläubiger heranzieht und die Schulden quasi in Eigenkapital umwandelt. Das heißt, man macht die Gläubiger zu Anteilseignern der Bank. Das wäre eine mögliche Vor­gangsweise – man nennt sie Debt-Equity-Swap. Damit wären die Gläubiger mit den Interessen der Steuerzahler gleichgeschaltet. Das wäre ein möglicher Ansatz. Viel­leicht denken Sie darüber nach. – Danke.

19.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Staatssekretärin Mag. Steßl zu Wort. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


19.16.23

Staatssekretärin im Bundesministerium für Finanzen Mag. Sonja Steßl: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich bedanke mich zunächst einmal für die Diskussion. Ich habe mir erlaubt, mich nach der ersten RednerInnenrunde zu Wort zu melden, und ich habe hier schon einige Diskus­sionspunkte gehört, auf die ich natürlich auch gerne eingehen werde.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz wird der nächste Schritt der Konsolidierungs­maß­nahmen der Bundesregierung gesetzt. Wir haben vor Kurzem im Nationalrat das sogenannte Budgetprovisorium beschlossen, wo wir auch die heute schon ange­sprochenen 500 Millionen € bei den Ermessensausgaben der einzelnen Ressorts eingespart haben. Nun wird der Staat aus diesem Abgabenänderungsgesetz rund 770 Millionen € einnehmen, in den kommenden Jahren jeweils rund 1,2 Milliarden €.

Da von Herrn Bundesrat Schreuder insbesondere auch die Steuergerechtigkeit ange­sprochen wurde, werde ich gerne darauf eingehen. Man muss sich natürlich das Paket insgesamt näher anschauen und genau darauf achten, was auch an Steuergerech­tigkeit in diesem Paket beinhaltet ist. Außerdem sei auch erwähnt – gerade auch in diesem Gremium, im Bundesrat –: Durch das Abgabenänderungsgesetz werden rund 1,7 Milliarden € an Mehreinnahmen für Länder und Gemeinden erwartet.

Das Paket ist auch in sich ausgewogen. Wenn man die innere Struktur genauer betrachtet und sich die Maßnahmen bis 2018 ansieht, dann stammen zirka 1,5 Milliar­den € aus unternehmensbezogenen Maßnahmen und zirka 1,3 Millionen € aus der verbesserten Steuergerechtigkeit. Und da möchte ich auch, insbesondere hier in diesem Hause, die Nichtabsetzbarkeit der Managerbezüge ab einer halben Million Euro sowie auch die KESt-Pflicht für Drittstaatsangehörige ansprechen.

Mein Vorredner vom Team Stronach hat auch insbesondere die Bankenabwicklung und das gesamte System angesprochen. Ich habe das eigentlich sehr interessant gefunden, denn wenn ich mir im Nationalrat die Diskussionen anhöre und insbe­sondere auch jene Aussagen, die vom Team Stronach bezüglich EU und europäische


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Bankenunion kommen, dann ist das komplett konträr zu dem, was Sie heute gesagt haben. Ich darf auch feststellen, dass wir bereits letztes Jahr den ersten Teil des Bankeninsolvenzrechts abgeschlossen und beschlossen haben und uns jetzt in der Europäischen Union im Rahmen des zweiten Pakets auch darüber einigen werden, wie wir genau die Banken abwickeln werden. Ich bin davon überzeugt, dass hier auch insbesondere eine europäische Lösung notwendig ist, damit wir eben angesichts derartiger Dinge, wie sie uns im Zuge der Bankenkrise ereilt haben, auch eine Vorgangs­weise für die Abwicklung von Banken haben.

Nun noch einmal zur Steuergerechtigkeit: Bei den Maßnahmen, die wir im Abgaben­änderungsgesetz vorfinden, möchte ich insbesondere die Anti-Profit-Shifting-Regelung hervorheben. Wir sind Vorreiter in Europa, was die Strenge dieser Regelung betrifft. Wir erwarten zirka 100 Millionen € aus deren Umsetzung, und zwar ist das sogenannte Anti-Profit-Shifting ein Abzugsverbot im Körperschaftsteuergesetz, dass Lizenz-, Zins- und Patentzahlungen an Empfänger in Niedrigsteuerländern nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können, wenn der Steuersatz – also die effektive, nicht die nominelle Besteuerung – unter 10 Prozent liegt. Österreich ist somit Vorreiter in Europa, und die Regelung ist die strengste ihrer Art.

Gesetze, wie diese Anti-Profit-Shifting-Regelung haben ja auch einen handfesten Hinter­grund. Ihnen allen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist wahrscheinlich eine Schätzung der EU-Kommission bekannt, wonach den EU-Staaten rund eine Billion Euro jährlich vorenthalten wird, indem Vermögenswerte und Geldvermögen vor den staatlichen Behörden sozusagen versteckt werden. Da ist insbesondere ein Bündel an Maßnahmen notwendig, und das neue Abzugsverbot ist ein Teil davon. Das Paket beinhaltet unter anderem auch, dass das sogenannte Verwertungsverbot in Geldwäscheermittlungsverfahren fällt.

Damit komme ich schon zum nächsten Punkt, und zwar zur Reform der Gruppen­besteuerung: Die Geltendmachung von Verlusten ausländischer Konzerntöchter wird auf EU- und EWR-Staaten beschränkt, sowie auf Staaten, mit denen ein ausreichend hoher Amtshilfe-Standard bei Abkommen vereinbart wurde. Die Abzugsfähigkeit wird mit 75 Prozent des Gewinns beschränkt. Die Firmenwertabschreibung wird abge­schafft, wobei eine Teilwertberichtigung beibehalten wird, und daraus ergeben sich auch rund 50 Millionen € mehr an zusätzlichen Einnahmen für den Staatshaushalt.

Moniert wurde auch – insbesondere von Herrn Bundesrat Kneifel – die Stabilitäts­abgabe, öffentlich Bankenabgabe genannt. Ich möchte hier feststellen, dass mit der Bankenabgabe rund 640 Millionen € erwartet werden und dass wir jetzt die Bemes­sungs­grundlage – weg von den Derivaten; insbesondere bei den Derivaten waren Ver­schiebungen möglich, und wir hatten nicht das Aufkommen, das wir uns erwartet hatten – auf die Bilanzsumme umgestellt haben. Wir haben jetzt ab 1 Milliarde € Bilanzsumme die Stabilitätsabgabe, und da gibt es auch einen Deckel mit den 20 Milliarden. Der Bankensektor wird – weil der Kollege noch einmal das Banken­system angesprochen hat – auch einen bedeutenden Teil seiner Krisenkosten selbst bezahlen.

Frau Kollegin Mühlwerth, Sie haben ja Ihre Argumente schon vorgebracht, bevor die Dringliche Anfrage aufgerufen wurde. Ich darf schon feststellen, dass einige Maßnah­men nicht nur im Regierungsprogramm stehen, sondern dass in der Nationalrats­sitzung zwei Initiativanträge eingebracht wurden, insbesondere möchte ich die 350 Millionen € für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hervorheben.

Sie alle sind ja ständig bei den Bürgerinnen und Bürgern unterwegs und wissen natürlich auch aus Ihrer Erfahrung, wie wichtig es ist, dass gerade ältere Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz finden. Es gibt


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insbesondere sehr, sehr viele Frauen, die nach den Kindererziehungszeiten wieder in den Beruf einsteigen wollen, die oft sehr lange zu Hause geblieben sind, auch aufgrund familiärer Situationen, und auch Möglichkeiten finden möchten, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Ich glaube, dass es gerade die richtige Antwort ist, 350 Mil­lio­nen € für diese älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.

Wir haben auch einen Initiativantrag eingebracht, der 200 Millionen € für die Lohn­neben­kostensenkung vorsieht – gerade in Zeiten der Krise reagiert die Regierung mit dieser Lohnnebenkostensenkung.

Sie haben auch fehlende Reformen moniert. Ich bin ja aus der Steiermark, man hört es wahrscheinlich ein bisschen an meinem Dialekt, und mir ist eines aufgefallen – und das merke ich insbesondere in der Steiermark –: Von der Opposition beziehungsweise von der FPÖ werden immer Reformen moniert, macht man aber welche, dann sind Sie die ersten, die diese Reformen nicht goutieren und immer kritisieren. Das sollte auch gesagt werden. (Bundesrätin Mühlwerth:  immer alles schön!) – Das hat nichts mit Schönreden zu tun, Frau Kollegin, sondern das sind reine Feststellungen (Bundesrätin Mühlwerth: Von uns auch!), die ich aus meiner politischen Tätigkeit treffen kann.

Mit einem Abänderungsantrag wird auch eine neue Regelung beim Rehabilitätsgeld geschaffen. Dieses wird künftig von den Krankenkassen ausbezahlt, weswegen auch eine Pauschalbesteuerung wirksam wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist ein nächster Schritt auf dem Konsolidierungspfad der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat in ihrem Regie­rungsprogramm vereinbart, dass wir das strukturelle Nulldefizit 2016 erreichen wollen. Die Bundesregierung hat auf der Regierungsklausur – weil das von Herrn Bundesrat Schreuder angesprochen wurde – auch die Senkung des Eingangssteuersatzes ver­einbart; das wurde im Regierungsprogramm vereinbart, und auch die Einsetzung einer Steuerreformkommission; das wurde auch in einigen Redebeiträgen hier ange­sprochen.

Wir haben jetzt einmal das Steuerungsgremium festgesetzt, und jetzt gilt es natürlich, die Expertinnen und Experten zu berufen, damit die Arbeit beginnen kann. Wir erinnern uns: Die letzte Neukodifikation des Einkommensteuergesetzes erfolgte 1988. Es geht da einerseits um eine Neustrukturierung beziehungsweise eine Neukodifikation des EStG, aber natürlich auch darum, Möglichkeiten zu schaffen, den Eingangssteuersatz auf 25 Prozent zu senken.

Wir müssen aber bei der Verteilung der Abgaben selbstverständlich auch darauf achten, dass wir wegkommen vom Faktor Arbeit, denn Österreich ist hinsichtlich der Belastung des Faktors Arbeit im EU-Vergleich auf dem Spitzenplatz, und es geht natürlich um mehr Netto vom Brutto. Allerdings – und das wurde heute auch ange­sprochen – steht das gesamte Regierungsprogramm, jede einzelne Maßnahme unter einem sogenannten Finanzierungsvorbehalt, und ich glaube, dass es Kernaufgabe dieser Regierung sein wird und sein muss, sich Spielräume zu erarbeiten, um derartige Maßnahmen zu finanzieren und vor allem auch finanzieren zu können.

Ich glaube, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, dass wir dieses Steuersystem, diese Ungleichbehandlung, insbesondere die hohe Belastung des Faktors Arbeit ändern. – Danke, für Ihre Aufmerksamkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

19.28



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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Perhab. – Bitte.

 


19.28.48

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeit ist vorgeschritten, nach einer zweieinhalbstündigen Debatte über eine Dringliche Anfrage, die mir nicht so dringlich vorgekommen ist (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und ich glaube, die Debatte war nicht unbedingt ein Highlight, ein Glanzlicht (Bundesrat Jenewein: Der ÖVP, das stimmt! – neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) unter den Debatten im Bundesrat – aber lassen wir das dahingestellt!

Frau Kollegin Mühlwerth, ich muss aber doch kurz auf deine Ausführungen eingehen: Du hast in deiner Rede von der noch amtierenden „Notkoalition“ gesprochen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Ja eh!) Weißt du, was eine Notregierung ist? – Das ist das in der Ukraine, vielleicht bringen sie eine zusammen. – Hoffentlich! (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

Die SPÖ/ÖVP-Regierung in Österreich als Notregierung zu bezeichnen (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), ist aber ein gewagtes Beispiel. Und damit sind wir schon beim Thema: Wie ist das Verhalten der Oppositionsparteien in einer der schwierigsten Phasen der Republik Österreich?

Wenn man sich die Sondersitzung im Nationalrat nur auszugsweise angeschaut hat (Zwischenruf des Bundesrates Brückl), dann muss man feststellen, dass keine der heutigen Oppositionsparteien überhaupt nur ein Mindestmaß an Regierungsfähigkeit bewiesen hat. Herr Strache geht mit Handschellen raus, mit Handschellen! – Was heißt denn das? – Die Regierung gehört in Handschellen abgeführt?t Herr Strolz geht nach einem viertägigen Aufenthalt im Wienerwald mit Schamanentätigkeit hin und klebt einen Kuckuck auf die Regierungsbank. Die Grünen bezeichnen die Regierung als verbrecherische Organisation. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) – Also wo sind wir überhaupt? Was ist denn das für ein Niveau der Opposition?

Sie haben in einer wesentlichen Verhandlung bewiesen, dass Sie überhaupt nicht regierungsfähig sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Jenewein: Dafür gewinnen wir die Wahlen, und ihr verliert sie!)

Frau Kollegin Mühlwerth! Kollege Füller und ich waren voriges Wochenende in Athen bei einem EU-Meeting der Innen- und Justizausschüsse, und wir haben bei einem Empfang in der österreichischen Botschaft und von Auslandsösterreichern Situationen geschildert bekommen, wie die Wirklichkeit in Griechenland zurzeit aussieht, die uns als Republik Österreich, als Staat ein warnendes Beispiel sein müssen. Da gibt es Tausende Personen, die keine Pflichtversicherung haben, die keine Kranken­versiche­rung mehr haben, 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, 40 bis 50 Prozent Lohn- und Pensionskürzungen!

Wenn wir die zwei großen Ziele, die sich die Regierung gestellt hat, erreichen – auf der einen Seite Budgetkonsolidierung bis 2016 und auf der anderen Seite Bekämpfung der Arbeitslosigkeit –, wenn wir Erfolg haben bis 2016, dann brauchen Sie sich über das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in diese Regierung gar keine Sorgen mehr zu machen (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein – Bundesrätin Mühlwerth: Wir machen uns eh keine Sorgen!), denn dann haben wir das Vertrauen wahrscheinlich zurückerobert! Da bin ich mir hundertprozentig sicher, denn das sind die wichtigen Dinge, die die Bevölkerung interessieren. (Bundesrat Jenewein: Vor allem in der Steiermark sollten Sie sich Sorgen machen!) – In der Steiermark machen wir diese Reformpartnerschaft, sehr erfolgreich und gegen großen Wiederstand der FPÖ! (Neuerliche Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Jenewein.)


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Frau Staatssekretärin Steßl hat es schon erwähnt: Jede Reform in der Steiermark wird von der FPÖ populistisch bekämpft (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein): Gemeindestrukturreform, Polizei – alles wird bekämpft, um politisches Kleingeld zu machen. Das ist die Wahrheit, das ist Faktum. (Bundesrat Jenewein:  wir sind dort stärkste Partei!)

Ich denke, wir haben in der Steiermark die Zeichen der Zeit erkannt. Wir fahren diesen Konsolidierungskurs, wir mussten ihn fahren, weil wir eben finanziell über unsere Verhältnisse gelebt haben; das ist keine Frage.

Kommen wir aber zum Abgabenänderungsgesetz! Natürlich – und da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube, die Frau Präsidentin wird mich dabei unter­stüt­zen – war für uns als Wirtschaftsvertreter dieses Abgabenänderungsgesetz im Erstentwurf nicht akzeptabel. Das muss man ganz offen und ehrlich sagen. Wenn die Grünen und die NEOS geglaubt haben, sie können aus der GmbH-light-Debatte hier einen Wahlkampfschlager für die nächste Wirtschaftskammerwahl machen, weil die ÖVP und der Wirtschaftsbund sich nicht durchsetzen können, dann muss ich sagen: So ist es nicht! Wir haben uns mit Argumenten durchgesetzt (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth), mit Argumenten, warum wir zu dieser GmbH light stehen, warum wir weiterhin den Gewinnfreibetrag bis 30 000 € wollen: für unsere kleinen Unter­nehmen, die damit einen Ausgleich zum 13. und 14. Monatsgehalt der Arbeitnehmer haben.

Ich glaube, das ist uns gelungen, daher können wir heute – nicht mit voller Begeis­terung, aber doch mit Überzeugung – diesem Kompromiss zustimmen.

Ich denke, es sind einige Punkte dabei, die durchaus in die richtige Richtung gehen. Ein Punkt wurde schon erwähnt: Lohnnebenkostensenkung, ein ewiges Thema; das ist fast nicht möglich in unserer Zeit, unter diesen finanziellen Rahmenbedingungen, aber es ist ein Paradigmenwechsel, und wir haben immerhin einmal in die andere Richtung agiert. – „Regieren“ kommt ja von „agieren“; wir haben in die andere Richtung agiert. Die 200 Millionen €, in Summe, sind nicht der Stein des Weisen, aber wir haben einmal einen Beginn gemacht, vor allem für unsere kleinen und mittleren Unternehmer.

Ich denke – Gewinnfreibetrag und GmbH light habe ich erwähnt – auch an die Maß­nahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer, die neue Form des Kombilohns wird vielleicht eine Zukunftslösung sein. Darüber hinaus – bitte vergessen Sie das nicht! – beginnen wir 2014 mit dem Handwerkerbonus, zwar noch in bescheidenem Ausmaß, aber vielleicht können wir da in eine Win-win-Situation kommen, indem wir die Schwarzarbeit am Bau zumindest ein bisschen mildern und zusätzliche Aufträge für unsere Professionisten und Handwerker erreichen.

Herr Kollege Schreuder, eines habe ich vergessen betreffend Ihre Ausführungen: Die Grünen haben immer gesagt, die Verkehrssteuern gehören angehoben, vor allem jene auf Treibstoffe, damit die Leute weniger Autofahren und wieder mehr die Öffis benützen.

Ich möchte nur auf einen Aspekt hinweisen, der mir wichtig erscheint, der in der Diskussion bis jetzt aber vielleicht zu kurz gekommen ist, nämlich die positiven Auswirkungen der Normverbrauchsabgabe – die uns natürlich im Autohändlerbereich nicht nur gut tut – auf die Energieeffizienz. Da ist ein Lenkungseffekt zu erwarten, das sagen alle Experten, und das war auch eine der wichtigsten Überlegungen bei dieser Maßnahme. Wenn dieser nur zu 50 Prozent eintritt, dann haben wir damit etwas erreicht: dass wir vielleicht weniger große Autos mit mehr Kilometer auf der Straße haben. Die, die es sich leisten können, werden dafür auch mehr bezahlen müssen; also das ist auch unter dem Aspekt der Gerechtigkeit nicht ganz von der Hand zu weisen. (Bundesrätin Mag. Schreyer: Es ist das ganze Paket angesprochen wor-


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den !) – Ja sicher, es ist ein großes Paket, aber man kann positiv und negativ die Rosinen herauspicken, das ist immer so.

In Summe glaube ich aber – Frau Staatssekretärin Steßl hat es erwähnt –, wir sind einfach nicht in der Lage, dass wir jetzt große Geschenke an die Bevölkerung verteilen. Wir müssen bis 2016 den Budgetpfad einhalten, und ich bin überzeugt, dass der Regierung das mit Vernunft und Fleiß, mit Ausdauer und Zähigkeit gelingen wird – und wir werden sie dabei unterstützen – und dass uns die österreichische Bevölkerung das 2016 gutschreiben und uns das Vertrauen zurückgeben wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

19.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


19.36.32

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Werte Regierung! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jetzt hat Kollege Perhab doch noch für ein Highlight am heutigen Tag gesorgt. Du hast ausgeführt, dass die gesamte Opposition bei der letzten Sondersitzung bewiesen hat, dass sie nicht regierungsfähig ist. – Da muss ich sagen: Ihr tut das schon seit Jahren, beweisen, dass ihr nicht regierungsfähig seid. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Perhab sowie weiterer Bundesräte der ÖVP.)

Leider ist es halt so, dass wir bei so einem Konvolut an Gesetzen, das hier vorliegt und das leider in Bausch und Bogen abgestimmt werden muss – ich sage nur: Teilein­spruchsrecht des Bundesrates, eine alte Forderung –, auf jene Dinge eingehen, die uns nicht behagen, weil wir das einfach nicht mittragen können.

Frau Staatssekretär Steßl hat das wunderbar umschrieben: Einnahmen „aus der ver­besserten Steuergerechtigkeit“. – Das ist nichts anderes, als dass wieder einmal Autofahrer, Alkoholkonsumenten und Raucher (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig) als die liebste Zielgruppe der Bundesregierung zum Schröpfen entdeckt worden sind.

Das eignet sich auch ganz besonders für fadenscheinige Argumentationen, auf die ich teilweise noch näher eingehen werde; eine davon – wie sie auch in einem Papier vom Bundesministerium zu finden ist – ist für mich besonders interessant und geradezu kühn. Da findet man nämlich mehrmals – sowohl bei der Kfz-Steuer als auch bei der Schaumweinsteuer, der Alkoholsteuer und so weiter –, dass es sich um eine Inflationsanpassung handle. – Das ist wirklich Wirtschaftspolitik ersten Ranges, also das ist schon fast nobelpreisverdächtig.

Ich gehe davon aus, dass Sie in konsequenter Fortsetzung dieser Politik nach der nächsten Lohnrunde die Lohnsteuer erhöhen werden, um das wieder auszugleichen. Das würde das nämlich bedeuten. Sie scheinen noch nicht realisiert zu haben, dass Steuererhöhungen bei Massensteuern und bei Verbrauchsteuern die Inflation anheizen.

Mit dieser Argumentation haben Sie eine Art Perpetuum mobile erfunden, allerdings im negativen Sinn: Sie erhöhen die Steuern, damit steigt die Inflation, dann können Sie wieder die Steuern erhöhen, um die Inflation bei den Steuereinnahmen auszu­gleichen. – Das ist sehr originell, muss ich schon sagen.

Ich würde Ihnen eher empfehlen: Passen Sie vorher einmal die Inflation bei den Trans­ferleistungen und bei den Abschreibeposten – beispielsweise für Familien im Bereich der Pflege – an!


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Da wir beim Thema Kraftfahrzeuge sind: Wie wäre es denn, wenn wir einmal das Kilometergeld der Inflation anpassen würden? – Von der kalten Progression will ich gar nicht reden. Dort kommt sowieso jeder immer mehr in diesen Strudel hinein.

Mit der Erhöhung der Versicherungssteuer, der Kfz-Steuer und der neuen NoVA machen Sie die marginalen Verbesserungen, die vor relativ kurzer Zeit für die Pendler beschlossen worden sind, wieder zunichte und führen diese ad absurdum. Die Autofahrer werden wieder einmal überproportional zur Budgetsanierung herangezogen und mit den Rauchern und den Schnapstrinkern in einen Topf geworfen.

Es ist also so, dass die Anschaffung eines Familien-Vans in Zukunft ungefähr 600 € mehr kosten wird. Ich werde daher meiner Tochter beziehungsweise meinem Schwie­gersohn sagen, sie sollen sich keinen Renault Espace anschaffen, sondern einen Renault Twingo. (Bundesrat Stadler: Einen Porsche!) Wie sie allerdings dann die Drillinge mit den Kinderwägen dort unterbringen sollen (Zwischenrufe bei der SPÖ), das erklären bitte Sie meinen Kindern; oder du, Kollege Perhab, bist auch geeignet dafür, wie man das macht.

Das ist also das, was Sie als Steuergerechtigkeit empfinden: Ein Drittel des Einkom­mens geht mittlerweile schon für das Auto drauf bei einem Durchschnitts-Österreicher.

Diese fatale Verteuerung ist auch – und das ist wahrscheinlich der einzige Lenkungs­effekt, den Sie damit erzielen – ein weiteres Puzzlestück, ein weiteres Steinchen im Mosaik zur Ausdünnung des ländlichen Raums. Es werden Schulen geschlossen, es werden Polizeidienststellen geschlossen, es werden Gemeindeämter geschlossen. Und nun macht man es den Pendlern, den Familien im ländlichen Raum, weil die öffentlichen Verkehrsmittel dort nicht in dem Maße zur Verfügung stehen, natürlich doppelt schwer, wenn sie mit dem Auto fahren müssen, wenn sie auf das Auto angewiesen sind. Dann werden sie halt sagen: Nein, wir müssen in den Zentralraum ziehen.

In Wirklichkeit wird unser ländlicher Raum weiter ausgedünnt. Dass das alles aus­gerechnet unter einem ÖVP-Finanzminister geschieht, ist auch sehr beachtlich. Ich hätte mir eigentlich eher federführend von der SPÖ erwartet, dass sie wieder in den alten Klassenkampfreflex verfällt und Autos als Luxusgut brandmarkt. Vielleicht kommt als Nächstes die Wiedereinführung der Luxussteuer; diese haben wir auch schon einmal gehabt, auf Schmuck, Uhren und so weiter.

Beim Sekt hat man ja schon angefangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da hat man den ersten Schritt mit der Schaumweinsteuer gesetzt und benachteiligt die österreichischen Produzenten zugunsten ausländischer Billigprodukte. (Bundesrat Todt: Jetzt kommt das Bier dran! – Weitere Zwischenrufe.) Meine Damen und Herren, auch Qualitätssekt ist Teil des vielgerühmten Feinkostenladens Österreich! 2005 wurde diese Steuer auf null gesetzt mit der Argumentation, sie verursacht sehr hohe Verwaltungskosten, bringt nur sehr wenig und führt zu einer Wettbewerbsverzerrung. An dieser Argumentation hat sich bis heute nichts geändert, aber trotzdem führt man diese Steuer jetzt wieder ein.

Wie skurril diese Bestimmungen sind, hat bereits einer der Vorredner angesprochen, und wir haben es im Ausschuss diskutiert. Es wird also in Zukunft bei Importware der Zöllner wahrscheinlich den Korken einmal stichprobenartig schnalzen lassen, und je nachdem, wie weit er fliegt, wird er sagen: Hat 2,9 bar, ist frei; oder hat 3,1 bar, muss versteuert werden. Denn das Erscheinungsbild, nämlich Sektkorken mit Metallbügel, lässt sich relativ leicht anpassen. Da mache ich eben einen Schraubverschluss, da werden die ausländischen Importeure relativ schnell draufkommen, und dann geht das als steuerfreies Produkt durch. (Bundesrat Stadler: Dann bist eh wieder zufrie­dengestellt!) Aber die heimischen Qualitätsanbieter bleiben auf der Strecke.


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Ähnlich verhält es sich bei der Alkoholsteuer, bei den Bränden. Gerade wir in der Steiermark haben sehr viele Qualitätsbrennereien, auch die werden unter die Räder kommen.

Für die Gesundheitspolitik wäre es am einfachsten, wir verbieten den Alkohol. Das hat man ja schon einmal probiert, nicht bei uns, jeder wird es wissen: USA, Prohibition. Wohin hat das geführt? – Das hat zum Aufblühen und eigentlich zum wirklichen Ent­stehen der Mafia beigetragen.

Das machen wir jetzt auch bei der Tabaksteuer. Wir wissen, dass seit Jahren der Konsum an Zigaretten in etwa konstant ist, aber die Lieferanten wechseln. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Die legalen Verkäufe gehen zurück, und mafiöse Organisationen machen bessere Geschäfte. Das ist der Lenkungseffekt. Es kommt noch hinzu, dass durch gefälschte Produkte dann auch die Gesundheit eher noch schlechter dasteht als vorher und die heimischen Trafikanten einen wesentlichen Teil ihrer Existenzgrundlage verlieren.

Also: Fadenscheinige Argumente werden hier gebracht, um Budgetlöcher zu stopfen. Dafür geben wir uns nicht her.

Deshalb darf ich auch noch einen Antrag einbringen (Nein-Rufe bei ÖVP und SPÖ), und zwar – ganz einfach, es ist nicht einmal namentliche Abstimmung verlangt (Bun­desrat Kneifel: Nicht notwendig!) – folgenden Einwendungsantrag:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend dieses Abga­benänderungsgesetz 2014 wird gemäß Art. 42 B-VG Einspruch erhoben.

*****

Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

19.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte, Frau Kollegin.

 


19.46.56

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das Abgabenänderungsgesetz versteht sich als Teil der Budgetkonsolidierung. Dass ein strukturelles Nulldefizit bis 2016 zu erreichen versucht wird, ist schon mehrfach angesprochen worden.

Auch wenn ich persönlich das Konsolidierungsziel und das Konsolidierungstempo in Zeiten schwacher Konjunkturentwicklung für zu ehrgeizig halte, stellen die EU-Vorgaben als Ergebnis mehrheitlich konservativer Wirtschaftspolitik ein Faktum dar, dem man sich als kleines Land kaum entziehen kann. Wenn man das Konsolidie­rungsziel umsetzt, sollte man es daher wachstums- und beschäftigungsfördernd tun. Dafür ist ein gut ausbalancierter Mix aus ausgaben- und einnahmenseitigen Maßnah­men wichtig.

Meinem Verständnis nach ist das im Großen und Ganzen gelungen und das Paket gesamthaft zu bewerten. Naturgemäß sind wohl für alle von uns einzelne Punkte dieses Pakets so gestaltet, dass wir sie lieber nicht hätten. Aber es ist nun einmal so,


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dass in Zeiten schwieriger Rahmenbedingungen eine Gesamtsicht zu entwickeln und ein Gesamtpaket zu bewerten ist.

Positiv ist aus meiner Sicht, dass keine gesetzlichen Ansprüche auf Sozialtransfers beschnitten worden sind und es für einige wichtige Bereiche mehr Budgetmittel geben wird. Es ist schon angesprochen worden: das Thema verbesserter Chancen älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt, Kleinkindbetreuung, Familienbeihilfe, Pflege, Wohnbau und so weiter, was wiederum zu wichtigen Investitionen und damit zu Beschäftigung führen wird.

Weiters ist aus meiner Sicht positiv zu bewerten, dass der größere Teil der einnahmen­seitigen Maßnahmen im Gewinnsteuerrecht kommt: durch Verhinderung unerwünsch­ter Steuergestaltungsmöglichkeiten und Schließung von einigen Steuerlücken sowie Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit. Der Rest kommt aus Verbrauchssteuern.

Auch Maßnahmen zur Verwaltungsökonomie und Verstärkung von Kontrollen sind eingeflossen, wie zum Beispiel der sinnvolle Informationsaustausch zwischen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung bei An- und Abmeldung von Be­schäftigten.

Wäre es zu einer Einigung über eine reformierte Erbschaft- und Schenkungsteuer von großen Vermögen sowie eine Vermögensteuer für Millionäre gekommen, hätte das den großen Vorteil gehabt, dass diese Steuern den privaten Konsum praktisch nicht beeinträchtigt hätten. Weil das politisch nicht durchsetzbar war, kommt es nun zu Erhöhungen bei Verbrauchssteuern, die Konsumenten belasten werden. In der Detail­ausgestaltung ist es allerdings gelungen, eine gewisse soziale Ausgewogenheit zu finden.

Aus meiner Sicht lassen sich die Maßnahmen in drei Gruppen gliedern. Erstens: Lückenschließungen im Gewinnsteuerrecht, von der Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Managerbezügen über 500 000 € – das ist schon angesprochen worden – über die Einschränkung bei der Gruppenbesteuerung und das in Europa vorbildliche Verbot des Profit Shifting bis hin zur Einschränkung der Geltendmachung des Gewinnfreibetrags auf Wohnbauanleihen. Es kann doch nicht richtig sein, dass sich größere Unternehmen, größere Konzerne durch interne Kostenverrech­nungsmög­lichkeiten niedrigere Steuerleistungen herausholen als Klein- und Mittelbetriebe!

Zweitens: lohnsteuerliche Maßnahmen. Hier ist mir wichtig zu erwähnen, dass es zu keiner Schlechterstellung bei Abfertigung, Kündigungsentschädigung und arbeitsrecht­lichen Vergleichen gekommen ist. Ausnahmen bilden hier nur sehr hohe Monats­bezüge von mehr als rund 13 500 €. Dass die Befristung der Solidarabgabe für sehr hohe Einkommen von 150 000 € aufwärts pro Monat aufgehoben werden soll, halte ich für einen notwendigen Beitrag zur sozialen Fairness.

Bei den Verkehrs- und Verbrauchssteuern wurden Lenkungseffekte auch mit dem Ziel gesetzt, zu Verhaltensänderungen im ökologischen und gesundheitlichen Bereich anzuregen. Das ist von einigen Vorrednern schon angesprochen worden, und auch, dass das Abgabenänderungsgesetz 2014 und die damit verbundenen Steuerer­hö­hungen Bund, Ländern und Gemeinden bis 2018 Mehreinnahmen in Höhe von 5,4 Milliarden € bringen werden.

Zum Thema Bankenabgabe möchte ich gerne ansprechen, dass die Anpassungen bei der Bankenabgabe einen weiteren Beitrag des Finanzsektors zur Krisenbewältigung und Budgetkonsolidierung liefern.

Erlauben Sie mir hier eine persönliche Anmerkung: Vertrauen von Kunden, nachhal­tiges Vertrauen von Kunden kann man nicht kaufen, aber man kann es ganz schnell verlieren! Derzeit nimmt der Finanzsektor, der Finanzplatz Österreich auf lokaler,


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regionaler, nationaler Ebene und auch in der internationalen Bewertung enormen Schaden, ausgelöst unter anderem auch durch den Vorfall der Hypo Alpe-Adria. Wenn wir so weitermachen, wenn auch die Oppositionsparteien mit ihren täglichen Mel­dungen so weitermachen, dann wird diese Finanztransaktionssteuer nicht kommen, dann wird die Bankenabgabe nicht fließen können, dann haben wir in Wirklichkeit die Zeche zu bezahlen.

Zu den Anmerkungen eines Kollegen möchte ich nur sagen: Man sollte doch nicht nur die Relationen betrachten, sondern auch die absoluten Größen. Sie wissen, welches Zitat Churchill zugeschrieben worden ist, was die Statistiken betrifft. Denken Sie bitte daran, dass die Erste Group in Summe bereits mehr Bankenabgabe gezahlt hat als die Deutsche Bank. Wenn Sie das als wenig empfinden, dann habe ich, bitte, eine andere Sicht der Dinge.

Ich möchte gerne noch Folgendes ansprechen. Ein wesentlicher Teil des Maßnahmen­bündels wird den Konsumspielraum der privaten Haushalte beeinflussen, weil sich Abnahmepreise beziehungsweise Unterhaltskosten von bestimmten Gütern erhöhen werden. Aufgrund des aktuellen Konsumprofils werden davon überwiegend Männer betroffen sein.

Es kann aber auch der gewünschte Lenkungseffekt zu einer Veränderung der Konsum­gewohnheiten führen. Dies wäre gerade beim Alkohol- und Tabakkonsumverhalten von Jugendlichen durchaus wünschenswert.

Es kann auch positive Auswirkungen auf die Umwelt durch Änderungen im Konsum­verhalten bei Autos mit hohen Schadstoffemissionen geben und somit dazu beitragen, die Ziele hinsichtlich Reduktion des CO2-Ausstoßes zu erreichen.

Es ist davon auszugehen, dass durch diese Gesetzgebung keine gravierenden Verschlechterungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erwarten sind. Wichtig sind zweifelsohne weitere Fortschritte zur Vereinfachung des Steuersystems und zur Entlastung des Faktors Arbeit, damit Beschäftigte netto mehr Geld bekommen.

Auch ist weiter alles dazu zu tun, dass Steuerbetrug verhindert und wirksam verfolgt wird. Ich erwarte mir dazu konkrete Vorschläge von der eingesetzten Steuerreform­kommission. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.55.28

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, was soll man zu einem Abgabenänderungsgesetz sagen? – Wenn man das in Google eingibt, kann man es sich aussuchen: Meint man 2009, meint man 2011, 2012, 2013, 2014? Es wird sicherlich so weitergehen. Wenn man alles zusammenzählt, kommt man auf 20 Milliar­den € an Belastung für die gesamte heimische Wirtschaft. Das ist ungefähr ein Drittel der jährlichen Steuereinnahmen, die Österreich insgesamt bekommt.

Also von unserer Seite, von freiheitlicher Seite ist es in jeder Hinsicht abzulehnen. Von der FPÖ pro Mittelstand, unserer freiheitlichen Vorfeldorganisation als Unternehmens­vertreterin, jedenfalls in jeder Hinsicht!

Von meinen Vorrednern – natürlich abgesehen von meiner Fraktion – ist eigentlich immer nur staatsdoktrinäres Denken zu hören: Was braucht der Staat? Was braucht der Staat? Was braucht der Staat? Mich – ich sage es ganz ehrlich – interessiert der


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Bürger, mich interessieren die KMUs, mich interessiert der Einzelne. Mich interessieren diese Bedürfnisse!

In diesem Zeitraum, in diesen fünf Jahren seit der Krise 2009 – wenn man es so benennen kann – ist die Staatschuld in Österreich von 60 auf 80 Prozent in die Höhe geschnellt, trotz der 20 Milliarden € an Mehreinnahmen durch diese fünf – bei fünf sind wir ja bereits – Abgabenänderungsgesetze!

Wenn ich die implizite Staatsverschuldung hinzurechne – und das sind auch Haftun­gen, das sind 170 Milliarden € an Haftungen, die die österreichische Republik praktisch begeben hat –, dann bin ich bei über 150, 160 Prozent, auf die die Staatsverschuldung innerhalb dieser fünf Jahre angewachsen ist.

Ich bringe es also auf einen Nenner: Die österreichische Bundesregierung – ist gleich der österreichische Staat – kann mit dem Geld einfach nicht umgehen!

Ich hege hier auch keine Hoffnung, dass das in Zukunft anders sein wird. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Dass es in Zukunft anders sein wird, ist einfach nicht möglich. Die Abgabenänderungen, die Steuergesetze können auf 50, 60, 70 Prozent in die Höhe schnellen, ihr bringt es einfach nicht auf die Reihe! Das muss man dieser Bun­desregierung ganz einfach sagen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher fordern wir ganz einfach eine Steuersenkung – eine Steuersenkung in jeder Hinsicht, das ist das Modell. Wenn Sie sich mit Geschichte nur ein bisschen auseinan­dersetzen würden, könnten Sie die Ölkrise von 1976 mit der zweiten von 1980 vergleichen. Da hast du die zwei Modelle – wenn ich das zu dir sagen darf –, da kannst du sie vergleichen. Da hat in Amerika einerseits Jimmy Carter mit Steuererhöhungen geantwortet: Steuererhöhungen bis zu 70 Prozent. 1980 gab es die zweite Ölkrise. Wer ist gekommen? – Ronald Reagan, er hat genau das Gegenteil gemacht: Steuer­senkung! Steuersenkung, und es kamen acht der erfolgreichsten Jahre der USA, neben denen von Bill Clinton. – Nur zur Erinnerung.

Was fordern daher wir von der Freiheitlichen Wirtschaft? – Wir fordern Belastungs­stopp! Wir fordern Wachstum, wie es auch in der Präambel der EU steht: Da steht auf der Seite 1 erstens Wachstum, zweitens Beschäftigung. Also sollte man sich mit Wachstumstheorien beschäftigen, und das sind sicherlich nicht Belastungen. Das sind sicher keine Steuererhöhungen!

Wo steht das? Wo hat man gelernt, dass man die Steuer dermaßen erhöhen soll oder muss, um Wachstum zu generieren? – Das ist nicht möglich!

Beispiel: der Gewinnfreibetrag. Bei den Arbeitnehmern traut ihr euch nicht, das zu machen. Der Gewinnfreibetrag – um nur kurz zu replizieren – ist praktisch das Äqui­valent, das Pendant zum steuerbefreiten – richtig, das ist korrekt, und das ist auch notwendig so – 13. und 14. Monatsgehalt.

Bei den Unternehmen ist dieser Gewinnfreibetrag seit der Einführung 2007 bereits viermal reformiert worden. Schon das vierte Mal! Jedes Mal versucht ihr, diesen Gewinnfreibetrag, praktisch diese Steuerbefreiung für Unternehmer, zu reduzieren. Bei Unternehmern, bei KMU-Betrieben kann man wohl alles machen; bei Arbeitnehmern traut man sich das zu Recht nicht. Nein, das wollen wir nicht!

Die Steuerbelastungen kann man entweder durch absolute Prozentsätze erhöhen – das traut ihr euch ohnehin nicht mehr, denn dann gibt es langsam die Revolution auf der Straße. Die Steuersätze erhöht ihr durch die Bemessungsgrundlage, ganz im Geheimen!

Die Bemessungsgrundlage ist bekanntlich der zweite große Indikator dafür, wie man Steuersätze berechnet. Ziehen wir zum Beispiel den Sachbezug für die Belastung der


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Autofahrer, die wie immer praktisch die Melkkuh des österreichischen Staates sind, aus der österreichischen Wirtschaft heran: Der Sachbezug ist von 600 € monatlich auf 720 € in die Höhe geschnellt und dadurch logischerweise natürlich auch die Einkom­mensteuer, weil man in die höhere Progressionsklasse kommt. Das ist also sehr wohl eine Steuererhöhung, was die Einkommensteuer betrifft – weil immer gesagt wird, 50 Prozent ist genug. Nein, die steigt, steigt und steigt.

Nehmen wir uns das Dritte vor, die Schwarzarbeit: Bekanntlich gehen 20 Milliarden € der österreichischen Wirtschaft durch die Schwarzarbeit am Volkseinkommen Öster­reichs vorbei. Jetzt macht ihr einen Handwerkerbonus mit sage und schreibe 10 Millionen € und sagt noch – das sagst, glaube ich, du, Kollege Perhab –, dass das die Schwarzarbeit reduziert. Das glaubst du doch nicht allen Ernstes! (Zwischenrufe der Bundesräte Zwazl und Perhab.) – Moment, ich bin noch nicht fertig.

Den Unterschied zwischen Deutschland und Österreich in der Wirtschaftspolitik sieht man nirgends besser als hier! Wie machen die das? – Die machen auch einen Hand­werkerbonus, aber mit steuerlichen Förderungen. Und wie machen wir es? – Bei uns muss man Rechnungen einreichen, damit man dann Cash herausbekommt. Bei diesen 10 Millionen € kostet euch allein die Verwaltung mindestens die Hälfte: Leute, die die Rechnung prüfen, checken und dann das Geld cash auszahlen. – Abgesehen davon, wer bekommt denn wieder das berühmte Geld?

Nein, das deutsche System ist wesentlich intelligenter: Jeder soll das selber in seiner Einkommensteuererklärung berechnen und selber von seiner Steuer absetzen. Das ist der Absetzbetrag. Der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich manifestiert sich nirgends besser als hier bei diesem Handwerkerbonus.

Dass die Bemessungsgrundlage in Österreich nicht angeglichen wird, habt ihr der EU zu verdanken, denn bei Steuergesetzen herrscht in der EU das Einstimmigkeitsprinzip. Daher ist das langfristige Ziel der EU – und das ist ein gutes Ziel der EU –, endlich die Bemessungsgrundlage, denn das ist ja praktisch die geheime Steuererhöhung über die Hintertür, anzugleichen (Bundesrätin Zwazl: ... es viel Positives in der EU diesmal!), und das ist nicht der Fall.

Das kann nicht der Fall sein, und das ist euer Glück, denn mit dieser hohen Bemes­sungsgrundlage würdet ihr in der EU überhaupt nicht mehr durchkommen. Das ist nicht möglich!

Nehmen wir als Beispiel ein Auto: Ein Auto kann ich in Deutschland in fünf Jahren komplett abschreiben, egal, in welcher Höhe. In Österreich dauert das acht Jahre und auch nur in einer gewissen Höhe – abgesehen vom Sachbezug, wie soeben dar­gestellt. – Nein, es geht nicht um absolute Steuersätze, es geht auch um die Bemessungsgrundlage, und das wisst ihr ganz genau.

Ich möchte jetzt nicht auf die Kammer losgehen, denn die Kammer ist letztlich auch meine Interessenvertretung (Bundesrätin Zwazl: Ja, ich bin da!), aber es zeigt sich doch ein Bild. Verzeih, liebe Kollegin Zwazl (Bundesrätin Zwazl: Ich reibe mir schon die Hände!) – ich versuche, es jetzt sanft darzustellen, aber dir doch irgendwie mitzuteilen –, aber allein an der Stellungnahme zu diesem Abgabenänderungsgesetz sieht man es.

Da gibt es über 60, 70 Stellungnahmen. Eine ganz tolle kommt von der Industriellen­vereinigung, die hat 17 Seiten. Die Industriellenvereinigung weiß offensichtlich um die Schwäche der Kammer, denn die beschäftigt sich mittlerweile mit der gesamten Unter­nehmenslandschaft in Österreich, sogar mit den Ein-Personen-Unternehmen und mit den Kleinstbetrieben. Das ist ihr löblich anzurechnen. Wo ist die Stellungnahme der Wirtschaftskammer? Es gibt keine! (Bundesrätin Zwazl: Geh, geh, geh!) – Da findet


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man eine Seite lang Jubel auf der WKO-Seite – es ist eine Seite, ich habe sie bei mir am Tisch liegen –, wie gut und toll das ist.

Die Kammer, steht in der Satzung, vertritt die Interessen der Unternehmer. (Bundes­rätin Zwazl: Ja!) Wenn ihr sagt, dieses Abgabenänderungsgesetz ist gut für uns Unternehmer, sage ich dir als Vorsitzender des FPÖ pro Mittelstand der Freiheitlichen Wirtschaft: Nein, wir wollen dieses Abgabenänderungsgesetz nicht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wir wollen eine Senkung der Lohnnebenkosten! (Bundesrätin Zwazl: Wo warst du denn beim Gewinnfreibetrag?) Und wenn ihr uns Unternehmern verkaufen könnt, eine 0,1-prozentige Senkung der Lohnnebenkosten kurbelt die Wirtschaft an, wie es dein Obmann, der Herr Vizekanzler Spindelegger, sagt, dann ist das eine Lachnummer für mich als Unternehmer! Wir fordern Steuersenkungen von 5 bis 10 Prozent der Lohnnebenkosten (Beifall bei der FPÖ), dann ist man erst auf dem gleichen Niveau wie Deutschland.

Und wer hat das von Wettbewerbsfähigkeit, Standortfähigkeit gesagt? – Ich kann doch nicht wettbewerbsfähig sein, wenn ich 10 Prozent höhere Lohnnebenkosten habe als die deutschen Mitbewerber! Das kann es doch nicht sein! Da rede ich aber noch lange nicht von Bratislava, wo eine Handwerkerstunde 30 € kostet; bei uns kostet sie 100 €. – Thema Handwerkerbonus, das ist die zweite Lachnummer. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Aber Reinhard, wenn ihr so gut seid, ...!) – Zu dem Thema kommen wir dann nächstes Jahr.

Wir brauchen die Stärkung des Eigenkapitals. Darum geht es in der heutigen Zeit. Wir Unternehmer wollen unabhängig werden von den Banken. Wir wollen unabhängig werden zum Teil auch vom Finanzmarkt. Wir wollen unsere Gewinne, die wir mühsam mit unseren Mitarbeitern verdienen, in der Firma thesaurieren. Darum geht es. Das heißt, die Stärkung des Eigenkapitals ist zu fördern – gerade in der heutigen Zeit, weil Basel III vor der Tür steht.

Dritter Punkt, um es nur kurz zusammenzufassen: Die Investitionen gehören geför­dert. – Es kann nicht sein, dass alle Investitionen von Ein-Personen-Unternehmen gestrichen worden sind. Ganz abgesehen davon: Der muss sowieso alles versteuern! Wurscht, was er mit dem Geld macht, er muss 50 Prozent versteuern. Da haben wir in der Wirtschaftskammer Wien einen Antrag eingebracht für die Wahlfreiheit, und dieser wurde von allen Parteien aufgrund meines Antrages gemeinsam beschlossen, denn die haben gesagt: Ja, das ist wirklich ein gerechtes Konzept, nämlich die Wahlfreiheit, entweder im Einkommensteuersystem zu verbleiben oder ins Körperschaftsteuer­system zu wechseln, wie es bei einer GesmbH, bei einer Kapitalgesellschaft ja gang und gäbe ist.

Wir wollen einen Verlustrücktrag, wir wollen eine fiktive Verzinsung des Eigenkapitals und wir wollen vor allem eine Senkung der SVA-Beiträge. Es kann nicht sein, dass der SVA-Beitrag höher ist als die Steuern. Das kann es doch nicht sein!

Das alles sind natürlich Rückkopplungseffekte, die die Wirtschaft dämpfen, die die Wirtschaft beeinträchtigen, und da ist es auch nicht verwunderlich, dass in Österreich nur jeder Zwanzigste Unternehmer werden möchte, im EU-Durchschnitt ist das jeder Zwölfte.

Damit schafft man kein Wachstum, damit schafft man auch sicherlich keine Be­schäftigung und deswegen lehnen wir dieses Abgabenänderungsgesetz in jeder Hinsicht ab. Wir wollen ein Steuer- und Abgabensenkungsgesetz. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.06



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 119

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Oberlehner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.06.41

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Vieles wurde gesagt, vielleicht schon zu vieles, daher nur noch ein paar kurze Gedanken zum Abgabenänderungsgesetz.

Abgaben und Steuern zu erhöhen ist nie ein Thema, das Freude auslöst und zu großer Zustimmung führt, gleichzeitig wissen wir alle, dass ein ordentliches Budget eine zentrale Forderung ist und wir das große Ziel haben, 2016 ein Nulldefizit zu erreichen. Das wollen wir mit aller Vehemenz verfolgen, nur haben es verschiedene Ereignisse der jüngsten Vergangenheit erschwert, dieses Ziel zu erreichen.

Daher sind Maßnahmen notwendig: Maßnahmen sowohl ausgabenseitig – da gibt es viele Dinge, die ich mir wünsche, zum Beispiel eine ehrliche Aufgabenreform und vieles andere –, aber eben auch einnahmenseitig. Dies gilt im Kleinen wie im Großen.

Ich bin seit 16 Jahren Bürgermeister einer kleinen Gemeinde in Oberösterreich, und ich weiß, wie schwer es ist, Budgets zu erstellen. Ich wünsche mir aber gerade auch aus Sicht der Länder und Gemeinden, dass wir ein ordentliches, ein gesundes Republik­budget haben, weil das eine ganz wichtige Basis für uns alle ist.

Ich meine daher, dass man es sich etwas zu einfach macht, wenn man seitens der Opposition zwar gegen diese Änderungen des Abgabenänderungsgesetzes ist, aber gleichzeitig auch einen ausgeglichenen Haushalt fordert und eine Schuldenverringe­rung haben möchte. Irgendwann muss man sich entscheiden, was man will, und sich ehrlich dazu bekennen, und auch sagen, wie man glaubt, dass es gehen kann.

Ich denke, dass die Maßnahmen im Abgabenänderungsgesetz wohlüberlegt und auch gut verträglich angesetzt sind. Der Überlegung beispielsweise, Alkohol und Tabak höher zu besteuern, liegen wohl mehrere gute Gründe zugrunde. Natürlich wäre es auch mir lieber, wenn beispielsweise die Autofahrer nicht betroffen wären – da sind auch viele Pendler betroffen –, aber ich glaube, auch dort ist es gelungen, dass die Änderungen so angesetzt wurden, dass sie sehr verträglich sind und eigentlich erst dann greifen, wenn sich jemand ein sehr PS-starkes Auto oder einen sehr luxuriösen Wagen leistet.

Der Wermutstropfen Bankenabgabe wurde von Gottfried Kneifel schon ausgeführt. Ich brauche dazu nichts mehr zu sagen; er hat alles gesagt, was dazu zu sagen ist.

Wichtig ist aber auch, dass es letztlich noch gelungen ist, hier eine entsprechend verträgliche Lösung für die GmbH light zu finden, und auch alle anderen Verände­rungen, denke ich, sind, wenn man sie sich genau anschaut, doch sehr moderat ge­schaffen worden.

So liegt insgesamt ein Paket vor und am Tisch, das den Haushalt spürbar entlastet – zirka 770 Millionen € im Jahr 2014, zirka 1,2 Milliarden 2015 und 5,4 Milliarden bis 2018 –, und es ist doch, wie ich meine, verträglich. Vergessen wir nicht, dass auch die Erhöhung der Familienbeihilfe eine Maßnahme ist, die gleichzeitig greift, 350 Millio­nen € für aktive Arbeitsmarktpolitik und 200 Millionen € für die Senkung der Lohn­nebenkosten eingesetzt werden. Ich glaube, das sind ganz, ganz wichtige Maßnah­men, die man damit setzt.

Deshalb werden wir von der ÖVP diesem Abgabenänderungsgesetz zustimmen, und ich lade alle Fraktionen ein, das mit uns zu tun. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.09



BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 120

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20.11.035. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993, geändert wird (111/A und 42 d.B. sowie 9142/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen jetzt zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Blatnik. Bitte um den Bericht.

 


20.11.29

Berichterstatterin Ana Blatnik: Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundes­minister! Gospod zvezni minister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Februar 2014 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deswegen komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 26. Februar 2014 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.12.18

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird relativ schnell und schmerzlos passieren. – Ich darf mich noch ganz herzlich beim ORF für die Fernsehübertragung bedanken, die jetzt leider eingestellt wurde.

Wir haben heute im Zuge des Umweltausschusses über diese Novelle der Umwelt­verträglichkeitsprüfung gesprochen. Dabei ist natürlich schon auch interessant, dass der Initiativantrag dazu am 17. Dezember gestellt wurde und dieser Novelle des Gesetzes relativ schnell in einem Eilverfahren hier Rechtskraft erwachsen soll.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 121

Das ist sehr interessant, lässt aber den Verdacht durchaus zu, dass es sich hier um eine Form der Anlassgesetzgebung handelt – und böse Stimmen sagen ja, dass es sich dabei auch darum handeln soll, dass der Semmering-Basistunnel sonst mit einem Baustopp bedroht werden würde. Es liegt also der Verdacht nahe, dass es sich bei dieser Novelle um eine „Lex Pröll“ handelt.

Die Freiheitlichen werden hier nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nachholen darf ich noch, dass ich zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt Herrn Bundesminister Andrä Rupprechter sehr herzlich bei uns begrüßen darf. Herzlich willkommen, Herr Minister! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.14.02

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Beim vorliegenden Gesetz geht es um die Angleichung an ein Gesetz, wie es für hoch­rangigen Straßenbau bereits besteht. Die gleichen Regelungen sollen jetzt auch für hochrangige Bahnverbindungen gelten – schon deshalb kann es eigentlich keine „Lex Pröll“ sein.

Es hat Änderungen im Bereich der Bundesgerichtsbarkeit gegeben, und eine An­gleichung ist daher notwendig. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Umweltsenat als Rechtsmittelinstanz für Umweltverträglichkeitsprüfungen abgelöst.

In diesem Gesetz geht es vor allem darum, wie mit den Vorhaben umgegangen wird, die bereits vor dem 31. Dezember 2012 eingereicht wurden und bei denen nach geltender Rechtslage bis 31. Dezember 2013 kein ordentliches Rechtsmittel zulässig gewesen wäre. Da soll jetzt ein Rechtsmittel gegen diese Vorhaben keine aufschie­bende Wirkung haben. Das heißt, vorher war ein Rechtsmittel nicht zulässig, jetzt hat es keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht kann aber eine derartige aufschiebende Wirkung beschließen. – Man kann also nicht von verschlech­terten Bürgerrechten sprechen.

Natürlich sollten die Rechte des Einzelnen so weit wie möglich geschützt werden, aber manchmal ist es auch notwendig, die Gesellschaft vor dem Einzelnen zu schützen. In meiner Gemeinde gab es einen Bauakt, der 25 Jahre lang lief. Gelöst wurde er erst durch den Tod des Berufungsführers. In diesen 25 Jahren gab es alle möglichen juris­tischen Winkelzüge; der Gemeinderat wurde 25 Jahre lang beschäftigt, die Landes­regierung, der Verwaltungsgerichtshof, Unmengen von Juristen. Irrsinnige Kosten sind angehäuft worden, und die Anrainer mussten großes Leid ertragen. – Letzten Endes ging es dabei um etwas ganz anderes als um das Bauprojekt selbst. Der Rechts­nachfolger des Berufungsführers hat alle Prozesse sofort eingestellt und damit diese Sisyphusarbeit beendet.

Solche Machenschaften könnten auch derart wichtige Dinge wie die Umsetzung des hochrangigen Bahnnetzes im Südosten Österreichs langfristig stilllegen, daher ist diese Anpassung notwendig. Diese Umsetzung ist wahrscheinlich sehr wichtig. Österreich ist zwar jetzt schon am dritten Platz in der Ausnutzung des öffentlichen Verkehrs hinter Schweiz und Tschechien. Wir müssen aber trotzdem weiter daran arbeiten, diese Möglichkeiten im öffentlichen Verkehr zu erweitern und attraktiver zu machen.

Gibt es jetzt von Wien westwärts gute Anbindungen durch die Bahn, so sollte es bald auch in den südlichen Raum wie in viele andere Räume Österreichs eine gute Anbindung geben. Ziel ist es, Flugkilometer zu reduzieren, Autofahrten zu reduzieren,


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um die Umweltbilanz zu verbessern und gleichzeitig auch die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr zu reduzieren. Deshalb wird die vorliegende Änderung von uns unterstützt.

Ich möchte aber am Ende dieses Tages doch noch über die Dreistigkeit der FPÖ reflektieren, wie Sie hier mit der Sache Hypo umgehen (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr habt es nötig! Ihr habt es nötig! ... von Dreistigkeit zu reden, das ist dreist!) und gerade auch über die gestrigen Äußerungen des Herrn Strache im „Report“. (Bundesrat Brückl: Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 haben wir jetzt!)

Hier zu sagen, dass zu Zeiten der Bayerischen Landesbank diese Haftung nicht bestanden hätte und dass man sich ja an den Bayern hätte abputzen können, ist doch etwas dreist, denn es hat doch diese Provisionszahlungen gegeben! Wollen Sie damit sagen, dass die Bayern so dumm sind, für etwas Provisionen zu zahlen, das es gar nicht gibt?

Da brauchen wir keinen Untersuchungsausschuss, da brauchen wir nur die Zahlungs­belege (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), die Überweisungsbelege von diesen Millionenprovisionen vorzulegen, die es gegeben hat (Bundesrat Jenewein: Der Herr Martinz ...!), und die Abschrift der freiheitlichen Spitzenfunktionäre bei der Entge­gennahme. (Bundesrat Brückl: Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, was kann man da nicht verstehen?) Mehr brauchen wir bei diesem Punkt nicht zu klären. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) – Es wäre schön, wenn Sie immer bei der Sache bleiben würden!

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Kollege! Herr Kollege! Randbemerkun­gen  (Neuerliche Zwischenrufe)  Herr Kollege Köck, Randbemerkungen sind immer möglich, aber wir sind jetzt beim Tagesordnungspunkt Umweltverträglichkeitsprüfungs­gesetz. (Bundesrat Brückl: Danke, Herr Präsident! – Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

 


Bundesrat Ing. Eduard Köck (fortsetzend): Ich habe schon erklärt, wir werden diesen Antrag unterstützen, aber bei dieser Dreistigkeit der FPÖ geht einem doch hin und wieder das Herz über.

Ich meine, dass doch alleine durch diese Zahlungen der Provisionen klar ist, dass es diese Haftungen immer gegeben hat und dass Österreich letzten Endes eingesprungen ist, um Kärnten nicht sich selbst und der Hypo zu überlassen. – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung SPÖ –: Ihr braucht gar nicht zu klatschen, weil euer Kaiser ...!)

20.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.19.02

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir Grünen freuen uns natürlich immer total, wenn es eine Novelle zum UVP-Gesetz gibt, weil es dabei so viele Chancen auf Verbesserungen gibt: zuerst natürlich die Chance, die Belange der Umwelt noch stärker zu vertreten, die Chance, die Verfahren transparenter zu gestalten, die Chance auf eine Bürgerbeteiligung, die diesen Namen auch wirklich verdient, und natürlich auch die Chance darauf, die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, um zu verhindern, dass es jahrelange Unsicherheit und Unplanbarkeit gibt.

In dieser Novelle wird leider nur auf den Punkt Verfahrensbeschleunigung einge­gangen, und zwar wird dieser auf Kosten der anderen Punkte umgesetzt, nämlich auf


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Kosten der Umwelt, auf Kosten der Transparenz und auf Kosten der Bürgerbe­teiligung – dabei umfasst die Novelle, die in diesem Antrag vorgenommen wird, genau zwei Wörter, und zwar „oder 23b“. 

Das bedeutet, dass nach der Novelle letzten Jahres, in der wahrscheinlich versehent­lich nur den Straßen und nicht auch noch den Hochleistungsstrecken im Bahnverkehr Vorteile eingeräumt wurden, dieses Versehen jetzt korrigiert wird. Die aufschiebende Wirkung durch Beschwerden von Bürgerinitiativen und Anrainern wird aberkannt, und nur mehr im Einzelfall und mit einem hohen Argumentationsaufwand wird das auch künftig möglich sein.

Mit dieser Novelle kann ordentlichen Rechtsmitteln vor dem Bundesverwaltungsgericht keine aufschiebende Wirkung zukommen, wenn das Verfahren bereits vor dem 31. Dezember 2012 eingeleitet worden ist und bis dahin kein ordentliches Rechtsmittel zulässig war.

Es ist das also eine Anlassgesetzgebung, die drei große UVP-Verfahren betrifft, nämlich den Semmering-Basistunnel, die Pottendorfer Linie und die Tauernbahn im Gasteinertal. Das bedeutet, dass in diesen drei Verfahren bereits gebaut werden darf, bevor Einwendungen bearbeitet werden – und das kann sich ja hinziehen.

Was würde wirklich passieren, wenn dann tatsächlich zugunsten von BürgerInnen entschieden wird? Werden dann 5 Kilometer Bahn, Hochleistungsstrecke – gebaut aus öffentlichen Geldern! –, wieder rückgebaut? – Wohl kaum. Wir alle wissen, dass das nicht passieren wird. Es sind dann also Tatsachen geschaffen worden, mit denen über die BürgerInnen drübergefahren wurde.

Was wurde dafür verabsäumt in dieser Novelle? – Seit zwei Jahren gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren des EuGH, in dem Österreich aufgefordert worden ist, die europäische UVP-Richtlinie umzusetzen und Nachbarn und Nachbarinnen im UVP-Feststellungsverfahren einzubinden. Die Europäische Kommission rügt dabei, dass einzelne NachbarInnen negative Feststellungsbescheide, also wenn die Behörde sagt, dass ein Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung braucht, nicht vor einer unab­hängigen Instanz auf Rechtmäßigkeit überprüfen lassen können.

Im Sinne der Umsetzung der Aarhus-Konvention hätte diese vor zwei Jahren von der Europäischen Kommission bereits eingebrachte Rüge gerade hier mit umgesetzt werden können.

Ich weiß, es handelt sich hier um keine Regierungsvorlage, es ist ein ÖVP-Antrag, auf dem diese Novelle basiert, aber das dürfte man ja auch schon vorher gewusst haben. Die Rüge, die hier berücksichtigt hätte werden können, ist ja, wie erwähnt, schon zwei Jahre anhängig.

Wir wünschen uns, dass das bei der nächsten UVP-Novelle hoffentlich endlich berücksichtigt wird, und dann werden wir auch zustimmen können. Bei dieser Novelle können wir es nicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

20.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.22.49

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Lebensminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! UVP-Novelle – ich brauche es, glaube ich, nicht mehr zu erläutern, meine Vorredner haben bereits ausgeführt, worum es bei diesem Antrag geht. Ich möchte auf ein paar Punkte näher eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 124

Meine Vorrednerin von den Grünen hat von Anlassgesetzgebung gesprochen. Ja, es gibt oft wichtige Anlässe, dass man etwas repariert, wenn es nicht passt. Und da hat man anscheinend bei der letzten Novelle die hochrangigen Straßen ausgenommen, um sozusagen keinen Konflikt zwischen altem Gesetz und neuer Gesetzgebung hervorzurufen, die hochrangigen Schienenbauvorhaben und Infrastrukturvorhaben im Bereich der Bahn hat man jedoch nicht hineingenommen. Das soll jetzt repariert wer­den, was meiner Meinung nach in Ordnung ist, denn Österreich hat sich verpflichtet, sozusagen den Verkehr auf die Schiene zu bringen, den öffentlichen Verkehr auszu­bauen. Dafür braucht es Infrastrukturmaßnahmen, und deren Umsetzung muss weitergehen.

Worum geht es eigentlich? Wie war die Rechtslage bis 31. Dezember 2013? – Die Verfahrensdauer war länger als jetzt, aber die Bauabwicklung konnte im Wesentlichen durchgehend – vielleicht mit ein wenig Verzögerung – erfolgen. Eine sofortige aufschiebende Wirkung hat es damals nicht gegeben.

Jetzt haben wir eine neue Gesetzeslage, seit 1. Jänner 2014. Die Verfahren sind zwar kürzer, bis zum Urteil des Höchstgerichts darf nicht gebaut werden, in der Bau­stellenabwicklung kann es sofort zu einer aufschiebenden Wirkung kommen. Was heißt das für Baustellen, die vor 2012 begonnen wurden?

Ich als Wiener Mandatar spreche natürlich auch vom Lainzer Tunnel. 1987 war das erste Mal die Rede davon, diesen Tunnel zu bauen, als ganz, ganz wichtige Verbin­dung von der Westbahn zur Südbahn, auch als Verbindung zur Ostbahn. Man hat 2012 schon den Transporttunnel für den Güterverkehr freigegeben, da fahren die Züge. Ende 2014 soll der Verkehr auch für den Personenverkehr freigegeben werden. Also das ist eine ganz, ganz wichtige Verbindung, wenn man in den Westen fährt. Eine hochattraktive Strecke soll freigegeben und die Fahrt soll beschleunigt werden.

Wenn man jetzt die negativen Auswirkungen des alten Gesetzes und die negativen Auswirkungen des neuen Gesetzes bei diesem Bahnvorhaben zusammenmixt, dann kann sich das nur potenzieren und die Einstellung der Baustelle und einen Stopp verursachen.

Was bedeutet das? – Wenn eine solch große Baustelle, die sozusagen seit 1987 bearbeitet wird, eingestellt wird, dann bedeutet das Millionenverluste, den Verlust von Millionen Euro an Steuergeldern, die von jedem einzelnen Steuerzahler mit aufge­bracht wurden. Wenn eine Baustelle steht, die Firmen stehen, Strafzahlungen zu leisten sind, die Arbeiter stehen, all das kostet ja. Andererseits wollen wir aber mit dieser Bahn schnell in den Westen fahren und daher diese Infrastrukturprojekte auch weiterbringen.

Natürlich kann man jetzt auf den Semmering-Basistunnel eingehen, aber das machen ohnehin andere, die polemisieren wollen, es geht aber auch um den Ausbau der Pottendorfer Linie, den Linzer Hauptbahnhof und die Tauernbahn, um Ausweich­bahnhöfe der Steirischen Ostbahn. Und bei der Straße – das weiß ich, da gibt es auch immer Kontraredner dazu und das ist sehr umstritten – würde es gehen um die S1, Lobautunnel, ein ganz wichtiges Projekt, die Außenringumfahrung von Wien. (Zwi­schenruf des Bundesrates Jenewein.) – Ja, ja.

Die Bezirke im Nordosten Wiens ersticken zum Teil im Verkehr, mit 200 000 Ein­pend­lern, Bezirksquerungen jeden Tag. Die Leute ziehen in den Speckgürtel, arbeiten in Wien, weil Wien eine soziale und wirtschaftlich gut geführte Stadt ist, weil Wien die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Da wird hereingependelt, hinausgependelt, und die Bewohner, die dort leben, ersticken im Verkehr. Da braucht die FPÖ gar nicht zu lachen, denn eure Mandatare sagen auch immer, dass wir im Verkehr ersticken, und deshalb brauchen wir diese Infrastruktur.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 125

(Bundesrat Jenewein: Du, wir sind für den Lobautunnel, nur der Koalitionspartner von euch nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ja, ich weiß.

Deswegen ist der Lobautunnel wichtig, die A26, Linzer Westring, die S7, Fürstenfelder Schnellstraße. Es gibt also in mehreren Bundesländern Großprojekte, die die Men­schen, die in Fürstenfeld, Linz oder Wien wohnen, entlasten. Man kann daher da nicht die Negativa der beiden Gesetzesmaterien sozusagen zusammenmischen und alles blockieren. Deswegen ist es enorm wichtig, dass dieser Antrag eingebracht wurde und dass wir dem auch zustimmen, damit wir diese großen Infrastrukturprojekte auch weiterhin fortführen können.

Natürlich sind wir immer für einen schonenden Umgang mit der Natur und mit der Umwelt, das ist ja selbstverständlich, aber Projekte, die seit 1987 laufen und die jetzt, so wie der Lainzer Tunnel, bald abgeschlossen werden, wollen wir nicht mehr blockieren und behindern, die müssen fertiggestellt werden. In diesem Sinne wird unsere Fraktion dem zustimmen.

Einen Nachsatz darf ich noch bringen, weil das der letzte Tagesordnungspunkt ist und es in letzter Zeit viele Diskussionen gegeben hat. Der Nachsatz lautet: Im Übrigen bin ich dafür, dass der Bundesrat aufgewertet gehört. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. – Bitte, Herr Minister.

 


20.29.00

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren Bundesräte! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass es für mich als neu angelobten Umweltminister ein besonderer Augenblick ist, das erste Mal vor dieser geschätzten hohen Kammer der Vertretung der Bundesländer sprechen zu dürfen.

Das hat mehrere Gründe. Zunächst einmal: Ich bin Tiroler – Sie wissen, ich bin auf einem Tiroler Bergbauernbetrieb aufgewachsen –, und Tirol hat eine sehr lange demo­kratische Tradition und ein besonderes Verständnis für den Föderalismus. Und gerade aus diesem Blickwinkel heraus fühle ich mich der Länderkammer besonders verbunden und Ihnen, geschätzte Damen und Herren Bundesräte.

Aber auch aus einem anderen Grund: Sie wissen, ich bin in meine Funktion nicht gewählt worden, ich bin nicht ins Hohe Haus gewählt worden wie Sie. (Bundesrätin Grimling: Wir auch nicht!)

Ich wurde von allen europäischen Fraktionen einstimmig zum Generalsekretär im Aus­schuss der Regionen gewählt. Ich hätte dort am 1. April dieses Jahres meine Funktion aufnehmen sollen. Es ist anders gekommen. Als ich gefragt wurde, ob ich diese Funktion übernehmen wolle, habe ich aus dem Gefühl der Verantwortung heraus den Eindruck gehabt, es sei für mich an der Zeit, dieser Republik, diesem Land etwas zurückzugeben, und deswegen bin ich diesem Ruf gefolgt und stehe heute hier vor Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) – Vielen Dank.

Warum erwähne ich den Ausschuss der Regionen? – Weil für mich dieses Gremium ein sehr wichtiges konsultatives Gremium auf europäischer Ebene im Rahmen der europäischen Gesetzgebung darstellt, nämlich eine starke Stimme der Subsidiarität zu sein. Das wünsche ich mir auch von dieser Kammer, von diesem Hohen Haus, und in diesem Sinne fühle ich mich ganz besonders in dieser Kammer zu Hause. Das möchte ich vorausschicken.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 126

Ich werde hier keine lange umweltpolitische Grundsatzdebatte abführen. Sie haben eine sehr erschöpfende Tagesordnung hinter sich. Ich werde einige grundsatz­politi­sche Ansätze und Überlegungen einbringen und hoffe und freue mich darauf, dass wir noch sehr viel Gelegenheit haben werden, uns sowohl in der Agrarpolitik als auch in der Umweltpolitik gemeinsam in dieser lebendigen parlamentarischen Debatte auszu­tauschen. Ich habe ja jetzt schon ein bisschen mitbekommen, dass hier die Debatte zwischen den Fraktionen tatsächlich sehr lebhaft ist. Das ist aus meiner Sicht auch ein Zeichen lebendiger Demokratie. Darauf freue ich mich, und ich freue mich auf diese Debatte mit Ihnen. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Meine grundsätzlichen Ansatzpunkte für das Amt des Umweltministers verstehe ich so, dass ich das Empfinden habe, dass wir das, was uns von der Schöpfung überantwortet wurde, in einem Zustand erhalten und weiterentwickeln müssen, nützen dürfen und müssen, dass wir in der Lage sind, diese Umwelt der nächsten Generation in einem gleich guten, ja möglichst besseren Zustand zu übergeben, mit einer nachhaltigen Nutzung der Ressourcen.

Mein Verständnis ist, wir haben diese Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern und nächsten Generationen geliehen. In diesem Verständnis sollten wir Politik machen und Politik ausrichten.

Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Hohes Haus! Seit nunmehr beinahe 20 Jahren sind wir Mitglied der Europäischen Union. In dieser Woche jährt sich der Abschluss der Beitrittsverhandlungen. Ich war damals als Mitarbeiter von Franz Fischler selbst mit in der Verhandlungsdelegation. Seit 20 Jahren – ab 2015 20 Jahre zurück – sind wir im Verhandlungsgeschehen auf europäischer Ebene und aufgerufen, durch die Mitwirkung in den europäischen Institutionen und natürlich insbesondere im Rat der Europäischen Union Politik auf europäischer Ebene für unseren Kontinent aktiv mitzugestalten.

Ich bin nunmehr als Mitglied der Bundesregierung, als Umweltminister das österreichi­sche Mitglied im Rat Umwelt und habe dort zehn Stimmen einzubringen. Um Ihnen das Stimmgewicht, ein Verhältnis darzustellen, möchte ich in Erinnerung rufen, dass die Bundesrepublik Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern 29 Stimmen im Rat hat, während Österreich mit einem Zehntel der Einwohner über zehn Stimmen im Rat verfügt. Das zeigt Ihnen, dass die kleinen Mitgliedstaaten stark vertreten sind, ein starkes Gewicht in diesem Gremium haben. Auch im Europäischen Parlament ist das Stärkeverhältnis zwischen großen Mitgliedstaaten und kleinen Mitgliedstaaten ent­sprechend umgesetzt. Deswegen ist es wichtig, dass wir dieses starke Gewicht mit starken Partnern einsetzen, um europäische Politik aktiv, proaktiv mitzugestalten.

Wir haben eine große Substanz an Verhandlungen vor uns, beispielsweise im Bereich der sauberen Luft für Europa. Die Kommission hat vor Weihnachten ein umfassendes Paket mit neuen Richtlinienvorschlägen vorgelegt. Wir haben letzte Woche eine ausführliche Debatte im Umweltausschuss des Nationalrates abgehalten, und wir haben gemeinsam mit dem Umweltbundesamt den Prozess gestartet, diese nationale Position für diese umfassenden Richtlinienentwürfe zu gestalten, dies unter Einbindung der Stakeholder, der beteiligten Interessierten und der Nichtregierungsorganisationen.

Ich trete, so wie es auch im Regierungsübereinkommen festgelegt ist, für eine aktive, ambitionierte Klimaschutzpolitik ein. Ich bin auch dafür, dass wir Österreich auf europäischer Ebene wieder zum Umweltvorreiter machen müssen. Ich schätze das so ein, dass wir da ein bisschen an Terrain verloren haben, das wir wiedergutmachen müssen.

Ich trete für eine Energiewende ein, die nicht auf eine Renaissance von Atompolitik, auf Atomkraftnutzung ausgerichtet ist und auch nicht auf die Nutzung von Steinkohle,


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 127

sondern nach vorwärts gerichtet ist und auf regenerative, nachwachsende Energie­träger ausgerichtet ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.) – Vielen Dank.

Es gibt einhellige und vollständige Übereinstimmung in allen Fraktionen sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat, wie ich meine, dass wir keinen Einsatz von genveränderten Organismen in unserer Landwirtschaft benötigen. Deswegen wird diese Politik, diese Position von mir auch vehement weiterentwickelt und weiter unter­stützt.

In der Anti-Atom-Politik habe ich mich klar geäußert. Ich war selbst noch als Schüler in Salzburg aktiv in der Anti-Zwentendorf-Bewegung, und selbstverständlich ist das für mich auch eine klare Ausrichtung.

Was den Klimaschutz betrifft, habe ich mich schon klar geäußert. Wir treten für ambitionierte Ziele ein. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir gemeinsam mit den Wirtschaftsvertretern das Verständnis haben – ich habe morgen ein Gespräch mit dem Präsidenten der Wirtschaftskammer und auch der Industriellenvereinigung –, dass Klima­schutz und Wachstum kein Gegensatz sind, sondern ein Miteinander. Es ist sogar so, dass wir die grüne Kraft des Umweltsektors, der Umweltdienstleistungen, des Umweltumsatzes benötigen, um den Wachstumsmotor insgesamt wieder anzukurbeln.

Ich habe ein klares Bekenntnis zum Ausbau der Vorreiterrolle des Biolandbaues in unserer Landwirtschaft eingebracht. Wir müssen unsere Schädlingsbekämpfung noch viel mehr auf naturnahe Methoden ausrichten. Für mich sind in der Landwirtschaft Vielfalt, Biodiversität und Fruchtfolge statt Reinkulturen und Monokulturen wichtig. Wir müssen proaktiv Umweltschutz betreiben. Anstatt mit Verordnungen und Verboten zu arbeiten, müssen wir mit Incentives, mit Motivation und Freiwilligkeit operieren.

Abschließend möchte ich auch dieser Kammer meinen Vorschlag erläutern. Ich trete massiv für die Stärkung der Bundesländerebene auch im Rahmen der Mitentscheidung ein. Im Sinne der Multilevel Governance und im Sinne der Subsidiarität habe ich vorge­schlagen, dass der jeweilige Vorsitzende der Landesumweltreferentenkonferenz und der Landesagrarreferentenkonferenz mit mir gemeinsam in meiner Delegation im Rat Umwelt, im Rat Landwirtschaft vertreten sein wird und so europäische Politik auf Ebene des Rates mitgestalten wird. – In diesem Sinne vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

20.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Novak. – Bitte.

 


20.38.59

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der letzte Redner. Bei uns in Kärnten ist es normalerweise so, dass der Bürgermeister oder der Landeshauptmann zum Schluss redet. Gerhard Dörfler, der dort drüben sitzt, hat immer gesagt: Als Letzter red i! Und dass ich jetzt die Ehre habe, noch nach dem Bundesminister zu sprechen, muss ein Regiefehler sein, glaube ich.

Wie auch immer, Ihre Ausführungen waren sehr, sehr interessant. Ich möchte ganz kurz aus der Sicht der SPÖ noch einmal zu dieser UVP-Geschichte  (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Ja, ich werde meine Ausführungen auch kurz halten.

Ich lese zwei, drei Passagen vor, das UVP-Gesetz gibt ja nicht so viel her, weil es eher ein bisschen kompliziert ist.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 128

Die Übergangsbestimmungen der jüngsten Novelle zum Umweltverträglichkeits­prü-fungs­gesetz 2000 enthalten eine aufschiebende Wirkung – wie wir heute schon gehört haben – von Rechtsmitteln gegen Bescheide in Verfahren gegen die Genehmigung von Bundesstraßen. Sie ist mit dem Genehmigungsverfahren 2012 eingeleitet worden. Die dort angeführte Regelung über die aufschiebende Wirkung in Verfahren, die vor dem 31. Dezember 2012 eingeleitet worden sind und gegen die nach der geltenden Rechtslage kein ordentliches Rechtsmittel zulässig wäre, gilt, wie bereits erwähnt, ausschließlich für Verfahren über Bundesstraßen.

Das hat man jetzt zu ändern versucht. Das heißt, aus verkehrspolitischen Gründen soll nunmehr dieser Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch auf Beschwerden gegen die Genehmigung von Eisenbahn-Hochleistungsstrecken und -Projekten ausge­dehnt werden.

Die nun vorgeschlagene Änderung beziehungsweise dieser Initiativantrag, der im Nationalrat eingebracht worden ist, soll alle Verfahren nach dem dritten Abschnitt, auch jene nach § 23b, in gleicher Weise betreffen. Somit soll der Anwendungsbereich um die Hochleistungsstrecken erweitert werden.

Was wird damit erreicht? – Dass für das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundes­verwaltungsgericht die sachliche Gleichbehandlung von Genehmigungsverfahren für Hochleistungsstrecken und jenen für Bundesstraßen sichergestellt wird. Das heißt, bei so großen Projekten spielt natürlich die Zeit vor allem in der Umsetzung eine Rolle.

Die Gleichbehandlung von Hochleistungsstrecken, abhängig von den Einreichfristen, und von Bundesstraßen wird also gewährleistet. Im Sinne dieser Gleichbehandlung von Infrastrukturprojekten im Bereich Schiene und Straße ist die Novelle ein absolut begrüßenswerter Schritt. Auch der politischen Schwerpunktsetzung auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs wird dabei Rechnung getragen, was sehr zu befürworten ist.

Wir wissen alle, dass die Bundesregierung und die EU gemeinsam viel Geld inves­tieren. Es sind heute auch schon viele Beispiele dafür gebracht worden – von Kollegen Taucher zum Beispiel, Ziele in Niederösterreich, der Steiermark und in Kärnten liegen an dieser Transitstrecke –, und daher kann man wirklich sagen, dass sich das positiv auf den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken wird.

Last but not least denke ich, diese vorgestellten Großprojekte sollten trotz aufrechter Baubescheide und verschiedener Einsprüche nicht verhindert oder ewig lang hinaus­gezögert werden. Sie wissen ja auch alle, dass sie nur von Tag zu Tag teurer werden.

Deswegen – war das kurz genug? (Bundesrat Kneifel: Sehr gut!) – wird sich die SPÖ für diese Novelle aussprechen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dörfler.

 


20.43.17

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Wenn ich schon angesprochen werde, möchte ich mich heute bei Ihnen, Herr Bundesminister Rupprechter, bedanken. Sie haben vor einigen Wochen bei der Agrarmesse in Klagenfurt den Kärntneranzug, unsere Landesuniform getragen und haben damit äußerst sympathisch als uriger Tiroler auch in Zeiten, in denen das Land Kärnten wieder einmal die Watschn kassiert – nicht ganz zu Unrecht, sage ich gleich dazu –, auch Ihre Sympathie mit uns bezeugt. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken. Ich glaube überhaupt, dass ein Agrar- und Umweltminister, der geerdet ist, wesentlich klüger als so manche Techno­kraten agiert und denkt.


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 129

UVP heißt für mich „unheimlich viel Papier“ für UVG, für „unheimlich viel Geld“. Ich habe ein Experiment in der Landeshauptstadt Klagenfurt durchgeführt. Es ging darum, den Innenring vierspurig auszubauen, weil eineinhalb Kilometer nicht ausgebaut waren. Es gab Riesenproteste der Grünen. Herr Bundesminister, ich habe selbst zur Motorsäge gegriffen, ich bin ja gelernter Holzfäller. Damals gab es das Feinstaub­problem in Klagenfurt, und die Grünen haben behauptet, es werde jetzt Dramatik pur ausbrechen.

Wissen Sie, was passiert ist? – Klagenfurt hatte im Schnitt 80 bis 90 Grenzwert­über­schreitungstage und ist nicht mehr die Feinstaublandeshauptstadt Österreichs und ist in den letzten Jahren immer wieder unter den Grenzwerten geblieben. Das zeigt auch, dass Verkehrsbaumaßnahmen auch dafür sorgen, in verstopften Straßenzügen den Verkehr flüssig zu machen, und schon von der Logik her damit die Umwelt entlasten. Ich kann den Verkehr nicht abstellen, aber Stau verursacht Umweltschäden.

Gleiches gilt für den zweiröhrigen Tunnelausbau A10-Katschberg- und Tauerntunnel. Die Grünen haben ein Lagerfeuer angezündet und die Tunnelpatin – das war übrigens eine Salzburgerin, die Gattin des Olympiasiegers Fritz Strobl, die Pendlerin zwischen Hallein und Kärnten war – beschimpft. Heute haben wir keinen Stau, heute haben wir Luftkurortqualität in der Tunnelportalgemeinde Rennweg.

Daher bin ich absolut dafür, dass vernünftiges Denken auch Grundlage für derartige gesetzliche Veränderungen ist. Und ich vertraue Ihnen, Herr Bundesminister! Sie kom­men aus den Bergen und werden sicher darauf schauen, dass auch gesetzliche Materien mit einer gewissen Grundlogik ausgestattet werden. Wie es sich zeigt, können Straßenbaulose, wie beim Ring in Klagenfurt, tatsächlich dazu führen, dass wir feinstaubminimierend agieren.

Danke noch einmal dafür, Herr Bundesminister, dass Sie die Kärntner Uniform getra­gen haben! (Beifall bei der FPÖ.)

20.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.46.01Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesord­nungs­punkte 1 bis 5 über die Beschlüsse des Nationalrates vom 24. und 25. Februar 2014 betreffend

eine Vereinbarung gemäß Art. 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz,

ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems geändert wird, sowie


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 130

das Abgabenänderungsgesetz 2014 und

ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird,

zu verlesen, damit dieser entsprechende Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussausfertigung ermöglicht werden.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls.

„TO-Punkt 1: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Ober­österreich über die Errichtung und den Betrieb einer Medizinischen Fakultät und die Einrichtung des Studiums der Humanmedizin an der Universität Linz

(23 d.B. und 34 d.B. sowie 9143/BR d.B.)

TO-Punkt 2: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

(35 d.B. sowie 9144/BR d.B.)

Die Bundesräte Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 1/1 EA ein.

Abstimmungen:

Zu TO-Punkt 1: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben – wird ange­nommen (mit Stimmenmehrheit).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird abgelehnt.

Zu TO-Punkt 2 : Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben – wird ange­nommen (mit Stimmenmehrheit).

TO-Punkt 3: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems (DUK-Gesetz 2004) geändert wird

(25 d.B. und 36 d.B. sowie 9145/BR d.B.)

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben – wird angenom­men (mit Stimmenmehrheit).

TO-Punkt 4: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2014 betreffend Abgaben­än­derungsgesetz 2014 – AbgÄG 2014

(24 d.B. und 31 d.B. sowie 9140/BR d.B. und 9141/BR d.B.)

Um 16.00 Uhr Unterbrechung der Verhandlung zu TO-P 4 und Durchführung der Dringlichen Anfrage Beilage B.

Um 18:30 Uhr Fortsetzung der Verhandlungen zu TO-Punkt 4.

Die Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen bringen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates (24 d.B. und 31 d.B. sowie 9140/BR d.B. und 9141/BR d.B.) mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ein (Beilage 4/1).

Abstimmung: Der Antrag auf Erhebung eines Einspruches mit der beigegebenen Begründung (Beilage 4/1) wird abgelehnt.

Der Antrag der Berichterstattung, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stimmenmehrheit).


BundesratStenographisches Protokoll827. Sitzung / Seite 131

TO-Punkt 5: Beschluss des Nationalrates vom 25. Februar 2014 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. Nr. 697/1993, geändert wird

(111/A und 42 d.B. sowie 9142/BR d.B.)

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben – wird angenom­men (mit Stimmenmehrheit).

Es liegt ein schriftliches Verlangen von 5 Mitgliedern des Bundesrates gemäß § 64 Abs. 2 GO-BR vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 5 zu verlesen (Beilage C).“

*****

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

20.49.26Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gebe noch bekannt, dass der Selbständige Entschließungsantrag 195/A(E)-BR/2014 der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Pendlerpauschale eingebracht und dem Finanzausschuss zugewiesen wurde.

Weiters teile ich mit, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2962/J-BR/2014 bis 2965/J-BR/2014, eingebracht wurden.

*****

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.49.55Schluss der Sitzung: 20.50 Uhr

 

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