Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 46

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Neutralitäts-Volksbegehren, Tierschutz-Volksbegehren, Frauen-Volksbegehren, Gen-Volksbegehren. Die Bevölkerung läßt sich von der Regierung nicht mehr alles gefallen! Wenn Sie glauben, Sie können – unter Anführungszeichen – den "Standort Österreich attraktiv machen", indem Sie die Bürgerrechte beschneiden, dann muß ich Ihnen sagen: Das wird auf den erbitterten Widerstand der Bevölkerung stoßen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie können Umweltschutz nur mit und nicht gegen die Bevölkerung machen. Sie können sich dabei sehr wohl auch marktkonformer Methoden bedienen, wie etwa der Ökosteuer. Aber es schmerzt schon, daß Sie in der Debatte um die Ökosteuer jetzt gerade auf ein Modell der Freiheitlichen eingehen, obwohl Sie lange Gelegenheit hatten, über seriösere Modelle, wie etwa jene der Grünen, im Detail zu reden und dazu Stellung zu nehmen. Ganz offenbar zieht es Sie in der innenpolitischen Debatte dorthin, wo Sie einen Reibebaum finden, um dann sagen zu können, das Modell sei nicht seriös.

Herr Bundeskanzler! In all diesen Fragen sind Sie sowohl als Kanzler als auch als Mensch Viktor Klima gefordert. Ich sage Ihnen folgendes: Die Art und Weise, wie Sie heute vor dem Hohen Haus begonnen haben, zu den zentralen Punkten so wie Ihr Vorgänger Vranitzky die Antwort schuldig zu bleiben, wird weder dieses Haus noch die österreichische Bevölkerung auf Dauer dulden und honorieren. (Beifall bei den Grünen.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich als nächster Herr Vizekanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Vizekanzler.

12.49

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst ein paar Worte über das gleichzeitig stattfindende Ende der Zeitspanne der zehn Jahre Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten, die 1987 begonnen wurde und die diesem Land unter der Führung von Dr. Franz Vranitzky und ÖVP-Vizekanzlern etwas gebracht hat, was gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, einer Zeitspanne, in der sich – vom Zusammenbruch des Kommunismus über die Ostöffnung bis zur EU-Schiene – Unglaubliches verändert hat.

Diese Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Christdemokraten hat unserem Land Stabilität beschert, und das ist wichtig. Das ist wichtiger, als es manche vielleicht heute einschätzen. Wie es in anderen Ländern zugeht, kann man bei einem Blick rund um uns sehen: Das italienische System ist völlig verändert, zusammengebrochen, neu aufgebaut, auch in Belgien, in den skandinavischen Ländern, wo immer.

Diese Zusammenarbeit hat dem Land gutgetan. Das sei hier vermerkt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das ist kein Herumreden und kein Schönfärben. Ich glaube, daß die wichtigen Dinge, die Basics, wie man es in der Wirtschaftssprache sagt, immer noch die besten Argumente sind. In diesen zehn Jahren, in denen die Sozialdemokraten und Christdemokraten engagiert, manchmal mit Schwierigkeiten, mit Spannungen, aber immer im Interesse unseres Landes zusammengearbeitet haben, gab es eine Verdoppelung des Bruttoinlandsproduktes – welches andere Land der Welt hat dies vorweisen können? –, gab es 300 000 Jobs beziehungsweise Arbeitsplätze mehr und damit Beschäftigungs- und Wohlstandmöglichkeiten für Hunderttausende und ihre Familienangehörigen. Das ist viel wichtiger als das Grundgefühl, daß es vielleicht da und dort noch besser hätte gehen können, daß dieses oder jenes zu zögerlich oder zuwenig engagiert gemacht worden wäre. Wichtig ist, daß diese Zusammenarbeit unserem Land gutgetan hat (Beifall bei ÖVP und SPÖ) und eigentlich unser Land auch positiv verändert hat.

Wir können heute feststellen, daß es keine verstaatlichte Industrie mehr gibt. Das ist ein Abschied von früheren Ideologien – gemeinsam vorgenommen. Das hat den Betrieben, den Arbeitnehmern und dem Kapitalmarkt gutgetan, und das ist wichtig.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite