2861/J-BR/2011

Eingelangt am 01.12.2011
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Dringliche Anfrage

 

 

des Bundesrates Hans-Jörg Jenewein

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend mysteriöse Pannenserie bei den Tatortermittlungen im Fall Kampusch

 

 

Im Jahre 2008 wurde vom damaligen Innenminister Günther Platter eine Evaluierungskommission zur Überprüfung der Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch eingesetzt. Zu diesem Zwecke wurden:

 

Univ.-Prof. Dr. Dr. hc. mult. Ludwig Adamovich, Präsident des Verfassungsgerichtshofes i.R.

Dr. Rudolf Keplinger, Leiter des Landeskriminalamtes Oberösterreich

Dr. Thomas Müller, Kriminalpsychologe

AO. Univ.-Prof. Dr. Susanne Reindl-Krauskopf, Juridicum Wien, Institut für Strafrecht und Kriminologie

Dr. Johann Rzeszut, Präsident des Obersten Gerichtshofes i.R.

und

Dr. Mathias Vogl, Leiter der Rechtssektion im BM.I

 

eingesetzt.

 

Neben dem Vorsitzenden dieser Kommission Dr. Adamovich, hat auch der ehemalige Präsident des obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut die Arbeit von Justiz und Innenministerium scharf kritisiert und die offizielle Version der „Ein-Täter-Theorie“ immer abgelehnt. Nun ist auch ein Aktenvermerk von Oberst Dr. Rudolf Keplinger des Bundeskriminalamtes Oberösterreich medial verbreitet worden, der ebenfalls die offiziell vertretene Linie als nicht schlüssig bezeichnet. Auch verweist Dr. Keplinger in seinem Aktenvermerk vom 04. August 2009 auf fehlerhafte Ermittlungen und Tatortsicherungen.

 


So führt Dr. Keplinger zur Tatortarbeit unter anderem an:

 

 

Weiters gibt es noch andere Fundstücke, die nicht ausgewertet wurden:

 

 

Die Aussagen von Dr. Keplinger zur Tatortsicherung in seinem Aktenvermerk, sowie die weiteren angeführten Spuren, die offenbar allesamt im Zuge der Tatermittlung teils nicht weiterverfolgt und teils vernichtet wurden, zeichnen ein Sittenbild bezüglich der Arbeitsmethodik im gegenständlichen Fall.

 


Auch wenn wir wissen, dass durch einmalige Fehler und schlampige Arbeit eines Einzelnen der Ruf einer gesamten Mannschaft schnell in Mitleidenschaft gezogen werden kann, darf gerade bei einem Kriminalfall von dieser Dimension, der ja auch durch internationale Beobachter genauestens unter die Lupe genommen wird, nicht zur Tagesordnung übergegangen werden.

 

Es sind dermaßen viele Fehler begangen worden, dass man mit Sicherheit nicht von einer Kette von Zufällen sprechen kann. Alleine die Vorgehensweise mit der Meldung des Hundeführers, der bereits 14 Tage nach dem Verschwinden der Natascha Kampusch einen eindeutigen Hinweis auf den Entführer gegeben hat, zeugt von Dilettantismus in Reinkultur. Die weiteren Vorgänge im Innenministerium rund um ehemaligen BKA-Chef Herwig Haidinger sprechen zudem eine deutliche Sprache.

 

Nachfolgend der Aktenvermerk von Dr. Keplinger:

 

 

 

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für Inneres folgende

 

 

DRINGLICHE ANFRAGE:

 

 

  1. Sind vom Tresor DNA-Spuren gesichert worden?

 

  1. Aus welchen Gründen unterblieb die gründliche Spurensuche beim vermutlichen Tatfahrzeug?

 

  1. Gibt es genaue Aufzeichnungen zum Leichenhunde-Einsatz?

 

  1. Ist es richtig, dass die Leichenhunde auf vermodertes Holz angesprochen haben?

 

  1. Ist der Schluss von Dr. Keplinger richtig, dass mit dem vermutlichen Entführungsfahrzeug die Entführung kaum möglich gewesen wäre?

 

  1. Wurde Natascha Kampusch jemals befragt, ob sie die Kabelbinder umhäkelt hat, oder wer dies sonst gemacht hat?

 

  1. Wurde Natascha Kampusch jemals befragt, welchen Zweck die umhäkelten Kabelbinder gehabt haben?

 

  1. Warum wurde von der Verschlussvorrichtung der Türe zum Verließ keine DNA-Proben genommen?

 

  1. Wo ist das Buch über „Säuglingspflege“ verblieben?

 

  1. Warum gibt es keine genauere Beschreibung des Buches „Säuglingspflege“?

 

  1. Aus welchen Gründen wurde das in Zellophan verpackte Haarbüschel nicht dokumentiert?

 

  1. Aus welchen Gründen wurde nicht versucht, das in Zellophan verpackte Haarbüschel Personen aus dem Umfeld des Entführers oder der Entführten zuzuordnen?

 

  1. Aus welchen Gründen wurden die aufgefundenen Kleidungsstücke und Schuhe nicht genau beschrieben?

 

  1. Aus welchen Gründen wurde nicht versucht, die aufgefundenen Kleidungsstücke den weiblichen Personen aus dem Umfeld des Entführers zuzuordnen?

 

  1. Wo befinden sich die von einem Adressbuch und einem Zettel mit Handnotizen angefertigten Fotos?

 

  1. Wurde das Adressbuch ausgewertet?

 

  1. Wurde der Zettel ausgewertet?

 

  1. Wie können Sie erklären, dass das Tatortteam in der Lichtbildbeschreibung Kleidungsstücke der Natascha Kampusch zuschreibt, obwohl dies unrichtig ist?

 

  1. Wie können Sie erklären, dass Stringtangas mit unterschiedlichen Größen aufgefunden wurden?

 

  1. Gab es in den aufgefundenen Reisepässen des Wolfgang Priklopil Reisevermerke?

 

  1. Wurde das Konto des Wolfgang Priklopil mit der Kontonummer 00611102941, Bankleitzahl 53000, überprüft?

 

  1. Wenn das Konto überprüft wurde, wann genau und durch welche Beamten wurde dies vorgenommen?

 

  1. Wurde überprüft wem das Salzburger Kennzeichen „S-538JC“ zum Entführungszeitpunkt zuzurechnen war?

 

  1. Wer war der Zulassungsbesitzer des Einachshängers, welchem sein Zulassungsschein am 4.10.2006 ausgehändigt wurde?

 

  1. Wurde Natascha Kampusch befragt, ob sie weiß aus welchen Gründen ihr Passfoto aus ihrem Reisepass entfernt wurde?

 

  1. Wurde versucht zu eruieren, ob der Entführer am 28.7.1999 auf Fluggastlisten von Airlines stand, welche vom Flughafen Schwechat abgeflogen oder diesen angeflogen haben?

 

  1. Wo ist die Dokumentation des E-Bay-Kaufvertrag?

 

  1. Welcher Benutzername wurde bei dieser E-Bay-Transaktion verwendet?

 

  1. Wer hat wann das braune Kuvert mit Rechnungen, welches im Verließ aufgefunden wurde, dokumentiert?

 

  1. In welchen Akten befindet sich diese Dokumentation?

 

  1. Wurden die in dem braunen Kuvert enthaltenen Rechnungen ausgewertet?

 

  1. Wenn ja, wann und von wem?

 

  1. Wurde die Bestelltätigkeit des Entführers Wolfgang Priklopil beim Sexversandhandel „Pabo“ überprüft?

 

  1. Wurde der Kaufvertrag für einen Bagger der Marke „Landini Icom“ dokumentiert und überprüft?

 

  1. Wo ist dieser Bagger verblieben?

 

  1. Gibt es genauere Erkenntnisse über den Ankauf des Barbie-Puppenhauses?

 

 

In formeller Hinsicht wird gemäß §61 Abs. 3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung die dringliche Behandlung dieser Anfrage verlangt.