Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 122

Herr Abgeordneter Stummvoll! Bei Ihnen ist es ja keine echte Opposition, deswegen sagte ich "fast keine Opposition". (Abg. Dr. Stummvoll: Sie müssen sich andienen an die grün-rote Opposition!) Es ist bei Ihnen eher Oppositionsrhetorik, die Sie uns präsentieren. (Abg. Dr. Kostelka: Wahlkampfrhetorik!) Ich fürchte, es ist keine echte Wahlkampfoppositionsrhetorik. Das haben beide Regierungsparteien – Regierungspartner sind es ja nicht, es sind eher Regierungsgegner – an sich, daß sie in Vorwahlzeiten immer zu einer ganz intensiven Oppositionsrhetorik neigen.

Herr Abgeordneter Stummvoll! Manchmal ist es ganz lohnend, sich die alten Protokolle herauszuholen. Am 7. April 1994 (Abg. Wabl: Nicht am 1. April!) – nicht am 1. April –, als das AMS ausgegliedert wurde, wie das so schön heißt, haben Sie das Wort ergriffen und unter anderem gesagt: "Und ich sage gerne auch, daß wir wissen, welche Verpflichtung und welche Verantwortung wir dadurch, daß wir als Interessenvertretung, als Wirtschaftskammer in den Organen sitzen – bis hinunter in die Bezirksebene –, übernehmen. Ich gebe auch gerne zu: Wir werden in Zukunft nicht mehr so leicht sagen können, das oder jenes funktioniert nicht, weil die anonyme Arbeitsmarktverwaltung versagt, sondern wir werden in Zukunft selber drinsitzen, mitgestalten, aber auch mitverantworten müssen." (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: Trotzdem kann ich etwas besser machen!)

Herr Abgeordneter Stummvoll! Es besteht grundsätzlich nie ein Einwand dagegen, daß jemand zu der Erkenntnis kommt, man könne etwas noch besser machen. Nur haben damals beide Regierungsparteien, auch die heutige Sozialministerin, damals Abgeordnete, gemeint: Das wird alles viel effizienter, jetzt wird nicht mehr die Arbeitslosigkeit verwaltet, jetzt wird ganz effizient vermittelt, jetzt kann man endlich die Probleme des Arbeitsmarktes lösen. – Sie haben damals in Ihrer Rede noch die Regionalisierung als Positivum erwähnt – Stummvoll wörtlich –: "Die Gewerkschaft in Zwettl oder die Handelskammer in Zwettl weiß viel besser, wie die Arbeitsmarktprobleme dort ausschauen, wie sie zu lösen sind, als irgendeiner in Wien, der glaubt, er könne diese Probleme zentral lösen." (Abg. Dr. Stummvoll: Das habe ich heute betont!)

Sie sitzen nach eigener Diktion in allen Gremien, bis hinunter in die Bezirksebene (Abg. Dr. Stummvoll: Als Minderheit!), aber für das, was dort passiert, war schon wieder nur die Sozialdemokratie verantwortlich. Also ganz so kann es nicht sein.

Herr Abgeordneter Stummvoll! Sie sagen, man könne nicht primär fördern. Da tönt immer wieder dieses üble Wort von der Hängematte mit. So lustig ist es nicht, von 7 000 S im Monat zu leben. Ich halte es überhaupt für unmöglich, wahrscheinlich können wir alle, die wir hier in diesem Raum sitzen, uns kaum vorstellen, wie frau von 7 000 S im Monat lebt. Aber, Herr Abgeordneter Stummvoll, ich vermisse diese Förderungszurückhaltung, wenn es um wirtschaftsbezogene Förderungen geht. Gerade aus dem Sozialministerium – ich hatte die Freude, das Vergnügen und die Ehre, diesen Bereich persönlich kennenzulernen – sind viele Milliarden an die Wirtschaft geflossen, ganz steuerfrei, als reine Förderungsmaßnahmen, teilweise mit geringen Erfolgen. Ich weiß, daß es auch teilweise von ÖVP-Seite – sagen wir einmal – ein heftiges Bemühen um die Gewährung dieser Förderungen gab.

Oder ich vergleiche es mit einem anderen Bereich, in dem Sie sich traditionellerweise sehr stark machen: 8,5 Milliarden Schilling für die Landwirtschaft. Die Grünen tragen das mit. Wir sind für die Erhaltung einer klein- und mittelbäuerlichen Landwirtschaft. Aber 8,5 Milliarden für die Landwirtschaft auszuschütten und trotzdem täglich 10 bis 18 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu verlieren – das heißt ein dramatischer Arbeitsplatzverlust trotz viel höherer Milliardenförderungen, als die Summe aller Arbeitslosen bezieht –, das ist keine positive Leistungsbilanz, Herr Abgeordneter Stummvoll! Sie sollten einmal in sich gehen, wie diesbezüglich Ihre Wertungen ausschauen. Ich habe den Eindruck, daß Ihr kritisches Potential erstens einmal in Vorwahlzeiten steigt, zweitens einmal dann steigt, wenn es auf Kosten des Koalitionsgegners geht, und drittens einmal nicht so ausgeprägt ist, wenn es um Förderungen geht, die tendenziell einem konservativ-schwarzen Bereich zuzurechnen sind. Das erlaube ich mir, in aller Form hier anzumerken.


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