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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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840. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 9. April 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

840. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 9. April 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 9. April 2015: 9.02 – 16.42 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

2. Punkt: Protokoll zur Abänderung des am 16. Mai 2001 in Minsk unterzeichneten Ab­kommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Re­publik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

3. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Belarus über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsa­chen samt Anhang

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird

5. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung einer europäischen Transferunion

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Privatuniversitätengesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbe­werb 1984 – UWG geändert wird (UWG-Novelle 2015)

11. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2015 des Bundesministeriums für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

13. Punkt: EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2015

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 40/2014, geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 2

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Passgesetz 1992, das Waffengesetz 1996 und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (Sicherheitsverwaltungs-Anpassungsge­setz 2015 – SVAG 2015)

16. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Mi­nisterkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität

17. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2015 Achtzehnmo­natsprogramm des italienischen, lettischen und luxemburgischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Fragestunde (165.)

Kunst, Kultur, Verfassung und Medien ...................................................................... 9

Reinhard Todt (1859/M-BR/2015); Edgar Mayer, Monika Mühlwerth, Efgani Dön­mez, PMM

Gottfried Kneifel (1856/M-BR/2015); Rene Pfister, Hermann Brückl, Dr. Heidelin­de Reiter

Hans-Jörg Jenewein (1854/M-BR/2015); Ing. Eduard Köck, Adelheid Ebner, Mar­co Schreuder

Marco Schreuder (1855/M-BR/2015); Martin Preineder, Mag. Susanne Kurz, Mag. Reinhard Pisec, BA

Ilse Fetik (1860/M-BR/2015); Josef Saller, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer

Günther Köberl (1857/M-BR/2015); Elisabeth Grimling, Hans-Jörg Jenewein, Mag. Nicole Schreyer, Mag. Gerald Zelina

Inge Posch-Gruska (1861/M-BR/2015); Ferdinand Tiefnig, Mag. Reinhard Pisec, BA, Dr. Heidelinde Reiter, Mag. Gerald Zelina

Dr. Magnus Brunner, LL.M (1858/M-BR/2015); Johanna Köberl, Werner Herbert, Marco Schreuder

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 34

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 34


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 3

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volks­republik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investi­tionen (455 d.B. und 504 d.B. sowie 9334/BR d.B.)                     35

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 35

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Abänderung des am 16. Mai 2001 in Minsk unterzeichneten Abkommens zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Be­larus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (394 d.B. und 505 d.B. sowie 9335/BR d.B.) ............ 35

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 35

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt An­hang (442 d.B. und 506 d.B. sowie 9336/BR d.B.)                         35

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 35

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 36

Peter Oberlehner .......................................................................................................... 37

Michael Lampel ............................................................................................................ 38

Christoph Längle .......................................................................................................... 39

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling .......................................................... 40

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 41

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 42

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 42

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird (452 d.B. und 503 d.B. sowie 9337/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 42

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 42

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 43

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 43

Michael Lampel ............................................................................................................ 44

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 4


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 4

5

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling .......................................................... 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 46

5. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung einer europäischen Transferunion (186/A(E)-
BR/2011 sowie 9350/BR d.B.) ....................................................................................... 46

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 47

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 47

Edgar Mayer .................................................................................................................. 49

Ingrid Winkler ................................................................................................................ 51

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Entschließungsantrag 186/A(E)-BR/2011 keine Zustimmung zu erteilen .................................................................................................. 53

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Privatuniversitätengesetz geändert wird (921/A und 513 d.B. sowie 9344/BR d.B.) .........              53

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 53

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird (923/A, 598/A und 514 d.B. sowie 9345/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 53

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 53

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (922/A und 515 d.B. sowie 9346/BR d.B.)               53

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 53

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 54

Mag. Christian Jachs ................................................................................................... 55

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 56

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 57

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 60

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (481 d.B. und 508 d.B. sowie 9347/BR d.B.)                         60

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 60

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 61

Franz Perhab ................................................................................................................. 62


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 5

Marco Schreuder .......................................................................................................... 62

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 63

Anneliese Junker .......................................................................................................... 64

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 67

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geändert wird (UWG-Novelle 2015) (482 d.B. und 509 d.B. sowie 9348/BR d.B.)                                                                                                       67

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 67

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 67

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 68

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 68

Marco Schreuder .......................................................................................................... 69

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 70

11. Punkt: EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2015 des Bundesministeriums für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft (III-545-BR/2015 d.B. sowie 9349/BR d.B.)                                                                70

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 70

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 70

Josef Saller ................................................................................................................... 72

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................ 73

Stefan Schennach ........................................................................................................ 75

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 77

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 78

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-545-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 85

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (479 d.B. und 519 d.B. sowie 9341/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 85

Berichterstatter: Ing. Andreas Pum .............................................................................. 85

Redner/Rednerinnen:

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 86

Johanna Köberl ............................................................................................................ 87

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 88

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 89

Angela Stöckl ................................................................................................................ 90

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin ...................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 92

13. Punkt: EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2015 (III-549-BR/2015 d.B. sowie 9342/BR d.B.) ................................................................................................................. 92


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 6

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 92

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 93

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 95

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 96

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 98

Inge Posch-Gruska ..................................................................................................... 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-549-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 102

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 40/2014, geändert wird (834/A und 516 d.B. sowie 9343/BR d.B.) ........................ 102

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 102

Redner/Rednerinnen:

Ing. Andreas Pum ....................................................................................................... 103

Günther Novak ........................................................................................................... 104

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................. 105

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 106

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 107

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 108

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Passgesetz 1992, das Waffen­gesetz 1996 und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (Sicherheitsverwaltungs-Anpassungs­gesetz 2015 – SVAG 2015) (480 d.B. und 524 d.B. sowie 9338/BR d.B.) .................. 108

Berichterstatter: Ing. Bernhard Ebner, MSc .............................................................. 108

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ................................................................................................................ 109

Christian Füller ........................................................................................................... 110

Werner Herbert ........................................................................................................... 110

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 110

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 111

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 113

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Krimina­lität (483 d.B. und 525 d.B. sowie 9339/BR d.B.) ................ 113

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ...................................................................... 113

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM .......................................................................................  113, 118

Edgar Mayer ................................................................................................................ 114

Stefan Schennach ...................................................................................................... 115


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 7

Werner Herbert ........................................................................................................... 116

Gerhard Schödinger .................................................................................................. 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 120

17. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Par­lament Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 
2015 Achtzehnmonatsprogramm des italienischen, lettischen und luxemburgi­schen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-541-BR/2015 d.B. sowie 9340/BR d.B.) ................................ 120

Berichterstatter: Edgar Mayer ..................................................................................... 120

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ........................................................................................................... 120

Franz Perhab ............................................................................................................... 121

Christian Füller ........................................................................................................... 123

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 124

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 125

Gerd Krusche ............................................................................................................. 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-541-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 127

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend temporäres Tempo 80 auf der West Auto­bahn im Bereich Salzburg Stadt (3065/J-BR/2015)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend durch Heirat erschlichene Aufenthaltstitel 2014 (3066/J-BR/2015)

Dr. Dietmar Schmittner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Auswirkungen der Hypo-Abwicklung auf das Land Salzburg (3067/J-BR/2015)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend IS-Sympathisanten in Wien-Margareten (3068/J-BR/2015)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zentrales Waffenregister 2 (3069/J-BR/2015)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld der Wiener U-Bahnstation Margaretengürtel (3070/J-BR/2015)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend kosovarische Tätergruppen (3071/J-BR/2015)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Exekutive – Planstellen und Überstunden 2014 (3072/J-BR/2015)

Mag. Nicole Schreyer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen des BMVIT und der ASFINAG ge­gen die Mautflucht im Raum Kufstein (3073/J-BR/2015)


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 8

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Bildung und Frauen betreffend Strukturreformen in der Erwachsenen­bildung – Abendschulen des Bundes (3074/J-BR/2015)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend GISA und Ge­sundheitsberuferegister (2836/AB-BR/2015 zu 3060/J-BR/2015)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Heidelinde Reiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gesundheitsberuferegister (2837/AB-BR/2015 zu 3059/J-BR/2015)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplanten Schritte zur Modernisierung des Denkmalschutzes in Folge der Ratifizierung der euro­päischen Übereinkommen von Valetta und Faro durch die Republik Österreich (2838/AB-BR/2015 zu 3061/J-BR/2015)


 


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 9

09.02.21Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Minister, meine Damen und Herren, einen wunder­schönen guten Morgen! Ich begrüße recht herzlich zur 840. Sitzung des Bundesrates und eröffne diese. Ich begrüße Sie recht herzlich, Herr Minister Dr. Ostermayer, und freue mich, dass Sie heute zur Fragestunde bei uns sind. – Herzlich willkommen! (All­gemeiner Beifall.)

Folgenden Hinweis noch: Sie alle haben Unterlagen mit den nächsten Terminen, die wir als Bundesrat veranstalten, bekommen. Ganz wichtig ist mir, darauf hinzuweisen, den Termin 11. Mai einzutragen, da geht es um eine Veranstaltung, die wir als Bun­desrat in St. Pölten machen. „Begabungen erkennen, Begabungen fördern“, das ist ei­ne ganz wichtige Veranstaltung, denn wir möchten ja schauen, wie wir unsere Jugend unterstützen und fördern können.

Wir haben auch zwei bedeutende Referenten gewonnen, Dr. Hengstschläger und Mag. Heinzlmaier, und es wäre wirklich sehr, sehr schön, wenn Sie sich den Termin eintragen und nach St. Pölten kommen würden. Wir werden im Anschluss auch noch die Möglichkeit haben, neben den Vorträgen St. Pölten und die Bildungseinrichtungen ein bisschen kennenzulernen. Bitte, tragen Sie sich diesen und auch die anderen Ter­mine ein. – Danke schön.

*****

Das Amtliche Protokoll der 839. Sitzung des Bundesrates vom 12. März 2015 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Gerhard Dörfler, Ewald Lindinger, Christian Poglitsch, Walter Temmel und Richard Wilhelm.

09.04.16Fragestunde

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur Fragestunde, und ich bedanke mich noch einmal, dass wir heute die Gelegenheit haben, an Sie, Herr Minister, die Fragen zu stellen.

Ich weise darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vi­zepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur ersten Anfrage an den Minister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, 1859/M-BR/2015, und ich bitte den ersten Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1859/M-BR/2015

„Wie werden mit der von Ihnen geplanten Novelle des Bundesvergabegesetzes Maß­nahmen gegen Lohn- und Sozialdumping gesetzt?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 10

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schönen gu­ten Morgen! Zur Anfrage selber: Wir haben im Regierungsprogramm bereits vorgese­hen, dass wir im Vergaberecht Maßnahmen setzen wollen, die auch in Richtung Stär­kung des Bestbieterprinzips gehen.

Wir haben mit den Sozialpartnern, ganz stark voran mit den Baupartnern, wie sie sich nennen – also Gewerkschaft Bau-Holz einerseits und die Vertretung der Baugewerbe in der Innung andererseits –, intensive Gespräche geführt. Wir haben auch mit den Ländern Gespräche geführt, die ja auch von dem Thema betroffen sind. Es hat gestern noch ein abschließendes Gespräch gegeben – mit dem Ziel, dass wir diese Woche noch mit einer Novelle zum Bundesvergabegesetz in Begutachtung gehen.

Der Kerninhalt, um es ganz kurz zu sagen, sind einige Punkte.

Das eine ist: mehr Transparenz bei Sub- und Sub-Sub-Sub-et-cetera-Unternehmen. Das heißt, eine Änderung von Subunternehmen ist in Zukunft nur mehr mit Zustim­mung des Auftraggebers möglich.

Der zweite Punkt ist die Verpflichtung für Auftraggeber, Abfragen beim Kompetenz­zentrum für Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung durchzuführen, mit der Konse­quenz, dass ein Ausschluss vom Vergabeverfahren notwendig ist, wenn Verstöße ge­gen dieses Gesetz vorliegen.

Und das Dritte: Durch die Stärkung des Bestbieterprinzips, auch durch die Möglichkeit, dass man auch bei größeren Aufträgen Kleinlose ausschreiben und vergeben kann, soll insgesamt eine Stärkung des österreichischen Arbeitsmarktes in diesem Bereich, im Bereich der Bauwirtschaft, erfolgen. Das soll als zusätzliche Maßnahme gegen Lohn- und Sozialdumping vorgenommen werden und wird auch, wie ich überzeugt bin, zu einem Erfolg führen.

Also zu Ihrer Frage sozusagen als knappe Antwort: ja.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): In welchen Fällen soll das Bestbieterprinzip verpflichtend vorgesehen werden?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Danke für die Frage. Es ist natürlich eine – wie ich es auch aus meiner frühe­ren beruflichen Tätigkeit kenne – relativ komplexe Frage, wie man das Bestbieterprin­zip anwendet, da man mehrere Punkte mitberücksichtigen muss.

Man muss es in einer Form gestalten, dass es nicht zu einer extremen Verkomplizie­rung des Vergabevorgangs führt, zu einer Verzögerung des Vergabevorgangs führt, zu extremen Kostensteigerungen führt. Wir haben uns daher genau überlegt, wo wir wol­len, dass das Bestbieterprinzip Anwendung findet.

Ein Hauptanwendungsbereich sind geistige Dienstleistungen, die Frage zum Beispiel von Planungsleistungen, von Architekturleistungen.

Der zweite Bereich ist dort, wo Alternativangebote zugelassen werden, also wenn man zum Beispiel ein bestimmtes Heizsystem oder Kühlsystem bei Gebäuden vorsieht, aber Ersatz- oder Alternativlösungen zulässig sind.

Der dritte Bereich ist dort, wo man in funktionale Leistungsbeschreibungen geht, also wo man sagt, ich will eine bestimmte Ausstattung, eine bestimmte Funktionalität ha­ben, also zum Beispiel eine Beleuchtung von Büroräumlichkeiten in einem bestimmten Ausmaß oder das Ersetzen von bisherigen Beleuchtungen durch ökologischere Be­leuchtungssysteme.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 11

Der vierte Bereich ist dort, wo Gesamtpreise aufgrund von Komplexitäten der Aus­schreibung – Tunnelbau beispielsweise – in der Form nicht dargestellt werden können, wo man also auch die Qualität, auch die Dauer, die Betriebskosten und so weiter mit­berücksichtigt. Das Gleiche gilt zum Beispiel, wenn es komplexe Dienstleistungen sind, wo man mit unterschiedlichen Lösungen zum gleichen Ergebnis, also zur gleichen Funktionalität kommen kann.

Der wesentliche Punkt ist, dass ermöglicht wird, dass diese Bereiche als zusätzliche Zuschlagskriterien in der Ausschreibung schon berücksichtigt werden können und nicht der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mayer.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Erfreulicher­weise wurde ja die Schwellenwerteverordnung um zwei Jahre verlängert, was ich für eine sehr gute Maßnahme der Regierung halte. In diesem Zusammenhang ist für mich auch wichtig: Wie sehen Sie die Möglichkeiten bei dieser Novelle, dass unsere KMUs verstärkt zu den so wichtigen öffentlichen Aufträgen kommen können?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Zum einen war die Überlegung dahinter, dass es durch diese grundsätzlichen Regelungsinhalte, die ich schon genannt habe – also beispielsweise die vollständige Transparenz der Sub-, Sub-Sub-und-so-weiter-Unternehmen –, und durch den Um­stand, dass nur mehr mit Zustimmung des Auftraggebers gewechselt werden kann, zu einer Stärkung kommt.

Der zweite Punkt ist, dass das Bestbieterprinzip, das ich gerade erläutert habe, zu ei­ner Stärkung führt. Und der dritte Punkt ist natürlich die Frage Lohn- und Sozialdum­ping-Bekämpfung, dass das letztendlich auch zu einer Bevorzugung österreichischer KMUs führen wird.

Das war auch einerseits die Intention in der Vereinbarung, die wir schon im Regie­rungsabkommen getroffen haben, und das war natürlich auch die Intention der Bau­partner, die ich vorher schon erwähnt habe, dass wir auch die kleinteiligere Struktur des Baugewerbes in Österreich stärken wollen. Ich glaube und bin überzeugt, dass wir das mit dieser Gesetzesnovelle auch erreichen können.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! An sich kann ich mir das gar nicht vorstellen, dass es bei der Bundesvergabe Lohn- und So­zialdumping geben soll, da ich davon ausgehe, dass man sich die Unternehmen und deren Subunternehmen genau anschaut – aber es scheint doch vorgekommen zu sein, sonst müsste das jetzt nicht extra angeführt werden.

Daher die Frage: Was konkret wird gemacht, um ein eventuelles Lohn- und Sozial­dumping hintanzuhalten beziehungsweise zu vermeiden?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Der Auftraggeber muss, wie ich vorher schon gesagt habe, beim zentralen Re­gister des Kompetenzzentrums für Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung anfragen, und wenn dort ein Bieter aufscheint als jemand, der gegen das Lohn- und Sozialdum­ping-Bekämpfungsgesetz verstoßen hat, wird der Bieter vom öffentlichen Vergabever­fahren ausgeschlossen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 



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Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Guten Morgen, Herr Minis­ter! Meine Frage: Welche Experten ziehen Sie neben den Sozialpartnern noch hinzu?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Sie meinen jetzt bei der Erarbeitung des Gesetzes? (Bundesrat Dönmez: Bei der Bekämpfung des Sozialdumpings!) – Es gibt einerseits dieses Kompetenzzentrum für Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung. Das gibt es ja schon auf Basis des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, das vor einigen Jahren erlassen und inzwi­schen auch novelliert wurde.

Was wir jetzt machen, ist eine Novelle des Bundesvergabegesetzes, wo wir an dieses Instrumentarium anknüpfen und wo wir dieses Instrumentarium, das es schon gibt, nüt­zen wollen, indem wir festlegen – wenn Sie es denn letztendlich nach dem Begutach­tungsverfahren und so weiter auch beschließen –, dass Unternehmen, die in diesem Kompetenzzentrum als Unternehmen aufscheinen, die gegen das Lohn- und Sozial­dumpinggesetz verstoßen haben, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Wenn sich also jemand bewerben würde und – angenommen – den Zuschlag bekom­men würde, aber diesen Makel hätte, dann wäre das ein Ausschließungsgrund.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur zweiten Anfrage, 1856/M-BR/2015; das ist jene des Herrn Bundesrates Kneifel. – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Die Bundesregierung hat sich im aktuellen Arbeitsprogramm im Kapitel „Staatsre­form und Demokratie“ unter anderem dazu bekannt, bestehende Zustimmungsrechte von Bund und Ländern zu entflechten. Dies betrifft insbesondere die Zustimmungs­rechte bei Änderungen der Geschäftseinteilungen, bei Grenzänderungen beziehungs­weise Änderungen der Bezirksgerichtssprengel.

Ich erlaube mir, die Frage zu stellen, wie weit die Verhandlungen Ihrerseits mit den Bundesländern in dieser Frage gediehen sind.

1856/M-BR/2015

„Wann werden Sie dem Parlament entsprechende Vorschläge zum Entfall bestehender Zustimmungsrechte von Bund und Ländern – wie im Arbeitsprogramm der Bundesre­gierung vorgesehen – vorlegen?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Bundesrat, wir haben uns das im Regierungsprogramm vorgenommen, wie Sie richtig gesagt haben, wir haben dort auch das Thema Föderalismus drinstehen, wobei allerdings festgelegt wurde, dass es auf parlamentarischer Ebene abgehandelt werden soll, und wir uns sozusagen verpflichtet haben, als Bundeskanzleramt/Verfas­sungsdienst mit entsprechender Expertise zur Verfügung zu stehen.

Zur Frage der Zustimmungsrechte muss man sagen, dass wir einige Punkte in der letz­ten Legislaturperiode bereits geändert haben, wo wir wechselseitige Zustimmungs­rechte abgebaut haben. Jetzt haben wir einen entsprechenden Entwurf erarbeitet, den es auch schon eine gewisse Zeit gibt, in dem wir Geschäftseinteilungsänderungen bei den Ämtern der Landesregierungen, Bestellungen von LADs, also Landesamtsdirekto­ren, -direktorinnen, und die Änderung von Bezirks- und Gemeindegrenzen ausnehmen.

Umgekehrt haben wir vorgesehen, dass die Zustimmungsrechte bei den Grenzen von Gerichtssprengeln geändert werden sollen. Der Entwurf ist mit dem Koalitionspartner an sich vorbesprochen. Es hat bestimmte Gründe gegeben, warum er noch nicht in Be-


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gutachtung geschickt wurde, aber er ist seit vergangenem Jahr begutachtungsreif, und sobald es in der Koalition eine entsprechende Einigung gibt, wird er auch demnächst in Begutachtung gehen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister, im Zusam­menhang damit hat sich die Bundesregierung auch zu einer Weiterentwicklung und Ausdehnung der Artikel-15a-Vereinbarungen sowie der Verankerung klarer Zuständig­keiten im Bereich des staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements ausgespro­chen.

Wann ist mit derartigen Reformvorschlägen aus Ihrem Ressort zu rechnen, und wann sollen die Beratungen darüber auf parlamentarischer Ebene beginnen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Die Vorschläge sind auf technischer Ebene so weit vorbereitet. Wie Sie wis­sen, hat die Frage von Kompetenzen, Kompetenzverschiebungen – ich nenne nur das Beispiel Bildungswesen, ich könnte jetzt viele andere Beispiele nennen, etwa die Frage Bautechnik, andere Kompetenzregelungen könnte man zusätzlich anführen – meistens auch ein bisschen etwas mit Geld zu tun.

Ich glaube, dass die Finanzausgleichsverhandlungen auch in diesem Konnex ein Punkt sein können, der zu einem Schub führen wird – davon gehe ich aus –, dass man einige dieser Kompetenzbereinigungen vornehmen kann.

Es gibt Doppelkompetenzen, wo ich auch selber finde, dass sie einen Sinn ergeben, und es gibt welche, wo ich glaube, dass es insgesamt für die Menschen in diesem Land, für die Wirtschaft in diesem Land sinnvoller wäre, wenn man einheitliche Rege­lungen hätte. Ich glaube, dass dieser Konnex mit dem Finanzausgleich ein guter ist, wo man vielleicht einige dieser Dinge auf den Weg bringen kann.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pfister.

 


Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Herr Minister, wäre aus Ihrer Sicht eine Anpassung der Kompetenzregelungen zwischen Bund und Ländern des Arti­kels 12 Bundes-Verfassungsgesetz zweckmäßig?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wir haben auch das bei den Koalitionsverhandlungen sehr intensiv diskutiert, also die Frage Grundsatzgesetzgebung, Ausführungsgesetzgebung und all diese Ab­grenzungspunkte. Wir diskutieren das jetzt auch im Konnex mit dem Arbeitskreis Bildung, wo es ja zum Beispiel die Diskussion gibt, die Schulstandorte zu stärken und den Schulen mehr Kompetenz einzuräumen.

Wir haben gestern in der Bundesregierung eine Novelle zum Schulunterrichts- und Schulorganisationsgesetz beschlossen, wodurch zum Beispiel im Bereich der Neuen Mittelschule den einzelnen Schulen mehr Autonomie eingeräumt werden soll im Hin­blick auf die Zuteilung der 6 Stunden, also quasi der Bundeszusatzstunden, die bisher auf Deutsch, Englisch, Mathematik beschränkt waren. Aufgrund der Evaluierung haben wir gesehen, die Qualität der Neuen Mittelschulen ist von Standort zu Standort unter­schiedlich und hat immer wohl auch mit der Autonomie der Schulen zu tun.

Also ja, ich denke, dass wir da in einigen Bereichen Entflechtungen zustande bringen können, und wir arbeiten auch daran.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Brückl.

 



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Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter, im Regierungsprogramm heißt es unter anderem – das wurde bereits angespro­chen –: „Zustimmung der Landesregierung entfällt bei Änderung der Bezirksgerichts­sprengel.“

Jetzt wissen wir, dass eine Gesamtreform der Gerichtsorganisation in der Vergangen­heit immer wieder auch am Widerstand einzelner Länder beziehungsweise Landes­hauptleute gescheitert ist. Ich gehe davon aus, den Begutachtungsentwurf, den Sie an­gesprochen haben, kennen auch die Landhauptleute.

Meine Frage: Welche Länder beziehungsweise Landeshauptmänner stehen einer sol­chen Änderung noch immer ablehnend gegenüber?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich kann Ihnen das jetzt im Detail nicht beantworten – nicht weil ich es nicht beantworten will, sondern weil ich mit den einzelnen Landeshauptleuten nicht darüber gesprochen habe.

Wir haben die Vorgangsweise, dass wir Kompetenzänderungsfragen, wie auch in der Vergangenheit, zuerst einmal auf der Ebene der Landesamtsdirektoren oder in ande­ren Bereichen auf der Ebene der Magistratsdirektoren diskutieren. Das war auch die Vorgangsweise, die wir bei der Umsetzung der Bundes- und Landesverwaltungsge­richtsbarkeit gewählt haben. Wir haben es zuerst auf der sachlichen Ebene bis ins De­tail runter ausdiskutiert, und erst zum Schluss hat es auf politischer Ebene die politi­sche Diskussion gegeben.

Damals bei der Bundes- und Landesverwaltungsgerichtsbarkeit bin ich bei einer Lan­deshauptleutekonferenz in Salzburg gewesen, und dann haben wir noch eine Sitzung gemeinsam mit Bundeskanzler und Vizekanzler gemacht und das fixiert.

Das ist jetzt nicht so ein großes Projekt, wie im anderen Fall. Wir haben aber zum Bei­spiel beim Überschneidungsverbot, wo Bezirksgerichtsgrenzen Sprengelgrenzen über­schreiten, auch eine Lösung gefunden. Ich gehe davon aus, dass wir im Gesamtpaket der wechselweisen Zustimmungsverpflichtungen auch eine gewisse Entflechtung zu­stande bringen werden.

Um aber auf Ihre Frage ganz konkret zu antworten: Es gibt jetzt nicht einzelne Landes­hauptleute, die sich mir gegenüber dezidiert dagegen ausgesprochen hätten.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Im Regierungsprogramm ist die­ses Kapitel relativ umfangreich, aber auch sehr diffus. Es wurde hier schon angespro­chen, es ist von den 15a-Vereinbarungen die Rede, dass diese modern gestaltet wer­den sollen. Sie haben jetzt gemeint, da werden sich im Rahmen der Finanzausgleichs­verhandlungen vielleicht Dinge klären.

Meine Frage: Was ist unter moderner Gestaltung Ihrer Meinung nach zu verstehen, beziehungsweise wie ist dann die Föderalismuskommission verschränkt mit den Ar­beiten am Finanzausgleich? Das heißt, gibt es hier personell oder in den entsprechen­den Gremien zum Beispiel auch Verschränkungen und Einbringen wechselweiser Ex­pertise? Wie wird zum Beispiel ein modernes Artikel-15a-Verfahren gestaltet, mit wel­chen Experten, in welchen Gremien?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Frau Bundesrätin, zu Ihrer Frage: Die Föderalismusarbeitsgruppe ist eigentlich


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hier angesiedelt beziehungsweise ist es im Regierungsprogramm so vereinbart wor­den, dass das auf parlamentarischer Ebene stattfindet. Ich könnte Ihnen jetzt auch aus­führlich begründen, warum das so entschieden wurde.

Zur zweiten Frage, zum Finanzausgleich: Was haben Artikel-15a-Vereinbarungen mit Finanzausgleich zu tun? Die Finanzausgleichsverhandlungen haben noch nicht gestar­tet, sie werden aber bald starten. Was hat es damit zu tun? – Typischerweise sind die Artikel-15a-Vereinbarungen geschlossen worden, wenn auf einer der beiden Ebenen bestimmte politische Zielsetzungen gegeben waren, wofür die andere Ebene meistens zuständig war – Ausbau Kinderbetreuung beispielsweise, weil das etwas Aktuelles ist, oder die Frage Ausbau der Ganztagesschulen. Da gibt es Zuständigkeiten der ver­schiedenen Ebenen, und über die Artikel-15a-Vereinbarung ist dann fixiert worden, dass bestimmte Gelder unter bestimmten Kriterien in einem eher komplizierten Ablauf vom Bund zur Verfügung gestellt werden.

Ich kann Ihnen vorweg noch nicht die Antwort geben, wie man das dann sozusagen einbindet oder wie man die beiden Ebenen genau verknüpft. Die Finanzausgleichsver­handlungen, das kann ich klar beantworten, sind auf der Bundesebene in der Zustän­digkeit des Bundesministers für Finanzen, der natürlich – und das ist die übliche Vor­gangsweise, die wir pflegen – in den einzelnen Verhandlungsschritten berichtet, auch Rücksprache hält. Wir stimmen in der Koalition ab, wie wir die nächsten Schritte set­zen, aber federführend ist er.

Wie die Föderalismusreform-Kommission im Parlament zusammengesetzt ist, kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur dritten Anfrage, 1854/M-BR/2015. – Bitte, Herr Bundesrat Jenewein.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Schönen guten Morgen, Herr Bundes­minister! Meine Frage lautet:

1854/M-BR/2015

„Was werden Sie unternehmen, um für Transparenz bezüglich der Gehälter und Neben­einkommen der ORF-Mitarbeiter im Sinne der Regelungen für den öffentlichen Dienst, die Politik usw. zu sorgen?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich muss eines vorausschicken, und ich habe das hier, glaube ich, schon öfter gesagt: Der ORF ist im Jahr 2001 unter einer Regierung, in der Ihre Partei übrigens auch mit dabei war, in dieser Form konstruiert worden, wie er jetzt ist, nämlich als Stiftung mit Stiftungsrat, mit Publikumsrat als Organen, die in bestimmter Form, wie wir wissen, wie es im ORF-Gesetz festgelegt ist, beschickt werden. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Aufgrund eines Bundesverfassungsgesetzes ist vor mehreren Jahr­zehnten festgelegt worden, dass der ORF unabhängig ist, und ich hätte daher auch nicht die Möglichkeit, eine entsprechende Beeinflussung vorzunehmen. Es schwingt ein bisschen auch die Frage mit, wie Nebenbeschäftigungen und so weiter gehandhabt werden. Ich nehme an, darum geht es.

Betreffend die Frage der Gehälter der Vorstände und so weiter: Es gibt alle zwei Jahre einen Einkommensbericht des Rechnungshofes – ich glaube, 2013 war der letzte, heu­er, 2015, kommt wieder einer –, in dem die Einkommen, die Gehälter der leitenden Or­gane, zum Teil auch weiterer Organe angeführt sind.


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Was aufgrund der Prüfung des Rechnungshofes auch bekannt ist, das ist die Höhe der Durchschnittsgehälter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die sind natürlich – abhän­gig davon, welchem Kollektivvertrag sie unterliegen – unterschiedlich, aber das gilt für die meisten anderen Unternehmen auch.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Ich finde es schade, dass Sie als Ver­treter der Exekutive so wenig Einfluss auf die Gesetzgebung in diesem Land haben.

Meine Zusatzfrage: Wie beurteilen Sie die Tätigkeit von ORF-Mitarbeitern für Parteien beziehungsweise deren Einrichtungen, wie etwa das Renner-Institut, die kürzlich vom Ethikrat gerügt wurde im Hinblick auf das Unabhängigkeitsgebot für den ORF?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich beurteile es so, dass der ORF natürlich als öffentlich-rechtliche Rundfunk­anstalt besonders darauf zu achten hat, dass nicht einmal der Eindruck entsteht, dass einzelne Mitarbeiter parteipolitisch tätig sind.

Es gibt, soviel ich auch aus der Diskussion weiß, entsprechende interne Regelungen, in denen festgelegt ist, unter welchen Voraussetzungen wer bei welchen Veranstaltun­gen teilnehmen kann.

Es gibt auch einen Ethikrat, der aber logischerweise – aufgrund der verfassungsrecht­lichen Unabhängigkeit – auch intern besetzt wird. Von diesem Ethikrat können dann entsprechende Fälle abgehandelt werden, auch entsprechende Entscheidungen getrof­fen werden. Darüber hinaus gibt es – ich glaube seit 2010 – etwas, worum lange ge­rungen wurde, nämlich eine verfassungsrechtlich unabhängig gestellte Behörde zur Aufsicht, das ist die KommAustria, und jeder, der befindet, dass der ORF sich nicht an die gesetzlichen Regelungen hält, hat die Möglichkeit, sich dorthin zu wenden, auch mit dem entsprechenden Rechtszug, wie es in einem Rechtsstaat vorgesehen ist.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Köck.

 


Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Demokratie lebt von Transparenz und der Öffentlichkeit der Debatten. Nun kann nicht jeder Bürger hierher kommen und diesen Debatten beiwohnen, auch aus räumlichen Gründen nicht, dafür gäbe es in der heutigen Zeit das Fernsehen. Der ORF ist heute aber leider wieder einmal nicht hier, obwohl er per Gesetz eigentlich verpflichtet wäre, der Bevölkerung den gesamten Gesetzwerdungsprozess im Nationalrat und im Bun­desrat zu zeigen.

Meine Frage lautet daher: Ist es für Sie als Minister für Medien und Verfassung in Ord­nung, dass der ORF damit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht nachkommt, und was werden Sie unternehmen, dass sich dieser Umstand verbessert und der ORF die­sem Auftrag in Zukunft gerecht wird?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe vorher schon implizit geantwortet, denn ich habe die Frage hier auch schon mehrfach beantwortet. Ich – als Minister – halte mich an die Gesetze, die hier im Haus beschlossen wurden, dazu gehört auch das Gesetz über die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit des ORF. Der öffentlich-rechtliche Auftrag wurde im ORF-Gesetz definiert, er wurde in der letzten Legislatur­periode erweitert, indem ein zusätzlicher Sender geschaffen wurde – ORF III. Die Ent­scheidung über das Programm wird aber von den Gremien im Unternehmen getroffen; das sind die Geschäftsführung, der Stiftungsrat, und das ist auch der Publikumsrat, der auch beim Programmschema mitdiskutiert.


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Wenn man der Meinung ist – die Sie jetzt implizit formuliert haben –, dass der ORF sei­nen Auftrag nicht erfüllt, dann gibt es dafür die eben auch schon erwähnte verfas­sungsrechtlich unabhängige KommAustria, bei der man eine Beschwerde einbringen kann. Daher würde ich empfehlen – wenn man der Meinung ist, dass der Auftrag nicht erfüllt ist –, dort eine Beschwerde einzubringen, welche dann von einer verfassungs­rechtlich unabhängigen Stelle geprüft wird; mit dem Rechtszug theoretisch hinauf bis zum Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof. (Bundesrat Köck:  unterstützen?) – Nein! Als Minister stelle ich nicht einen Antrag an eine Stelle, die von hier aus geschaf­fen wurde, sondern, wenn Sie der Meinung sind, dass das nicht der Fall ist, also der Auftrag nicht eingehalten wird, dann wäre es natürlich nahe liegend, dass Sie den An­trag einbringen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Minister! Wir werden da tätig werden. – Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Es wurde bereits ein Rundfunkpaket zur Begutachtung ausgesendet. Meine Fra­ge lautet daher: Welche Anpassungen wird es für den ORF bringen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Frau Bundesrätin! Zum Rundfunkpaket – also mit dieser Titulierung klingt das ein bisschen größer, als es tatsächlich ist –: Es hat einige Punkte gegeben, bei denen man Probleme gesehen hat, sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Rund­funkbereich, und man wollte auf diese Probleme reagieren. Beim ORF ist es das The­ma des sogenannten Reminder-Verbots – also die Übernahme von Signalen, die nicht der ORF herstellt, und wo im Signal – ich sage jetzt so – ein Sponsor-Hinweis ist.

Einfaches Beispiel: Bei einer Ski-Weltmeisterschaft oder einer sonstigen größeren Sportveranstaltung produziert jemand ein Signal und stellt das Signal zur Verfügung; sinnvollerweise – aus ökonomischen Gründen und so weiter – kann nur dieses Signal genommen werden, es wird neben der Angabe der Zeit des Skifahrers, der Skifahrerin, der/die gerade hinunterrast, eine Uhr einer bestimmten Marke, die ich jetzt nicht nenne, eingeblendet. (Bundesrat Schreuder: Wir kennen sie alle!) – Gut! Und da gab es die Diskussion, ob das eine verbotene Werbung ist, ob das gegen das Reminder-Verbot verstößt. – Wir waren alle der Meinung, dass es sachlich sinnvoll ist, diese Unklarheit zu beseitigen. Das ist der – den ORF betreffende – Inhalt dieses Pakets.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Guten Morgen, Herr Minister! Ich möchte wieder zur ursprünglichen Frage zurückkehren, nämlich zur Offenlegung der Gehälter. Wir haben eine weitere Frage, die das Informationsfreiheitsgesetz behandelt.

Ist es nicht doch auch eine Möglichkeit, im Zuge eines Informationsfreiheitsgesetzes und einer Open-Data-Initiative zu sagen: Ja, wir wollen für alle Bereiche, die von Ge­bührenzahlern, -zahlerinnen und auch Steuerzahlern, -zahlerinnen finanziert werden, ge­währleisten, dass diese Zahler und Zahlerinnen die dort ausbezahlten Gehälter auch kennen? Damit meine ich nicht nur den ORF, sondern zum Beispiel auch die Bun­destheater oder die Bundesmuseen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Lieber Herr Bundesrat Schreuder, natürlich ist das eine Möglichkeit. Die Frage ist: Wie weit runter will man gehen? – Bisher bestand Konsens darüber, dass die Gren­ze die Vorstände, die leitenden Organe sind. Ich weiß nicht: Wollen wir, dass jeder die Transparenz hat, dass jeder weiß, wie viel die Redakteurin der Sendung – keine Ah­nung, irgendeine – verdient? – Das ist die Frage, die man sich stellen muss.


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Bisher stand unsere Gesellschaft tendenziell auf einer anderen Position, im Unter­schied zu skandinavischen Gesellschaften, in denen man auch den Nachbarn gerne erklärt, wie viel man verdient. Bei uns ist es halt irgendwie anders, ich weiß nicht, viel­leicht sind wir bescheidener, oder wie auch immer.

Das ist die Situation, vor der wir stehen. Die Frage ist: Wollen wir dieses Prinzip um­drehen? – Bei der Frage des Bankgeheimnisses wird es eine ähnliche Diskussion ge­ben. Bei den Steuerreformverhandlungen wurde jetzt bewusst festgelegt, dass das nur in den Finanzverfahren offengelegt wird oder man das offengelegt haben will, aber nicht generell. Das sind halt unterschiedliche Grundsätze. Die Freiheitlichen, soweit ich es bisher verstanden habe, haben sich dagegen ausgesprochen, vielleicht gibt es da auch noch einen Wandel. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wenn man über Transparenz spricht, ist das ja auch ein Thema der Transparenz.

Ich glaube, dass die totale Transparenz für die gesellschaftliche Entwicklung nachteilig ist, dass es aber in vielen Bereichen, in denen es um öffentliches Handeln geht, der Fall ist. Ob man jetzt den ORF aufgrund der Rundfunkgebühren – die er auf gesetzli­cher Basis einheben darf – berücksichtigt oder nicht berücksichtigt, ist eine Geschmacks­frage. Meine Grenze ziehe ich jedenfalls ganz strikt dort, wo man aufgrund des verfas­sungsrechtlichen Unabhängigkeitsgebots als Exekutive eingreifen würde.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur 4. Anfrage, 1855/M-BR/2015; das ist jene des Herrn Bundesrates Schreuder. – Bitte.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Es gibt ja eine Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets.

Meine ganz einfache Frage lautet: Wem kommt sie zugute?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 1855/M-BR/2015, hat folgenden Wortlaut:

„Welchen Bereichen soll die von Ihnen in Aussicht gestellte Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets insbesondere zugutekommen?“

*****

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Mein Problem ist jetzt, dass ich keine Gegenfragen stellen kann, denn: Wo ist die Erhöhung erfolgt? (Bundesrat Schreuder: Das müssen Sie die Präsidentin fra­gen! Heiterkeit des Redners.) – Reden wir jetzt von 2016 oder von 2015? – Also gut, wir sind mittendrin, das Bundesfinanzrahmengesetz, also wo ein Jahr dazukommt, zu verhandeln. Ich habe hier im Saal vorher noch ein Telefonat geführt, und ich werde an­schließend noch ein paar Telefonate diesbezüglich führen, weil demnächst die Ku­chenstücke verteilt werden.

Da geht es jetzt aber um den Bundesfinanzrahmen ab 2016. Das Budget 2016 wird erst im Herbst vorliegen, daher kann ich nicht bestätigen, dass es eine Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets gibt. Was ich bestätigen kann, ist, dass ich darum kämpfen werde, dass es eine Erhöhung gibt, und falls ich das erreiche, wird natürlich nach den Notwendigkeiten zugeordnet werden.

Da gibt es Notwendigkeiten bei den Bundestheatern, bei den Bundesmuseen, bei Kunst- und Kulturinitiativen und bei vielem anderen – also eigentlich besteht überall ei­ne Notwendigkeit, aber für alles werden keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung ste-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 19

hen, auch wenn ich darum kämpfe. Eine Erhöhung gibt es aber tatsächlich derzeit noch nicht, da noch kein neues Budget beschlossen wurde.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich probiere es einfach einmal andershe­rum. (Heiterkeit des Redners.) Eine der großen Fragen, die ja im gesamten Kulturbe­trieb immer wieder gestellt werden, ist die Frage der sogenannten Verteilungsgerech­tigkeit des Kulturbudgets: Wem kommt es zugute? – Dazu gibt es auch Studien, dazu gibt es immer wieder Tortendiagramme, um bei diesem Tortenbild zu bleiben.

Wird es da zu einer neuen Verteilung kommen? Ist das geplant?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also tendenziell, wenn die Frage lautet – und die ist mir auch schon gestellt worden –, ob bei den Bundeseinrichtungen, die als Erbe der Vergangenheit übernom­men wurden, und die ich als ganz wichtig für die Zukunft erachte, gekürzt werden wird und das Geld einzelnen Kulturinitiativen gegeben wird, dann sage ich: Dort kann ich nicht kürzen, im Gegenteil, dort braucht man Geld, wenn man auch weiterhin ein An­gebot wie bisher aufrechterhalten will, wenn man weiterhin Repertoirebetrieb, also wechselnde Produktionen, haben will – und das erfordert auch eine bestimmte Anzahl an Neuproduktionen –, und wenn man keine Schließtage möchte, sondern die Theater täglich geöffnet sein sollen, egal, ob das Sprech- oder Musiktheater ist.

Wenn man das bestehende Angebot in den Bundesmuseen aufrechterhalten will – ich war vor Kurzem in New York, wir werden auch international bewundert, für das, was wir von unseren Vorfahren übernommen haben –, wenn man das weiterführen will, wei­terentwickeln will, dann kann man dort nicht kürzen. Das ist der Grund, warum ich darum kämpfe, dass das Budget erhöht wird. Ich bin der Meinung, dass man natürlich auch – ich sage jetzt – kleinteiligere Strukturen stärker unterstützen sollte – aber nicht im Sinne von: Den einen nehme ich es weg, um den anderen mehr zu geben!, denn dann würden die „einen“ nicht mehr funktionieren.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Preineder.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Meine Frage geht auch in Richtung des Kunst- und Kulturbudgets. Es ist eine sehr wichtige Frage für den Bundesrat: Wie verteilt sich dieses Budget auf die Bundeslän­der, und wie weit ist geplant, Kunst- und Kultureinrichtungen dezentral zu verteilen und den Bundesländern entsprechende Schwerpunkte angedeihen zu lassen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Bundesrat! Seit Inkrafttreten des Kunstförderungsgesetzes fließen tat­sächlich Gelder des Bundes zur Unterstützung in die einzelnen Länder; davor hat es das eigentlich nur schwerpunktmäßig für die ganz großen Veranstaltungen gegeben. Schon sehr früh gab es das für die Salzburger Festspiele, über das Salzburger Fest­spielfondsgesetz, dass der Bund gemeinsam mit dem Land, der Stadt und dem Touris­musverband auch an der Finanzierung beteiligt ist.

Vor dem Kunstförderungsgesetz ist die Kunstförderung in den Bundesländern primär alleinige Aufgabe der Bundesländer gewesen, erst dann sind zusätzlich Initiativen und so weiter unterstützt worden – immer mit dem Konnex, dass es um zeitgenössische Kunstelemente, zeitgenössische Musik, Theater et cetera gehen muss.

Die primäre Aufgabe des Bundes war immer, die Bundeseinrichtungen zu erhalten, die Bundeseinrichtungen zu führen; also von den Bundestheatern bis hin zu den Bundes­museen.


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Ich kenne die Frage; immer, wenn ich in ein Bundesland fahre, bekomme ich sie ge­stellt. Bin ich in Salzburg, lautet die Frage: Wird der Betrag für die Salzburger Festspie­le erhöht? – Ja, der wurde jetzt erhöht. Wird der Betrag für Bregenz erhöht? (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.– Da sind wir, Herr Bundesrat Mayer, in Gesprä­chen! Ich kenne die Diskussion, nur die Budgets seit der Finanzkrise 2008 – und das muss man schon auch sagen – lassen keine großen Luftsprünge oder große Erweite­rungen zu.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mag. Kurz.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Herr Minister, ich frage Sie jetzt nicht nach den Salzburger Festspielen (Heiterkeit des Bundesministers Ostermayer), sondern stelle fest, dass die Mittel im Kulturbudget auch nicht unendlich ausdehnbar sind, im Gegenteil: Sie sind prinzipiell als knapp zu bezeichnen.

Es stellt sich halt die Frage, welche Möglichkeiten Sie sehen, kleine, neue, kulturell so­zusagen zeitgeistige Initiativen zu unterstützen, um diesen Teil des Kulturlebens in Ös­terreich auch zu gewährleisten.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Die Mittel wurden ja nicht mehr – glücklicherweise wurde das Kunst- und Kul­turbudget auch in den letzten zwei Jahren nicht gekürzt, aber es ist nicht erhöht wor­den –, während auf der anderen Seite natürlich die Kosten steigen, also Personalkos­ten. Irgendwann kann man die Effizienzen nicht mehr steigern, sondern dann fallen halt die steigenden Personalkosten aufgrund von Indexvereinbarungen und so weiter als zu­sätzliche Kosten an.

Wir versuchen immer, darauf zu schauen, ob es irgendwo Synergiemöglichkeiten gibt, zum Beispiel zwischen den Bundestheatern und den Salzburger Festspielen; voriges Jahr wurden zum Beispiel „Die letzten Tage der Menschheit“ koproduziert. Es gibt auch andere Koproduktionen, etwa von Bundesländereinrichtungen und Bundeseinrichtun­gen oder Stadteinrichtungen in Wien; zum Beispiel gab es gerade eine Koproduktion mit dem Theater an der Wien.

Was Ihre Frage betrifft, ob man auch einzelne Kulturinitiativen, zeitgenössische Kunst et cetera unterstützen kann: Das geschieht über das Kunstförderungsgesetz im Aus­maß von ungefähr 90 Millionen € pro Jahr. Wenn ich in die Bundesländer fahre, dort die einzelnen Einrichtungen besuche und mir anschaue, was dort geschieht, dann se­he ich, dass dort tatsächlich sehr viel vor Ort passiert. Was nicht gelungen ist, ist, dass zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden kann, aber es gibt Initiativen, die kom­men, andere, die gehen. In gewissem Maße gibt es schon auch Umschichtungen, die tatsächlich erfolgen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Ich erlaube mir, eine Frage vor dem Hintergrund zu stellen, dass die Christen heute die größte verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit sind und Sie ja auch Vorsitzender des Kultusamtes sind, also der Vereinigung der österreichischen Kirchen und Religionsge­meinschaften.

Zurzeit finden in Deutschland und auch in der Schweiz umfassende Vorbereitungen für die Feierlichkeiten 500 Jahre Thesenanschlag Martin Luthers 2017 statt. Martin Luther hat ja bekanntlich die Bibel übersetzt, die bis heute für uns Christen prägend ist. Wel­che Unterstützung können Sie sich seitens der Bundesregierung vorstellen, damit die­se Feierlichkeiten auch in Österreich stattfinden könnten und Akzente für die Christen gesetzt werden?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 21

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Bundesrat, ich hatte bisher ein Gespräch mit Herrn Bischof Bünker, und ich werde demnächst weitere Gespräche führen. Ausgangspunkt ist natürlich, dass die evangelischen Kirchen Initiativen ergreifen, womit sie bereits begonnen haben. Dem­nächst werden wir mit Bischof Bünker – der da federführend tätig ist – wieder darüber sprechen, wie man kooperieren kann und wie der Bund, die Bundesregierung da Un­terstützung geben kann.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur 5. Frage, 1860/M-BR/2015; das ist je­ne der Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, Sie haben eine Novelle zum Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz initiiert und umgesetzt und damit zur Verbesserung der sozialen Lage von Kunstschaffenden beigetragen.

Können Sie für uns konkretisieren, in welcher Form das erfolgt ist – die Verbesserung, meine ich, nicht die Initiierung –?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 1860/M-BR/2015, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Neuerungen bzw. Ausweitungen haben Sie in der Novelle zum Künstlersozial­versicherungsfonds-G umgesetzt und damit zur Verbesserung der sozialen Lage von Kunstschaffenden beigetragen?“

*****

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich könnte auch erklären, wie es zur Initiative gekommen ist. Wir haben uns im Dialog mit Künstlerin, Künstlerinnen, Kunstschaffenden und mit Kunstvermittlern aus­einandergesetzt und uns angehört, wo der Schuh drückt. Ausgehend davon wurde dann überlegt – auch vor dem Hintergrund, dass kein zusätzliches Bundesbudget für den Kunst- und Kulturbereich vorhanden ist –, was insgesamt an Rahmenbedingungen verbessert werden kann.

Eine Überlegung war, dass wir im Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz Erleichte­rungen für den Zugang zu diesen Mitteln, also zur Unterstützung des Sozialversiche­rungsbeitrags für Künstlerinnen und Künstler, schaffen können. Ausgehend von den Problemlagen, die es halt in dieser speziellen Gruppe gibt, wurden folgende Maßnah­men getroffen:

Betreffend die Erreichbarkeit der Untergrenze – es gibt eine bestimmte Mindesteinkom­mensgrenze – wurde festgelegt, dass zwischen Einkommen und Einkünften gewählt werden kann. Einnahmen aus den Bereichen Lehre und Vermittlung wurden miteinbe­zogen, um diese Untergrenze leichter erreichen zu können. Der Durchrechnungszeit­raum der Einkommen wurde auf drei Jahre festgelegt, weil es gerade in dieser Gruppe einmal kaum, einmal mehr Einnahmen gibt. Bei einem bildenden Künstler zum Beispiel wird halt einmal nichts verkauft, in einem Jahr wird verkauft, und plötzlich sind die Einkommen zu hoch und ein andermal wird die Untergrenze nicht erreicht. Um diese Spitzenschwankungen auszugleichen wurde ein Durchrechnungszeitraum von drei Jahren festgelegt, und die Obergrenze wurde vom 60-Fachen auf das 65-Fache der ASVG-Bemessungsgrundlage ausgeweitet.

Wir gehen davon aus, dass aufgrund dieser Maßnahmen in Summe wahrscheinlich un­gefähr 650 Personen zusätzlich diesen Beitrag, diese Unterstützung, in Anspruch neh-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 22

men können. Zusätzlich wurde auch noch ein Unterstützungsfonds – ein Sozialfonds sozusagen – innerhalb des Künstler-Sozialversicherungsfonds im Ausmaß von 500 000 € für sozial besonders prekäre Fälle geschaffen. In der Kalkulation des Künstler-Sozial­versicherungsfonds wird davon ausgegangen, dass er wahrscheinlich von 300 Perso­nen in Anspruch genommen werden wird.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? (Bundesrätin Fetik: Damit ist meine Zusatz­frage schon beantwortet!)

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister, im Wett­bewerb mit dem Online-Handel im Ausland stellt die vorgenommene Ausweitung al­lerdings auch eine Belastung für den österreichischen Elektrohandel dar. Da die aus­ländischen Versandfirmen keine in Österreich vorgeschriebenen Abgaben zahlen, be­steht natürlich eine gewisse Sorge um Familienbetriebe und KMUs.

Ich frage daher: Was planen Sie, um da einigermaßen Waffengleichheit herzustellen, auch angesichts der Tatsache, dass der Fonds derzeit Rücklagen in nicht unbeträchtli­cher Höhe von zirka 28 Millionen € aufweist?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Bundesrat! Ich persönlich habe im Finale der Verhandlungen der Novelle zum Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz mit dem Herrn Präsidenten der Wirt­schaftskammer gesprochen. Es ist einerseits eine Absenkung – ich glaube, 2019 oder so; auswendig weiß ich jetzt nicht, in welchem Jahr – und gleichzeitig auch eine Eva­luierung vorgesehen, um genau auf diese Entwicklungen oder auf Entwicklungen, die es in der Zukunft geben kann – wie eine Verschiebung der Handelsgewohnheiten –, eingehen zu können. Wenn diese Evaluierung dann zeigt, dass da entsprechende Schritte gesetzt werden müssen oder sollten, dann werden diese Schritte auch gesetzt werden.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sie wissen ja, Herr Minister, das letzte Mal habe ich mich zum Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz sehr kritisch geäu­ßert. Wir haben uns ja schon öfter darüber unterhalten, dass wir, die Freiheitlichen, pri­vates Sponsoring bevorzugen würden.

Gibt es von Ihnen in diese Richtung Schritte, um privates Sponsoring im Kunstbereich besser zu ermöglichen und das ein bisschen voranzutreiben, oder sagen Sie: Nein, das wollen wir gar nicht?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Frau Bundesrätin! Bei der Regierungsklausur in Krems vorletzte Woche wurde auch bezüglich der Änderung beim Stiftungsrecht, gemeinnützige Stiftungen und damit auch bei der Möglichkeit, privates Geld einzubeziehen – in Form von Sponsoring zum Beispiel –, eine Vereinbarung getroffen, die jetzt gesetzlich vorbereitet werden muss. Dabei geht es zum einen um den Bereich der Wissenschaft, es gibt den zweiten Be­reich des Sozialen, und es gibt den dritten Bereich, die Kunst und Kultur betreffend, in denen Sponsoring zusätzlich ermöglicht werden soll. Derzeit wird die gesetzliche Um­setzung vorbereitet.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mag. Schreyer.

 


Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Guten Morgen, Herr Minister! Sie haben vorher schon erwähnt, dass es einen kleinen Topf für Härtefälle geben wird. Wie


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wird dieser ausgestaltet sein, beziehungsweise planen Sie noch weitergehende Maß­nahmen, damit es wirklich eine effektive soziale Absicherung für KünstlerInnen geben wird? Die Grünen fordern schon sehr lange die Etablierung eines KünstlerInnen-Absi­cherungsfonds.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Das wurde im Kulturausschuss schon mehrfach diskutiert. Mein Ziel war es schon – auch ausgehend von dem, was ich auch aus dem Kunstbereich gehört habe, wo die Druckstellen liegen –, dass wir im Rahmen des Möglichen die Verbesserung des Künstler-Sozialversicherungsfonds umsetzen.

Ich bin sehr froh – es waren sehr intensive Verhandlungen, die sich ungefähr ein hal­bes Jahr gezogen haben –, dass es dann auch geschafft wurde, dass auch die Wirt­schaft bereit war, da mitzugehen.

Genau für die Härtefälle wollen wir diesen Sozialfonds, diesen Unterstützungsfonds einrichten; diesen hat es ja vorher nicht gegeben, auch nicht innerhalb des Künstler-Sozialversicherungsfonds.

Man weiß am Anfang nie, wie viele Fälle es sind und so weiter. Es wurde dann ver­sucht, eine sinnvolle Zahl festzustellen, und dann wurde eben festgelegt, diese 500 000 € dafür vorzusehen, welche durch einen Beirat vergeben werden. Es gab einmal kurz die Diskussion, ob ich da irgendwie Einfluss nehmen möchte. – Ich will natürlich nicht Einfluss nehmen, sondern das sollen Experten/Expertinnen anhand der Anträge ent­scheiden. Nach der derzeitigen Schätzung wird das ungefähr 300 Personen betreffen. Wie viele es dann tatsächlich sind, weiß man immer erst am Jahresende, insbesondere bei Dingen, die man neu startet, ist das so.

Das ist der Weg, den wir gegangen sind, der glücklicherweise auch im Parlament – im Nationalrat, im Bundesrat – eine Mehrheit gefunden hat. Ich halte es für sinnvoll, dass man jetzt einmal schaut, wie das Ganze funktioniert. Falls es notwendig ist, Verbesse­rungen vorzunehmen, dann bin ich dafür, dass wir über die Verbesserungen diskutieren.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1857/M-BR/2015; das ist jene des Herrn Bundesrates Köberl. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1857/M-BR/2015

„Welche strukturellen Änderungen planen Sie bei der Bundestheater-Holding bzw. bei den Bundestheatern infolge des finanziellen Debakels des Burgtheaters, das negative Auswirkungen auf den gesamten Bundestheater-Konzern hat?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich habe – wie Sie ja vermutlich wissen – am 1. März 2014, vor etwas mehr als einem Jahr, als ich zuständig wurde, eine rechtliche Prüfung beauftragt, mit der Konse­quenz, dass eine Abberufung des Direktors erfolgt ist. Die kaufmännische Direktorin ist schon davor abgelöst worden. Der Chef der Bundestheater-Holding ist Mitte des Jah­res in Pension gegangen.

Ich habe dann einerseits beim Burgtheater zuerst interimistisch und nach einer Aus­schreibung definitiv Frau Karin Bergmann als neue Direktorin bestellt und habe ande­rerseits bei der Bundestheater Holding interimistisch Herrn Günter Rhomberg bestellt, der bis Ende des heurigen Jahres der interimistische Leiter sein wird.


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Parallel dazu habe ich den Rechnungshof ersucht, das Ganze noch einmal zu prüfen. Die Prüfung ist im Laufen.

Im Hinblick auf die Struktur der Bundestheater-Holding habe ich zu einer Analyse ein­geladen, und es haben sich mehrere Unternehmen beworben. Die ICG hat dann den Auftrag bekommen, noch einmal eine Organisationsanalyse vorzunehmen. Der Bericht ist unter anderem mit dem Vorschlag vorgelegt worden, dass die Kontrollsituation, und zwar nicht nur das Controlling, sondern auch die Kontrollfunktion der Bundestheater-Holding gestärkt werden soll. Einige weitere Vorschläge besagen, dass die Bundes­theater-Holding zu einer strategischen Management-Holding umgebaut werden soll. Auch im Hinblick auf die Beteiligung bei der ART for ART gibt es Vorschläge und so weiter.

Ausgehend davon wurde jetzt der Entwurf einer Novelle des Bundestheaterorganisa­tionsgesetzes erarbeitet. Ich habe auch schon mit dem Koalitionspartner und mit der Bundestheater-Holding, mit Rhomberg, Abstimmungsgespräche geführt und werde nächste Woche ein Gespräch mit den einzelnen Direktoren der Theater führen, weil ich diese natürlich auch einbinden werde, mit dem Ziel, dass wir möglichst rasch – wenn es noch im April gelingt, wäre das wunderbar! – in Begutachtung gehen und im An­schluss daran eine Novelle beschlossen werden kann, um die Kontrollfunktion der Bun­destheater-Holding zu stärken.

Da geht es natürlich nicht um die Frage – das wurde nämlich auch diskutiert, und des­halb sage ich es explizit –, ob die Bundestheater-Holding auch im künstlerischen Be­reich quasi Einfluss nehmen kann. Bei der Diskussion ging es darum, ob es einen künstlerischen Direktor oder eine künstlerische Direktorin in der Bundestheater-Holding geben soll. – Nein! Das halte ich für falsch. Die Holding hat schlank zu sein, soll aber die Aufgabe des Controllings und der Kontrolle konsequent wahrnehmen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Köberl.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister, Sie haben den Namen des derzeitigen Geschäftsführers, Günter Rhomberg, zweimal erwähnt. Er hat bei der Präsentation des Geschäftsberichts 2013/2014 im Februar dieses Jahres ge­meint, dass die Budgets für zwei Saisonen, nämlich bis 2016, noch gesichert seien, da­nach aber Grundlegendes geschehen müsse, da sonst, wie er gemeint hat, alles ein­breche.

Welche konkreten Schritte sind da wirklich gemeint, beziehungsweise bis wann – Sie haben einige Dinge angesprochen – wird es zur Stabilisierung des Budgets konkrete Vorlagen geben?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich teile das, was Günter Rhomberg gesagt hat.

Es hat mehrere Probleme gegeben. Ein Problem, das nicht nur das Burgtheater, son­dern auch die anderen Theatereinrichtungen betrifft, ist, dass die Basisabgeltung im Wesentlichen seit 15 Jahren gleich ist, die Personalkosten aufgrund der Gehaltssteige­rung aber natürlich gestiegen sind. Man hat zwar Personal reduziert, aber die Gehalts­anpassung hat dazu geführt, dass es sozusagen einen Gap gegeben hat. Diesen Gap kann man entweder – wie wir es in der Akutphase getan haben – durch Immobilienver­käufe schließen; das Budget ist ja fixiert gewesen.

Man kann das auch bewirken, indem man die Aufgabe reduziert, also weniger produ­ziert. Das kann man aber eigentlich mit einem Repertoiretheater in dieser Form nicht


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dauerhaft durchführen, sondern man müsste diesfalls auf das Stagione-Prinzip umstei­gen. Das ist aber etwas ganz anderes.

Die dritte Variante ist, dass man versucht, die Basisabgeltung anzuheben. Das ist das, was ich übernommen habe, nämlich im Zuge der Budgetverhandlungen zu schauen, dass wir dort eine Verbesserung zustande bringen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Grimling.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, wie begegnen Sie dem Problem der steigenden Personal- und Sachkosten in den Bundestheatern?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Frau Bundesrätin, man muss unterschieden, wer welche Aufgabe hat: Perso­nal- und Sachkosten haben auf der einen Seite natürlich mit dem Ausmaß zu tun, wie dort produziert wird, wie viele Produktionen neu gemacht werden. Eine gewisse Anzahl an Produktionen ist aber erforderlich, wenn man ein Abo-System aufrechterhalten will und so weiter.

Es sind – um es jetzt ganz konkret am Beispiel des Burgtheaters zu sagen – mehr als 100 Einzelmaßnahmen gesetzt worden, um einerseits die Kosten zu reduzieren, um aber anderseits innerhalb des Budgets, das jetzt zur Verfügung steht, trotzdem 14 Neu­produktionen – wobei ich jetzt die genaue Anzahl nicht sicher weiß – an den drei Stand­orten zu machen.

Wir schauen auch, ob wir beim dritten Standort, beim Kasino am Schwarzenbergplatz, eventuell kooperieren können, indem dieser Standort nicht nur vom Burgtheater ge­nutzt wird, sondern auch von anderen Einrichtungen. Wir überprüfen: Wo gibt es noch Synergien? Wo gibt es noch Möglichkeiten, effizienter zu werden?

In der Vergangenheit wurde das Ensemble verkleinert. Es bedarf aber einer bestimm­ten Größe, wenn man das größte Theater des deutschsprachigen Raumes – wie es immer genannt wird – in dieser Qualität aufrechterhalten will.

Auf der anderen Seite steigen die Sachkosten und Personalkosten schlicht und einfach durch die Inflation; das gibt es ja überall. Diese Entwicklung können wir meines Er­achtens in Zukunft nur abfangen, indem wir die Basisabgeltung erhöhen. Die Auslas­tung ist ja in manchen Häusern nicht mehr zu toppen. Die Staatsoper hat eine Aus­lastung von 99,2 Prozent, und das ist nicht mehr zu erhöhen. Daher wird es nur über den genannten Weg gehen, wenn wir diese Qualität aufrechterhalten wollen, und ich halte das nicht nur aus künstlerischer oder kulturpolitischer Sicht, sondern auch aus wirtschaftspolitischer Sicht für sinnvoll.

Vor zwei Wochen wurde eine Studie veröffentlicht, in welcher auch dargestellt wurde, wie hoch die Rückflüsse sind: Diese großen Theater sind nämlich durchaus Maschi­nen, die auch Geld über Tourismus, über Steuereinnahmen und so weiter generieren.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bevor ich dem nächsten Anfragesteller das Wort erteile, sage ich der starken Gruppe aus der niederösterreichischen Wirtschaft ein herzliches Willkommen. Ich freue mich, dass ihr alle einmal den Bundesrat besucht! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Jenewein.

 


Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir haben heute schon beim vorhergehenden Thema über das Thema Transparenz ge­sprochen, und ich möchte auch meine Frage zum Thema Transparenz stellen.

Sie hätten die Möglichkeit, auch im eigenen Ressort für Transparenz zu sorgen, daher lautet meine Frage: Wann werden die Steuerzahler die Möglichkeit haben, die vom Mi-


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nisterium und den Ländern ausbezahlten Subventionen zusammengefasst in einer Da­tenbank einsehen zu können?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wenn Sie jetzt mein Ressort ansprechen, dann sage ich: Es wird jährlich ein Kunstbericht vorgelegt, und es wird jährlich ein Kulturbericht vorgelegt. Als diese Be­richte letztes Mal im Kulturausschuss diskutiert wurden, wurde eigentlich von allen, auch vom Vertreter Ihrer Partei, lobend erwähnt, wie präzise die einzelnen Förderun­gen aufgelistet sind. Es handelt sich hiebei jeweils um Bücher, in welchen auf 200 Sei­ten – wie ich jetzt grob schätze, ohne es im Detail zu wissen – alles aufgelistet ist.

Ich glaube daher, dass ich das, was Sie gerne hätten, in hohem Ausmaß erfülle. Jetzt können Sie sagen: Das Ganze liegt aber nicht elektronisch, sondern in Papierform vor. – Ich glaube, diese Unterlagen stehen auch elektronisch auf unserer Seite zur Ver­fügung, sonst nehme ich das jetzt als Anregung, das nachzuholen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Schreyer.

 


Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Herr Minister, die Steigerung der Kosten ist jetzt schon einige Male angesprochen worden. Mit welchen Mehrkosten rechnen Sie aber wirklich effektiv durch diese ganzen strukturellen Änderungen? Um wie viel mehr wird es kosten, um die Qualität zu erhalten?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich nehme an, Sie meinen jetzt Mehrkosten in der Bundestheater-Holding durch die Änderung des Bundestheaterorganisationsgesetzes. – Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht präzise beantworten, aber wenn wir davon ausgehen, was die ICG-Studie besagt, dann ist dort, wie ich glaube, von vier Personen die Rede, die notwendig wären, um die Kontrollaufgaben in vollem Ausmaß zu erfüllen.

Ich gehe aber davon aus, dass es dadurch auf der anderen Seite natürlich Einsparun­gen oder jedenfalls keine Probleme wie in der Vergangenheit geben wird, denn sonst würde das ja keinen Sinn machen. Insofern gehe ich davon aus, dass es dadurch ins­gesamt für den Konzern nicht zu Mehrkosten kommen wird.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, mich interessiert die Anzahl der Aufsichtsräte in der ganzen Bundestheater-Holding plus Tochtergesellschaften. Wie viele gab es bisher? Wie viele wird es in Zu­kunft geben?

Ich höre von bis zu 50 Aufsichtsräten bei der Holding und vier Tochtergesellschaften. Das wären zehn Aufsichtsräte pro Gesellschaft, und das ist ja vollkommen überdimen­sioniert!

Gibt es in der Zwischenzeit ein funktionierendes Kostencontrolling und auch ein Vier­augenprinzip, das funktioniert und eingehalten wird? Sind Shared Services in der Hol­ding geplant, also gemeinsame Buchhaltung, gemeinsame Lohnverrechnung und ge­meinsamer Einkauf, sodass sich die Tochtergesellschaften auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Das war jetzt eine etwas lange Zusatzfrage. – Herr Bun­desminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Shared Services gibt es jetzt schon in bestimmten Bereichen. Zum Beispiel ist


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ART for ART als eine der Tochtergesellschaften, die derzeit im gemeinsamen Eigen­tum zwischen Holding und den drei Bühnengesellschaften steht, eine Shared-Service-Einrichtung, bei welcher die Bühnendekoration, die Kostüme et cetera gemeinsam produziert werden. Das ist nicht ganz selbstverständlich, denn es gibt viele Theater, die all das separat machen. – Das ist der eine Punkt.

Zur Teilfrage betreffend Internes Kontrollsystem und so weiter: Das wurde gleich als erster Schritt umgesetzt, nachdem die Probleme im Burgtheater aufgetaucht sind, in­dem Richtlinien neu erlassen wurden, die IKT gestärkt wurde et cetera.

Dritter Punkt, zur Frage der Aufsichtsräte: Ich muss gestehen, dass ich die Zahl jetzt nicht auswendig weiß. – Wir haben die Holding, wir haben das Burgtheater, die Staats­oper, die Volksoper und ART for ART, und wenn Sie sagen, dass es 50 sind, würde ich jetzt nicht spontan widersprechen; irgendetwas in dieser Größenordnung gibt es. Wo­bei ich jetzt einmal sage: Prinzipiell halte ich zehn Aufsichtsräte bei einem mittleren bis großen Unternehmen noch nicht für etwas Ungewöhnliches.

Trotzdem haben wir uns die Frage gestellt: Können wir die Struktur eventuell auch bei den Aufsichtsräten verbessern? – Die Antwort lautet: Ja. Wir werden die Zahl der Auf­sichtsräte reduzieren, und wir werden auch strukturieren, indem automatisch von der Holding eine bestimmte Anzahl – die jetzt noch in Verhandlung ist, betreffend welche ich aber schon eine genaue Vorstellung habe – bei den Töchtern sein wird, und der Rest wird eben von mir beziehungsweise vom Finanzressort bestellt. In Summe wer­den es aber dann wahrscheinlich statt 50 nur 30 sein, beziehungsweise wird sich das ungefähr in dieser Größenordnung bewegen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie alle drei Fragen als eine Zusatzfrage beantwortet haben.

Ich bitte aber, in Zukunft zu beachten: eine Zusatzfrage ist eine Zusatzfrage.

Bevor wir zur 7. Anfrage gelangen, begrüße ich recht herzlich unseren Finanzminister Hans-Jörg Schelling. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Damit gelangen wir zur 7. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Posch-Gruska, um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Minister, mei­ne Frage lautet:

1861/M-BR/2015

„Welche Schritte haben Sie zur Realisierung eines Hauses der Geschichte Österreichs bereits gesetzt, welche sollen folgen und wann wird es eröffnet werden?“

(Bundesrat Mayer: Wie viele Fragen waren das jetzt?) – Es waren drei. (Heiterkeit.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Frau Bundesrätin Posch-Gruska ist aber die Anfragestel­lerin. Ein gewisser Unterschied muss da schon bestehen! Außerdem darf sie auch eine Zusatzfrage stellen. (Bundesrätin Posch-Gruska: Diese war jetzt schon inkludiert!)

Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich versuche, es jetzt zu beschleunigen, denn der Herr Finanzminister muss auch noch einen Bundesfinanzrahmen fertigmachen.

Welche Schritte wurden gesetzt? – Vielleicht ganz kurz zum Ausgang: Ich war im No­vember mit dem Thema Weltmuseum konfrontiert, wo Gelder in einem bestimmten Ausmaß, nämlich in Höhe von 27,5 Millionen, für die Erweiterung des Weltmuseums,


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 28

also des ehemaligen Völkerkundemuseums, jedenfalls im Vergleich zum jetzigen Stand, schon zugesagt worden waren.

Ich habe dann die Frage gestellt, wie es mit der Finanzierung der Betriebskosten nach Fertigstellung aussehen werde, und da wurde gesagt: Das ist nicht im Budget und ist auch nicht über die Mutter Kunsthistorisches Museum finanzierbar. Darauf habe ich ge­sagt: Dann hätte ich gerne eine Idee, wie man das aus dem Budget des Kunsthistori­schen Museums, sozusagen aus den Basisabgeltungen, finanzieren kann beziehungs­weise ob man reduzieren muss. Ich ersuchte, dass man sich das überlegen soll.

Dann kam ein Vorschlag, dass man das Weltmuseum nicht von 2 900 auf 7 000, son­dern von 2 900 auf 3 900 – plus 1 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, wie ich jetzt dazu sagen muss – erweitert. Das sollte in diesem Vorschlag finanzierbar sein aus den Geldern des Kunsthistorischen Museums, das ja quasi ein Konzern ist, zu welchem das Weltmuseum, die Schatzkammer, die Hofjagd- und Rüstkammer, die Sammlung alter Musikinstrumente und das Schloss Ambras gehören; irgendetwas habe ich noch vergessen, aber egal.

Dann kam ein neuer Vorschlag, und ich habe gesagt, dass ich gern möchte, dass man auch überlegt, ob man in dem Komplex der Neuen Burg, in dem ja auch die National­bibliothek, die Sammlung alter Musikinstrumente, das Ephesos Museum und die Hof­jagd- und Rüstkammer beheimatet sind, nicht auch ein Haus der Geschichte realisie­ren kann, was – so sagen die einen – schon seit mehr als 20 Jahren diskutiert wird be­ziehungsweise – so sagen die anderen – wovon Karl Renner schon am Beginn der Zwei­ten Republik geredet hat.

Dann kam ein Vorschlag, gemäß welchem man ungefähr 3 000 Quadratmeter für ein Haus der Geschichte im ersten Obergeschoß zur Verfügung stellen könnte. Das ist auch historisch spannend, weil sich dort auch dieser berühmte Balkon befindet, der im März 1938 benutzt wurde.

Ich habe dann gemeinsam mit der Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbib­liothek ein Kuratoriumsmitglied, Herrn Oliver Rathkolb, gebeten, ob er sich das überle­gen kann. Dieser hat daraufhin eine Kommission aus österreichischen, europäischen, internationalen HistorikerInnen und ExpertInnen zusammengestellt, die bis zum Som­mer ein Umsetzungskonzept vorlegen sollen. – Er sprach zwar von Ende Mai, ich mein-
te aber, dass wir lieber eine Frist bis zum Sommer setzen. Und in der Folge müssen dann natürlich auch entsprechende Kostenschätzungen vorgenommen und sozusagen die Leistungen ausgeschrieben werden.

In Krems bei der Regierungsklausur haben wir gesagt, dass wir eine Gruppe einset­zen, in der alle, die damit zu tun haben, zusammengeholt werden. Das ist nämlich eine sehr komplexe Geschichte: Es geht um das Kunsthistorische Museum, um die Natio­nalbibliothek, um das Staatsarchiv, um die Bundesimmobiliengesellschaft, um die Burg­hauptmannschaft und um das Finanzministerium. Wegen des Burgtors geht es auch um das Verteidigungs- und Innenressort, und man könnte sagen, dass es auch um die Universitäten geht, denn wenn wir auch einen Tiefenspeicher mitdenken – und einen solchen muss man mitdenken, wenn man über dieses komplexe Gebilde Heldenplatz redet –, dann gehören die Universitäten auch alle dazu.

Der nächste Schritt ist jetzt die Einladung dieser Gruppe, und nachdem dann das Um­setzungskonzept der Historikerkommission vorliegt, werden wir schauen, wie ein Zeit­ablauf ausschauen kann, damit wir es – und das wäre mein Wunschtermin, wenn wir es realisieren – bis 2018 umsetzen können. Das wäre der Zeitpunkt des Jubiläums 100 Jahre Erste Republik, und das betrifft den Kerninhalt des Hauses der Geschichte. Dieses ist nämlich ein Haus der Republik, vielleicht ein Haus des 20. Jahrhunderts, und es gibt jetzt die Diskussion der Historiker, wie weit nach vorne die Basis dieses Zeitraums gehen soll.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 29

Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? (Bundesrätin Posch-Gruska: Danke, nein!) – Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Tiefnig.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister, meine Frage geht in dieselbe Richtung wie jene der Kollegin Posch-Gruska: Wie werden Sie die Finanzierung des Hauses der Geschichte vornehmen und die laufen­den Kosten des Betriebes finanzieren? – Das ist ja bei Ihrer Beantwortung noch nicht herausgekommen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Bevor man über die Finanzierung redet, ist immer die Frage zu klären: Was kos­tet es?

Was ich jetzt einmal geschafft habe, ist, dass wir Gelder aus der Burghauptmann­schaft, dem Kunsthistorischen Museum beziehungsweise aus meinem Ministerium frei­gespielt haben, indem wir das Weltmuseum nicht in der zunächst geplanten Dimension bauen. Dafür waren ja schon Gelder zugesagt, und wenn wir dort nicht 27 Millionen, sondern 17 Millionen brauchen, dann haben wir einmal einen gewissen Polster, der zur Verfügung steht.

Der nächste Schritt dieses Umsetzungskonzepts ist, dass wir eine Kostenschätzung gemeinsam mit der Burghauptmannschaft und so weiter machen. Dann muss man schauen: Was bleibt dann noch an Finanzierungskosten übrig? – Das ist der eine Teil, quasi Errichtungskosten für das Haus der Geschichte.

Der zweite Teil betrifft natürlich die Frage: Tiefenspeicher? – Wir haben das im Regie­rungsprogramm und hatten das, glaube ich, auch schon im letzten Regierungspro­gramm. Irgendwann einmal endet die Speicherkapazität der Österreichischen National­bibliothek. Das gleiche Problem haben wir zum Beispiel auch bei der Uni Wien.

Dabei erhebt sich erstens die Frage: Für welchen Zeitraum soll ein solcher Speicher, wenn wir ihn errichten, ausgelegt sein? Reden wir über den geschätzten Bedarf der nächsten 40 Jahre oder der nächsten 70 Jahre? Das macht nämlich einen riesigen Un­terschied. Und wenn wir so etwas machen, dann sollten wir auch einen Synergieeffekt nutzen und das gleich auch für andere Institutionen machen. Bisher haben wir darüber immer nur im Zusammenhang mit der Nationalbibliothek diskutiert. Ich bin dafür, dass man einen Synergieeffekt nutzt: Wenn wir einen solchen Tiefenspeicher errichten, dann ist das gescheiter, als sozusagen zwei verschiedene Teile zu bauen.

Diesbezüglich sind wir aber, was die Kosten und damit auch ein sinnvolles Gespräch mit dem Herrn Finanzminister anlangen würde, von meiner Seite her natürlich viel zu früh dran, denn dieser würde mir richtigerweise sofort die Frage stellen: Was kostet es? – Daher müssen wir das Ganze Schritt für Schritt abarbeiten, aber ich bin dafür, dass wir dabei sehr zügig vorgehen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, ich finde, die Entscheidung für die Hofburg ist eine sehr gute Entscheidung. Ich denke dabei aber weniger an diesen Balkon, sondern eher an das kaiserliche, imperiale Wien.

Wenn man grundlagenforschende Geschichtswissenschaften betreibt, dann sucht man in erster Linie Primärquellen in Archiven, und für österreichische Geschichte sind diese in erster Linie in Wien. – Die Amerikaner würden ja auch nicht ihre Geschichte von Wien aus schreiben lassen!

Ich darf nun meine Frage stellen: Was hat Sie bewogen, vorwiegend nicht österreichi­sche Wissenschaftler, nämlich US-Amerikaner, für das Haus der Geschichte zu beauf-


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tragen und österreichische Historiker und Historikerinnen von der Universität Wien, die gerade das 650-Jahr-Jubliäum feiert, und der Akademie der Wissenschaften weniger zu berücksichtigen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Erstens halte ich es immer für sinnvoll, dass man Politik und Wissenschaft trennt. Was ich gemacht habe, war, dass ich gemeinsam – ich habe es vorher schon gesagt – mit der Generaldirektorin der Nationalbibliothek Herrn Universitätsprofessor Oliver Rathkolb gebeten habe, Überlegungen anzustellen, und zwar auch in die Rich­tung, wie eine solche Gruppe zusammengesetzt werden könnte. Dabei habe ich es für sinnvoll befunden, dass nicht nur österreichische Wissenschaftler und Wissenschaft­lerinnen vertreten sind – denn überwiegend sind es solche –, sondern dass man auch über den Tellerrand hinausschaut, um auch die Sicht auf die Geschichte Österreichs vom internationalen Blickwinkel, vom europäischen, aber auch vom amerikanischen, mit einzubeziehen. Ich habe kein Problem – ganz im Gegenteil! –, wenn wir auch einen Input von renommierten Historikern aus den USA bekommen, wie diese Österreich se­hen.

Ich war vor Kurzem in Amerika an der Princeton Universität und habe dort den ameri­kanischen Kunsthistoriker und Kulturhistoriker Carl Schorske ausgezeichnet, der 1980/
1981 ein Buch über das Fin de Siècle in Wien geschrieben und wesentlich dazu beige­tragen hat, dass Klimt, Schiele, Schönberg, Alban Berg – also diese Zeit – sozusagen als Wiener Schule erkannt wurden. Carl Schorske, der jetzt etwas mehr als 100 Jahre alt ist, hat für dieses Buch den Pulitzer-Preis bekommen. Außerdem habe ich voriges Jahr Charles Maier in Harvard getroffen, der auch außerhalb Österreichs einflussreiche Werke über die Geschichte Österreichs geschrieben hat.

Ich halte also das, was der Zeithistoriker der Wiener Universität, Oliver Rathkolb, in die­sem Zusammenhang getan hat, für sehr sinnvoll, und ich unterstütze das auch.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Minister! Einerseits bin ich dankbar für die Initiative betreffend dieses Haus der Geschichte. Andererseits erschreckt mich aber sowohl die Geschwindigkeit des Zugs als auch die Komplexität dessen, was Sie sich hier vorgenommen haben. Ich glaube nämlich, dass bei der ganzen Diskus­sion darüber, was das kosten soll, wie viele Quadratmeter vonnöten sind, woher das Geld kommen soll und so weiter, eine wichtige Frage untergeht, nämlich: Welches Ziel verfolgen wir mit diesem Museum?

Ich sehe das auch aus der Position der Vermittlung der Inhalte eines solchen Museums als Fremdenführerin, und ich stehe mit meinen Bedenken nicht allein, wenn ich mich frage: Wo stehen wir jetzt? Und wie kann es weitergehen? – Nach einer Diskussion am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie gibt es ja diese Petition dagegen.

Daher meine Frage: Inwieweit werden auch noch andere in das Gesamtkonzept des­sen, was hier vermittelt werden soll, und zwar mit den vorhandenen Mitteln, mit einge­bunden? – Ich denke mir: Wäre es nicht an der Zeit, ein virtuelles Museum bezie­hungsweise Haus der Geschichte zu konstruieren? Wäre das nicht ein neuer Ansatz, der auch in die Bundesländer viel weiter ausstrahlen würde, als wenn man auf das oh­nehin sehr umfangreiche Angebot an Museen, das gerade dieser Raum bietet, noch dieses quasi draufsetzt?

Meine Frage lautet also: Inwieweit gibt es in diesem Zusammenhang noch Offenheit und Zeit, auch andere Ideen und Entwicklungen unterzubringen? Das heißt: Inwieweit öffnen Sie sich außer in Richtung dieses sehr komplizierten Geflechts aus BIG, Hof-


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burg und so weiter auch inhaltlich noch für andere Konzepte und binden diese ein? Oder fährt der Zug schon?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich habe es – als das Thema Weltmuseum aufgekommen ist und von mir er­wartet wurde, dass ich eine Baufreigabe gebe – sozusagen als Window of Opportunity gesehen, dass wir die Neue Burg generell attraktiver gestalten und für die enormen Schätze, die wir dort haben, mehr Aufmerksamkeit erzeugen können. Ich war mir vom Anfang an dessen bewusst, dass das nicht das Projekt ist, zu welchem eine 100-pro­zentige Zustimmung erfolgen wird. Mir war klar: Wenn jemand erwartet, dass er 27 Mil­lionen verbauen kann, und es dann weniger wird, dann ist zunächst einmal keine Eu­phorie da.

Im Zuge der Diskussion, ob man versuchen sollte, auf die wunderbare Sammlung alter Musikinstrumente – die aus meiner Sicht mehr Menschen bekannt sein könnte, als sie es tatsächlich ist – mehr Aufmerksamkeit zu lenken, das Ganze neu aufzustellen, neu zu gestalten und damit auch bekannter zu machen, war mir auch vollkommen bewusst, dass das bei denen, die jetzt dort verantwortlich sind, nicht gleich einmal große Eupho­rie auslösen wird.

Dass das extrem komplex ist und dass der Zeitrahmen sehr ambitioniert ist, ist mir be­wusst. Es erschreckt – ich glaube, dieses Wort haben Sie verwendet – mich nicht, aber es ist nicht so, dass ich ganz beruhigt sagen kann, dass wir das auch in diesem Zeit­raum schaffen, weil es komplex ist und weil der Zeitraum sehr kurz ist.

Jetzt, nach 20 oder vielleicht 70 Jahren Diskussion – je nachdem, wie man es ein­schätzt –, zu sagen, dass wir zu schnell unterwegs sind, finde ich nicht richtig. Ich glau­be, wir müssen in diesem Tempo unterwegs sein, wenn wir das Ziel erreichen wollen. Ich weiß schon – ich habe das gestern auch bei der Jahrestagung des Dokumenta­tionsarchivs des Österreichischen Widerstandes erwähnt –, es gibt Menschen, die sa­gen, aus der Geschichte kann man nichts lernen. Ich glaube, man kann aus der Ge­schichte lernen. Ich glaube, man muss aus der Geschichte lernen.

Dann stellt sich eine Frage, die mir unter anderem vom Präsidenten des Europäischen Parlaments gestellt wurde. Der sagte mir – nur als ein Beispiel –, dass wir noch die Chance haben oder die Chance hatten, dass wir Holocaust oder Schoah erleben – nicht, indem wir selbst im Konzentrationslager waren, sondern indem wir die Chance haben, Menschen kennenzulernen, die das erlebt haben. Die nächsten Generationen haben diese Chance nicht mehr, weil die Zeitzeugen im Laufe der Jahre aussterben werden. Er hat mich gefragt, was wir dagegen machen. Das ist doch ein ganz wichtiger Punkt, dass wir diese dramatische und traumatische Periode unserer Geschichte auch weitertransportieren können, in der Erwartung, aus der Geschichte zu lernen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Ich habe gesagt, ich würde gerne ein Haus der Geschichte realisieren. Das macht auch das Europäische Parlament, wie wir wissen.

Ist der Zug abgefahren?! – Der Zug fährt; abgefahren ist er natürlich nicht. Meine Bitte an Oliver Rathkolb war, dass alle Menschen, die bisher schon Beiträge geliefert haben, miteinbezogen werden, auch die Lord/Haas-Studie, die wir auch veröffentlicht haben, und man bis Sommer dann ein fertiges Konzept hat. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, ich bedanke mich für die ausführliche Beantwortung meiner vorherigen etwas erweiterten Zusatzfrage. Diese Zusatzfrage wird umso kürzer ausfallen:

Wie hoch ist das Gesamtbudget des Hauses der Geschichte?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich kann diese Frage – ich habe es vorher schon gesagt – jetzt noch nicht be­antworten, weil wir Schritt für Schritt vorgehen – zwar zügig, aber trotzdem Schritt für Schritt. Zuerst muss das Konzept fertig sein, dann muss man eine Kostenschätzung machen, und dann kennen wir grob die Kosten. (Vizepräsidentin Posch-Gruska über­nimmt den Vorsitz.)

Es ist jetzt tatsächlich zu früh, um diese Frage zu beantworten.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Die letzte Anfrage trägt die Nummer 1858/M-BR/2015 und wird von Herrn Bundesrat Dr. Brunner gestellt. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Beim Thema Informationsfreiheit sind die Bundesländer genauso wie der Bund vom Thema Amtsgeheimnis betroffen. Haben Sie und – da ich davon ausgehe, dass Sie haben – in welcher Form haben Sie die Bundesländer in die Diskussion rund um die Regierungsvorlage miteinbezogen? Es war ja ein Wunsch der Länder und ins­besondere der Landtagspräsidenten, hier eingebunden zu werden.

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 1858/M-BR/2015, hat folgenden Wortlaut:

„Wie haben Sie sichergestellt, dass die Regierungsvorlage zum Thema Informations­freiheit mit den Ländern, die ja genauso wie der Bund von der Abschaffung des Amts­geheimnisses betroffen sein wird, akkordiert wurde?“

*****

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Auch da sind wir so vorgegangen wie zum Beispiel bei den Bundesverwal­tungsgerichten. Wir haben auf Expertenebene Gespräche geführt. Zum Beispiel – um Personen zu nennen – hat der Sektionschef des Verfassungsdienstes mit den Landes­amtsdirektoren oder mit den jeweiligen Experten auf Länderebene die Gespräche ge­führt. Auch meine Mitarbeiter im Kabinett haben das getan.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Ja, eine Zusatzfrage hätte ich noch. Es folgt jetzt das Grundsatzgesetz. Ich weiß, dass das Sache des Parlaments ist, trotzdem werden Sie einen gewissen Einfluss darauf haben. Bis wann rechnen Sie damit?

Die zweite Zusatzfrage lautet: Wie werden die Länder hier entsprechend eingebunden, und welche Fristen werden dann die Länder für die Umsetzung ihrer Ausführungsge­setze haben?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Die Frist, wenn ich sie jetzt richtig im Kopf habe, ist vorgesehen mit Inkrafttre­ten 1. Jänner 2016. Wir haben eigentlich schon 2013 mit der Ausarbeitung des Geset­zes begonnen und haben damals gesagt, wir brauchen ungefähr ein halbes, ein Drei­vierteljahr, damit dann auch die entsprechenden Durchführungsgesetze auf Länder­ebene beschlossen werden können.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 33

Es wird auf parlamentarischer Ebene gerade mit einer Punktation zu den Durchfüh­rungsgesetzen versucht, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir brauchen ja eine Ver­fassungsmehrheit – es wäre jetzt ein bisschen vermessen, wenn ich sage, dass ich hoffe, dass es noch im April der Fall sein wird. Ich hoffe, dass wir es vorm Sommer be­schließen können.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Köberl.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Herr Minister, wie soll die Durchset­zung des Rechts auf Informationsfreiheit erfolgen?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wir haben ein Konzept gewählt, das manche auch anders haben wollten. Es gibt in einzelnen Ländern einen Informationsbeauftragten. Ich habe gesagt, wir haben dieses Großprojekt Bundesverwaltungsgerichte geschafft und mehr als 100 Sonderbe­hörden abgeschafft; ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt wieder eine Sonderbehörde neu einzuführen.

Wir haben daher einen Weg gewählt, mit dem wir das in dieses System der Lan­desverwaltungs- und Bundesverwaltungsgerichte einbinden: Jemand stellt also eine Anfrage, will Informationen haben und wenn das abgelehnt wird, muss das bescheid­mäßig abgelehnt werden, und dagegen ist ein ganz normaler Rechtszug im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit möglich.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Herbert.

 


Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister, der Weg soll so sein, dass anstelle der Amtsverschwiegenheit das Recht auf Informationen Platz greifen soll, nämlich ein Recht auf Informationen, das die Öffentlichkeit berührt. So habe ich es verstanden. Es gibt natürlich ein paar Ausnahmen, die schon im Text der jetzt geltenden Amtsverschwiegenheit im Bereich des Bundes stehen. Allerdings kommt – und darauf zielt jetzt meine Frage ab – der Datenschutz nirgends vor. Das heißt, es gibt zwar Ausnahmebestimmungen, in welchen Fällen diese Informations­pflicht nicht gelten soll, nämlich dann, wenn es im Interesse des Bundes, der Länder, einer Gebietskörperschaft und dergleichen mehr ist, allerdings nicht, wenn es das Recht auf persönlichen Datenschutz betrifft.

Daher meine Frage: Wird diesen besonderen Aspekten des Datenschutzes und der Rechte Betroffener noch eine besondere Würdigung geschenkt und, wenn ja, wie?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Es ist von Anfang an vorgesehen gewesen, dass das Grundprinzip des Amts­geheimnisses umgedreht wird und das Grundprinzip der Informationsfreiheit in den Vordergrund tritt. Damit ein Staat funktionieren kann, braucht es logischerweise be­stimmte Ausnahmen, wenn es um innere Sicherheit, wenn es um äußere Sicherheit und so weiter geht. Der Datenschutz, der Schutz persönlicher Daten war aber immer eine Ausnahme. Das ist nichts Neues, sondern das ist so vorgesehen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Bundesminister, im Zuge eines In­formationsfreiheitsgesetzes ist hier eine ganz entscheidende Frage, in welcher Form diese Information den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen zur Verfügung gestellt


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 34

wird. Wir hatten vorhin bei der Frage von Kollegen Jenewein schon eine Diskussion betreffend Kulturbericht online. Da ist auch ein Unterschied, ob man nur eine PDF-Datei online stellt oder ob das interpretierbare und lesbare Daten im Sinne eines Open-Data-Prinzips sind.

Wird im Zuge des geplanten Informationsfreiheitsgesetzes auch Open Data Grundprin­zip werden?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wir haben zwei Grundprinzipien. Das eine Grundprinzip ist eben jenes – wie ich vorher gesagt habe –, dass die Amtsverschwiegenheit umgedreht wird. Das zweite Grundprinzip ist, dass so viele Daten wie möglich in möglichst sinnvoll nutzbarer Form zur Verfügung gestellt werden.

Wir sind da im Übrigen nicht schlecht unterwegs. Österreich ist voriges Jahr von der UNO mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden für „data.gv.at“, eine Kooperation zwischen Bund, Ländern und zum Teil auch Gemeinden. Ich würde nicht ausschließen, dass wir noch besser werden können, aber wir sind schon sehr gut unterwegs. Das Ziel ist natürlich, die Daten, die sinnvoll weiter genützt werden können, auch so zur Ver­fügung zu stellen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Herr Minister, ich darf mich herzlich für Ihre Fle­xibilität bedanken, mehrere Fragen in einem Redebeitrag zu beantworten. – Danke. (All­gemeiner Beifall.)

Somit ist die Fragestunde beendet.

10.40.58Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt ist und zur Vorberatung zugewiesen wurde der Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2014, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie; zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte und jener Antrag, die je­weils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 sowie 6 bis 8 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Tagesordnung ein.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 35

10.41.371. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Ände­rung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (455 d.B. und 504 d.B. sowie 9334/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Abände­rung des am 16. Mai 2001 in Minsk unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen (394 d.B. und 505 d.B. sowie 9335/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang (442 d.B. und 506 d.B. sowie 9336/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 3, über wel­che die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


10.42.20

Berichterstatter Christian Füller: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bringe die drei Berichte.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Dieser Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmen­mehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe jetzt den zweiten Bericht.

Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Abänderung des am 16. Mai 2001 in Minsk unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Ich komme zur Antragsstellung

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 36

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Nun bringe ich den dritten Bericht.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen samt Anhang.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


10.44.20

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Worum geht es hier? – Das vorliegende Abkommen mit China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen geht bereits auf das Jahr 1986 zurück.

Artikel 5 dieses Abkommens sieht vor, dass ein Investor seine Investition repatriieren kann, etwa im Fall eines bewaffneten Konflikts im Gaststaat. 2009 hat der EuGH fest­gestellt, dass das gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, weil nämlich die Möglichkeit vorzusehen ist, dass die EU Kapitalverkehrskontrollen sowie Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf Kapitalbewegungen und Zahlungen im Fall außergewöhnlicher Umstände sowie zur Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus erlassen kann, und weil Öster­reich das dann aber gegenüber China nicht anwenden könnte. Das wurde nun geän­dert.

Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Das geht in die richtige Richtung. Bestehende Abkommen von EU-Mitgliedsländern mit Drittstaaten sollten vereinheitlicht werden. Die Frage ist, warum das jetzt gerade mit China erfolgt ist. Was ist mit ande­ren Abkommen, die es da gibt, wie jene mit Korea, Kap Verde, Malaysia, der Russi­schen Föderation und der Türkei. Sozusagen seit 2009 ist das fällig. Warum jetzt nach 2009? – Es hat sich herausgestellt, dass sich eine Vereinheitlichung dieser Abkommen als sehr schwierig und sehr komplex darstellt.

Unserer Meinung nach ist es jetzt besonders schwierig, weil sich im Rahmen der Ver­handlungen über TTIP und CETA herausgestellt hat, welche Bedenken es gegenüber solchen Abkommen gibt, welche Probleme es da gibt, dass aufgrund der Größe und der finanziellen Macht der Investoren beziehungsweise auch der Konzerne die Mög­lichkeiten von Staaten, entsprechend zu agieren und zu reagieren, massiv einge­schränkt werden, dass hier demokratische Rechte ausgehebelt werden und dass in­transparente Parallelstrukturen entstehen.

Dankenswerterweise ist es in Österreich gelungen, dass der Nationalrat sich sehr klar gegen TTIP und gegen CETA ausgesprochen beziehungsweise Mindestanforderungen an solche Abkommen formuliert hat und dass der Bundeskanzler diese kritische Hal­tung Österreichs auch in der Kommission entsprechend vertreten hat.

Mit dem Beschluss eines solchen Abkommens wie diesem hier, bei dem diese Mini­malkorrektur erfolgt ist, konterkarieren wir aber diese Politik. Meiner Ansicht nach ist das wirklich unheilvoll, denn was passiert auf europäischer Ebene? – Die ganzen Be-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 37

mühungen, in diese Abkommen einzugreifen, werden im Grunde genommen negiert. Es wird weiterverhandelt, als wäre nichts passiert. Am Ende wird man dann wahr­scheinlich dieses Abkommen haben und sagen, dass man jetzt zustimmen muss, weil das jetzt schon so weit gediehen und verhandelt ist, und es da keine Alternative mehr gibt.

Da wird wirklich eine sehr doppelgleisige Politik verfolgt. Ein Beschluss eines solchen Abkommens, das die Mindeststandards, die daran zu legen wären, bei Weitem nicht erfüllt, passt in diese Doppelgleisigkeit und gefährdet eigentlich die Politik, da doch noch den Hebel anzusetzen und das Ganze demokratischen Regeln und Strukturen zu unterwerfen.

Was wären diese Mindestanforderungen? – Förderungen von Investitionen dürften kei­ne Einschränkungen in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Soziales, Konsumenten­schutz, Datenschutz und Sicherheit nach sich ziehen. Die Investoren müssten interna­tionale Umweltkonventionen, zum Beispiel die Biodiversitätskonvention, die ILO-Kern­arbeitsnormen und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen einhalten. Ich glaube, das sind wirklich Kernforderungen, die es zu erfüllen gilt. Ausländische Inves­toren dürften nicht besser gestellt sein als inländische. Dann bleibt natürlich noch die Frage der Schiedsgerichtsbarkeit, die unserer Meinung nach nur auf UN-Niveau gestal­tet werden könnte, multilateral ausgehandelt werden und eben entsprechenden demo­kratischen Regeln einer modernen Gerichtsbarkeit entsprechen müsste.

Es müsste für Staaten auch Möglichkeiten geben, Rechtssicherheit herzustellen, so­dass Firmen zum Beispiel Bodenverseuchungen und Ähnliches reparieren, bevor sie dann zur nächsten, günstigeren Stelle weiterziehen.

Bilaterale Abkommen einzelner EU-Staaten – auch das muss uns klar sein – führen zu einer zusätzlichen Konkurrenz um Auslandsinvestitionen in der jeweiligen Region und damit natürlich zu einem entsprechenden Dumping, was Steuern, sozialrechtliche Be­dingungen und so weiter betrifft.

Deshalb sind multilaterale EU-Handelsabkommen anzustreben, was im Bereich China auch verhandelt wird. Ich glaube, es stünde uns gut an, diese Mindeststandards zu be­tonen, eben auch im Rahmen der Verhandlungen über solche multilateralen Abkom­men zwischen EU und Drittstaaten entsprechend einzufordern und sozusagen ein schlechtes und eigentlich längst überholtes Abkommen mit dieser Minimalkorrektur nicht weiterzuführen.

Aus diesem Grund stimmen wir diesem Abkommen nicht zu. Den Punkten 2 und 3 erteilen wir aber die Zustimmung. Ich bitte um getrennte Abstimmung. (Beifall bei den Grünen.)

10.50


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.51.08

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Meine Vorrednerin hat schon sehr viel über den Inhalt dieser drei Abkommen gesagt. Ich darf auf alle Fälle festhalten, dass es für ein Exportland, wie es Österreich nun einmal ist – immerhin wird in Österreich jeder zweite Euro mit dem Export ver­dient –, ganz besonders wichtig ist, dass es mit sämtlichen Ländern, in die es expor­tiert, entsprechende Übereinkommen gibt. Das gewährt Rechtssicherheit und schafft somit die besten Voraussetzungen für unsere Betriebe, die dort Geschäfte machen, und die Wirtschaft in den Ländern.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 38

Im konkreten Fall geht es, wie bereits gesagt wurde, um die Abänderung des Ab­kommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die För­derung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen. Seit 11. Oktober 1986 besteht diesbezüglich bereits ein Vertrag, der nun eben an das EU-Recht angepasst wurde und heute hier im Bundesrat die Zustimmung erhalten soll.

Ich gebe meiner Vorrednerin recht, dass es unabhängig von diesem Abkommen ein großes Ziel sein muss, mit der Volksrepublik China ein einheitliches Abkommen für die gesamte EU zustande zu bringen. Daran wird, wie wir wissen, schon gearbeitet, damit sich die EU-Staaten hinkünftig nicht immer einzeln damit befassen müssen.

Gerade bei der Volksrepublik China ist das ganz besonders wichtig, ist sie doch für den österreichischen Export ein ganz besonders wichtiges Land. Ein Volumen von zirka 3,4 Milliarden € umfassen pro Jahr die Exporte dorthin. Alleine im vergangenen Jahr ist die Exportrate Österreichs im Bereich des Handels mit der Volksrepublik China enorm gestiegen, und zwar um 7,8 Prozent, während sonst die Exportrate Österreichs im ver­gangenen Jahr durchschnittlich nur um 1,7 Prozent gestiegen ist.

Die Zustimmung wollen wir aber auch dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Bela­rus, Weißrussland geben. Dieses muss an die OECD-Standards angepasst werden. Das ist eigentlich nur eine Formsache. Weißrussland ist gerade in den letzten Jahren aber auch ein sehr wichtiger Exportpartner für Österreich geworden. Gar um 24 Pro­zent ist der Export österreichischer Güter in dieses Land gestiegen, und das bei einer Ausgangslage von 245 Millionen € im vergangenen Jahr.

Ebenfalls die Zustimmung wollen wir dem Nationalratsbeschluss betreffend das Ab­kommen über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen geben. Dabei geht es darum, den Schmuggel besser kontrollieren zu können und im Speziellen dem Drogenschmuggel Einhalt zu gebieten.

Studien belegen, dass bilaterale Abkommen zwischen Staaten wichtige Faktoren für die Hebung und Erhaltung des Wohlstandes in den einzelnen beteiligten Ländern sind. Weil es dabei auch um die Sicherung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in Österreich geht, werden wir seitens der ÖVP-Fraktion in allen drei Punkten die Zustimmung ertei­len. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.54


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


10.54.17

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Österreich hat über 80 abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen. Aufgrund des OECD-Berichtes wurde Österreich empfohlen, sein gesamtes Doppelbesteuerungsab­kommen-Netzwerk an die neuen OECD-Amtshilfestandards anzupassen.

Sukzessive werden daher alle bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen, die noch nicht diesem Standard entsprechen, rasch angepasst, wobei natürlich die Anpassung auch von den Kapazitäten der Partnerstaaten abhängt. Die Änderung ist auch bei die­sem heute zu beschließenden Abkommen mit Weißrussland, das 2001 abgeschlossen wurde und 2002 in Kraft getreten ist, erforderlich.

Belarus ist, wie schon mein Vorredner gesagt hat, ein sehr wichtiger Exportpartner Ös­terreichs, der viertwichtigste, was die GUS betrifft. Die Summe des Exportvolumens beträgt – wie schon gesagt wurde – rund 245 Millionen €, und die von österreichischen Firmen getätigten Direktinvestitionen betrugen zirka 900 Millionen € im Jahr.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 39

Das heute zu beschließende Doppelbesteuerungsabkommen soll verhindern, dass na­türliche oder juristische Personen, die in beiden Staaten Einkünfte erzielen, doppelt be­steuert werden. Darüber hinaus trägt es natürlich durch den möglichen Informations­austausch ein Stück zur Steuergerechtigkeit und zur Bekämpfung von Steueroasen auf internationalem Terrain bei.

Auch die Bestimmungen des Abkommens zwischen Österreich und Belarus über Zu­sammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen tragen zur Bekämpfung von Betrug, Zollbetrug, Schmuggel und dergleichen bei. Da derzeit kein derartiges EU-Ab­kommen mit Belarus besteht, war der bilaterale Weg der einzig mögliche Weg, dieses Abkommen abzuschließen.

Gerade für ein Exportland wie Österreich sind derartige Abkommen, wie wir sie heute unter Punkt 1 bis 3 der Tagesordnung behandeln, von ganz besonderer Bedeutung, da­mit für die österreichischen Firmen und für die österreichische Wirtschaft auch hinkünf­tig Rechtssicherheit und eine rechtliche Basis für weitere Geschäftsabschlüsse ge­schaffen werden. Daher wird meine Partei diesen Vorhaben auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


10.57.25

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätztes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Vorneweg möchte ich betonen, dass es erfreulich ist, dass es auch einmal im Natio­nalrat zwischen den verschiedenen Fraktionen zu einer Übereinstimmung gekommen ist. Das ist doch auch irgendwo ein Zeichen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich denke, das ist ein Zeichen dafür – wie auch die ÖVP hier festgestellt hat –, dass es eben auch im Rahmen der Demokratie einmal zu Meinungsgleichheiten kom­men kann.

Auch ich bin der Meinung, dass Amtshilfe in Zollfragen und der gegenseitige Schutz von Investitionen prinzipiell und generell zu begrüßen und sicherlich auch sinnvoll sind. Bezüglich des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Republik Belarus ist zu erwäh­nen, dass es da zu Revisionen kommen wird. Ich denke auch, dass diese Revisionen durchaus ein Fundament darstellen, damit dem Steuerbetrug entgegengewirkt werden kann.

Meine Vorredner, Kollege Oberlehner und Herr Kollege Lampel, haben schon betont, dass es wichtig ist, dass die Zusammenarbeit angestrebt wird. Besonders möchte ich unterstreichen, dass endlich die Umsetzung der OECD-Standards vorangetrieben wur­de. Ich denke, dass das im 21. Jahrhundert kein Problem mehr darstellen sollte.

Einen kritischen Punkt habe ich aber schon zu erwähnen, und zwar hätte man sich sei­tens der Regierung durchaus etwas beeilen können. Ich meine, dass diese Änderun­gen bezüglich der Abkommen sicherlich nicht zu früh kommen. Hoffen wir, dass diese knapp 2 Milliarden €, die angeblich durch die Steuerbetrugsbekämpfung hereingespielt werden sollen, tatsächlich auch erzielt werden. Ich bin der Meinung, dass wir in Öster­reich im Rahmen des Budgets – der Herr Finanzminister wird mir sicherlich zustim­men – den einen oder anderen Euro dringend brauchen.

Bezüglich der Volksrepublik China möchte ich betonen, dass ein gegenseitiger Schutz von Investitionen durchaus sinnvoll ist. Dies sollte im Vordergrund stehen. Wie bereits der Kollege Oberlehner schon angesprochen hat, ist Vertrauen eine Basis, die Unter­nehmerinnen und Unternehmern eine Sicherheit gibt. Diese bereits angesprochenen knapp 3,5 Milliarden € beziehungsweise 3,4 Milliarden €, die die Exporte von Öster-


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reich nach China ausmachen, stellen doch einen großen Wert dar, den man nicht un­terschätzen sollte.

Österreich ist nicht nur ein Tourismusland, sondern, wenn man an andere Branchen denkt, sicherlich auch ein Exportland und, wie der Kollege bereits erwähnt hat, ist an­gesichts der steigenden Exportzahlen auch weiterhin eine gute Entwicklung zu erwar­ten. Hoffen wir, dass es so bleibt.

Im Sinne der Gleichberechtigung möchte ich betonen, dass es eigentlich unser aller Ziel sein sollte, dass jeder Steuerbetrug bekämpft wird. Ebenso sind sichere Handels­beziehungen Garant für Wohlstand, Schutz von Arbeitsplätzen und auch ein allgemei­ner Schutz – in Bezug auf die Sicherheit, aber auch für die Menschen generell.

Wir von der FPÖ stimmen allen drei Abkommen zu, nicht nur jenem mit der Volksre­publik China, sondern auch jenen mit der Republik Belarus, und hoffen, dass die gute Entwicklung im Bereich Export, eben diese steigende Tendenz bei den Exportzahlen, weiterhin andauern wird und wir auch in Zukunft unser aller Wohlstand stärken und fördern können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.01


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Minister Dr. Schelling. – Bitte, Herr Minister.

 


11.02.03

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren! Einige ganz wenige Anmerkungen: Natürlich arbeiten wir auf europäischer Ebene daran, dass möglichst viele europäische Abkommen geschlos­sen werden, weil diese vielen bilateralen Abkommen, die jetzt adaptiert werden müs­sen, natürlich zu einem enormen Aufwand führen, mit langen Verhandlungen.

Wenn man sich die Protokolle anschaut, sieht man, dass wir Verhandlungen, die wir 2004 begonnen haben, erst jetzt, 2015 abschließen. Daher wäre es natürlich wünschens­wert, gesamteuropäisch handeln zu können. Dazu ist auch die Europäische Kommis­sion aufgefordert und aufgerufen.

Gerade das Thema, um das es im zweiten Abkommen mit Weißrussland geht, nämlich die Bekämpfung von Steuerbetrug durch dieses Abkommen, ist eine der Kernaufgaben des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für das laufende Jahr. Ich ma­che darauf aufmerksam, dass Österreich eines der ersten Länder war, die den Vertrag über den OECD-Standard unterschrieben haben.

Wir müssen uns eines bewusst machen: Die Frage von Steuern ist nicht nur eine Fra­ge von Steuerhinterziehung, sondern auch eine Frage von Steuervermeidung. Und da gibt es im europäischen Kontext viel aufzuarbeiten. Denn wenn es um die Frage geht, wo die Probleme passieren, hat man oft das Gefühl, das passiert irgendwo ganz fern auf einer Insel in der Karibik. Tatsächlich passieren aber die Probleme zwischen Hol­land und Irland, zwischen Malta und Zypern, zwischen England und Luxemburg, wir sind da mitten in Europa.

Daher haben sich alle Länder dazu bekannt, dass wir das als Schwerpunktprogramm setzen. Wir müssen aber natürlich auch berücksichtigen, dass es neue Handelspartner wie zum Beispiel Weißrussland gibt, wo sowohl in Bezug auf den Zolltransfer als auch in Bezug auf den Austausch von Waren und Dienstleistungen diese Abkommen wichtig sind.

Daher noch einmal: Es ist uns klarerweise lieber, wenn wir gesamteuropäisch agieren können. Wichtig ist aber dabei, dass in jedem Abkommen, das Österreich bilateral ab­schließt, der OECD-Standard sichergestellt ist. Dazu haben wir uns verpflichtet, und


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alle Abkommen, die das nicht erfüllen, müssen logischerweise, wenn es keine europäi­sche Lösung gibt, bilateral neu verhandelt werden. Da kommen sicher noch einige.

Was das Abkommen mit China betreffend Investitionsschutz anbelangt, so darf ich nur darauf hinweisen, dass Österreich solche Investitionsschutzabkommen mit insgesamt 63 Staaten hat. Dieses Abkommen mit China ist also kein Einzelfall, sondern man hat früher dieses Investitionsschutz-Thema, eben den Schutz der österreichischen Rechte, sehr gezielt in die Abkommen hineingebracht, um die österreichischen Unternehmen, die in Direktinvestitionen tätig sind, davor zu schützen, dass bei allfälligen politischen Veränderungen diese Investitionen einfach verloren sind.

Daher haben wir mit 63 Ländern solche Abkommen. In manchen Fällen werden sie auch weiter bestehen müssen, weil in manchen Fällen eben die rechtliche Stabilität si­chergestellt sein muss. Es muss sichergestellt werden, dass, wenn ein österreichischer Investor dort in Schwierigkeiten kommt, dieses Abkommen Gültigkeit hat.

Daher steht dieses Abkommen mit China natürlich in keinem Zusammenhang mit TTIP, sondern ist ein Abkommen, das wir erstens auf Basis eines Gerichtsurteiles adaptier­ten, Europarecht einsetzen müssen, und zweitens haben wir, wie gesagt, mit 63 Staa­ten solche Abkommen.

Ich glaube aber, dass es dennoch wichtig ist, dass das ganz offen diskutiert wird, denn diese Abkommen sind für die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft, vor allem der Exportwirtschaft, natürlich von besonderer Bedeutung.

Wir merken jetzt in den Entwicklungen der Wirtschaft, dass sich die Landschaft massiv verändert hat. Zum Beispiel in Weißrussland ist alleine durch die Sanktionen zwischen der EU und Russland ein höheres Volumen zu erwarten, und allgemein ist zu erwarten, dass in diesen Ländern entsprechende Geschäftsfelder aufgemacht werden. Daher ist es notwendig und wichtig, solche Abkommen zu adaptieren oder neu zu schließen.

Ich bedanke mich daher bei allen, die diesen Übereinkommen beziehungsweise Ab­kommen zustimmen, damit sozusagen wieder Rechtssicherheit auf dem letzten Stand des europäischen Rechts beziehungsweise auf dem letzten Stand des OECD-Stan­dards sichergestellt ist. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

11.06

11.06.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Re­publik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseiti­gen Schutz von Investitionen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 42

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die damit einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Protokoll zur Abänderung des am 16. Mai 2001 in Minsk unterzeich­neten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte um ein Handzeichen, wer damit einverstanden ist. – Das ist die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die damit einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Belarus über Zusammenarbeit und gegenseitige Amts­­hilfe in Zollsachen samt Anhang.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.08.574. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird (452 d.B. und 503 d.B. sowie 9337/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um den Bericht.

 


11.09.14

Berichterstatter Christian Füller: Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Reiter. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 43

11.09.47

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Was das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 betrifft, ist uns klar, dass es sich da vor allem um eine redaktionelle Korrektur handelt. Man hat auf einen Verweis auf die Geldwäschemeldestelle vergessen. Aber die Grünen haben ja das ursprüngliche Gesetz bereits abgelehnt, und so tue ich das konsequenterweise auch jetzt.

Nur eine kurze Begründung dazu: Worum geht’s? – Es sollte mit diesem Gesetz ein ver­besserter Verbraucherschutz für Versicherungskunden geschaffen werden und ein Ei­genmittelsystem im Bereich der Versicherungen aufgebaut werden, also Solvency II – in Anlehnung an Basel II.

Das Gesetz ist sehr komplex und hinterlässt trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – einige Unklarheiten, zum Beispiel bezüglich des Verbraucherschutzes. Durch die weitgehenden Informationspflichten, die über die Richtlinie hinausgehen, entstehen zusätzliche Kosten, die sicher auf die Kunden überwälzt werden, und es ist zu befürchten, dass eine derartige Steigerung der Informationsdichte eher zu einem Verlust als zu einem Gewinn an Transparenz führt.

Es kommt ganz sicherlich zu einem vermehrten Verwaltungsaufwand im Bereich der Finanzmarktaufsicht und damit zu zusätzlichen Belastungen im Budget – vielleicht ist es mittlerweile möglich, diese auch zu beziffern, Herr Minister –, und wir hinterfragen vor allem auch nach wie vor die Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung der biometri­schen Daten von Kunden durch die Versicherer.

Das Gesetz schießt unserer Meinung nach in vielen Bereichen über das Ziel hinaus. Es ist nicht ganz einfach, gerade in Anbetracht des laufenden Untersuchungsaus­schusses, eine solche Aussage zu treffen, aber das totale Versagen aller Kontrollme­chanismen in diesem Fall kann und darf nicht dazu führen, dass diese derartig aufge­blasen werden, bis alles darunter zu ersticken droht.

Das ist nicht die Lösung, aber die Gefahr, die wir im Rahmen dieses Gesetzes durch­aus sehen. Wir stimmen daher dieser Vorlage nicht zu. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

11.11


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Kneifel zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.12.04

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir beraten und beschließen heute aller Voraussicht nach die Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016. Jeder, der die verschiedenen Meldungen aufmerksam liest, weiß, dass wir das Jahr 2015 schreiben. Daher ist es, glaube ich, aufklärungsbedürftig, warum wir ein Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 heu­te, im Jahr 2015 korrigieren.

Das Problem ist leicht aufgeklärt. Es hat sich beim ersten Entwurf ein redaktionelles Versehen eingeschlichen. Es wurde ein Artikel, der eigentlich geändert hätte werden sollen, irrtümlich wieder in den neuen Entwurf hineinkopiert, wie das bei elektronischer Datenverarbeitung passieren kann. Irren ist menschlich, auch Legistiker können manch­mal irren, etwas übersehen oder falsch einordnen.

Ich möchte aber der Ordnung halber anmerken, dass dieses Versehen im Bundesrat aufgefallen ist und dass wir dann einen Gesetzesantrag des Bundesrates initiiert ha­ben. Das ist möglich, auch der Bundesrat kann Gesetze initiieren. Und da handelt es sich um einen der seltenen Fälle, wo der Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht hat.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 44

Das Ganze ist natürlich eine etwas komplizierte Maschinerie gewesen, wenn wir zu­rückblicken. Ich finde, wir sollten diesen Fall auch zum Anlass nehmen, uns zu über­legen, ob man nicht technische Gebrechen, die offensichtlich solche sind und auch von allen Beteiligten, insbesondere von den Mitgliedern des Finanzausschusses des Natio­nalrates eindeutig als solche bezeichnet werden, in Form einer leichteren Korrektur in Ordnung bringen könnte.

Das könnte im Sinne einer technischen Korrektur durch den Bundesrat erfolgen, indem nämlich die Präsidentin oder der Präsident des Bundesrates dem Präsidenten oder der Präsidentin des Nationalrates eine kurze Information zukommen lässt und sagt: Uns ist das aufgefallen, wir korrigieren das. Und wenn das unwidersprochen bleibt, sollte der Gesetzwerdungsprozess wie üblich fortgesetzt werden.

Das wäre erstens ein Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Gesetzgebung und zweitens zur Deregulierung. Ich glaube, das wäre eine sinnvolle Vorgehensweise. Die heutige Korrektur wäre ein Anlass, das wieder zu artikulieren und darauf hinzuweisen, dass das bei etwaigen Verfassungsreformen des Hauses, des Bundesrates und des Nationalrates berücksichtigt werden sollte.

Ich bin allen dankbar, die dazu beigetragen haben, dass dieses Problem erkannt und dieses Problem zur Sprache gebracht wurde. Der Sinn war nämlich, dass bei Finanz­vergehen, bei Finanzdelikten und bei Abgabenbetrug das Verwertungsverbot für die Fi­nanzbehörde aufgehoben wird. Im Entwurf stand allerdings, dass es nicht aufgeho­ben wird, also genau das Gegenteil.

Das sollte man dazu sagen, wenn es in diesem Haus zu einem Gesetzesantrag des Bundesrates kommt. Wir sollten die Lehren daraus ziehen und versuchen, die Gesetze von legistischer Seite noch aufmerksamer, qualitativ noch besser zu machen, damit so etwas gar nicht notwendig ist. Aber wenn es notwendig ist, da etwas zu korrigieren, sollte das einfacher möglich sein, im Sinne einer technischen Korrektur.

Ich denke, es wäre auch im Sinn von Checks and Balances eines Zwei-Kammern-Sys­tems, dass wir darauf schauen, dass die Gesetze in Zukunft besser und verständlicher formuliert werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.16


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Lampel zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.16.44

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Von einigen Institu­tionen, von einigen Politikern, von Medien, aber auch von einem Teil der Öffentlichkeit wird der Bundesrat oft als unnötige Institution bezeichnet. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit meines Vorsitzes im Bundesrat erinnern, als es viel Kritik und heiße Diskus­sionen darüber gab, wie sinnvoll der Bundesrat überhaupt sei.

Gerade der Bundesrat zeigt, und das nicht nur im Dezember 2014, vor allem auch durch den EU-Ausschuss, das besondere Aushängeschild des Bundesrats, wie inten­siv der Bundesrat arbeitet, wie aktiv er ist. Das beweisen auch Top-Platzierungen des Bundesrates im Ranking aller europäischen parlamentarischen Kammern, Jahr für Jahr, wenn es um Aktivitäten in Bezug auf EU-Angelegenheiten geht.

Gerade dieser Bundesrat, diese Länderkammer, die oft umstritten ist, hat im Dezem­ber 2014 mit einem eigenen Antrag einen Fehler bei einem Gesetz bereinigt. Und wie hat das „Die Presse“ in ihrer Aussendung am 18. Dezember 2014 genannt? Ich zitiere:

„Bundesrat verhindert Gesetzesblamage – Eine missglückte Gesetzesreparatur wird von der Länderkammer des Hohen Hauses bereinigt.“


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 45

Mit dem vorliegenden unbegründeten Antrag unserer Kammer soll die Bestimmung ent­sprechend geändert werden, damit Informationen, die im Geldwäscheverfahren gewon­nen werden, auch im Strafverfahren wieder verwendet werden können. Das erleichtert natürlich die Arbeit im Strafverfahren, ist aber auch ein weiterer wichtiger Beitrag im Kampf gegen Geldwäsche und Betrug.

Meine Partei, die zusammen mit der ÖVP diesen Gesetzesantrag einbrachte, wird da­her dieser Novellierung auf jeden Fall zustimmen. Ich werde jetzt nicht begründen, wa­rum, denn das ist im damaligen Stenographischen Protokoll sowieso nachzulesen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.19


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.19.20

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser Diskussion über die Wertigkeit des Bundesrates nicht beteiligen. Vielleicht kann im Haus der Geschichte dargestellt werden, wie der Bundesrat seit über 90 Jahren refor­miert werden sollte, möchte, werden muss oder abgeschafft beziehungsweise aufge­wertet werden muss. Also ich überlasse das dann der Hofburg und dem Herrn Kanzler­amtsminister.

Ich widme mich der Tagesordnung. Und zwar entsprechen diese Solvency- oder Solva­bilitätsregeln den Basel-II-Regulierungen und sind notwendig. Sie sind notwendig für unsere Wirtschaft, weil auch die Versicherungswirtschaft auf gesunde Beine gestellt werden muss, genauso wie die Bankenwirtschaft, wo wir schon über Basel III diskutie­ren. Hier geht es aber erst um Solvabilität Nummer II. Dass da die Nummer II hinten dabei steht, liegt daran, dass die Versicherungswirtschaft eine etwas bessere Lobby­organisation hat als die Banken.

Von der Versicherungswirtschaft hört man sehr wenig, aber auch die musste sich im Herbst 2014 einem Stresstest unterziehen, genauso wie die Banken. Nur wurde nichts veröffentlicht – und das ganz bewusst, weil man da keine einzelnen Versicherungsun­ternehmen an den Pranger stellen wollte. Das wäre aber notwendig.

Vielleicht sollte man kein Versicherungsunternehmen in diesem Zusammenhang per se beim Namen nennen, aber man muss jedenfalls sagen, dass es der Versicherungswirt­schaft bei Gott nicht so gut geht, wie es ihr eigentlich gehen sollte. Denn wir alle brau­chen die Versicherungen, und zwar nicht nur als Risikoabsicherungen. Seit 1. Jän­ner 2014 dürfen nämlich auch Versicherungen Kredite vergeben, in erster Linie lang­fristige Kredite, und die sind vor allem für die Industrie sehr wichtig. Wie wir wissen, leben wir alle, sofern keine Innenfinanzierung möglich ist, vom Fremdkapital, damit es Umsätze gibt, damit es Wertschöpfung gibt und damit letztlich das Bruttoinlandspro­dukt für Österreich generiert werden kann.

Die Zinsen sinken. Warum, wissen Sie, sehr geehrter Herr Minister, wahrscheinlich bes­ser als ich. Ich möchte nur die Metaebene kurz betonen. Niedrigzinsen sind ein Pro­blem, ein Ausfluss der Staatsverschuldung, der Finanzierung über die Staatsanleihen, und die Versicherungswirtschaft ist ein wichtiger Player in den Tenderverfahren für den Kauf von Staatsanleihen. Denn diese sind ja nicht mit diesen Solvency-Regeln hin­terlegt worden, damit sich die Staaten – und Österreich ist ja in diesem Zusammen­hang ein ganz großer Schuldner – finanzieren können.

Daher lehnen wir auch diese Verschuldungspolitik von vorne bis hinten ab, weil sie, wie wir hier sehen, bis auf die Prämiengestaltung der Versicherung Einfluss hat. Die Prä-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 46

mien werden nämlich höher werden, weil die Versicherungen sonst keine Wertschöp­fung erzielen.

Dieses Gesetz ist natürlich ein gutes Gesetz. Dem stimmen wir zu im Sinne einer Ver­besserung der Versicherungswirtschaft und damit für Österreichs Wirtschaft. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.22


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Minister Dr. Schelling zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


11.22.17

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst in aller Form für dieses Redak­tionsversehen entschuldigen. Sie haben schon gesagt, wo gearbeitet wird, kann so et­was passieren – es sollte aber nicht passieren.

Zweitens: Ich unterstütze die Ausführungen von Bundesrat Gottfried Kneifel, die Geset­ze sollten einfacher und lesbarer werden. Ich bin ein unmittelbar Betroffener, ich be­komme die Dinge auf den Tisch. Und wenn ich meine Besuche in den Finanzämtern mache, die ich häufig mache, sagen die Vorständinnen und Vorstände der Finanzäm­ter meistens: Bitte, Herr Minister, machen Sie etwas, damit die Gesetze einfacher werden. Ich betrachte das immer als eine Art kleine Selbstanzeige. (Allgemeine Heiter­keit.) – Noch sozusagen straffrei.

Aber es ist, glaube ich, eine wichtige Herausforderung, die Gesetze nicht nur für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier verständlich und lesbar zu machen, sondern vor allem für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Vertreter der vielen freien Berufe, die diese Gesetze anwenden müssen und große Probleme damit haben. Daher ist es mir ein ernsthaftes Anliegen, das zu tun. Ich bitte aber auch, diese Entschuldi­gung für das Versehen entgegenzunehmen.

Weiters möchte ich mich beim Bundesrat herzlich dafür bedanken, dass es durch diese Gesetzesinitiative gelungen ist, vor Inkrafttreten eines Gesetzes diese Reparatur her­beizuführen. Das gibt Rechtssicherheit und bestätigt auch, dass da aufmerksam mit der Materie gearbeitet wurde. Die Vorschläge, die gekommen sind, wie man das ver­einfachen kann, bitte ich auf der präsidialen Ebene weiter zu verhandeln. Da wir in Ös­terreich eine klare Gewaltenteilung haben, ist der Herr Bundesminister dafür nicht zu­ständig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.23

11.23.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.24.245. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Verhinderung einer europäischen Transferunion (186/A(E)-BR/2011 sowie 9350/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesord­nung.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 47

Berichterstatter ist wegen der Verhinderung von Herrn Bundesrat Poglitsch Herr Bun­desrat Oberlehner. Ich bitte um den Bericht.

 


11.24.48

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Finanz­ausschusses über den Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Verhinderung einer europäischen Transferunion (186/A(E)-BR/2011).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, dem Entschließungsantrag 186/A(E)-BR/2011 keine Zustimmung zu erteilen. – Danke.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.25.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie uns heute hier be­suchen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über einen Entschließungs­antrag der Freiheitlichen Partei aus dem Jahre 2011. Vier Jahre lang haben die Regie­rungsparteien diesen Antrag im Bundesrat im Ausschuss abliegen lassen. (Zwischen­rufe bei ÖVP und SPÖ.)

Das ist leider eine sehr gelebte Praxis der Regierungsparteien – was nicht nur die An­träge der FPÖ betrifft, sondern solche der gesamten Opposition –, über einen Antrag, der einem nicht gefällt, nicht etwa abstimmen zu lassen und ihn abzulehnen, sondern ihn einfach liegen zu lassen und zu hoffen, dass er sich durch das Ausscheiden des Mandatars enderledigt oder sonst irgendwie in Vergessenheit gerät. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Es sind heute viele junge Leute hier bei uns. Sie sehen, das ist eine gelebte Praxis der Regierenden gegenüber der Opposition. Wobei ich den Regierungsfraktionen mitteilen möchte: Es könnte auch sein, dass einer von Ihnen einmal in der Opposition ist. (Bun­desrat Mayer: Wir bemühen uns, dass es nicht so wird!) Hoffentlich erleidet er dann nicht dasselbe Schicksal wie wir. Ich hoffe, wir lernen daraus, wer auch immer dann in der Regierung ist, und machen es besser.

Denn das ist kein Umgang mit der Opposition, das ist unfair, das ist auch demokra­tiepolitisch überhaupt nicht in Ordnung. Da haben Sie überhaupt keinen Grund, stolz zu sein. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Meistens kommen Sie ja daher und sagen, wir brauchen dazu noch Experten, das können wir so nicht entscheiden. Ist ja in Ordnung. Aber ich habe noch nie erlebt, dass Experten herbeigezogen worden wären, mit denen wir über einen Antrag diskutieren hätten können. Und wenn Sie dann immer noch der Meinung sind, dass der Antrag nicht dem entspricht, was Sie wollen, dann lehnen Sie ihn einfach ab. So geht man mit Anträgen eigentlich um, man ist dafür oder dagegen, aber man lässt sie nicht liegen.

Worum ging es denn eigentlich in diesem Entschließungsantrag? – Um die Verhinde­rung einer Transferunion. Das waren die Zeiten, als ESM – Sie wissen schon, der euro­päische Rettungsschirm – beschlossen werden sollte. Wir wollten diese Transferunion nicht. Da haben uns die Ereignisse überrollt, aber auch die Regierenden, denn nach dem ESM ist sofort der EFSF gekommen und so weiter.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 48

Der zweite Teil dieses Antrags allerdings ist, meine ich, nach wie vor aktuell. Darin wird „die Bundesregierung aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um si­cher zu stellen, dass jede grundlegende Änderung der EU-Verfassung einer Volkab­stimmung in Österreich unterzogen wird ()“.

Das ist ja nach wie vor in Ordnung. Bundeskanzler Faymann hat ja seinerzeit in der „Kronen Zeitung“ hoch und heilig versprochen, dass er sich daran halten wird.

Warum waren wir denn so entschieden gegen diese Transferunion? – Weil wir damals schon gesehen haben, dass Griechenland ein Fass ohne Boden sein würde. Und jetzt, vier Jahre später, sieht man, dass genau das passiert ist, was wir befürchtet haben. Wir haben zwar mittlerweile 215 Milliarden € – ein Betrag, den man sich überhaupt nicht vorstellen kann – dort hineingebuttert, geändert hat sich aber nichts.

Am allerwenigsten ist das Geld bei der Bevölkerung angekommen. Die Bevölkerung hat nach wie vor eine hohe Arbeitslosenquote, noch immer sind mehr als 50 Prozent der Jugendlichen in Griechenland arbeitslos. Also man hat da Milliarden für Milliarden gezahlt, immer wieder nach Diskussionen und in Tranchen, und trotzdem ist es nicht besser geworden. Die griechische Wirtschaft kommt einfach nicht vom Fleck.

Jetzt, mit der neuen Regierung geht das Spiel weiter. Die Regierung ist nicht bereit, ir­gendwelche Forderungen, die mit den Milliardenzahlungen verknüpft waren, auch nur ansatzweise zu erfüllen. Wobei ich schon sage: Sparen ist schon richtig, aber man muss es auch in den richtigen Dimensionen tun.

Stattdessen versucht die neue Regierung Griechenlands, die Europäische Union ein­fach zu erpressen und zu sagen: Wenn ihr nicht, dann 

Jetzt kommt noch dazu, dass sie Reparationszahlungen von Deutschland haben wol­len für Dinge, die – tatsächlich oder vielleicht auch nicht – im Zweiten Weltkrieg ge­schehen sind. Deutschland zahlt aber am meisten dort hinein. Das ist ja, wie der Wie­ner normalerweise sagt, eine Chuzpe, was sie da aufführen.

Sie hätten es ja in der Hand, sich zusätzlich Gelder zu holen – zum Beispiel beim Euro­päischen Investitionsfonds –, doch dort liegt nicht einmal ein Projekt, das man begut­achten könnte, um zu sagen: Ja, man befürwortet das und kann zusätzlich Geld aus­schütten. Bis jetzt gibt es nicht ein Projekt Griechenlands, das eine Idee hätte, wie man die Wirtschaft ankurbeln könnte.

Es gäbe auch noch die Möglichkeit, aus dem Fonds für Jugendgarantie, wo es um die Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze geht, Geld zu holen. Auch dort wurde von Grie­chenland nicht ein einziges Projekt eingereicht, um zusätzlich zu Geldern zu kommen.

Ein Schuldenschnitt der Gläubiger ist schon vor zwei Jahren erfolgt, ein neuer wird ver­langt. Der letzte hat eher die Banken und Großinvestoren getroffen. Der nächste Schul­denschnitt, von dem ich hoffe, dass er nicht kommt, würde den europäischen Steuer­zahler treffen, und zwar all jene Länder, die da Griechenland eifrig unterstützen.

Daher haben wir damals zu Recht vor einer Transferunion gewarnt, und es ist nach wie vor eine Transferunion, obwohl das ja eigentlich laut EU-Verfassungsverträgen verbo­ten ist. (Bundesrat Mayer: Das stimmt ja nicht!)

Wir sind der Meinung, dass es am besten wäre, Griechenland würde aus dem Euro, in den es sich ja mit Tricks, mit Bilanztricks, hineingeschwindelt hat, wieder aussteigen. Das wäre für die Europäische Union gut und das wäre auch für Griechenland gut. (Bei­fall bei der FPÖ.)

11.31


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 49

11.31.58

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, wir ha­ben weder etwas hineingeschwindelt noch überhaupt geschwindelt. Dein Redebeitrag strotzt nur so von Halbwahrheiten und von Unwahrheiten (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann man alles nachlesen!), worüber ich mich jetzt mit dir gerne auseinanderset­zen werde. Wenn man mit der ersten Headline beginnt, in der steht: „Falsche Weichen­stellung in Brüssel – Milliardengrab Euroland“, dann muss ich sagen, das Milliarden­grab habe ich jetzt noch nirgends gesehen. Vielleicht gibt es in Kärnten ein Riesenmil­liardengrab, das ihr verursacht habt, aber das ist ja eine andere Dimension. (Bundesrat Jenewein: Das werden wir noch sehen!)

Nein, nein, das ist Fakt. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) – Das ist Fakt, und das habt ihr in die Wege geleitet. Ganz Österreich zahlt Milliarden, auch die Länder sind dadurch massiv betroffen. (Bundesrat Jenewein: Sind Sie Staatsan­walt?! Wer ist denn da verurteilt worden?  von der ÖVP?)

Das ist kein Vorurteil, Herr Kollege Jenewein. Das ist eine massive Benachteiligung auch unserer Bundesländer und von euch verursacht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen. Genau darum geht es. (Bundesrat Jene­wein:  im Gefängnis?)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Am Wort ist Herr Bundesrat Mayer! – Bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin!

Zu den Argumenten: Die Risiken seien nicht kalkulierbar, nicht zielgerichtet. Es beste­he die Gefahr tiefer Einschnitte in das österreichische Sozialsystem durch diese Ver­hinderung einer europäischen Transferunion und der deutlichen Anhebung des Pen­sionsantrittsalters in Österreich. Was der ESM mit dem Pensionsantrittsalter in Öster­reich zu tun hat, ist mir sowieso schleierhaft, und das wird ja nicht entsprechend aus­reichend begründet.

Das sei ein weiterer Schritt in Richtung zentralistischer Wirtschaftsregierung in Brüssel. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist es ja!) Der ESM würde die EU zu einer Transferunion ma­chen.

Zitiert werden Ökonomen und Medienberichte, weil sie diese Thesen untermauern sol­len. Die haben sich genauso geirrt wie die Freiheitlichen, es ist nun einmal so: Der ESM funktioniert drei Jahre zur vollsten Zufriedenheit der Europäischen Union, und er ist wichtig. (Ruf bei der FPÖ: Deswegen ist Griechenland saniert, oder was?) Damit haben wir auch unsere Währung stabilisiert, Frau Kollegin Mühlwerth. Das muss man in aller Deutlichkeit einmal sagen. (Ruf bei der FPÖ: Aber geh, Griechenland ist sa­niert? Das kostet mich einen Lacher!)

Jetzt kommt der Finanzexperte Pisec endlich zu Wort. Wenn du diesen Entschlie­ßungsantrag gelesen hättest – du als großer Finanzexperte des Bundesrates, als der du dich immer wieder darstellst –, dann hättest du weinend Asche auf dein Haupt ge­streut und gesagt: Werft den weg, denn den kann man überhaupt nicht brauchen, dei­ner Meinung nach, Kollege Pisec! Ich sage dir das nur. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Im eigentlichen Entschließungsantrag wird die Verhinderung des ESM angestrebt so­wie eine Volksabstimmung für jede grundlegende Änderung der EU-Verfassung ver­langt, was auch du zitiert hast, Frau Kollegin Mühlwerth. (Bundesrat Krusche: Der Ex­perte!)

Das stimmt auch nicht. Warum das nicht stimmt, werde ich dir erklären. Was du da er­zählt hast, ist auf gut Vorarlbergerisch gesagt ein Schmarrn! Ein Schmarrn ist das, was


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du da erzählt hast! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischen­rufe bei der FPÖ.) – Ja, zu Schmarrn kann man auch applaudieren, das ist nämlich et­was sehr Feines, wenn man es richtig macht.

Was die Verhinderung des ESM anlangt, muss ich sagen, der Nationalrat hat den ESM-Vertrag in seiner Sitzung vom 4. Juli 2012 genehmigt. Der Bundesrat hat ihm ein paar Wochen später zugestimmt. Er ist seit Oktober 2012 operativ und funktioniert. Das habe ich schon einmal erwähnt.

Zur Frage einer grundlegenden Änderung der EU-Verfassung: Der EuGH hat in seinem Urteil vom 27. November 2012 erkannt, dass das primäre Unionsrecht, insbesondere die Nichtbeistandsklausel des Artikels 125 AEUV, dem Abschluss und der Ratifikation des ESM-Vertrages nicht entgegensteht. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, klar!) Daraus ergibt sich, dass der ESM-Vertrag die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Uni­on nicht ändert. So schaut es aus – EuGH!

Weiters hat der Europäische Rat am 25. März 2011 beschlossen, den Artikel 136 AEUV um einen sogenannten Absatz 3 zu erweitern, der wie folgt lautet:

„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanis­mus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Eu­ro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanz­hilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“

Der EuGH hat weiter erkannt, dass Artikel 136 lediglich deklarativ ist und sein Inkraft­treten daher keine unionsrechtliche Voraussetzung für einen Abschluss des ESM-Ver­trages war.

Auch der österreichische Verfassungsgerichtshof (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth, die eine Grafik in die Höhe hält, bei der ein Graph von links oben nach rechts unten führt) hat sich damit auseinandergesetzt, weil ihr das vor den Verfassungsge­richtshof gebracht habt. Was hat der Verfassungsgerichtshof gesagt? – Dass der ESM-Vertrag oder einzelne Bestimmungen davon samt der Auslegungserklärung weder rechts- noch verfassungswidrig sind.

Also kann man den Entschließungsantrag schon zum dritten Mal wegschmeißen. Das ist das Problem. Auch Nationalrat und Bundesrat haben sich damit auseinandergesetzt und das entsprechend beschlossen.

Jetzt noch zur Transferunion. Der EuGH hat weiter festgestellt, dass der ESM nicht als Bürge für Schulden des Empfänger-Mitgliedstaates haftet. Vielmehr bleibt der Staat für seine Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern haftbar. Es entsteht zudem keine neue Schuld gegenüber dem ESM. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das kommt alles nicht von uns, das hat nicht die Regierung beschlossen, sondern der EuGH. Dem EuGH und dem Verfassungsgerichtshof müsstet ihr doch schon etwas glauben, oder?

Darüber hinaus wird Stabilitätshilfe nur gewährt, wenn eine solche Hilfe zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist.

Nach Kenntnis all dessen, was ich euch jetzt erklärt habe – vom EuGH über den Ver­fassungsgerichtshof, über den Beschluss des Nationalrat und des Bundesrates –, sage ich jetzt zusammenfassend: Frau Kollegin Mühlwerth, es wäre besser gewesen, hätten wir diesen Entschließungsantrag in den dunklen Archiven des Parlaments ruhen las­sen, statt uns diese längst überholte Materie (Bundesrätin Mühlwerth: Na sicherlich, als wären wir schuld daran!) – und die ist wirklich so was von alt und überholt (Bun­desrätin Mühlwerth: Ihr habt das ja vier Jahre liegen lassen!) – wieder als lauwarmen Käse unterzujubeln. Das ist doch wirklich obsolet, was Sie da machen! (Bundesrätin


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 51

Mühlwerth: Es ist ein Wahnsinn, was ihr macht, nämlich einen Antrag vier Jahre lang liegen zu lassen!)

Der Entschließungsantrag ist weder sachlich noch nach österreichischem Recht be­gründet. Deshalb kann man den – egal, wie man darüber diskutiert – in keiner Weise hier zur Abstimmung bringen. Man kann nur allen, die über ein derartiges vier Jahre al­tes Konvolut vernünftig denken, sagen: Diesen Antrag muss man ablehnen, und zwar mit allem, was man hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Wink­ler. – Bitte.

 


11.39.09

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem grüße ich die Jugend, die uns heute be­sucht! Wir reden heute über eine Facette eurer Zukunft, und deswegen bin ich sehr froh, dass ihr da seid. Man hört manchmal so populistische Aussagen, die sich in den Zeitungen sehr gut machen. Ich bitte euch daher: Macht euch bei dieser Debatte selbst ein Bild über den Zugang zu eurer Zukunft!

Frau Kollegin, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört, und ich hätte mir das zwar nicht gedacht, aber ich stimme mit Ihnen überein: Wenn man etwas überhaupt nicht will, dann soll man es früher sagen. Ich hätte es Ihnen schon vor ein paar Jahren ge­sagt: Das, was hier als Entschließungsantrag vorliegt, ist für uns nicht tauglich. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie neigen nämlich wie so oft dazu, Dinge aus einer Sache herauszunehmen und über dieses eine Stück dann zu sagen: Ja, das ist schlecht, deswegen ist diese fürchterliche EU, die unsere Zukunft verbaut, wirklich zu verteufeln (Bundesrätin Mühlwerth: Wo steht das?), und dieser ESM ist ein Werkzeug dieser nicht geliebten Union.

Nein! Das stimmt doch überhaupt nicht, das ist doch völlig falsch. Wir haben in Öster­reich eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Wir hatten das von Ihrer Partei schon  (Bun­desrätin Mühlwerth: Sie neigen dazu,  was hier gar nicht drinnen steht!) – Nein, steht das nicht drinnen, dass das alles gefährdet gewesen wäre, wenn es den ESM nicht gegeben hätte? Das steht nicht drinnen? – Ja, in Ihrem Antrag steht es nicht drin­nen, weil in Ihrem Antrag viele Dinge nicht stehen und nicht berücksichtigt sind. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie werden doch jetzt im Nachhinein nicht sagen wollen, dass dieses Instrumentarium nicht richtig eingesetzt wurde! (Bundesrätin Mühlwerth: Doch!) Sie sprechen immer nur von Griechenland, doch – falls es Ihnen entgangen ist – diese Union besteht aus mehr Mitgliedstaaten, die in Bedrängnis waren, als Griechenland, und dieser europäi­sche Raum hat sich stabilisiert! (Bundesrat Tiefnig: So ist es!) Wir haben ein einziges Sorgenkind, und dieses Sorgenkind heißt (Bundesrat Jenewein: Heißt Euro!) Grie­chenland. Das heißt aber nicht, dass der europäische Wirtschaftsraum diesbezüglich keine Lösung finden wird.

Wir haben einen Schritt nach dem anderen zu machen. Wir haben hier nicht eine Auf­gabe zu erfüllen, die ein kleines Segment beleuchtet. Vielmehr haben wir eine Europäi­sche Union für die Zukunft dieser Jugend zu schaffen, und das werden wir step by step machen. Der ESM war der richtige Schritt in die richtige Richtung, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 52

11.42


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


11.42.29

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Minis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen! Beim letzten Antrag wurde vor allem auf den Wert des Bundesrates hingewiesen, auf seine Aktivitäten, also darauf, was er alles leistet und wie wichtig er doch ist. Dieses Thema möchte ich jetzt in Bezug auf die Behand­lung oder den Umgang mit Anträgen der Opposition wieder aufgreifen.

Ich bin der Überzeugung, dass der Bundesrat auch die Stätte sein sollte, wo Debatten stattfinden, und zwar auch solche über Anträge der Opposition. Ich orte ja durchaus die Fähigkeiten bei den Kollegen und Kolleginnen, mit solchen Anträgen umzugehen, also Argumente dafür und Argumente dagegen zu finden, die auch überzeugen können.

Meiner Meinung nach ist es nicht die adäquate Umgangsweise, einen Antrag der Op­position über Jahre hinweg in der Schublade zu lassen, wenn er einem nicht gefällt oder man ihn unangenehm, unrichtig oder was auch immer findet. Diese Anträge soll­ten zeitgerecht diskutiert und im Falle des Falles abgelehnt werden, denn der Bundes­rat ist immer noch die viel bessere Stätte, Argumente auszutauschen, als der Wirts­haustisch oder das Boulevard.

Es ist Teil unserer Aufgabe, solche Anträge mit entsprechenden Argumenten zu dis­kutieren und dann auch über sie abzustimmen. Sie in Schubladen verschwinden zu lassen ist hingegen nicht die richtige Umgangsweise. Es trägt zur Lebendigkeit und auch Wertigkeit dieses Gremiums bei, wenn Anträge zeitgerecht debattiert, verhandelt und auch abgestimmt werden.

Ich hoffe, dass das in Zukunft der Fall sein wird und dass man dann auch zeitgerecht damit umgehen wird. Das ist auch der Grund, warum ich gesagt habe, es ist gut, das ins Haus zu bringen und diesen Punkt entsprechend wieder zu behandeln und auszu­diskutieren. Ich hoffe, dass es in Zukunft hier zu einer anderen Vorgangsweise kom­men wird. (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Bundesrat Mayer: Bei sinnvollen Anträgen! Bei sinnvollen Anträgen!)

Ich glaube nicht, dass es den einzelnen Parteien zusteht, über die Sinnhaftigkeit der Anträge der Opposition oder einer anderen Partei im Vorhinein zu urteilen. (Zwischen­ruf des Bundesrates Köberl.) Meiner Meinung nach ergibt sich das dann eben aus der Debatte. Um Argumente auszutauschen, dazu ist die Debatte da. Und danach stimmt man dann darüber ab.

Ich denke, es sollte hoffentlich auch dem Publikum klar sein, inwieweit ein solcher An­trag sinnvoll und qualitätsvoll ist oder eben nicht, und wie die Argumente ausschauen. Das ist eben die Aufgabe dieses Gremiums, und diese Aufgabe kann meiner Meinung nach nicht in der Schublade erledigt werden, sondern muss vor dem Publikum und in der Öffentlichkeit erfüllt werden. Es steht keinem – auch nicht den führenden Partei­en – zu, über die Sinnhaftigkeit der Anträge der Opposition abzustimmen, indem man sie in der Schublade verschwinden lässt oder nicht.

Aus diesem Grund finde ich diese Debatte wichtig. Ich hoffe auf die entsprechenden Auseinandersetzungen im Plenum und in den Ausschüssen, was die zeitgerechte Erle­digung der Anträge betrifft. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie des Bundes­rates Zelina.)

11.46

11.46.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich bei uns recht herzlich Herrn Vizekanzler Dr. Mitterlehner begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 53

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem ge­genständlichen Entschließungsantrag keine Zustimmung zu erteilen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegen­ständlichen Entschließungsantrages ist angenommen.

11.47.386. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatuniversitätengesetz geändert wird (921/A und 513 d.B. sowie 9344/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird (923/A, 598/A und 514 d.B. sowie 9345/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (922/A und 515 d.B. sowie 9346/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


11.48.05

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kol­legInnen! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Be­schluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatuniversitätengesetz geändert wird, liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf gleich weitergehen zum Punkt 7. Auch der Bericht des Ausschusses für Wis­senschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geän­dert wird, liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum letzten Punkt, Punkt 8: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 54

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


11.50.01

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fürchte fast, es wird mir bei diesem Tagesordnungspunkt nicht gelingen, so zu emotionalisieren wie beim vor­hergehenden Tagesordnungspunkt. (Bundesrat Tiefnig: Bemüh dich halt! – Bundesrat Himmer: bissi bemühen! – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir haben insgesamt drei Vorlagen zu diskutieren. Bei der ersten Vorlage geht es um die Veröffentlichungspflicht wissenschaftlicher Arbeiten an Privatuniversitäten analog zu den Bestimmungen, die es bereits für die öffentlichen Universitäten gibt. Diese Vor­lage findet unsere Zustimmung. Das führt zu mehr Transparenz und Gleichbehandlung zwischen den hohen Bildungsstätten in unserem Land. Zudem können damit – eben durch die Transparenz, die dann gegeben ist – auch bereits im Vorfeld allfällige Plagi­atsvorwürfe entkräftet werden.

Schlussendlich dient dies auch dem Schutz der Privatuniversitäten gegen Vorwürfe, dass die Ausbildung und der Titel bei ihnen sozusagen „billiger“ zu haben wären als an öffentlichen Universitäten, weil eben damit jeder in diese Arbeiten Einsicht nehmen kann.

Die zweite Vorlage betrifft das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, und zwar konkret die Ombudsstelle für Studierende. Das geht ja auf einen Antrag unserer Nationalrats­abgeordneten Petra Steger zurück. Bekanntermaßen haben Studierende im Laufe ih­res Studiums immer wieder Probleme, sei es bezüglich der Anerkennung von Prüfun­gen, seien es organisatorische Probleme, Probleme im Zusammenhang mit Übungs­plätzen et cetera.

Durch dieses Gesetz wird es nun möglich sein, dass die Ombudsstelle – ähnlich wie die Volksanwaltschaft – von sich aus tätig wird. Zudem wird die Verschwiegenheits­pflicht, die in der Vergangenheit sehr streng gehandhabt wurde, dahin gehend gelo­ckert, dass diese Probleme in Zukunft öffentlich gemacht werden können. Auch das wird zu einer Steigerung der Servicequalität bei den Universitäten beitragen, denn kei­ne Universität wird daran interessiert sein, negative Schlagzeilen zu machen. Ich hoffe, dass es dann auch einen Bericht über die Tätigkeit dieser Ombudsstelle geben wird, ähnlich wie dies bei der Volksanwaltschaft ja schon lange gang und gäbe ist.

Natürlich kann so ein Gesetz in der Fortentwicklung der Qualität an unseren Universi­täten kein Ruhekissen sein. Das Ziel, das den Universitäten vor Augen gehalten wer­den muss, ist ja eigentlich, dass so eine Ombudsstelle gar keine Arbeit haben sollte. So wie die Volksanwaltschaft Missstände in der Verwaltung aufdeckt und behandelt, tut diese Ombudsstelle das eben im universitären Bereich, doch eigentlich sollten die Miss­stände ja gar nicht auftreten.

Ein Satz noch dazu: Eigentlich wäre das ja eine Kernaufgabe der Österreichischen Hochschülerschaft, die schließlich mit Zwangsbeiträgen unserer Studenten finanziert ist, doch die scheinen zu wenig Zeit für solche Tätigkeiten zu haben – sie sind damit beschäftigt, Busse für Antifa-Demos und solche Dinge zu organisieren.

Die letzte Vorlage lehnen wir ab, wobei nicht alle Punkte schlecht sind. Es geht dabei um die Änderung des Studienförderungsgesetzes. Die Gleichstellung ausländischer Studenten im Sinne der EU-Vorgaben ist natürlich begrüßenswert, ebenso wie die Vermeidung von Doppelförderungen, wobei dies derzeit eigentlich ja nur Deutschland und Slowenien betrifft.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 55

Was uns nicht ganz gefällt, ist, dass die Förderung eigentlich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der sozialen Bedürftigkeit begrenzt ist und dass das Leistungsprinzip nicht in die Studienförderung Eingang findet. Da wäre es schon einmal an der Zeit, sich des grundsätzlichen Problems der Finanzierung im Hinblick auf die Kosten, die auslän­dische Studenten verursachen, anzunehmen. Im Studienjahr 2013/2014 waren 44 Pro­zent Ausländer an unseren Universitäten. Dagegen ist ja grundsätzlich nichts einzu­wenden, nur sollten wir endlich einmal in konkrete Verhandlungen mit den EU-Ländern treten, vornehmlich mit Deutschland, um eine Lösung voranzutreiben und eine Finan­zierung für diese Studenten zu erhalten.

Leider sind uns da wieder einmal die europäischen Nordstaaten weit voraus. Däne­mark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden haben schon ein solches Abkommen geschlossen. Das wäre auch für Österreich dringend empfehlenswert.

Aus den genannten Gründen werden wir daher der letzten Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort er­teile, möchte ich recht herzlich unseren ehemaligen Kollegen Bürgermeister Franz Wen­ger begrüßen. Herzlich willkommen wieder bei uns!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jachs. – Bitte.

 


11.56.28

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Kollege Gerd Krusche hat angekündigt, er will nicht emotionalisieren: Das war eine rhetorische Untertreibung. – Er hat es sich am Ende nicht verkneifen können, wieder eine Ausländerdebatte zu füh­ren, und das bei einem an sich (Bundesrat Krusche: Das ist jetzt aber ! Du tust emotionalisieren! – Zwischenruf des Bundesrates Jenewein) sehr kleinen Gesetzes­vorhaben, das wir heute gemeinsam einbringen und auch gemeinsam beschließen wol­len. (Bundesrat Krusche: Eine Finanzierungsdebatte, keine Ausländerdebatte! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Im Vergleich zur Gründung der Universität Wien vor 650 Jahren beraten wir heute eine kleine Novelle. Wir gehen in Wahrheit mit dem Ölkännchen und schmieren den Motor Universität.

Unsere Fraktion, die ÖVP, trägt sehr gerne die Ausweitung der Kompetenzen für den Studentenombudsmann mit. Herr Dr. Josef Leidenfrost – er sitzt unter uns – erhält damit zusätzliche Arbeit. Er bearbeitet ja jetzt schon jährlich zwischen 505 und 606 Fälle, und durch diese Reform kommen weitere Fälle auf Dr. Leidenfrost zu. Künftig kann er von sich aus Missstände aufgreifen und Probleme prüfen. Diese Ausweitung der Kompetenzen wird von uns begrüßt, weil es uns als ÖVP-Fraktion wichtig ist, Stei­ne aus dem Weg zu räumen und Probleme zu lösen.

Wir sind auch für mehr Transparenz. Endlich gibt es eine Gleichstellung zwischen öf­fentlichen und privaten Universitäten: Auch die wissenschaftlichen Arbeiten privater Institutionen und Einrichtungen sollen in Zukunft veröffentlicht werden. Wir sind der Meinung, da soll wirklich mit offenem Visier gekämpft werden, da soll man sich in voller Transparenz präsentieren. Künftig sind auch Privatuniversitäten verpflichtet, ihre wis­senschaftlichen Arbeiten zu veröffentlichen.

Nun zur kleinen Änderung beim Studienförderungsgesetz. Ja, es gibt jetzt eine Gleich­stellung zwischen ausländischen Studenten und österreichischen Studenten bei den Meldeverpflichtungen und auch bei den anrechenbaren Leistungen. Das ist eine No­velle auf Wunsch der Studentenvertretung, die ja heuer im Mai auch ÖH-Wahlen schla-


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gen wird. Da greifen wir also ein studentisches Anliegen auf, damit ausländische und österreichische Studenten gleich behandelt werden, was die Anrechnung von Leistun­gen aus dem Ausland betrifft. Es muss sich ja jeder Österreicher beim Bezug von Stu­dienbeihilfe Leistungen anrechnen lassen. Auch die ausländischen Studenten müssen sich das künftig anrechnen lassen. Zudem sind sie auch verpflichtet, Leistungen – falls sie eine Ausbildungsförderung nach dem BAföG erhalten – Österreich zu melden und bei unseren Studienbeihilfenbehörden bekannt zu geben.

Alles andere bei deinem Redebeitrag, lieber Herr Krusche, habe ich nicht verstanden. Erstens: Wir haben nicht nur  (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Krusche: Da kann ich nichts dafür, !) – Nein, ich habe mich bemüht, ich habe dir aufmerksam zugehört, nur hast du eine Themenverfehlung geliefert, denn wir haben bereits ein Leistungsprinzip in der Studentenförderung. Ohne Leistungsnachweis gibt es keine Studienbeihilfe!

Das, worüber du uns da heute erzählt hast, das bezieht sich nicht auf Österreich, es muss ein anderes Land sein, über dessen Studienförderungsprinzip du uns informiert hast. Und ich sage dir noch etwas: Wir haben keinen Studentenanteil von 44 Prozent aus dem Ausland, das ist eine totale Falschmeldung von dir! Jeder vierte Student ist ein Ausländer, aber das ist ja auch noch nichts Schlechtes. Wahrscheinlich hast du dich nur verlesen und statt 4 Prozent 44 Prozent gelesen. (Bundesrat Krusche: Jeder vierte Student, das macht für dich 4 Prozent?!) Jeder vierte Student kommt aus dem Ausland. Das ist prinzipiell nicht schlecht, weil es auch die Attraktivität der österreichi­schen Universitäten unterstreicht.

Lieber Gerd, ich sage dir noch etwas: Vor 650 Jahren wurde die Universität Wien ge­gründet. Weißt du, unter welcher Nationalität die Engländer, die Russen oder die Slo­wenen, die damals kamen, um hier in Wien zu studieren, inskribiert waren? – Sie wur­den als Studenten österreichischer Nation inskribiert.

Wir hatten also immer eine weltoffene Einstellung, eine weltoffene Haltung an unseren Universitäten, und ich appelliere an alle Fraktionen, dass wir dieses Prinzip auch bei­behalten! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Krusche: Du hast wirklich nichts verstanden!)

12.01


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


12.01.24

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die ge­genwärtige gesellschaftliche Diskussion um die Neugestaltung unseres Bildungssys­tems befasst sich vor allem mit den unterschiedlichen Plänen zur Umgestaltung der schulischen Sekundarstufen und lässt dabei vielfach unbeachtet, dass auch für die ter­tiären Bildungseinrichtungen – Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hoch­schulen – notwendige Reformen anstehen.

Die zahlreichen Einrichtungen des Hochschulwesens beruhen auf unterschiedlichen ge­setzlichen Grundlagen. Da auch die Aufgabenstellung bei den Universitäten eher for­schungsorientiert, bei den Fachhochschulen hingegen mehr anwendungsorientiert ist, hat der Gesetzgeber schon bisher bestimmte verbindliche Grundsätze festgeschrieben.

Die nunmehr vom Nationalrat verabschiedeten Novellierungen, die heute dem Bundes­rat vorliegen, enthalten zeitgemäße Anpassungen. Im Einzelnen ist hierzu anzuführen:

Die Änderung des Privatuniversitätengesetzes 2011 wird die Veröffentlichungspflicht für wissenschaftliche Arbeiten an Privatuniversitäten beinhalten, wie dies für die öffent-


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lichen Universitäten im Universitätsgesetz 2002 vorgesehen ist. Demgemäß haben in Zukunft alle Absolventinnen und Absolventen von Studien an Privatuniversitäten ihre Diplom- und Masterarbeit beziehungsweise Dissertation der Privatuniversität zu über­geben. Die Privatuniversität hat sicherzustellen, dass die positiv beurteilten Arbeiten öffentlich zugänglich sind, wobei die Kooperation mit einer Universitätsbibliothek mög­lich ist. Dissertationen sind überdies durch die Übergabe an die Österreichische Na­tionalbibliothek zu veröffentlichen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Mit dem Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz 2011 wurde eine Ombudsstelle für Stu­dierende eingerichtet, mit der Aufgabe, Informations- und Servicearbeit im Hochschul­bereich zu leisten und mit den Studierendenvertretungen zu kooperieren. Nunmehr soll es ermöglicht werden, dass die Ombudsstelle für Studierende auch von sich aus tätig werden kann, wobei die Regelung über die Verschwiegenheitspflicht an die Regelung des Volksanwaltschaftsgesetzes angeglichen wird.

Die Verschwiegenheitspflicht der Ombudsstelle betrifft personenbezogene Informatio­nen und Tatsachen, die nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Personen weitergegeben beziehungsweise veröffentlicht werden dürfen. Einrichtungen, an denen Missstände bekannt werden, sind hingegen nicht mehr von der Verschwiegenheitsver­pflichtung umfasst.

Das Studienförderungsgesetz 1992 bedarf der Klärung der Rechtslage im Zusammen­hang mit der Studierendenmobilität. Sie betrifft einerseits ausländische Studierende, andererseits Studierende, die einen Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren. Die vorgeschlagene Ergänzung des § 4 normiert die Gleichstellungsvoraussetzungen, die in Auslegung der europarechtlichen Vorgaben, insbesondere der Judikatur des Euro­päischen Gerichtshofes entwickelt wurden.

Die zweite Änderung dient ebenfalls der Klärung einer vor allem für ausländische Stu­dierende relevanten Regelung. Durch die Ergänzung des § 30 Abs. 2 soll klargestellt werden, dass die Studienbeihilfenbehörde Nachweise über andere Ausbildungsförde­rungen verlangen kann, um Doppelförderungen zu vermeiden. Dies betrifft vor allem deutsche Studierende, die einen Anspruch auf Förderung gemäß dem deutschen Bun­desausbildungsförderungsgesetz haben.

Die dritte Änderung, der § 54, stellt klar, dass Beihilfen zum Auslandsstudium nur an sozial förderungswürdige Studierende vergeben werden können.

Somit handelt es sich bei den vorliegenden Novellierungen um sinnvolle Neuregelun­gen beziehungsweise Klarstellungen. Meine Fraktion wird den vorliegenden Novellie­rungen ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.07.01

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Viele der VorrednerInnen haben schon sehr viel Detailliertes gesagt, wie zum Beispiel zur Qualitätssicherung an den Privatuniversitäten, zu Präzisierungen bei der Studienbeihilfe und auch zur Aus­weitung der Kompetenzen der Ombudsstelle.

Das ist alles sehr begrüßenswert, wichtig und richtig. Ich bin auch dem Kollegen Chris­tian Jachs dankbar, der die Ausführungen des Kollegen Gerd Krusche berichtigt hat, denn ich habe es, ehrlich gesagt, auch nicht verstanden, weil du, Kollege Krusche, es so dargestellt hast, als ob es reichen würde, dass man sozial bedürftig ist, um ein Sti­pendium zu erhalten. Dem ist nicht so, man muss schon Leistungen erbringen, um das


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Stipendium, das man erhalten hat, nicht zurückzahlen zu müssen. Und auch in Zukunft müssen natürlich, wenn man ein Stipendium bekommen möchte, die Leistungen oder eine Mindestanzahl an ECTS-Punkten erbracht werden. Insofern hatte also Kollege Jachs vollkommen recht, wenn er auch diesen Punkt, der nicht ganz nachvollziehbar war, angesprochen hat.

Da zu diesem Tagesordnungspunkt ohnehin schon alles gesagt worden ist, möchte ich den Fokus gerne kurz auf den Universitätsbericht lenken. Da gibt es ja ein nach wie vor brandaktuelles Thema, das uns schon seit längerer Zeit begleitet, und zwar die Univer­sitätsfinanzierung. Wir wissen ja, dass unsere Universitäten massiv unterfinanziert sind; von der Rektorenkonferenz bis zu den Wittgenstein-PreisträgerInnen haben alle auf diesen äußerst prekären Umstand hingewiesen: Uns fehlt das Geld in der Grundla­genforschung. Zugesagt sind ja, glaube ich, 1,6 Milliarden €, mittlerweile sind wir bei 600 Millionen €. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass im Universitätsgesetz ganz klar drinnen steht, dass diese 2 Prozent Ministerreserve, die Sie einbehalten dürfen, im vollen Umfang für die Univer­sitäten zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich weiß, dass die budgetäre Lage sehr angespannt ist und auch andere Bereiche Geld benötigen, aber hier gibt es schon die Bestrebungen, diese Ministerreserve für andere Bereiche auszugeben, das heißt auf gut Deutsch, dass das Geld wieder den Universitäten fehlen wird.

Ein weiterer prekärer Punkt ist meiner Meinung nach der Beschäftigungsstand. Die Ar­beitsverträge der Beschäftigten an den Universitäten sind zeitlich befristete Verträge. Die Leute wissen teilweise nicht, ob sie im nächsten Monat noch eine Anstellung ha­ben werden oder nicht. Diese unsicheren Beschäftigungsverhältnisse tragen auch nicht wesentlich zu einer Qualitätssteigerung bei.

Angemerkt sei weiters, dass die Zahl der StipendienbezieherInnen im Sinken begriffen ist. Auch das sollte uns zu denken geben. Und auch wenn wir uns beim Betreuungs­verhältnis zwischen Professoren und Studierenden die Zahlen ansehen, liegt hier eini­ges im Schiefen – natürlich unterschiedlich bei den jeweiligen Universitäten. Hier gibt es einiges zu verbessern, insbesondere für ein Land, dessen wirtschaftlicher Vor­sprung primär auf Forschung und Innovation beruht. (Bundesrat Perhab: Ganz einfach Studiengebühren!) – Studiengebühren wären ganz einfach? Es wundert mich nicht, dass du das so siehst. Es gibt auch andere Zugänge, aber das würde jetzt den Rah­men der Diskussion hier sprengen.

Auf jeden Fall werden wir diesen drei Tagesordnungspunkten unsere Zustimmung er­teilen. Den Universitätsbericht sollten wir uns aber auch einmal detaillierter ansehen, denn da gibt es wirklich einiges, worauf man den Blick ganz genau richten muss. Denn letztendlich geht es um den Wirtschaftsstandort Österreich, und dieser kann im interna­tionalen Wettbewerb nur mithalten, wenn wir in Forschung und Lehre investieren. Das heißt auch, dass wir nicht bei den Universitäten sparen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


12.11.20

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Inhalte der drei angesprochenen Punkte anbelangt, sind diese zweifelsohne nicht wirk­lich spektakulär. Sie geben aber auf der anderen Seite die gute Zusammenarbeit im Wissenschaftsausschuss wieder, denn im Wesentlichen war – auch im Plenum – bis auf den letzten Punkt Einstimmigkeit gegeben.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 59

Die inhaltliche Seite ist schon detailliert angesprochen worden. Es sind kleine, aber qualitativ hochwertige Verbesserungen in drei Materien. Da geht es im ersten Bereich um die Privatuniversitäten und insbesondere um die entsprechenden Abschlussarbei­ten. Es ist erwähnt worden – und ich stimme dem zu –, dass die Vorgangsweise, eine bestimmte Veröffentlichung und Publikation sicherzustellen sowie Dissertationen an die Nationalbibliothek zu übergeben, einfach mehr Transparenz, mehr Öffentlichkeit, mehr Gleichsetzung auch gegenüber den anderen Universitäten bringt, und das ist zu begrü­ßen.

Aus meiner Sicht ist es für die betroffenen Studierenden ausgesprochen positiv zu se­hen, dass die Ombudsstelle für Studierende von sich aus tätig werden kann und ver­schiedene andere Erweiterungen im Kompetenzbereich aufweist. Andererseits ist aber auch die Verschwiegenheitspflicht ausreichend – nämlich der Volksanwaltschaft nach­empfunden – gewährleistet.

Der dritte Punkt bezieht sich auf eine Klarstellung im Bereich der Studienförderung. Sie haben wahrscheinlich im Plenumsprotokoll nachgelesen, dass es da um die Verträge geht, wie Studierendenkosten zwischen Österreich und Deutschland abgewickelt wer­den sollten. Das ist ein altes Thema, es hat leider nicht gelöst werden können und wird wahrscheinlich auch in Zukunft nicht so einfach sein. Der Unterschied zum Baltikum und den Nordstaaten besteht einfach in der größeren Anzahl an Studierenden, die ver­hindert, eine wirkliche Vereinbarung über eine entsprechende Finanzierung zu ermögli­chen. An sich ist das eine rechtliche Klarstellung aufgrund verschiedener gesetzlicher Entscheidungen.

Was das eigentlich nicht auf der Tagesordnung stehende Thema Universitätsbericht anbelangt, wäre es wirklich gut, wenn Sie sich einmal den Bericht genauer durchlesen würden und nicht nur offensichtlich Unterlagen oder Annahmen von Sigi Maurer über­nehmen, denn all die Tatsachen, die Sie da scheinbar begründet vorgebracht haben, sind keine Fakten. – Wir werden, glaube ich, bei einem anderen Tagesordnungspunkt auch noch Gelegenheit haben, darauf einzugehen. – Denn die Universitäten haben eine kontinuierliche Finanzierung, die natürlich unter den budgetären Gegebenheiten zu sehen ist, die wir im Bundesbudget haben. Aber kontinuierlich heißt, wir haben hier eine Fortsetzung bei der nächsten Leistungsvereinbarung und eine entsprechende Do­tierung, die auch gesetzlich vorgesehen ist.

Was die Vorgangsweise anbelangt – die Sie mit dem Brief der Wittgenstein-Preisträger untermauern wollten –, dass die sogenannte Ministerreserve auch für Gehälter im Be­reich der Medizinuniversität, die eventuell erhöht werden, verwendet wird, hat diese ei­nen ganz einfachen Zusammenhang. Wir haben seit dem Jahr 2009 die sogenannte Ministerreserve dafür verwenden müssen, dass damit die Forschungsfinanzierung, ins­besondere die Finanzierung des FWF in Kooperation mit der Nationalstiftung gewähr­leistet wurde. Das war eine Art, würde ich sagen, provisorische Situation. Letztes Jahr ist es gelungen, diese auf eine andere Basis zu stellen, nämlich, dass die Finanzierung des FWF, aber auch der Akademie der Wissenschaften aus dem Budget heraus er­folgt. Das Geld haben wir im Finanzrahmen drinnen.

Daher ist auf der anderen Seite die sogenannte Ministerreserve wieder frei und steht eben für entsprechende Leistungen, die den Universitäten zugutekommen müssen, zur Verfügung.

Jetzt sind aber die finanziellen Folgen der Umsetzung des Ärztezeitgesetzes aus dem – wenn es um Medizinuniversitäten geht – Leistungsvereinbarungsbudget abzudecken. Das ist eine Leistung, die dort entsprechend zum Tragen kommt. Wenn das den an­deren Universitäten negativ auffällt, dann gibt es eigentlich nur eine andere Vorgangs­weise, und zwar, dass man einen Teil daraus durch die sogenannte Ministerreserve


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 60

abdeckt, weil damit Leistungen, die jetzt in unerwarteter Form angefallen sind, entspre­chend abgedeckt werden. Das war – um es noch einmal zusammenzufassen – nur möglich, weil wir in diesem Bereich die Finanzierungsfragen relativ positiv und auch zu­kunftsorientiert geklärt haben.

Ich meine auch, dass wir jetzt in Österreich keine Debatte über eine Unterfinanzierung der Forschung und Entwicklung anfangen sollten. Wir haben, gemessen am Bruttona­tionalprodukt, eine Quote von nahezu 2,9 Prozent und liegen innerhalb der EU an fünf­ter Stelle. Da von einer dramatischen Situation zu sprechen, ist alles andere als wirk­lich nachvollziehbar, und das würde sich auch der Wissenschaftsstandort Österreich nicht verdienen. Wahrscheinlich haben wir Gelegenheit, das heute noch einmal anzu­sprechen, aber ich sage es deswegen schon jetzt, um nicht irgendeinen falschen Ein­druck stehen zu lassen, denn dazu ist mir das Thema zu sensibel. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP.)

12.16

12.16.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatuniversitätengesetz ge­ändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssiche­rungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, ge­gen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist so­mit angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsge­setz 1992 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.18.069. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (481 d.B. und 508 d.B. sowie 9347/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


12.18.16

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses zur Kenntnis bringen über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung geän­dert wird.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 61

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pisec. – Bitte.

 


12.18.54

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Rauchfangkehrer-Novelle soll mehr Wettbewerb bringen. Das klingt auf den ersten Blick gut, wenn man ein bisschen tiefer geht, schaut es ein bisschen anders aus.

Das kleine Segment der Rauchfangkehrer wurde jetzt in zwei Teile geteilt, in jene, die den Gebietsschutz noch leben dürfen, die den Gebietsschutz für die Kehrgebiete noch für sich reserviert haben dürfen, und in jene sozusagen freischaffende Rauchfangkeh­rer, die dem freien Wettbewerb ausgesetzt sind, natürlich auch aus den Wien umgren­zenden Ländern.

Dazu muss man kurz einmal in die Geschichte zurückgehen, heute war ja schon öfter das „Haus der Geschichte“ Thema, das ist nämlich recht interessant: Die Gewerbeord­nung ist 1859 entstanden, als Österreich – Parallelen bieten sich da schon an – auch relativ zahlungsunfähig war. Ich möchte nicht sagen, dass Österreich zahlungsunfähig war, aber schwer defizitär. Die Gewerbeordnung hatte damals den Sinn, das freie Ge­werbe zu schaffen, die Liberalisierung der Zünfte – das wird heute oft vergessen. Da­mals, 1859, waren insgesamt nur 14 Gewerbe reglementiert. Heute, weit über 150 Jah­re später, sind 80 Gewerbe reglementiert.

Der Rauchfangkehrer war schon 1859 reglementiert. Daher stehen wir Freiheitlichen, wir von der FPÖ, wir von der Freiheitlichen Wirtschaft besonders dazu, dass auch der Rauchfangkehrer das Anrecht auf einen Gebietsschutz hat.

Das Gesetz wird ja praktisch a priori der EU-Kommission vorgelegt werden, damit man einem sogenannten – wie soll ich sagen? (Vizekanzler Mitterlehner: Verfahren!) – Ver­tragsverletzungsverfahren zuvorkommt. Aber man könnte da sicher auch eine andere Verhandlungsposition einnehmen, denn für die EU ist das ein Kleinstgesetz, ein Klein­problem. Wenn ich an die anderen Defizitverfahren denke, die die EU gegen Frank­reich oder Italien laufen hat – von Griechenland will ich gar nicht reden –, die über­haupt nicht eingehalten werden, wo es auch keine Sanktionen gibt und nichts passiert, ist das ein Kleinstproblem. Daher hätte man sich hier sicherlich, sehr geehrter Herr Mi­nister, mit einer gewissen Positionsstärke für die Rauchfangkehrer einsetzen können. Ob diese jetzt einen Gebietsschutz haben oder nicht, ist für den Konsumenten nicht so wichtig, für die Rauchfangkehrer ist es aber sehr wichtig.

Ein wesentliches anderes Thema, wenn es um Preisabsprachen geht, wären zum Bei­spiel die kartellrechtlichen Verfahren des Lebensmittelhandels in Österreich, denn der ist zwar frei, ist aber gegenüber den Konsumenten schwer reglementiert, weil abge­sprochen. Hier gibt es permanente Absprachen und permanente Strafverfahren. Daher wäre es besser, dort einzugreifen als bei den Rauchfangkehrern. Dies lehnen wir ab, wie ich das mit dem Beispiel zur Geschichte der Gewerbeordnung kurz argumentieren konnte. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 62

12.22.12

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Vizekanzler! Hohes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Pisec, es freut mich, dass sich die FPÖ für die Rauchfangkehrer einsetzt, das Ergebnis bei der Wirt­schaftskammerwahl hat aber gezeigt, dass nur der Wirtschaftsbund mit 96 Prozent bei der Rauchfangkehrerinnung erfolgreich war. (Bundesrat Pisec: Die Wahl ist vorbei! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich denke, das ist eine klare Antwort, und es wäre schön, wenn ihr auch einmal einer Kompromisslösung zustimmen könntet.

Wir versuchen hier, zwei Ziele dieser besonderen Berufsgruppe zu verwirklichen, ei­nerseits die Anpassungen an die EU-Dienstleistungsrichtlinie und an zweiter Stelle auch die Sicherung des Qualitätsstandards des Rauchfangkehrergewerbes. Und ich weiß, wovon ich spreche: In meiner Gemeinde war vor vier Jahren ein fürchterlicher Unfall, ein Ferienwohnhaus ist explodiert, in dem vier Studenten ein Wochenende ver­bringen wollten, weil sie eine nicht kommissionierte Ofenanlage mit einem Absperrven­til in Betrieb genommen haben. Es gab vier Tote – vier Tote! –, und es wurde natürlich auch gegen den Bürgermeister und den Rauchfangkehrer ermittelt, aber es konnte nachgewiesen werden, dass diese im sogenannten Pfusch errichtete Anlage die Ursa­che für diesen tödlichen worst case gewesen war.

Damit ist also nicht zu spaßen. Es gibt heute trotz großer Technologie natürlich neue Herausforderungen für das Rauchfangkehrergewerbe, und ich denke, da sollten wir wirklich Vorsicht walten lassen, auch im Zuge einer Liberalisierung. Ich weiß schon, es gibt viele Konsumenten, die sagen, die Gebühren sind nicht angemessen. Natürlich ist es kein freier Wettbewerb beim Rauchfangkehrer, aber ich denke, hier sollten doch Vorsicht und Qualität vor dem Monetären stehen.

Weiters enthält diese Novelle auch eine Änderung des Direktvertriebes kosmetischer Artikel. Auch da gibt es seitens des Gesundheitsministeriums ganz strenge inhaltliche Reglementierungen dagegen, wie de facto das Verbot unterlaufen wurde. Daher ist auch hier die Gewährleistung für den Konsumenten voll vorhanden.

Zur sogenannten Entrümpelung der Gewerbeordnung: Ich komme aus einer Branche, die total liberalisiert ist. Sie können, wenn Sie drei Jahre irgendwo Eis verkauft haben, in kürzester Zeit ein Gastgewerbe anmelden. Viel wichtiger ist – und da hat der Herr Vi­zekanzler dankenswerterweise schon die ersten Schritte in der Gewerbereform ge­setzt –, dass für Klein- und Kleinstunternehmen in Zukunft die gewerberechtlichen Ge­nehmigungsverfahren entfallen sollen. Das wäre für in etwa 90 000 Klein- und Kleinst­betriebe eine echte Erleichterung, sowohl von der Bürokratie als auch vom finanziellen Aufwand her. Und das ist der Weg in die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

12.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


12.25.24

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ganz kurz noch zu den Rauchfangkehrern und auch Rauchfangkehrerinnen, die gibt es ja auch: Wir sind in diesem Fall tatsäch­lich für mehr Liberalisierung, weil feuerpolizeiliche Vorgaben für alle Gebiete gleich gel­ten sollten. Daher – das ist sicher auch einmal interessant zu sagen – sind die Grünen in diesem Fall im Gegensatz zur ÖVP für mehr Liberalisierung und gegen den Ge­bietsschutz. Das ist leider eine Sache, die man in dieser Novelle verabsäumt hat zu ändern. Ich erinnere nur daran, dass in Bundesländern wie Vorarlberg oder auch Wien zum Beispiel die Überprüfung von Gasthermen auch ohne Gebietsschutz möglich ist, indem das etwa die Installateure und Installateurinnen übernehmen.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 63

Ich möchte das Thema allerdings tatsächlich zum Anlass nehmen – Herr Kollege Per­hab, Sie haben das auch schon angesprochen –, generell noch etwas zur Gewerbe­ordnung zu sagen: Es stimmt schon, dass man für die Konsumenten und Konsumen­tinnen durchaus auch gewisse Schutzmechanismen braucht, dass gewisse Befähi­gungen durchaus auch notwendig sind, allerdings braucht die Gewerbeordnung – und das wird ja eigentlich auch im Regierungsübereinkommen versprochen – eine Über­prüfung und eine Neuordnung.

Ich möchte drei Beispiele dafür nennen, wie absurd diese Gewerbeordnung zum Teil schon geworden ist: Wenn ich ein Fingernageldesigner bin, darf ich Fingernägel la­ckieren, aber keine Fußnägel. Wenn ich eine Reinigungskraft für Privatwohnungen bin, darf ich eine Privatwohnung reinigen, aber ich darf kein Büro reinigen. Wenn ich Ab­solvent oder Absolventin einer Modeschule bin, darf ich nicht schneidern. – Das sind nur drei Beispiele, die zeigen, wie absurd diese Bürokratie der Gewerbeordnung ist und wie dringend notwendig es ist, vor allem den Jungunternehmern und Jungunter­nehmerinnen, die in diesem Bereich tätig werden wollen, die Hürden zu nehmen und das ein bisschen einfacher und liberaler zu gestalten.

Es gibt ja reglementierte Gewerbe, bei denen man überrascht ist, dass das überhaupt noch reglementiert wird, sei es die Erzeugung von Kunstwimpern, sei es die Erzeu­gung von Lampenschirmen oder sei es – das ist überhaupt mein Liebling – „die Erzeu­gung von Musikinstrumenten und von Rohrblättern/Doppelrohrblättern (tonerzeugende Zungen) für die Verwendung an Mundstücken bei Blasinstrumenten mit Ausnahme der reglementierten Musikinstrumentenerzeugung“.

Wenn ich das herstelle und das lese, dann denke ich mir, da gehe ich besser nach Bratislava und mache es dort. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte.

 


12.28.25

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst zum Kollegen Perhab: Ich habe geglaubt, die Rauchfangkehrer sind alle schwarz, nicht nur 96 Prozent bei der Wirtschaftskammerwahl – aber das nur zum Einstieg. (Bundesrat Perhab: Die restli­chen 4 Prozent sind weißgrau!)

Wie wir bereits gehört haben, wird mit dieser Novelle eine EU-konforme Anpassung für das Gewerbe der Rauchfangkehrer vorgenommen. Ziel der EU ist, wie in vielen ande­ren Bereichen, die größere Wettbewerbsfreiheit und damit eine weitere Liberalisierung des Marktes. Würden wir diese Änderungen nicht beschließen, hätten wir, wie wir schon gehört haben, mit einem Vertragsverletzungsverfahren zu rechnen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich darf daran erinnern, dass von 1859 bis in die 80er-Jahre praktisch kein freies Gewerbe zu finden war. Man musste warten, bis je­mand entweder gestorben ist oder das Gewerbe verkauft hat. Heute haben wir 65 Pro­zent freies Gewerbe und nur mehr 35 Prozent reglementiertes Gewerbe.

Ich halte es für vernünftig, dass diese Liberalisierung in Schritten erfolgt. Wir von der SPÖ finden es auch richtig, dass Unternehmer eine entsprechende Ausbildung und Er­fahrung in ihrem Gewerbe haben müssen. Durch diese Novelle wird sichergestellt, dass einfache Arbeiten wie Reinigen, Kehren, Warten, Abgasmessungen und so wei­ter, Überprüfen von Rauch- und Abgasleitungen zukünftig liberalisiert werden. Das be­deutet, dass für diese Leistungen zukünftig keine Niederlassung in Österreich beste­hen muss. Angepasst wurde auch, dass die Schweizer Rauchfangkehrer 90 Tage pro


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 64

Jahr auch in Österreich Tätigkeiten durchführen dürfen. Anders verhält es sich, wenn von einem Rauchfangkehrer sicherheitsrelevante Tätigkeiten ausgeführt wurden. Kol­lege Perhab hat bereits von Auswirkungen berichtet. Insbesondere die Bereiche der Feuerpolizei und der Baupolizei gehören dazu. Diese werden im Landesrecht der Bun­desländer geregelt.

Der Landeshauptmann kann wie bisher auch in Zukunft für diese Aufgaben Grenzen für Kehrgebiete verordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass innerhalb eines Kehrge­bietes mindestens zwei Betriebe mit mindestens zwei hauptberuflich Beschäftigten le­bensfähig sind – das macht auch Sinn. Die maximal zu verrechnenden Tarife werden ebenfalls wie bisher vom Landeshauptmann per Verordnung festgelegt.

Mit diesen Änderungen werden unsere von allen politischen Gruppierungen immer wie­der gelobten hohen Qualitätsstandards weiterhin aufrechterhalten. Gerade, wenn es um Sicherheit geht, liebe Kollegen und Kolleginnen, müssen wir darauf achten, dass wir durch die Liberalisierungsbestrebungen vieler in Europa keine Qualitätsverluste er­leiden.

Als Bürgermeister weiß ich die Arbeit des Rauchfangkehrers und der Rauchfangkeh­rerin zu schätzen. Seit vielen Jahren werden in den Bundesländern die Überprüfungs­intervalle für die Feuerbeschau reduziert. Das ist gut so. Es hat jedoch nur aufgrund der regelmäßigen Besuche gewissenhafter und gut ausgebildeter Rauchfangkehrer keine Zunahme von Hausbränden gegeben. Diese haben die Gemeinden rechtzeitig über Missstände informiert, und die Vorkehrungen konnten durch die Gemeinden ge­troffen werden. Die Zusammenarbeit mit Personen, welche in der Region verankert sind, hat große Vorteile, sowohl für die Feuerpolizei als auch für die betroffene Bevöl­kerung.

Ich wundere mich, dass wir sehr mühsam versuchen, das Vergabegesetz – heute ha­ben wir gerade wieder von der Schwellenwerteverordnung gehört – zu strapazieren, damit wir Aufträge in der Region vergeben können. Wir sind alle der Meinung, dass wir die Landwirtschaft und deren Produkte gegen Importe schützen müssen. Alle argu­mentieren in den Wahlkreisen mit regionaler Wertschöpfung, mit der besseren Qualität der Produkte, schimpfen gegen die Ausdünnung des ländlichen Raumes. Wenn sie dann in Wien sind, kann die Liberalisierung nicht schnell genug voranschreiten. Das wundert mich bei den Grünen. Wir, die sozialdemokratische Fraktion, stimmen dieser Novelle sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Junker. – Bitte.

 


12.33.44

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Gewerberechtsnovelle und die Änderungen haben wir, glaube ich, jetzt ordentlich und gut diskutiert. Für mich von Bedeutung ist einfach, dass das gegenwärtige Sicherheits­niveau aufrechtbleibt.

Es kann schon sein, dass man sich für die normalen Kehrtätigkeiten jemanden ande­ren holen mag – denn alle, die Gebietsschutz haben, sagen vielleicht dem einen oder anderen nicht zu –, der stattdessen kehrt. Dann hat man natürlich auch die Anfahrts­kosten zu bezahlen, die man bei einem Kaminkehrer, der in der Region arbeitet, nicht hat, aber die Sicherheit ist gewährleistet, und ich glaube, dass man gut beraten ist, am Anfang und am Ende einer Heizperiode den professionellen, gewerberechtlichen Ka­minkehrer zu holen, damit sein Haus, seine Wohnung weiterhin sicher ist.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 65

Die Gewerbeordnung soll ja liberalisiert und für alles geöffnet werden. (Bundesrat Schreuder: Nicht für alles!) – Für mich hat die Gewerbeordnung schon doppelten Schutz: den Schutz des Unternehmers einerseits, der kriegt das Formular, der kennt die Gewerbeordnung und weiß, was er tun darf, und den Schutz des Konsumenten an­dererseits, der dem Unternehmer einen Auftrag gibt und sich verlassen kann, dass der das kann. Ich muss mich nicht dreimal rückversichern, ob er es wirklich kann, sondern ich kann davon ausgehen, dass er, wenn er die Gewerbeberechtigung hat, das auch kann.

Und jetzt zur Kosmetikerin. Lieber Kollege Schreuder! Die Hände sind meistens ohne Krankheiten, ohne alles. Junge Füße sind oft tadellos, da gibt es keine größeren Schwie­rigkeiten. Aber haben Sie die Füße älterer Menschen schon gesehen? Eingewachsene Nägel, Hühneraugen, und weiß der „Guri“, was da noch alles für neckische Sachen dabei sind! (Allgemeine Heiterkeit.) Das sind kleine medizinische Eingriffe, und dafür braucht man den Fußpfleger. (Bundesrat Schreuder: Lackieren? Lackieren ist ein me­dizinischer Eingriff?) Ganz normales Lackieren kann man schon ohne Eingriff, ohne dass man irgendetwas am Fuß verändert – wohl, das ist ganz normal.

Und da gibt es noch etwas: Ich kann mehrere Gewerbe beantragen. Ich sehe bei der Gewerbeanmeldung, was ich tun darf. Ich kann mir noch eine zweite holen, damit ich es erweitern kann. Alle können nicht alles, und wenn jemand dekorative Nägel macht, ist das wieder etwas ganz anderes, als wenn er mit den Nägeln anders arbeiten muss. (Bundesrat Schreuder: Und was ist an Bürofenstern anders als an Wohnungsfenstern, wenn man sie putzt?) – Das sind wieder sicherheitstechnische Voraussetzungen, die man haben muss, und die müssen andere Versicherungen haben, als wenn ich das als Private im Büro mache. Ich brauche mir nur den Gewerbeschein zu meinen Qualifika­tionen holen, das ist kein Beinbruch. Wenn ich die Voraussetzungen habe, kann ich mir einen holen.

Ich glaube, es sind etliche Voraussetzungen in der Gewerbeordnung sinnhaft verändert worden. Es ist auch sinnhaft, dass Schweizer Unternehmen in Österreich vorüberge­hend tätig werden können. Wir als Österreicher können das ja auch in der Schweiz, hier besteht Gleichheit. Wir sind ja auch nicht nur im Inland tätig, sondern können auch grenzüberschreitend arbeiten.

Die Gewerbeordnung ist für mich, wenn sie vorsichtig immer wieder den Gegebenhei­ten angepasst wird, so wie das jetzt im Moment gemacht wird, vollkommen in Ordnung, auch zum Schutz der BürgerInnen und der Unternehmer. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesmi­nister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


12.37.40

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Pisec hat es angesprochen: An sich ist die Gewerbeordnung 1859 der erste Schritt gewesen, um die Gewerbe zu liberalisieren und auf der anderen Seite den Kunden und den Bür­gerinnen und Bürgern eine bestimmte qualitative Sicherheit zu vermitteln. Dieser An­satz hat sich auch nicht von anderen unterschieden in Nachbarstaaten wie etwa Deutsch­land, er ist auch ähnlich jenem der Schweiz, allerdings von Systemen wie in den Ver­einigten Staaten oder in England, wo man an die Problematik so herangeht, dass im Prinzip fast alles erlaubt wird und Probleme dann im Schadenersatzrecht abgewickelt werden.

Ich glaube, dass wir mit der Gewerbeordnung an sich gute Erfahrungen gemacht ha­ben und dass wir die Vielfalt im gewerblichen Ausübungswesen dadurch auch sichern


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 66

konnten. Natürlich kann ich jetzt hergehen – der Kollege hat es ja vorher angespro­chen – und ein paar Blüten aus den Anmeldegewerben herausnehmen. Im Endeffekt, wenn Sie die Praxis dann wirklich anschauen, haben Sie eigentlich keinerlei Problem, auch mehrere Gewerbe anzumelden. Und was Umfangstreitigkeiten anbelangt: Mir sind da keine bekannt aus den letzten Jahren, also das spielt in der Theorie vielleicht bei Auseinandersetzungen vor Medien möglicherweise, aber in der Praxis so gut wie keine Rolle, dass hier Umfangstreitigkeiten zwischen einzelnen Konkurrenten oder der Behörde abgewickelt werden.

Dennoch kann man ab und zu, und das steht auch im Regierungsprogramm, versu­chen, auch in der Bezeichnung einen weiteren Deregulierungsschritt und Vereinfa­chungsschritt herbeizuführen. In der Praxis selber hat sich eine Tendenz entwickelt, die lautet, dass man eben wirklich nur dort, wo es um Leib, Leben, Gesundheit und auch Vermögensbeeinträchtigung geht, Regulierungen in Form echter Zugangsregelungen und Qualifikationen hat. Das ist unter anderem auch bei den Rauchfangkehrern der Fall.

Es sind die sicherheitsrelevanten Aspekte schon hervorgehoben worden. Diese sind auch im Interesse des Bürgers abzudecken. Das, was mit der EU vereinbart worden ist, war in langjährigen Verhandlungen – langjährig ist übertrieben –, in Verhandlungen eben ein Thema. Das Thema räumt man jetzt aus, und auf der anderen Seite gibt es genügend Aspekte, Prüfverfahren und anderes, bei denen auch eine Tätigkeit auf dem freien Markt stattfindet.

Wie gesagt, aus meiner Sicht ist das eine durchaus pragmatische Vorgangsweise, die jetzt einigermaßen mehr Spielraum bei einzelnen Gewerbebetrieben ermöglicht und andererseits die Betriebe absichert, die wirklich sicherheitsrelevante Tätigkeiten durch­führen. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie Ihre Zustimmung geben.

Herr Kollege Pisec, Sie haben für den Schutz argumentiert, Ihr Kollege Kassegger von derselben Partei im Plenum dagegen. Ich möchte das gar nicht zynisch sagen, son­dern Sie sehen dadurch die ganze Spannweite der Problematik. Der eine hat den Zu­gang, der andere hat einen anderen Zugang. Ich glaube, es ist eine gute Balance. (Bundesrat Pisec: Kollege Kassegger hat gar nicht dazu gesprochen!) – Der hat im Ausschuss meiner Erinnerung nach gesprochen. (Bundesrat Pisec: Im Ausschuss, nicht im Plenum!) – Ja, aber Sie können das im Protokoll nachlesen. Da findet man die Äußerungen, aber ich glaube, auch im Plenum hat er dazu gesprochen. Schauen Sie noch einmal nach! (Bundesrat Jenewein: Bei der ÖVP gibt’s das nicht, das ist klar!) – Ich kenne Ihre Vorbereitung nicht. Sie haben wahrscheinlich nicht diese übliche Praxis, dass man sich die Plenumsreden anschaut: Was waren die Argumente? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Also wenn nicht, dann hat er es im Ausschuss gesagt, oder es war ein anderer Kol­lege. – Es geht gar nicht darum, wer das jetzt wirklich war. Die Problematik ist damit klar. Es gibt da unterschiedliche Zugangsweisen. (Bundesrat Jenewein: Sie haben das angesprochen!) Ja, und der Herr Kollege Pisec hat gesagt  (Bundesrat Jenewein: Wieso sprechen Sie das überhaupt an, wenn es nicht wichtig ist?) Ich versuche Ihnen gerade klarzumachen, dass es nicht darum geht, welche Person das angesprochen hat, aber ganz sicher ist, dass ein freiheitlicher Mandatar im Plenum meiner Wahrneh­mung nach eine unterschiedliche Position zu der vom Herrn Pisec jetzt vertreten hat. Ist auch gar nicht negativ, spricht für die Meinungsvielfalt in dieser Partei. Aber Sie sehen dadurch auch die Schwierigkeit, ein Thema richtig auszubalancieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Krusche: Das gibt’s bei euch nicht!)

12.42

12.42.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 67

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.42.3710. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG geän­dert wird (UWG-Novelle 2015) (482 d.B. und 509 d.B. sowie 9348/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Dr. Magnus Brunner. Ich bitte um den Bericht.

 


12.42.58

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die UWG-Novel­le 2015 zur Kenntnis bringen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Industrie stellt mit Stimmenmehrheit den Antrag, ge­gen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


12.43.25

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Da kann man nur sagen: Schon wieder ein Vertragsverlet­zungsverfahren, das uns droht! Das gegenständliche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gibt es ja schon länger. Aber Brüssel ist jetzt draufgekommen, dass wir hier einige Paragraphen anpassen müssen. Mit „anpassen“ ist gemeint, faktisch Wort für Wort den Text der Richtlinie übernehmen zu müssen. Das ist schon etwas bedenk­lich, denn hier verschwindet eigentlich der Unterschied zwischen einer EU-Richtlinie und einer EU-Verordnung. Wenn sie es schon so genau haben wollen, dann sollen sie gleich eine Verordnung machen. Das riecht also schon sehr nach Willkür der Brüsseler Bürokraten. Konkret geht es primär um irreführende und aggressive Geschäftspraktiken.

Der unangenehme Nebeneffekt dabei ist, dass ein einigermaßen verständlicher Geset­zestext, den wir gehabt haben, jetzt mit diversen Schachtelsätzen eher schwer ver­ständlich wird. Herr Finanzminister Schelling hat das heute ja schon angesprochen, was die gute Lesbarkeit von Gesetzen betrifft. Hat man das einmal auf nationaler Ebe­ne, dann wird es wieder von Brüssel torpediert. Damit ist sicherlich kein Beitrag für Rechtssicherheit oder einen verbesserten Konsumentenschutz geleistet worden. Wir sollten uns schon einmal klar gegen diese Regelungswut und Bevormundung positio­nieren, die da offensichtlich immer weiter greift.

Im Ausschuss wurde gesagt: Von insgesamt 45 Punkten, die moniert worden sind, sind sechs übrig geblieben, die restlichen 39 konnten wegverhandelt werden. Ich will gar nicht wissen, wie viel Zeit und Aufwand und damit Geld für diese Sache – ich sage jetzt – verschwendet worden ist. Deshalb werden wir dieser Vorlage nicht unsere Zu­stimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 68

12.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


12.46.06

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! (Bundes­rat Krusche: 100 Sekunden?) – Bevor du, Herr Kollege, geredet hast, habe ich ge­glaubt, ich schaffe es in 180 Sekunden. Aber das schaffe ich natürlich nicht ganz, denn du hast mich ja mit der Aussage, dass Gesetzgebung Zeit- und Geldverschwendung ist, doch etwas geschreckt. Wir sind ja alle Mitglied einer gesetzgebenden Körper­schaft, und daher sollten wir  (Bundesrat Krusche: Die Auseinandersetzung mit Brüsseler!) – Nein, auch die Auseinandersetzung mit Gesetzen, bevor wir sie be­schließen, ist keine Zeit- und keine Geldverschwendung. (Beifall bei Bundesräten der Grünen.)

Ich gehe vollkommen konform, dass wir – sowohl Brüssel als auch der Gesetzgeber in Österreich – gelegentlich dazu tendieren, mit vielen Schachtelsätzen zu versuchen, alle Lebenssachverhalte zu regeln. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Manche Geset­ze verunglücken tatsächlich, wenn sie das versuchen. Allerdings konnte ich das hier nicht feststellen. Ich sehe das Ende einer Richtlinienumsetzung, nachdem man in Brüs­sel halt der Meinung war – und bitte, wir sind Mitglied der Europäischen Union, und dort gibt es Gesetzgebungskompetenzen, das immerhin bereits seit 20 Jahren –, dass wir das eben nicht so umgesetzt haben. Und das, was herausgekommen ist, sind keine übertriebenen Schachtelsätze. Ich sehe das nicht. Ich habe mir das durchgelesen. Ich konnte es beim ersten Mal sinnerfassend lesen. Das geht nicht bei allen Gesetzen, aber bei diesem ist es gegangen.

Letztlich geht es um Wettbewerb. Wettbewerb, meine Damen und Herren, ist etwas Gutes, nicht nur im Sport, wo es um schneller, höher, weiter geht, sondern auch in der Wirtschaft. Dort ist es ein Wettbewerb der besten Produkte, der besten Dienstleistun­gen, der guten Ideen. Und ganz oben an der Spitze wird es halt dann immer wieder ein bisschen dünn, nicht? – Dort ist der Vorsprung, den man sich herausarbeiten kann, nicht so groß. Wer kennt nicht Szenen aus 800- oder 3 000-Meter-Läufen, in denen dann in der letzten Kurve mal der Ellbogen hinausfährt oder das Bein gestellt wird? In der Wirtschaft kann man das anders machen. Da stellt man kein Bein, und da kommt nicht der Ellbogencheck, sondern da kommt unter Umständen eine irreführende Wer­bung oder eine andere aggressive Geschäftspraktik. Da kommt ein aggressives Ab­werben von Kunden.

Das alles hat das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb zum Sinn – einerseits Schutz des Konsumenten, andererseits Schutz des Mitbewerbers davor, dass er ge­foult wird. Das und nichts anderes ist es. Das Gesetz hat einen Sinn, das Gesetz bietet verschiedene Möglichkeiten für jemanden, der betroffen ist. Er kann sich an Gerichte wenden um Schadenersatz, er kann einstweilige Verfügungen begehren, aber er kann auch die strafrechtliche Komponente des UWG heranziehen.

Dass es eine Konkretisierung dessen gegeben hat, was irreführend oder eine aggres­sive Geschäftstätigkeit ist, tut dem Gesetz und der Qualität dieses Gesetzes, das ein gutes ist, keinen Abbruch. Insofern werben wir natürlich für Zustimmung zu diesem Ge­setz. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte.

 


12.49.14

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch diese Anpassungen müssen wir auf­grund eines Mahnschreibens der Europäischen Kommission vornehmen. Hier sind wir allerdings mit der Bundesrepublik Deutschland in guter Gesellschaft.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 69

Unlautere Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit den sogenannten Schneeball­systemen sind dahin gehend klarzustellen, dass diese nur vorliegen, wenn dabei Geld – egal, in welcher Höhe – im Spiel ist. Ich denke, dass das eine gute Klarstellung bedeutet. Gerade in diesem Zusammenhang werden ja sehr viele in der Bevölkerung belästigt und auch geschädigt.

Aggressive Praktiken werden im neuen Gesetz genauer definiert, vor allem wenn es darum geht, Belästigung, Drohung, Nötigung und Anwendung von Gewalt bei Ver­kaufsabschlüssen zu tätigen. Klargestellt werden auch das Vorenthalten wesentlicher Informationen, Verheimlichung, unklare, unverständliche und zweideutige Beschreibun­gen und das Tarnen von Werbemaßnahmen für kommerzielle Zwecke.

Sie alle haben wahrscheinlich auch schon öfters Einladungen zu Reiseveranstaltungen erhalten, die in diesem Zusammenhang doch wesentlich verbessert werden sollten.

Mit dieser Novelle erreichen wir mehr Transparenz. Es sind leider immer noch viele Lü­cken vorhanden. Ich möchte, dass bei seriösen Wettbewerben auch berücksichtigt wird, unter welchen Auflagen die Produkte erzeugt wurden – seien es die Umweltstan­dards, die Entlohnung, die Arbeitsplatzverhältnisse, Kinderarbeit, Einsatz von Gentech­nik, Sklavenarbeit, Schäden des Unternehmens und seiner Subunternehmer am Steu­erzahler oder an der Sozialversicherung.

Fair und gerecht wäre es auch, wenn das jeweilige Sozialsystem im Staat der Produk­tion und des Betriebsstandortes bewertet würde. Mindestlöhne, Gesundheits-, Bil­dungs- und Pensionsleistungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Damit könn­ten wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa und international noch weiter ausbau­en. Allerdings müssen diese Parameter auch im Vergaberecht und bei allen Importen einen Niederschlag finden. Ich hoffe, dass wir bei Handelsabkommen mit Nicht-EU-Staaten mehr auf diese hohen österreichischen und europäischen Standards drängen können.

Unsere Fraktion stimmt dieser Novelle gerne zu. Es ist der richtige Weg in die richtige Richtung. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


12.52.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Nachdem meine Vor­redner im Grunde genommen das gesagt haben, was ich darlegen wollte, nämlich den Unterschied zwischen unlauterem Wettbewerb und fairem Wettbewerb – was ist fairer Wettbewerb?, was ist unlauterer Wettbewerb?, wie sind die Umweltstandards, die so­zialen Standards? –, brauche ich das nicht mehr auszuführen und schließe mich vollin­haltlich an.

Ich möchte deswegen nur noch auf eine Kleinigkeit dieses Gesetzes hinweisen. Wir werden auch zustimmen, überhaupt keine Frage. Es ist nur die Streichung des § 30, die ich ganz kurz ansprechen möchte. Was war der § 30? Das war der Hinweis auf die Herkunft einer Ware aus Konkursmasse. Das bleibt nämlich laut Gesetzgeber weiterhin eine Irreführung und damit unzulässige Geschäftspraxis. Diese explizite Regel, der § 30, wird jetzt allerdings gestrichen.

Was das betrifft, gibt es auch auf europäischer Ebene unterschiedliche Perspektiven zu diesem Punkt. Darauf wollte ich nur hinweisen – wir stimmen ja zu –, weil es eben diese Empfehlung der Europäischen Kommission für eine Streichung gegeben hat, frühere Urteile des Europäischen Gerichtshofes dem allerdings widersprechen. Wir se­hen das Ganze noch nicht ausjudiziert. Da gehört meiner Meinung nach noch Klarheit


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 70

geschaffen. Aber das ist natürlich kein Grund, dieses Gesetz abzulehnen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


12.53.45

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Mein Damen und Herren! Ich kann mich wirklich kurz fassen: Es ist sehr umfassend dargestellt worden, worum es hier geht. Es ist eine Präzisierung, die die Europäische Kommission verlangt hat. Die Präzisierung wird vorgenommen und sollte daher die Rechtssicherheit insgesamt erhöhen. Ich sehe das, was die Vorgangs­weise betrifft, als relativ unproblematisch – hoffentlich Sie genauso.

Anschließend an die vorherige Diskussion möchte ich jetzt noch einmal präzisieren, obwohl die Stenographischen Protokolle noch nicht online sind: Ganz genau war es so, dass im Ausschuss Kollege Kassegger – wie ich gesagt habe – gesprochen hat und im Plenum Kollege Höbart. Ich hoffe, das ist für Sie eine klare Orientierung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.54

12.54.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12.55.0111. Punkt

EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2015 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (III-545-BR/2015 d.B. sowie 9349/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 11. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Magnus Brunner. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.55.06

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über die EU-Vorhaben – Jahresvorschau 2015 des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zur Kenntnis brin­gen. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, diese Jahresvorschau 2015 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


12.55.53

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Dies ist der erste gemeinsame Bericht von Wissenschaft und Wirtschaft seit dem Ministeriengesetz, und die Wissenschaft kommt da etwas zu


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 71

kurz. Auf knappen sechs Seiten, davon eine ein Diagramm, wird die Wissenschaft ab­gehandelt. Es ist gut lesbar, weil es eine große Schrift ist und große Zeilenabstände hat. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel. – Bundesrat Schennach: Das braucht man!)

Angesichts der Tatsache, dass die Bedeutung von F&E ja immer wieder, vor allem in Sonntagsreden, für den Wirtschaftsstandort Österreich so betont wird, ist das – aus mei­ner Sicht – doch etwas dünn. Wahrscheinlich steht auch deshalb nichts drin, das ei­gentlich nicht zu befürworten wäre, weil offensichtlich eben so wenig drinsteht.

„Horizont 2020“ ist auch schon fast als alter Hut zu bezeichnen, darüber haben wir schon öfter diskutiert. Es freut mich natürlich ganz besonders, dass, trotz der wenigen Seiten, die Montanuniversität Leoben Erwähnung findet, mit ihrer Beteiligung beim Know­ledge and Innovation Communities, kurz KICs, im Bereich – die Abkürzungen auf EU-Ebene sind ja immer großartig – „RawMatTERS“ vom Europäischen Innovations- und Technologieinstitut. Da geht es um das Management der Versorgung mit Rohstoffen in der EU.

Da die EU ja so eine große Exportabhängigkeit hat, nur 5,5 Prozent des Bedarfs de­cken kann und um ungefähr 500 Milliarden € jährlich Energierohstoffe und um 200 Mil­liarden € jährlich Materialrohstoffe importiert, ist natürlich das Management dieser Ver­sorgung und ist die Strategie für diese Versorgung von eminenter Bedeutung. Es freut mich natürlich, dass die Leobener Universität da mit dabei sein kann.

Auch was den europäischen Forschungsraum betrifft, sage ich einmal, no na – dass die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene positiv ist und die Mobilität von For­schern wichtig ist, wird niemand infrage stellen. Begründet ist das unter anderem damit, dass Österreich für den Betrieb großer Forschungseinrichtungen zu klein ist. Was mir allerdings fehlt, ist eine Strategie, auch ein Gefahrenhinweis, dass damit doch eine mögliche Abwanderung von Forschern ins Ausland verbunden ist, einfach weil sie attraktivere Bedingungen vorfinden. Da wäre eine Gegenstrategie, auch in diesem Be­richt, sehr wohl angebracht.

Ähnlich verhält es sich mit Erasmus+. Auch da gilt: Mobilität der Studierenden. Aus­tausch mit dem Ausland ist natürlich gut und wichtig, aber dieselben Gefahren drohen in diesem Bereich.

Was mir gänzlich fehlt, sind Aussagen über die Finanzierung. Es wird zwar mehrmals die FFG erwähnt, aber wenn man im Zuge der kommenden Steuerreform hört, dass diese ja doch auch Kürzungen im Bereich der Förderungen beinhaltet, wäre es schon interessant, wenn man auch in diesem Bericht Aussagen dazu hätte, wie wir denn das, was auf nationaler Ebene zu tun ist, wirklich umsetzen wollen und ob wir das über­haupt können.

Die Wirtschaft ist mit 30 Seiten etwas besser bedient. Man sieht bereits beim Inhalts­verzeichnis, dass die Verheiratung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft noch nicht so wirklich vollzogen ist, denn es gibt da mehrere Unterpunkte, wo es aber nur einen Unterpunkt gibt. Da gibt es Punkt 3.2 und 3.2.2.2, dann ist es aber aus und kommt nichts mehr. So etwas wäre in der Wissenschaft verpönt. In der Wirtschaft ist es offen­sichtlich zulässig. (Bundesrat Kneifel: Klare Struktur!)

Der Europäische Fonds für strategische Investitionen wird im Bereich Stabilität und Wachstum erwähnt: diese 21 Milliarden, die eine Hebelwirkung von mindestens 315 Mil­liarden € entfalten sollen. Man wird sehen, ob sie das auch wirklich tun.

Im Bereich Binnenmarkt, KMU und Tourismus gibt es auch nichts wirklich Neues. Ich habe hier – nur damit man sieht, welch bahnbrechende Erkenntnisse da drinstehen – die österreichische Position zum Thema Tourismus: „Tourismus-Maßnahmen sollen möglichst vielen Akteuren zugutekommen und dazu beitragen, die Rahmenbedingun-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 72

gen, den Wissensstand und die Kooperation zu verbessern. Wichtig ist die Einhaltung der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie ein Mehrwert und eine gute Kosten-Nutzen-Relation jeder Maßnahme.“ – Damit ich das weiß, brauche ich eigentlich keinen Bericht.

Auf Problembereiche wird nicht eingegangen. Ich möchte nur erwähnen, was gerade im Tourismus jetzt immer wieder in den Schlagzeilen und in Diskussion ist: das Ster­ben der kleinen Skigebiete. Wir in der Steiermark haben das gerade aktuell mit der Hebalm. So etwas hat langfristige Auswirkungen auch auf unseren Tourismus, denn wo lernt die Jugend meistens Skifahren? – In den kleinen Familien-Skigebieten, dort lernt sie die Liebe zum Skifahren. Das sind die Kunden von morgen! Wenn immer we­niger Jugendliche die Möglichkeit haben, etwas kostengünstig zu erlernen, dann wer­den sie auch nicht bereit sein, im Alter, wenn sie etwas verdient haben, das dann aus­zugeben und in den Tourismus zu pumpen.

Auf die industrielle Basis wird mein Kollege Pisec noch näher eingehen. Die Kapitel Energie und Außenhandel möchte ich jetzt nicht im Detail erläutern. Nur so viel: Auch hier ist die jeweils geschilderte österreichische Position generell sehr oberflächlich und unkritisch dargestellt.

Das EU-Freihandelsabkommen TTIP mit den USA wird natürlich erwähnt. Darüber, welche Probleme es da vielleicht geben wird und wie die aktuelle Diskussion ist, ist lei­der nichts zu finden.

Im Bereich Außenhandel werden die Auswirkungen der Russland-Sanktionen im Ge­folge der Ukraine-Krise so geschildert, dass man sagt: Österreich ist „nur in relativ ge­ringem Ausmaß“ betroffen. Das WIFO bewertet den BIP-Rückgang mit minus 0,2 Pro­zent bis minus 1 Prozent. – Es stimmt also wirklich, dass alles relativ ist, denn in An­betracht eines Wachstums im Jahr 2013 von 0,2 Prozent – das war noch vor der Kri­se –, 2014 von 0,3 Prozent und eines prognostizierten Wachstums von 0,5 Prozent für das Jahr 2015 kommen mir 0,2 bis 1 Prozent eigentlich relativ hoch und nicht relativ niedrig vor!

Aus den genannten Gründen werden wir diesen Bericht nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Saller. – Bitte.

 


13.04.48

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krusche, wir erkennen natürlich sehr wohl und in einem besonderen Maße die Wichtigkeit von Wis­senschaft und Forschung. Ich darf also dazu einige Anmerkungen machen.

Wissenschaft und Forschung schaffen wichtige Grundlagen für Weiterentwicklung, Wachstum und Beschäftigung, und das sowohl direkt als auch in der Umsetzung der Erkenntnisse beziehungsweise der Forschungsergebnisse. In einem geöffneten Euro­pa brauchen wir natürlich nationale und internationale Vernetzung für die Weiterent­wicklung des europäischen Raumes. Wissenschaft und Forschung machen vor Län­der- oder Staatsgrenzen nicht halt, es gibt darüber längst einen weltweiten Wettbe­werb.

Wir sind ein kleines Land und können uns daher von einer globalen Forschung schon einmal überhaupt nicht abkoppeln oder eigene Wege gehen, sondern müssen vielmehr über die Grenzen hinausschauen. Die Präsidentschaften von Lettland, Italien und Lu­xemburg heben in ihrem 18-Monats-Programm hervor, wie wichtig das gemeinsame Vorgehen ist. Dazu gehört auch unser Land Österreich!


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 73

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf hier noch drei besondere Schwerpunkte nennen. Das Erste ist ein Schwerpunkt im Bereich Wissenschaft und Forschung, näm­lich der Ausbau des europäischen Forschungsraumes durch das Setzen von prioritären Maßnahmen. Das betrifft im nationalen Bereich Forschungssysteme, da haben wir For­schungssysteme aufzubauen, und das bedingt natürlich auch eine verstärkte Zusam­menarbeit. Man braucht weiters zentrale Forschungsinfrastrukturen, und das bedingt natürlich auch in einem relativ hohen Maße einen offenen Arbeitsmarkt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die schon genannte Umsetzung von „Horizont 2020“. Da­zu gehört auf alle Fälle einmal die Grundlagenforschung selbst, dazu gehören auch verschiedene Schlüsseltechnologien gerade aus dem Industriebereich, natürlich unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Herausforderungen. Ein weiterer Schwerpunkt ist dann noch die Umsetzung von ERASMUS+ für Bildung, Sport, Kultur, Jugend. Hier geht es darum, die Lernmobilität Einzelner auch noch über Europa hinaus zu sehen, hi­nein in andere Kontinente. Es geht um Austausch, es geht um Partnerschaften und vie­les andere mehr.

Alles in allem: Geld für Forschung und Wissenschaft in die Hand zu nehmen bedeutet, dass kein Cent umsonst ist, vielmehr sichert dies unsere Zukunft in vielfältiger Weise. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


13.08.33

Bundesrat Mag. Reinhard PisecBA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, mich dieses Mal nur dem Kapitel „Industrielle Basis“ zu widmen, auch aus dem Grund, dass ich den anderen Text schon woanders einmal gesehen habe. Ich glaube, das wandert manchmal von Ministerium zu Ministerium. Aber der industrielle Text war sehr interes­sant und hat mich auch sehr begeistert.

Der Hintergrund dafür, dass ich mich diesem Thema widme, ist, dass jeder zweite Ar­beitsplatz in Österreich von der Industrie und von Österreichs KMUs abhängt. Diese 33 Leitbetriebe Österreichs haben ja auch einen Multiplikatoreffekt für Tausende von KMU-Betrieben, und daraus ergibt sich insgesamt, dass eben jeder zweite Arbeitsplatz von der Industrie und dieser Wirtschaftsgruppe geschaffen wird.

Aber – und das ist das Interessante – die Arbeitslosigkeit steigt, steigt und steigt, wie wir alle wissen, und die Industrie setzt ihre Standorte, ihre Betriebsstätten außerhalb Österreichs. Das ist die voestalpine, das ist die Andritz AG, das ist der Leiterplattenher­steller AT&S, und die Firma Voith in St. Pölten sperrt überhaupt zu und setzt die Ar­beitskräfte frei. Grund dafür sind die viel zu hohen Kosten in Österreich, die viel zu ho­hen Lohnstückkosten. Österreich ist ein Hochsteuerland, viele kommen einfach nicht mehr mit.

Brüssel schreibt die Renaissance der Industrie vor, die Wiederbelebung für Staat und Industrie, so wie es uns die USA im letzten Jahrzehnt vorgemacht haben. Vielleicht schaffen wir das in der Europäischen Union; in Österreich mit diesen ordnungspoliti­schen Rahmenbedingungen sicherlich nicht!

Was ich hier gefunden habe, sehr geehrter Herr Vizekanzler, hat mich wirklich begeis­tert. Sie haben die Leitbetriebe Österreichs im Rahmen der Industriellenvereinigung zu­sammengerufen, und diese haben ihre Probleme und ihr Wissen kundtun dürfen. Auf erstaunlichen 70 Seiten haben sie das gemacht, und ich habe mich hier mit der frei­heitlichen Wirtschaft absolut fast eins zu eins wiedergefunden!


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 74

Da steht drin – ich habe mir nur das Wichtigste herausgeschrieben – die Senkung der Lohnnebenkosten, die radikale Senkung der Lohnnebenkosten.

Die Vereinfachung der Lohnverrechnung. – Wir Unternehmer rechnen 14 Steuerklas­sen für das Finanzamt aus; nicht das Finanzamt, sondern wir machen das. Opportuni­tätskosten werden hier nicht einberechnet.

Die Erhöhung des Gewinnfreibetrages.

Sehr interessant: der Entfall der Wertpapier-KESt für langfristige Investments. – Nur: Sie ist jetzt erhöht worden!

Was die Industrie braucht, ist ein Kapitalmarkt; die refinanzieren sich ja dort, die brin­gen dort ihr Eigenkapital auf. Wenn man jetzt die Kapitalertragsteuer auf 27,5 Prozent erhöht hat, dann ist das kontraproduktiv. Es gibt in der heutigen Zeit nichts Leichteres, als das Quantitative Easing, das von der EZB ausgeht, zu nutzen und bei dieser Ak­tienschwemme – das ist ja im weitesten Sinne auch eine Teuerung, eine Inflation – mit­zuschwimmen. Es gibt in der heutigen Zeit nichts Leichteres, als auf dem Kapitalmarkt Kapital zu generieren. Nein, das wird erschwert: Nein, das dürfen sie nicht! Hier wer­den die Dividenden belastet. Es ist nicht verwunderlich, dass die Unternehmen reihen­weise ins Ausland gehen, wenn auch nicht eins zu eins, so doch mit ihren Betriebs­stätten.

Interessant ist da auch, einen Pfad für die Industrie 4.0 zu finden. Das ist praktisch so­zusagen die vierte industrielle Revolution; das kann man jetzt noch nicht sagen, das kann man dann immer erst 20 oder 30 Jahre später schreiben. Aber es ist hier doch eine Automatisierungstechnik zu finden, dass die Industrie mitkommt. Das sind Invest­ments, das sind Investitionen, die gehören belohnt! Das sind Erweiterungsinvestitio­nen, dafür muss die Industrie auch einen Motivationsfaktor im Sinne von Steuerab­schreibungen lukrieren können. Wenn das nicht der Fall ist, wird es diese Automatisie­rungstechnik in dem Ausmaß, wie es sich diese Leitbetriebe vorstellen, leider nicht ge­ben können, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen.

Dazu gehört auch das Internet der Dinge – das ist ein lustiges Wort –, das sind die in­novativen Kräfte. Ich habe mir erlaubt, sie als die intelligenten Entitäten zu übersetzen, also dass die Objekte selber sprechen können. Das ist ein interessantes Thema in der Schweiz, das Hauptthema in der heutigen Zeit. Das wird auch von der Industrie ver­langt und wird notwendig sein, um hier wettbewerbsfähig zu sein. Das gehört umge­setzt. Aber ich gratuliere Ihnen wirklich zu dieser ganz tollen Broschüre. Wenn man das umsetzt, sind Sie praktisch ein perfekter Freiheitlicher, sehr geehrter Herr Vize­kanzler! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich komme noch zu einem zweiten Punkt, einem ganz anderen Thema, wenn ich mich dem ganz kurz widmen darf, und zwar ist es das Thema Wissenschaft. Wir haben heute über das „Haus der Geschichte“ gesprochen, das eigentlich ein Wissenschafts­thema ist und das vor allem die Wiener Universitäten und die Akademie der Wissen­schaften angeht, denn es ist Geisteswissenschaft, es ist Geschichtswissenschaft, und auch das ist Grundlagenforschung.

Ich darf in Erinnerung rufen – ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber ich tue es hiermit –, dass das Institut für Österreichische Geschichtsforschung direkt Ihrem Ministerium un­tersteht. Das sind also direkt Ihre Mitarbeiter, und zwar über 40 hoch angesehene und exzellente Universitätsprofessoren. Es ist mir nicht ganz verständlich, warum Sie die Bildung und die Darstellung des „Hauses der Geschichte“ Ihrem – sicherlich auch ge­schätzten – Kollegen Ostermayer überlassen, der das meiste an ausländische Forscher vergibt, die das „Haus der Geschichte“ in Österreich darstellen sollen.

Hier wäre es sicherlich angebracht, erstens Kosten zu sparen, weil diese Universitäts­professoren existieren. Und was gibt es Schöneres für Historikerinnen und Historiker,


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 75

als sich mit der eigenen Geschichte hier in Wien zu beschäftigen! Vielleicht ist das nur als Nachdenkprozess gedacht, aber hier sollten Sie bitte eingreifen. – Ich danke viel­mals. (Beifall bei der FPÖ.)

13.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


13.14.35

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Wirtschafts- und Wissenschaftsminister! Zuerst einmal Kompliment – im Gegensatz zum Erstredner –: Das ist ein sehr informativer Vorhabensbericht!

Ich möchte auch gleich einmal mit dem ersten Teil dieses Berichtes beginnen, mit der Wissenschaft. Da wird uns auch ein Kapitel präsentiert, das wir wahrlich als eine eu­ropäische Erfolgsgeschichte bezeichnen können: Das ist alles, was wir unter ERAS­MUS verstehen, ob ERASMUS+ oder all die verschiedenen Entwicklungen. Allein im Studienjahr 2012/13 haben 268 143 Studierende in Europa daran teilgenommen. Das ist eine Vertiefung Europas, wenn junge Menschen sich aufmachen und aufbrechen, in andere Mitgliedstaaten gehen, ein gemeinsames europäisches Bewusstsein und da­durch auch ein europäisches Wissen erwerben.

Interessant ist es, wenn man sich die Zahlen anschaut, weil Österreich da ein bisschen auffällt. Das unterstreicht wahrscheinlich auch – an den Wissenschaftsminister ge­sagt – die Attraktivität unserer Universitäten in Österreich, denn wenn wir uns von je­dem Mitgliedsland die Incoming und Outgoing Studierenden anschauen, dann fällt uns auf, dass es da einen Ausreißer gibt. Das ist das Vereinigte Königreich, wo derzeit 130 000 Studierende aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union nach Großbri­tannien kommen und knapp 10 000, nämlich 9 539 Studierende in andere Staaten ge­hen.

Aber dann ist bereits Österreich die Nummer zwei! Nämlich fünfeinhalbmal mehr Stu­dierende kommen nach Österreich, als von Österreich ausgehen. In diesem Studien­jahr sind 52 191 Studierende nach Österreich gekommen und 9 450 von Österreich ausgereist. Da fehlt jetzt nur mehr eines; an ERASMUS partizipieren ja nicht nur EU-Mitgliedsländer, sondern auch andere. Die Schweiz ist hier an zweiter Stelle mit 25 500 Studierenden, die in die Schweiz kommen, und 8 488, die aus der Schweiz ausgereist sind.

Wenn man das jetzt mit anderen Ländern vergleicht, zum Beispiel mit Irland: 5 000 kommen nach Irland, 16 700 gehen nach Europa. Oder Slowakei: 5 500 kommen in die Slowakei, aber 27 430 sind von der Slowakei zum Studium in andere Staaten gegan­gen. Das ist schon eine ganz interessante Entwicklung, die wir hier in Europa haben. Spanien, das gleicht sich aus: 40 000 gehen nach Spanien, 33 500 gehen von Spanien in andere Mitgliedsländer.

Interessant ist es, wenn man sagt: Okay, Österreich bekommt 52 000 Studierende, wie sieht das aus? Gibt es noch Staaten, die wesentlich darüber sind? – Nach Deutschland sind 117 000 Studierende gekommen, darunter auch viele Österreicher und Österrei­cherinnen; nach Frankreich 62 400.

Es gibt ja bei ERASMUS auch immer wieder eine Sorge über Braindrain: dass Stu­dierende irgendwo hingehen und dort hängen bleiben. Da zeigen die ersten Zahlen, die wir haben, dass das maximal 20 Prozent sind. Es fallen nur zwei Länder mit über 25 Prozent auf. Da finde ich es auch interessant, dass von Studierenden, die in die Tschechische Republik kommen, über 25 Prozent in der Tschechischen Republik blei­ben, und in Frankreich ebenso.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 76

Europa hat 268 000 Studierende, die in Bewegung sind, und wir sind ja auch in einem internationalen Konkurrenzverhältnis. China zum Beispiel hat im selben Zeitraum 694 000 Studierende außerhalb von China, oder Indien 189 000, Korea 123 000. Das zeigt, dass Europa mit diesem Programm einfach fit ist.

Was für mich auch wichtig ist, sind solche Debatten, die wir haben. Der frühere deut­sche Minister Julian Nida-Rümelin hat erst vor Kurzem das Buch „Der Akademisie­rungswahn“ veröffentlicht. Wie sieht das aus mit der Attraktivität der dualen Ausbildung und der Lehre? – Es gibt ja Studien, dass in Deutschland bis 2030 vier Millionen Fach­kräfte fehlen und gleichzeitig 1,7 Millionen akademisch Gebildete dazukommen. Ein ähn­liches Problem haben die USA, wo Obama sich bereits das duale Ausbildungssystem von Deutschland und Österreich ansieht.

Für uns ist es wichtig – das haben wir ja auch schon öfters diskutiert –, dass die duale Ausbildung in diese Mobilität hinein muss, weil sich dann auch das Image erhöht. Dazu müssen wir allerdings – Bologna macht es im Studienbereich möglich – Gleiches mit Gleichem vergleichen. Insgesamt ist das also eine sehr, sehr spannende Entwicklung, und auch die Weiterentwicklung, die hier vorgesehen ist.

Ich möchte jetzt noch drei Punkte aus dem Wirtschaftsbereich streifen. Der eine ist die Energieunion. Ja, es macht Sinn, Energie in Europa klüger zu nützen und hier auch Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels zu machen, das heißt Investitionen in den Bereich der Energie. Wir sprechen hier von erneuerbarer Energie, wir sprechen von Energieeffizienz, wir sprechen von neuen Leitungssystemen, neue Transportsys­temen. Das ist ein Wachstumsmotor in Europa, das schafft Arbeitsplätze, das schafft Energiesicherheit.

Die Sorgen sind immer wieder – das wissen wir auch, und das haben wir erst gestern im EU-Ausschuss im Zusammenhang mit Junckers Investitionspaket debattiert –, die Sorgen sind immer die: Wie wird hier die Nuklearenergie hineingepackt? Und wann steigen wir in Europa sozusagen aus der Kohle aus?

Nächster Punkt: Ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist der digitale Binnenmarkt Europa. Wir haben einen Strukturwandel der europäischen Wirtschaft. Wenn wir uns die Brutto-Mehrwertlinien anschauen, dann sehen wir, dass zum Beispiel, von der Gesamtwirt­schaft zur IKT-Wirtschaft, die IKT-Wirtschaft bereits das Doppelte ausmacht. Wenn wir – weil vorhin „Tourismus“ gefallen ist – zum Beispiel die IKT-Wirtschaft in Wien her­nehmen: Diese hat einen wesentlich höheren Mehrwert als der Tourismus in Wien. Der Tourismus in Wien ist wahrlich eine Festung, trotzdem liegt die IKT-Branche mit ihrer Beschäftigung, mit ihren Investitionen wesentlich höher.

Dass hier ein großes Feld ist – man rechnet mit bis zu vier Millionen neuen Beschäf­tigten durch diese IKT-Maßnahmen –, zeigt zum Beispiel, dass 30 Prozent der Euro­päerinnen und Europäer noch gar kein Internet nutzen. Mit dem Bau schneller Glasfa­sernetze und der Beseitigung von Problemen lässt sich Sicherheit schaffen, zum Bei­spiel Datenschutzsicherheit, aber wir erhöhen damit die europäische Wettbewerbsfä­higkeit.

Weil Gottfried Kneifel gerade da ist: Er hat sich, habe ich gesehen, bei der Digitalen Agenda Wien beteiligt. Diese Bürgerbeteiligung ist seit gestern wieder offen. 600 bis 800 Bürger und Bürgerinnen haben sich mit Vorschlägen beteiligt. Seit gestern ist das wieder offen, und man kann neue Ideen hineinnehmen.

Vor Kurzem hat sich die Regierung in Hamburg für eine Open Online University ent­schieden. Das sind alles neue Modelle, die Arbeitsplätze schaffen und vor allem Eu­ropa im Gesamtwettbewerb im Bereich der Wissens, aber auch im Bereich der Wirt­schaft stärken.


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Wo mich ja die Ablehnung der FPÖ am meisten wundert – Frau Präsidentin Zwazl wird mir jetzt zunicken –: Eines der wichtigsten Dinge, die in den letzten Jahren geschaffen worden sind, ist der sogenannte Small Business Act. Für Österreich und für seine KMU-gestützte Wirtschaft ist das sozusagen der Kuchen in diesem Programm. 2015 – und der EU-Ausschuss wird sich schon freuen, wenn wir hier die Vorlage bekommen – wird das neu aufgelegt. Da geht es darum, a) das umweltfreundliche Unternehmertum zu schaffen, eine umweltschonende Wertschöpfungskette, den verbesserten Zugang der KMUs zu den europäischen Märkten. Das ist ein Programm der laufenden Weiter­entwicklung, die die österreichische Wirtschaft mit der europäischen auf der KMU-Ba­sis verbindet, und das ist eines der ganz wichtigen Dinge.

An neuen Schwerpunkten zeigt es sich, dass das österreichische Modell zu wirken beginnt. Neben Ausbildung und Qualifikation sieht der Small Business Act jetzt die du­ale Ausbildung in Europa als ersten Schritt – was wir seit Jahren sagen – vor, und Österreich wird hier als Beispiel und als Vorbild genannt. Dazu kommt die Reduzierung der administrativen Belastungen. Dieser Small Business Act wird in der Neuauflage auch bald in den EU-Ausschuss kommen. Das alles sind Dinge, die 2015 in Angriff genommen und, so hoffe ich, teilweise auch realisiert werden. Dazu kommt das Klima- und Energiepaket.

Über eines rede ich jetzt nicht, denn darüber haben wir im EU-Ausschuss schon zu reden begonnen. Wir werden weiter darüber reden, und es wird eine öffentliche De­batte geben. Das sind natürlich die Freihandelsabkommen, die in diesem Bericht eben­falls ihre Erwähnung finden. Der EU-Ausschuss wird sich damit auch weiterhin noch ausführlichst beschäftigen.

In diesem Sinne, Herr Minister: Dieser Vorhabensbericht, so wie er dargestellt worden ist, aber auch, wie er bei der Europäischen Union, in dem Fall bei der Kommission als Schwerpunkt ankommt, ist der richtige Weg! Eine Ablehnung kann hier nur mehr ver­wundern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.26.30

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Das Los der Fast-Letztredner ist ja immer, dass man vieles weglassen muss, was man vorbereitet hat. Vieles wurde schon angesprochen.

Der Bericht ist sehr umfassend – herzlichen Dank an alle vom Ministerium, die daran mitgearbeitet haben! Da steckt sehr viel Arbeit drin. Aber er wirft meiner Meinung nach dennoch einige Fragen auf. Vielleicht können Sie auch zu diesen Fragen Stellung be­ziehen, sehr geehrter Herr Minister.

Das ist zunächst der letzte Punkt, den Kollege Schennach angesprochen hat: Was ist Ihr Zugang, Ihr letzter Stand zum Bereich des Freihandelsabkommens TTIP? – Hier gibt es aus unserer Sicht unterschiedliche Zugänge: das eine, was der Herr Bundes­kanzler gesagt hat, und den anderen Bereich, wie Sie sich dazu geäußert haben. Da gibt es meines Erachtens sicher noch einiges zu präzisieren.

Insbesondere gilt das deswegen: In dem Zeitalter, in dem wir leben und alle von Bür­gerbeteiligung und Transparenz sprechen, Verhandlungen hinter verschlossenen Tü­ren zu führen und letztendlich womöglich auch die Parlamente vor vollendete Tatsa­chen zu stellen, ist nicht State of the Art. Das wird sicher noch für massive Diskus­sionen sorgen, insbesondere auch, wenn man aus Umfragen, die europaweit getätigt


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worden sind, weiß, dass 30 Prozent der ÖsterreicherInnen, die daran teilgenommen haben, sowieso einmal gegen dieses Freihandelsabkommen sind. In Großbritannien sind es sogar noch mehr.

Dass hier Transparenz geschaffen gehört, liegt ganz klar auf der Hand. Es wird von 23. bis 28. April österreichweit und auch in anderen europäischen Städten Proteste und Kundgebungen gegen dieses Freihandelsabkommen geben.

Ich würde Sie ersuchen, dass Sie vielleicht auch die Gelegenheit nutzen, hier im Ple­num noch einmal dazu Stellung zu beziehen. Insbesondere gibt es ja von Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, die Aussage, bezüglich der ISDS-Konsultationsergebnisse müs­se es mehr als eine Diskussion geben, die Ergebnisse müssten berücksichtigt werden, Rechtschutzinteressen der Investoren und der Bürger müssten berücksichtigt werden.

Das klingt also nicht nach einem eindeutigen Nein, sondern eher danach: Schauen wir einmal, reden wir darüber, und machen wir ein bisschen Kosmetik! – Das zu dem einen Punkt.

Im Bereich der Wissenschaft gibt es auch sehr viele Fragen. Zum Beispiel im Bereich der Rot-Weiß-Rot-Card: Wie schaut es da mit den Verbesserungen und Erleichterun­gen aus? Werden da Anreize geschaffen? Wie schaut es mit der Mobilität aus Dritt­staaten aus? – Hier wäre sozusagen der europäische Blick beziehungsweise der euro­päische Vergleich auch sehr interessant. Eine Evaluierung wäre aus unserer Sicht not­wendig. Es gibt nach wie vor Probleme bei der Durchlässigkeit innerhalb des tertiären Sektors.

Wie schaut es mit den Beteiligung an internationaler Großforschungsinfrastruktur aus, wie wird diese auf der nationalen beziehungsweise auf der EU-Ebene geregelt?

Fragen über Fragen! – ich würde mir wünschen, dass wir diese hier beantwortet be­kommen. Nichtsdestotrotz werden wir natürlich diesem Bericht unsere Zustimmung er­teilen und ihn zur Kenntnis nehmen, aber er beinhaltet meines Erachtens doch die Punkte, die ich angesprochen habe. Vielleicht können Sie dazu noch kurz etwas sa­gen. – Herzlichen Dank. (Beifall der Bundesrätinnen Reiter und Adelheid Ebner.)

13.30


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mag. Zelina. – Bitte.

 


13.30.33

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident, danke für das Wort. Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Arbeitslosigkeit, Armut und Abwanderung sind das Resultat der Rekord­verschuldungspolitik und Rekordsteuerpolitik unseres rot-schwarzen Proporz- und Re­formverweigerungssystems. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Unsere Regierung verfolgt nachweislich eine Rezessionsstrategie. (Ruf: Wahlkampf !) Zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen brauchen wir aber genau das Gegenteil, näm­lich eine Wachstumsstrategie aus Innovationen, Investitionen und Internationalisierung. Und genau dafür steht das Team Stronach! (Oh-Rufe und Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Wir schaffen Rahmenbedingungen für neue Arbeitsplätze.

Das Thema Arbeitsplätze steht auch bei der Europäischen Kommission ganz oben auf der Agenda. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Die Situation auf dem österreichi­schen Arbeitsmarkt ist nicht schlecht – sie ist sehr schlecht. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir haben die höchste Arbeitslosenrate seit 1953. Offiziell meldet das AMS per März 2015 430 000 Arbeitslose. Rechnet man hier noch die Frühpensionisten und die Mindestsi­cherungsbezieher dazu, kommen wir auf 730 000 österreichische Arbeitslose, das ent-


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spricht einer Arbeitslosenquote von 14,8 Prozent. Das ist erschreckend. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik sieht anders aus. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Unser Sozialstaat ist nicht durch höhere Steuern und höhere Abgaben und auch nicht durch zusätzliche Schuldenaufnahmen absicherbar, sondern ausschließlich durch die Schaffung von Arbeitsplätzen im privaten Unternehmenssektor.

Öffentliches Verwaltungspersonal im Staatssektor kostet Steuergeld – Arbeitsplätze im privaten Unternehmenssektor bringen Steuergeld. Das ist der wesentliche Unterschied! (Präsidentin Zwazl übernimmt wieder den Vorsitz.)

Bei der Sicherstellung der Finanzierung unseres Sozialsystems, unseres Pensionssys­tems, unseres Gesundheitssystems und unseres Familienförderungssystems geht es nur um eines: um Arbeitsplätze im privaten Unternehmenssektor. Dafür müssen wir al­les tun, darauf müssen alle Reformen ausgerichtet werden!

Um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln, brauchen wir einen verstärkten Verkauf österreichischer Produkte, sowohl auf den EU-, Inlands- und Binnenmärkten, als auch auf den internationalen Auslandsmärkten durch verstärk­te Exporte.

Nur verstärkte Produktverkäufe führen zu steigenden Unternehmensinvestitionen, was zu weiterem Wirtschaftswachstum beiträgt, die Kaufkraft der Konsumenten erhöht und die Steuerkassen des Staates füllt.

Freihandelsabkommen öffnen uns neue Exportmärkte und sind daher generell zu un­terstützen. (Bundesrat Tiefnig: Weiß das der Steinbichler auch?)

Von der politischen Seite her müssen wir alles tun, um die Wettbewerbsfähigkeit Ös­terreichs sicherzustellen. Nur wettbewerbsfähige Qualitätsprodukte lassen sich interna­tional verkaufen. Österreich muss Produkte und Dienstleistungen erzeugen, die auch ohne Subvention und ohne Förderung für Käufer attraktiv sind.

Ein besseres Produkt zum besseren Preis wird sich im internationalen Wettbewerb im­mer durchsetzen. Wir brauchen großartige Qualitätsprodukte zu leistbaren Preisen, die für die Käufer von Nutzen sind. Wirklich erfolgreiche Unternehmen entstehen durch wirklich großartige Produkte. Wir müssen in Start-ups und Jungunternehmer investie­ren, wir müssen in Innovationen, in Erfindergeist, Kreativität, in Forschung und Wissen­schaft investieren. Wir brauchen innovative Nischenprodukte, die auf den Exportmärk­ten erfolgreich sind. Neue Produkte schaffen Wachstum und neue Arbeitsplätze.

Wollen wir Österreichs Wettbewerbsfähigkeit erhalten, müssen wir sämtliche Wettbe­werbsnachteile der österreichischen Unternehmen beseitigen. Wir haben hier drei Sen­kungsprioritäten.

Erstens: Die Gewinnsteuersätze für Unternehmen müssen gesenkt werden.

Zweitens: Die bürokratischen Aufwände für Wirtschafstreibende müssen gesenkt wer­den.

Und drittens: Die hohen Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden.

Das unternehmerische Risiko und das Schaffen von Arbeitsplätzen müssen abgegolten werden. Es muss attraktiver sein, sich selbständig zu machen, als angestellt zu sein, und nicht umgekehrt. Firmenverlegungen ins steuerlich günstigere Ausland sind zu ver­hindern. Unsere Unternehmen zahlen durch die 32 Prozent Lohnnebenkosten von sämt­lichen Bruttolöhnen bereits so hohe gewinnunabhängige Steuern, dass der Unterneh­mensgewinnsteuersatz gesenkt werden sollte – besonders dann, wenn die Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern im Unternehmen für weitere Investitionen und Arbeitsplät­ze verwendet werden.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 80

Wir vom Team Stronach fordern eine Senkung der Körperschaftsteuer auf Unterneh­mensgewinne von 25 Prozent auf 10 Prozent und eine Senkung der Lohnnebenkosten von 32 Prozent auf 25 Prozent der Bruttolöhne. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Zur Senkung der Lohnnebenkosten bedarf es Reformen bei den Pensionen, der Ab­schaffung sämtlicher Frühpensions- und Luxuspensionsprivilegien, Reformen bei der Gesundheit, der Zusammenlegung der Krankenversicherungen und Reformen bei der Verwaltung.

Im öffentlichen Dienst geht man in Österreich am frühesten in Pension, weist die meis­ten Kuraufenthalte auf und hat dreimal so viele Krankenstände wie in allen anderen Berufsständen. Das ist abzustellen! Das gilt auch für die Magistratsbediensteten in Wien – Herr Häupl – und für Landesbeamte in Niederösterreich. (Bundesrat Füller:  noch immer nicht fertig! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Auch die Ausgaben beim Familienlastenausgleichsfonds müssen wir unter die Lupe nehmen und optimieren. Wir haben in Österreich eine der höchsten Familienförderun­gen, die es international gibt. Unsere Unternehmen zahlen von jedem Bruttolohn ihrer Angestellten zusätzlich 4,5 Prozent in den Familienlastenausgleichsfonds zur Finanzie­rung unserer Familienförderungen ein. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Als Resultat liegt unsere Geburtenrate bei 1,4 Kindern pro Frau. Das ist so niedrig, dass wir auf Einwanderung angewiesen sind, um unser Pensionsumlagesystem auf­rechterhalten zu können. Die Geburtenrate in China liegt mit 1,66 Kindern pro Frau – und China ist ein Land mit strenger Geburtenkontrolle – höher als in Österreich. Da läuft einiges falsch in unserer Familienpolitik.

Zu hinterfragen ist auch, ob Kinderbeihilfenzahlungen an nichtbedürftige Gutverdiener tatsächlich notwendig sind. Beihilfen, egal, welcher Art, sollten grundsätzlich nur an Be­dürftige und nicht an nichtbedürftige Spitzenverdiener bezahlt werden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Spitzenverdiener brauchen keine Sozialhilfen, die merken nicht einmal, ob sie sie bekommen oder nicht. Das gilt auch für die Wohnbauförderungen. (Bundesrat Füller: Der Herr Vizekanzler hängt schon in den Seilen!)

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zur Finanzierung des EU-Fonds zur Schaffung von Arbeitsplätzen sagen!

Der Europäische Fonds für strategische Investitionen ist in Summe eine sehr spekula­tive Konstruktion. Der Fonds soll wirtschaftlich tragfähige EU-Projekte finanzieren, die wegen ihres hohen Risikos keine nationalen Investoren finden, also Projekte mit höhe­rem Risiko, mit höherem Risikoertragsprofil.

Dieser Fonds wird mit 21 Milliarden € Eigenkapital ausgestattet – 16 Milliarden € aus dem EU-Budget und 5 Milliarden € aus Rücklagen der Europäischen Investitionsbank. Diese 21 Milliarden € Eigenkapital werden anschließend mit Fremdkapital 15-fach ge­hebelt, um auf 315 Milliarden € Gesamtinvestitionsvolumen zu kommen.

Wie geht das? – Die Europäische Investitionsbank soll im ersten Schritt aus 1 € Eigen­kapitel durch Hinzufügen von 2 € Kredit 3 € Gesamtkapital machen.

Die Europäische Investitionsbank hat aber das Geld nicht, sie muss daher Anleihen vergeben, und die werden von der EZB, der Europäischen Zentralbank, gezeichnet. Die hat das Geld aber auch nicht, sie muss es drucken. Das schafft zusätzliche Infla­tionsrisiken.


Private Investoren sollen dann im zweiten Schritt für 1 € Europäisches-Investitions­bank-Gesamtkapitalvolumen fünfmal so viel Eigenmittel in Form von Fremdkapital oder Eigenkapital einbringen! Das muss aber erst einmal gelingen und wird nur durch zu­sätzliche Haftungsübernahmen zugunsten der privaten Investoren möglich sein.


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Präsidentin Sonja Zwazl: Geschätzter Herr Kollege, du hast heute schon einmal die Redezeit strapaziert. Du bist jetzt wieder so weit. Ich bitte dich, zum Schluss zu kom­men.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (fortsetzend): Alles klar! – In Summe: Der Europäische Fonds für strategische Investitionen ist also in Wahrheit ein extrem spekulatives Hedge­fonds-Instrument mit hohem, 15-fachem Fremdkapitalhebel, und dessen Risiken liegen abermals beim Steuerzahler.

Lassen Sie mich abschließend noch drei Forderungen stellen! (Zwischenruf des Bun­desrates Günther Köberl.)

Die EU-Investitionsprojektvorgabe muss transparent erfolgen.

Die EU-Investitionsprojekte sollen ökonomisch und ökologisch nachhaltig sein.

Investitionen und Förderungen von Atomkraftwerken und Nuklearprojekten durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen sind strikt abzulehnen.

Dem EU-Bericht stimmen wir inhaltlich in Summe zu. – Vielen Dank für die Aufmerk­samkeit.

13.41


Präsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


13.41.59

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anknüpfend an den Vorredner und auch an ein paar andere Redner darf ich schon bemerken: Was wir hier diskutieren, ist der EU-Vorhabensbericht. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

Die Vorhaben der Kommission in diesem Jahr, jene der Ratspräsidentschaften – ak­tuell Lettland, aber in diese Dreierkombination sind durch die vergangene Präsident­schaft auch Italien und durch die kommende Präsidentschaft Luxemburg eingebun­den – und diejenigen, die die jeweiligen Ministerien betreffen, werden zusammenge­fasst und dargestellt. Und um auch den Österreich-Bezug einzubringen, versuchen wir dann auch, auf die Auswirkungen auf Österreich und auf sonstige Konsequenzen hin­zuweisen. Das reflektiert – was Sie angesprochen haben – natürlich die jeweilige Mate­rie. Bestimmte Fragestellungen, beispielsweise im Tourismus, sind im EU-Bereich in den Verträgen nicht im gleichen Umfang geregelt wie andere Fragestellungen im Wirt­schaftsbereich.

Gleiches gilt natürlich auch für den Wissenschaftsbereich, der von der Kompetenzlage etwas schmäler aufgestellt ist als etwa der Energie- oder der schon vorher angespro­chene Wirtschaftsbereich. Aber das ist immer aus der Sicht der EU gesprochen. Daher: Wenn Sie Kritik anbringen wollen – beispielsweise Kollege Krusche – an dem, was wir tun, dann nehmen Sie den Universitätsbericht zum Anlass für eine Diskussion; der ist auch wesentlich detaillierter, was die österreichische Situation betrifft.

Ich kann natürlich Wissenschaft am Leobener Wesen diskutieren und sagen, an dem wird die Wissenschaft genesen. Das ist auch ein Zugang, aber er entspricht nicht wirk­lich dem, was im EU-Vorhabensbericht drinnen ist. (Bundesrat Krusche: Steht aber drinnen!) Auch Leoben ist positiv betroffen. Ich möchte ja Leoben durchaus als hoch­wertig qualifizieren. Aber genauso, wie Sie uns vorwerfen, Herr Kollege, dass im Tou­rismusbereich Allgemeinformulierungen drinnen stehen, kann ich auf EU-Ebene nicht damit argumentieren, dass ich sage: Nur jedes Kind, das schon in der Schule Ski fah­ren lernt, wird auch später vom Skifahren Gebrauch machen. Wo sollte ich das in einen EU-Vorhabensbericht einbringen? Welche Kompetenzlage soll ich damit berühren? Es


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ist eine wichtige Information, die Sie mir geben, aber sie hilft uns in der Information und in der Bewertung nicht weiter.

An sich glaube ich, dass die EU sehr wohl die Probleme erkannt hat, uns betreffen nämlich – Sie haben es richtig angesprochen – zwei Teile: Der eine ist die Wirtschaft im weiteren Sinn und der andere die Wissenschaft.

Was Wirtschaft anbelangt, steht im Vordergrund der EU-Bemühungen, dass man dort das Wachstum in Europa forcieren, aber auch die Umstrukturierung der jeweiligen Wirtschaften und auch der Gesellschaften vorantreiben möchte. Im Endeffekt haben es mittlerweile die meisten Staaten begriffen: Ohne entsprechende Reformmaßnahmen bei Pensionen, beim Arbeitsmarkt, bei anderen Strukturen werden wir die Zukunft nicht bewältigen. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Jeder blickt nach Spanien, jeder blickt nach Portugal, nach Irland, nach Frankreich, Ita­lien, teilweise sogar nach Griechenland. Also das ist der Fokus, unter dem die ganze Tätigkeit steht: gewissermaßen ein Neuanfang in manchen Bereichen.

Um das zu unterstützen, hat die EU im Bereich Wirtschaft den schon angesprochenen Juncker-Plan in Vorbereitung. Das ist kein Konjunkturplan, sondern es ist ein Investi­tionsplan, mit dem man bestimmte Strukturvorhaben vor allem im Bereich der Infra­struktur forcieren möchte.

Das Risiko, das man mit einem derartigen Vorhaben hat, dass man mit relativ wenig Geld, also 21 Milliarden, relativ viel hebeln möchte, um Investoren zu gewinnen, ist si­cherlich gegeben, aber der Versuch ist auch aus Expertensicht interessant. Ich glaube schon, dass wir damit die Bremse im Bereich der Investitionen, die momentan gezogen ist, auch wirklich lösen können. Daher ist der sogenannte EFSI, also der Europäische Fonds für strategische Investitionen, ein Schwerpunkt der gerade aktuellen EU-Tätig­keit.

Es ist angesprochen worden, dass wir darüber hinaus noch andere Schwerpunkte ha­ben, die ich jetzt wirklich nur kursorisch anmerken darf, die aber teilweise heute in der Diskussion noch nicht erwähnt worden sind, zum Beispiel die Energieunion.

Die Energieunion ist ein Reflex, eine Gegenmaßnahme gegen die Versorgungsproble­me, die wir, beginnend mit der Ukraine-Krise, jetzt mit der Russland-Ukraine-Krise, ha­ben, und soll einfach die europäische Zusammenarbeit im Bereich Energie, was Effi­zienz, was erneuerbare Energien, was Systeme anbelangt, entsprechend verbessern. Das Problem dabei ist wie immer die Nuklearenergie, weil genau die aus unserer Sicht – genauso wenig wie beim Juncker-Plan – nicht der Verbesserungsansatz sein sollte.

Sehr richtig ist, was den digitalen Binnenmarkt anbelangt, der Schwerpunkt, der natür­lich die Welt und die Konkurrenzfähigkeit verbessern sollte. Auch da haben wir ent­sprechende Schwerpunkte, was Österreich anbelangt, und liegen bei E-Government und anderen Dingen im Spitzenfeld.

Weil Sie, Herr Kollege Pisec, das lobend erwähnt haben – ich habe zwar einen be­stimmten Zynismus herausgehört, als Sie die Leitbetriebe-Strategie erwähnt und ge­sagt haben, das sei wunderbar, das unterstützen Sie auch –: Das ist sozusagen eine österreichische Ableitung aus den gesamten Vorhaben, aber da wären Maßnahmen drinnen, die man jetzt, mit der Steuerreform, nicht hätte machen sollen, gerade was die Dividendenbesteuerung und anderes anbelangt. In dem Punkt haben Sie nicht ganz unrecht. Da ist aber eine Fülle von Maßnahmen drinnen, die wir in Krems beschlossen haben, nämlich 15 Maßnahmen von 20, die genau in diesen Bereich der Leitbetriebe-Strategie gehen. Da ist unter anderem das Crowdfunding enthalten. Da ist unter ande­rem die entsprechende Prämienerhöhung enthalten, was Forschung anlangt – von 10 Pro­zent auf 12 Prozent –, und eine Reihe anderer Maßnahmen, insgesamt 15.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 83

Ich sende Ihnen gerne einen Bericht, in dem wir auch die Aufarbeitung der Leitbetrie­be-Strategie mit konkreten Maßnahmen illustrieren, denn im Endeffekt sind Anspruch und Wirklichkeit zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich habe von einem Bericht nichts, wenn er nicht mit Leben erfüllt wird. Daher: In dem Bereich sind wir sehr zielstrebig un­terwegs, und das möchte ich Ihnen auch beweisen. Dass dort natürlich auch die Breit­bandmilliarde und anderes mitlaufen, ist keine Frage.

Ich möchte jetzt, um nicht die Zeit zu strapazieren, nicht alle Bereiche detaillieren, aber schon auf die Freihandelsproblematik eingehen, weil da immer unterstellt wird, dass Österreich eine gespaltene Zunge oder eine unterschiedliche Linie hat. Ich darf Ihnen meine Position – und ich leite das zuständige, koordinierende Ministerium – wie folgt darstellen: Ich sehe in einem Freihandelsabkommen für ein Land, das 60 Prozent Ex­portquote hat, einen Ansatz, eine Wirtschaftskrise zu bewältigen. Wir haben in der Ver­gangenheit Hunderte derartige Abkommen gehabt, und bisher sind sie positiv gewe­sen, und sie werden auch in Zukunft positiv sein, wenn ein derartiges Abkommen gut gemacht ist.

Da ist das Problem im Vergleich zu anderen Abkommen, dass wir jetzt mit Kanada, mit CETA, und auf der anderen Seite mit den Vereinigten Staaten, mit TTIP, praktisch mit zwei entwickelten Industriestaaten Abkommen treffen, während die anderen eher asym­metrische Abkommen mit Ländern waren, die meistens nicht die gleiche Wirtschafts­kraft gehabt haben wie die Europäische Union.

In diesem Zusammenhang meine ich, dass die EU einige Fehler gemacht hat, was die Vorgangsweise anbelangt: Die mangelnde Transparenz war ein solcher Fehler. Das hat man mittlerweile korrigiert und Einschau geboten, was die Verhandlungsmandate und anderes anbelangt. Sie werden in dem Zusammenhang niemals finden können, dass Verhandlungen öffentlich durchgeführt werden.

Das gibt es im Firmenbereich nicht und sonst auch nicht. Aber es gibt Konsultationen über den jeweiligen Verhandlungsstand, bei denen auch die Parteien, die NGOs einge­bunden sind.

Mir ist aufgefallen, dass es dann derjenige, der Einblick nimmt, als relativ unspektaku­lär empfindet, was da bislang an Materialien vorhanden ist. Die Defizite bezüglich der Transparenz hat man meines Erachtens korrigiert, und man sollte bei zukünftigen Ver­handlungen noch stärker Rücksicht darauf nehmen.

Der zweite Punkt war die Frage der Standards. Es wird uns erzählt, dass wir Hormon­fleisch, Chlorhühner und gentechnisch verseuchte Produkte in Österreich haben wer­den, wenn wir dieses Abkommen machen. Da hat die Kommissarin – aber nicht nur die Kommissarin, sondern auch andere – uns, dem Umwelt- und Landwirtschaftsminister und mir, definitiv erklärt, dass das wegen des sogenannten „right to regulate“ nicht mög­lich ist. Jedes Land hat die Möglichkeit, seine Standards selber festzuschreiben. Daher müssen wir keine Sorge haben, denn wir können das selber regulieren. Wenn wir keine gentechnisch gestalteten und veränderten Produkte haben wollen, können wir das re­geln. Das wird im Text auch noch entsprechend zu beleuchten sein, denn ich kenne den Einwand einiger NGOs, die sagen, dass das irgendwo in der Präambel steht. Nein, das wird etwas konkreter formuliert und auch nachprüfbar formuliert sein.

Dann bleibt der dritte Punkt, der alle zu entsprechenden Missfallenskundgebungen ver­anlasst, all jene, die sagen, dass sie Investitionsschutz und Schiedsgerichte nicht brau­chen. Schiedsgerichte würden die regulären Gerichte konkurrieren und die Rechts­staatlichkeit, die Demokratie und anderes unterwandern. Da wird immer ein National­ratsbeschluss vom 24. September 2014 zitiert, in dem zu dem Punkt Schiedsgerichte und ISDS – ISDS ist ja der Investitionsschutz und Schiedsgerichte sind das Verfahren dazu – drinnen steht, dass der Nationalrat zum damaligen Zeitpunkt, also dem 24. Sep-


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tember, die Sinnhaftigkeit von derartigen Abkommen nicht entsprechend bewerten kann – CETA und TTIP werden dabei zitiert.

Das ist sehr frei gesprochen, aber es kommt dem, was ich da erwähnt habe, fast zu 100 Prozent nahe. Das heißt im Klartext aber, dass der Nationalrat nicht gesagt und keinen Auftrag an die Bundesminister erteilt hat: Das Thema darf nicht verhandelt wer­den. – Der Nationalrat hat gesagt: Wir können es nicht beurteilen. Daher wird eine Po­sition, die im Jahr 2015 oder 2016 zu diesem Thema vorliegt, wahrscheinlich vom Na­tionalrat noch einmal beurteilt werden müssen – ob das etwas Positives oder etwas Negatives oder wie auch immer ist.

Ich sage, dass es wahrscheinlich beurteilt werden muss, denn die Frage, ob es ein gemischtes Abkommen ist, das tatsächlich auch im Nationalrat behandelt wird, wird erst am Schluss, wenn der Text vorliegt, endgültig bewertet werden können. Die ent­scheidende Frage ist, ob es nur die Handelskompetenz betrifft, denn dann ist die Kom­petenz der EU-Kommission für den Abschluss gegeben. Wenn andere Fragen berührt werden, ist die Kompetenz des Nationalrats gegeben.

All das wird in der heimischen Diskussion nicht wirklich berücksichtigt. Ich sage Ihnen, warum es nicht berücksichtigt wird: weil natürlich nicht alle daran Interesse haben, dass man die Konkurrenz da und dort auch ausweitet. Und Sie können sich an den In­seraten, den Darstellungen und anhand dessen, wer sich meldet, auch mehr oder we­niger genau ein Bild darüber machen, wer wirkliches Interesse hat, dass wir mehr Wettbewerb – und damit mehr Arbeitsplätze – oder weniger haben – was interessant ist.

Gesagt wird dann immer: In Österreich schützen das Wirtschaftsministerium und sons­tige die Großkonzerne. – Das ist unrichtig. Großkonzerne machen von diesem ganzen Investitionsschutzabkommen in der Regel kaum Gebrauch. Aber es macht natürlich einen Unterschied, ob man als Klein- und Mittelbetrieb in Amerika zu einer Jury im Privatbereich gehen muss – also praktisch zivilgerichtlich klagen, entsprechende Kau­tionen hinterlegen und sich dorthin begeben muss – oder irgendwo in Europa einen entsprechenden Schiedsgerichtsmechanismus hat, den man wesentlich bequemer in Anspruch nehmen kann, wenn dort die Rechtsstaatlichkeit und profimäßige Besetzung mit Richtern gegeben ist.

Da sind wir genau bei den Punkten, die Sie zitiert haben. Ich habe die Frau Kommis­sarin gebeten, wenn wir schon ein Konsultationsverfahren auf der EU-Ebene machen, bei dem es 43 000 österreichische Einwendungen gab, dass die Einwendungen dann in der Qualität der weiteren Verhandlungsschritte ihren Niederschlag finden müssen – was sie auch tun. Das ist genau das, was Sie gesagt haben: Na, so sicher bin ich mir nicht. – Genau das ist der entsprechende Punkt, den wir auch darstellen werden.

Wenn Sie immer noch unsicher sind, ob das etwas Ordentliches ist, das uns weiterhilft oder nicht, dann lesen Sie die Berichte der APA, glaube ich – aber es waren auch in anderen Zeitungen Berichte –, von gestern. Wenn 28 Staaten in Europa im Prinzip über­all eine klare Meinung haben: Ja, eigentlich sollte uns das – noch einmal der Hinweis: gut gemacht – nutzen, und wir wollen den schnellen Abschluss! – auch unser Bundes­kanzler hat mitgestimmt –, dann werden wir uns fragen müssen, ob wir in Österreich al­lein die einzig richtige Position haben, wenn wir Nein sagen.

Das muss jeder für sich bewerten, aber ich erzähle dann immer den folgenden Witz – er ist schon ein bisschen abgegriffen, trifft aber ganz gut die gesamte Problematik –: Sie kennen das, wenn einer im Auto sitzt und im Radio hört: Geisterfahrer auf der A 1 unterwegs. Der sagt dann: Was, ein Geisterfahrer? Hunderte! – Und so ähnlich kommt mir das vor, wenn wir sagen: Was, die sind dafür? Im Endeffekt liegen ja alle falsch! – Überlegen Sie selber, prüfen Sie es nach, schauen Sie es sich an! Sie werden dann vielleicht da und dort die Meinung revidieren.


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Trotzdem aber noch ein paar Worte zum Bereich Wissenschaft. Ich meine, der Wis­senschaftsbereich ist eminent wichtig, ist für uns, wenn wir uns die F & E-Quote von 2,9 Prozent anschauen, eine entscheidende Frage, wie wir die Zukunft bewältigen können. Wir haben vorher schon darüber geredet, dass die Finanzierung des FWF und anderer ausreichend gegeben ist. Es könnte noch mehr sein, aber deswegen muss niemand seinen Job verlieren. Wir haben Zukunft – und wo können Sie es ersehen, ob wir eine gute Zukunft haben oder nicht? – Dort, wo wir beim Programm Horizon 2020 erfolgreich sind oder nicht. Da sind wir, was ERC-Grants – das ist die Einwerbung von europäischen Projekten – anbelangt, an vierter Stelle in Europa. Die europäische For­schung ist also kompetent. Die europäische Forschung ist quantitativ und qualitativ – von Österreich her gesehen – in der Lage, entsprechende Projekte zu lukrieren. Das spricht aber auch für uns selber.

Auf der anderen Seite ist das Argument, wir hätten nur Braindrain und alles gehe weg, einfach nicht richtig. Kollege Schennach hat ja ausführlich gezeigt, wie die Going-out- und Going-in-Darstellung ausschaut. Im Endeffekt haben wir eine Bilanz, die wirklich sehr erfolgreich ist. Österreich ist nicht nur geografisch, sondern auch von der gesam­ten Forschung her eine durchaus gute Drehscheibe.

Wenn man das alles in allem nimmt und sich dann auch die Infrastruktur anschaut, dann brauchen wir natürlich als kleines Land die internationale Zusammenarbeit – was wir auch tun und was wir auch belegen können. Das gibt im Wesentlichen der Bericht wieder.

Die Europäische Union gibt – abgesehen von den Grand Challenges, bei denen man sagt, dort sollten wir Problemlösungen bieten: bezüglich CO2, Ernährungssicherheit und was auch immer für die gesamte Bevölkerung – auch den Rat: Arbeitet doch bei den Strukturen und grenzübergreifend mehr zusammen! Also im Endeffekt: Tut das, was Forschung und Wissenschaft immer taten: international agieren! – Das wird im Be­richt wiedergespiegelt, nicht mehr, aber auch nicht weniger. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

13.57

13.57.20

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.58.0512. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (479 d.B. und 519 d.B. sowie 9341/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Dazu begrüße ich recht herzlich Frau Bundesminister Dr. Karmasin. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Pum. Bitte um den Bericht.

 


13.58.42

Berichterstatter Ing. Andreas Pum: Frau Präsidentin! Frau Minister! Geschätzte Kol­legInnen! Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 86

Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fami­lienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird.

Aufgrund der weitreichenden Beschlussfassung darf ich hier einen kurzen inhaltlichen Einblick geben: Wenn anlässlich der Geburt sämtliche Anspruchsvoraussetzungen und alle erforderlichen Personenstandsdaten vorliegen, wird in Zukunft die Möglichkeit er­öffnet werden, die Familienbeihilfe automationsunterstützt zu gewähren, ohne dass ein Antrag gestellt werden muss. Die Kosten für die technische Umsetzung betragen ein­malig 784 540 €.

Ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte.

 


14.00.04

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe es als einen ganz wichtigen Schritt an, dass wir diese Gesetzesänderung heute im Bundesrat behandeln. Bevor ich aber auf diese eingehe, möchte ich noch ein paar Themen in Erinnerung rufen, die ei­gentlich gerade auch im letzten Jahr passiert sind.

Es ist knapp ein Jahr her, dass auch wir hier im Bundesrat die Erhöhung der Fami­lienbeihilfe beschlossen haben – eine Erhöhung, die es auch im Jahr 2016 und 2018 geben wird –, sowie eine Bezugskreiserweiterung, vermehrte Unterstützung für Fami­lien mit behinderten Kindern und vor allem natürlich die monatliche Auszahlung der Familienbeihilfe, was ein ganz wichtiger Schritt war. Ebenfalls im Vorjahr ist die klare Ausbauoffensive der Kinderbetreuung beschlossen worden. Ich bin der Überzeugung, dass wir genau mit diesem ausgewogenen Mix aus Geld- und Sachleistungen auf dem richtigen Weg sind, um Familien wirklich bestmöglich zu entlasten.

Nicht zuletzt wurden kürzlich mit der Steuerreform ganz klare Zeichen in Richtung Fa­milien gesetzt, sei es mit den neuen Steuertarifen, mit den erhöhten Absetzbeträgen oder dem verdoppelten Kinderfreibetrag. Das sind einfach Bereiche, von denen Fami­lien ganz klar profitieren. Vor allem war es eine Reform, bei der rund 1,8 Milliarden € explizit für Familien bereitgestellt wurden – ich glaube, das war schon ein ordentliches Paket, das man in den vergangenen Monaten für unsere Familien beschlossen hat.

Heute erfolgt der nächste Schritt dazu. Wie im Bericht erwähnt wurde, ist ab Mai 2015 eine antragslose Familienbeihilfe möglich, wenn die Voraussetzungen und die Daten vorhanden sind. Natürlich ist es wahrscheinlich einfacher, wenn es schon ein älteres Kind gibt, für das zuvor Leistungen bezogen worden und somit alle Daten da sind. Soll­te aber etwas fehlen, werden die Familien aktiv mit der Bitte um Ergänzung der Daten angeschrieben, und sobald diese eingelangt sind, wird die Familienbeihilfe sofort aus­gezahlt.

Möglich ist zudem in Zukunft – das haben wir in der Ausschusssitzung besprochen – eine Auszahlung, auch wenn kein Konto vorhanden ist, also eine Barauszahlung. Da­bei wurde im Rahmen der Ausschussverhandlungen festgestellt, dass das natürlich mit erhöhten Kosten verbunden ist. Davon profitieren 80 000 Familien.

Ich finde es unglaublich wichtig, dass da ein Zeichen gesetzt wird, dass sich Familien einfach Zeit sparen, das Ausfüllen von Anträgen sparen und Behördengänge sparen. Ich glaube, jede Zeit, die man sich gerade am Anfang, wenn ein Kind auf die Welt kommt, dabei sparen und stattdessen in die Familie investieren kann, ist ganz wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 87

Aber es ist nicht nur für Familien eine Erleichterung, sondern macht auch die Verwal­tung effizienter. Genau deswegen ist diese Gesetzesänderung heute für mich ein ganz großer Schritt, denn es entsteht jetzt die Situation, dass der Staat wirklich von sich aus Geldleistungen übermittelt, ohne dass man davor einen Antrag stellen muss – das halte ich wirklich für ein ganz klares Zeichen von Reformgeist und Innovation. Dass das gelungen und gemeinsam entstanden ist, dazu darf ich Bundesministerin Karmasin und Finanzminister Schelling wirklich gratulieren. Ich glaube, das ist ein ganz klares und wichtiges Zeichen an die Bevölkerung in Österreich.

Wir wissen aber natürlich, dass mit diesem Schritt nicht alles gelöst ist. Es gibt auch in Zukunft noch Themen, für die man sich gerade in diesem Bereich einsetzen muss. Mir ist es aber schon ein Anliegen, dass wir es auch so sehen, nämlich als einen weiteren Schritt aufbauend auf viele, die in der Vergangenheit schon gesetzt worden sind. Und ich bin wirklich davon überzeugt, dass man genau diesen Weg so weitergehen wird.

Ich bin auch deswegen davon überzeugt, weil wir wissen, dass es unserer Familien­ministerin ein Herzensanliegen ist, in diesem Bereich weiterzukommen, mit dem Ziel, das familienfreundlichste Land Europas zu werden. Es ist ein Weg, der für die Familien in Österreich, vor allem für die Kinder in Österreich, ganz wichtig ist, denn sie sollten immer im Mittelpunkt stehen. Deswegen ist es auch für mich ein Weg, den wir aus ganzem Herzen unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

14.04


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 


14.05.01

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren hier im Plenum! Mit der heuti­gen Novelle fassen wir einen Beschluss – wie wir schon gehört haben –, damit unsere Familien die Familienbeihilfe bekommen, ohne extra einen Antrag stellen zu müssen, ohne den Weg zum Finanzamt oder in das Internet auf sich zu nehmen, ohne viel Vor­lagen und Nachweise zusammenzusuchen.

Die Familienbeihilfe ist ja nichts Neues. Es gibt sie in Österreich bereits seit 60 Jahren, und für uns ist sie heute eine Selbstverständlichkeit. Es ist für uns auch eine Selbst­verständlichkeit, dass diese auf das Konto der Mütter überwiesen wird.

Mit 1. Jänner 1955 trat der allgemeine Familienlastenausgleich in Kraft. Es handelt sich dabei um eine direkte Transferleistung, also eine Geldleistung, mit welcher die Kosten der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern ausgeglichen werden sollen. Damit wurden die Leistungen auf alle Familien mit Kindern im Rahmen von zwei Rechtsquellen, dem Kinderbeihilfengesetz und dem Familienlastenausgleichsgesetz, ausgedehnt. Davor wurde eine Kinderbeihilfe ausschließlich für Kinder von nicht selb­ständig Erwerbstätigen ausbezahlt, die durch einen Lohnverzicht die Mittel für den Fonds aufbrachten. Die Zusammenfassung dieser beiden Gesetze in eine gesetzliche Grundlage für den Familienlastenausgleichsfonds bildet das 1967 beschlossene Fami­lienlastenausgleichgesetz, das uns heute zur Änderung vorliegt.

Mit einer großen Anzahl von Novellen wurde in der Folge den jeweiligen Änderungs­notwendigkeiten Rechnung getragen. Seit dem Bestehen wurde und wird die Familien­beihilfe also ständig weiterentwickelt. Eine Änderung war zum Beispiel 1973 die Ein­führung einer zusätzlichen Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder, 1981 wurde die Mehrkinderstaffel aufgehoben, dafür wurde eine Altersstaffel für Kinder über zehn Jahren eingeführt.


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Im Jahre 1986 gab es den Beschluss, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe auch für arbeitslose Jugendliche bis zum 21. Lebensjahr besteht, wenn kein Anspruch auf Ar­beitslosengeld besteht. 1992 wurde eine Einführung einer weiteren Altersstaffel der Familienbeihilfe für Kinder über 19 Jahren beschlossen, im Wesentlichen für Studie­rende. Und wir haben wahrscheinlich fast vergessen, dass seit 1993 die Möglichkeit besteht, dass die Auszahlung der Familienbeihilfe direkt an die Mütter erfolgt. Bis dahin wurde sie fast automatisch an das sogenannte Familienoberhaupt, den Vater, ausbe­zahlt, obwohl wir schon 1975 hier beschlossen haben, dass die Frau vor dem Gesetz gegenüber dem Mann gleichberechtigt ist.

Ab 1. Mai 2015 soll es mit der heutigen Novelle nun möglich sein, eine elektronische Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen aufgrund bereits bestehender Datenflüs­se durchzuführen. Das heißt, dass die Daten vom Finanzamt über das Zentrale Perso­nenstandsregister, mit dem die Standesämter jetzt arbeiten, geholt werden, und die Auszahlung dann automatisch erfolgt, wie meine Kollegin schon gesagt hat.

Diese Novelle bringt einen Bürokratieabbau für unsere Bürgerinnen und Bürger, sie er­spart den Eltern einen Behördengang, und durch die Nutzung der neuen Technologie ist auch mit einer Verringerung des Verwaltungsaufwandes zu rechnen. Es könnte an­fangs sicher noch zu einigen Risiken und Schwierigkeiten kommen, da das – wie wir im Ausschuss gehört haben – ein sehr komplexes Hintergrundthema ist.

Nach der Erhöhung der Familienbeihilfe und der Einführung der monatlichen Auszah­lung ist es ein weiterer kleiner Schritt in Richtung Familienfreundlichkeit und eine Qua­litätsverbesserung für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Wenn man sich den kürzlich präsentierten Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendge­sundheit in Österreich ansieht, erkennt man, wir sind leider noch ein Stück weg von ei­nem familienfreundlichen Österreich. Laut diesem Bericht leben hierzulande 124 000 Kin­der und Jugendliche in Armut, und weitere 150 000 sind von Armut bedroht. Und es ist zudem bekannt, dass sich materielle Nachteile nicht nur auf die Gesundheit auswirken, sondern auch auf zahlreiche weitere Lebensbereiche wie die Bildung – und das meist ein Leben lang. Je früher, je schutzloser und je länger die Kinder der Armut ausgesetzt sind, desto stärker sind die Auswirkungen.

Dieser heutige Beschluss ist also ein kleiner Mosaikstein auf einem langen Weg für ein familienfreundliches Österreich. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

14.09


Präsidentin Sonja Zwazl: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


14.10.06

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Von meinen beiden Vorred­nerinnen ist schon viel gesagt worden, und es ist ja auch alles richtig. Ich freue mich auch, dass Familien Zeitersparnis haben – es kann sein, dass das nur eine halbe Stun­de ist, vielleicht wird es mehr sein, wenn man den Behördengang miteinrechnet –, und die gönne ich ihnen auch, denn ich finde das immer positiv, wenn man mehr Zeit für die Familie hat.

Ihr hört es schon, das Aber kommt, es folgt auf dem Fuße: Ich glaube auf der anderen Seite, dass die Familien diese halbe Stunde durchaus gerne opfern würden, wenn – was wir hier schon öfter besprochen haben, und um auch auf die Kollegin Köberl ein bisschen zu replizieren – die Familien mehr Geld hätten. Das ist halt das Problem. Ich weiß schon, dass es Budgetknappheit gibt, aber trotzdem: Es wird immer bei den Fa-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 89

milien gespart. Wir haben keine jährliche Anpassung der Familienbeihilfe, wie wir es aber für richtig erachten würden, wir haben keine Anpassung des Kinderbetreuungs­geldes an die Inflationsrate, was wir – übrigens nicht nur wir, sondern auch Parteikolle­gInnen von Ihnen, Frau Minister – auch schon seit Langem fordern.

Wir fordern auch, um später den Frauen mehr Pension zukommen zu lassen, dass man diese Regelung aufhebt, wonach vier Jahre Pensionsanrechnungszeiten nur dann zum Tragen kommen, wenn Kinder im Abstand von vier Jahren geboren werden. Auch Ihre Parteikollegin Abgeordnete Schittenhelm hat übrigens schon gefordert, dass es die vollen vier Jahre geben sollte, auch wenn die Abstände zwischen den Geburten der Kinder geringer sind. – Das sind also Forderungen, mit denen wir ja gar nicht alleine dastehen, wo auch Ihre ParteikollegInnen das durchaus so sehen.

Wir haben schon Anträge dafür gestellt, dass bei den Vorrückungen die Karenzzeiten mitberücksichtigt werden, denn auch das ist so eine Falle, wo die Frauen dann am En­de weniger Geld haben – was man auch durchaus sehen kann, wenn wir uns darüber unterhalten, wie weit die Lohnschere auseinandergeht –, wo vielleicht Linderung ge­schaffen werden könnte. Die Aufhebung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreu­ungsgeld ist auch eine langjährige Forderung von uns, aber eben nicht nur von uns. – Das alles wären Dinge, über die sich die Familien, glaube ich, mehr freuen würden als über die Zeitersparnis, die sie durch das Nichtausfüllen von Formularen beziehungs­weise durch das Wegfallen des Ganges zur Behörde hätten.

Hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes stelle ich jedes Mal mit großer Verwunderung fest: Jede noch so kleine Verbesserung beim Verwaltungsaufwand ist für Sie ein Mei­lenstein. Sie haben ja selber gesagt, das ist eine beachtliche Verwaltungsvereinfa­chung und eine beachtliche Effizienzsteigerung. Ja, es ist eine Verwaltungsvereinfa­chung, ich will das ja gar nicht kleinreden, aber es ist nicht diese gewaltige Verände­rung, es ist ein kleiner Stein auf dem Wege zu einer Verwaltungsvereinfachung und zu einer Verschlankung dieses Staates.

Was die Drittstaatsangehörigen anbelangt, haben Sie ja gesagt, es wird dafür gesorgt und es wird auch klappen, dass die Datenverknüpfungen der einzelnen Behörden auch tatsächlich sichergestellt sind, sodass man prüfen kann, ob der Anspruch auch tat­sächlich besteht. Wir hoffen sehr, dass das auch klappt. Wir werden uns das sehr ge­nau anschauen, aber wir werden dieser Novellierung jetzt unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

14.13


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


14.14.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde von meinen Vorrednerinnen schon gesagt. Kollegin Mühlwerth, ich sehe es schon so, dass Öster­reich ein sehr familienfreundliches Land ist, wo es sehr viele Leistungen gibt, von de­nen man in anderen Ländern nur träumen kann. Wir sind aber bei Weitem nicht dort, wo wir meines Erachtens sein sollten.

Wir haben es auch schon in den vorhergehenden Bundesratsdebatten deponiert – wo Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, auch gesagt haben, dass wir nicht nur im Bereich der finanziellen Unterstützung etwas machen müssen, sondern eben auch im Bereich der Angebote –, und auch ich glaube, dass es sicher noch Verbesserungsbedarf gibt. Da bin ich vollkommen bei Ihnen, sehr geehrte Frau Kollegin, aber wir sind sozusagen auf einem guten Weg.


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Dass die vorliegende Materie begrüßenswert ist, zu einer Verwaltungsvereinfachung führt, das liegt ganz klar auf der Hand, das gehört unterstützt: Wenn man die Perso­nenstandsregister abgleichen und auch auf das Fremdenregister zugreifen kann, um zu sehen, ob jemand anspruchsberechtigt ist, passt das vollkommen.

Kollege Zelina hat in seinem letzten Redebeitrag etwas gesagt, das ich jetzt aufgreifen möchte. Wenn ich dich richtig verstanden habe, hast du gemeint, dass jene, die gut verdienen, keine Förderungen und Zusatzleistungen bräuchten. Wir können darüber diskutieren, was „gut verdienen“ heißt, aber eines kann ich, glaube ich, mit großer Si­cherheit sagen: Wenn wir im Bereich des Mittelstandes die Familienbeihilfe oder das Kinderbetreuungsgeld weglassen, dann haben wir viel mehr als arm eingestufte Leute und Familien oder solche im Bereich der Armutsgefährdung, als wir jetzt mit diesen Un­terstützungsleistungen haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Abgesehen vom Verwaltungs­aufwand!) – Genau, davon einmal abgesehen.

Und gerade ich, der ich in meinem Zivilberuf als Sozialarbeiter tätig bin, kann Ihnen wirklich ein Lied davon singen, wie wichtig dieser Betrag ist, um die Familie überhaupt bis zum Monatsende durchbringen zu können. Das betrifft bei Gott nicht lauter Perso­nen und Familien, die an der Armutsgrenze dahinschrammen, sondern auch mittelstän­dische Familien, in denen Vater und Mutter arbeiten, aber die Frau zum Beispiel teil­zeitbeschäftigt ist, da es ja in gewissen Bereichen fast keine Vollzeitjobs mehr gibt, sprich im Handel und so weiter, aber auch im Sozial- und Gesundheitsbereich sind nur mehr Teilzeitbeschäftigungen mit 20, 30 Wochenstunden üblich.

Da ist es dann schwierig, mit einem oder eineinhalb Gehältern eine Familie durchzu­bringen. Für diese Familien ist es daher von besonderer Bedeutung, dass sie die Fami­lienbeihilfe erhalten, um sozusagen noch eine zusätzliche finanzielle Überbrückung bis zum Monatsende zu haben. Insofern sage ich, dass unsere Familienleistungen super sind. Wir müssen aber weg von diesen rein finanziellen Zuwendungen hin zu mehr Angeboten und müssen eine Mischform anbieten. Ich glaube, diesbezüglich sind ja Sie auf einem guten Weg.

Wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung erteilen. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.17


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Stöckl zu Wort. – Bitte.

 


14.17.38

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schwierig, als fünfte Rednerin heute zu dieser Novelle zu sprechen, aber gerade als Mutter von drei Töch­tern ist es mir ein besonderes Anliegen, denn ich kann aus eigener Erfahrung berich­ten, wie viele Wege man nach der Geburt eines Kindes zu erledigen hat. Mehr Zeit für den Familienzuwachs ist die Konsequenz aus dieser Novelle.

Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas zu machen, das ist unser Ziel, und mit dieser Gesetzesnovelle setzen wir einen weiteren Schritt in diese Richtung. Die Familienbeihilfe ist, wie wir gehört haben, die bekannteste, meistbezogene und wich­tigste familienpolitische Leistung, gefolgt von der Karenzzeit und dem Kinderbetreu­ungsgeld, und wie wir bereits gehört haben, entlasten wir mit dieser Novelle 80 000 Fa­milien pro Jahr.

Unseren Familien bleibt künftig der Weg zum Finanzamt erspart, und sie haben mehr Zeit, sich dem Familienzuwachs zu widmen. Ja, so setzen wir einen großen Schritt in Richtung mehr Bürokratieabbau und in Richtung Familienfreundlichkeit.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, vieles hat sich im letzten Jahr zugunsten unserer Fa­milien verbessert. Ich denke da an die Ausbauoffensive im Bereich der Kinderbetreu­ungseinrichtungen, an die stufenweise Erhöhung der Kinderbeihilfe, an die monatliche Auszahlung, an die Gratiszahnspange und, und, und. Auch im Zuge der Steuerreform profitieren unsere Familien: durch die neuen Steuertarifstufen, die erhöhten Absetzbe­träge und die Verdoppelung des Kinderfreibetrages. Eine durchschnittliche Familie mit Kindern erhält um 1 630 € mehr pro Jahr.

Ja, ein weiterer Schritt ist gesetzt, um Österreich noch familienfreundlicher zu machen. Sehr gerne stimmt meine Fraktion dieser Novelle zu. Geschätzte Frau Bundesminister, danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.19


Präsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Karmasin. – Bitte.

 


14.19.46

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon vieles gesagt, nur noch nicht von jedem, deswegen möchte ich nicht alles wiederholen, was schon richtigerweise ins Treffen geführt wurde.

Ich lege großen Wert darauf, festzuhalten, dass mit der antragslosen Familienbeihilfe ein sehr wichtiges Signal für unsere Familien gesetzt wird, und das ist auch ein wert­volles Symbol, zum Ersten für einen bürgernahen Staat, der nicht darauf wartet, bis der Bürger, bis die Familie sich quasi an ihn wendet und um eine Überweisung – ja, letzt­endlich – bittet, der also im Rahmen einer Serviceleistung auf den Bürger, auf die Fa­milien zugeht, und zum Zweiten dafür, dass der Staat die neuen Technologien sinnvoll einsetzt, nicht nur nutzenstiftend für die Familien, sondern eben auch effizient im Sinne von Verwaltungsreduzierung und Einsparung. Das spart auch unseren Bürgern Zeit – Familienzeit.

Es ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Symbol, das mit dieser antragslosen Familien­beihilfe gesetzt wird, und es sollten noch viele Beispiele dafür folgen, wie wir staatliche Leistungen bürgernah und modern erbringen können.

Vielleicht auch noch ein paar Worte zu den anderen Themen, die hier vorgebracht wurden. Ich glaube, wir können nicht das eine gegen das andere ausspielen. Dass die antragslose Familienbeihilfe ein sinnvoller Schritt ist, darüber sind wir, glaube ich, einer Meinung. Das heißt ja noch lange nicht, dass wir nicht auch noch andere Maßnahmen andenken und umsetzen werden. Das eine schließt ja das andere ganz und gar nicht aus.

Selbstverständlich bin ich Ihrer Meinung, dass wir mehr in die Sachleistungen investie­ren müssen. Das möchte ich schon noch einmal wiederholen: Wir haben bei den Zu­satzinvestitionen in dieser Legislaturperiode – also der Erhöhung der Familienbeihilfe mit 830 Millionen €, dem Ausbau der Kleinkindbetreuung mit 305 Millionen € und dem Ausbau der Nachmittagsbetreuung mit rund 400 Millionen € – schon einen ganz ande­ren Schlüssel eingesetzt, als er derzeit im Bereich Sach- und Geldleistungen üblich ist. Also 50 : 50 versus 80 : 20, wie im Moment in den sonstigen Familienleistungen das Verhältnis ist. Ich glaube also, das ist schon gewissermaßen eine kleine Revolution, die schon einmal einen Weg aufbereitet, der zumindest tendenziell eher in Richtung Sach­leistungen geht.

Wenn wir darüber sprechen, die Sachleistungen noch weiter zu erhöhen, dann reden wir aber leider über eine Budgetaufstockung – das ist nun einmal so –, denn sonst wür­de es bedeuten, wir würden Geldleistungen einsparen. Ich habe gehört, es gibt viele Argumente, die da dagegen sprechen, und ich bin auch der Meinung, wir wollen keine Geldleistungen einsparen, ganz im Gegenteil. Wir wollen die Sachleistungen ausbau-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 92

en, die Frage ist nur, wie wir das in dieser angespannten Budgetsituation realistischer­weise überhaupt umsetzen könnten, aber das ist jetzt quasi die Pragmatik, das sind die Budgetzwänge, die derzeit bestehen.

Aber es sei noch einmal gesagt: Es erfolgt gerade die größte Ausbauoffensive des Bundes zum Thema Kinderbetreuung, die es je gab, und das ist schon etwas, worauf wir einigermaßen stolz sein wollen.

Ein Wort noch zur Zuverdienstgrenze im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes. Das ist natürlich ein Thema, das schon lange diskutiert wird und auch letztens im Nationalrat aufgeworfen wurde. Meine Meinung dazu ist eine sehr eindeutige, nämlich diese Zu­verdienstgrenze nicht abzuschaffen. Warum? – Letztendlich geht es ja um die Väterbe­teiligung, dass die Väter, die sich den reservierten Väteranteil abholen, dann aber auch gewissermaßen eine Veränderung in ihrem Verhalten zeigen müssen, indem sie ihr Ar­beitspensum reduzieren, und erst dann überhaupt das Kinderbetreuungsgeld bekom­men.

Würden wir das aufheben, würden alle Väter den Väteranteil abholen, und letztendlich sähen wir überhaupt keine Veränderung in der Familienarbeit und in der Aufteilung der Familienarbeitszeiten. Deswegen bin ich dafür, das nicht aufzuheben. Abgesehen da­von würde es natürlich um einiges teurer, aber mir geht es vor allem um den Verhal­tensaspekt, dessen Beeinflussung sonst nicht gewährleistet wäre.

Unser Zugang ist eher jener über den Partnerschaftsbonus, wobei wir im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes eine Fifty-fifty-Aufteilung zwischen Vater und Mutter anstre­ben, als Angebot – nicht als Zwang, wohlgemerkt, sondern als Angebot – für Familien, sodass dann, wenn das realisiert wird, möglicherweise ein Geldbetrag zur Verfügung steht, um dieses Modell zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.24

14.24.10

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.24.5813. Punkt

EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2015 (III-549-BR/2015 d.B. sowie 9342/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Als Berichterstatter ist mir Herr Bundesrat Oberlehner genannt worden. – Bitte um den Bericht.

 


14.25.17

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über das EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2015 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 den Antrag, das EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familien und Jugend 2015 zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 93

Präsidentin Sonja Zwazl: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


14.26.01

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Minister! In dem EU-Vorhabensbericht wird der Jugendarbeitslosigkeit sehr breiter Raum gewidmet. Sie, Frau Minister Karmasin, schreiben dazu im Vorwort, dass „die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und Fragen der Aus- und Weiterbildung zu­nehmend auch auf europäischer Ebene behandelt und gelöst werden müssen“.

Das ist ja einer der wenigen Momente, in denen ich Ihnen auch durchaus recht gebe, dass das auch auf europäischer Ebene behandelt werden muss und einer Lösung zu­geführt werden soll, denn die Jugendarbeitslosigkeit ist ja, wenn man sich Europa an­schaut – einerseits den Euroraum, andererseits die Europäische Union –, wirklich dra­matisch. Und auch Österreich ist ja mittlerweile vom ersten auf den zweiten Platz zu­rückgerutscht, weil auch bei uns die Jugendarbeitslosigkeit von 7,2 Prozent auf 9,8 Pro­zent gestiegen ist, was noch nicht so dramatisch ist wie in Spanien oder Griechenland, aber immerhin, eine steigende Tendenz ist immer schlecht. Das heißt, da muss man etwas tun.

Selbstverständlich muss man auch schauen, dass sich die Jugendlichen in den anderen Ländern möglichst nicht auf Wanderschaft begeben müssen, weil sonst alle überfordert sind, und die Jugendlichen wollen ja meistens auch in ihrer Heimat bleiben, einmal abgesehen von Trainings- und Ausbildungspraktika und dem Wunsch, über­haupt einmal zu schauen, wie es woanders ist. Ich befürworte ja auch so eine Art Eras­mus-Programm für Lehrlinge.

Aber wenn man weiß, dass im Dezember 2014 in den EU-Mitgliedstaaten 5 Millionen junge Menschen unter 25 arbeitslos waren, davon 3,2 Millionen im Euroraum, und dass das eine Arbeitslosenquote von über 23 Prozent ergibt, dann muss man sagen: Da ist wirklich akuter Handlungsbedarf gegeben, dem man eigentlich schon längst begegnen hätte müssen.

Besonders dramatisch ist die Situation mit einer Jugendarbeitslosenquote zwischen 42 Prozent und 51,4 Prozent in Ländern wie Italien oder Griechenland, wobei dort die Arbeitslosigkeit mittlerweile auch noch weiter gestiegen ist. 7,5 Millionen junge Men­schen sind ohne Ausbildung und ohne Arbeit.

Alle Staaten haben sich zur Umsetzung der sogenannten Jugendgarantie verpflichtet. Das finde ich ja an sich in Ordnung. Der Grund, warum ich das trotzdem kritisiere, ist, dass ich es leider schon zu oft erlebt habe, dass so etwas nicht wirklich funktioniert. Man gibt eine Garantie ab, und ich gestehe jetzt wirklich jedem zu, dass er nach bes­tem Wissen und Gewissen positiv handelt, in der Hoffnung, dass es greifen möge – wir sehen aber leider immer wieder, dass es nicht greift. Die Jugendgarantie besagt, dass junge Menschen spätestens vier Monate, nachdem sie ihren Arbeitsplatz verloren oder ihre Ausbildung beendet haben, einen Arbeitsplatz gefunden haben sollen. Dafür wer­den von der EU einige Milliarden Euro in die Hand genommen. Ich nenne jetzt bewusst keine Zahlen, weil man überall andere Beträge liest; daher möchte ich mich jetzt auch nicht auf ein Zahlenspiel einlassen. Es ist aber bisher noch nicht sehr viel geschehen, außer Absichtserklärungen.

Wenn man zurückblickt: Im Dezember 2012 hat die EU-Kommission diese Jugendga­rantie beschlossen, im April 2013 hat dies der Rat getan. Die Arbeitslosenquote hat sich aber nicht verändert. Ende Juni 2014 ist im Rahmen dieser Jugendgarantie noch kein Euro ausgegeben worden.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 94

Zwölf Mitgliedstaaten haben entsprechende Programme festgelegt, da bei den Investi­tionsprogrammen wie auch bei der Jugendgarantie Projekte eingereicht werden, die dann bewilligt werden müssen, damit Geld zu fließen beginnt. Acht Mitgliedstaaten ar­beiten immer noch daran, darunter leider auch Griechenland, das den größten Hand­lungsbedarf hätte. Eineinhalb Jahre EU-Aktivitäten haben also keine Programme ge­bracht, die als förderungswürdig erachtet worden wären, und haben es auch nicht ge­schafft, die Arbeitslosenquote zu senken.

Wir kritisieren diese Fonds dafür, dass man – und das eben Gesagte ist ja auch ein Beweis dafür – zwar die Absicht hat, aber nichts bewegen kann. Ich erinnere mich noch daran – das muss so 1997 gewesen sein –, als in Österreich die Jugendgarantie oder Lehrlingsgarantie beschlossen wurde – das hat auch nicht wirklich wahnsinnig viel gebracht –, damals hat man diese Lehrwerkstätten eingerichtet und das Jugendausbil­dungs-Sicherungsgesetz beschlossen. Die Ausbildungsstätten waren nicht so schlecht, wurden aber von ungefähr der Hälfte der Lehrlinge nicht wirklich in Anspruch genom­men. Ich kann auf Wien bezogen sagen, dass die Lehrlinge am Anfang hingegangen sind und nach zwei Monaten wieder weg waren. Diejenigen, die das dennoch durchge­standen haben, hatten am Ende ihrer Ausbildung erst recht wieder keinen Arbeitsplatz. Das ist eine Sache, bei der ich mich frage, wie sinnvoll sie ist.

Meiner oder unserer Meinung nach ist das einzige Rezept, das hilft, für Jugendliche Ar­beitsplätze zu schaffen, damit sie auch wirklich unternehmerisch tätig werden können, einen Bürokratieabbau dort vorzunehmen, wo eine Unternehmensgründung vorgenom­men werden soll. Es ist auch wichtig, ein unternehmensfreundliches Umfeld zu haben. Bei Studien oder Umfragen, in denen Jugendliche gefragt werden: Was willst du wer­den?, da ist Unternehmertum an allerletzter Stelle. Die meisten wollen Angestellte wer­den; noch mehr wollen Beamte werden, denn das ist ja immer noch sicher und auch nicht so schlecht bezahlt. Also da gehört schon auch ein Umfeld dazu, das es loh­nenswert macht, ein Unternehmen zu gründen, dann Angestellte zu haben und Lehrlin­ge auszubilden.

Auch die Qualität unserer Lehrlinge – letzter Punkt – muss verbessert werden. (Bun­desrat Stadler: Das ist aber kein Beruf! Unternehmer werden – das ist kein Lehrbe­ruf!) – Geh, bitte, das ist jetzt aber so eine Pimperlfrage! Na dann hör halt genau zu! Also ich sage es jetzt noch einmal für die, die nicht sinnerfassend hören können (Bun­desrat Stadler: Ich horche zu, aber das musst du erst selber mal verstehen! In Lehr­werkstätten werden nicht viele zu Unternehmern ausgebildet!): Es muss ein freundli­ches Klima für Unternehmensgründungen geben, damit Unternehmer dann in weiterer Folge Angestellte aufnehmen und auch bereit sind, Lehrlinge auszubilden.

Und wir müssen auch bei den Schülern schauen, dass diese nach neun Schuljahren ausreichend lesen, schreiben und rechnen können, damit auch Unternehmer wieder mehr Lehrlinge ausbilden. (Bundesrat Stadler: Auf das hätte man früher schon schau­en können!)

Vielfach haben es die Unternehmer in Österreich ja aufgegeben, Lehrlinge auszubil­den, weil sie sagen: Wir bekommen keine gescheiten Lehrlinge, die lesen, schreiben und rechnen können; mit einer einfachen Prozentrechnung sind diese überfordert. Und hinzu kommt noch das Benehmen, das fast noch mehr beklagt wird als die Noten. Das muss man sich auch anschauen. Und bei all diesen Dingen – und das gilt auch für das übrige Europa, dort ist es ja ähnlich, nicht nur in Österreich ist es so –, glaube ich, bringt es wesentlich mehr, wenn wir darauf schauen, dass wir mehr Unternehmen ha­ben, welche dann auch Leute aufnehmen und ausbilden können, anstatt nur einen Fonds zu haben, aus dem wir Geld ausschütten, und zu hoffen, dass das dann zu mehr Ausbildungsplätzen oder mehr Arbeitsplätzen führt. (Beifall bei der FPÖ.)

14.34



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 95

Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


14.34.15

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Mühlwerth, Sie haben wieder einmal das Thema, die Jugendlichen sind alle schlecht, nach vor ge­kehrt. Ich kenne kaum Jugendliche, die von Haus aus schlecht sind, sondern meistens stecken die Familien dahinter. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Die Jugendli­chen, die ich kenne, muss ich sagen, leisten Hervorragendes. Sie engagieren sich im Bereich der Freiwilligkeit, in Firmen. Natürlich brauchen wir seitens des Bildungsminis­teriums ein Bildungsprogramm, das dementsprechend aufgestellt ist; aber die Wege, die unsere Ministerin eingeschlagen hat, sind, glaube ich, sehr zukunftsweisend.

Ich gehe nur auf ein paar Punkte ein. Wichtig an diesem Strategiepapier sind sicherlich auch das Recht der Kinder und das Recht auf Arbeit. Das Programm, welches die Bun­desregierung für die Zukunft erarbeitet hat, nämlich 16 oder 18 neue Lehrberufe zu entwickeln, damit auch die Jugendlichen wieder neue Berufszweige erlernen können, entspricht unserem Bestreben. Das ist eine wichtige Strategie, die in der Regierungs­klausur ausgearbeitet worden ist.

Ein weiterer Punkt, der auch in der Strategie vorkommt, ist das Thema der Sicherheit und Cyberkriminalität. Sie, Frau Kollegin, haben sich ja nur auf die dementsprechend negativen Themen bezogen. Das Ministerium hat hier zu vielen Bereichen schon Work­shops gestartet. Das waren über tausend Workshops österreichweit, in denen Eltern auch darauf aufmerksam gemacht wurden, worauf sie in Bereichen wie der Cyberkri­minalität, Mobbing oder auch dem Dschihadismus achten sollten und wie solche Sa­chen im Internet verbreitet werden. Darauf gilt es, glaube ich, in Zukunft noch größeres Augenmerk zu lenken.

Hier auch ein Dankeschön an die Frau Minister. Sie waren in diesem Bereich eine Vor­reiterin, und Europa zieht jetzt schön langsam nach.

Ein Thema, wo sich unsere Ministerin auch sehr engagiert, ist der Schutz beim Sport. Kinder und Jugendliche können im sportlichen Bereich oft Überdurchschnittliches leis­ten. Deshalb muss man wirklich schauen, dass keine Schäden aufgrund von Sportver­letzungen bei der Jugend zurückbleiben. Deutschland ist hier auch ein Vorreiter, man sieht dies besonders im sportlichen Bereich, wo Mädchen und Jungen erst ab einem gewissen Alter zu bestimmten Sportarten, entsprechenden Kampfsportarten in interna­tionalen Wettbewerben herangezogen werden. Wir in Österreich beziehungsweise Sie, Frau Minister, haben mit unserer Skifahrerin Marlies Schild eine Aktion gestartet, die sehr weitreichend ist, damit man sieht, welche Verletzungen möglich sind, wenn Kinder noch im Wachstumsalter sind. Und ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, mit dem wir auch einzigartig unterwegs sind.

Ein weiterer Punkt bei uns ist natürlich die Lehre mit Matura. Europa schaut nach Ös­terreich, wo wir dank der Wirtschaftskammer wirklich einen hervorragenden Start hin­gelegt haben. Die Lehre mit Matura genießt hohe Anerkennung in Europa, und ich glaube, diesem Weg des dualen Ausbildungsmodells müssen wir auch weiterhin fol­gen.

Auch das Thema Europa 2020 muss den Jugendlichen als Ziel nähergebracht werden, wobei wir auch schauen müssen, dass Jugendliche in Österreich sich in Zukunft im Eh­renamt und im Sozialbereich wiederfinden. Ich glaube, das sind Themen, die in vielen Ländern Europas fehlen, und da ist Österreich sicherlich ein Land, das die Vorreiterrol­le hat.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 96

Nun zum Thema Arbeitslosigkeit. Wir haben europaweit die zweitniedrigste Jugend­arbeitslosigkeit. Wir wollen natürlich gerne wieder an die Spitze kommen, damit wir die niedrigste Arbeitslosigkeit haben. Dafür hat diese Bundesregierung Maßnahmen ge­troffen, mit dieser Steuerreform, mit der Entlastung der Familien. Im Bereich der Wirt­schaft wurde vom Ministerium ausgehend eine Aktion zur Unterstützung familien­freundlicher Unternehmungen gestartet, wobei Unternehmungen, die familienfreundlich unterwegs sind, auch entsprechend prämiert und vor den Vorhang geholt werden. Auch hierfür ein herzliches Dankeschön. Und ich will noch einmal sagen, dass die Fa­milienbeihilfe, die ab Mai antragslos gewährt wird – 80 000 Familien profitieren davon –, ein wichtiger Schritt ist.

Die Initiative Tickets for Family ist, glaube ich, europaweit einzigartig, und das haben Sie, liebe Frau Ministerin, geleistet. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn die Länder Europas dem Weg, den wir hier mit unserer Frau Bundesminister in Österreich gehen, folgen, die Jugendarbeitslosigkeit in den Ländern Spanien, Italien, Portugal auch bald rückläufig sein wird.

Das ist ein Thema, bei dem Minister Mitterlehner und auch ich sagen, nur mit Handel können wir in Zukunft Wirtschaft dementsprechend ausweiten. Und es wird nicht so sein, dass man dem TTIP jetzt quasi den Rücken kehrt, sondern das, was heraus­kommt, muss entsprechend verhandelt werden. Im Endeffekt sind wir, glaube ich, gut unterwegs. Und wir haben einen hohen Standard, und der Standard ist hier nicht nur im Lebensmittelbereich zu halten, sondern der Standard ist auch im Familien‑ und Ju­gendbereich zu halten. Diesen Standard haben wir Ihnen zu verdanken, Frau Minister. Wir stimmen dem Bericht natürlich gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.39


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Gru­ber-Pruner. – Bitte.

 


14.39.41

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Uns liegen die EU-Vorhaben des Bundesministeriums für Familie und Jugend für das aktuelle Jahr vor. Und ein übergeordnetes Ziel, das sich aus allen aufgelisteten Aufgabenbereichen ableiten lässt, ist die Befähigung und das Empowerment von jungen Menschen. Und das ist na­türlich zu begrüßen und überaus erstrebenswert.

Die vier untergeordneten Themenschwerpunkte, die in diesem Papier genannt werden, erachte ich auch alle als sehr wichtig und von hoher Aktualität, obwohl ich jetzt nicht auf alle gleichermaßen eingehen werde.

Beim ersten Thema geht es um die europäische Strategie für ein besseres Internet für Kinder. Mein Kollege hat es kurz erwähnt. Es gibt da eine EU-Agenda über die Rechte des Kindes und eine digitale Agenda für Europa, auf die Bezug genommen wird.

Was ist das Problem bei diesem Thema? – Junge Menschen sind bei uns immer mehr als Nutzerinnen und Nutzer des Internets mit Themen wie Cyber-Mobbing, gewaltver­herrlichenden Inhalten, Grooming und mangelndem Daten- und Jugendschutz konfron­tiert. Das sind Inhalte, die natürlich die Sicherheit und den Schutz von jungen Men­schen gefährden und auch betreffen. Und man kann da natürlich versuchen, mit ver­schiedensten Regulierungsmaßnahmen dem Herr zu werden. Aber wir alle wissen, dass man keinen hundertprozentigen Schutz gewährleisten kann, wenn man versucht, da zu regulieren, denn alle diese Regulierungsversuche hinken immer der technischen Neuerung nach.

Insofern kann es langfristig nicht darum gehen – und da finde ich die Bemühungen des Ministeriums sehr begrüßenswert –, dass es weniger Einschränkungen und Beschrän-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 97

kungen in diesem Bereich gibt, sondern es geht vielmehr um die Befähigung bereits von Kindern und jungen Menschen, mit Medien und auch mit den Gefahren, die es natürlich auch gibt, umzugehen. Die Vermittlung von Medienkompetenz ist da garan­tiert ein wichtiger Ansatzpunkt.

Nur kurz: Ich war letzte Woche bei einer Parkbetreuung in Wien und habe dort einen Workshop mit Kindern gemacht. Schon sehr kleine Kinder erzählen, dass sie beim gro­ßen Bruder mitschauen, wenn dieser gewaltverherrlichende Spiele spielt oder Filme anschaut. Und das zu verbieten, ist sehr schwierig. Die Vermittlung von Medienkom­petenz ist da sicher der richtige Weg. Und auch die Bestrebungen von Saferinternet mit diesen vielen Workshops sind zu begrüßen, auch die Tatsache, dass das Ministerium bei einem Finanzierungsausfall eingesprungen ist. Ich denke mir, das sind die richtigen Akzente, die gesetzt werden.

Dass in Zukunft vermehrt auch Familien und Erziehungsberechtigte und Eltern mit die­sem Thema konfrontiert werden, auch das finde ich wichtig. Es gibt sehr viel Unsi­cherheit bei Eltern, wie sie mit diesem Thema umgehen sollen. Da braucht es Bil­dungsarbeit und Angebote, Informationen an Eltern und Erziehungsberechtigte.

Das zweite große Thema wurde schon angesprochen, ich erwähne es nur kurz. Das Thema der Jugendbeschäftigung in Europa ist natürlich ein länderübergreifendes The­ma und eine Herausforderung, der auch auf EU-Ebene begegnet werden muss. Dass es auch hier um ein ministeriumsübergreifendes Thema geht und nicht die direkte Zu­ständigkeit Ihres Ministeriums vorliegt, liegt auf der Hand. Aber das Ministerium setzt da wieder ergänzende Maßnahmen, um Jugendliche zu unterstützen. Besonders inter­essant scheint für mich zu sein, dass Fähigkeiten und Kompetenzen, die sich Kinder und junge Menschen in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit erwerben – auch ich bin eine ehrenamtliche Mitarbeiterin im außerschulischen Kinder- und Jugend­bereich –, auch sichtbar gemacht und anerkannt werden.

Im non-formalen Bereich, im informellen Bereich wird Großartiges gelernt. Das Pro­blem ist eben, wie man das für das Berufsleben so darstellen kann, dass das auch an­erkannt wird. Und da wünsche ich mir noch mehr Ideen beziehungsweise auch einen Schritt vonseiten der Wirtschaft, der in die Richtung geht, dass dieses ehrenamtliche Engagement und diese Lernerfolge auch anerkannt werden. Da gibt es Ideen für Frei­stellungsmöglichkeiten, etwa eine Ehrenamtskarenz oder Ehrenamtsurlaubswochen, und so weiter, einfach, um dieses Engagement zu dotieren. Da könnte noch mehr ini­tiiert werden.

Interessant finde ich auch die aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang sehr neue Idee, die Idee des WIK:I, eine Art Portfolio für junge Menschen, wo junge Menschen selbst reflektieren, was kann ich, wo sind meine Stärken, was kann ich einbringen, um dies eben auch für einen potenziellen Arbeitgeber sichtbar zu machen. Das scheint mir sehr wichtig zu sein.

Oftmals frage ich mich, wie sehr diese Angebote auch die sozusagen bildungsferneren Jugendlichen ansprechen, wie wir es noch besser schaffen können, genau zu jenen Jugendlichen, die sich besonders schwer tun, sich positiv zu präsentieren, einen Zu­gang zu finden. Ich denke mir, da lohnen sich jede Idee und jede Anstrengung.

Das Programm Erasmus+, mit dem die Mobilität junger Menschen, Auslandsaufent­halte und so weiter gefördert wird, läuft seit Jahren sehr gut in Österreich, und das ist natürlich sehr begrüßenswert. Ich weiß, es wird da viel versucht, aber auch hier stellt sich die Frage: Wie kommt man an die Jugendlichen heran, die sich möglicherweise von so einem Angebot nicht in erster Linie angesprochen fühlen? Also auch da weiter nachzudenken lohnt sich.

Was wir schon sehr lange bei Erasmus+ kritisieren, ist die untere Altersgrenze. In dem Bereich, wo ich ehrenamtlich tätig bin, gibt es durchaus auch schon Austauschpro-


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gramme mit Kindern, also auch schon im Volksschulbereich. Die können aber mit Eras­mus+ noch immer nicht gefördert werden. Da würden wir uns wünschen, dass das Mi­nisterium auf EU-Ebene Anstrengungen unternimmt, das Förderalter nach unten zu setzen. Das wäre für viele verbandliche Organisationen in diesem Bereich eine sehr große Erleichterung und eine schöne Möglichkeit.

Zusammenfassend möchte ich anmerken, dass ich alle vier großen Bereiche, die hier benannt werden, für richtig und wichtig finde. Es gibt ein paar Themen, die mir fehlen. Aus meiner Sicht scheint die Altersgruppe der Kinder im Familien- und Jugendministe­rium und auch auf EU-Ebene sehr oft etwas unterbelichtet zu sein. Es fehlt mir, dass der Fokus auf Kinder als eigenständige Altersgruppe gelegt wird. Es gibt die Jugend­strategie, es gibt Ausschüsse für Familie und Jugend – auch hier im Haus, es gibt För­derprogramme für Jugend in Aktion. Aber Kinder als eigenständige Altersgruppe zu se­hen und da auch eigene Maßnahmen zu setzen, das würde ich mir sehr wünschen.

In diesem Zusammenhang begrüße ich, dass die lettische Ratspräsidentschaft gerade den Themenschwerpunkt bereichsübergreifende Zusammenarbeit ausgerufen hat. Die­se bereichsübergreifende Zusammenarbeit brauchen gerade Kinder und Jugendliche, denn Kinder und Jugendliche sind ein Querschnittsthema. Da könnte auch das Fami­lienministerium aktiv werden und interministerielle Arbeitsgruppen einrichten, um die­sen bereichsübergreifenden Aspekt verstärkt hereinzuholen.

Auch das Thema Gewalt an Kindern fehlt mir. Das ist auch ein Thema, das auf EU-Ebene sehr relevant ist. Wir haben zum Glück ein Gewaltschutzgesetz, viele andere EU-Länder nicht. Hier könnten wir mit gutem Beispiel vorangehen und möglicherweise eine gemeinsame legistische Regelung vorschlagen.

Auch das Thema Kinderarmut – meine Kollegin Köberl hat es heute schon eingebracht – ist ein sehr akutes Thema, das natürlich auch eine europäische Dimension hat. Auch da würde ich mir wünschen, dass wir Österreicher und Österreicherinnen aktiv werden. Es gibt einen Fonds zur Bekämpfung der Armut auf europäischer Ebene. Da zum Bei­spiel einen Kinderfokus oder eine Kinderschiene einzuführen wäre ein möglicher An­satzpunkt. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.48


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte.

 


14.48.59

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde gesagt, des­halb kann ich mich ganz kurz fassen.

Diese Saferinternet-Sache für Kinder und Jugendliche halte ich für außerordentlich wich­tig. Es nützt nichts, dass man sagt, kein Zugang zum Internet, und den Kindern und Ju­gendlichen den Internet-Zugang sperrt. Das sorgt für mehr Ärger und Stress zu Hause, als wenn wir ihnen schon in Workshops, in Gruppenarbeit, in der Schule, in der Pä­dagogInnen-Ausbildung den kompetenten Umgang mit Medien beibringen, damit sie das von Kindheit auf mit erlernen, denn sie werden in dieser Welt bestehen können müssen. Und da ist es ganz wichtig, über eine entsprechende Medienkompetenz zu ver­fügen.

Ich sehe das Problem auch nicht bei den Kindern und Jugendlichen, die sind teilweise schon super auf Zack. Alleine wenn ich mir meine kleine Tochter anschaue, wenn die das iPad oder das Handy von mir in die Hand nimmt und da zum Herumtippen anfängt. Wie die Kinder schon mit diesen Geräten umgehen – faszinierend.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 99

Das größere Problem ist eher bei den Pädagogen und Pädagoginnen, dass die da fit gemacht werden müssen. Das heißt, wir müssen den Fokus vielmehr auf die Ausbil­dung der Lehrer und Lehrerinnen und der Erzieher setzen, um mit diesen Medien, die auch sehr schnell im Wandel sind, richtig umgehen zu können. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt, wie Herr Bundesrat Schennach schon bei den vorhergehenden Ta­gesordnungspunkten richtigerweise gesagt hat: Das europäische Projekt kann und wird nur dann überleben, wenn wir der Jugend – und nicht nur den Studierenden – er­möglichen, sich länderübergreifend austauschen und vernetzen zu können. Zum Bei­spiel ist diese Europäische Jugendwoche, an der ich einmal vor einigen Jahren als Lei­ter teilgenommen habe, eine tolle Sache, bei der viele Jugendliche unterschiedlicher Kulturen, Religionen, Herkunft und Sprachen zusammenkommen und gemeinsam an Projekten arbeiten. Wie sie davon profitieren, ist eine immense Bereicherung für alle, die daran teilnehmen.

Die Beschäftigungs- und Ausbildungsgarantie, die ja von den VorrednerInnen ohnehin schon mehr als genug strapaziert worden ist, kann ich nur begrüßen und unterstrei­chen.

Eines möchte ich jetzt dennoch kurz aufgreifen, weil das Kollege Tiefnig gerade als je­mand, der aus der Landwirtschaft kommt, den ich ja sehr schätze, bei diesem Tages­ordnungspunkt noch einmal betont hat. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich verstehe es nicht, wie jemand, der als österreichischer Landwirt weiß, wie kleinstrukturiert Öster­reich ist und dass wir eigentlich nur mit unserer Qualität und mit den hohen Standards, die wir im Umweltbereich, im Tierschutzbereich und so weiter haben, im internationalen Wettbewerb punkten können, das heißt, durch die Qualität unserer Produkte, hier das TTIP glorifizieren kann. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe es vorhin nicht gesagt, da ich, als der Herr Minister da war, nicht wieder eine Diskussion anzetteln wollte. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Reisinger: Da hast du dich nicht getraut!) Nein, ich habe mich schon getraut, aber ich wollte nicht wieder eine Diskussion, ein Pingpong anzetteln.

Selbst die Europäische Kommission hat eine Studie in Auftrag gegeben, und die be­sagt im günstigsten Fall ein Wachstum für die Europäische Union von 0,5 Prozent auf die nächsten zehn Jahre. Das würde pro Jahr ein Wirtschaftswachstum von 0,05 Pro­zent bedeuten.

Wovon reden wir denn, bitte? Mein Zugang als österreichischer Politiker – und ich neh­me einmal an, auch deiner, geschätzter Kollege Tiefnig – ist, dass unsere Landwirte nicht gegen die großen Bonzen, die in Amerika auf Monokulturen setzen, halten kön­nen, sondern auf Qualität setzen müssen.

Daher müssen wir schauen, dass es nicht zu einer Aufweichung im Tierschutz, im Um­weltschutz, im Bereich Bodenwasser und was weiß ich was alles kommt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Er hat das bei dem Tagesordnungspunkt wieder angeführt, und ich woll­te das jetzt noch einmal ganz kurz anmerken. Ich mache schon einen Punkt zu der The­matik, denn ich möchte wieder zum eigentlichen Tagesordnungspunkt kommen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Die Empfehlungen zur Umsetzung der EU 2020-Ziele fordern auch Österreich dazu auf, den Arbeitsmarktzugang, die Chancen, die Frauen betreffen, wieder ins Berufsleben ein­zusteigen, zu verbessern.

Hier ist ein wesentlicher Schritt, sehr geehrte Frau Ministerin – das haben wir vorhin auch schon angesprochen –, dass wir mehr Kindergartenplätze, mehr Krabbelstuben anbie­ten. Da sind wir schon auf einem guten Weg. Optimierungsbedarf gibt es noch, aber


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 100

wir werden natürlich diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. Einen herzlichen Dank an al­le, die daran mitgearbeitet haben. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

14.54


Präsidentin Sonja Zwazl: Kollege Efgani Dönmez, ich bin bei dir nicht gewohnt, dass du die Tagesordnungspunkte vermischt. Ich habe schon vorhin bei dir gesehen: Wie Minister Mitterlehner da war, hast du dich zurückgehalten. Ich glaube, ihr zwei könnt dann ein Privatissimum machen.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


14.54.31

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich möchte zwei Punkte vom Vorhabensbericht hervorstreichen, weil ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir auf diese besonders eingehen.

Einer ist natürlich die Jugendbeschäftigung. Es steht – ich habe mir das Zitat extra he­rausgeschrieben – im Bericht so schön drinnen:

„Die künftige Dynamik und der künftige Wohlstand Europas liegen in den Händen der jungen Menschen. Ihr Talent, ihre Energie und ihre Kreativität werden Europa – wenn es die Wirtschafts- und Finanzkrise überwunden haben wird – zu Wachstum und zur Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit verhelfen.“

Ich denke, da sind sehr viele Hoffnungen und Wünsche an die Jugend enthalten und auch sehr viel, was wir ihr mitgeben müssen. In diesem Vorhabensbericht sind Ansätze enthalten, bei denen ich davon überzeugt bin, dass sich logischerweise nicht nur ganz Europa daran halten muss, sondern auch wir in Österreich sehr viel dazu tun können, und zwar jetzt fast ohne große Politik, sondern wirklich jede und jeder in seinem Be­reich.

Wenn ich davon ausgehe, dass es einen reibungslosen Übergang von der Ausbildung ins Erwerbsleben geben sollte, denke ich mir, wie viele Jugendliche gibt es, die sich in der Wirtschaft und in Institutionen bewerben und nicht einmal als Antwort den Satz zu­rückbekommen: Es tut mir leid, wir haben zurzeit keinen Platz!, oder: Wir halten Sie in Evidenz!

Ich denke mir, die Wertschätzung diesen Jugendlichen gegenüber ist etwas, was sehr wohl eingefordert werden kann und auch eingefordert werden muss. Die Reduktion der Zahl der Schulabbrecher und Schulabbrecherinnen ist auch ein Schwerpunkt in Öster­reich, bei dem wir natürlich sehr gerne mitgestalten, und auch das lebenslange Lernen, das im Bericht besonders oft hervorgehoben wird.

Für uns in Österreich ist es aber auch wichtig, dass wir zeigen, was wir nicht schon alles erreicht haben, wie etwa die duale Ausbildung. Diese wird in Österreich selbst gar nicht so geschätzt, obwohl Referentinnen oder Referenten von Österreich in andere Länder eingeladen werden, um dort zu zeigen, was wir in diesem Bereich eigentlich al­les machen.

Die Ausbildungsgarantie ist schon genannt worden, da möchte ich mich nicht mehr viel auslassen, sondern nur anmerken: Mir geht es in Österreich noch um die Zusammen­arbeit und die Vernetzung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Ein Schwerpunkt, der nicht nur bei Familie und Jugend, sondern, wie es auch im EU-Vor­habensbericht steht, auch bei Arbeit und Soziales liegt, ist die Verbesserung für Men­schen, die Beeinträchtigungen haben. Das betrifft jetzt nicht nur Beeinträchtigungen in der Mobilität, sondern auch solche in den Fähigkeiten. Es ist notwendig und wichtig, dass diese Menschen gefördert werden. Ich sage da oft und sehr gerne: Wenn wir


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unter Bundesminister Dallinger noch die Maschinensteuer eingeführt hätten, dann hät­ten wir jetzt für all diese Menschen auch einen Topf, aus dem wir sie unterstützen könn­ten. Ich glaube, dass das sehr, sehr wichtig wäre. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe ein Beschäftigungsprojekt im Bezirk Mattersburg, bei dem ich Menschen be­schäftige, die im normalen Erwerbsleben wenig beziehungsweise gar keine Chancen haben. Ich weiß, wie es um die Menschen bestellt ist, wenn sie das Projekt beginnen, und wie es ihnen geht, wenn sie nach einem Jahr hinausgehen, nachdem sie wieder Wertschätzung bekommen haben. Daher weiß ich, wie notwendig es ist, in diesem Bereich aktiv zu werden. Das betrifft nicht Ihren Bereich alleine, Frau Bundesminister, sondern es betrifft auch den Bereich Arbeit und Soziales. Aber ich glaube, dass wir da sicherlich noch ganz viel tun müssen.

Nun zu einem Thema, das auch Efgani Dönmez vorhin angeschnitten hat, nämlich zur Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist ein ganz wesent­liches Thema. Wir sind von der EU aufgefordert, hier mehr zu tun. Wir sind aufgefor­dert, Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit einzufordern und diese auch umzu­setzen.

Österreich feiert nach wie vor jedes Jahr den Equal Pay Day. Wir haben heute auch schon – die Kollegin Mühlwerth hat das gesagt – von der Lohnschere, die immer weiter auseinandergeht, gehört.

Ich denke mir, hier müssen wir auch mit Vorbildwirkung vorangehen, und hier muss das Ministerium aktiv werden. Es wurde ja schon mit diesen derzeit laufenden Werbe­spots begonnen, in denen auch Männer in ihrer Rolle in der Familie gezeigt werden. Es heißt einfach, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit auch zu leben und herzu­zeigen, wo Männer in die Hausarbeit und auch in die Kindererziehung so eingebunden werden, dass es wirklich eine gemeinsame Arbeit sein kann.

Im Vorhabensbericht ist enthalten, dass vermehrt Kinderbetreuungsdienste angeboten werden sollen. Kinderbetreuungsdienste – ich denke mir, das ist eine Formulierung, die wir in Österreich schon nicht mehr haben. Bei uns geht es ja wirklich auch schon um die Bildung für Kinder, die im Kindergarten beginnt. Der Begriff „Kinderbetreuungs­dienste“ ist sicherlich von der EU übernommen, aber da sind wir schon einen Schritt weiter.

Eine bessere Nutzung des Arbeitsmarktpotenzials von Frauen und Aufhebung geschlech­terspezifischer Lohn- und Pensionsgefälle – auch das ist eine Forderung, und auch da­ran arbeiten wir schon sehr lange und sehr intensiv.

Wir haben heute von diesem Punkt schon gehört – daher brauche ich auf die Zahlen nicht mehr so genau einzugehen –, dass wir, Bund, Länder und Gemeinden gemein­sam, von 2008 bis 2013 185 Millionen € investiert haben, um verstärkt Kinderbetreu­ung anzubieten und um da mehr Qualität zu schaffen.

Im Vorjahr ist in diesem Bereich eine wesentlich größere Initiative gesetzt worden, was sehr erfreulich ist. Es ist nämlich nicht nur die Kinderbetreuung mit den Öffnungszeiten verankert, sondern es sind auch Qualitätsstandards gefordert. Das ist ja auch das Wich­tige und das Tolle an dieser Sache.

Die drei Säulen bei der Kinderbetreuung laut der Definition vom Ihrem Ministerium sind Infrastruktur, Geld und Zeit – ich denke, bei der Infrastruktur und bei der Zeit ist sicher­lich auch die Qualität mit dabei.

Das neue Projekt für Familien ab März, über das ich im Vorhabensbericht gelesen ha­ben, bei dem sich auch Gemeinden bewerben können, um einfach positive Beispiele herzuzeigen, finde ich eine sehr gute Aktion. Ich glaube, dass man durch Beispiele und Vorbilder einfach sehr viel lernen kann und die Gemeinden auch sehr viel übernehmen


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können. Ich bin Bürgermeisterin, ich weiß, wie viel Geld für die Kinderbetreuung ausge­geben wird, und ich weiß, dass manche Gemeinden lieber eine Straße bauen, als in die Kinderbetreuung zu investieren. Aber ich denke mir, wenn wir hier weiterarbeiten, kann es uns gelingen.

Heute habe ich eine APA-Meldung bekommen, und in der steht: „Ein Fest für Kinder: Am 1. Juni ist Internationaler Kindertag.“

Ich habe mich sehr gefreut, als ich das gelesen habe, und war gleich ganz baff. Ich ha­be weitergelesen, und dann steht da aber: „Der Countdown läuft: Spielwaren-Fachge­schäfte in ganz Österreich laden ein.“

Da habe ich mir gedacht, es ist zwar nett, dass es den Internationalen Tag des Kindes gibt. Nein, nein, das ist nicht von Ihnen (in Richtung Bundesministerin Karmasin), das ist von der Wirtschaftskammer. Ich denke mir nur, wenn es einen Internationalen Tag des Kindes gibt, sollten wir diesen Tag des Kindes mit mehr Inhalten belegen. Ich glau­be, dass wir unseren Tag, den 20. November, den Internationalen Tag der Kinderrech­te, wirklich nutzen können. Wir haben ja schon die Möglichkeit einer Aussprache über einen Kinderrechte-Ausschuss gehabt, den wir im Parlament gerne installiert hätten, in dem – wie auch meine Vorrednerin gesagt hat – die Kinder auch wirklich zu Wort kom­men können und die Wertigkeit bekommen, die sie brauchen. An dieser Idee werden wir im Sinne unserer Kinder festhalten und weiterarbeiten.

Ich denke, dass die Arbeit im Ministerium auf eine gute Art und Weise geführt wird, mit sehr vielen Vernetzungen, die wichtig sind, und sehr vielen positiven Beispielen, und ich hoffe, dass das im Sinne unserer Familien so positiv weitergeht.

Meine Fraktion wird den Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

15.01

15.01.10

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.

15.02.4614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 40/2014, geändert wird (834/A und 516 d.B. sowie 9343/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte.

 


15.02.56

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Frau Ministerin! Kol­leginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 40/2014, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 103

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska (den Vorsitz übernehmend): Wir gehen in die De­batte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte.

 


15.04.00

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen des Bundesrates! Mit dem heutigen Beschluss wird wieder Sicherheit für die Zukunft im Bereich Wasser- und Abwasserentwicklung ge­schaffen. Gerade die Förderung in diesem Bereich von 100 Millionen € jährlich in den Jahren 2015 und 2016 ist wiederum Anlass und Grundstein für weitere Investitionen vor allem im Bereich von Projekten der Abwasserentsorgung und Wasserversorgung und stärkt natürlich die Investitionstätigkeit.

Wir wissen, dass gerade die höchste Trinkwasserqualität keineswegs nur naturgege­ben ist. Vielmehr bedarf es auch in einer modernen Zivilisationsgesellschaft vieler An­strengungen, damit gerade die Qualität auch nachhaltig abgesichert wird. Die flächen­deckende kommunale Ver- und Entsorgung urbaner Räume muss auch Ziel dieser Ent­wicklungen sein.

Wir genießen heute in Österreich Badeseen mit Trinkwasserqualität, forcieren zugleich aber sehr stark auch Betriebsentwicklungen. In den Betriebsentwicklungsgebieten ent­steht modernste Produktion, und es ist selbstverständlich notwendig, diese Gebiete richtig zu versorgen und aus ihnen richtig zu entsorgen. Man muss hier auch Sorge tra­gen, dass der Umweltbereich immer im Vordergrund steht. In diesem Bereich ist unser Land eines der höchst entwickelten Länder Europas, um nicht zu sagen, weltweit, und wir müssen immer wieder Sorge tragen, diese Entwicklung auch generationenübergrei­fend zu sichern.

Wenn im Zusammenhang mit der Entwicklung von Wirtschaftsbetrieben oftmals zu Recht bürokratische Hürden angesprochen werden, so ist diese Diskussion, wenn es um die Frage von kostbaren Ressourcen geht, keineswegs akzeptabel. Gerade auf kom­munaler Ebene muss die Planung und Umsetzung von Wasser- und Abwasserprojek­ten forciert werden.

Ich selbst komme aus einer 9 000 Einwohner zählenden Stadt und bin mittlerweile seit rund 20 Jahren für den Bereich Tiefbau zuständig. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn es darum geht, leistbare Ver- und Entsorgung für die Bürgerinnen und Bürger zu schaf­fen.

Zum Zweiten sehen wir immer wieder, wie belastend besonders für die Budgets der Gemeinden die Schaffung dieser Infrastruktur ist, und da ist es notwendig, die entspre­chenden finanziellen Mittel in Aussicht zu stellen. Dieser Beschluss über die 100 Mil­lionen € für die Jahre 2015 und 2016 ist gerade noch rechtzeitig gekommen, und mit dieser finanziellen Sicherstellung werden auch wieder wirtschaftliche Investitionen ge­sichert werden. Gerade im Bereich der Bauwirtschaft gibt es viele Projekte, die na­türlich auch der Arbeitsplatzsicherung dienen. Hier leisten gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vor allem auch die Kommunen einen wesentlichen Beitrag, um die Bautätigkeit zu forcieren. Sie können jetzt neue Projekte starten und vielleicht auch Sa­nierungsprojekte umsetzen.

Ich kann daher abschließend zu dieser Thematik nur sagen, dass dieser Initiativantrag gerade noch zeitgerecht gekommen ist und mit Sicherheit in Zukunft eine wichtige und wesentliche Finanzierung der Gemeinden und der öffentlichen Hand darstellen wird.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 104

Daher können wir diesem Beschluss seitens der ÖVP nur zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

 


15.08.10

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute die Änderung des Um­weltförderungsgesetzes beschließen, dann muss man feststellen, dass die Bedeutung des Gewässerschutzes bei uns in Österreich eine lange Tradition hat. Nur so war es im Grunde genommen möglich, dass durch die Setzung vieler Maßnahmen die österrei­chische Bevölkerung zu 100 Prozent mit Nutz- und Trinkwasser, das von bester Quali­tät ist – „von bester Qualität“ unterstreiche ich –, versorgt ist.

Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sind an eine zentrale öffentliche Wasserversor­gung angeschlossen und mehr als 92 Prozent an ein öffentliches Kanalnetz sowie an die kommunale Abwasserbeseitigungsanlage.

Die Gewässergüte in Österreich hat sich durch den Ausbau der Abwasserentsorgung in den letzten Jahrzehnten außerordentlich verbessert, und viele Seen – das hat mein Vorredner auch schon festgestellt – haben Trinkwasserqualität. An dieser Stelle wollte ich eigentlich den Kollegen Poglitsch ansprechen, aber der ist heute nicht da. (Bundes­rat Schreuder: Der schaut am Stream zu!) Er wohnt ja am Faaker See, betreibt dort einen großen Campingplatz und weiß natürlich auch, dass bei unseren Kärntner Seen Trinkwasserqualität gegeben ist. Das war auch nur dadurch möglich, dass dort Abwas­serbeseitigung in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchgeführt worden ist.

Ich glaube aber auch, dass man sich in Österreich über die Qualität des Wassers – un­terhält man sich mit der Bevölkerung – und dessen Verfügbarkeit meist keine großen Gedanken macht, da einfach das Wasser aus der Wasserpipe herauskommt. Wenn man aber bedenkt, dass weltweit von 100 Prozent Wasser 97,5 Prozent Salzwasser sind und nur 2,5 Prozent Süßwasser, dann weiß man auch, dass man mit dieser Res­source Wasser in Zukunft sehr sorgsam umzugehen hat.

Bedenken sollte man auch, dass 800 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Wasser haben und durch mangelnde Hygiene und fehlende Abwasseranla­gen und -beseitigung täglich fast 2 000 Kinder unter fünf Jahren sterben. Das verdeut­licht unsere privilegierte Stellung, und es erwächst uns daraus auch eine große Verant­wortung.

Um dieses Bewusstsein zu stärken, haben sich wichtige Institutionen mit diesem The­ma befasst. Ich komme aus einer Nationalpark-Gemeinde, aus dem Nationalpark Hohe Tauern, aus Mallnitz. Dort wurde vor vielen Jahren die Swarovski Wasserschule ge­gründet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit Nationalparkbetreuern, mit National­park-Rangern von einem Ort zum anderen, von einer Schule zur anderen zu ziehen, um vor Ort mit den SchülerInnen zum Thema Wasser zu arbeiten. Es werden dabei die Kinder und Jugendlichen an die wichtige und nachhaltige Nutzung der Wasserreserven für ihr Leben und für die Gesundheit herangeführt. Dieses Projekt ist mittlerweile inter­national und wird auch in China, Indien, Uganda und in Brasilien sehr, sehr erfolgreich durchgeführt und umgesetzt.

Einen Satz noch dazu, denn das wird wahrscheinlich jeder Redner auf den Punkt bringen: 100 Millionen € in den nächsten zwei Jahren, das ist natürlich gewaltig und wichtig – und wer könnte das besser beurteilen als wir Bürgermeister, die wir immer wieder darauf zugreifen, wenn es darum geht, den Kanal zu erweitern oder zu sanie­ren?


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 105

Die Bindung dieser Fördergelder für die Siedlungswasserwirtschaft an bestimmte Richt­linien ist eine Voraussetzung, sie muss auch ökologisch, ökonomisch, zielgerichtet und sinnvoll umgesetzt werden.

Ich möchte noch einen Satz dazu sagen, denn dieses Thema ist heute öfter angespro­chen worden, aber es bezieht sich sicher auch auf das Wasser: Es darf keinesfalls die Verantwortlichkeit leichtfertig durch Freihandelsabkommen, über CETA oder über das Transatlantische Freihandelsabkommen, untergraben werden. Eine Liberalisierung in diesem Bereich sollte jedenfalls mit größter Vorsicht beobachtet werden.

Ein Aspekt sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, nämlich dass durch diese Maßnahmen, die gesetzt werden – auch das wurde schon gesagt, aber es ist wichtig –, dass durch das viele Geld, das eingesetzt wird, in unserem ländlichen Bereich, wo wir zuhause sind, Arbeitsplätze geschaffen werden; das sind, glaube ich, an die 2 500. Und das ist ein sehr wesentlicher Punkt bei der Umsetzung dieser Maßnahmen.

Deshalb ersuche ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, wie angekündigt im Umweltausschuss, um eine breite Unterstützung für das zu ändernde Umweltförderungsgesetz. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.13


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Jenewein. – Bitte.

 


15.13.51

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Ich werde es sehr kurz machen, es ist ja schwierig, nach dem Kollegen Novak noch irgendetwas Neues zu bringen. Er hat einen großen Bedeutungsbogen gespannt: Wir waren in Afrika, wir waren mit TTIP und CETA in Nordamerika, dann waren wir am Faaker See – im Prinzip haben wir den Globus umspannt. (Zwischenruf des Bundes­rates Kneifel.) Wenn man so weit war, kann man nichts Neues mehr finden.

Wir unterstützen selbstverständlich auch dieses Gesetz. 100 Millionen € jährlich zur Si­cherung und zur Sanierung sind selbstverständlich von unserer Seite zu unterstützen.

Ich möchte aber trotzdem die Gelegenheit nützen, wenn wir zu diesem Thema spre­chen, etwas Grundlegendes dazu zu sagen. Ich habe auf der Homepage des Umwelt­ministeriums leider keine aktuelleren Zahlen als jene aus dem Jahr 2010 gefunden, was ein bisschen schade ist. Unabhängig davon gehe ich davon aus, dass es aktuel­lere Untersuchungen gibt. Wir haben in Österreich trotz allem ein gewisses Problem mit Nitratbelastungen, auch im Trinkwasser. Das hat zumindest im Jahr 2010 10 Pro­zent der Messstellen in Österreich betroffen.

Das wiederum sind keine Belastungen, die aufgrund schlecht sanierter Kanalisationen oder Abwassersysteme entstehen, sondern das sind Belastungen, die auch durch die Landwirtschaft entstehen. Nichts liegt mir ferner – die Leute, die mich kennen, wissen das; auch aus familiärer Sicht –, als die Landwirtschaft in Misskredit zu bringen, aber das ist ein Problem, das wir in Angriff nehmen müssen, und da bin ich beim Vorredner. Natürlich besteht die Gefahr, wenn wir mit Freihandelsabkommen Firmen auf dem eu­ropäischen Markt zulassen, die mit hier bisher noch nicht zugelassenen Mitteln in Eu­ropa anbauen beziehungsweise düngen beziehungsweise ihre Pflanzenschutzmittel aus­bringen, dass wir künftig mit einer weit höheren Belastung zu rechnen haben werden. Da sollte man von Haus aus ganz genau hinschauen und vor allem auch den Fokus darauf richten, wie denn hier in Zukunft verhandelt wird.

Das wollte ich nur am Rande dieser Debatte mitgeben. Selbstverständlich kommt von uns ein Ja zum Umweltförderungsgesetz. (Beifall bei der FPÖ.)

15.16



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 106

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mag. Schreyer. – Bitte, Nicole.

 


15.16.23

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Gäste hier und vor den Bildschirmen! Wir begrüßen natürlich, wie unsere VorrednerInnen, die vorliegende Gesetzesänderung. Es wird dadurch si­chergestellt, dass auch in diesem Jahr und im Jahr 2016 der Zusagerahmen für die Siedlungswasserwirtschaft sichergestellt wird. Jeweils 100 Millionen € werden seitens des Bundes zur Verfügung gestellt. Das entspricht dem Betrag von 2014, der fortge­schrieben wird.

Ich möchte die Siedlungswasserwirtschaft und das, was in den vergangenen Jahrzehn­ten in Österreich passiert ist, sehr hervorheben und sehr loben. Nahezu ganz Öster­reich ist an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen, und etwa 94 Prozent sind an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen. Es sind nur mehr ganz wenige – 6 Prozent –, die nicht an das Kanalnetz angeschlossen sind und deren Ab­wässer über Senkgruben und Hauskläranlagen entsorgt werden. Damit sind wir euro­paweit im Spitzenfeld – weltweit natürlich sowieso. Das deutlichste Merkmal dafür ist die Wasserqualität in Österreich, die sich in diesen Jahrzehnten des intensiven Kanal­ausbaues massiv verbessert hat.

Dabei sind sowohl die Flüsse und Bäche als auch die Seen sehr stark entlastet wor­den. Zum Beispiel sind die sehr guten Kärntner Seen schon erwähnt worden, aber un­sere Seen haben österreichweit einen sehr guten Zustand betreffend Schadstoffe und Nährstoffbelastung. Es ist nur mehr der Mondsee, der momentan zu viel Nährstoffbe­lastung hat, alle anderen untersuchten Seen in Österreich sind in einem guten oder sehr guten Zustand.

Bei den Flüssen und Bächen schaut es prinzipiell auch sehr gut aus, vor allem bei den sogenannten Punktquellen. Punktquellen sind solche, wo der Eintrag in ein Gewässer einem Punkt genau zugeordnet werden kann, also eben genau einer Kläranlage oder einem Haus. Da gibt es in Österreich etwa 6 Prozent an Gewässern, die keinen guten Zustand in den nächsten sechs Jahren erreichen werden, hauptsächlich wegen Belas­tungen mit Phosphor. Diese Punkte, also diese Gewässerstrecken, die aufgrund des Phosphoreintrags so stark beeinträchtigt sind, bekommen wir aber genau mit diesem Ausbau und der Verbesserung von Kläranlagen und mit der Erhöhung des Anschluss­grades an öffentliche Kläranlagen in den Griff.

Aber ich möchte natürlich nicht nur loben. Ich komme jetzt zum weitaus problemati­scheren Teil, wo noch sehr, sehr viel Handlungsbedarf besteht. Es ist sehr schade, dass der Herr Minister heute nicht persönlich da ist, es betrifft nämlich Wasserwirt­schaft, Landwirtschaft und Umweltschutz, also das ganze Paket des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich.

Zum problematischen Teil: Neben den Punktquellen gibt es nämlich auch die soge­nannten diffusen Quellen. Diffuse Quellen sind Schad- und Nährstoffquellen, die nicht bestimmten Punkten zugeordnet werden können. Damit gemeint ist vor allem Boden­erosion aus der Landwirtschaft; es ist Oberflächenabfluss generell, also von urbanen und versiegelten Flächen. Weiters sind damit auch – das hat mein Vorredner schon an­gesprochen – die Auswaschung von landwirtschaftlichen Flächen ins Grundwasser und Luftverfrachtung gemeint, also das Einwehen von Nährstoffen, der Abtrag von aufge­ackerten Flächen, der durch den Wind in die Gewässer geweht wird.

Zirka ein Viertel der Gewässer in Österreich werden den guten Zustand bis 2021 nicht oder vielleicht nicht erreichen wegen der hohen Belastung, die aus diesen diffusen Quel­len entsteht und sich in Nitrat- und Phosphorbelastung, also hohen Nährstoffkonzentra-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 107

tionen, äußert. Betroffen sind dabei vor allem der Osten und Nordosten Österreichs und Teile des Alpenvorlandes, vor allem die kleinen Bäche im Weinviertel. Wenn man sich das anschaut, weiß man ganz genau, was damit gemeint ist. Es sind begradigte Rinnen ohne Beschattung, ohne Uferbewuchs. Bei jedem Regen wird wieder ein biss­chen gedüngte Erde von den angrenzenden Äckern eingeschwemmt. Aus dem Grund­wasser kommt der ausgewaschene Stickstoff noch dazu.

Normalerweise kann sich ein Bach relativ gut selbst reinigen, aber weil im Sommer die Temperaturen sehr hoch werden, wenn es keine Beschattung gibt, und kaum noch Or­ganismen im Wasser leben, schafft es der Bach von sich aus nicht. Da liegt also noch einiges im Argen in punkto Wasserqualität. Es liegt nicht im Bereich der Siedlungswas­serwirtschaft, sondern es braucht hier viel mehr Maßnahmen im Bereich der Landwirt­schaft und des Wasserbaues.

Es muss wieder Gewässerstruktur geschaffen werden, Revitalisierungen müssen gera­de in diesen Bereichen forciert werden. Es braucht Begrünungsmaßnahmen, um den Eintrag von Feststoffen und Phosphor zu verringern. Begrünungsmaßnahmen natürlich nur mit den passenden Pflanzen. Es hat in den letzten Jahren fatale Fehler mit Neo­phyten, mit eingeschleppten Pflanzen, gegeben, zum Beispiel mit dem japanischen Stau­denknöterich. Es kostet jetzt Millionen, um den japanischen Staudenknöterich wieder zu entfernen.

Es braucht gerade in den betroffenen Regionen eine gescheite Gewässerrandstreifen­bewirtschaftung, damit es wieder eine Abgrenzung zwischen Gewässern und Feldern gibt und nicht direkt wieder alles in die Gewässer reinrinnen und reinwehen kann.

Zum Thema Grundwasser. Ich weiß, dass gerade in diesen Gebieten, in den stark ni­tratbelasteten Grundwassergebieten im Osten und Nordosten von Österreich, das Grund­wasser sehr, sehr langsam ausgetauscht wird. Der Erfolg kommt da also sehr zäh und mühsam daher. Aber wir müssen schauen, dass wir am Ball bleiben und das wei­tertragen. Wir müssen den Überschuss an Stickstoff wegbekommen, der in der Land­wirtschaft besteht. Der Aktionsplan dazu, glaube ich, wird im Moment gerade fortge­schrieben. Da müssen wir uns sehr ambitionierte Ziele stecken, damit wir auch bei den Einträgen aus diffusen Quellen auf ähnlich gute Werte kommen wie bei den Punktquel­len.

Bei diesen tollen Ergebnissen, die wir in der Siedlungswasserwirtschaft schon haben erzielen können, bin ich mir ganz sicher, dass wir das auch dort schaffen können und dass wir in Österreich überall eine sehr gute oder gute Wasserqualität erreichen kön­nen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.22


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Ebner. – Bitte, Adelheid.

 


15.22.56

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man als letzte Rednerin drankommt, ist natürlich großteils schon alles gesagt worden.

Ich möchte nur betonen, dass es sehr wichtig ist, dass diese Fördermittel für die Jah-
re 2015 und 2016 auch weiter zur Verfügung gestellt werden, um die Aufgaben, die in der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung in den Städten und Gemeinden notwendig sind, erfüllen zu können. Wir wissen, dass sich diese Aufgaben mit einem großen Betrag in den Budgets zu Buche schlagen und wir diese Fördermittel benö­tigen, um nicht die gesamten Kosten dieser Ver- und Entsorgungseinrichtungen unse­ren Mitbürgerinnen und Mitbürgern aufrechnen zu müssen.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 108

Es wird in Zukunft ein Großteil dieser Fördermittel nicht in die Errichtung, sondern in die Sanierungsmaßnahmen fließen. Das Geld, das hier investiert wird, ist sehr sinnvoll investiertes Geld. Wir haben schon gehört, dass die Fördermittel für die Kommunen ein wichtiger finanzieller Beitrag sind, aber da darf ein weiterer Aspekt nicht außer Acht ge­lassen werden: die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Wertschöpfung in der Re­gion. Das ist wichtig für die Attraktivität unseres Standortes; Österreich liegt nicht von ungefähr im aktuellen Infrastrukturranking des World Economic Forum mit Rang sieben weit vor der größten Volkswirtschaft, der USA, die auf Rang 16 liegt.

Wir sind für die zugesicherten Fördermaßnahmen für die kommenden Jahre 2015 und 2016 sehr dankbar. Diese Fördermittel von je 100 Millionen € werden wahrscheinlich nicht ausreichend sein, aber wir sind froh, dass wir diese Mittel bekommen werden. Der Privatisierung, die durch Freihandelsabkommen mit Kanada und auch mit den USA möglicherweise vor der Tür steht, können wir in Österreich somit Einhalt gebieten. Denn ich bin der Überzeugung, wir Österreicherinnen und Österreicher wünschen uns, dass diese Versorgungs- und Entsorgungsanlagen in Zukunft auch in öffentlicher Ver­waltung bleiben und dass wir nicht Gefahr laufen, diese zu privatisieren. Diese Bestre­bungen müssen wir auf alle Fälle aufrechterhalten.

Nochmals herzlichen Dank ans Ministerium, dass diese Geldmittel im Sinne der Bürge­rinnen und Bürger und im Sinne einer schlankeren Verwaltung und eines geringeren finanziellen Aufwandes für die Kommunen in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.25

15.25.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Bevor wir zum 15. Tagesordnungspunkt kommen, darf ich Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner recht herzlich begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allge­meiner Beifall.)

15.26.3715. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Passgesetz 1992, das Waffengesetz 1996 und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korrup­tionsbekämpfung geändert werden (Sicherheitsverwaltungs-Anpassungsgesetz 2015 – SVAG 2015) (480 d.B. und 524 d.B. sowie 9338/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ebner. Ich bitte um den Bericht.

 


15.26.49

Berichterstatter Ing. Bernhard Ebner, MSc: Frau Präsidentin! Geschätzte Frauen Mi­nisterinnen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Passgesetz 1992, das Waffengesetz 1996 und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 109

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass mit dem Sicherheitsverwaltungs-Anpassungsgesetz 2015 bestimmte Materien der Sicher­heitsverwaltung einer Novellierung unterzogen werden.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


15.27.46

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute das Sicher­heitsverwaltungs-Anpassungsgesetz mit Zustimmung aller Parteien beschließen wer­den, ist das auch eine Referenz an die Vernunft, denn mit diesem Paket sind einige wesentliche sinnvolle Änderungen verbunden. Drei Bereiche sind tangiert: das Melde­gesetz, das Passgesetz und das Waffengesetz.

In aller Kürze einige der Neuerungen bei den einzelnen Gesetzesmaterien: Beim Waf­fenwesen kann die Beantragung der Waffenregisterbescheinigung auch online, prak­tisch mittels Bürgerkarte erfolgen. Zur Klarstellung: Die Registrierung im zentralen Waf­fenregister hat stets auf eine natürliche Person zu erfolgen. Mehrere Waffen, Vereins­waffen, wenn man so will, können somit rasch, einfach und kostengünstig von einem Verantwortlichen auf einen anderen Verantwortlichen umregistriert werden. Da denke ich auch an die vielen Traditionsvereine, zum Beispiel die Tiroler Schützen, oder an ein paar Vorarlberger Vereine. Das ist also eine praktische Handhabe für die Erfüllung die­ser Aufgaben und Auflagen.

Wichtig ist natürlich auch, dass diese Vereine nicht über Gebühr finanziell belastet wer­den, sondern dass sogenannten Waffenmeistern ermöglicht wird, die Registrierungen unbürokratisch zu bewerkstelligen. Generell ist es auch wichtig, dass es bei ungewoll­ter verspäteter Registrierung zu keiner Bestrafung kommen wird.

Zum Meldegesetz ist zu erwähnen, dass Menschen, die in Betreuungseinrichtungen, zum Beispiel in Frauenhäusern, wegen häuslicher Gewalt Unterkunft suchen müssen – fast 90 Prozent davon sind insbesondere Frauen und Kinder –, in Zukunft in diesen Be­treuungseinrichtungen angemeldet werden können und nicht an ihrer tatsächlichen Wohn­adresse angemeldet werden müssen.

Weitere Neuerungen betreffen Hotelgäste: Diese haben sich bei der Anmeldung zu­sätzlich mit Herkunftsland, Postleitzahl und Geburtsdatum einzutragen. Das wird hof­fentlich auch ohne größere Demonstrationen im Hotelier-Bereich zu schaffen sein.

Noch kurz zum Passwesen: Die Passbehörde hat zukünftig darüber informiert zu wer­den, ob bei einem sogenannten Obsorgestreit ein Gericht die Abnahme des Reisedo­kumentes eines Kindes angeordnet hat, um zu verhindern, dass ein nicht berechtigter Elternteil ein neues Reisedokument für das Kind ausstellen lässt. Das ist auch eine wichtige Maßnahme zum Schutz der Kinder.

Frau Ministerin, einige sehr sinnvolle Bestimmungen, denen wir gerne die Zustimmung geben werden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.30


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Füller. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 110

15.30.59

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Mit dem vorliegenden Tagesord­nungspunkt sollen insbesondere Verwaltungsvereinfachungen, Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen und Verbesserungen des Opferschutzes erreicht werden. Dafür ist es nötig, einige Gesetze zu ändern.

Kollege Mayer hat eigentlich schon alles sehr umfassend angesprochen. Die Vorteile, die sich jetzt auch im Meldegesetz ergeben, sind für Menschen, die in Betreuungsein­richtungen wie Notwohnungen sind, zum Beispiel in Frauenhäusern. Dort kann die Mel­depflicht jetzt vor Ort gemacht werden, dies auch zum Schutz der Frauen.

Einige Bemerkungen zum Hotel- und Tourismusbereich: Es wird Erleichterungen für Tou­rismusbetriebe oder Tourismusverbände geben. Man kann in Zukunft nicht nur eine statistische Erfassung einfacher ermöglichen, sondern auch zielgruppenspezifische An­gebote, zum Beispiel vergünstigte Seniorinnen- und Seniorenkarten, anbieten. Damit wird auch einer Entschließung des Nationalrates nachgekommen.

Im Passgesetz kommt eine kleine, aber wesentliche Änderung: Wenn zum Beispiel bei Obsorgestreitigkeiten ein Gericht die Abnahme eines Reisedokuments eines Kindes anordnet, wird darüber auch die Passbehörde informiert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der nicht berechtigte Elternteil, der das umgehen könnte, um etwa ins Ausland zu reisen, kein neues Reisedokument bekommt. Wir denken, dass das we­sentliche, richtige und wichtige Änderungen sind.

Auch die bereits angesprochene Änderung im Waffengesetz ist eine wesentliche Er­leichterung für Traditionsvereine wie Schützenvereine. Es geht um Umregistrierungen in vereinfachter Form, darum, wer die Verantwortung über registrierte Waffen hat, auch um die Änderung mittels Bürgerkarte oder Handy-Signatur und um die Strafbefreiung bei verspätetem freiwilligem Nachkommen einer Waffenmeldung.

Wir halten diese Regelungen im Großen und Ganzen für wichtig, zeitgemäß und bür­gernahe. Insofern bedanken wir uns recht herzlich, dass wir das so zustande bringen können und unterstützen diese Vorlage vollinhaltlich. Ich denke, die Allparteienzustim­mung wird dem Rechnung tragen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.33


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Herbert. – Bitte.

 


15.33.38

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich haben meine beiden Vor­redner eigentlich schon alles gesagt. Wichtige beziehungsweise wesentliche Verbesse­rungen im Bereich des Meldewesens, des Passwesens und des Waffenwesens stehen hier zur Diskussion. Auch wir erkennen den positiven Mehrwert, den diese neuen Be­stimmungen bringen werden. Daher werden auch wir gerne dieser Regierungsvorlage zustimmen.

Es ist dies eine Konsensmaterie. Ich denke, es ist ohnehin bereits alles gesagt worden, was gesagt werden sollte. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.34


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


15.34.37

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Gäste hier und vor den Bildschirmen! Wie schon gesagt wor-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 111

den ist, es ist schon fast alles gesagt worden. Am meisten hervorheben möchte ich nur kurz die Anpassung, die im Meldegesetz umgesetzt wird, dass nämlich Personen, die in einer Notwohnung unterkommen, künftig als Meldeadresse nicht wie bisher die Ad­resse direkt von dieser Wohnung angeben müssen, sondern die Adresse der Betreu­ungseinrichtung angeben können. Der große Unterschied zu vorher ist, dass nicht über einfache Meldeauskunft die genaue Wohnadresse preisgegeben wird, nämlich viel­leicht genau an den Bedroher, im Normalfall den Ehemann, Ex-Ehemann, Lebenspart­nerIn, Eltern, Schwiegereltern.

Ich möchte nur ganz kurz etwas hinzufügen, damit man sich auch zahlenmäßig etwas darunter vorstellen kann, wie viele Personen jährlich davon betroffen sind. In den 26 ös­terreichischen Frauenhäusern sind im Jahr 2014 knapp 3 300 Personen in Not- oder Übergangswohnungen betreut gewesen. 460 Personen mussten aus Kapazitätsgrün­den abgewiesen werden, konnten aber privat untergebracht werden; die sind, glaube ich, in dieser Novelle auch mit betroffen. Von diesen Schutzsuchenden waren etwa die Hälfte Frauen und die andere Hälfte die mitgebrachten Kinder. Alles in allem sind es sogar noch mehr Personen, weil in dieser Statistik vier kleinere Einrichtungen in Öster­reich nicht miterfasst sind.

Der langen Rede kurzer Sinn: Aufgrund dieser sehr einfachen Gesetzesanpassung können knapp 4 000 Personen in Österreich pro Jahr mit weniger Angst leben. Sie müssen nicht mehr mit der permanenten Angst leben, dass die Person, die sie bedroht, sie sehr einfach in ihrer Notwohnung aufspüren kann. Da geben wir natürlich sehr gern unsere Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.36


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Bock. – Bitte.

 


15.36.54

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich gilt ja bei Gesetzesänderungen meistens, dass wir EU-Richtlinien verbessern oder umsetzen müssen. Bei dieser heute zu beschließenden Novelle freue ich mich, dass wir auf die raschen Änderungen in der Gesellschaft reagiert haben.

Unzweifelhaft ist, dass in den letzten Jahren die Gewalt in den Familien zugenommen hat, das haben wir schon gehört. Immer mehr Menschen, besonders Frauen müssen in Betreuungswohnungen untergebracht werden.

Sehr oft sind diese jedoch auch dort vor der Verfolgung durch ihre Peiniger nicht si­cher. Daher ist es notwendig, diese Opfer zu schützen, indem die Wohnadresse nicht allgemein zugänglich ist. Eine Meldeauskunft erhält man – das wissen wahrscheinlich die meisten – im Gemeindeamt, wenn man den Namen und das Geburtsdatum der be­treffenden Person kennt. 2,10 € kostet das, glaube ich, dann erhält man eine Melde­auskunft.

Für diese Personen besteht nun die Möglichkeit, dass die Anmeldung, wie bereits ge­hört, in der Institution, die meistens nicht am betreffenden Wohnort ist, erfolgen kann.

Zahlen haben wir auch schon gehört. In Österreich waren im Jahr 2013 16 624 Men­schen von Gewalt in der Familie betroffen, davon waren 87,2 Prozent Frauen und Mäd­chen, und die Gefährder waren zu 91,2 Prozent männlich.

Im selben Jahr wurden 8 306 Betretungsverbote verhängt, 2013 gab es 2 139 Anträge auf einstweilige Verfügung, und 2 955 Menschen wurden im Rahmen der Prozessbe­gleitung unterstützt.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 112

Ich hoffe, dass es die Möglichkeit gibt, diese Abweichung vom Meldewesen und dem damit zusammenhängenden Verlust der Bundesertragsanteile für die tatsächliche Wohn­gemeinde auszugleichen. Die Gemeinden sind sehr empfindlich, wenn sie einerseits keine Ertragsanteile erhalten und andererseits für diese notwendigen Sozialleistungen und Einrichtungen zahlen müssen.

Auch die Änderungen im Passwesen wurden bereits erwähnt. Es gibt immer mehr mul­tikulturelle Partnerschaften und solche mit verschiedenen Staatsbürgerschaften in un­serem Land, und ich finde, dass das sehr positiv ist. Aber auch global gesehen ist dieser Trend zu beobachten.

Außerdem werden generell viele Ehen geschieden, und viele Partnerschaften mit ge­meinsamen Kindern lösen sich auf. Bei den Obsorgestreitigkeiten wird – das haben wir vom Kollegen Mayer bereits gehört – durch eine Änderung im Passgesetz eine neue Möglichkeit zum Schutz der Kinder geschaffen.

Zu den Änderungen im Waffengesetz: Die Probleme bei der persönlichen Registrie­rung von Waffen bei den verschiedenen Vereinen, insbesondere bei der Schützengil­de, bei den Schützenkompanien werden mit dieser Änderung beseitigt.

Bei diesen Vereinen gab es Probleme mit der namentlichen Registrierung, Eigentümer der Gewehre und Pistolen war ein Verein. Die Mitglieder der Vereine änderten sich lau­fend oder ändern sich noch immer laufend. Die Gewehre wurden auch nicht nur von ein und derselben Person benutzt, daher gab es immer wieder Probleme.

Die Meldung auf den Obmann war damals nicht möglich. Nun kann die Anmeldung für die Waffen des Vereins auf einen Verantwortlichen getätigt werden, und nachdem der Obmann meist über mehrere Jahre in Funktion bleibt, spielen die Ummeldekosten nur eine geringe Rolle. Damit werden auch die Schützen von der übergeordneten Büro­kratie befreit. Frau Ministerin, eine Ehrensalve in Tirol wird Ihnen sicher sein! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.41


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

 


15.41.20

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren des Bundesrates! Heute ist, glaube ich, ein ganz beson­derer Tag – ein ganz besonderer Tag deswegen, weil hier ein Anpassungsgesetz von allen hier im Bundesrat vertretenen politischen Parteien beschlossen wird, und das kommt nicht alle Tage vor. Deswegen sage ich auch ein herzliches Dankeschön.

Drei Gesetzesmaterien sind davon betroffen: das Meldegesetz, das Passgesetz und das Waffengesetz. Meine Vorredner haben bereits bestens hervorgehoben, dass vor allem bei der Anpassung auf eine Verwaltungsvereinfachung, auf mehr Bürgernähe und vor allem auf einen noch besseren Schutz von Kindern beziehungsweise auf von Gewalt betroffene Opfer geschaut wurde.

Es war eine sehr gute Arbeit unserer Expertinnen und Experten des Hauses, des In­nenressorts, und ich darf mich allen voran bei Herrn Mag. Andre für diese wirklich hervorragende Arbeit bedanken. Ich freue mich vor allem auch, dass wir die Schützen betreffend zu einem guten Ergebnis gekommen sind. Das war eine sehr sensible und schwierige Thematik, aber ich glaube, wir haben sie in gemeinsamer Allianz gut gelöst, damit eine gut gelebte Tradition fortgeführt werden kann. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

15.42

15.42.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 113

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

15.43.1516. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität (483 d.B. und 525 d.B. sowie 9339/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Ich bitte um den Bericht.

 


15.43.37

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2015 betreffend Abkommen zwischen der Re­gierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusam­menarbeit im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität.

Der Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.44.19

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es steht außer Frage, dass man im Bereich der international agierenden Kriminalität auch eine internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsexekutive, der Geheimdienste und so weiter benötigt. Das möchte ich wirklich betonen und hervorstreichen, aber der Kritikpunkt und der Grund, warum wir, die Grünen, dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen wer­den, ist folgender – und das hat, glaube ich, auch Kollege Pilz im Nationalrat schon angeführt –: Warum ist bei einem so wichtigen Abkommen nur auf der Ebene der Poli­zei und der Innenminister diese Thematik vereinbart und ausgehandelt worden und das Justizministerium in diese Gespräche nicht miteinbezogen worden?

Die Bedenken von den Kollegen waren und sind, dass es beim Austausch von Daten – um zu wissen, welche Zustände in gewissen Ländern herrschen, braucht man kein Ex­perte zu sein – keine Datensicherheit gibt. Es wäre daher wünschenswert, in dem Ab­kommen auch deklariert festzuhalten und nicht offen zu lassen, was ausgetauscht wird, welche Informationen da hin und her geschickt werden. Einer der inhaltlichen Gründe, warum unsere Juristen, die sich das angeschaut haben, das weder begrüßen noch be­jahen, ist nämlich, dass die Bestimmungen sehr schwammig und nicht konkret formu-


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liert worden sind. Deshalb werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht ertei­len. (Beifall bei den Grünen.)

15.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


15.46.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man darf vielleicht eingangs ganz kurz das Ziel definieren, Kollege Dönmez, denn es geht einfach um die Verbesserung der poli­zeilichen Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und den ukrainischen Si­cherheitsbehörden. Es geht speziell um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Terrorismus, des Menschen-, Drogen- und Waffenhandels, der Kinderpornogra­phie und dann noch um die Informationen und den Erfahrungsaustausch, und ein wei­terer wesentlicher Punkt ist die gegenseitige Unterstützung bei der Personenfahndung.

Zu sagen: Ja, jetzt sind da nur die Polizeibehörden bei diesem Abkommen dabei und die Justiz nicht!, ist für mich einfach zu kurz gegriffen; so lasst uns doch wenigstens einmal bei den Polizeibehörden mit dem Erfahrungsaustausch, dem Informationsaus­tausch und der Kooperation beginnen.

Nun zum Einwand, dass es sensible Daten seien, die hier ausgetauscht werden: Um welche Personenkreise handelt es sich dabei? – Es handelt sich um Terroristen, es geht um Drogendelikte, es geht um organisierte Kriminalität, um Waffenhändler, terro­ristisch Verdächtige, der Kinderpornographie Verdächtigte, und daher ist mir das wirk­lich zu einfach, zu sagen, dass man über solche Menschen keinen Daten- und Informa­tionsaustausch machen darf. Das ist einfach falsch.

Das ist einfach falsch, denn genau bei diesen Personenkreisen müssen die Polizeibe­hörden einfach einen entsprechenden Vorsprung im Austausch von Informationen ha­ben. Das ist essenziell, und daher soll man jetzt auch nicht einwenden, dass man nur deshalb, weil die Justizbehörden nicht dabei sind, dieses Abkommen im polizeilichen Bereich nicht abschließt und noch länger zuwartet.

Deshalb betrachtet meine Fraktion das sehr positiv, dass in Zukunft auch zum Zwecke der Zusammenarbeit, insbesondere des Informations- und Erfahrungsaustausches so­wie der gegenseitigen Unterstützung bei der Personenprüfung entsprechende Amtshil­feersuchen gestellt werden können. Diese Amtshilfeersuchen sind ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt.

Es gibt auch Berichte aus der Ukraine, die im Europarat sehr intensiv diskutiert wur­den; der Kollege Schennach wird das vielleicht auch zitieren. So hat der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk zugegeben, dass es Ermittlungsfehler im Bereich von Maidan gibt. Zeugen wurden nicht rechtzeitig befragt, der damalige Generalstaatsan­walt hat große Fehler gemacht, und – wie gesagt – das ist auch unter der neuen Re­gierung passiert. Es gilt hier enorme Probleme in der Polizeiarbeit, in der Arbeit der Justizbehörden und des Staatsanwaltes aufzudecken, und dabei kann ein hochentwi­ckelter österreichischer Polizeiapparat, eine hochentwickelte Behörde, entsprechende Unterstützung und Hilfestellung leisten.

Es existieren Untersuchungen vom Europarat die Ukraine betreffend, die in einer gro­ßen Anzahl von Fällen im Innenministerium, bei den Geheimdiensten, in den Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft große Mängel aufzeigen. Diese Berichte des Europara­tes kann ich nur jedem empfehlen, denn sie sind in diesem Bereich wichtig und haben essenzielle Inhalte, die in Europa darauf aufmerksam machen sollen, welche Probleme es in einem Staat gibt, wo Terror, Krieg und Gewalt im Vordergrund stehen, der Rechts­staat in großer Gefahr ist und Menschenrechte oft mit Füßen getreten werden.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 115

Da unterstützend einzugreifen, intensivste Zusammenarbeit zu pflegen, zu kooperieren und unter Umständen auch die Polizeibehörden mit unserem Standort zu schulen, das ist ein ganz wichtiger Punkt, dem die ÖVP sehr gerne zustimmen wird, Frau Minister. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

15.49


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


15.50.27

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Efgani, im Prinzip kann ich deine Kritik natürlich verstehen, so würde man es zwischen Staaten regeln. Aber man darf doch ein paar Dinge nicht außer Acht lassen.

Vor gut einem Jahr hat die Revolution am Maidan-Platz stattgefunden, hat ein Parla­ment weggefegt, hat eine Regierung weggefegt und hat einen Bürgerkrieg nach sich gezogen und instabile Verhältnisse im Land, an denen viele Tausende Menschen bis­her gestorben sind. Das Parlament, die Werchowna Rada, ist neu. Viele Abgeordnete sind zum Teil aus der Maidan-Bewegung, viele sind noch relativ unerfahren, manche nicht.

Dass man in so einer Situation angesichts einer Sicherheitslage, die die Ukraine vor der Revolution am Maidan ausgestrahlt hat und auch danach, einen kurzen Weg eines Sicherheitsübereinkommens macht, ist mehr als verständlich, allein, wenn man in ei­nen ganz unappetitlichen Bereich hineinschaut. Es arbeiten zirka 500 000 Frauen in Europa im Bereich der Prostitution, davon werden über die organisierte Kriminalität des Schleppens, des Menschenhandels und der erzwungenen Prostitution rund die Hälfte über die sogenannte ukrainische Mafia organisiert und zum Teil auf Märkten verkauft.

Man geht davon aus, dass diese organisierte Kriminalität in der Ukraine eine der stärksten in Europa ist. Wenn man sich die Umsätze, die in diesem Bereich gemacht wurden, anschaut, so sieht man, dass, wie aus einem Bericht des Europarates hervor­geht, 13 Milliarden Dollar Umsatz gemacht werden; davon 6 Milliarden Dollar in Deutsch­land. Alleine der Umsatz in Deutschland von diesem Schleppen und dem Zwingen der Frauen und Mädchen zur Prostitution entspricht dem Gesamtumsatz des Adidas-Sport­konzerns. Die Summen, die hier bewegt werden, sind einfach erschreckend.

Betrachtet man den Stand der organisierten Kriminalität der Ukraine weiter, so sieht man, dass sie dem Staat weitere 2,5 Milliarden Dollar durch Formen der Korruption entzieht. Diese 13 Milliarden Dollar aus dem Menschenhandel, aus der erzwungenen Prostitution werden von dieser Mafia in die Bereiche Drogen und Waffen reinvestiert. Mittlerweile nimmt diese Summe eine extrem gefährdende, auch sicherheitsgefährden­de Dimension an.

Deshalb ist diese Kooperation so wichtig, wie auch bereits von Edgar Mayer ange­sprochen. Als Leiter des Monitorings des Europarates habe ich zwei Berichterstatterin­nen in der Ukraine. Diese beiden Parlamentarierinnen haben alleine im letzten Jahr vier Monate in der Ukraine verbracht und einen Gesamtbericht über das Funktionieren der Justiz und des Sicherheitsapparates erstellt. Der Sicherheitsapparat der Ukraine vor und nach der Revolution ist Teil des Systems, nämlich dieses Systems, das hier beschrieben wurde.

Zum Beispiel die Verbrennung der Menschen in Odessa: Dass da Mörder gefasst werden und am nächsten Tag in der Früh – ohne die Aufnahme der Identitäten – frei­gelassen werden, zeigt, dass einiges nicht stimmt. Daher sind solche Kooperationen im Bereich Sicherheit zwischen Österreich und der Ukraine wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 116

Warum ist die Ukraine besonders wichtig? – Jetzt könnte man sagen: Wenn die uk­rainische Mafia nur in der Ukraine tätig ist, dann ist es ein ukrainisches Problem. Die ukrainische Mafia ist die aktivste Mafia in Europa. Sie ist in Russland, in Aserbaid­schan, in allen drei baltischen Staaten, in Deutschland, in Österreich, in Italien, in Un­garn, in Rumänien, in Dänemark, in Belgien, in Griechenland, in den USA und in Kana­da tätig.

Und innerhalb der Ukraine gibt es eine andere Mafia, nämlich die tschetschenische Mafia, und diese erzielt durch ihre Mafiatätigkeiten in der Ukraine Gewinne bis zu 30 Millionen Dollar pro Jahr. Dazu gibt es Berichte, die aufliegen. Ich verstehe zwar die Kritik, aber ich verstehe auch die Notwendigkeit des Handelns, und dieses Abkommen unterstreicht diese Notwendigkeit.

Zum Schluss: Derzeit sind über eine Million Menschen aus dem Donbass flüchtig. Der Großteil sind Binnenflüchtlinge innerhalb der Ukraine, ungefähr 300 000 Menschen sind nach Russland geflüchtet, viele aber auch nach Belarus. Im Zuge solch großer Bewegungen können sich Kräfte verstecken und Geschäfte, die wir in unseren Demo­kratien nicht wollen, leicht machbar sein. Deshalb war dieses schnelle Handeln not­wendig, und deshalb wird die SPÖ diesem Abkommen auch zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Herbert. – Bitte.

 


15.56.46

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! So, wie meine Vorredner die instabilen Verhältnisse in der Ukraine dargestellt haben, auch wie die Rechtssystematik dort funk­tioniert und welch schwierige gesellschaftliche und politische Verhältnisse dort vorherr­schen, müsste man sich eine Zustimmung zu diesem Abkommen tatsächlich überle­gen, denn das Bild, das hier gezeichnet wurde, würde eine Zusammenarbeit ja quasi ausschließen. Ich denke aber, dem ist nicht so, speziell ist es nicht so dramatisch, wie Kollege Schennach das vorhin dargestellt hat.

Dass die gesellschaftlichen Ausprägungen dort ein bisschen anders sind als bei uns, das liegt schon auf der Hand. Ich kenne die, sagen wir einmal – um das Wort „Korrup­tion“ nicht in den Mund zu nehmen –, schwierigen gesellschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine. Auch das Problem der organisierten Kriminalität ist nicht zu unterschät­zen, weil diese eine – und da gebe ich dem Kollegen Schennach durchaus recht – in­ternationale Komponente hat.

Dieses Abkommen zielt ja nicht darauf ab, dass die österreichischen Sicherheitsbehör­den in einer missionarischen Tätigkeit in die Ukraine fahren und den ukrainischen Si­cherheitsbehörden oder Justizbehörden quasi erklären, wie die Polizei oder die Justiz funktioniert. In erster Linie geht es darum, dass man gegenseitige Synergien gewinnt, um eben diese Ausprägungen der organisierten Kriminalität – die auch in Österreich spürbar und leider auch in der Kriminalitätsstatistik nachlesbar sind – etwas eindäm­men zu können, und wir mit Informationen aus erster Hand eine Verbesserung der hei­mischen Kriminalitätslage und eine Verbesserung im Sinne der Verbrechensbekämp­fung für uns, für Österreich erreichen können.

Ich glaube nicht, dass man mit diesem Abkommen in der Lage sein wird, die ukraini­schen Verhältnisse – politischer wie gesellschaftlicher Natur – zu verbessern. Dazu be­darf es anderer Anstrengungen, die wahrscheinlich noch viel umfangreicher sein wer­den und auch zeitlich in einem entfernteren Horizont liegen werden. Ich glaube aber, dieses Abkommen ist gut und wichtig, um die heimische Kriminalitätsbekämpfung zu


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 117

verbessern und unsere Sicherheitsbehörden in der Bekämpfung der internationalen Kri­minalität zu unterstützen.

In diesem Sinne wird die FPÖ diesem Abkommen zustimmen, wenngleich auch mit ei­nem ein bisschen weinenden Auge, wenn man die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine betrachtet. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schödinger. – Bitte.

 


15.59.50

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Kriminalität kennt keine Grenzen, und das ist das Erste, was bei Systemänderungen grenzüberschreitend funk­tioniert.

Es wurden jetzt viele Argumente vorgebracht, und dazu möchte ich Folgendes sagen: Es ist nicht das erste Polizeikooperationsabkommen, das abgeschlossen wird. Unter der Führung unseres Innenministeriums wurde bereits eine Fülle an diesen Polizeiko­operationsabkommen abgeschlossen, mit Nachbarländern, die heute alle in der EU sind, die dem Schengener Abkommen und teilweise auch dem Prümer Vertrag beige­treten sind. Deshalb wurden damals – als diese Situation noch nicht eingetreten war, als die Außengrenze am Rande von Österreich gelegen ist – diese Länder gerade im Hinblick auf die polizeiliche Zusammenarbeit aufgrund dieser Polizeikooperationsver­träge sehr unterstützt, und auch in Österreich konnten wir damit sehr viel zu unserer Sicherheitspolitik beitragen.

Man weiß, wie diese Entwicklungen gelaufen sind. Das, was ich hier anspreche, ist kein Theoretisieren aus vergangenen Gesetzesvorlagen, sondern das ist die Materie, mit der ich zehn Jahre lang gearbeitet habe. Ich habe zehn Jahre mit den Polizeiorga­nisationen unserer Nachbarstaaten zusammengearbeitet und weiß, was man mit die­sen Polizeikooperationsverträgen erreichen kann. Es geht nicht nur um die Buchstaben des Gesetzes, sondern dieses Gesetz wird durch verantwortungsbewusste Polizeikol­legen, die dort arbeiten, erfüllt. Diese Polizisten – das muss man schon auch einmal sagen – begegnen den Kollegen auf der anderen Seite mit sehr viel Fingerspitzen­gefühl und Feingefühl und auf Augenhöhe und setzen alles Mögliche daran, auch in Österreich die Sicherheitslage zu verbessern.

Es geht nicht darum, dort hinzugehen und diese Länder zu lehrmeistern, sondern es geht darum, sukzessive eine Kooperation und ein persönliches Vertrauen herzustellen, das dann dementsprechend auch in der Kriminalitätsbekämpfung seinen Niederschlag findet.

Zu den angesprochenen Punkten bezüglich des Datenschutzes möchte ich darauf hin­weisen, dass in diesem Kooperationsabkommen der Datenschutz einen so breiten Raum einnimmt wie in keinem anderen Polizeikooperationsabkommen. Aus diesem Grund, glaube ich, wurde in diesem Punkt sehr, sehr vorsichtig vorgegangen.

Es ist klar, dass es in der Ukraine auch eine Fülle an Problemen gibt – Herr Kollege Dönmez hat das auch angesprochen, und dem ist auch nichts hinzuzufügen –, aber gerade mit diesem Polizeikooperationsabkommen kommen wir unserer Sicherheit ei­nen wesentlichen Schritt näher; und ich weiß, wovon ich rede. Dieses Problem gab es auch mit unseren Nachbarstaaten, als man ihnen noch vorgeworfen hat, dass es mas­sive Strukturprobleme und, und, und gibt. Aber der persönliche Kontakt und auch das ständige Intervenieren unter irgendwelchen Umständen oder bei irgendwelchen Fällen haben immer mehr aufgezeigt, dass, wenn die Polizeikooperationsverträge entspre-


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chend abgeschlossen sind, dies sehr wohl und sehr stark dazu beiträgt, die Sicher­heitslage auf beiden Seiten der Kooperation zu verbessern.

Der Grund, warum ich gerade Polizeikooperationsabkommen derartig vehement vertei­dige und befürworte, ist, dass man sieht, dass in der Vergangenheit – und wenn man da von Vergangenheit spricht, dann geht es um einen Zeitraum von mehr als 15 Jah­ren, beinahe 20 Jahren – dieses System wirklich gut funktioniert hat. Gerade unser In­nenministerium, unsere Beamten im Innenministerium haben eine Fülle von Erfahrun­gen gesammelt, die anscheinend in die Formulierung dieses Abkommens auch einge­flossen ist.

Einen Punkt noch dazu: Polizeikooperationsabkommen mit den Nachbarstaaten sind zwar leichter als mit einem Staat, der keine gemeinsame Grenze mit uns hat, aber vom System her gibt es nichts hinzuzufügen. Wir haben Verbindungsbeamte, die eine tolle Ausbildung haben. Sie beherrschen diesen Job wirklich gut und können dementspre­chend an Prioritäten erkennen, was wichtig ist und was nicht wichtig ist. Eine große Zahl von Fällen, bei denen es um wirklich massive Kapitalverbrechen gegangen ist, konnte aufgrund dieser Polizeikooperation gelöst werden. Diese hätten wir alleine so nicht lösen können.

Deswegen appelliere ich noch einmal wirklich intensiv an Sie, diesem Abkommen zu­zustimmen und dieses Abkommen auch als das zu sehen, was es ist, nämlich ein wirklich wichtiges und wertvolles Instrument zur Kriminalitätsbekämpfung in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

16.04


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


16.04.52

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist die inter­nationale Zusammenarbeit gerade im Kampf gegen die Kriminalität, gegen die orga­nisierte Kriminalität sehr wichtig. Das habe ich auch explizit betont. Man braucht aber den Blick nicht so weit, nämlich bis in die Ukraine, zu richten, wobei die Ukraine eh nicht so weit weg ist, von dem einmal abgesehen, es würde schon reichen, wenn wir in unserem eigenen Land anfangen würden. Der Herr Kollege hat es bereits angespro­chen.

Ich möchte hier etwas zitieren, weil ich persönlich es ganz wichtig finde, dass Sie es einmal gehört haben sollten, falls Sie es noch nicht gelesen haben, insbesondere auch Ihre Kollegen und Kolleginnen, die im Sicherheitsbereich und im Ministerium tätig sind:

„Österreich ist eine beliebte Destination, dank diskreter Banken, Privatstiftungen und verschwiegener Berater. Warum in Wien bar und manchmal mit dem Leben bezahlt wird.“ Über zehn Jahre hat Florian Horcicka über unterschiedlichste Kanäle, die alle transparent und sehr gut beschrieben worden sind, die in Österreich existierenden Netzwerke erarbeitet und mit Namen und Fakten untermauert. Und ich halte es für ex­plizit wichtig, dass Sie, sehr geehrte Frau Ministerin Mikl-Leitner, und auch Ihre ge­schätzten MitarbeiterInnen das zumindest einmal gehört haben sollten. Vertiefende In­formationen können dann natürlich in seinem Buch nachgelesen werden, das ich üb­rigens mit großem Interesse gelesen habe.

Darin beschreibt Horcicka „das Geflecht von arabischen Diktatoren, russischen Oligar­chen, afrikanischen Potentaten und philippinischen Clans mit deren Anwälten, Treu­händern und Beratern milliardenschweren, teils dubiosen Transaktionen, die vom Atter­see bis Zypern abgewickelt werden, als Parallelgesellschaft, ‚die nahezu ausschließlich aus Männern besteht‘.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 119

Männer, deren Namen in der internationalen Forbes-Reichenliste ebenso aufscheinen wie via Mittelsmänner in österreichischen Firmenbüchern. Männer, deren Privatstiftun­gen, Privatjets, Immobilien und Konten großteils in Wien, zudem in Liechtenstein und der Schweiz registriert sind. Männer, die in noblen Wiener Innenstadt-Lokalen verkeh­ren, stets bar und manchmal mit dem Leben bezahlen. ‚Es ist auffällig, wie viele expo­nierte Menschen und auf welche Weise – vom österreichischen Ex-General Lütgendorf über den georgischen Mafia-Paten David Sanikidze, dem lybischen Politiker Shukri Ghanem bis zum Wiener Anwalt Erich Rebasso und jetzt Aliyev – gestorben sind.‘

Dass der Autor je Angst gehabt hat, verneint er. ‚Beunruhigt bisweilen. Geld schlägt Moral in dieser Parallelgesellschaft. An diesem Geld klebt manchmal nicht nur Schmutz, sondern auch Blut.‘ Dass er sich Zutritt zu dieser Parallelgesellschaft ver­schaffen konnte, verdankt er ‚jahrelangen Kontakten. Teils mit Rechtsanwälten, teils mit Beratern. Dabei handelt es sich österreichweit um einen sehr überschaubaren Kreis von gut einem Dutzend. Einige, die als Pressesprecher und Kabinettschefs in der Politik tätig waren, sind es jetzt für Russen oder Ukrainer,‘“ und beraten auch Leute wie Dmytro Firtasch.

„Dem Ukrainer, dessen Vermögen auf 2,4 Milliarden € geschätzt wird, soll in den USA wegen Bestechung der Prozess gemacht werden. Dank einer Rekordkaution von 125 Millionen € und kraft seiner wirtschaftlichen wie politischen Verbindungen kann sich der Investor in Österreich frei bewegen. Um nicht zu sagen, Hof halten, ‚runde Ti­sche‘ initiieren, um – in Ermangelung eines Passes – in Wien über den Ukraine-Konflikt zu diskutieren. ‚Firtasch beherrscht die politische Klaviatur perfekt.‘

Was den Oligarchen zudem auszeichnet? ‚Firtasch hat wie viele Protagonisten dieser Parallelgesellschaft ein unglaubliches, um nicht zu sagen, paranoides Sicherheitsden­ken.‘ Das heißt: Leibesvisitation vor dem Gespräch. Von Bewaffneten bewachte Räu­me. Telefonieren wenn nötig nur mit Wertkartenhandy. ‚Sie denken in einem Freund-Feind-Schema.‘ Denkt Horcicka, dass Aliyevs Tod politische, wirtschaftliche oder straf­rechtliche Konsequenzen haben wird? ‚Nein‘“, glaubt der Autor.

Man wird sehen, welche Konsequenzen dies hat. Ich kann Ihnen und auch Ihren Mitar­beitern dieses Buch wärmstens empfehlen, um zu sehen, wie dieses Geflecht aus Steu­erberatern, Wirtschaftstreuhändern und Anwälten und auch guten Freunden aus Politik und Wirtschaft mit diesen teilweise halbkriminellen oder vollkriminellen Personen in Österreich – da braucht man nicht in die Ukraine oder woanders hinzuschauen – zu­sammenarbeitet. Und nur deswegen ist es erklärbar, warum Österreich neben der Schweiz und Liechtenstein eine sehr interessante Destination für dieses Geld aus derart dubiosen Geschäften ist. Wenn unsere Exekutive und auch unsere Beamten einmal darauf angesetzt würden, dass sie dem nachgehen, dann, denke ich mir, wäre man sicher auch schnell bei den Hintermännern.

Nichtsdestotrotz: Das ist jetzt kein Appell, die Zusammenarbeit mit der Ukraine oder mit anderen Ländern aufzukündigen – nein, natürlich nicht! –, aber ich denke, wir hät­ten im Inland genügend Ansätze, wenn wir es ernst damit meinen, der organisierten Kriminalität zu Leibe zu rücken. Wir haben hier genügend Anknüpfungspunkte.

Das und noch vieles mehr, was ich hier ganz kurz angesprochen und angerissen habe, ist in dem äußerst spannenden Buch „Das schmutzige Geld der Diktatoren“ nachzule­sen. Das kriegen Sie von mir das nächste Mal als Geschenk. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.10

16.10.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 120

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.11.1417. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament Le­gislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2015 Acht­zehnmonatsprogramm des italienischen, lettischen und luxemburgischen Vorsit­zes des Rates der Europäischen Union (III-541-BR/2015 d.B. sowie 9340/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte um den Bericht.

 


16.11.40

Berichterstatter Edgar Mayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Bericht des Bundesministeriums für Inneres an das österreichische Parlament Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2015 Achtzehnmonatsprogramm des italienischen, lettischen und luxemburgischen Vorsitzes des Rates der Europäi­schen Union.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 7. April 2015 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2015 Achtzehnmonatsprogramm des italienischen, lettischen und luxemburgischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


16.12.35

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich diese 26 Seiten, so wie sie hier formuliert sind, durchliest, dann könnte man meinen, die Kriminalitäts- und Asylproblematik der EU werden in den nächsten 18 Monaten bereinigt. Wenn man al­lerdings die Erfahrungswerte der Vergangenheit berücksichtigt und mit geöffneten Au­gen und nicht realitätsverklärt durch die politische Landschaft blickt, dann weiß man, dass sich dieser Bericht – verzeihen Sie mir meine sarkastischen Worte! – würdig im negativen Sinn in die Reihe der früheren Berichte in diesem Zusammenhang einreiht. Vieles davon haben wir schon einmal gelesen, um nicht zu sagen, überwiegend haben wir schon einmal alles gelesen. Wir haben die gleichen Überschriften und die gleichen Schlagwörter schon gelesen und die Positionen der Republik Österreich in gleicher Weise dazu vernommen. Wir haben inhaltlich genauso wenig auf- und wahrgenom­men, wie wir es bei diesem Bericht wahr- und aufnehmen.

Um es kurz zu sagen: Es ist dies die Fortschreibung jener inhaltlichen Leere, jener Überschriften und Schlagwörter, die uns in der Vergangenheit bei solchen Berichten immer schon begegnet sind und die – wie ich traurigerweise hier feststellen muss – uns wahrscheinlich auch zukünftig begleiten werden.

Es ist dies aber – man kann das durchaus auch so formulieren – die Fortschreibung ei­ner gescheiterten Sicherheits- und Asylpolitik der EU. Das, was hier dargelegt ist, be­steht nämlich nur aus Ankündigungen und hohlen Phrasen gepaart mit zustimmenden


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 121

Worten und netten Ankündigungen, damit man vielleicht meinen könnte, das eine oder andere könnte sich doch zum Besseren wenden, wozu es aber kaum geeignet ist. Es werden hier einmal mehr große Erwartungen erzeugt, die – dessen bin ich ziemlich sicher –, wie wir zukünftig wieder erfahren werden, nicht erfüllt werden. Einmal mehr wird hier die EU gut und groß gepriesen als die heile Welt der Sicherheit und der gesicherten Fremden- und Asylströme. Wir wissen allerdings schon jetzt – und auch die Statistik gibt uns recht –, dass dem nicht so ist und wahrscheinlich auch in den künftigen 18 Monaten nicht so sein wird, wie es hier dargestellt ist.

Ich möchte mich hier gar nicht weiter vertiefen. Die nachfolgenden Redner werden oh­nedies das Positive, wie sie meinen, hervorstreichen. Ich möchte nur einmal mehr fest­stellen, dass dieser Bericht ebenso wie vorangegangene Berichte nicht geeignet ist, das Vertrauen in die EU, in die Kommission und auch in den Rat weiter zu fördern. Das stellt man fest, wenn man diese Berichte kritisch hinterfragt. Wenn man sie nur ober­flächlich liest, dann hat man den Eindruck, dass ohnedies alles eitel Wonne und Waschtrog ist, wenn man sie aber kritisch hinterfragt, dann ist das nicht der Fall.

Was mich einmal mehr besonders stört, ist dieser saloppe Umgang mit dem Daten­schutz gerade in Bezug auf die EU. Man muss ja immer wieder vernehmen, dass in der EU so viel Wert auf Datenschutz gelegt wird und dass man auch seitens der öster­reichischen Bundesregierung immer auf den Schutz personenbezogener Daten der österreichischen Bevölkerung achtet und diesen besonders wertschätzt. Allerdings kommt man beim Studium solcher Berichte immer wieder zu dem Schluss, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

Stichwort einmal mehr: Das Fluggastdatenabkommen wird hier hoch und heilig als Ter­rorismusbekämpfungsmittel beschrieben, obwohl wir eigentlich genau wissen, dass es dabei nicht unbedingt um Terrorismusbekämpfung geht, sondern dass die Daten ein­mal mehr in die dunklen Kanäle der NSA, GCHQ oder sonstiger Geheimdienste laufen. Es geht also nicht um das eigentliche hehre Ziel der Terrorismusbekämpfung, sondern um den Handel mit beziehungsweise den Zugang zu wichtigen Daten, damit man über den vermeintlichen Partner im internationalen Geflecht auch gut Bescheid weiß. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder.)

Ich meine einmal mehr, dass dieser Bericht abzulehnen ist. Er spiegelt weder die Rea­lität noch die zukünftigen faktischen Entwicklungen wider. Und ich freue mich schon auf eine Analyse in 18 Monaten, bei welcher wir uns wieder finden werden, um wahr­scheinlich festzustellen, dass die Kriminalitätsentwicklung weiterhin negativ verlaufen ist, die Sicherheitserwartungshaltungen insbesondere in Bezug auf die EU bei Weitem nicht so erfüllt wurden, wie man sich das laut diesem Bericht erwarten könnte, und sich auch die Migrations- und Fremdenströme sowohl auf legale als auch illegale Weise gar nicht so entwickeln, wie es dieser Bericht darstellt.

In diesem Sinne werden wir diesem Bericht nicht zustimmen, und ich freue mich schon auf eine kritische Auseinandersetzung zu gegebener Zeit. (Beifall bei der FPÖ.)

16.18


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Perhab. – Bitte sehr.

 


16.18.29

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Bundesministe­rin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Herbert, es ist ja nichts Neues, dass man gegen Berichte, die Vorhabensberichte sind, ganz gut polemisieren kann. – Ich sehe das einfach ernsthafter, wie wir das meiner Meinung nach als staats­tragende Parteien tun sollten, denn immerhin geht es bei diesen Vorhabensberichten und den entsprechenden Ankündigungen um Menschen.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 122

Ich gebe dir recht: Die Asyl- und Migrationspolitik wird in der österreichischen Sicher­heitspolitik in Zukunft die causa prima sein. In diesem Punkt gebe ich dir völlig recht, und es wäre schön, wenn wir binnen eines Jahres diese Probleme wirklich national lö­sen könnten.

Das wird uns aber ganz sicher nicht möglich sein, weil Österreich ja bekanntlich fast vorbildhaft immer unter den ersten drei Migrationsländern Schweden, Deutschland und Österreich ist, uns aber diese Wellen aus dem Mittelmeerraum besonders treffen. Wa­rum? – Weil wir in der Außenbetrachtung ein wunderbares Land sind. Ich denke, wenn sich ein syrischer Kriegsflüchtling die Orte A, B oder C aussuchen kann, dann wird er nicht Bulgarien und vielleicht auch nicht Rumänien als Zufluchtsort wählen, sondern er wird Österreich, Deutschland, Schweden oder die Beneluxstaaten wählen, wenn er die Möglichkeit hat, dorthin zu flüchten.

Ich möchte mich ausdrücklich bei der Frau Bundesministerin bedanken. Wir – zumin­dest die Regierungsparteien – vertreten auch bei den EU-Meetings das österreichische „Save Lives Project“: Im Rahmen dieses Projekts versuchen wir bereits vor Ort in Ma­rokko oder Tunesien, mit dem UNO-Flüchtlingshilfswerk sozusagen eine Art Selektion der Flüchtlinge vorzunehmen, indem man sie etwa darüber informiert, ob sie eine Chan­ce haben, als Kriegsflüchtling aufgenommen zu werden oder nicht. Das ist unser hu­manistischer Auftrag, damit wir endlich diese menschenverachtende Schlepperei und diese Todeskommandos über das Mittelmeer – Stichwort: Lampedusa – verhindern kön­nen

Dass wir die österreichische Bevölkerung dabei nicht überfordern wollen, ist ein an­derer Aspekt. Auch diesbezüglich bemühen wir uns. – Wir fordern somit – das gehört mit zu diesem Programm, und ich denke, wir sollten unsere Frau Ministerin im EU-Rat unterstützen –, dass die Frau Ministerin diese österreichische Position definitiv und be­gründet weiterhin einfordert.

Es steht auch in diesem Vorhabenspapier, dass wir eine europäische, solidarische Mi­grationsquote und eine Migrationspolitik brauchen, die eine halbwegs gerechte Vertei­lung unserer Asylanträge beziehungsweise unserer Flüchtlingsanträge mit sich bringt.

Es kann nicht sein, dass wir als relativ kleines Land mit Deutschland, Schweden und den Beneluxstaaten die große Last tragen – ganz egal, wie die volkswirtschaftliche Be­trachtungsweise hier aussieht.

Ich denke, das ist einer der wichtigsten Punkte – und das steht auch als unsere Öster­reich-Position in diesem Vorhabensbericht –, dass es darüber hinaus natürlich auch verstärkt Mittel und Wege braucht, dass wir unsere Behörden dabei unterstützen, diese Vorhaben auch in die Praxis umzusetzen. Das ist für mich der richtige Weg und nicht diskutabel.

Dass man hier entsprechende Voraussetzungen schaffen muss, ist, glaube ich, nicht nur staatstragend, sondern auch zukunftsorientiert. Die Sicherheit unserer eigenen Be­völkerung steht da für uns natürlich im Mittelpunkt.

Ich denke, wir sind noch nicht am Ziel angelangt, aber wir sind auf dem richtigen Weg bei der Suche nach einer europäischen Lösung, und ich glaube, die neue Europäische Kommission sieht diese Dinge auch anders. Das ist übrigens aber kein Grund, Herr Kollege, viele Dinge in diesem Vorhabensbericht nicht fortzuschreiben.

Nona, wir hatten inzwischen EU-Wahlen. Wir haben eine neue Kommission. Wir haben eine neue Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Aber natürlich muss man die angegangenen Programme auch fortsetzen. Alles andere wäre ja komplett sinn­los! – Das muss man zur Ehrenrettung der Verfasser dieses Achtzehnmonatsprogram­mes feststellen.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 123

Ich denke, Österreich ist gut beraten, diesen Weg fortzusetzen und die entsprechen­den Maßnahmen verstärkt einzufordern. Wir werden unsere Bundesministerin dabei aus vollstem Herzen und mit vollster Kraft unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.22


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Füller. – Bitte.

 


16.22.58

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der Debatte über diesen Bericht möchte ich einige Punkte kurz ansprechen.

Wenn wir uns den Bericht ansehen, dann können wir feststellen, dass der Bericht über schwere und organisierte Kriminalität einen großen Umfang hat und breiten Raum ein­nimmt, wie dies auch schon in den vergangenen Jahren der Fall war. Und dieses The­ma wird uns europaweit auch noch länger fordern wie auch der Bereich betreffend Mi­gration, Flüchtlinge und so weiter.

Deshalb, Herr Herbert, ist es halt einmal so, dass in einem solchen Bericht gewisse Punkte betreffend verschiedene Bereiche der Kriminalität nicht einfach mit der Über­nahme eines Ratsvorsitzes beginnen und mit Ende des übernächsten Ratsvorsitzes enden. Verschiedene Bereiche, die wir schon im letzten und vorletzten Bericht hatten, werden im nächsten und im übernächsten Bericht auch wieder enthalten sein, werden uns beschäftigen und auch die Exekutive beschäftigen.

Ich denke jetzt speziell an den Menschenhandel, der in Erscheinung tritt, dem speziell und in erster Linie Frauen und Kinder mit seinen unmenschlichsten Auswüchsen, etwa Zwangsprostitution, zum Opfer fallen.

Insofern, denke ich mir, ist eine wesentliche Maßnahme, die auch im Bericht erwähnt ist, dass man immer wieder darauf hinarbeitet, den gegenseitigen Informationsaus­tausch zu verbessern und diesem zu dienen. – Das sind einfach wesentliche Pfeiler der Kriminalitätsbekämpfung.

Diesbezüglich hat in vielen Bereichen nicht nur Österreich, sondern Gesamteuropa ein Problem, und daher meine ich, dass alle Maßnahme, die wir in diesen Bereichen set­zen und die gesetzt werden, richtig und wichtig sind, um diese Verbrechen zu bekämp­fen.

Ich habe mir einige Bereiche genauer angeschaut: Ich meine, das Kapitel Drogen ist, wie auch im Bericht erwähnt, ein wichtiger Bereich. In diesem Zusammenhang konnte ich nachlesen, dass im Hinblick auf die EU-Drogenstrategie 2013 – 2020 die österrei­chische Position lautet: „Die EU-Drogenstrategie ist für Österreich von hoher Priorität und wird begrüßt.“

Auch zum EU-Drogenaktionsplan 2013 – 2016 lautet die österreichische Position: „Der EU-Drogenaktionsplan ist für Österreich von hoher Priorität und wird begrüßt.“

Außerdem ist dann im Bericht von der „Kontrolle neuer psychoaktiver Substanzen“ die Rede. – Dazu lautet die österreichische Position ebenfalls: „Die EU-Drogenbekämp­fung ist für Österreich von hoher Priorität und wird begrüßt.“

Im Hinblick auf diese Formulierungen könnte man, wenn man sich den Bericht an­schaut, ja fast annehmen beziehungsweise sich fragen, ob es überhaupt eine österrei­chische Position gibt. – Das möchte ich selbst jetzt nicht in den Raum stellen und auch nicht unterstellen. Ich würde mich allerdings freuen, wenn in Zukunft bei den nächsten Berichten beziehungsweise im nächsten Bericht einfach mehr über die österreichische


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 124

Position zu erfahren wäre. Da es sich ja um ein Arbeitsprogramm der Kommission han­delt, wäre es auch interessant, ob auch österreichische Initiativen oder Vorschläge in die einzelnen Punkte eingeflossen sind.

Im Großen und Ganzen möchte ich sagen, dass es sich um einen gelungenen Bericht handelt, für welchen ich mich bei den mitarbeitenden und daran beteiligten Beamtinnen und Beamten bedanke. Wir nehmen diesen Bericht auch gerne zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


16.26.29

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Präsidium! Vieles wurde gesagt. Ich möchte etwas zu dem anmerken, was Kolleg Perhab gesagt hat, weil das sehr wichtig ist.

Klarheit und Transparenz: Sie haben das selber vorgeführt, sehr geehrte Frau Minis­terin! Bis zu Ihrer Reise in den Kosovo sind die Antragszahlen sehr stark gestiegen. Dann waren Sie dort und haben aufgeklärt und aufgezeigt, wie es wirklich ausschaut und welche Chancen die Leute haben. Daraufhin sind die Antragszahlen wieder nach unten gegangen. – Und genau darum geht es: Wir müssen vor Ort aufklären und in­formieren, denn aufgrund von Unwissenheit ergibt sich genau das Geschäft, von dem die Schlepper leben. Daher ist es einerseits wichtig, dass wir ein funktionierendes Asyl­system haben, andererseits ist es aber genauso wichtig, in den Ländern Informations­arbeit zu leisten.

Sie haben mit Ihrer Reise für Aufklärung und Transparenz gesorgt. Das ist absolut be­grüßenswert, denn unter anderem dadurch entziehen wir den Schleppern ihre Exis­tenzgrundlage. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass die Aufteilung der Verantwortung auf europäischer Ebene gelöst werden muss. Es kann nicht sein, dass die Verantwortung – wie auch Kollege Herbert gesagt hat – auf die Nationalstaaten abgewälzt wird, so wie es gegenwärtig der Fall ist, denn der größte Druck entsteht ja an den EU-Außengrenzen.

Von der Europäischen Union wird jetzt gerade eine diesbezügliche Migrationsagenda erarbeitet. Wenn wir es nämlich nicht schaffen, den Druck an den Außengrenzen zu minimieren, dann wird der Druck der betroffenen Staaten immer größer werden. – Man kann jetzt natürlich sagen: Es war vielleicht ein Scherz des griechischen Innenminis­ters, dass er angedroht beziehungsweise gesagt hat, dass er halt einem jeden ein Vi­sum gibt und sich die Leute dann frei in der Europäischen Union bewegen können. Das würde aber jegliches Asylsystem in den Mitgliedstaaten zum Kippen bringen! Es ist allerdings auch nicht angedacht, so miteinander umzugehen.

Daher glaube ich, dass wir mittlerweile – früher war das ja nicht so – mit Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, auf einem guten und richtigen Weg sind, wenn wir uns be­mühen, die Verantwortung, die wir alle miteinander haben, aufzuteilen.

Es muss ja nicht so sein, wie Kollege Perhab gesagt hat, dass bestimmte Staaten im­mer unter den ersten drei Zielstaaten sind. Wenn es nämlich jemandem darum geht, vor Verfolgung Schutz zu finden, dann ist er froh, wenn er einmal in Sicherheit ist. Natürlich wissen wir aber, dass es Push-Faktoren gibt, und Österreich, Schweden und Deutschland gehören eindeutig zu diesen Ländern.

In diesem Bericht wird auch das Visa-Informationssystem angesprochen, das weiter aufgerollt wird. Visa-Erleichterungsabkommen und eine Visa-Liberalisierung mit be-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 125

stimmten Staaten, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden, sind in Verhandlung, und ich meine, das ist ein guter Weg im Bereich der Sicherung der Außengrenzen.

Eurosur und Frontex: Einerseits ist es gut, wenn die entsprechenden Maßnah­men Unterstützung bekommen, diese Maßnahmen sollten sich aber nicht primär darauf konzentrieren, Leute abzufangen und abzudrängen, sondern es sollte in diesem Zu­sammenhang auch Unterstützung geleistet werden.

Man muss aber jedenfalls sagen: Gäbe es Frontex und derartige Institutionen nicht, die Schiffsbrüchige oder Flüchtlinge sozusagen auf fahruntauglichen Unterteilen auf­greifen, dann wären sicherlich viel mehr Menschen ertrunken und verunglückt,

Die Smart Borders Initiative wurde auch schon angesprochen. Zur Cyberkriminalität gibt es gegenwärtig Begutachtungen. Im Bereich des Terrorismus sind die vier Kompo­nenten als Teile der Strategie, die diesbezüglich gefahren wird, absolut begrüßenswert: Prävention, Schutz, Verfolgung und Reaktion. Das ist eine sehr gute Konstellation. Wir müssen den Terroristen natürlich einerseits durch Aufklärung das Handwerk legen, aber andererseits auch potenziell Gefährdete vor ihnen schützen. Auch in dieser Hin­sicht geht Österreich einen super Weg mit unserer Extremismus-Hotline und so weiter. Wichtig ist aber natürlich auch die Zusammenarbeit der Geheimdienste und der Si­cherheitsbehörden, wenn es darum geht, international agierenden Terrororganisatio­nen das Handwerk zu legen.

Insgesamt herzlichen Dank für den Bericht. Wir werden diesem unsere Zustimmung er­teilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

16.31


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön. (Unruhe im Sitzungssaal.) – Mei­ne Herren! Es ist hier wirklich so ein Gemurmel. Die „Pausenglocke“ hat aber noch nicht geläutet. Wir haben noch eine Rednerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

 


16.31.39

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Vielen Dank, Frau Präsi­dentin. – Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Lassen Sie mich auch noch einen ganz kurzen Überblick über die Schwerpunktmaßnahmen der Kommission be­ziehungsweise der Triopräsidentschaft im Jahr 2015 geben.

Ich glaube, es ist erfreulich, dass die Kommission heuer, im Jahr 2015, den Fokus auf die Fertigstellung laufender Arbeiten legt. Daher kommt es auch nicht von ungefähr, dass Sie in diesem Vorhabensbericht Maßnahmen finden, die Sie im letzten Vorha­bensbericht bereits gelesen haben. Es handelt sich hiebei nämlich vor allem um die Fertigstellung vieler Maßnahmen und Projekte, und gewisse Maßnahmen müssen über einen längeren Zeitraum umgesetzt beziehungsweise durchgeführt werden, weil wir es eben mit Problemstellungen zu tun haben, die wir letztlich nur langfristig lösen kön­nen. – Das ist, wie ich meine, die ganz logische Erklärung dafür.

Wie geht man letztendlich damit um? Wie macht man das? – Es werden jetzt einmal al­le Maßnahmen überprüft, und man schaut, wo etwaige Korrekturen vorzunehmen sind, um auf veränderte Rahmenbedingungen eingehen zu können, und gerade diese ver­änderten oder neuen Maßnahmen werden dann in der neuen Sicherheitsagenda 2015 bis 2020 festgeschrieben. Diese Agenda soll noch vor dem Sommer seitens der Kom­mission vorgelegt und dann von unserer Seite beurteilt werden.

Zusätzlich soll es aufgrund des intensiven, umfassenden Migrationsdruckes auch eine Neuvorlage der Europäischen Migrationsagenda geben. Worum geht es bei dieser Mi­grationsagenda? – Es geht vor allem um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen lega-


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 126

ler Migration und illegaler Migration. Ich glaube, es ist vor allem auch für die Bevölke­rung sehr wichtig, dass ganz klar zwischen legaler Migration und illegaler Migration un­terschieden wird und dass in beiden Bereichen ganz konkrete Maßnahmen gesetzt werden. Das heißt einerseits Kampf dem Asylmissbrauch und andererseits volle Unter­stützung für jene, die um ihr Leben bangen müssen beziehungsweise verfolgt werden.

Schon angesprochen wurde die dramatische Situation auf dem Mittelmeer. Mittlerweile sind Tausende von Menschen ertrunken, und wir haben von österreichischer Seite ei­nen ganz konkreten Vorschlag mit dem bereits angesprochenen „Save Lives-Project“ gemacht. Diese Initiative tragen wir auf allen Ebenen und vor allem auch in allen Gre­mien derzeit vor, und ich bitte auch um Ihre persönliche Unterstützung in allen Gremien und auf allen Ebenen, wo Sie das letztendlich auch tun können, denn mit dieser Ini­tiative können wir vor allem legale Wege nach Europa öffnen, aber auch dafür sorgen, dass jene, die keinen Anspruch oder kaum eine Chance haben, Asyl in Europa zu be­kommen, letztlich direkt in den Drittstaaten bleiben. – Ich glaube, das ist eine sehr gute, unterstützenswerte Initiative, für welche ich um Ihre volle und ganze Unterstüt­zung bitten möchte.

Wichtig ist uns natürlich auch, dass sich in der neuen Agenda auch wiederum der Bal­kanschwerpunkt findet, weil das für uns ein ganz wichtiges Thema ist.

Kollege Dönmez hat die Problematik der Asylwerber aus dem Kosovo angesprochen. Ich glaube, wir haben in diesem Zusammenhang eine gute Strategie vorgelegt bezie­hungsweise auch umgesetzt, wobei es uns tatsächlich gelungen ist, einen hohen An­tragsstand abzubauen beziehungsweise die Kosovaren voll und ganz zu überzeugen, dass es kaum einen Sinn macht, nach Österreich, Deutschland oder sonst wohin zu gehen, weil letztlich kein Asylstatus besteht. – Mit dieser Strategie haben wir mittler­weile auf europäischer Ebene ein Best Practice-Beispiel gesetzt, wofür wir auch in al­len Bereichen immer wieder sehr gelobt werden.

Im Zusammenhang mit dem Thema Terrorismus wurde angesprochen, dass es wichtig und notwendig ist, vor allem in zwei Richtungen zu gehen: Es geht einerseits um Prä­vention und andererseits um Repression, und wir unterstützen natürlich auch alle Maß­nahmen auf europäischer Ebene, wobei es für uns zusätzlich wichtig und notwendig ist, die Allianz und die Zusammenarbeit mit den Westbalkanstaaten zu stärken.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das neue Grenzkontrollsystem der EU-Staaten. Sie wis­sen, dass ein diesbezügliches Pilotprojekt betreffend Umsetzbarkeit, Praktikabilität so­wie auch Kosten-Nutzen-Relation läuft. Das wird man sich in den nächsten Monaten anschauen müssen. Es geht hiebei um ein wirklich umfassendes Investpaket, weshalb man sich die Kosten-Nutzen-Analyse im Detail anschauen muss.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Rechtsinstrumente des gemeinsamen europäi­schen Asylsystems auch in den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umge­wandelt beziehungsweise zu nationalem Recht werden. Das halte ich für einen ganz wichtigen Schritt, um eine Harmonisierung auch tatsächlich zustande zu bringen. – Ja, die Beschäftigung mit dieser Aufgabe dauert zweifelsohne schon zu lange. Mir wäre es lieber, wenn bereits eine Harmonisierung in allen Mitgliedstaaten stattgefunden hätte. Dabei greifen die Mitgliedstaaten, die diesbezüglich sehr viel Erfahrung haben, auch jenen, die weniger Erfahrung oder großen Nachholbedarf haben, immer wieder unter die Arme.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bekämpfung der illegalen Migration. Diesbezüglich wurden viele Maßnahmen verabschiedet und befinden sich in Umsetzung, vor allem im Bereich der Taskforce Mittelmeer. Auch in diesem Bereich gibt es sehr viel tun.

Angesprochen wurde auch der gesamte Bereich der Visa-Erleichterung und Visa-Li­beralisierung. – Dazu auch ein ganz klares Wort: Visa-Erleichterung beziehungsweise


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 127

Visa-Liberalisierung kann es nur dann geben, wenn vor allem auch die einzelnen Staa­ten ihre diesbezüglichen Hausaufgaben erfüllen. Zudem ist selbstverständlich im Hin­blick auf Migrationsaspekte und sicherheitspolitische Aspekte auch darauf Rücksicht zu nehmen, welche Auswirkungen es für uns, für unser Heimatland letztlich gibt.

Ich glaube, alleine dieser Vorhabensbericht 2015 zeigt, dass es sehr viel Arbeit gibt, und zwar sowohl auf europäischer Ebene als auch auf Ebene der einzelnen Mitglied­staaten. Unser Ziel seitens Österreichs ist es, dass wir uns im Bereich der europäi­schen Initiativen und Maßnahmen auch voll und ganz einbringen, und zwar im Sinne eines gemeinsamen, friedlichen Europas, vor allem aber auch im Sinne der Sicherheit Österreichs.

Im Hinblick darauf bitte ich um gemeinsame Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten, mit den europäischen Mitgliedstaaten und weit darüber hinaus. Gerade dieser Bereich der Sicherheit beziehungsweise der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität kann nur in enger und gemeinsamer Allianz bewältigt werden. Deswegen ist auch das Polizeikooperationsabkommen mit der Ukraine so wichtig, um auch da der Kriminalität Einhalt zu gebieten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.39


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächster Redner: Herr Bundesrat Krusche. – Bitte. (Bundesrat Krusche – auf dem Weg zum Rednerpult –: Keine Angst, ich mache es kurz!)

 


16.39.33

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Was helfen uns die tollsten Vorhabensberichte, wenn die Lücke zwischen Wollen und Können sehr groß ist, und zwar im eigenen Land, wie man heute sieht?

Es gibt einen aktuellen APA-Bericht von heute Mittag, und das war auch schon in der Zeitung.

Wir haben ein europäisches Vorzeigeprojekt errichtet, ein Schubhaftzentrum in Vor­dernberg, das nie ausgelastet ist – nicht einmal annähernd – und uns jährlich viele Mil­lionen Euro kostet. Jetzt hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die meisten der dort Inhaftierten – eh schon wenige – nicht rechtens drin sind. 30 sind entlassen worden, und aktuell sitzen noch genau drei drin. Dort ist die Lücke also wirklich sehr groß; das muss man schon sagen. Da hilft uns kein Vorhabensbericht. (Beifall bei der FPÖ.)

16.40

16.40.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

16.41.20Einlauf

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zehn Anfragen eingebracht wurden.


BundesratStenographisches Protokoll840. Sitzung / Seite 128

Weiters sind die Anfragebeantwortungen 2836/AB-BR/2015 bis 2838/AB-BR/2015 ein­gelangt, vervielfältigt und verteilt worden.

*****

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 8)

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 7. Mai, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 5. Mai, ab 14 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.41.45Schluss der Sitzung: 16.42 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien