Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 23

Frau Bundesministerin! Die erste Frage ist jene der Finanzierung. Ich glaube, ich habe mich mit dieser Frage ausreichend beschäftigt. Die Mittel dafür sind vorhanden.

Die zweite Frage ist aber sicherlich der am vehementesten bekämpfte Punkt, nämlich, diese Zahlungen nicht als Familienleistung anzusehen. Man will das Versicherungsprinzip beibehalten, was bedeuten würde, daß wieder ungleich bezahlt wird beziehungsweise viele – nämlich 11 Prozent aller Mütter – aus dem Bezug von Karenzgeld ausgeschlossen werden. Das können wir uns sicherlich nicht vorstellen!

Und, Frau Bundesministerin, Ihre Äußerung, da wären ja auch Hausfrauen bezugsberechtigt, die nie gearbeitet haben, weise ich vehementest zurück! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: So etwas! Ungeheuerlich!) Das hat mir persönlich, auch als Frauenpolitikerin, sehr weh getan. Erstens werden die 600 000 Vollhausfrauen, die es in Österreich gibt, sicherlich beleidigt sein, und zweitens ist jede Frau Hausfrau, vor allem dann, wenn sie Kinder hat; dann ist sie nicht nur Mutter, sondern dann ist sie auch Hausfrau.

Am besten war ja sicherlich die Aussage von Frau Präsidentin Schmidleithner, die gemeint hat, es wäre ein soziales Verbrechen, die Versicherungsleistung abzukoppeln. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion, das empört mich zutiefst! (Beifall bei der ÖVP.) Ich bin jetzt seit fast 16 Jahren in diesem Parlament und habe als Familienpolitikerin immer sehr darunter gelitten, daß wir Jahr für Jahr Gelder aus diesem Familienlastenausgleichsfonds genommen haben, um sie für das Stopfen von Budgetlöchern zu verwenden. (Ironische Heiterkeit und lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Sündenfall liegt zwar weit zurück, aber wenn die freiheitliche Fraktion sich hier aufregt, muß ich sie an das 2. Budgetüberschreitungsgesetz des Jahres 1985 erinnern – Kollege Haigermoser war damals Familiensprecher –: Da sind Waffen angekauft worden mit den Familiengeldern! (Neuerliche heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie waren damals in der Regierung! Das ist nachzulesen! Euer Sündenfall war der größte aller Zeiten! (Beifall bei der ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich an eine ähnlich vehemente Aktuelle Stunde zum Thema Familie im Steuerrecht. Heute freue ich mich, wenn unser Koalitionspartner, der sich damals so dagegen gewehrt hat, damit protzt, daß wir diese Maßnahme durchgesetzt haben. Ich wünsche unserem heutigen Thema – Karenzgeld für alle – den gleichen Erfolg! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll gleichfalls 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

10.16

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Bauer hat gerade ausgeführt, daß heute jede neunte Frau und Mutter – theoretisch auch jeder neunte Mann, aber in der Praxis sind es zu 99 Prozent Frauen, die in Karenz gehen – keinen Anspruch auf Karenzgeld hat.

Das hat, wenn es hiefür überhaupt einen zu rechtfertigenden Grund gibt, historische Gründe, denn als 1961 das Karenzgeld eingeführt wurde, war es in der Tat eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, war diese Leistung sinnvollerweise und gerechtfertigterweise an ein vorhergehendes Erwerbstätigsein gekoppelt. Aber das hat sich, wie Frau Abgeordnete Bauer ausgeführt hat, in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt. Heute wird das Karenzgeld nicht nur zu 70 Prozent, sondern, wenn man die Pensionsversicherungsleistungen mit einbezieht, liebe Frau Abgeordnete Bauer, sogar zu 75 Prozent, also zu drei Vierteln aus dem Familientopf – FLAF – bezahlt und ist daher von der Finanzierung her längst eine Familienleistung geworden.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite