Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 115

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lagen, aufgrund dieser Meinungen, die von einzelnen Mitgliedern der SPÖ, von einzelnen Mitgliedern der ÖVP, von Regierungsmitgliedern – abgesehen davon, ob es Verrat oder nicht Verrat war – dargelegt worden sind, daß dann das Volk entscheidet. Und nur das haben wir heute hier beantragt.

Herr Bundeskanzler! Ich werte es heute als einen politischen Erfolg der Grünen, daß Sie zumindest in Ihrem schriftlichen Manuskript klar und deutlich dazu Stellung bezogen haben; offensichtlich ist das die Meinung der ganzen Regierung. – Ich danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

16.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.43

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Kollege Wabl hat sich sehr liebevoll der SPÖ angenommen und von einer gemeinsamen Regierung gesprochen. Ich darf mich daher in diesem Fall jetzt der ÖVP zuwenden, die ja in der Regierung vertreten ist, und möchte mich insbesondere mit der Rolle des Herrn Außenministers und Vizekanzlers beschäftigen. Dieser hat in der heutigen Debatte wieder sehr stark versucht, herauszuarbeiten, daß sich durch die EU-Mitgliedschaft an der Neutralität gar nichts verändert hat – Maastricht-Vertrag hin, Maastricht-Vertrag her, Beitrittsgesetz hin, Beitrittsgesetz her –, obwohl mit der EU-Mitgliedschaft die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Finalität der Verteidigungspolitik ganz klar angesprochen wurden. Dazu gibt es genug Zitate.

Aber was mich im Hinblick auf den Wunsch der Grünen in Richtung Volksabstimmung besonders ärgert und was wirklich einer Verhöhnung der Bürger in Österreich nahekommt, ist, daß der Herr Vizekanzler in einer Aussendung vom 24. Juli dieses Jahres folgendes gesagt hat:

Die Debatte über eine Volksabstimmung für den Fall eines Beitrittes zur WEU und/oder NATO hält Schüssel für überflüssig. Die Wähler haben beim Referendum am 12. Juni 1994 über den Maastricht-Vertrag abgestimmt, der den Aufbau einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorschreibt und davon ausgeht, daß die WEU zum militärischen Arm der EU wird. Demnach sei Österreich der EU gegenüber auch nicht mehr neutral. – Das sagt Ihr Außenminister, Ihr Vizekanzler, der Angehöriger dieser Regierung ist.

Es wird so getan, als ob die ÖVP oder auch die SPÖ vor dem 12. Juni 1994 nicht klipp und klar gesagt hätten: Wir gehen in die Europäische Union, und an der Neutralität ändert sich gar nichts! Ich würde gerne den Herrn Klubobmann Khol, da der Herr Außenminister nicht da ist, bitten, ein einziges Zitat aus dem Mund der ÖVP vor dem 12. Juni 1994 vorzulegen, das belegt, daß gesagt worden wäre, innerhalb der Europäischen Union gebe es keine Neutralität mehr. Das ist nicht einmal gesagt worden, sondern es wurde von beiden Regierungsparteien zum Ausdruck gebracht, es ändere sich an der Neutralität nichts. Und deshalb glaube ich, daß es eine Verhöhnung des Wählers ist, jetzt, zwei Jahre später, zu sagen, es wäre damals über Maastricht, über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, über die Verteidigungspolitik abgestimmt worden. Das ist wirklich eine beschämende Vorgangsweise. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Herr Kollege Khol! Da Sie heute und gestern mit aller Vehemenz die Neutralität als unverrückbar dargestellt haben, möchte ich jetzt doch auch das von Kollegen Scheibner angeschnittene Zitat bringen, nämlich Ihre Aussage in der EU-Beitrittsdebatte am 11. November 1994. Diese Passage muß man auf der Zunge zergehen lassen:

Meine Damen und Herren! Das Schloß hat sich geändert, und der Schlüssel Neutralität paßt nicht mehr, denn die Neutralität war nie Selbstzweck unserer Politik, sondern sie war immer Mittel zum Zweck. An oberster Stelle stand die Sicherheit unseres Landes. 1955 war die Neutralität ein Schlüssel, der die Tür zur Sicherheit aufsperrte. Heute, meine Damen und Herren, ist sie ein wertvolles Relikt, ein verehrungswürdiges Erinnerungsstück, das wir wie die


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