1296/AB

 

 

 

 

zur Zahl 1312/J-NR/1996

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stadler und Kollegen haben an mich eine

schriftliche Anfrage, betreffend Schändung des jüdischen Friedhofes in Eisenstadt,

gerichtet und folgende Fragen gestellt:

 

''1. Aufgrund welcher Gründe, juristischer Notwendigkeiten bzw. behördlicher Wei-

sungen wurde der Fall der o.a. Friedhofsschändung von der ursprüngIich zu-

ständigen Eisenstädter StaatsanwaItschaft zur Wr. Neustädter Staatsanwalt-

schaft weitergeleitet?

 

2. Was waren die Beweggründe für die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt, die An-

zeige nach dem Verbotsgesetz gegen Christian Anderle zurückzulegen?

 

3. Was waren die Beweggründe für die Oberstaatsanwaltschaft, diese Zurückle-

gung wieder aufzuheben?

 

4. Wann wurde Christian Anderle erstmals dem Untersuchungsrichter vorgeführt?

 

5. Wann wurde Wolfgang Tomsits erstmaIs dem Untersuchungsrichter vorge-

führt?

 

6. Wann wurde Wolfgang Tomsits verhaftet?

7. Welche Überlegungen bzw. juristische Gründe haben die Staatsanwaltschaft

Wr. Neustadt dazu veranlaßt, die Anzeige nach dem Verbotsgesetz gegen

Christian Anderle im März 1 995 zurückzulegen?

 

8. Welche Überlegungen bzw. juristische Gründe haben die Oberstaatsanwalt-

schaft dazu veranlaßt, diese Zurücklegung wieder aufzuheben?

 

9. ln welchem Stadium befindet sich das gerichtliche Verfahren gegen Wolfgang

Tomsits am heutigen Tage?

 

10. Warum wurden Anderle und Tomsits trotz erheblicher Verdachtsmomente auf

freiem Fuß belassen, obwohl evidente Fluchtgefahr bestand, wie sich aus der

Flucht des Anderle dies heute zweifelsfrei ergibt?

 

11 . Seit wann ist der Brief von Radl den Justizorganen bekannt?

 

12. lst die Eisenstädter Tat lhrer Erkenntnis nach ein Kompromittierungsversuch

gegenüber der FPÖ?''

 

 

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

 

Zu 1 :

Der Verdacht einer möglichen Täterschaft des WilheIm Christian Anderle und des

Wolfgang Tomsits bezüglich der Schändung des neuen jüdischen Friedhofes in Ei-

senstadt ist den Justizbehörden im Februar 1996 auf Grund einer den Staatsanwalt-

schaften Eisenstadt und Wiener Neustadt übermittelten Sachverhaltsdarstellung der

Generaldirektion für die öffentIiche Sicherheit, EBT, bekanntgeworden. Die Staats-

anwaltschaft Eisenstadt beantragte am 25.7.1996 nach Verhängung der Untersu-

chungshaft über Wolfgang Tomsits die Abtretung des Verfahrens an das Landesge-

richt Wiener Neustadt zwecks Einbeziehung gemäß § 56 StPO in das dort bereits

anhängige ältere Strafverfahren. Gegen die eingangs Genannten war nämlich be-

reits seit 5.5.1995 beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Voruntersuchung in

Richtung § 3 g VerbotsG wegen des Verdachtes der Herstellung und Verbreitung ei-

ner Ausgabe des Druckwerkes ''Albus'' anhängig.

 

Zu 2 und 7:

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat am 17.3.1995 gegenüber dem Untersu-

chungsrichter des Landesgerichtes Wiener Neustadt hinsichtlich der Anzeige des

Bundesministeriums für lnneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, vom

März 1995 eine Einstellungserklärung gemäß § 90 Abs. 1 StPO abgegeben, weil sie

zur Ansicht gelangte, daß nach den damals vorliegenden Erhebungsergebnissen

den Angezeigten Wilhelm Christian Anderle und Wolfgang Tomsits die Verbreitung

des Druckwerkes ''Albus'' in Wiener Neustadt nicht nachzuweisen wäre. .

 

Zu 3 und 8:

In einer von der Staatsanwaltschaft Wien am 3.4.1995 der Oberstaatsanwaltschaft

Wien in anderem Zusammenhang vorgelegten Ablichtung eines Erhebungsberichtes

hat das Bundesministerium für lnneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicher-

heit, EBT, auch auf weitere Erhebungsergebnisse in der vorliegenden Strafsache

hingewiesen. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien gelangte auf Grund einer sofort ver-

anIaßten Prüfung der Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zur

Ansicht, daß die EinstellungserkIärung vom 17.3.1995 angesichts der vorliegenden

Verdachtslage nicht vertretbar schien. Sie hat daher der Staatsanwaltschaft Wiener

Neustadt mit Erlaß vom 3.5.1995 aufgetragen, das Strafverfahren gegen die beiden

Verdächtigen formlos fortzusetzen und beim Untersuchungsrichter des Landesge-

richtes Wiener Neustadt die EinIeitung der Voruntersuchung wegen § 3 g VerbotsG

zu beantragen.

 

Zu 4:

Wilhelm Christian Anderle wurde dem Untersuchungsrichter bislang nicht vorgeführt;

er ist derzeit flüchtig.

 

Zu 5 und 6:

Wolfgang Tomsits wurde am 23.7.1996 verhaftet. Die Verhängung der Untersu-

chungshaft erfolgte am 24.7.1996 durch den Untersuchungsrichter des Landesge-

Zu 9:

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat am 22.10.1996 gegen Wolfgang

Tomsits Anklage wegen der Verbrechen nach §§ 3 f und 3 g VerbotsG sowie des

Amtsmißbrauches nach § 302 Abs. 1 StGB erhoben.

 

Zu 10:

Wilhelm Christian Anderle hat noch im Mai 1996 einer Ladung des Untersuchungs-

richters Folge geleistet, sodaß der Haftgrund der Fluchtgefahr von der Staatsanwalt-

schaft Wiener Neustadt nicht angenommen wurde. Wolfgang Tomsits hat sich bis

Juli 1996 im Ausland aufgehalten; er wurde nach seiner Rückkehr am 23.7.1996 in

Haft genommen. Nachdem sich auf Grund der Aussage des Wolfgang Tomsits die

Verdachtslage auch gegen Christian Anderle entsprechend verdichtet hatte, hat die

Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt am 25.7.1996 die Erlassung eines internationa-

len Haftbefehls gegen den Genannten beantragt.

 

Zu 11:

Der angesprochene Brief wurde im Zuge der Ermittlungen zur Briefbombenserie 1

am 15.12.1993 anläßlich einer bei Gottfried Küssel in der Justizanstalt Stein durch-

geführten Hausdurchsuchung sichergestellt und der StaatsanwaItschaft Wien in

einer SachverhaltsdarstelIung der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit,

EBT, am 21.12.1993 zur Kenntnis gebracht.

 

Zu 12:

Eine Beantwortung dieser Frage ist kein Gegenstand der Vollziehung des Justizres-

sorts.