Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 124. Sitzung / Seite 110

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend lassen Sie mich noch ganz kurz einen zivilrechtlichen Bereich streifen. Wir müssen uns im Zivilrecht und im Zivilverfahrensrecht sicher einmal vor Augen halten, daß unser Gesetzesrecht nicht mehr uneingeschränkt jenes Gesetzesrecht ist, das wir jahrzehntelang praktiziert haben. Durch die Implementierung des Gemeinschaftsrechtes kommt es an sich dazu, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß zwei verschiedene Rechtssysteme ineinanderfließen.

Wir haben in Österreich das Gesetzesrecht, es besteht keine formelle Bindung an die Praxis der Rechtsprechung, auch des Obersten Gerichtshofes. Es besteht keine Präjudizialität. Wohl aber besteht Präjudizialität in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bei Auslegung des Gemeinschaftsrechtes. Das erscheint mir besonders wichtig, wenn man sich diesen Befund vor Augen hält und allfällige Lösungsvorschläge ausarbeitet, denn in Österreich ist heute ein Bezirksrichter nicht gehalten, eine bestimmte Judikatur, die der Oberste Gerichtshof eingeschlagen hat, zu vertreten.

Wenn es aber zu einem Vorabentscheidungsverfahren, zu einem Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofes oder auch eines der Untergerichte, die dazu auch berechtigt sind, an den Europäischen Gerichtshof über die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechtes kommt, dann besteht für die österreichischen Gerichte die zwingende Pflicht, diese Vorabentscheidung umzusetzen. Da scheint mir eine Ungleichbehandlung vorzuliegen. Das, was in Luxemburg judiziert wird, ist zwingend umzusetzen. Da gibt es kein Wenn und Aber. Aber in Österreich besteht keine derartige Bindung.

Ich wollte nur abschließend auf diese Problematik aufmerksam machen. Die nächsten Jahre werden zeigen – es sind derzeit zirka 40 Vorabentscheidungsverfahren über Ersuchen österreichischer Gerichte in Luxemburg anhängig –, wie die österreichische Justiz damit umzugehen haben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

16.48

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine Budgetdebatte, insbesondere über das Kapitel Justiz, die etwa ein halbes Jahr nach der letzten stattfindet, kann nicht viel Neues bringen. Insofern habe ich auch durchaus Verständnis dafür, daß sich das Interesse in Grenzen hält, wie man auch angesichts der leeren Reihen hier sieht.

Ich habe mir die Mühe gemacht und mir vor allem die Ausführungen des Justizministers bei der letzten Budgetdebatte angeschaut, weil ich mir gedacht habe, ein halbes Jahr ist zwar nicht lang, aber sehen wir einmal nach, was von dem, das er angekündigt hat, umgesetzt worden ist. Zum Saldo ist zu sagen: Es ist wohl eine Frage, wie wohlwollend man diesen Saldo ziehen will.

Sie haben damals von folgenden großen Brocken gesprochen: Bezüglich Atomhaftung sollte etwas auf den Tisch gelegt werden. – Da ist nicht viel passiert, wie wir wissen. Bei der Umwelthaftung ist überhaupt nichts passiert. Das liegt seit Jahr und Tag in der Schublade. Sie haben davon gesprochen, daß Sie Ihre Reformüberlegungen in Sachen Familienrecht weiter vorantreiben werden. Ehe- und Scheidungsrecht, haben Sie angekündigt, würden nächstes Jahr in die Begutachtung gehen, also jetzt. Ich weiß schon, daß Sie etwas auf die Beine zu stellen versucht haben, und ich weiß durchaus, daß Ihre Bemühungen in erster Linie an der ÖVP gescheitert sind.

Ich will mich jetzt gar nicht noch einmal über meine Vorstellung und die Vorstellungen meiner Fraktion zu diesen Fragen allzu sehr äußern, denn das werden wir dann tun, wenn die Vorlagen in den Ausschuß kommen.

Daß die Liberalen seit langem die Abschaffung des Verschuldensprinzips fordern, möchte ich hier noch einmal unterstreichen. Ich glaube, daß es nicht Sache des Staates sein darf – ich sage: sein darf –, mittels eines Funktionärs, einer Funktionärin in die privatesten Angelegen


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