Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 125

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finanziert wird. Ich glaube, daß das für das Familienministerium und das Innenministerium als Positivum zu werten ist.

Herr Minister! Eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen betreffend die Entwicklungen im Familienrecht. Für die Frauen ist insbesondere das Scheidungsverfahren ein ganz besonders wichtiges Thema. Herr Minister! Ich weiß, daß für diese Materie eine Arbeitsgruppe und diverse Unterarbeitsgruppen im Justizministerium eingerichtet sind, die dort fachkundige Arbeit leisten. Ich weiß aber auch, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck vorherrscht, daß die Verhandlungen eigentlich schon recht lange dauern, und daß Ergebnisse eingefordert werden. Daher freut es mich besonders, daß Sie für nächstes Jahr das Begutachtungsverfahren in Aussicht stellen.

Ich glaube aber, daß große Reformen eine bestimmte Zeit erfordern, für konkrete Mißstände aber auch kurzfristige Lösungsmöglichkeiten zu finden sind. Ein Problem, mit dem ich häufig konfrontiert werde, ist zum Beispiel, daß Frauen in Scheidungsverfahren des öfteren – und sie sind ja oft ungeheuer großem Druck ausgesetzt – auf Unterhaltszahlungen verzichten und vergleichsweise geringe Abschlagszahlungen hinnehmen. Diese Frauen leiden dann Jahre, ja Jahrzehnte unter ihrer eigenen Entscheidung.

Ich glaube, daß diesfalls rechtzeitig intensive Beratung erforderlich ist: sei es in einem verbesserten Mediationsverfahren, sei es durch eine verbesserte Manuduktionspflicht der Richter. Auch die Familienberatungsstellen spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle, aber die erste Verantwortung liegt doch beim Gericht. Ich glaube, daß verhindert werden sollte, daß es unter Druck zu unbilligen Verzichtserklärungen kommt.

Herr Minister! Zum Schluß noch ein dritter Punkt, der schon länger diskutiert wird, nämlich die gemeinsame Obsorge für das Kind beziehungsweise die Kinder nach der Scheidung: Ich glaube, daß gerade Frauen und Mütter den diesbezüglichen sogenannten einleuchtenden Vorschlägen mit einer Portion Skepsis gegenüberstehen. Selbstverständlich ist es wünschenswert, daß beide Elternteile auch nach der Scheidung ein möglichst intensives Verhältnis zu den Kindern haben. Gegen diesen Grundgedanken ist nichts einzuwenden. Das geht aber nur solange gut, als die ehemaligen Ehepartner sich auch vertragen. Das ist aber auch schon bei gegebener Rechtslage möglich, und der nicht die Obsorge habende Teil wird eingebunden.

Problematisch wird es allerdings, wenn ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis der ehemaligen Ehepartner vorliegt. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß in solchen Fällen bei gemeinsamer Obsorge schwierige rechtliche Probleme auftreten können, die vor allem zu Lasten der Kinder gehen. Ich kann mir daher nicht vorstellen, daß es nach dem Willen mancher Vereine geht, die generell die gemeinsame Obsorge verlangen. Dagegen würden wir uns aussprechen. Denn das Wohl des Kindes muß im Scheidungsverfahren, aber auch bei der Debatte um die Obsorge eindeutig im Vordergrund stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft brachte zwangsläufig sehr viele Änderungen für die gesamte Gesellschaft mit sich, darunter auch Änderungen, die sich auf die österreichische Justiz und auf die österreichische Justizverwaltung ausgewirkt haben.

Es geht immer wieder darum, EU-Richtlinien in österreichisches Recht umzusetzen, und es besteht immer wieder auch die Gefahr, daß unsere österreichischen Regelungen über das EU-Recht hinausgehen. Wir müssen uns davor hüten, uns zum Umsetzungssieger zu profilieren, denn übertriebene Regelungen schaden auch dem Wirtschaftsstandort Österreich, und sie verschlechtern unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir ersuchen die Justizverwaltung, wie auch bei anderen Materien, österreichische Rechtsanwender nicht schlechter zu stellen als Rechtsteilnehmer in anderen Gebieten.


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