Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 111

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Problem so virulent ist, daß wir dann, wenn wir dieses Thema im Ausschuß diskutieren, einhellig die Auffassung vertreten werden, daß diese Gesetzeslücke zu schließen ist. Ich bin aber davon überzeugt, daß wir auch noch über andere Gesetzeslücken, die wir im Bereich Kinderschutz schließen müssen, diskutieren müssen, aber die genannten Probleme liegen bereits so klar auf dem Tisch, daß dieser unser Antrag bereits formuliert werden konnte und bereits zur Debatte steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Kinderschutz muß in diesem Haus – nicht nur bei der ÖVP, sondern bei allen Fraktionen! – wesentlich größeres Augenmerk geschenkt werden, und dieser muß oberste Priorität haben. (Beifall bei der ÖVP.)

16.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich nun der Herr Bundesminister für Justiz gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen.

16.07

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Augenblicke, da wird ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit bloßgelegt, das uns erschreckt und abstößt, das wir daher nicht gerne wahrnehmen wollen oder gar verdrängen.

Angesichts der heute zur Diskussion stehenden besonders abstoßenden Ereignisse der letzten Zeit – nicht nur im Ausland, leider auch in Österreich – müssen wir nach den Ursachen für das Unverständliche, Unerträgliche fragen und nach Orientierungsmaßstäben und Abhilfen suchen. Viele glauben, sie in den Strafgesetzen zu finden.

Meine Damen und Herren! Sicherlich hat auch das Strafrecht einen notwendigen Beitrag zur Problemlösung zu leisten. Dieser reicht aber nicht aus und ist auch ein in der praktischen Anwendung nicht immer ganz unproblematischer. Schon weil die Strafverfolgung oft zu spät kommt und dem Strafrecht überhaupt nur eine Ultima-ratio-Funktion zukommt, müssen wir den Blick auf das Ganze richten.

Vor allem müssen wir darum bemüht sein, dem Verschweigen und dem Wegschauen den Kampf anzusagen! Die Dunkelfelder und Grauzonen der sexuellen Manipulation und des Mißbrauches junger Menschen dürfen kein Tabu der Gesellschaft sein, und sie dürfen auch nicht der Polizei und der Justiz allein zur Aufhellung und Durchbrechung überlassen werden.

Wir alle, besonders natürlich Verwandte, Nachbarn, Kindergärtner, Lehrer, Ärzte, Sozialarbeiter, sind aufgerufen, aufmerksam und einfühlsam zu sein. Kinder brauchen Zuwendung und Verständnis, um jenes Vertrauen aufzubringen, das fast immer die Voraussetzung für ein erfolgreiches Eingreifen staatlicher Einrichtungen bildet. Kinder müssen vor allem als eigenständige und verletzbare Menschen ernst genommen werden.

Lassen Sie mich vor dem Hintergrund dieser meiner Grundeinstellung zum Problem einige Bemerkungen zur Rechtslage – de lege lata beziehungsweise de lege ferenda – machen.

Erstens: Auch rechtliche und rechtspolitische Überlegungen bedürfen einer ganzheitlichen und nicht bloß einer punktuellen Sicht. Deshalb sind das Verwaltungs- und das Justizrecht, das Familien- und das Jugendwohlfahrtsrecht, das Jugendschutzrecht der Länder und das Strafrecht sowie das Schadenersatzrecht in die Betrachtung mit einzubeziehen.

Zweitens: Den Kernbereich des strafrechtlichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen bilden nicht etwa die Strafbestimmungen gegen die Pornographie, sondern die Strafdrohungen des Sexualstrafrechts mit ihren wesentlich höheren Strafsätzen.

Auch wenn wir die Zusammenhänge von Nachfrage und Angebot nicht aus den Augen verlieren, geht es dennoch primär darum, geschlechtlichen Handlungen an Kindern und sexuellen Manipulationen zu Lasten junger Menschen entschieden entgegenzutreten, die vielfältigen Gefahren


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