Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 138

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mehrere Gründe – gerade diese Punkte es sind, die die Ausbildung junger Menschen behindern.

Einerseits geht es um die Frage einer Verlängerung der Probezeit. Es ist unheimlich wichtig, daß, wenn für die Lehre ein geschütztes Ausbildungs- und Dienstverhältnis besteht, die Probezeit länger ist, damit der junge Mensch sich in dem Betrieb eingewöhnen kann und der Lehrherr entscheiden kann, ob er diesen jungen Mann oder diese junge Frau auf Dauer übernehmen kann und will.

Ferner geht es um die Frage des Versagens in der Schule: Einmal wird jeder in der Schule durchfallen dürfen. Ein nachhaltiges Versagen in der Schule kann jedoch nicht dazu führen, daß die Lehre fortgesetzt wird, wenn das Lehrziel nicht mehr erreichbar scheint. Also muß auch in diesem Fall eine Möglichkeit bestehen, das Lehrverhältnis zu lösen.

Der dritte Punkt betrifft die Frage der Behaltefrist, die überhaupt kein Problem bei den jungen Menschen darstellt, die sich in dem Beruf, den sie ergreifen wollen, bewähren. Die Behaltefrist stellt jedoch in dem Fall ein Problem dar, wenn man jemanden mit Müh und Not in der Schule über die Runden bringt und sich dann fragt: Warum straft mich der liebe Gott nach drei Jahren so, daß ich mich mit diesem jungen Menschen noch weiter abgeben muß?

Noch einmal zurück zur Emotion: Es gehört ein großes Herz dazu, junge Menschen auszubilden. Und wenn mir heute Lehrer nach 20 Berufsjahren erklären, wie ausgebrannt sie trotz 14 Wochen Urlaubs sind, dann muß ich sagen: Ich verstehe das eigentlich nicht. Wir haben, obwohl wir auch junge Menschen ausbilden, nicht 14 Wochen Urlaub im Jahr, sondern vielleicht drei oder vier. Wir setzen uns mit unseren fünf, zehn oder 20 Lehrlingen genauso auseinander, manchmal sogar viel intensiver als ein Lehrer in der Schule, und haben wenig Möglichkeiten, autoritär durchzugreifen. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß das gar nichts nützen würde, denn die jungen Leute von heute sind super. Man muß nur in ihr Hirn vordringen, sie für voll nehmen und ihnen eine Möglichkeit der Identifikation geben.

Wir haben zum gleichen Zeitpunkt heute eine Vielzahl von Entschließungsanträgen eingebracht, 13 an der Zahl in den Wirtschaftsausschüssen, sechs im Unterrichtsausschuß, die sich mit genau demselben Thema beschäftigen, nämlich einer kompletten Reform der dualen Ausbildung.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie die duale Ausbildung nicht reformieren, werden Sie das Lehrlingsproblem nicht vom Tisch bekommen: Da können Sie die Betriebe mit Geld zuschütten, es wird jedoch keine wirkliche neue Dynamik in der Lehrausbildung eintreten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Haben Sie den Mut, reformieren Sie die Lehre! Setzen Sie eine dritte Säule in die sekundäre Bildungsstufe! Bringen Sie die Berufsschule in ein vollkommen neues Kleid, entkoppeln Sie die Lehrzeit und die Zeit der Berufsschule, dann wird die Verlängerung der Berufsschuldauer kein Thema sein!

Diese Entschließungsanträge dienen dazu, den Unterrichtsausschuß und den Wirtschaftsausschuß dazu zu bringen, einen gemeinsamen Unterausschuß einzusetzen, um dieses gesamte Thema der dualen Ausbildung auf parlamentarischer Ebene zu verhandeln. Die Sozialpartner sind dazu nicht mehr in der Lage. Wir im Parlament werden das in die Hand nehmen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gut ausgebildete und leistungsbereite Mitarbeiter stellen den wichtigsten Standortvorteil für die österreichische Wirtschaft dar. Die österreichischen Facharbeiter sind absolute Weltspitze. Das hat auch der letzte Wettbewerb in St. Gallen zutage gebracht: Mit vier Gold


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