Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 212

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Vereinigten Staaten nicht verfolgt werden, wenn der anzuwendende Auslieferungsvertrag verletzt worden wäre. Wenn aber ein Auslieferungsvertrag die gewaltsame Entführung eines Beschuldigten nicht ausdrücklich verbiete, könne das amerikanische Gericht seine Gerichtsbarkeit über den Beschuldigten ausüben. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika habe nur zu beurteilen, ob der anzuwendende Auslieferungsvertrag verletzt worden sei, nicht jedoch, ob durch die gewaltsame Entführung allgemein anerkannte Grundsätze des Völkerrechtes mißachtet worden wären. Auch könnten diese allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts nicht zur Auslegung eines Auslieferungsvertrages herangezogen werden." – Soweit der österreichische Justizminister.

Er kommt zu dem Schluß: "Österreich steht seit dem Jahre 1987 mit den Vereinigten Staaten von Amerika in Verhandlungen zum Abschluß eines neuen Auslieferungsvertrages." – Das ist der, den wir heute zur Behandlung haben.

Weiters heißt es in der Beantwortung – und das ist besonders interessant – : "Von österreichischer Seite wird nunmehr – im Hinblick auf die oben angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten von Amerika – die Aufnahme einer Vertragsbestimmung in den neuen Auslieferungsvertrag verlangt werden, wonach die Entführung eines Beschuldigten durch Gewalt oder List in die Vereinigten Staaten zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung eine Verletzung des Auslieferungsvertrages darstellt." Soweit das sehr begründete damalige Versprechen von Michalek.

Jetzt haben wir den neuen Vertrag. Und sind Entführung oder Folter nach dem neuen Vertrag ausgeschlossen? – Nein, sie sind nicht ausgeschlossen! Das halte ich für ein unerträgliches Ergebnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ofner, Jung und Genossen zum Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (1083 der Beilagen und Zu 1083 der Beilagen) betreffend Ergänzung des Auslieferungsabkommens

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, anläßlich des Austauschs der Ratifikationsurkunden in einer diplomatischen Note klarzustellen, daß Österreich beim Abschluß des Auslieferungsvertrages davon ausgeht, daß die Vereinigten Staaten von Amerika bei der Auslegung des Auslieferungsvertrages die Normen des Völkerrechtes uneingeschränkt beachten werden."

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Das ist ein bescheidener Wunsch.

Daher erlaube ich mir noch die Bemerkung, daß die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA vom Standpunkt des Rechtsstaates her in Wahrheit skandalös ist. Und die Tatsache, daß es uns nicht gelungen ist, die angekündigten Konsequenzen zu ziehen und zu erreichen, daß der neue Vertrag entsprechend adaptiert wird, ist in gewissem Sinne ein Armutszeugnis für die Republik Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Ofner ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte.


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