Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 18

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, Platz zu nehmen. Ich darf die unterbrochene Sitzung wiederaufnehmen und das Wahlergebnis bekanntgeben.

Abgegeben wurden 183 Stimmen; davon waren 179 Stimmen gültig. Die absolute Mehrheit beträgt somit 90 Stimmen.

Es entfielen auf den Abgeordneten Dr. Heinz Fischer 142 Stimmen, auf den Abgeordneten Dr. Löschnak 17 Stimmen, auf andere Abgeordnete 20 Stimmen. Damit ist der Abgeordnete Dr. Fischer – so ist es meine Pflicht, es zu verkünden – zum Präsidenten des Nationalrates gewählt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, dem Liberalen Forum, den Grünen sowie der Abgeordneten Dr. Haider , Mag. Haupt und Dr. Ofner .)

Antrittsrede des Präsidenten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich bin Ihnen noch die Erklärung schuldig, daß ich diese Wahl mit Dankbarkeit annehme und daß ich mich für das zum Ausdruck gebrachte Vertrauen sehr, sehr herzlich bei Ihnen allen bedanken möchte.

Im Sinne dieses Vertrauens werde ich mich auch sehr bemühen, die Aufgaben, die dem Präsidenten des Nationalrates übertragen sind, auf das gewissenhafteste zu erfüllen und dieses Vertrauen damit zu rechtfertigen.

Ich darf Sie und uns alle darauf hinweisen, daß die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates, die wir heute, am 15. Jänner 1996, beginnen, eine vierjährige Dauer aufweist, also bis zum Jänner des Jahres 2000 reichen kann, wenn wir dies wünschen und wenn wir die Vollmacht, die wir durch die österreichische Bevölkerung erhalten haben, voll ausschöpfen.

Das heißt, wir tragen Verantwortung nicht nur für den Rest dieses Jahrzehnts – wenn man will: für den Rest dieses Jahrhunderts –, sondern wir haben auch daran zu arbeiten, in welcher Verfassung wir die Schwelle zum nächsten Jahrhundert überschreiten. Es sind dabei nicht nur jene großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen, von denen in diesen Tagen und Wochen so viel die Rede ist und für die wir auch in den Koalitionsverhandlungen bemüht sind gemeinsame Lösungen zu finden, sondern wir sind auch in allen anderen Bereichen der Politik – in der Innenpolitik genauso wie in der Außenpolitik – gefordert, Aufgaben zu erfüllen.

Während die Bundesregierung in Österreich ihre Entscheidungen nach dem Grundsatz der Einstimmigkeit in einem sehr überschaubaren Personenkreis zu treffen hat, sind die Regeln der Willensbildung des Nationalrates im Kreise von 183 Abgeordneten, die fünf verschiedenen Fraktionen angehören, welche wiederum teilweise als Regierungsparteien, teilweise als Oppositionsparteien tätig sind, natürlich schwieriger und komplexer. Und da kollidiert manchmal die Raschheit von Entscheidungen, die ja erwünscht sein kann, mit der Gründlichkeit der Einbindung aller Abgeordneten, insbesondere der Opposition. Und die Berechenbarkeit der Politik und die Paktfähigkeit einzelner Politiker kann unter Umständen wiederum mit dem verfassungsgesetzlich verankerten und garantierten freien Mandat kollidieren.

All diese Aspekte, nämlich das Kräftespiel zwischen Regierung und Opposition, die Eigenverantwortung des einzelnen Parlamentariers, die Verpflichtung gegenüber den Wählern, aber natürlich auch die Verpflichtung gegenüber dem Staatsganzen, die Verpflichtung gegenüber dem eigenen Gewissen, die Loyalität zu einer Gesinnungsgemeinschaft et cetera auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und auszubalancieren, ist die Kunst des Parlamentarismus und die Kunst der Demokratie, die nicht immer perfekt zu erfüllen und zu verwirklichen ist, sondern der man sich vielfach nur annähern kann. Daher verbinde ich diese Feststellung mit der Bitte, dies alles auch zu berücksichtigen, wenn man den österreichischen Parlamentarismus beurteilt, und zu bedenken, daß wir an den österreichischen Parlamentarismus durchaus kritische, aber vielleicht nicht allzu kritische Maßstäbe anlegen sollten. Zum Beispiel die Präsenz in den Sitzungen des Nationalrates, die ja heute hervorragend und herzeigbar ist, immer und in allen Phasen zum Maßstab für die parlamentarische Arbeit zu machen, ist sicher eine unvollständige


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