Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 14

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In den ersten Tagen haben sich unter der Hotline-Telefon-Nr. 0660/1799 fast 2 000 Anrufer gemeldet und ihre Sorge zum Ausdruck gebracht. Es sind heute, mehr als einen Monat nach dem ersten Tag, noch immer täglich an die 300 Anrufer, die uns kontaktieren, die besorgt sind.

Es soll hier nicht pauschaliert werden, es sind nicht alle Sekten in jeder Beziehung gefährlich – das will ich auch gar nicht behaupten –, aber es gibt im Umfeld von Sekten zweifellos eine Häufung von Phänomenen, die wir ablehnen und die tatsächlich gefährlich sind.

Sei es, wie es auch sei: Es hat die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte offensichtlich dazu geführt, daß diesbezüglich ein Markt entstanden ist – nicht nur in Österreich –, daß weltweit ein echter Sektenboom eingesetzt hat. Auch die moderne Kommunikationstechnologie macht es fernöstlichen Gurus oder auch amerikanischen Heilsverkündern leichter, nach Europa, nach Österreich zu kommen. Diesem Phänomen müssen wir uns eben stellen, und diesem Phänomen haben sich nicht nur die Kirchen in diesem Land, sondern hat sich auch der Staat zu stellen.

Es muß unbestritten bleiben, daß Religionsfreiheit, Glaubensfreiheit in unserem Land selbstverständlich auch weiterhin uneingeschränkt gilt, aber es muß gleichzeitig auch klar sein, daß wir Phänomene wie die Einschränkung und den Verlust von Persönlichkeit, die erzwungene Trennung von der Familie und Verschuldung nicht zur Kenntnis nehmen können, wenn sie einzelne Bürger betreffen.

Ich als Jugendminister sage auch ganz klar dazu: Selbstverständlich ist es so, daß junge Menschen in ihrer noch nicht ausgegorenen Reife anfälliger sind für das Sektenphänomen und wir daher bei ihnen besonders wachsam zu sein haben. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Mertel. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angeblich werden junge Menschen von Scientology, wie mir von der Vertreterin von Scientology in der Fernsehsendung "Zur Sache" gesagt wurde, nicht kontaktiert. Aber allein während der Sendung sind fast ein Dutzend Kontakte zu Herrn Chefredakteur Rabl gekommen, bei denen es ausschließlich um die Ansprache junger Menschen durch Scientology gegangen ist. – Das nur zur Glaubwürdigkeit mancher Vertreter mancher dieser pseudo- oder neureligiösen Gruppen.

Es handelt sich dabei, wie ich schon gesagt habe, um ein internationales Phänomen. Man geht damit in Amerika anders um als in Deutschland. Man hat in Amerika ein anderes Demokratieverständnis als in Deutschland durch die Erfahrungen mit der Weimarer Republik. In Amerika gibt es ehemalige Präsidenten wie etwa Herrn Bush, der nach Buenos Aires geht und dort einem Herrn Mun, dem Gründer der gleichnamigen Mun-Sekte – im übrigen in Verbindung mit einem Honorar von nicht weniger als 100 000 Dollar –, testimonisiert und zuerkennt, daß er ein Visionär sei. – Es ist Sache des Herrn Bush, Herrn Mun als Visionär zu bezeichnen, ich aber tue das ganz sicher nicht. Ich finde das befremdlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist auch nicht so, daß wir in Österreich ähnliche Sorgen haben – zumindest bis jetzt nicht – wie die Deutschen. Dort ist man der Meinung, daß Scientology nicht nur weit über eine neureligiöse Gemeinschaft hinausgeht, nicht nur auch schon ein Wirtschaftsunternehmen ist, sondern in Wirklichkeit bereits staats- und verfassungsgefährdend wirkt.

Ich darf Ihnen aus einem Gutachten des Professor Abel für die Schleswig-Holsteinsche Landesregierung zitieren. Herr Abel stellt fest, daß Scientology sogar eine neue Form des politischen Extremismus sei und daß sein Gutachten ergeben habe, daß diese Sekte, also Scientology, ein nationalsozialistisches Rechtsverständnis habe und die Bekenntnis- und Meinungsfreiheit faktisch kriminalisiere. – Das jedenfalls ist in Österreich noch kein Thema. Wir werden diesbezüglich wachsam sein. Deutsche Zustände, Probleme wie in Deutschland durch Sekten sehe ich für Österreich noch nicht.

Ich darf kurz von Frankreich berichten. Am 24. November ist in Lyon ein richtungweisendes Urteil gegen nicht weniger als 14 Mitglieder von Scientology gefällt worden. Deren Führer, ein


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